Information verwende ich als einen Grundbegriff von Kommunikation, und zwar in der
eminenten Bedeutung, die dieser Begriff bekommen hat:
- durch die politische Implementierung der Europäischen Informationsgesellschaft -
angesichts der kulturkonservativen Rede von der Informationsflut durch Medien
- als allgemeine Fetischisierung von Information im Medienzeitalter.
Zum Einstieg in die Erläuterung, wie das gemeint sei, stelle ich die Überlegung in
den Raum, warum uns gegenwärtig Information als Problem und als Lösung zugleich
präsentiert wird. Meine These dabei ist, daß Information so etwas wie ein
blinder Fleck der Kommunikationstheorie ist. Dem möchte ich hier etwas näherkommen.
Grundsätzlich gilt: Was die Medien nach bestimmten Mechanismen aus der amorphen
Datenfülle herausgreifen, und damit zum Faktum machen, wird für den Konsumenten je nach
Kontext zur Information, und erst eine bestimmte Konstellation von Informationen bildet
dann gesellschaftliches Wissen. Information ist also nicht das, was ein Medium "überträgt"
(diese Übertragung gibt es nicht), sondern ein Zustand die Differenz (nach einer
klassischen Definition von Gregory Bateson) zu dem, was ich zum Zeitpunkt des
Medienkonsums bereits weiß bzw. ein Wissen, das durch vorhergegangene Rezeptionsprozesse
bereits vorgebildet ist. Mit anderen Worten werden die Daten wesentlich rezeptionsseitig
zur Information, nicht umgekehrt. Information ist also nie neutral, auch wenn die
massenmediale Aufbereitung uns das glauben macht. Das ergibt ein doppelbödiges Problem:
der Mechanismen der Auswahl, was auf Definitionsgewalt oder das Problem der Macht
verweist; der historisch kontingente Kulturtechnik, die das kritische Urteil im einzelnen
bestimmt und auf kulturellen Wandel verweist.
Während nun in den USA die Information Highways ausgebaut werden, deklariert Europa
die hochsubventionierte Transformation der Gesellschaft zur Informationsgesellschaft im
Sinne der globalen Wettbewerbsfähigkeit. In allerhand Expertisen dazu macht sich eine
blumige Rede von den tiefgreifenden Veränderungen und den damit verbundenen
Herausforderungen breit, während die konservative Kulturkritik zum Kampf
gegen die angebliche Informationsflut bläst eine kritische
Auseinandersetzung mit dem Grundbegriff der Information steht allerdings aus.
Aus diesem Grund behandle ich die Information als Fetisch. Obwohl wir
aus Bequemlichkeit geneigt sind zu denken, daß Medien uns die Welt
vermitteln, schaffen diese sich ihre eigene Realität, die Medienwirklichkeit. Diese
funktioniert nicht als Abbild der Realität, sondern in Differenz zu dieser:
systemtheoretisch ausgedrückt als ein selbstreferentielles Bezugsystem, das unter
Bedingungen selbsterzeugter Strukturen operiert. Als Form in der Form sozusagen, wobei
unklar bleibt, wo in diesem Fall das Außermediale aufhört und Mediale beginnt: für die
Medienwirklichkeit ist gerade die Abkoppelung von der Realität entscheidend. Was hierbei
zählt, ist letztlich nicht die Objektivität einer Information, sondern ob
die Anbindung der potentiellen Adressaten auf die damit erzeugte Medienwirklichkeit
gelingt oder nicht. Als Information zählt nurmehr, was in der Folge diese Integration in
die jeweilige Medienwirklichkeit verstärkt oder fortzuschreiben erlaubt: die
Überprüfung an einer "objektiven Realität" tut der Sache keinerlei Abbruch
mehr. Daher ließe sich medientheoretisch von der Information als einem Fetisch (lat. factitius)
sprechen, vom Prinzip einer Illusion des Gemachten (lat. factum) jenseits der
"Fakten".
Unsere durchgängige Faszination für alles Authentische (die von der
Markenartikelindustrie umfassend ausgebeutet wird) bestätigt diese Eingangsüberlegung.
Information ist etwas, zu dessen Essenz ein Zuviel ebenso gehört wie ein Zuwenig. Sie
verbindet in einer Art kultischem Glauben die Realität mit unserer Meinung von dieser,
womit der Begriff gar eine transzendente Dimension berührt. Dies erinnert an den
spirituellen Kontext, der sich gerade in der jüngeren Geschichte mit der Entdeckung neuer
physikalischer Phänomene immer wieder eröffnet hat. So wurden Ende des achtzehnten
Jahrhunderts zwischen den "erschaffenen" Prinzipien Materie und Bewegung neue
Kommunikationskanäle jenseits der Worte entdeckt und erfahrbar gemacht: erinnert sei
beispielsweise an den "thierischen Magnetismus" Franz Anton Mesmers. Dem galt
die Inanspruchnahme des geheimnisvollen Fluidums für die Korrespondenz mit einer
unsichtbaren Welt als ein (seinerzeit äußerst wirksam vermarktetes) Versprechen, die
Menschheit von den Übeln des Rationalismus zu kurieren. Information scheint gegenwärtig
an die Stelle jenes Fluidums oder jener frühen Auffassungen von Elektrizität und
Magnetismus getreten zu sein, um etwas bislang Unbedachtes in der Welt begreifbar und
nutzbar zu machen.
"Information" wird damit aber mehr, als die Informationstheorie zugeben
möchte, auch zur Sprachgeburt, zu einer Metapher für soziale Prozesse nämlich, die mit
ihrer semantischen Transformation gleichwohl eine radikale Verschiebung der
Kom-munikationsverhältnisse am Ende der Gutenberg-Galaxis indiziert. Ein Leitmotiv dieser
Verschiebung ist die Klage über zuviel Information. Dieses Zuviel ist ein Paradox.
"Sowohl die Schreibstuben der Antike und des Mittelalters als auch die
Druckereien der Neuzeit haben so viele Daten produziert, das die Speicher überzuquellen
drohten und jedenfalls das Bedürfnis nach neuen Formen der Informationsverarbeitung
entstand." (Michael Giesecke).
Wir sollten bedenken, daß neue mediale Formen auch einem gesellschaftlichen Bedarf
entsprechen, und nicht von außen auf die Gesellschaft hereinbrechen. Information und
Kommunikation sind zwar aufeinander angewiesen, aber die beiden Größen verhalten sich
zueinander anscheinend umgekehrt proportional, sonst würden wir uns über eine
Kommunikationsvielfalt freuen und nicht die Informationsflut beklagen.
Da haben wie das Dilemma unserer Zeit. Wer kommunizieren will, so erkannte
Vilém Flusser, darf wenig informieren. Dies gilt vor allem deshalb, weil
Kommunikation nur unter Bedingungen des Austauschs gelingt, der Begriff der Information
hingegen mit einer bestimmten Einseitigkeit konnotiert ist: mit Information wird man
konfrontiert, und man kann sie eigentlich nur noch verarbeiten, da es im strengen Sinn
sinnlos ist, ihr etwas zu entgegnen. Deshalb interessieren sich politische Machthaber ja
seit jeher für das Informationsmonopol im striktesten Sinne einer Gewaltausübung.
Informationen rezipiert man entweder, oder man nimmt sie nicht zur Kenntnis. Als
Nachricht eines Senders kann sie eine Verhaltensänderung bei einem Empfänger
bewirken, der sich danach richtet. Alte Kommunikationsmodelle gingen über
diesen Punkt nicht hinaus und und griffen daher systematisch zu kurz. In die
Kommunikationsmodelle wurden Feedbackschleifen eingebaut, womit eine medial strukturierte
Beziehung zwischen Sender und Empfänger sichtbar wurde. Erst im Prozeß des Austauschens,
also durch Kommunikation, ergibt sich der spezifische Wert von Information. Dieser
verweist implizit auf seine mediale Vermittlungsform, aber auch auf die Öffnung, durch
die das Medium seine Wirkungsmacht entfaltet: Information markiert den Unterschied
zwischen zwei Graden des Wissens einerseits, das Maß der Teilhabe am allgemeinen
Kommunikationsfeld andererseits.
Durch Informationsgewinn wird diese entscheidende Differenz etabliert, die bestimmt, ob
eine Kommunikation als gelungen betrachtet wird oder eben nicht. Hierzu sind Aktivitäten
erforderlich, die unter Bedingungen der Telematikentwicklung zunehmenden der
Industrialisierung unterworfen und im eurobürokratischen Jargon folgerichtig als
"Mehrwertdienste" bezeichnet werden. Aber diese qualitativ konnotierte
Mehr wird angeblich zunehmend durch ein quantitatives Mehr
ersetzt. Man spricht von der Informationsflut Doch diese kulturkonservative Rede von der
Informationsexplosion ist schlicht irreführend. Es gibt in jeder erdenklichen Situation
mehr Informationen, als tatsächlich menschlich verarbeitet werden kann. Evolutionär
herausgebildete Filter im menschlichen Wahrnehmungsapparat sorgen für eine jeweils
zweckgemäße Reduktion. Entsprechende Kulturtechniken bilden Formen aus, die diese
Funktion unterstützen oder aber subtil unterlaufen. Wenn eine Kulturtechnik sich nun
ändert, dann wächst damit nicht nur das Mögliche in einem quantitativen Sinn, sondern
es haben sich auch die Bedingungen ihrer Möglichkeit geändert.
Es ist Sache der apokalyptischen Kulturkritik, darüber zu
lamentieren, daß mit der wachsenden medialen Informationsflut ein Sprach- und
Erfahrungsverlust einhergehe. Ihre paradoxe Klage ob der unaufhaltsamen Informationsflut
wäre durch sozialwissenschaftliche Aufklärungsarbeit zu dekonstruieren: etwa indem
gezeigt wird, daß bei besserer Nutzung von gesellschaftlichen Mechanismen der
Informationsselektion der konservative Trugschluß, die Medien würden etwas ursprünglich
Humanes kulturindustriell verstellen, selbstwidersprüchlich wird. Auch für die
entwickelte Mediengesellschaft gilt, daß Informationen immer bekommt, wer welche zu geben
hat und damit eigentlich schon informiert ist. Neben den bekannt
"informierten Kreisen", welche die Inhalte der Massenkommunikation gestalten,
formt sich die neue Informationselite des digitalen Zeitalters: diese sitzt nicht mehr in
den Redaktionsräumen und an den Sendeplätzen der Massenmedien, sondern agiert von
dezentralen Schauplätzen aus, an denen niemand wirklich weiß, wer hier das Sagen hat.
Ihre Bedingung ist vor allem Kenntnis und Beherrschung der Technologie, die extensive
Nutzung der vorhandenen Möglichkeiten.
Mit der virtuellen Klasse wurde von Arthur Kroker bereits eine griffige Bezeichnung
für die neue Informationselite geprägt. Sie zeichnet nicht wie beim traditionellen
Klassenbegriff ein Ausbeutungsverhältnis aus, sondern die Tatsache, daß sie von der
Umstrukturierung der Wissensbasis unserer Gesellschaft profitiert. In der sich keineswegs
als egalitär abzeichnenden Informationsgesellschaft zählt nicht die Qualität von
Wissen, sondern die des Zugangs zum Wissen. Zur Erschließung eines Wissensreservoirs, das
immer auch ein Machtpotential darstellt, ist üblicherweise eine lange
Bildungssozialisation erforderlich. Damit bilden sich geschützte Reservate, und nur eine
abgegrenzte Elite hat Zugang zur gesellschaftlichen Wissensbasis. Genau diese Elite aber
erhebt ihre Klage über die Informationsflut, über den Verlust der
Sprache und ähnliche Unsinnigkeiten in einem Moment, da die Grenzen sich
auflösen und neue Kulturtechniken mit hybriden Inhalten alte intellektuelle Privilegien
der Bildung in Frage stellen. Neue Kommunikationsmedien mögen die
Zirkulationsgeschwindigkeit von Medienprodukten erhöhen, sie wirken aber nicht
ursächlich im Sinne einer Vervielfältigung der zugänglichen Information: diese ist ein
grundsätzlicher Effekt der gesellschaftlichen Evolutionund der damit verbundenen
arbeitsteiligen Diversifizierung und Ausdifferenzierung von Expertenkulturen.
Die gegenwärtige Digitalisierung aller Kulturprodukte durch die Inhalteindustrie und
die Neustrukturierung der Kommunikation durch ihre elektronische
Vernetzung erschließt Medienpotentiale als Folge und als Ausdruck einer seit zwei
Jahrhunderten bereits stattfindenden Transformation der Kommunikationsverhältnisse, die
sich unter anderem in der Hybridisierung von Inhalten ausdrückt. Da die Tendenz zur
Immaterialität und zum dekontextualisierten Wissen (immer mehr Informationselemente, die
sich zu keinem Ganzen mehr zusammenfügen wollen) sich anscheinend verstärkt, erscheint
Information als fetischisierter Begriff.
Information ist ein Bastard, der durch die Kreuzung von Glauben
und Wissen in der Mediengesellschaft gezeugt wurde.
Während Wissensvermittlung in der Gesellschaft des zwanzigsten Jahrhunderts sich
zunehmend als nachrichtentechnisches Problem darstellt, wird gern übersehen, daß
Information keine Existenz "an sich" hat, sondern von der Mechanik des Zugriffs
und somit "für uns" bestimmt wird: in ihrem Bestreben, Rauschen zu minimieren
und so den Reibungswiderstand in der Übertragung von Botschaften auf einen idealen,
reinen Faktor zu reduzieren. Diese Metapher der Übertragung einer Botschaft von A nach B
bzw. vom Inneren des Subjekts an seine Umgebung und umgekehrt folgt einem linearen oder
mechanischen Modell, welches seinerseits eine physikalistische Dynamik des
Energieaustausches voraussetzt.
Denken Sie an das Beispiel von den Billardkugeln, das Gregory Bateson gegeben
hat: trifft eine rollende Kugel auf eine ruhende, so übernimmt diese die Bewegungsenergie
und rollt weiter, während die erste Kugel stehenbleibt. Dieses dynamische Modell taugt
aber denkbar schlecht zur Beschreibung von komplexen Kommunikationsprozessen. Wenn
überhaupt, dann folgt die Weitergabe von Informationen in der menschlichen Kommunikation
einem Modell des Austausches eher als dem der Übertragung: eine Information, die ich
weitergebe, habe ich selbst ja immer noch. Information ist ein immaterieller Wert, dessen
Mehrwert sich nicht durch einseitige Weitergabe einstellt, sondern durch Austausch bzw. in
den dadurch kommunikativ errichteten Bedeutungsfeldern.
Wie sich gegenwärtig die Grundlage der Industriegesellschaft und das gewohnte System
der Arbeitsverhältnisse ändert herkömmliche Erwerbsarbeit erfährt einen
gravierenden Bedeutungsverlust, während sich über Neuerungen wie Teleworking eine neue
Arbeitsorgansiation abzeichnet; weiters wird deren Orientierung auf genormte
Massenproduktion zugunsten individualisierter Just-in-timeProduktion distanziert
so unterlaufen interaktive Medien jetzt die grundlegenden Funktionen einer
gerichteten Kommunikation über die Massenmedien. Das Prinzip der Interaktivität
stimuliert, technisch inhärenter Programmierung zum Trotz, die individuelle Einmischung
und erzeugt komplexere Kommunikationsmuster, als das Modell der Nachrichten- bzw.
Informationsübertragung sie vorsieht. Interaktivität baut auf Digitalisierung, und diese
erlaubt die relationale Verknüpfung verschiedenster Informationsmodule, wobei die Inhalte
selbst zunehmend hybridisiert werden. Das heißt es ist nebensächlich, welchem
ursprünglichen Zweck ein Medium gewidmet war; Bild- und Tonaufzeichnung werden ebenso
problemlos in den digitalen Speichermodus integriert wie Textverarbeitung. Dies führt
schließlich zu einer neuen Informationsökonomie.
In dieser neuen Informationsökonomie geht es nicht allein um bessere
Übertragungswege, sondern um Mehrwertproduktion durch positive Feedbackleistung. Hierbei
entsteht eine ungewöhnliche Ideen-Ökonomie der Verausgabung, die diese Beziehungsarbeit
des Feedbacks belohnt: Informationen bekommt, wer welche zu geben hat. Was dies
kommunikationstheoretisch bedeutet, wurde mit dem Veralten der Übertragungsmetapher
bereits ausgesprochen. Information ist eine Aktivität, eine Lebensform, eine Beziehung
(J.P. Barlow). Überlegen wir kurz, was das bedeuten soll. Nach dem Prinzip der
traditionellen Ökonomie dürfte so etwas wie das Internet ja gar nicht funktionieren: aus
Nichts, würde sie behaupten, ist auch nicht viel zu machen. In diesem Sinne ist schon der
Gebrauchswert eines einzelnen Faxgerätes gleich Null. Seinen Wert erhält es aus der
neuen Ressource Vernetzung es ist klar, daß je höher das Netzwerk von
Kommunikationsgeräten wird, damit auch der Gebrauchswert des einzelnen Grätes ansteigt.
In diesem Sinne entstand der kybernetische Raum (Cyberspace) als ein Raum, der nicht
nur aus mechanischem Feedback, sondern aus sozialen Rückkopplungen besteht. Der/die
Einzelne wird in diesem Raum zur Quelle der Wertsteigerung; darin löst sich einm
Grundmerkmal von Kommunikation im ursprünglichen Sinne von Communitas ein. Information
ist Arbeit des sozialen Austauschens. Natürlich bekommt Information, die wir als
immateriell erkannt haben, hier wiederum eine materielle Konnotation. Anstelle des
Warentausches lassen sich an der Wertpapierbörse etwa oder in der kulturindustriellen
Produktion lukrative Geschäfte mit dem Angebot bzw. der Konstruktion entsprechender
Informationen machen. Information ist eine Bezeichnung für die meistgehandelte Ware der
postindustriellen Gesellschaft. Sie erhält ihren Wert durch ein soziales
Konstruktionsprinzip und realisiert diesen Wert im Tauschangebot. Rechtzeitige und
adäquate Information, so das Prinzip, schafft Kommunikationsvorteile und sichert die
soziale Position; das ist der Grund, warum sich bestimmte gesellschaftliche Gruppen immer
wieder entsprechende informelle Netz-werke schaffen, deren Zugang eifersüchtig bewacht
wird.
Die Bedingung der Möglichkeit von Information ist in diesem Sinn an die
Zugänglichkeit, die Verfügbarkeit sowie die Beherrschung der entsprechenden
Kulturtechniken gebunden. Und zwar ganz im zeitlich-chronologischen Sinne; der Punkt ist,
früher und exklusiver als andere über die Informationen verfügen zu können. Auch diese
Einsicht ist vorbereitet durch McLuhans Slogan: The medium is the message. An einem neuen
Medium ist meist nicht der Inhalt wichtig: nicht was kommuniziert wird, sondern daß
kommuniziert wird. Was Information ist, scheint damit fundamentaler, als von der
technizistischen Kommunikationstheorie bedacht, an einen Code gebunden, an die
(kulturellen Systeme von) Verknüpfungsregeln von Zeichen. Wir müssen uns jeweils fragen,
ob dieser Code ein technisch, sprachlich, ästhetisch, sexuell oder wie auch immer
kulturell und subkulturell determinierter ist und damit den Kommunikationsprozeß
kontextuell vorstrukturiert. Es ist der spezifische Code, der einen Unterschied macht und
der präfiguriert (um nochmals Gregory Bateson zu paraphrasieren) was im einzelnen
letztlich "den Unterschied macht" und damit zur Information wird.
Medien, die als Botschaft nicht irgendwelche Inhalte sondern vor allem auch sich selbst
kommunizieren, provozieren gerade damit eine Dekonstruktion von Bedeutungen.
Die Maschine kommuniziert ganz oder zu Teilen als ein selbstreferentielles System, sie
impliziert die Möglichkeit einer "reinen" Information in der Kommunikation ohne
bewußt Kommunizierende. Das sprengt die Verbindlichkeit des kulturell eingewöhnter
Referenzrahmens für Bedeutungen. Ist dies nun eine bedrohliche Technifizierung, die
wie etwa Neil Postman befürchtet zu einer unkontrollierten Explosion des
nur noch technologisch erzeugten Informationsvorrates unter "einem allgemeinen
Zusammenbruch der psychischen und sozialen Orientierung" führt? Oder werden hier,
ganz unspektakulär, überkommene Techniken der Komplexitätsreduktion (eben Sprache und
Schrift bzw. die darauf abgestellte Bürokratie) distanziert? Was wirklich verlorengeht,
wenn traditionelle Bedeutungsmuster derart zerfallen, das ist die Illusion eines allgemein
verbindlichen Codes der Moderne.
Der oftmals beschworene Orientierungsverlust in der modernen Gesellschaft hat mit dem
Verlust eines kulturtechnisch vertrauten Zeichensensoriums zu tun. Das ist der wahre Grund
einer Verunsicherung durch die Möglichkeiten der neuen Medien, und nicht eine durch diese
verschuldete Informationsexplosion. Dazu kommt eine Reorientierung, die abrückt von der
matieriellen Referenz zugunsten des Symbolischen. Der zentrale Fetisch der
Industriegesellschaft, im Sinne eines sexuellen Ersatzzieles, war das Auto. Das Auto
entspricht der materiellen Kommunikationsvorstellung des neunzehnten Jahrhunderts, als es
noch um die Beschleunigung des Gütertransportes zwischen zwei Orten ging. Ein
unverhältnismäßig großer Teil der gesellschaftlichen Organisation und der Gestaltung
öffentlichen Raumes drehte sich um dieses Fortbewegungsmittel, das uneingeschränkte
individuelle Mobilität versprach. Dies wiederholt sich in der post-industriellen
Gesellschaft mit der Hardware der Informationsverarbeitung und mit der
Vernetzungs-Infrastruktur der Informationsgesellschaft. Wie im stammeskulturellen
Totemismus begründet sie "sowohl ein religiöses wie ein soziales System"
(Sigmund Freud).
Im Zeitalter der instantanen Kommunikationsverbindungen verliert zwar der Begriff der
Geschwindigkeit (trotz Virilio) an Gültigkeit, aber die moderne Idee eines maschinellen
Ordnungsprinzips findet sich noch im theoretischen Mediendiskurs wieder (etwa bei
Friedrich Kittler). Deshalb ist Information schon als Begriff nicht neutral, sondern der
Ideologie verpflichtet, den die Technik in Form eines mechanischen Codes zur eindeutigen
Lesbarkeit der Welt erzeugt. Er funktioniert nach dem Prinzip der Binarität, welches das
Universum als in diskrete (abzählbare) Einheiten zerlegbar vorstellt. Natürlich gibt es
Information dabei nicht als Anschauung, sondern wieder nur als Unterscheidungskriterium
für einen bedeutungsschaffenden Kontext. Daß dieser eindeutig zu sein habe, entspricht
dem neuzeitlichen Projekt der Rationalisierung: die Idee der Maschine, die durch
mechanische Zuordnung Bedeutung stiftet. Nach dem Muster der Feinmechanik dachte man sich
eine Optimierung des Zusammenwirkens der einzelnen Elemente aus.
Dieser Mythos der Moderne beseelte die philosophische Suche nach der
Idealsprache ebenso wie die Festlegung einer Standardsprache aus dem Bedürfnis der
typographischen Kommunikation, und dessen Rückwirkung auf andere gesellschaftliche
Informations- und Kommunikationssysteme. Die bloß mechanische Datenverknüpfung (die der
sogenannten informationsverarbeitenden Maschinen) stiftet mit der Verfügung über das
"Ansich" der Daten jedoch keine kommunikative Beziehung. Die hier erzeugte Angst
ist begründet in der Tatsache, daß das Prinzip der technischen Informationsverarbeitung
übertragen wird auf andere bedeutungsgenerierende Welten, "die ursprünglich ganz
andere Strukturen oder Kriterien für Information besaßen" (Giesecke). Eine
angebotene Datenmenge kann ebenso unendlich wie unverbindlich sein; zur Information
verdichtet sie sich aber nur dadurch, daß sie ausgetauscht wird. Wir haben im
Kommunikationsprozeß somit Daten auf der einen Seite, die nach bestimmten (syntaktischen)
Regeln "technisch" verknüpft werden; und Bedeutungen auf der anderen Seite, wo
ebenfalls bestimmte (semantische) Verknüpfungsregeln gelten. In diesem offenen Prozeß
verweist Information jeweils auf die je aktualisierte pragmatische Ebene des Gebrauchs. In
den Hypermedien, jenseits der exklusiven Herrschaft von Sprache und Schrift, ermöglicht
die begehbare Wissensstruktur die beliebige Rekombination von dekontextualisierten
Informationselementen. Diese Verfügbarkeit im Gebrauch, und nicht die sogenannte
Informationsflut, ist das eigentliche Resultat der neuen Technologien.
Literatur (Auswahl)
Bateson, Gregory: Steps to an Ecology of Mind (1972); dt.:
Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische
Perspektiven, Frankfurt: Suhrkamp 1981 (STW 571)
Bauman, Zygmunt: Modernity and Ambivalence (1991); dt.: Moderne
und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit; Hamburg: Junius 1992
Barlow, John Perry: The Economy of Ideas. A framework for
rethinking patents and copyrights in the Digital Age, in: WIRED, March 1994, 84ff; dt.:
Wein ohne Flaschen. Globale Computernetze, Ideen-Ökonomie und Urheberrecht, in: Lettre
International Heft 26, 1994, 57-63
Bey, Hakim: Der Informationskrieg, in: LETTRE Heft 29, 1995
Flusser, Vilèm: Die Revolution der Bilder. Der Flusser-Reader zu
Kommunikation, Medien und Design; Mannheim: Bollmann 1995
Giesecke, Michael: Sinnenwandel, Sprachwandel, Kulturwandel.
Studien zur Vorgeschichte der Informationsgesellschaft; Frankfurt/M 1992
Hartmann, Frank: Cyber-Philosophy. Medientheoretische Auslotungen;
Wien: Passagen 1996
McLuhan, Marshall: Understanding Media (1964): The Extensions of
Man; London; dt.: Die magischen Kanäle; Düsseldorf 1992
Rozsak, Theodore: The Cult of Information. A Neo-Luddite Treatise
on High-Tech, Artificial Intelligence, and the True Art of Thinking; Berkeley, Los Angeles
1994
© Frank Hartmann 1998
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