Oberseminar Prof. Dr. Walter Pape
"Theorie der Metapher"
Sommersemester 1996
Seestr. 108
13353 Berlin
Tel. 030-4519373
E-Mail: MartinH.Eick@uni-koeln.de
2.1.1. Das Identifikationsverfahren
2.1.1.1. Metaphorische Elementarsätze
2.1.2. Absurdität und Metapher
2.1.2.1. Faktisch und notwendig absurde Sätze
2.1.2.2. Situations- und Personenabhängigkeit von Absurdität
2.2.1. Anforderungen an ein Interpretationsverfahren für Metaphern
2.2.3. Strubs Interpretationsverfahren
2.2.4. Die Leistung der Metapher
3. Konsequenzen für eine historische Metaphernbetrachtung
3.1. Blumenbergs Metaphernbegriff und die absolute Metapher
3.2. Die Systematizität der Metapher
Diese Arbeit ist die Ausarbeitung und Erweiterung eines Referates, das im Sommersemester 1996 in Köln am Seminar für neuere Deutsche Literatur in einem Oberseminar zum Thema "Theorie der Metapher" gehalten wurde.
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Es dürfte sich lohnen, auch die Fußnoten zu lesen!
Martin Eick.
Der erste Teil der vorliegenden Arbeit beschäftigt sich mit
der Theorie der Metapher, die Christian Strub in seinem Buch "Kalkulierte
Absurditäten" entwickelt. Es soll versucht werden, seinen
an der sprachanalytischen Philosophie orientierten Ansatz kritisch
darzustellen und in den weiteren Kontext anderer, verwandter Metapherntheorien
zu stellen.
Eine Konsequenz der Theorie Strubs ist es, daß die oft überzogenen
Ansprüche an die (letzten Endes so immer "geheimnisvoll"
bleibende) Macht der Metapher beschnitten werden und diese Theoretiker
sich an strengeren Maßstäben argumentativer Kohärenz
messen lassen müssen. Traditionelle Literaturtheorien und
dem, im weiten Sinne verstandenen, hermeneutischen Paradigma verpflichtete
Philosophen glauben, daß das Anlegen strengerer wissenschaftlicher
Maßstäbe durch einen Rückzug auf die Unexplizierbarkeit
des "höheren" metaphorischen Bedeutungsgehaltes
verhindert werden könne.1 Strub könnte
dem entgegen halten, daß dies auf einem Mißverständnis
der spezifischen Leistung der Metapher basiert. Es gibt nicht
die Bedeutung einer Metapher, die dann unmöglich in nicht-metaphorischer
Sprache angemessen zu fassen wäre, vielmehr geht es mit der
Metapher um einen Ansatzpunkt zu einer Betrachtung eines Sachverhaltes
von einer bestimmten Warte aus, nicht aber wird der Inhalt, das
Ergebnis dieser Sicht bereits vermittelt. Das Resultat des "Sehens"2
wird in der emphatischen (s.u.) Metapher nicht vorweggenommen,
dies bleibt der Vergleichs- oder Substitutionsmetapher vorbehalten,
die jedoch keinen solchen geheimnisvollen Status besitzt, sondern
zu recht unter die traditionellen rhetorischen Tropen zählen
kann.
Ein besseres Verständnis des "Wesens" der Metapher
trägt so nicht nur zur Klärung literaturwissenschaftlicher
Grundlagen bei, sondern hat aufklärende und aufklärerische
Funktion für die geisteswissenschaftliche Arbeit überhaupt,
da das argumentative Verfahren, das den Charakter der Geisteswissenschaften
wesentlich prägt, ein metaphorisches ist. Wenn hier Positionen
widersprochen wird, die im Zeichen der Metapher sich von intersubjektiv
überprüfbaren Ansprüchen wissenschaftlicher Sprache
abwenden, mit dem platten Verweis auf Mängel der am Exaktheitsideal
der Naturwissenschaften orientierten Forschung, so soll dies nicht
heißen, daß metaphorisches Sprechen per se den Wissenschaften
nicht angemessen wäre; vielmehr soll die Leistung der Metapher
realistischer eingeschätzt und damit vor Überschätzungen
bewahrt werden.
Im zweiten Teil der Arbeit sollen die an einer rein synchronen
Sicht der Metapher orientierten Ergebnisse des ersten Teiles unter
einer diachronen Sicht der Metapher bewährt werden. Hier
kann die oben eingeforderte Leistung der Metapher an der historischen
Gestalt der Sprache aufgezeigt werden. Weite Teile der Sprache
sind "eingefrorene", "tote" Metaphern, die
die Leitlinien für unser weiteres metaphorisches Sprechen
vorgeben, sie bilden einen bedeutenden Teil des gemeinsamen kulturellen
Gedächtnisses einer Gesellschaft.
Strub unterscheidet innerhalb der Frage: "Was ist eine Metapher?"
zwei verschiedene Gesichtspunkte: "Wie erkenne ich eine Metapher"
und "Wie verstehe ich eine Metapher?" Die erste der
beiden Fragen ist die nach der Metaphernidentifikation, die zweite
die nach der Metapherninterpretation. Beide Fragen müssen
getrennt behandelt werden, da jeweils unterschiedliche Kriterien
zur Anwendung kommen, die allerdings - wie sich zeigen wird -
aufeinander bezogen sind. Ob diesem Modell ein psychischer Prozeß
entspricht, kann hier nicht beantwortet werden, dieses Modell
beansprucht vorerst nur, eine rationale Rekonstruktion zu sein
- allein mit dem Anspruch, das zur Zeit aussagekräftigste
und präziseste Modell metaphorischen Sprechens und Verstehens
zu sein und damit zur Klärung psychischer Prozesse beizutragen.
Trotz der vorerst getrennten Behandlung der Kriterien für
Identifikation und Interpretation soll sich nach der Explikation
des Interpretationsverfahrens zeigen, daß eine Kontinuität
zwischen beiden besteht, insofern das Identifikationsverfahren
den Ansatzpunkt für das Interpretationsverfahren aufzeigt,
beide also nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern ineinander
übergehen.
Voraussetzung für das Verfahren Strubs ist, daß eine
- wenn auch durchlässige und nicht genau zu ziehende - Grenze
zwischen wörtlicher und übertragener Bedeutung3
besteht. Wir können diese Grenze vorläufig und für
unsere Zwecke ausreichend folgendermaßen ziehen: "wörtlich"
soll die Bedeutung eines Terminus heißen, wenn es eine Konvention
gibt, die die Bedeutung des Terminus festlegt, "übertragen"
soll sie heißen, wenn es keine solche Konvention gibt. Damit
haben wir es nicht nur bei Metaphern mit übertragenen Bedeutungen
zu tun, sondern auch z.B. bei Ironie, Synekdoche, Metonymie, Hyperbel
und Oxymoron. Bei diesen rhetorischen Figuren läßt
sich eine Unterscheidung zwischen "lebendigen" und "toten"
Metaphern, Metonymien usw. einführen4 - solchen, die (noch)
keine konventionelle Bedeutung haben und solchen, die bereits
eine konventionell festgelegte Bedeutung besitzen. Bei "toten",
d.h. lexikalisierten rhetorischen Figuren ist eine Anwendung des
Interpretationsverfahrens nicht mehr notwendig, das Ergebnis steht
bereits konventionell fest. Die (nicht mehr übertragene,
da konventionalisierte) Bedeutung der rhetorische Figur läßt
sich dann nur noch als übertragene gegenüber einer "ursprünglichen"
wörtlichen Bedeutung rekonstruieren, die meist direkt auf
raumzeitlich identifizierbare Gegenstände oder Verhältnisse
verweist, also konkreter ist als die übertragene.5 "Tote
Metaphern" werden hier nicht mehr als Metaphern, sondern
als Katachresen bezeichnet, ihre Betrachtung fällt nicht
eigentlich in den Bereich unserer Theorie. Sie können trotzdem
als Beispiele dienen, wenn die konventionell gewordenen Bedeutungen
als Interpretationsvorschläge oder (möglichkeiten gesehen
werden, an denen wir unser Interpretationsverfahren überprüfen
können. Im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit werden wir
häufig Katachresen als Metaphern bezeichnen, da dieser Unterschied
in der diachronen Betrachtung ausgeblendet werden kann.
Um eine Metapherntheorie überhaupt aufstellen zu können,
werden wir uns einfachen und vereinfachten Beispielen zuwenden
- metaphorischen Elementarsätzen -, die in einem ersten,
einfachen Modell metaphorischer Rede rekonstruiert werden. Diese
Elementarsätze sind in den komplexen metaphorischen Sätzen
vorausgesetzt, d.h. das Verständnis der Elementarsätze
ist Bedingung des Verständnisses der komplexeren Sätze.6
Strubs Theorie bezieht sich in erster Linie auf das, was nach
Black "emphatische Metaphern" genannt wird. Im Rahmen
einer Taxonomie der Metapher kann gezeigt werden, daß die
traditionellen Theorien der Metapherninterpretation - Substitutionstheorie
und Vergleichstheorie - Privationen einer Theorie emphatischer
Metaphern darstellen und insofern durch die Theorie erklärbar
sind.7 Der Ansatz Strubs scheint auf den ersten Blick ein rein
semantischer Ansatz zu sein. Damit würde er unter die Kritik
Searles und Davidsons8 an einem solchen Ansatz fallen. Strub geht
jedoch von einem weiten Begriff der Semantik aus,9 der pragmatische
Klärungen, die die Situation etc. betreffen, als geklärt
ansieht und somit auch von einer pragmatischen Bestimmung der
Bedeutung der Worte ausgehen kann. Es geht also um ein den pragmatischen
Kontext einbeziehendes, quasi-semantisches Verfahren zur Bestimmung
dessen, was Searle die Äußerungsbedeutung eines Satzes
nennt, im Unterschied zur "semantischen" Satzbedeutung.10
Gegen die Kritik Blacks, daß es kein Identifikationskriterium
für Metaphern geben könne, zeigt Strub, daß mit
der Absurdität des metaphorischen Elementarsatzes ein Kriterium
zur Verfügung steht, das sogar in den Interpretationsprozeß
hinein wirkt.11 Black wendet gegen die Möglichkeit
von "Identifizierungs- und Individualisierungskriterien für
metaphorische Aussagen" zweierlei ein: erstens könne
es "keine Regeln für eine 'kreative' Verletzung von
Regeln geben", ebenso, wie es "kein Lexikon für
Metaphern geben" könne, insbesondere keine "größere
Genauigkeit" dieser Kriterien. Zweitens könne "genau
dieselbe metaphorische Aussage [...] eine Reihe verschiedener
und sogar teilweise einander widersprechender 'Lektüren'
erfahren."12 Gegen beide Einwände läßt sich
erwidern, daß es bei einem Identifikationskriterium nicht
um "Regeln für eine 'kreative' Verletzung von Regeln"
geht, sondern um Regeln für eine Identifikation von Regelverletzungen,
also gerade nicht um Regeln für die ("kreative")
Produktion, sondern die Erkennung. Daß eine Regelverletzung
als solche erkannt werden kann, steht außer Frage. Es ist
also irrelevant für die Identifikation, ob es verschiedene
Lektüren (Interpretationen) einer Metapher gibt, wir müssen
sie zuerst als solche erkannt haben. Daß Metaphern als solche
zu erkennen sind, ist ebenfalls nicht fraglich, es gibt wenig
Streit darüber, welche sprachlichen Vorkommnisse in einer
bestimmten Situation als Metaphern anzusehen sind, d.h. es muß
intersubjektive Kriterien geben, nach denen wir alle weitgehend
übereinstimmend urteilen. Blacks Kritik basiert also auf
einer Vermischung von Identifikations- und Interpretationskriterien
- ob seine Kritik wenigstens das Interpretationskriterium trifft,
darf in dem Maße bezweifelt werden, in dem es Übereinstimmung
in der Interpretation von Metaphern gibt, in dem Metaphern überhaupt
verstanden werden. Die Kritik darf zumindest als ein Hinweis darauf
gewertet werden, daß die fraglichen Kriterien so weit sein
müssen, nicht nur eine "objektive" Interpretation
zuzulassen, sondern verschiedene, wie sich zeigen wird, vom Kenntnisstand
und der Kreativität des Interpreten abhängige (aber
trotzdem unabhängig von ihm "richtige") Interpretationen
möglich sind.
"Tausend sehen die Nonsense eines Satzes ein ohne imstande
zu sein noch Fähigkeit zu besitzen ihn förmlich zu widerlegen."
C. G. Lichtenberg, Sudelbücher, F 860.
Um sich dem komplexen Thema der Metapher überhaupt nähern
zu können, dürfen wir nicht jedes beliebige Exemplar
einer Metapher als Ausgangspunkt der Betrachtung nehmen, sondern
müssen versuchen, das Phänomen in einer "Reinform"
zu erhalten, da wir sonst möglicherweise nicht zum "Wesen"
gehöriges in die Definition des "Wesens" der Metapher
einfließen lassen. Wir dürfen andererseits auch nicht
einen "Fall der echten Metapher, der allein paradigmatisch
ist"13 einfach festlegen, wie es Ricoer
macht, sondern müssen nach unabhängigen Kriterien suchen.
Strub orientiert sich an der Sprachphilosophie P. F. Strawsons,14
der die grundlegende sprachliche Einheit in der Prädikation
sieht, die einem Gegenstand (das Thema, z.B. "Der Wald"
) einem Prädikat (eine Eigenschaft, z.B. "ist still"
oder "hat ein grünes Dach") zuordnet: das Prädikat
sagt etwas über den Gegenstand aus. Wollen wir also die grundlegenden
Einheiten der Metapher betrachten, müssen wir sie auf diese
Struktur zurückführen. Daraus ergibt sich der metaphorische
Elementarsatz, in dem ein nicht-metaphorischer Terminusals "Thema"
des Satzes einem metaphorischen Terminusals Prädikat gegenübersteht.
Alle anderen Fälle von Metaphern können auf diese Struktur
zurückgeführt werden, indem komplexere metaphorische
Strukturen logisch so analysiert werden, daß diejenigen
metaphorischen Elementarsätze, die im Ursprungssatz vorausgesetzt
werden, sichtbar werden. So könnte z.B. "Da steht der
Tod, ein bläulicher Absud / in einer Tasse ohne Untersatz"15
in die Elementarsätze (a) "Der Tod steht da", (b)
"Der Tod ist ein Absud", (c) "Der Tod ist bläulich",
(d) "Der Tod ist in einer Tasse" und (e) "Der Tod
hat keinen Untersatz"16 aufgespalten werden - unter Vernachlässigung
des ästhetischen Aspektes, der durch die Schachtelung zustande
kommt, für die Metapher aber unwesentlich ist.Ein metaphorischer
Satz wird so umgeformt, daß der metaphorische Terminus17
an Prädikatstelle steht und der nicht-metaphorische Terminus
an Subjektstelle. Strub zeigt, daß alle Metaphern mittels
weniger Reduktionsregeln in diese Form gebracht werden können,18
so daß ein nicht-metaphorischer (Subjekt-) Terminus einem
metaphorischen (Prädikat-) Terminus gegenübersteht.
Der "kanonische" metaphorische Elementarsatz soll nach
Strub aus folgenden Teilen bestehen:
- einer Nominalphrase, d.i. hier: ein beliebig quantifiziertes
Nomen (d.h. kein Eigenname19 ), das nicht zusammengesetzt ist,
und
Beispiele für solche Elementarsätze wären dann:
"Der Stuhl lachte."
Wenn wir im folgenden von Sätzen sprechen, dann ist immer
von Elementarsätzen die Rede, auch wenn nicht-metaphorische
oder nicht-absurde Sätze gemeint sind.Wenn wir einen (nicht
elementaren) Satz in die Form eines metaphorischen Elementarsatzes
gebracht haben, kann es keine metaphorischen Subjekte geben. Sollte
im Reduktionsverfahren ein metaphorisches Subjekt auftauchen,
ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen. In Sätzen wie
"Der Berg [gemeint ist: eine große, muskulöse
Person] sah mich traurig an" besteht die Inkompatibilität
- die unten als Identifikationskriterium erwiesen wird - zwar
innerhalb einer rein semantischen, wörtlichen Analyse auch
zwischen dem metaphorischen "Berg" und dem nicht-metaphorischen
"sah", die zugrundeliegende Metapher ist aber "Eine
Person ist ein Berg", womit sich der Satz nach Einbeziehung
des Kontextes zu dem nicht-metaphorischen Satz "Eine Person
sah mich traurig an" auflöst.21
Ausgehend von den Beobachtungen M.C. Beardsleys und N. Goodmans,
die Metaphern als "metaphorische Verdrehung" oder "Kategorienfehler"
interpretieren, formuliert Strub das Kriterium der Identifikation
von Metaphern als "kalkulierte Absurdität". Ein
metaphorischer Satz enthält also einen Kategorienfehler,
d.h. eine absurde Prädikation: Kategoriengrenzen werden bewußt
überschritten. Diese Kategoriengrenzen lassen sich als semantische
Regeln formulieren, die in nicht-absurden, sinnvollen Sätzen
nicht verletzt werden dürfen. Werden sie doch verletzt, liegt
entweder einfach ein Fehler vor, oder eine rhetorische Figur:
Ironie, Metonymie, Synekdoche, Metapher usw. Die Frage ist nun,
wie unterscheide ich einerseits, was ein unwillkürlicher
und was ein absichtsvoller Fehler ist; andererseits, was eine
Metapher und was eine der anderen rhetorischen Figuren sein soll.
Wir werden also untersuchen müssen, welche Art semantischen
Fehler die Metapher darstellt und wie sie sich von den anderen
Figuren unterscheidet.
Im folgenden werden Kriterien für semantische Fehler oder
Abweichungen aufgestellt, und damit für die Absurdität
von Sätzen. Aufgrund eines Problems mit der Bestimmtheit
sprachlicher Regeln (es gibt nicht nur einen allgemeingültigen
Satz sprachlicher Regeln, diese können regional, individuell
und historisch unterschiedlich sein) formuliert Strub die fraglichen
Regeln für eine "Punktsprache", d.h. den Idiolekt
einer einzelnen Person - praktischerweise den Sprecher oder Hörer
einer Situation, in der eine Metapher geäußert wird.
Wir werden der Klarheit halber diese Einschränkung vernachlässigen
und so tun, als wären für alle Sprecher einer Sprechergemeinschaft
die gleichen sprachlichen Regeln gültig.
In einer weiteren, oben bereits erwähnten, Hinsicht ist diese
Theorie in der vorgebrachten Form eine Idealisierung: wir setzen
einen abgeschlossenen Prozeß der pragmatischen Klärung
situationsabhängiger Referenzen voraus, so daß der
Prozeß der Metaphernidentifizierung und -interpretation
formal als ein semantischer erscheinen kann. Wie wir oben bereits
erwähnten, muß der Prozeß tatsächlich zwischen
Semantik und Pragmatik angesiedelt werden. Dies schränkt
jedoch die Gültigkeit der Theorie nicht ein.
Wenn der Prozeß der Metaphernidentifizierung also als ein
semantischer beschreibbar ist, muß auch der Kategorienfehler,
der die Metapher erkennbar machen soll, semantisch beschreibbar
sein. Wir müssen im Blick auf die Metapher zwischen einfachen,
unbeabsichtigten Fehlern und bewußten Überschreitungen
von semantischen Regeln (Kategoriengrenzen) unterscheiden können:
(Ü) Wenn ein Satz S1 als fehlerhaft bezeichnet wird, dann
gibt es eine Regel, in Bezug auf die S1 fehlerhaft ist.
Wenn ein Satz S2 überschreitend ist, dann ist S2 fehlerhaft
und es gibt eine Regel, eine Sprechsituation oder einen sprachlichen
Kontext, in Bezug auf die S2 nicht fehlerhaft (sondern fruchtbar)
ist.22
Unter der Voraussetzung der These, daß
eine Metapher an den Kontext gebunden ist in dem sie erscheint23
können wir also vorläufig für eine Metapher mindestens
folgende Regel formulieren:
(M) Wird ein semantisch anomaler Satz in einem bestimmten Kontext
als Metapher bezeichnet, gibt es
Wir werden nun einige Formen semantischer Fehler betrachten, die
zueinander in Beziehung stehen, mit dem Ziel, ein angemessenes
Kriterium für Absurdität zu erhalten.
Strub exemplifiziert die verschiedenen Formen semantischer Fehler
an folgenden Sätzen:
(1) Der Tisch ist braun und nicht braun.
Diese Sätze sind alle auf die ein oder andere Weise offensichtlich
falsch (Satz (6) kann man unterschiedlich interpretieren, warum
werden wir noch sehen), es werden semantische Regeln verletzt,
die wir bereits kennen, d.h. wir müssen diese Sätze
i.d.R. nicht erst an der Realität überprüfen, um
ihre Falschheit zu erweisen.
Der Satz (1) ist formal widersprüchlich. Diese Widersprüchlichkeit
ist unabhängig von der Bedeutung seiner kategorematischen
Ausdrücke ("Tisch" und "braun"), seine
Widersprüchlichkeit ist formal
Die Sätze (2) und (3) sind material (selbst-) widersprüchlich.26
Um ihre Widersprüchlichkeit erkennen zu können, muß
man die sprachliche Bedeutung der Ausdrücke kennen. Die Bedeutung
des einen Ausdruckes im Satz impliziert die Negation des anderen.Zur
Unterscheidung der Art der Widersprüchlichkeit der Sätze
(1)-(3) müssen wir näher klären, was mit "impliziert"
gemeint ist:
(Imp) A ist ein begriffliches Implikat von B (B=>A), wenn gilt:
kommt in einem Satz B vor und der Satz ist wahr, dann muß
der Satz, in dem B durch A ersetzt ist, notwendigerweise auch
wahr sein. Ein Zustand der Welt, der durch "-A&B"
beschrieben ist, ist unmöglich.27
Ein Satz verletzt die begrifflichen Implikate eines seiner Termini,
wenn er auf einen formal widersprüchlichen Satz zurückgeführt
werden kann, indem für einen oder beide der kategorematischen
Termini (in einem Elementarsatz) das jeweilige begriffliche Implikat
eingesetzt wird.Wenn z.B. "Junggeselle" als begriffliches
Implikat "nicht verheiratet" hat, dann können wir
den Satz (2) folgendermaßen umformen:
(2) Er ist Junggeselle und verheiratet.
Für den Satz (3) müssen wir das begriffliche Implikat
von "Würfel", "hat 12 Kanten", erst umformen
in "hat keine 16 Kanten", damit der Widerspruch offensichtlich
wird:
(3) Dies ist ein Würfel mit 16 Kanten.
Die Sätze (2) und (3) werden üblicherweise nicht als
absurd empfunden, Satz (9) dagegen könnte als Prototyp eines
absurden Satzes gelten. Im weiten Sinne könnte man auch die
materiell widersprüchlichen Sätze als absurd bezeichnen,
daher unterscheiden wir zwischen einem engen und einem weiten
Kriterium für Absurdität. Das weite Kriterium soll alle
Formen von "Kategorienfehlern" umfassen, also am Ende
des Abschnittes stehen, das enge Kriterium soll im folgenden gefunden
werden. Jeder absurde Satz kann auf einen materiell widersprüchlichen
Satz zurückgeführt werden, materiell widersprüchliche
Sätze sind auf formal widersprüchliche Sätze zurückführbar.
Zwar impliziert "Die Zahl 5" begrifflich nicht direkt
"nicht grün", aber die begrifflichen Implikate
beider Termini widersprechen sich materiell, der Satz ist indirekt
selbstwidersprüchlich:
(9) Die Zahl 5 ist grün.
Um zwischen der materialen Widersprüchlichkeit und der Absurdität
im engen Sinn unterscheiden zu können, müssen wir den
Unterschied zwischen interner und externer Negation einführen.
Am Beispiel des Satzes (9):
Der Unterschied wird in logischer Notation deutlich:
(10'): V(x) [(x=5) & -grün(x)] (Interne Negation)
(10''): -V(x) [(x=5) & grün(x)] (Externe Negation)
Die interne Negation verneint nur einen Teil des Satzes. Dieser
Teil kann durch etwas aus der gleichen "Kategorie" ersetzt
werden, es könnte eine Klausel angehängt werden, die
angibt, was stattdessen gemeint ist ("sondern blau"),
der Satz bleibt absurd. Die externe Negation verneint den Satz
als ganzes, der resultierende Satz ist wahr, die Absurdität
ist aufgehoben.
Diese Unterscheidung können wir wie folgt formulieren:
(A) Ein Satz ist dann absurd, wenn durch ihn begriffliche Implikate
seiner Termini verletzt sind und wenn die (interne) Negation eines
der beiden Termini seine [vermutete] Absurdität nicht aufhebt.
(S) Ein Satz ist dann material widersprüchlich, wenn durch
ihn begriffliche Implikate seiner Termini verletzt sind. Die (interne)
Negation eines seiner Termini macht ihn zu einem wahren Satz.28
Innerhalb der als absurd (im engen Sinn) bestimmten Sätze
können wir noch zwischen faktisch und notwendig absurden
Sätzen29 unterscheiden. Dies trifft auf
die Sätze (7) und (8) zu.
(7) Tiger sind Computer.
Diese Sätze sind nicht im strengen Sinn notwendig falsch,
wie es die absurden und material widersprüchlichen Sätze
sind (es wäre prinzipiell möglich, einen Füller
aus Käse herzustellen, aber es ist prinzipiell unmöglich,
daß es irgendwo eine Zahl gibt, die grün ist). Auch
diese Sätze sind "offensichtlich falsch", sie sind
natürlich empirisch falsch, aber nicht direkt formal (wie
Satz (1)) oder indirekt widersprüchlich (wie die Sätze
(2), (3) und (9)). Dennoch sind sie in einem gewissen Sinn notwendig
falsch, obwohl Situationen denkbar sind, in denen sie wahr sind
(s.o.).Damit kann der strenge Notwendigkeitsbegriff (wahr in allen
möglichen Welten) nicht mehr auf sie zutreffen.
Offensichtlich falsche Sätze dieser Art können auch
als absurd gelten. In sie geht ein Weltwissen ein, das sie als
völlig unwahrscheinlich erscheinen läßt.
Um diese Sätze von den bisher als absurd bezeichneten unterscheiden
zu können, müssen wir den Begriff der Präsupposition
einführen. Präsuppositionen sind den begrifflichen Implikaten
ähnlich, jedoch schwächer, was den Notwendigkeitsbegriff
betrifft.
(Präsupposition) Eine Präsupposition ist ein Merkmal
von Gegenständen oder Zuständen, deren Kenntnis vom
Wissen des Sprechers her als notwendige Bedingung für die
korrekte Anwendung eines entsprechenden Terminus in dessen Bedeutung
eingegangen ist und kein begriffliches Implikat ist.
Damit ergibt sich eine Unterscheidung zwischen notwendig und faktisch
indirekt (selbst-) widersprüchlichen Sätzen. Die Sätze
(7) und (8) sind zwar falsch, aber nicht im normalen Sinne falsch,
da sie keine Sätze sind, die in der Erfahrungswelt des Sprechers
jemals wahr werden könnten. Deshalb ist ihre interne Negation
wie bei den absurden Sätzen ebenfalls offensichtlich falsch.
(7') Tiger sind nicht Computer, sondern Fernseher.
Die im Sinne des engen Kriteriums für Absurdität (A)
absurden Sätze werden jetzt als notwendig indirekt widersprüchliche
Sätze klassifiziert, die offensichtlich falschen Sätze
als faktisch indirekt widersprüchliche Sätze, da sie
nur bezüglich dieser Welt30 und der Kenntnis des Sprechers
oder Hörers indirekt widersprüchlich sind.Der Selbstwiderspruch
im Fall der faktisch absurden Sätze wird ähnlich wie
oben bestimmt:
(8) Füller sind aus Käse.
Die hier getroffene Differenzierung läßt sich explizit
fassen:
Notwendig indirekt widersprüchliche (= notwendig absurde)
Sätze
Faktisch indirekt widersprüchliche (= faktisch absurde)
Sätze
Die Unterscheidung zwischen Notwendigkeit und Faktizität
der Falschheit läßt sich bezüglich der material
widersprüchlichen Sätze wiederholen. Wir erhalten:
Notwendig material widersprüchliche Sätze
Faktisch material widersprüchliche Sätze
Die Sätze (7) und (8) lassen sich wiederum voneinander abheben,31
indem man die "Dingklassen", um die es in den Sätzen
geht, anhand der Präsuppositionen unterscheidet. Im Fall
des Satzes (7) handelt es sich beim 'Thema' des Satzes - "Tiger"
- um ein Substantiv, das auf einen Gegenstände referiert,
die zu einer "natural kind"32 gehören, also einer
sprachunabhängigen Klasse von Gegenständen. Das Subjekt
des Satzes (8) dagegen referiert auf ein Ding der Klasse der "nominal
kinds", sprachabhängiger Gegenstände, wozu alle
Artefakte gehören. "Natural kind"-Termini haben
die gleiche Extension in allen möglichen Welten und sind
unabhängig von ihrer Beschreibung notwendigerweise das, was
sie sind. "Nominal kind"-Termini andererseits sind abhängig
von ihrer Beschreibung und können in ihrer Extension variieren.
Selbstwidersprüchliche Sätze, die "natural kind"-Termini
enthalten, sind notwendigerweise empirisch falsch bzw. widersprüchlich,
da sie in allen möglichen Welten falsch sind.33 Sätze
wie (7) könnte man also als notwendig empirisch widersprüchliche
Sätze bezeichnen, Sätze wie (8) als kontingent empirisch
widersprüchliche Sätze. Sätze der Art wie (9) sind
a priori selbstwidersprüchlich.
An Sätzen des Typs (8) wird deutlich, daß die Grenzen
zwischen Absurdität und Falschheit sowie die Grenzen zwischen
den verschiedenen Arten von Kategorienfehlern abhängig von
den Kenntnissen des Sprechers, des Hörers und der Situation
insgesamt gezogen werden müssen. Wir können die Absurditätskriterien
so umformulieren, daß die Abhängigkeit von der Situation
offensichtlich wird. Dazu fragen wir nach dem faktischen Wissen
von Sprecher und Hörer. P. F. Strawson hat hierzu ein Prinzip
der Annahme von Kenntnis (Principle of the Presumption of Knowledge)
bzw. der Unkenntnis formuliert:
(P) Ebenso, wie man oft behaupten könnte, daß ein Sprecher
eine Hörerschaft über eine bestimmte Sache informieren
will, wenn er deren Unkenntnis bezüglich dieses Punktes voraussetzt,
könnte man oft sagen, er wolle sie gerade über diese
Sache informieren, wenn er bestimmtes empirisches Wissen bei den
Hörern voraussetzt.34
Wird die Metapher abhängig von tatsächlichem Wissen
des Sprechers und Hörers formuliert, wird die Intuition eingelöst,
daß das Verständnis von Metaphern abhängig ist
von der Kultur, in der sie geäußert wird, vom historischen
Zeitpunkt und insbesondere vom Kenntnisstand des Hörers.
Bezieht man diesen Zusammenhang in die Absurditätskriterien
für offensichtlich falsche und faktisch material widersprüchliche
Sätze ein, dann lauten sie:
(AFP) Wenn Sprecher A einen von Sprecher B geäußerten
Satz als absurd bezeichnet, heißt dies, daß
(SFP) Wenn Sprecher A einen von Sprecher B geäußerten
Satz als faktisch material widersprüchlich bezeichnet, dann
heißt dies, daß
Aus diesen Definitionen können leicht die entsprechenden
(ANP) und (SNP) gewonnen werden, wenn "Kenntnis bestimmter
empirischer Tatsachen" durch "Kenntnis bestimmter begrifflicher
Implikate" respektive "Kenntnis von in unserer Erfahrungswelt
allgemeingültigen Präsuppositionen" ersetzt wird.
Jedoch ist die Explikation dieser Definitionen mit Bezug auf zwei
Sprecher unnötig, da sie notwendig falsch sind und daher
unabhängig von einem Wissen eines Sprechers oder einer Sprechergemeinschaft
absurd oder widersprüchlich.
Nun kann auch verständlich werden, wieso ein Satz wie:
(6) Wittgenstein war Amerikaner.
auch als Metapher aufgefaßt werden kann. In seiner aus dem
Kontext gerissenen Form scheint er ein normal, d.h. empirisch
falscher Satz zu sein, in einem anderen Kontext könnte er
als faktisch material widersprüchlicher Satz (SF) gelten.
Als Beispiel ließe sich eine Situation konstruieren, in
der sich zwei Philosophen - A und B - unterhalten, und B den Satz
(6) gegenüber A äußert. Da B annimmt, daß
A weiß, daß Wittgenstein kein Amerikaner, sondern
Österreicher war, will er A durch diese Äußerung
zu verstehen geben, daß Wittgensteins Philosophie einem
anglo-amerikanischen Traditionsstrang der Philosophie zuzurechnen
sei und dies so formuliert, daß Wittgenstein selbst "seinem
Wesen nach" Amerikaner sei. Wir haben hier die beiden Bedingungen
(a) und (b) von (SFP) erfüllt. Es zeigt sich, daß eine
strikte Grenzziehung zwischen faktisch selbstwidersprüchlichen
Sätzen und empirisch falschen Sätzen aus prinzipiellen
Gründen nicht möglich ist, die Grenze aber sehr wohl
situationsabhängig genau angegeben werden kann.
Wir können das Ergebnis der Untersuchungen Strubs in zwei
Schritten zusammenfassen (wobei wir die Erörterungen zu (P)
außer acht lassen, da sie nur eine Neuformulierung darstellen).
(ABS) Sätze sind dann (im weiten Sinne) absurd, wenn sie
entweder (AN), (AF), (SN) oder (SF) sind.37
Nimmt man diese Formulierung zur Grundlage, so ist eine notwendige
Bedingung für den Begriff "Metapher" geklärt,
die Absurdität. Jedoch ist die Explikation des Begriffs "absurd"
für die Identifikation von Metaphern zwar notwendig, aber
noch nicht hinreichend. Wir hatten oben gezeigt, daß im
richtigen Kontext fast jeder empirisch falsche Satz als Metapher
gelten kann. Auf der anderen Seite ist es so, daß jede Metapher,
die einen im engen Sinne (AN oder AF) absurden Satz enthält,
auch als bloß absurd und d.h. als semantischer Fehler (der
nicht "fruchtbar" ist) aufgefaßt werden kann.
Darüber hinaus überschneidet sich die Metapher wesentlich
mit dem Paradox:
4.11.1996
1. Einleitung: Metapher und Wissenschaft
2. Theorie der Metapher
2.1 Metaphernidentifikation
2.1.1. Das Identifikationsverfahren
2.1.1.1. Metaphorische Elementarsätze
- einer Verbalphrase, d.i. hier:
- ein nicht erweitertes Vollverb, oder
- eine Kopula mit nicht-zusammengesetztem Prädikatsnomen.
- Notwendige nicht-metaphorische Ergänzungen des Verbs sind
zugelassen.20
- Die Verbalphrase kann negiert sein.
"Die Frage fängt kein Feuer."
"Die Seele ist aus Schokolade."
2.1.2. Absurdität und Metapher
1. eine in diesem Kontext geltende Regel, die verletzt wird, und
2. eine im selben Kontext geltende sprachliche Regel, die die
Fruchtbarkeit der Metapher zeigt.24
(2) Er ist Junggeselle und verheiratet.
(3) Dies ist ein Würfel mit 16 Kanten.
[...]
(6) Wittgenstein war Amerikaner.
(7) Tiger sind Computer.
(8) Füller sind aus Emmentaler Käse.
(9) Die Zahl 5 ist grün.25
( V(t) Tisch(t) & braun(t) & -braun(t) ) offensichtlich.
(2') Er ist nicht verheiratet und verheiratet.
(3') Dies hat keine 16 Kanten und hat 16 Kanten.
Begriffliches Implikat von "ist grün" ist "ist
farbig", dies wiederum impliziert begrifflich "ist sichtbar"
und dies "ist ein materielles Ding".
Der Satz (9) impliziert also den Satz
(9') Die Zahl 5 ist ein materielles Ding.
Begriffliches Implikat von "Zahl 5" ist "ist nicht-materiell".
(9'') Etwas nicht-materielles ist ein materielles Ding.
(10') Die Zahl 5 ist nicht grün (, sondern blau).
(10'') Es ist nicht der Fall, daß die Zahl 5 grün ist.
2.1.2.1. Faktisch und notwendig absurde
Sätze
(8) Füller sind aus Emmentaler Käse.
Präsupposition 1: Käse besteht aus organischem Material.
(8') Füller sind aus organischem Material.
Präsupposition 2: Füller bestehen aus nicht-organischem
Material.
(8'') Etwas, das aus nicht-organischem Material besteht, besteht
aus organischem Material.
(AN) Ein Satz ist dann notwendig indirekt widersprüchlich,
wenn durch ihn begriffliche Implikate seiner Termini verletzt
sind und die (interne) Negation eines Terminus die Absurdität
nicht aufhebt.
(AF) Ein Satz ist dann offensichtlich falsch bzw. faktisch
indirekt widersprüchlich, wenn durch ihn Präsuppositionen
einer seiner Termini verletzt sind und die (interne) Negation
eines Terminus die Absurdität nicht aufhebt.
(SN) Ein Satz ist dann notwendig material widersprüchlich,
wenn durch ihn begriffliche Implikate seiner Termini verletzt
sind und die (interne) Negation eines Terminus ihn zu einem faktisch
wahren Satz macht.
(SF) Ein Satz ist dann faktisch material widersprüchlich,
wenn durch ihn Präsuppositionen seiner Termini verletzt sind.
Die (interne) Negation eines Terminus macht ihn zu einem faktisch
wahren Satz.
2.1.2.2. Situations- und Personenabhängigkeit
von Absurdität
(a) die relevanten Kenntnisse, die B bei A voraussetzt unverträglich
sind mit den relevanten empirischen Kenntnissen, die A tatsächlich
besitzt;
(b) die interne Negation des Satzes durch A für A die Absurdität
nicht aufhebt;
(c) A den Satz mit seinen Kenntnissen auf einen faktisch material
widersprüchlichen zurückführen kann.35
(a) die Kenntnisse bestimmter empirischer Tatsachen, die B bei
A voraussetzt, unverträglich sind mit der Kenntnis bestimmter
empirischer Tatsachen, die A wirklich besitzt;
(b) die interne Negation des von B geäußerten Satzes
die Absurdität aufhebt.36
2.1.2.3. Metapher und Paradox
Metapher | Paradoxon | ||||
---|---|---|---|---|---|
AN | X | ||||
AF | X | ||||
SN | X | X | |||
SF | X | X | |||
formal widersprl. | X | X |
Die Definition der Metapher muß also erweitert werden. Die Hypothese Strubs war, daß die Metapher eine "kalkulierte Absurdität" ist, d.h. das Äußern des absurden Satzes muß vom Sprecher beabsichtigt gewesen sein, um eine Interpretationsverpflichtung seitens des Hörers einzuholen. Diese These ist jedoch nicht einlösbar, da es keine direkten Kriterien dafür geben kann, wann etwas beabsichtigt ist, wir müssen sekundäre Kriterien haben, die uns darauf schließen lassen oder es nahelegen, daß die Äußerung in dieser Form intendiert war.
Eine Metapher muß dann ein als im weiten Sinne absurd identifizierbarer Satz sein, auf den erfolgreich ein Interpretationsverfahren angewandt werden kann, d.h. ein Ergebnis erzielt werden kann, das sinnvoll in einen Text oder eine Situation integrierbar ist.38 Die Differenzierung zwischen Paradox und Metapher kann daher nur abhängig vom Kontext und der möglichen Interpretation der Metapher erfolgen. Wir können also die Aussage, daß die Metapher eine "kalkulierte Absurdität" bzw. besser eine als Metapher interpretierbare Absurdität sei, als Aussage darüber fassen, was eine Metapher ist, nicht aber, wie eine Metapher eindeutig zu identifizieren ist.39
"Neue Blicke durch die alten Löcher."
Lichtenberg, Sudelbücher, F871.
Strub entwickelt aus übergeordneten theoretischen Überlegungen zu einer Metapherntheorie (die wir hier nicht nachvollziehen können) einige Postulate an ein Interpretationsverfahren. Damit die spezifische Form dieses Verfahrens verständlich werden kann, wollen wir hier kurz die wichtigsten Punkte zusammenfassen.40 Wesentlich ergeben sich diese Forderungen aus der Kontinuitätsthese, die als der Versuch anzusehen ist, die Absurdität nicht nur als ein diagnostisches Merkmal, sondern - mit Beardsley und Ricoer als Paten - auch für die Interpretation der Metapher konstitutiv einzuführen.41 . Die Kontinuitätsthese soll verbürgen (wie oben, Abschnitt 2, erwähnt), daß die Ergebnisse des Identifikationsverfahrens auf das Interpretationsverfahren übertragen werden. Es ist insofern die Verwirklichung des theoretischen Ideals der Einfachheit in Strubs Theorie.42 Insbesondere soll geklärt werden, ob der Zusammenhang zwischen der emphatischen Leistung der Metapher und der Absurdität überhaupt besteht; der Elementarsatz und die Asymmetrie43 sollen erhalten bleiben; es muß ein für die Interpretation konstitutiver Zusammenhang zwischen wörtlicher und übertragener Ebene der Bedeutung hergestellt werden. Über die Kontinuitätsthese hinaus soll erklärt werden, wie emphatische Metaphern als Repräsentanten der eigenständigen Leistung der Metapher funktionieren können, und die spezifische Leistung der Metapher soll als kognitive und nicht emotive ausgezeichnet werden.
Black beschreibt die emphatische Metapher so:
Eine metaphorische Äußerung ist in dem von mir intendierten Sinn emphatisch in dem Maße, wie ihr Produzent weder eine Variation noch einen Austausch der gebrauchten Wörter zuläßt -besonders nicht für das, was ich in der Metapher den Fokus [d.h. der metaphorische Term] genannt habe [...].Überzeugende Gegenstücke zu "emphatisch" wären entbehrlich, beliebig, schmückend und ornamental.44
Das "Gegenstück" zu emphatischen Metaphern wäre also genau die Metapher, wie sie in der klassischen Rhetorik verstanden wurde, als Substitutions- oder Vergleichsmetapher, in der die Metapher gerade vollständig ersetzbar oder paraphrasierbar ist. Das Phänomen, das dazu führt, emphatischen Metaphern so einzigartige Eigenschaften zuzuschreiben, könnte folgendes sein:
Emphatische Metaphern verlangen, daß man sich näher wegen ihrer unausgesprochenen Implikationen mit ihnen beschäftigt: ihre Produzenten brauchen die Mitarbeit des Rezipienten zur Wahrnehmung dessen, was hinter den verwendeten Wörtern steht.45
Black nennt dieses Phänomen "Resonanz", wir werden es im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit näher betrachten. Dort werden Metaphern, die ein systematisches Ganzes an Implikationen bilden, zu Metaphernfeldern zusammengefaßt. Z.B. bilden die (toten also katachretischen) Metaphern "Der fundamentale Gedanke seiner Theorie", "Ein wackliges Argument", "Seine Argumentation ist zusammengebrochen", "Das Argument baut auf den Fundamenten einer anderen Theorie auf" usw. das Metaphernfeld "Argumente/Theorien sind Gebäude". Diese letzte Metapher kann also besonders resonant genannt werden. Sieht man sich die Belege Lakoff und Johnsons46 an, so scheint einiges dagegen zu sprechen, daß emphatische Metaphern bloß das Resultat einer innertheoretischen Entscheidung seien, wie Strub es betont.47
(Siehe hierzu 0. Bemerkung zur WWW-Version!)
Um nun das Interpretationsverfahren erläutern zu können, müssen wir zuerst einige Begriffe einführen.48 Ein Satz in dem Sinne, wie wir de Begriff hier verwenden, nämlich als Elementarsatz, ist, da er keine Konnektive wie "und" oder "weil" enthält, im wesentlichen aus generellen Termini aufgebaut. Generelle Termini - wir werden sie durch kleine lateinische Buchstaben (f, g, h, ...) symbolisieren - sind allgemeine Begriffe wie "Stuhl", "Elend", "Lachen" oder "Lautverschiebung", die Eigenschaften . fügt man einem generellen Terminus einen Quantor wie "einige", "dies", "ein" oder "fünfhundert" bei, haben wir einen singulären Term, der etwas individuell bestimmtes bezeichnet. Eine Verbindung aus einem singulären Terminus und einem generellen Terminus nennen wir "Sachverhalt", er entspricht unserem Elementarsatz. Die Quantifizierung soll in unserem Zusammenhang keine Rolle spielen, daher können wir einen Elementarsatz als s(f, g)49 symbolisieren, d.h. in Worten: der Satz aus dem singulären Terminus "f" und dem generellen Terminus "g"; oder "f ist g". Dies kann z.B. bedeuten "Der Stuhl lacht" oder "Diese Lautverschiebung ist ein Elend" (daß hier auch im Prädikat, das einen generellen Terminus enthalten soll, der unbestimmte Artikel auftaucht, soll uns nicht weiter stören). Singuläre Termini an Subjektstelle spezifizieren nun einen Gegenstand (FD, GD, HD, ...) bzw. ein Ding, wie Strub es nennt. Dinge und Eigenschaften (FE, GE, HE, ...) zusammen heißen Sachen (FS, GS, HS, ...). Generelle Termini spezifizieren Sachen. Ein genereller Terminus an Prädikatstelle spezifiziert eine Eigenschaft. Ein Sachverhalt liegt dann vor, wenn wir einen Satz s(f, g) haben, der besagt, daß ein Gegenstand eine Eigenschaft exemplifiziert. Termini besitzen Bedeutungen (B(f), B(g), B(h), ...) mit Bedeutungsmerkmalen bzw. Strukturteilen (B1(f), B2(f), ..., B1(g), B2(g), ...).
Dieses Verfahren ist als eine "Skizze einer Unähnlichkeitstheorie der Metapher"50 zu verstehen, daher bedarf einiges noch substanzieller Überarbeitung. Trotzdem ist das Verfahren insgesamt eine der präzisesten Ausarbeitungen der Metapherninterpretation im Rahmen einer allgemeinen Theorie der Metapher.
Erster Schritt des Interpretationsverfahrens: Bilden eines Parallelismusprädikates.51 Der metaphorische Elementarsatz s(f, g) wird so aufgelöst, daß aus den in Adjektive umgewandelten Subjekt- (f) und Prädikattermini (g) ein Parallelismusprädikat (P-Prädikat: f'//g') erstellt wird, das die ganze Information des Satzes in sich bewahrt und die Absurdität vorerst "aufhebt".52 Den Grund für diesen Schritt beschreibt Strub so:
Das Eigentümliche des P-Prädikates ist dies, daß es dem durch das Subjekt spezifizierten topic nicht zwei getrennte Eigenschaften zuschreibt, die dann in irgendeiner Weise als verknüpfbar dargestellt werden (dann wäre man wieder beim tertium comparationis), sondern eine Eigenschaft zuschreibt, die als Element zwei Eigenschaften hat, die gerade als unter den Bedingungen der faktischen Erfahrung des Sprechers oder irgendeiner Erfahrung überhaupt als nicht verknüpfbar dargestellt werden.53
Das P-Prädikat soll also als Ansatzpunkt für die Metapherninterpretation einen Terminus liefern, der einen Vergleich ersetzt, aber so, daß die Inkompatibilität der beiden Begriffe nicht aufgelöst, sondern aufbewahrt wird, und zwei vorerst gleichberechtigte Bereiche entwickelt werden können, um das Aufgehen in einem Vergleich oder einer Analogie zu verhindern.
Aus "Ein Buch ist ein Labyrinth" würde dann "Ein Buch ist buchhaft//labyrinthisch"; "Die Gesundheit ist ansteckend" (Lichtenberg, J477) wird zu "Die Gesundheit ist gesund//ansteckend".
Zweiter Schritt: Anreicherung der beiden Teile des P-Prädikates.
Für die beiden Teile des P-Prädikates werden jeweils getrennt die Bedeutungsstrukturen entwickelt (B(f) und B(g)), indem ihre Bedeutungskerne, Denotationen, Konnotationen, Assoziationen aufgelistet und die Bezüge, d.h. die innere Struktur zwischen diesen Bedeutungsteilen, expliziert werden (Blacks "System miteinander assoziierter Gemeinplätze" oder "Implikationszusammenhang" und Beardsleys "Konnotationen"54 ). Durch die separate Behandlung der Teile des P-Prädikates soll der Inkompatibilität der Termini Rechnung getragen werden.55
Dritter Schritt: Paraphrasieren der Metaphernelemente.56 Es wird versucht, die Bedeutungsstrukturen der beiden Termini zueinander in Beziehung zu setzen, indem Paraphrasen der Metapher erstellt werden. Die zentrale These von Strubs Unähnlichkeitstheorie ist, "daß für den Metapherninterpreten genau diese Strukturdiskrepanzen und nicht die Strukturgleichheiten wichtig sind".57 Wir versuchen, in beiden Bedeutungsstrukturen einen Strukturteil zu finden, der "in beiden Bereichen bekannt ist und in wohlbestimmter Weise auf beide angewandt werden" kann.58 Die Gegenstände (FD und GD), auf die die Termini f und g referieren, müssen beide die gleiche Eigenschaft, sagen wir HE des Terminus h, exemplifizieren. Wir wollen h hier den "Vergleichsterm" nennen (kommt bei Strub nicht vor).Dann können wir als Vorbedingung der Interpretation formulieren: s(f, h) & s(g, h). Bis zu diesem Punkt unterscheidet sich die emphatische Metapher nicht wesentlich von einer Vergleichsmetapher (die durch einen Vergleich, der mittels eines tertium comparationis interpretiert wird, ersetzt werden kann59 ). Der Vergleichsterminus gibt den Bereich der Bedeutungsstruktur an, in dem die Interpretation der Metapher stattfinden soll. Sollte keine Paraphrase der Metapher möglich sein, ist die Metapher als mißglückt anzusehen, es läßt sich dann keine verständliche Interpretation finden.
Vierter Schritt: Die Paraphrase wird zur Erläuterung der Metapher verwandt.60 Es wird ein neues, erweitertes P-Prädikat erstellt, in das der Vergleichsterminus aufgenommen ist: f-h//g-h. Für die Metapher "Das Hirn ist befruchtet"61 hieße das erweiterte P-Prädikat (vielleicht): "erschaffendes Hirn // erschaffende Befruchtung"62 . Der Vergleichsterminus h erläutert je die Teile des P-Prädikates.
Fünfter Schritt: Das erläuterte Prädikat wird als Indikator der Problematisierung einer Eigenschaftszuschreibung aufgefaßt.63 Die Eigenschaft HE, die der Vergleichsterminus spezifiziert, kann den Gegenständen, auf die f und g referieren (FD und GD), in unterschiedlicher Weise zukommen, es kann eine Diskrepanz in der Weise der Zuschreibung geben. Einem Ding (FD oder GD) kommt die Eigenschaft HE vager zu als dem anderen. Der Strukturteil, der im Hinblick auf HE weniger vage ist, soll für den Strukturteil, der vager ist, fruchtbar gemacht werden. Die leitende Fragestellung ist:
In welchem Sinn ist es problematisch, daß die Eigenschaft HE FD zukommt und in welchem Sinn kann die Tatsache, daß HE auch GD zukommt, wenn auch in anderer Weise als bei FD, dieses Problem klären helfen?64
Hier wird der Aspekt der Unähnlichkeit (s.o.) tragend: wäre kein Unterschied in der Vagheit der Zuschreibung der Eigenschaft HE, so läge der Fall einer Vergleichs- oder Substitutionsmetapher vor, d.h. der Terminus h könnte ohne weiteres für g eingesetzt werden. Dies ist auch ein Sachverhalt, den Lakoff/Johnson bereits beobachtet haben: "we tend to structure the less concrete and inherently vager concepts (like those for the emotions) in terms of more concrete concepts, which are more clearly delineated in our experience."65 Sie untermauern dies mit einer großen Anzahl an systematisch aufeinander bezogenen Beispielen. So ist der Bereich des Verstehens, der geistigen Erkenntnis und der Gedanken in weiten Teilen durch Begriffe aus dem Bereich des Sehens und der "Licht-Medien" strukturiert:
"Das sieht von meinem Standpunkt ganz anders aus.",
"Es war mir nicht klar, was er meinte.",
"Eine brilliante Idee" usw.66
Der Bereich der sichtbaren Dinge ist dann weniger vage als der Bereich des Geistigen, d.h. unser epistemischer Zugang zum Bereich des Sichtbaren und des Sehens ist unproblematischer und direkter als der Zugang zum Geistigen. Eine gute Paraphrase einer Metapher ist eine, die einen Bedeutungstrukturteil aus beiden Bedeutungsstrukturen herausgreift, in dem die beiden Strukturteile "wirklich" Diskrepanzen zueinander besitzen.67 Die beiden Strukturteile können also nicht gleich vage sein, sonst hätten wir es nicht mit einer emphatischen, sondern einer Vergleichsmetapher zu tun und der Interpretationsvorgang wäre schon früher abgeschlossen gewesen (siehe oben).
Der Teil in einer Metapher, der vager ist, muß bei einer Metapher immer der rechte (vormals metaphorische) Teil des erweiterten P-Prädikates (f-h//g-h) sein, wir können den weniger vagen Teil als Erläuterung des vagen Teils verstehen.
Der Erläuterungsteil kann einen unterdeterminierten Strukturteil der vageren Bedeutungsstruktur anreichern und zusätzliche Strukturteile zur Erläuterung anbieten - dies soll Erweiterungsmetapher heißen - (wie z.B. im Fall der Sichtmetapher für Geistiges) oder überdeterminierte Strukturteile klarer strukturieren, da der Erläuterungsterminus selbst strukturärmer ist - dies soll Vertiefungsmetapher heißen - (wie z.B. Physiker oft zur Erläuterung komplizierter physikalischer Zusammenhänge Metaphern gebrauchen, die der Alltagswelt entstammen, also ärmer als die hochkomplexe physikalische Fachterminologie, aber für den Hörer klarer und damit weniger vage strukturiert sind).
Sechster Schritt: sprachliche Entfaltung des P-Prädikates.68 Resultat des fünften Schrittes war die Bestimmung der spezifischen Strukturdiskrepanzen zwischen der Bedeutungsstrukturen des erläuterten und des erläuternden Teils des P-Prädikates. Es sollte klar geworden sein, in welchem Teil der Bedeutungsstruktur und in welcher Hinsicht ein Terminus vager ist als der andere. In diesem Schritt wird die so auf Seiten des zu erläuternden Terminus f mit Hilfe des Vergleichsterms h aufgefundene "Lücke" geschlossen, indem im Fall der Vertiefungsmetapher der Bedeutungsstrukturteil FB1 durch Begriffe und Strukturen aus GB1 angereichert wird, d.h. über FB1 in der in GB1 benutzten Sprache berichtet wird (wie z.B. im Bereich des Verstehens von "Einsicht" gesprochen wird, um anzudeuten, daß etwas, das vorher der Sicht (dem Verständnis) verborgen war, nun, als sei eine Schachtel geöffnet worden und der Beobachter in eine bessere epistemische (bezüglich der Wahrnehmung/der Erkenntnis) Position gekommen, gesehen/verstanden worden ist und eine Änderung der Kenntnisse stattgefunden hat). Bezüglich der Erweiterungsmetapher wird der Strukturteil FB1, der überdeterminiert ist, durch GB1 so strukturiert, daß die Strukturen in FB1 zusammengefaßt werden zu einfacheren Strukturen, über die dann in Begriffen, die in GB1 verwandt werden, gesprochen werden kann.
Damit sind die in FB aufgespürten Lücken nicht wirklich aufgefüllt, da mittels einer Metapher keine empirischen Kenntnisse vermittelt bzw. geschaffen werden, sondern nur auf Lücken in der bisherigen Begriffsbildung und damit im Erfahrungsbereich hingewiesen wird und für eine Schließung strukturell vorbereitet wird.
Die spezifische Leistung der Metapher ist also ein "neuer Blick durch alte Löcher", eine neue Perspektive auf etwas der Sache nach bereits bekanntes, ohne jedoch tatsächlich neue Eigenschaften am betrachteten Gegenstand zu sehen. Vielmehr wird die bisherige Weise, eine Sache zu sehen, über sie zu sprechen, problematisiert und quasi dazu aufgefordert, die gleiche epistemische Klarheit zu erreichen, die für den metaphorischen Terminus bereits erreicht ist. Strub nennt die Arbeitsweise der Metapher "diagnostisch"69 und hebt sie ab gegen den "prognostischen" Charakter von Modellen, die erwarten lassen, daß Eigenschaftszuschreibungen, die innerhalb des Modells gemacht werden, auch tatsächlich zutreffen. Die Metapher hat einen geringeren Anspruch, sie macht keine Aussage darüber, wie es sich im erläuterten Bereich wirklich verhält, sondern bietet probeweise die Sprachregelung des metaphorischen Terminus an, die sich als fruchtbar erweisen kann.
Die Darstellung des Interpretationsverfahrens für Metaphern bei Strub hinterläßt den kritischen Beobachter etwas erstaunt: nachdem die Metaphernidentifikation so intensiv, kenntnis- und detailreich mit so viel theoretischem Hintergrund behandelt wurde, wird das Interpretationsverfahren auf wenigen Seiten im Vergleich ungenau, knapp und etwas oberflächlich abgehakt. Sicherlich hängt dies auch mit den Defiziten zusammen, die die Sprachphilosophie auf Seiten der Bedeutungstheorie aufweist, jedoch hätte gerade der letzte und entscheidende Schritt der Metapherninterpretation eine wesentlich intensivere Auseinandersetzung verdient.
Trotzdem ist das Ergebnis, wenn es auch bei einem Ansatz bleibt, überzeugend und erkenntnisfördernd, gerade, was die Leistung der Metapher betrifft.
"Der Deutsche holt bei Beschreibungen psychologischer Dinge vieles vom Fallen, es fällt mir ein, es ist mir entfallen, es ist mir aufgefallen. Zufall, casus accidit. Beifall."
Lichtenberg, Sudelbücher, J 165.
Nach der Frage, wie eine Metapher in sich strukturiert ist, kann man sich der Frage stellen, ob die Metapher nach "außen" hin ebenfalls einer Strukturierung unterliegt oder dort keine Regeln herrschen, die Metapher einzig und allein Ausdruck der Kreativität der Produzenten und Rezipienten ist. Die Metaphorologie als Teildisziplin der Begriffsgeschichte, angeregt von Hans Blumenberg, widmet sich dieser Frage. Dabei versucht die Metaphorologie die Metaphern synchron aufeinander zu beziehen und diachron in eine Entwicklungsgeschichte zu bringen.
Hier legt jede Theorie der Metapher, die das "Wesen" der Metapher zu bestimmen versucht, andere Möglichkeiten einer synchronen (und damit auch diachronen) Bezüglichkeit nahe. Wir wollen in einem kurzen Abriß sehen, welchen Erfolg zwei ganz verschiedene Ansätze haben. Nicht zuletzt werden wir auch die Fruchtbarkeit und Plausibilität der obigen Bestimmung der Metapher überprüfen können.
Die Frage der Explizierbarkeit des metaphorischen Gehaltes soll in diesem Abschnitt kurz gestreift werden, da sich besonders hierin eine klärende Funktion der Bestimmung der Metapher nach Strub aufzeigen läßt.
Blumenbergs Typus einer Metaphorologie zielt auf die "absolute Metapher". Diese soll eine "begrifflich nicht auslösbare Aussagefunktion"70 haben und (darin der emphatischen Metapher gleich71 ): "keine Aufreihung der zu erwartenden Sachprädikate könne jemals"72 den Gehalt der Metapher explizieren. Dabei solle die absolute Metapher "in die logische Verlegenheit"73 einspringen, die nach der "Auflösung des Mythos der vollständigen Logisierbarkeit"74 entstehen würde. Die Metapher speise ihre höhere Berechtigung zu dieser Fähigkeit und wohl auch die Garantie der Wahrhaftigkeit der metaphorischen "Aussagekraft", aus der "katalysatorischen Sphäre, an der sich die Begriffswelt zwar bereichert, aber ohne diesen fundierten Bestand dabei umzuwandeln oder aufzuzehren."75 Wo diese sagenhaft76 metaphysische Sphäre situiert sein soll und was - nochmals gefragt - den höheren epistemischen Status katalysatorischer Aussagekraft dieser, in den Umkreis eigentlicher Wesenheiten (platonischer Ideen) gerückten Metaphern verbürgt, ist nicht zu sehen. Dabei hat Blumenberg hohe Ansprüche an die Ergebnisse der Anfrage an die "katalysatorische Sphäre": trotz aller Unexplizierbarkeit des Gehaltes der absoluten Metaphern, obwohl er uns eigentlich nicht mitteilen kann, was die Metapher ausdrückt, soll die Metaphorologie "an die Substruktur des Denkens herankommen, an den Untergrund, die Nährlösung der systematischen Kristallisationen".77 Diese "Substruktur des Denkens" muß wohl ohne den Einsatz explikativer begrifflicher Mittel auskommen, da diese ja keinen Zugang zur absoluten Metapher haben, und so bleibt Blumenberg auch, bei aller wort- und kenntnisreichen Verpackung und historischen Vergleichung bei einer bloß historischen Aufzählung des Werdeganges bestimmter Metaphern, obwohl er von einer "Systematik der Metaphorologie" - nicht der Metapher, diese bleibt ein "schmaler Spezialfall der Unbegrifflichkeit" - träumt.
George Lakoff und Mark Johnson haben mit geringerer Ehrfurcht, und ohne die bei Blumenberg übliche Entrückung der Metapher in das Reich der Unbegrifflichkeit, eine Systematik der Metapher - nicht der Metaphorologie - unternommen. Bei dieser Arbeit an den tatsächlichen Substrukturen des Denkens, der (metaphorischen) Sprache, haben sie Entdeckungen gemacht, die meines Erachtens in ihrer Tragweite für die Literaturtheorie und die historische Metaphorologie noch kaum ausgelotet worden sind.
Sie haben eine Systematizität der Metaphern vorgefunden, die für ganze Metaphernfelder interne und externe Systematizität diagnostiziert. Interne Systematizität soll hier heißen, daß die einzelnen, in unserer Alltagssprache vorhandenen Metaphern insofern kohärent zusammenstimmen, daß sie sich unter Gesamtmetaphern so organisieren lassen, daß die Einzelmetaphern sich nach den Strukturen richten, die der metaphorische Terminus einer Gesamtmetapher vorgibt. So ist z.B. innerhalb der Sprache, in der wir über Erkenntnis reden, ein Metaphernfeld vorhanden, das unter der Gesamtmetapher "Erkenntnis (von Ideen oder Gedanken) ist Sehen (eines Bereiches von Gegenständen)"78 organisiert ist. Dort gibt es Metaphern, die das Sehen und die Probleme der Sichtbarkeit (unklare Sicht bei schlechter Witterung, Änderung der Sichtverhältnisse durch mehr oder weniger Licht) aufnehmen:
"Ich sehe, worauf Sie hinaus wollen",
"Das habe ich eingesehen",
"das scheint mir offensichtlich.",
"Das ist ein scharf umrissener Gedanke",
"Es ist eine Reflexion auf ...",
"Ich vertrete die Ansicht ...",
"Mir geht ein Licht auf",
"Es war eine Erleuchtung.", usw.
Daneben gibt es Metaphern, die sich der Zugänglichkeit der sichtbaren Gegenstände widmen, oder den Gegenständen, die sichtbar werden sollen selbst, so weit, daß die sichtbaren Gegenstände einer weiteren Prüfung durch Anfassen unterzogen werden, wenn man zu ihnen gelangen kann:
"Ich sehe, worauf sie hinaus wollen.",
"Ich habe einen ganz neuen Zugang gefunden ...",
"Das ist ein unzugänglicher Gedankengang.",
"Er kann keine Erklärung finden",
"Zu den Sachen selbst!",
"Das kann ich nicht begreifen.",
"Das sind harte Fakten." usw.
Der Typus der Metapher, die einen Begriff bzw. ein Begriffsfeld durch einen anderen Begriff strukturiert, soll strukturelle Metapher heißen.79 Die interne Systematizität wird durch die Möglichkeit, metaphorische Schlüsse zu formulieren, gestützt. Wir können z.B. davon, daß eine Person "nicht erkennen/sehen kann, worum es geht", darauf schließen, daß "es ihr unklar ist, was gemeint ist"; wenn etwas unklar ist, dann liegt das daran, daß sich jemand einer "dunklen" Ausdrucksweise bedient hat. Dies zeigt, daß durch die Übertragung der Begrifflichkeit des einen Begriffsfeldes in ein anderes, ein kohärentes System von Metaphern entsteht, die einheitlich strukturiert sind. Wir können jeweils Entsprechungen formulieren zwischen Begriffspaaren, die die Metaphern strukturieren: "hell - dunkel" entspricht "klar - unklar", entspricht "scharf - unscharf" usw. Die Orientierung dieses Metaphernfeldes ist in sich kohärent und durchgängig: wir können erwarten, daß sich im Metaphernfeld keine Umkehrung der Verhältnisse findet, daß z.B. nicht auf ein Mal etwas "Unklares" verständlicher oder präziser ist, als etwas "Klares". Diese Art, ein Begriffsfeld zu organisieren, soll Orientierungsmetapher heißen.80 Die Orientierungsmetapher erhält ihre "Orientierung" auch nach außen hin, in verschiedene Begriffsfelder hinein. Die fundamentale Orientierungsmetapher "gut ist oben; schlecht ist unten" läßt sich weiter verfolgen in unser Beispiel: wenn eine Person "klarere Erkenntnisse" hat, also etwas besser kennt oder weiß, so bewegt sie sich auf einem "höheren Niveau", von wo aus sie diese "höhere Einsicht" gewinnen kann. "Klar, hell, scharf" sind Begriffe für "oben", die Komplemente für "unten". Dieses Phänomen soll externe Systematizität heißen.81 In den meisten Fällen läßt sich eine Verräumlichung des Begriffsfeldes feststellen, in unserem Beispiel wird ein Verhältnis, das rein geistig ist (zwischen der Erkenntnis und dem Erkannten), auf ein räumliches Verhältnis übertragen (zwischen dem Sehen und den gesehenen Gegenständen), die meisten Metaphernfelder werden also durch Raummetaphern gebildet.82 Wir können dieses Phänomen erklären, indem wir feststellen, daß allgemein die fraglichen Metaphern auf der alltäglichen kulturellen, sozialen und physikalischen Erfahrungswelt basieren, die uns in irgendeiner Weise direkter zugänglich ist, als die durch sie metaphorisch bestimmten Begriffe.83 Wir können, wenn wir uns an die im Abschnitt 2.2.3 verwandte Terminologie erinnern, davon sprechen, daß die Erfahrungsbasis weniger vage ist, als die des bestimmten Begriffes.84 Lakoff und Johnson stellen fest, daß die Metapher eine zweifache Rolle für die Erkenntnis spielt: bestimmte Aspekte eines Sachverhaltes werden besonders hervorgehoben (z.B. die Täuschungsanfälligkeit der Erkenntnis/des Sehens), andere Aspekte dagegen in den Hintergrund gedrängt (z.B. die sprachliche Verfaßtheit aller Erkenntnis).85 Die Metapher wirkt sozusagen aus der "Substruktur des Denkens" heraus, Gewichtungen werden vorgenommen, die durch ihre unterschwellige Wirksamkeit nicht hinterfragt werden.
Es zeigt sich, daß das Ergebnis des Interpretationsverfahrens für Metaphern, wie es oben nach Strub zusammengefaßt wurde, sich hier als (wahrscheinlich) korrekt erweist, wir haben "neue Blicke durch die alten Löcher", d.h. eine Bedeutungsstruktur wird auf eine andere übertragen, indem bestimmte Aspekte der Bedeutung des metaphorischen Terminus die Bedeutungsstruktur des vageren Terminus neu strukturieren und dadurch natürlich einige Aspekte hervorheben, andere verbergen. Damit zeigt sich auch, daß die von Blumenberg in das Zentrum der metapherntheoretischen Diskussion gestellte Frage der Explizierbarkeit des Aussagegehaltes der Metapher an der Funktion der Metapher vorbeigeht. Die Metapher versucht nicht irgendwelche "absoluten" Aussagen zu treffen, was hieße, es könnten neue Erkenntnisse durch Metaphern gewonnen werden, vielmehr hat die Metapher eine Ordnungs- und Organisationsfunktion innerhalb der Erkenntnis. Eine Metapher wird nicht verwandt, um Einsichten auszudrücken, die selbst erst durch die Verwendung genau dieser Metapher entstehen, sondern durch andere Quellen gewonnene Erkenntnisse werden in der Metapher gebündelt und strukturiert unter der Hypothese, daß der vagere Bereich in der signifikanten Hinsicht der Form nach so strukturiert ist, wie es auch der weniger vage, metaphorisch gebrauchte Bereich ist.
Beardsley, Monroe C.: Die metaphorische Verdrehung. In: Haverkamp, Anselm (Hrsg.): Theorie der Metapher. S.120-141.
Black, Max: Die Metapher. In: Haverkamp, Anselm (Hrsg.): Theorie der Metapher. S.55-79.
Ders.: Mehr über die Metapher. In: Haverkamp, Anselm (Hrsg.): Theorie der Metapher. S.379-413.
Blumenberg, Hans: Paradigmen zu einer Metaphorologie. In: Haverkamp, Anselm (Hrsg.): Theorie der Metapher. S. 285-314.
Ders.: Ausblick auf eine Theorie der Unbegrifflichkeit. In: Haverkamp, Anselm (Hrsg.): Theorie der Metapher. S. 438-454.
Haverkamp, Anselm (Hrsg.): Theorie der Metapher. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 21996.
Lakoff, George und Mark Johnson: Metaphors We Live By. Chicago/London: University of Chicago Press 1980.
Lichtenberg, Georg Christoph: Sudelbücher. Hrsg. von Franz H. Mautner. Frankfurt a.M.: Insel 1984.
Putnam, Hilary: Erklärung und Referenz. In: Von einem logischen Standpunkt, S. 27-51.
Ders.: Von einem logischen Standpunkt. Schriften zu Sprache und Wirklichkeit. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt (rowohlts enzyklopädie) 1993.
Ricoer, Paul: Die Metapher und das Hauptproblem der Hermeneutik. In: Haverkamp, Anselm (Hrsg.): Theorie der Metapher. S. 356-375.
Rilke, Rainer Maria: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge. Frankfurt a.M.: Insel (insel taschenbuch) 1994.
Searle, John R.: Metapher. In: ders.: Ausdruck und Bedeutung. S. 98-138.
Ders.: Ausdruck und Bedeutung. Untersuchungen zur Sprechakttheorie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp (stw) 1982.
Strub, Christian: Kalkulierte Absurditäten. Versuch einer historisch reflektierten sprachanalytischen Metaphorologie. Freiburg/München: Alber 1991.
1 Ein gutes Beispiel ist hier "Nach der Metapher. Nachwort zur Neuausgabe" von Haverkamp. Es wird immer wieder gern darauf zurückgegriffen, daß nicht sein kann, was nicht sein darf. So wird dekretiert, daß mit der Metapher ein "in seiner Unlogik unversöhnliches ästhetisches Phänomen ansichtig" werde und sich daher "keiner linguistischen oder sprachphilosophischen Orthodoxie" füge. In Ermangelung einer anderen Möglichkeit das Phänomen überhaupt zu beschreiben wird flugs ein "visual turn" ausgerufen, der in unserer an Überwindung von Zeitaltern so reichen Zeit allerdings kaum aufgefallen zu sein scheint.
2 Zur Metaphorik des "Verstehen ist Sehen" siehe den zweiten Teil der Arbeit.
3 Bedeutung (Intension) wird hier in der heute in der analytischen Philosophie üblichen Weise gebraucht, und entspricht damit Freges "Sinn". Freges "Bedeutung" wird hier "Referenz" oder "Gegenstand" genannt (Extension) (siehe Strub, S. 176 ff.).
4 Ob man z.B. von "toten Oxymora" sprechen möchte, ist Sache der theorieinternen Sprachregelung. Daß eine solche Unterscheidung für andere Figuren außer der Metapher meist nicht eingeführt wird, liegt an der Einfachheit der Bildungs- und Interpretationsregel, die rein funktional ist. S.a. Strub, S. 55 f. und S.145 ff.
5 Dies wird bei Lakoff/Johnson, Metaphors, genauer expliziert. Mit diesem Ansatz läßt sich auch erklären, warum trotz des möglicherweise schon lange währenden Gebrauchs der übertragenen Bedeutung immer noch subjektiv die Bedeutung als übertragen empfunden werden kann.
6 Dieser Ansatz hat den Vorteil, daß, wenn geklärt ist, was als die elementare metaphorische Einheit gelten soll, eine Taxonomie komplexerer Metaphern vorgenommen werden könnte (diese Aufgabe hat leider den Rahmen dieser Arbeit gesprengt. Dabei kann es sein, daß eine zu interpretierende Metapher auf andere rhetorische Figuren verweist, d.h. sie nur verständlich wird, durch Zwischenschaltung anderer Figuren. Vorgreifend könnte man dies z.B. genauer so charakterisieren, daß zur Findung des Vergleichstermes (s.u.) ein vermittelnder Begriff herangezogen werden muß, eine Metonymie oder eine weitere Metapher wären naheliegend. Außerdem können Metaphern untereinander komplex verknüpft werden oder mit auf Erweiterungen von Katachresen beruhenden Metaphern kombiniert werden.
7 Black, Mehr, S. 389 f. S.a. Strub, S. 287-378.
8 Searle, Metapher, S. 99, Davidson, Donald: What Metaphors Mean. Critical Inquiry 5 (1978) .
9 Strub, S. 145 ff.
10 Searle formuliert dies so: "Weil das Wissen, das Personen die Verwendung und das Verständnis metaphorischer Äußerungen ermöglicht, mehr ist als bloß Wissen um die wörtliche Bedeutung der Wörter und Sätze, sind die Prinzipien, die wir suchen, nicht - oder mindestens nicht vollständig - in einer Theorie der semantischen Kompetenz (im herkömmlichen Sinn) enthalten." Searle, Metapher, S. 100.
12 Black, Mehr, S. 387f. Ähnliches wendet Ricoer, Hermeneutik, gegen ein Identifikationsverfahren gegen Beardsley ein, und zieht die Konsequenz, daß die Identifikation in der Interpretation bestehe (S. 366), was allerdings die unpraktische Konsequenz hätte, daß wir jede sprachliche Äußerung auch probeweise als Metapher ansehen müßten, um nur eine Metapher zu erkennen.
13 Ricoer, Hermeneutik, S. 361, Fußnote.
14 Strub, Kap. III, 2. Strub bezieht sich auf Strawson, Peter F.: Einzelding und logisches Subjekt (Individuals). Stuttgart: Reclam 1972, 2. Teil und auf ders.: Subject and Predicate in Logic and Grammar, London: Methuen 1974.15 Aus R.M. Rilkes Gedicht "Der Tod". In: Enzensberger, Hans Magnus (Hrsg.): Museum der modernen Poesie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1980.
16 An diesem Beispiel zeigt sich zugleich, daß das Verfahren der Aufspaltung in metaphorische Elememtarsätze nicht unproblematisch ist. Ob Satz (d) so oder anders wirklich abgespalten werden kann, ist fraglich. Ein anwendbares Analyseverfahren müßte eher so vorgehen, die Bedeutungsstruktur des Teilausdruckes "Tasse ohne Untersatz" zu konstruieren, und diese dann mit der Bedeutungsstruktur von "Der Tod" in Verbindung bringen, da der zusammengesetzte Ausdruck etwas ganz anderes bedeuten kann als die Einzelausdrücke. Als heuristische Vereinfachung des Verfahrens ist die Vorgehensweise Strubs aber trotzdem plausibel, da er nicht an eine Grenze seiner Metapherntheorie, sondern der Bedeutungstheorie, die er verwendet, stößt.
17 Wir setzen dabei nicht voraus, daß dieser oder überhaupt ein Term ein metaphorischer Term ist, sondern formulieren in diesem Kriterium, das kein Testverfahren darstellen soll, eine zu überprüfende Hypothese. Der metaphorische Term ist vorläufig der Term des Ursprungssatzes, der eine übertragene Bedeutung nahelegt.
18 Strub, S. 199-211.
19 Diese Beschränkung kann unter bestimmten Umständen aufgehoben werden, s. Strub, S. 210 f.
20 Diese Angabe ist mehrdeutig: die Ergänzung darf nicht metaphorisch sein sowohl in Bezug auf das Subjekt als auch auf das Verb. Siehe auch Fußnote 16.
21 Strub deutet diese Lösung (Fußnote S. 74, " Metaphern an Subjektstelle [sind] in hohem Maß kontextabhängig ") an, verfällt dann aber auf Umformung des Satzes durch Topikalisierung des Prädikates (das Prädikat wird an Subjektstelle gesetzt, S. 191-199). Diese Verfahren scheint durch die Betrachtung des kontextlosen (!) Satzes "Einige Schweine besuchten ein Restaurant" (S. 74) nahegelegt zu werden. Er würde nach Strub so umgeformt werden: "Einige Restaurantbesucher sind Schweine." Allerdings ist das Beispiel entweder Teil einer Fabel - dann liegt keine Metapher vor - oder wir besitzen einen Kontext für diesen Satz - dann müssen wir "Schweine" auf den Kontext beziehen, und die vorausgesetzte Metapher könnte sein: "Einige Menschen sind Schweine." Anders ist das Beispiel nicht verständlich. In der gleichen Weise muß mit den anderen Beispielen Strubs ("Alle Bierfässer sind Stammgäste", "Dieser Waschlappen lügt nicht") verfahren werden.
23 Einige Metapherntheorien nehmen an, daß eine Metapher ein Ausdruck ist, der im falschen Kontext gebraucht wird. S. die Diskussion bei Strub, S. 96 .ff.
24 S. Strub, S. 98.
25 Strub, S. 103 ff.
26 Wir werden der Kürze halber meist nur von "widersprüchlichen" Sätzen sprechen anstatt von "selbstwidersprüchlichen".
27 Nach Strub, S. 105. Das folgende auf S. 105 ff., Kap. II, 2. Diese absurden Sätze sind notwendigerweise absurd, da die begriffliche Implikation notwendig wahrheitswerterhaltend ist, aufgrund des letzten Satzes von (Imp).
28 Strub, S. 111.
29 Für das folgende siehe Strub S. 114 ff., Kap. II, 3a.
30 Nicht in allen möglichen Welten, sondern nur bezüglich dieser möglichen Welt, also bloß faktisch.
31 Ich gebe hier Strub, S. 121, Kap II, 3b wieder.
32 Siehe dazu Putnam, Erklärung und Referenz.
33 Dies liegt an der Definition von Notwendigkeit und der überall gleichen Extension der Termini: wenn hier Tiger keine Computer sind, dann in keiner möglichen Welt - und damit notwendigerweise.
34 Aus: Identifizierendes Bezeichnen und Wahrheitswerte. In: ders. Logik und Linguistik. Aufsätze zur Sprachphilosophie. München: 1974. Zit. nach Strub, S.125 f.
35 Strub, S. 126.
36 Strub, S. 128 f.
37 S. Strub, S. 132.
38 Siehe dazu Strub, S.133 und S.241-244. Hier scheint sich der Verdacht aufzudrängen, Strub übergehe entweder eine eindeutige Identifizierung der Metapher, oder er schiebe das Interpretationsverfahren in das Identifikationsverfahren hinein, obwohl jenes die Voraussetzung für dieses ist. Es kann hier jedoch nicht darum gehen, ein faktisch und einwandfrei funktionierendes Testverfahren anzugeben, vielmehr geht es um das, was ein Rezipient wissen bzw. anerkennen muß, wenn er eine Äußerung als metaphorisch versteht. Ein Testverfahren ist eine empirische Frage und kann daher hier nicht behandelt werden. Aufgrund der oben festgestellten Abhängigkeit der Identifizierung von (AF) und (SF) von den Kenntnissen des Rezipienten lassen sich ohnehin die entsprechenden Metaphern nicht allgemein für alle Rezipienten als solche bestimmen (Strub, S.242). Das Problem der jeweils individuellen Identifizierung setzt sich fort in der Abhängigkeit der Interpretation und des Text- bzw. Situationsverständnisses von den Fähigkeiten und Kenntnissen des Rezipienten, da die Metapher nur kontextabhängig verstanden werden kann.
39 Man könnte den ein oder anderen Grenzfall finden, die m.E. alle auf die ein oder andere Weise von der Grundbestimmung der Metapher als Kategorienfehler zehren; z.B. "Sich verirren / ist aller Sterblichen Los" (Sophokles, Antigone, Zeile 1023 f.). Dies hätte als eine elementare Metapher: "Sterbliche verirren sich". Wir sind im Fall von "verirren" geneigt von einer übertragenen Bedeutung auszugehen, obwohl kein absurder Satz vorliegt. Möglicherweise läßt sich dies als Symbol auflösen und ist keine Metapher.
40 Das Folgende findet sich bei Strub auf S. 416-418.
41 S. Strub, S. 29-32, 70 ff., 416 f.
42 Strub formuliert sie als eine der Forderungen (Nummer 2), S.145.
43 Asymmetrie bedeutet hier, daß innerhalb des metaphorischen Elementarsatzes eine eindeutige Rollenverteilung herrscht: der nicht-metaphorische Term ist immer das Subjekt des Satzes, der metaphorische das Prädikat.
44 Black, Mehr, S. 389f.
45 Ebd.
46 G. Lakoff und M. Johnson, Metaphors.
47 Strub S. 381 u.ö.
48 Strub orientiert sich dabei wieder an der Sprachphilosophie Strawsons. zum folgenden siehe besonders S. 183 ff.
49 Ich vereinfache die Notation Strubs hier unwesentlich. Die erste Stelle innerhalb der Klammer ist immer das Subjekt oder Thema (diese fallen hier immer zusammen) des Satzes, die zweite immer das Prädikat des Satzes.
51 Strub S. 422-425.
52 Wie Prädikate wie in "Das Buch muß erst ausgedroschen werden." (Lichtenberg, J 170) behandelt werden sollen ist nicht klar. Überhaupt scheint das Verfahren auf Sätze der Form "f ist g" eingeschränkt zu sein, was das Verfahren, das ja erst ein Ansatz sein soll, nicht unplausibel macht, wenn es sich erweitern läßt.
53 Strub, S. 424.
54 Black, Metapher, S. 70 f.; ders., Mehr, S.393; Beardsley, S.
55 Möglicherweise ist Blacks Vorschlag (Black, Mehr, S. 396), die Bedeutungsstrukturen modelltheoretisch zu explizieren, in diesem Punkt geeigneter als Strubs vorliegende Theorie, da die Modelltheorie den zweiten Schritt, der hier nur im vagen bleibt, präziser formulieren kann - was insbesondere an der Schwierigkeit liegt genau zu sagen, wie eine Bedeutungsstruktur gebaut ist.
56 Ich verschmelze hier Strubs Schritte drei und vier (S. 425 f.), da Strubs Schritt drei keinen eigenständigen Schritt darstellt: in ihm wird nur angekündigt, was in Schritt vier vollzogen wird.
57 Strub, S. 426. Warum Strub dies schon an dieser Stelle erwähnt, wo von Diskrepanzen konkret noch gar nicht die Rede ist, bleibt sein Geheimnis.
58 Strub, S. 427. An dieser Stelle besteht das Problem Metaphern von Katachresen zu unterscheiden, d.h. zu bestimmen, was hier wohlbestimmt heißen soll. Wir werden bei Lakoff/Johnson sehen, daß die meisten Metaphern ein bereits bestehenden Metaphernfeld erweitern. Will man eine Beschreibung des nichtmetaphorischen Terminus liefern, so greift man unwillkürlich auf Metaphern zurück, die aus dem Metaphernfeld des metaphorischen Terminus schöpfen. Wollte man z.B. Die Metapher "Das Leben ist ein Topf" beschreiben, so kann man auf die, seitens des Terminus "Topf" katachretische, Phrasen "Der Topf/das Leben ist erfüllt oder leer" zurückgreifen. Ist dies eine angemessene Paraphrase, oder bloß eine Erweiterung der Metapher "Das Leben ist ein Topf"? Wir kommen mit der von Lakoff/Johnson konstatierten weitgehend metaphorischen Strukturierung der Sprache in Konflikt.
59 In einer Vergleichstheorie würde die Interpretation der Metapher mit s(f, h) angegeben. S. Strub, S. 429.
60 Strub, S. 428 ff.61 Nach Rilkes "... und sein befruchtetes Hirn müßte bersten an lauter Geburt", aus Rilke, Malte, S.66.
62 Man sieht die Probleme so etwas zu formulieren. Eigentlich müßte es heißen (wenn man Strub sklavisch folgt): "erschaffendes hirnhaft//erschaffendes befruchtend". Meine Neuformulierung weicht jedoch nicht allzu weit von Strubs Vorgaben ab, da er von Dingen spricht, die den Vergleichsterm exemplifizieren (S.428)
63 Strub, S. 430 ff.
64 Nach Strub, S. 434.
65 G. Lakoff und M. Johnson , Metaphors, S.112.
66 Vergl. ebd. S. 48. Weitere Beispiele dort.
67 Was hier "wirklich" heißt (Strub, S. 432), bleibt trotz der Definition von Vagheit (S. 430 f.), die Strub gibt, unklar.
68 Strub, S. 435.
70 Blumenberg, Paradigmen, S. 288.
71 In diesem Abschnitt wird der Ausdruck "Metapher" in seiner Bedeutung etwas modifiziert, da wir es mit einer auch diachronen Betrachtung der Metapher zu tun haben: wir bezeichnen auch Katachresen als Metaphern, manches gilt auch für Metaphern im weiten Sinne der klassischen Rhetorik, die alle "Tropen" unter dem Begriff zusammenfaßte.
72 Blumenberg, Ausblick, S. 440.
73 Blumenberg, Ausblick, S.287.
74 Blumenberg, Ausblick, S.285.
75 Blumenberg, Ausblick, S.288.
76 Diese Sphäre scheint viel von konventionellen "Schlaraffenland" - Vorstellungen aufzunehmen, wo Milch und Honig immerdar fließen.
77 Blumenberg, Ausblick, S.290.
78 Vergl. Lakoff/Johnson, Metaphors, S. 48.
79 Lakoff/Johnson, Metaphors, Kapitel 2.
80 Lakoff/Johnson, Metaphors, Kapitel 4.
81 Lakoff/Johnson, Metaphors, Kapitel 5.
82 Lakoff/Johnson, Metaphors, S. 17-19. Andere häufige Grundmetaphern sind Personifikation, ontologische Metaphern, Gefäßmetaphern, siehe S. 25 ff.
83 Die Metaphern überliefern uns direkter und unverfälschter als alle so oder so ideologisch gefärbten Beschreibungen ein Bild der geistigen und kulturellen Situation der Zeit, in der sie entstanden sind, sie fächern den geistigen Horizont der Zeit oder des Schöpfers auf.
84 Lakoff/Johnson, Metaphors, S. 19-21.85 Lakoff/Johnson, Metaphors, Kapitel 3.
4.11.1996