Nach dem Ende der klassischen deutschen Philosophie Vorbemerkung: Dieser Essay läßt sich auf eine Perspektive ein, die sich im historischen Rückblick als Illusion erwiesen hat. Der ,, Umbau der institutionalisierten Wissenschaft" im größeren Zusammenhang sozialistischer Praxis fand in den 70er Jahren nicht statt. Dennoch bleibt die Frage, was aus der Philosophie als spezifischer gesellschaftlicher Praxis nach Marx' und Engels' Kritik der klassischen deutschen Philosophie geworden ist. Und wie diese besondere Praxis zu überwinden ist. Die Kritik an der Philosophie als institutionalisierter Wissenschaft hat in der Studentenbewegung nur gelegentlich eine Rolle gespielt. Das ,,Absterben der Philosophie" und ihre ,,Aufhebung" durch ,,kritische Theorie der Gesellschaft" erschienen zunächst als ebenso sinnfällige wie theoretisch wohlbegründete Tatsachen1, daß es die Mühe nur unter besonderen Umständen lohnte, die Philosophie als faktisch noch existierende akademische Disziplin zu kritisieren2. Seit aber die ehemals antiautoritären Studenten dazu übergegangen sind, selbstkritisch ihre bisherige Theorie und Praxis mit Hilfe marxistischer Theorie und insbesondere konkreter polit-ökonomischer Erklärungsansätze zu analysieren3, hat sich das Interesse der theoretischen Arbeit auf die - mit der Analyse der Bedingungen eines erneuerten Proletariats als bewußter politischer Kraft verbundenen - polit-ökonomischen und organisatorischen Fragen verlagert; wiederum kann die Fragestellung einer Kritik der Philosophie als institutionalisierter Wissenschaft nicht als zentral gelten. Nachdem die Kritische Theorie heute auch wieder in der Bundesrepublik unter marxistischen Gesichtspunkten kritisiert wird4, sind für die aus der Studentenbewegung hervorgegangenen sozialistischen Gruppen5 zwei Fragen aktuell geworden, die in den Zusammenhang einer Kritik der Philosophie gehören: Erstens ist der Anspruch der Kritischen Theorie, die selbst als eine bestimmte Form von Philosophie im Zusammenhang der bürgerlichen Wissenschaft erkannt wird, fragwürdig geworden, als direkte Fortsetzung der revolutionären Theorie von Marx und Engels bereits die konkrete Aufhebung der Philosophie geleistet haben6, zweitens ist der von Vertretern der Kritischen Theorie gegen den Marxismus oder die ,,stalinistische Philosophie" erhobene Vorwurf des ,,Positivismus" oder ,,Szientismus" als Indiz des Idealismus der Position der ,,Kritischen Theorie" kritisiert worden7 - zu Recht, wenn auch noch in abstrakter Form. Da aber die grundlegende These der Kritischen Theorie, daß eine Theorie der Gesellschaft letztlich immer den Charakter eines philosophischen Entwurfs haben müsse, zugleich die zentrale Voraussetzung ihrer Position im Positivismusstreit bildet8, muß eine marxistische Kritik der Kritischen Theorie feststellen, daß sie nicht mehr einfach auf die Positivismuskritik der Frankfurter Schule und die davon abgeleitete Wissenschaftskritik der Studentenbewegung zurückgreifen kann: Wenn mit Lenin gilt, daß das ,,von der Menschheit angehäufte Wissen" durch die Marxisten zuallererst anzueignen ist, indem man es kritisch bearbeitet, d.h. im marxistischen Bezugsrahmen neu begreift und an konkreter Praxis bewährt9, dann muß auch die bestimmte Negation der positivistischen Wissenschaftspraxis der bürgerlichen Wissenschaft in einem anderen als dem von der Kritischen Theorie vorgegebenen wissenschafts- und erkenntnistheoretischen Bezugsrahmen erfolgen. Die Arbeit an der Wiedergewinnung eines solchen Rahmens im Ausgang von der klassischen marxistischen Theorie muß heute durch konkrete Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Wissenschaftstheorie auf ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstand - einschließlich ihrer kritisch-theoretischen Variante - geleistet werden, um die materialistische Dialektik als Methode und Theorie der objektiven Erkenntnis der Realität kritisch zu rekonstruieren.10 Dazu kann die Kritik der Philosophie durch Untersuchung des Verhältnisses der Kritischen Theorie als Erkenntnistheorie und Sozialphilosophie zu anderen Formen bürgerlicher Philosophie beitragen und damit die bestimmte Negation der Kritischen Theorie als eines maßgeblichen Teils der theoretischen Vergangenheit der gegenwärtigen, aus der Studentenbewegung direkt oder indirekt hervorgegangenen sozialistischen Gruppen betreiben. Die dafür erforderliche theoretische Arbeit wird auf die Ergebnisse einer materialistischen Kritik der methodischen und inhaltlichen Ansätze der gegenwärtigen bürgerlichen Philosophie nicht verzichten können; diese Kritik wird andererseits in ihrer konkreten Durchführung nicht auf die spezialisierte Zusammenarbeit mit der materialistischen Kritik einzelner bürgerlicher Wissenschaften verzichten können. Eine marxistische Kritik der Philosophie kann sich nicht aus mehr oder minder zufällig aus ihrem Gegenstandsbereich aufgegriffenen Ansätzen und theoretischen Gesichtspunkten entwickeln, sie muß der in der Überwindung der antiautoritären Studentenbewegung11 konkret gestellten Frage nach der gesellschaftlichen Funktion der Wissenschaften auch für die Philosophie nachgehen und darf dabei Philosophie nicht einfach als Ansammlung von Theoremen und Grundhaltungen (Satzsystemen oder Weltanschauungen) kritisieren. Eine materialistische Kritik muß sich vielmehr darauf einlassen, Philosophie als Praxis der Verarbeitung von Wirklichkeit aufzufassen, die als akademische Disziplin im Zusammenhang der bürgerlichen Wissenschaften zu analysieren ist. Sie muß anzugeben versuchen, welche Teilfunktionen in der Wahrnehmung der gesellschaftlichen Funktion der Wissenschaftsinstitution, die durch Bereitstellung von Forschungsergebnissen, Qualifizierung von Arbeitskraft und ideologische Formierung gesellschaftlicher Individuen ihren Beitrag zur Reproduktion der kapitalistischen Gesellschaft leisten, die Philosophie als akademische Disziplin wahrnimmt. Die neuere Diskussion innerhalb der sozialistischen Bewegung in der Bundesrepublik hat sich in ihrer Wissenschaftskritik vor allem auf die Frage konzentriert, ob in dieser gesellschaftlichen Funktion das Moment der ideologischen Formierung oder der Steigerung der Produktivität der Arbeitskraft (durch höhere Qualifikation oder Intensivierung der Arbeit) überwiegt; da es auf diese Frage offenbar keine pauschale Antwort gibt, ist auch sie in eine materialistische Analyse der Philosophie einzubeziehen. Eine marxistische Kritik der Philosophie kann sich nicht auf eine Momentaufnahme der gegenwärtigen Erscheinungsformen von Philosophie beschränken. Philosophie ist als Moment des historischen Prozesses zu analysieren, und die wesentlichen Entwicklungstendenzen der Tätigkeit der Philosophen sind aus diesem Prozeß zu erklären 12 Im Zusammenhang einer materialistischen Wissenschaftskritik genügt es nicht, die philosophische Literatur allgemein auf das zugrunde liegende Klasseninteresse zurückzuführen, es sind darüber hinaus die Mechanismen zu analysieren, durch die die Philosophie im Zusammenhang der organisierten wissenschaftlichen Forschung und Ausbildung konkret im Interesse der bürgerlichen Klasse und ihrer Fraktionen tätig ist. Diese Mechanismen haben sich im Laufe der Entwicklung des gegenwärtigen Kapitalismus mehrfach verändert; was einer Generation unmittelbar als ,,Absterben der Philosophie" erschien, stellt sich im Rückblick einer materialistischen Analyse regelmäßig als eine solche Veränderung heraus. Die konkrete Aufhebung der Philosophie als von den Einzelwissenschaften und der menschlichen Praxis getrennter theoretischer Tätigkeit ist nur zusammen mit der Aufhebung der kapitalistischen Gesellschaft zu verwirklichen. Das bedeutet aber weder, daß man die Philosophie als Moment des wissenschaftlichen Forschungsprozesses unmittelbar durch theorielose Aktivität ersetzen, noch daß man ihre Loslösung von gesellschaftlicher Praxis und wissenschaftlicher Forschung unbestimmt ausdehnen kann - die Analyse der konkreten Möglichkeiten praktisch-kritischer Tätigkeit muß das Theorie-Praxis-Verhältnis einer konkreten Aufhebung der Philosophie in jeder Phase des Klassenkampfes bestimmen und von den Auflösungserscheinungen des bürgerlichen Klassenbewußtseins abgrenzen, die das bereits erreichte Erkenntnisniveau gerade der Philosophie zerstören.12a Für eine Analyse der Entwicklung der gesellschaftlichen Funktion der Philosophie in Deutschland lassen sich folgende Orientierungspunkte an der Geschichte der Wissenschaftsinstitutionen ablesen: (a) Die Humboldtsche Universitätsreform, durch die die Philosophie von einem propädeutischen Fach zum zentralen ideologischen Bezugspunkt der Universität aufrückte, die zugleich ihren Praxisbezug an andere, neu geschaffene Einrichtungen (Fachhochschulen, Studienseminare) abgab; (b) die partielle Abwanderung der kostspieligeren Forschung aus den Universitäten in Forschungsinstitute und Akademien und das Anschwellen der Lehraufgaben der Universitäten seit dem in der Reichsgründung besiegelten ,historischen Block' von Feudalaristokratie und Großkapital, in deren Folge sich die Philosophen in forschungsbezogene Methodologen und lehr- und öffentlichkeitsbezogene Verkünder von Weltanschauungen differenzieren; (c) die Entwicklung einer Großforschung in Forschungszentren völlig außerhalb der Universitäten und von Ansätzen einer zentralen Planung aller kostspieligen Forschung an Forschungsinstituten und Hochschulen sowie die Differenzierung des Hochschulstudiums und damit der Lehre in Studiengänge unterschiedlicher Qualität, in deren Folge sich gegenwärtig eine erheblich kompliziertere Differenzierung der Tätigkeiten von Philosophen vollzieht. Die Humboldtsche Universitätsreform, die heute noch ideologische Leerformeln für das Selbstverständnis der Universitäten liefert, ist als das Resultat eines politischen Kompromisses zwischen einer noch vorindustriellen bürgerlichen Klasse, die aus politischer Schwäche nur eine Emanzipation durch Bildung zu verwirklichen sucht, und dem absolutistischen Staat zu begreifen, der besser ausgebildete Staatsdiener braucht, um wirtschaftliche Entwicklungsaufgaben so zu bewältigen, daß dadurch die aktuell gefährdete Stellung der herrschenden Rittergutsbesitzerklasse nicht erschüttert wurde. Tragende Säule dieses Kompromisses ist die Fiktion, daß universale theoretische Ausbildung, und das heißt vor allem philosophische Bildung, zugleich die Befähigung verleihe, Führungsaufgaben in jeder Art von Berufspraxis wahrzunehmen. Forschung ist der Prozeß der Artikulation des bürgerlichen Klassenbewußtseins im Begreifen von Natur und Geschichte - Lehre nur die Hinführung zu ihrer selbständigen Fortsetzung. Die Philosophie steht in beiden Prozessen im Mittelpunkt: In ihrer Lehre stellt sie der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden und dem gebildeten Publikum das konzentrierte Selbstverständnis der bürgerlichen Wissenschaft dar, in ihrer Forschung integriert sie noch die Ergebnisse der einzelnen theoretischen Forschungsrichtungen zu einer einheitlichen Erkenntnis der Welt. Daß auch heute noch die akademische Philosophie in der Bundesrepublik sich, wie aus ihren Lehrprogrammen ersichtlich, vorzugsweise an der damals erreichten Stellung der Philosophie orientiert, ist Ausdruck ihrer Unfähigkeit, sich über ihre gegenwärtig mögliche gesellschaftliche Funktion konkret Rechenschaft zu geben; mit Bezug auf diesen letzten Reflex der bildungsbürgerlichen Tradition hatte die antiautoritäre Studentenbewegung recht, wenn sie vom ,,Absterben der Philosophie" ausging. Die Konzeption der Humboldtschen Universität ließ sich von Anfang an nur um den Preis durchhalten, daß die Ausbildung von Arbeitskräften, auf deren berufspraktische Kompetenz es entscheidend ankam, außerhalb der Universitäten durchgeführt wurde: So wurden die qualifizierten Techniker, die für die Industrialisierung benötigt wurden, die Lehrer, die die Qualifizierung der industriellen Arbeitskraft besorgten, und etwa in einem späteren Stadium der Entwicklung des Kapitalismus die Kaufleute, die zur Steigerung der innerbetrieblichen Ausnutzung der Arbeitskraft notwendig waren, an Einrichtungen ausgebildet, an denen die Philosophie keine Rolle spielte13. Die Qualifizierung der höheren Staatsdiener für den Bereich der Verwaltung ging zum Teil in den Bereich der Verwaltung selbst über, zum anderen übernahm diese Aufgabe das im Zuge der historischen Schule und des juristischen Positivismus an der juristischen Fakultät ausgebildete öffentliche Recht, das sich ausdrücklich von der Philosophie absetzte. Damit verliert die Philosophie als akademische Disziplin ihre eminent politische Funktion der Ausbildung von führenden Staatsdienern als Träger einer die Interessen von Bürgertum und Rittergutsbesitzerklasse vermittelnden Gesellschaftsreform. Nach schwachen, vormärzlichen Versuchen einer politischen Orientierung an den vorwärtsdrängenden Teilen der bürgerlichen Klasse setzt ein Prozeß der Entpolitisierung ein, der sich etwa in der historisierenden und ,,erkenntniskritischen" Auflösung der Hegelschule an den deutschen Universitäten niederschlägt. Die bewußt politische Funktion der Philosophie geht gleichzeitig zunächst an die intellektuelle ,,Kritik" und dann an die revolutionäre Theorie der sich organisierenden Arbeiterklasse über. Damit war mit der Humboldtschen Universitätsreform auch die institutionelle Grundlage der alten bürgerlichen Disziplinen der Philosophie entfallen, für die die bürgerliche Klasse nach Ablösung der ständestaatlichen Gesellschaftsordnung kein Bedürfnis mehr hatte und die der herrschenden Feudalaristokratie in den nach der Französischen Revolution sich wieder verschärfenden Klassengegensätzen keine wirkungsvolle ideologische Legitimation mehr gab. Wie sehr die Konstruktion der Humboldtschen Universität, die sich bis zur Jahrhundertmitte in allen deutschen Staaten durchsetzte, von dem im Kompromiß fixierten Kräfteverhältnis der Klassen abhing, zeigen das Gewicht der staatlichen Berufungspolitik (Berufung Hegels und später Schellings nach Berlin), die staatlichen Eingriffe in die Freiheit der Forschung und Lehre (Entlassung von Professoren und Dozenten, Relegierung von Studenten, Verhinderung von Promotionen und Habilitationen) und die Einrichtung von Staatsprüfungen für zukünftige Staatsbeamte, die von vornherein die Mehrzahl der Studenten stellten: Die Industrialisierung Deutschlands, die in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts in größerem Ausmaß einsetzte, führte dann das deutsche Großbürgertum in ein Klassenbündnis mit der ,,staatstragenden Rittergutsbesitzerkaste" gegen das von der Industrialisierung hervorgebrachte Proletariat, das seit der Französischen Revolution von 1848 als die eigentlich revolutionäre Klasse ins Bewußtsein der Herrschenden getreten war. Das einst - seiner inzwischen veränderten Klassenlage entsprechend - ,,gemäßigt revolutionäre" Bildungsbürgertum mußte sich in dieser Konstellation des Klassenkampfes neu orientieren: Bis auf die wenigen Individuen aus der bürgerlichen Intelligenz, die sich offen auf die Seite des Proletariats schlugen und in dessen Organisationen (Parteischulen, Bildungssekretariate und Presseorgane) theoretische Arbeit leisteten, mußte das Bildungsbürgertum als Teil der bürgerlichen Klasse sich aufgrund des neuen Klassenbündnisses des Großbürgertums mit der herrschenden Rittergutsbesitzerklasse neu arrangieren und zugleich die eigene Position unzweideutig von der neuen revolutionären Klasse absetzen. Diese ideologische Neuorientierung und die längerfristige und tiefergehende Veränderung der materiellen Stellung des Bildungsbürgertums, die sich aus der materiellen Grundlage des neuen Klassenbündnisses - der Verbindung von Zentralisierung und Konzentration des Kapitals mit Anwachsen der wachstumsfördernden und politisch stabilisierenden Tätigkeit des Staatsapparates - notwendig ergab, hat auch die Funktion der Universität als der zentralen Bezugsinstitution des Bildungsbürgertums nachhaltig verändert14. Seit dieser Veränderung ist die Geschichte der Philosophie von Versuchen bestimmt, den damit verbundenen Funktionsverlust zu kompensieren. Die Philosophie konnte gegenüber den mit der Ausdehnung des Beamtenapparates wachsenden Anforderungen an die konkrete berufsbezogene Qualifikation des akademisch ausgebildeten Nachwuchses, die zur fachbezogenen Spezialisierung von Forschung und Lehre zwangen, eine führende Stellung an den Universitäten auch innerhalb des zentralen Bereiches, an den philosophischen Fakultäten, nur dadurch einigermaßen halten, daß sie in der Funktion der ergänzenden ideologischen Formierung der an den Universitäten ausgebildeten Staatsdiener neben das verselbständigte Fachstudium trat. Als Folge davon bildete sich auch in der Philosophie ein spezialisierter Bereich der Beschäftigung mit ,,Lebensfragen" heraus, der darauf abzielte, die theoretischen Wissenschaften praktisch durch ein Angebot von im ,,Leben", d.h. in der entpolitisierten Existenz des Bildungsbürgers, unmittelbar anwendbaren Lehren zu ergänzen. Neben diesem, vor allem in der universitären Lehre, in öffentlichen Vorträgen und einer philosophischen Schriftstellerei wahrgenommenen Bereich philosophischer Tätigkeit bildete sich gleichzeitig, stärker im Bereich der Forschung und der innerwissenschaftlichen Diskussion, ein Bereich philosophischer Tätigkeiten heraus, der seine gesellschaftliche Funktion überwiegend in den von der beginnenden staatlichen Förderung industrieller Forschung und Entwicklung profitierenden Akademien und Forschungsinstituten innerhalb und außerhalb der Universität fand. Auch dort nahm sie zwar eine ideologische Funktion wahr, nämlich die erkenntnistheoretische Legitimierung der sich schnell entwickelnden und weiter spezialisierenden einzelwissenschaftlichen Forschung und ihre Absicherung gegen materialistische und atheistische Konsequenzen (d.h. gegen die Positionen der Theoretiker der Arbeiterklasse)15 auf der einen Seite und die Bereitstellung der Materialien und Begründungen für die in der Lehre der einzelnen Wissenschaften zu gebenden Darstellungen von ,,geistigen Strukturzusammenhängen" im Rahmen einer rückwärtsgewandten Selbstinterpretation16 auf der anderen Seite, nahm aber zugleich eine wichtige Initiativfunktion in der Ausbildung neuer wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen wahr, die direkt oder indirekt Produktivitätssteigerungen ermöglichen sollten. Die in dieser Trennung verschiedener Bereiche philosophischer Tätigkeit mit unterschiedlicher Funktion angelegte Tendenz auf eine irrationalistische Entwissenschaftlichung der mit Bezug auf das Leben verkündeten philosophischen Gehalte und auf einen szientistischen Rückzug von den ,,Fragen des Lebens" auf ,,Probleme der Methode" machte die Philosophie auf der einen Seite fast beliebig für politische Zwecke des Tages einsetzbar - von der Flottenkampagne über die ,,Ideen von 1914" bis zur Unterwerfung unter den nationalsozialistischen Führerstaat17 -, zum anderen reiht sich die Philosophie in ihrer szientistischen Variante zunehmend als untergeordnetes Moment in den vom Kapitalverwertungsinteresse bestimmten Entwicklungsprozeß der wissenschaftlichen Forschung ein. Spätestens seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges brechen diese beiden Bereiche in verschiedene philosophische Traditionen auseinander, zwischen denen es keine Verständigungsmöglichkeit gibt. Die eine, lehr- und öffentlichkeitsbezogen, wenn auch mit dem Anspruch, zugleich mit den Fragen des Lebens die Probleme der Methode zu klären,18 mündet direkt in eine völkische Lebensphilosophie, die offen für den deutschen Faschismus Partei ergreift; die andere, an Forschungseinrichtungen orientiert, zieht sich aus der geschichtlich-gesellschaftlichen Praxis zurück, die sie dem persönlichen Engagement des moralischen Individuums überläßt und bereitet den Weg des Philosophen als Unsinn vermeidenden und Ergebnisse ordnenden Hilfswissenschaftlers in die scheinbar von der gesellschaftlichen Praxis isolierten Großprojekte der Staats- und Industrieforschung vor. Die besondere Kräftekonstellation der verschiedenen Kapitalfraktionen in Deutschland und die Machtübernahme durch den Nationalsozialismus führen zu einer langfristigen Trennung beider Traditionen: Die technokratische und auf Neutralität abzielende Wissenschaftstheorie des Neopositivismus im weitesten Sinne geht in die Emigration, um erst in den 60er Jahren wieder in der Bundesrepublik Boden zu gewinnen; die andere, der es nicht gelingt, unter dem deutschen Faschismus eine gesellschaftliche Funktion zu finden - ihre Auslegung der Stimme des Blutes oder des Volkes konnte nur die Praxis einer Bewegung ideologisch begleiten - beherrscht, nach einer erneuten Historisierung der eigenen Position, die philosophische Entwicklung in der Bundesrepublik noch bis zum Ende der Rekonstruktionsperiode 19 Beide Traditionen haben gemeinsam, daß sie die traditionelle Stellung der Philosophie im ideologischen Reproduktionsprozeß des Kapitalismus als bürgerlicher Gesellschaft als unwiederbringlich vergangen erkennen und diesen Funktionsverlust zu kompensieren suchen. Das Scheitern beider Kompensationsversuche, auch nach ihren eigenen Intentionen, bildet den Ausgangspunkt der gegenwärtigen Diskussion über Aufgaben und Möglichkeiten der Philosophie als akademische Disziplin. Die gesellschaftliche Funktion der Universität war schon in der Weimarer Zeit dem herrschenden Bündnis von an technisch-wissenschaftlichem Fortschritt interessierten Teilen der Großindustrie 20 und sozialdemokratischer Führung als reformbedürftig erschienen21, das gilt auch für das Verhältnis von Philosophie und Fachwissenschaft an einer ,,ihrer ursprünglich rein wissenschaftlichen Widmung entgegen, zur Mandarinenausbildungsanstalt" gewordenen Universität (C. Grünberg, 1924)22. Das Übergewicht der Staatsfunktionäre innerhalb des deutschen Bildungsbürgertums, besonders seiner Akademiker, wird als modernitätsfeindliches und stabilitätsbedrohendes Moment gesehen, das seinen Ausdruck in der eigentümlichen Verbindung von Traditionalismus und Aggressivität der akademischen Philosophie findet. Versuche, ein Gegengewicht aus einer Verbindung mit spezialisierter gesellschaftswissenschaftlicher Forschung zu schaffen, blieben jedoch vereinzelt. In diesen Zusammenhang scheint mir die Geschichte des Frankfurter Instituts für Sozialforschung zu gehören, in dem sich von Anfang an liberales Großbürgertum, Finanzkapital und die Tradition des ,,deutschen Idealismus der jüdischen Philosophen"23 verbanden. Die hier entwickelte Kritische Theorie hat zum erstenmal in großem Umfang eine Rezeption des Marxismus im Rahmen der bürgerlichen Philosophie geleistet, mit dem man sich bis dahin nur indirekt und allenfalls polemisch oder anonym auseinandergesetzt hatte. 24 Mit seinen Untersuchungen über Probleme der Autorität hat das Institut, in der Zeit seiner Emigration, eines der ersten großen sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekte durchgeführt und dabei zugleich die sozialphilosophische Problemhöhe der bürgerlichen Tradition halten können; nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik war das Institut für lange Zeit der einzigartige akademische Kristallisationspunkt philosophischer und zugleich sozialwissenschaftlicher Gesellschaftskritik 25, seine Kritische Theorie konnte sogar als die einzig mögliche Form sozialistischer Praxis (Krahl) erscheinen. 26 Die dialektisch labile Position der Kritischen Theorie, die in ausdrücklicher Distanz zu jeder politischen Organisation der Arbeiterklasse und unter expliziter Negierung des Klassenkampfs den emanzipatorischen Gehalt der klassischen sozialistischen Theorie gegen eine autoritär entartete industrialisierte Welt zu wenden versucht (auf der sozialen Basis der Verbindung von Positionen als Mitarbeiter und Planer von organisierter Forschung, als akademischer Lehrer und philosophisch-kulturkritischer Schriftsteller), hat - selbst am Rande des Spektrums der bürgerlichen Philosophie - den geistigen Ausgangspunkt der studentischen Oppositionsbewegung über die Bundesrepublik hinaus gebildet. Für ihre richtige Einschätzung ist aber festzuhalten, daß sie von Anfang an in den Kontext der Versuche gehört, den progressiven Inhalt der bürgerlichen Tradition unter den Bedingungen eines technologisch verstandenen gesellschaftlichen Fortschritts gegen die sich dem bürgerlichen Klassenbewußtsein aufdrängende Alternative des Faschismus zu retten, ohne die Position der bürgerlichen Klasse verlassen zu müssen. Während die im Zeichen einer unvermeidlichen ,Wiedergutmachung' in die Bundesrepublik zurückgekehrte Kritische Theorie bis zum Ende der Rekonstruktionsperiode philosophisch und politisch isoliert blieb, traten in der gleichzeitigen Phase der Hochschulreform andere, oberflächlichere Versuche zu einer Neubestimmung der innerakademischen Funktion der Philosophie an ihre Stelle. Was als politisches Versagen der deutschen Universitäten unter dem Nationalsozialismus erschien, wurde auf den Verfall einer spezifischen philosophischen Tradition zurückgeführt,27 ein erneuter Einsatz der Philosophie im Geiste der Humboldtschen Universitätsreform sollte eine Wiederholung dieses Versagens verhindern. In Kolloquien, Symposien, Vortragsreihen und Ansätzen zu einem Studium generale sollten gegenüber der ,,spezialisierten Einseitigkeit" der Fachstudien und der fachwissenschaftlichen Forschung jene Einheit bürgerlicher oder abendländischer Geistigkeit wiederhergestellt werden, deren Verlust dem Versagen des Bildungsbürgertums im deutschen Faschismus zugrunde gelegen haben sollte28. Nach einer kurzen Zeit betont direkter Anknüpfung an bürgerlichen Neuhumanismus und Naturrecht, die die Aufgabe einer ideologischen Absetzung vom Nationalsozialismus zugleich mit der Bekämpfung sozialistischer und kommunistischer Ideen in den offenen Klassenkämpfen bis zur Etablierung der restaurierten gesellschaftlichen Machtstrukturen übernahm, hat sich die akademische Philosophie in der Bundesrepublik (die in ihren Hauptvertretern durch ihre Rolle im Dritten Reich kompromittiert war) von der Aufgabe einer ausdrücklichen ideologischen Formierung der Auszubildenden oder der Öffentlichkeit betont zurückgehalten. Ihr Lehrangebot beschränkte sich auf eine mit dem Anspruch eigener Strenge und Sachlichkeit durchgeführte hermeneutische Wie derholung,29 deren ideologischer Gehalt nicht in ausdrücklich politischen Inhalten bestand, sondern durch Verfahrensweise, Auswahl und Betonung des Materials30 in der Vermittlung eines idealistischen Verständnisses der ,,geistigen Situation der Zeit" und in der faktischen Durchsetzung eines bestimmten, existentialistisch verkürzten Bildungs- und Wissenschaftsbegriffs zum Ausdruck kam. Damit entsprach sie auf ideologischer Ebene den Notwendigkeiten eines Systems, das den Klassenkampf nicht mehr als offen politische Auseinandersetzung zulassen, aber ihn auch nicht einfach durch diktatorische Maßnahmen unterdrücken konnte. So wie die Bekämpfung der gegnerischen Klasse politisch in die Propaganda gegen den außenpolitischen Feind und gegen dessen kriminalisierte Agenten verlegt wurde, während der entpolitisierte Raum der Innenpolitik nicht mehr direkt ideologisch, sondern durch wirtschaftliche Erfolgsargumente stabilisiert wurde, so wurde die Auseinandersetzung mit dem Marxismus aus der Philosophie ausgegliedert und "Einzelwissenschaften" wie Sowjetologie und Marxologie überlassen.31 Die von Sozialwissenschaftlern verbreitete Ideologie der Entideologisierung einer nivellierten Mittelstandsgesellschaft artikuliert insofern, was die akademische Philosophie in ihrer Lehrpraxis nur vollzog. Aus dieser Konstellation ergab sich von vornherein, daß die proklamierte Rückkehr zur Humboldtschen Rolle der Philosophie32 zum Scheitern verurteilt war. Sofern die Veranstaltungen, die dafür eingerichtet wurden, nicht zu akademischen Sonntagsreden degenerierten, wurden sie im Gegenteil die Kanäle, auf denen eine Philosophie, die sich von der öffentlichen Auseinandersetzung zurückzog, im innerakalemischen Gespräch um so wirkungsvoller ideologische Formierung der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften betreiben konnte. Daß deren Bereitschaft zu einer solchen Form der philosophischen Begründung und Hinterfragung sich zum Teil, etwa in der Germanistik und der Jurisprudenz, aus ähnlichen Motiven ergab wie die Zurückhaltung der akademischen Philosophie in der eigenen Lehre und in der öffentlichen Auseinandersetzung, kann im Rahmen dieses Essays nicht näher analysiert werden. Die so eingespielte gesellschaftliche Rolle der Philosophie mußte sich allerdings langfristig selbst zerstören: Sobald einmal das System der Einebnung der Klassengegensätze im Bewußtsein der Individuen genügend stabilisiert war, würde man auf den Beitrag der Philosophie zur ideologischen Formierung der wissenschaftlich Auszubildenden verzichten können. Dieser Verzicht wäre sogar dringend erforderlich, weil, wie die Erfahrung gezeigt hat, auch historisch gebrochene philosophische Inhalte sich noch in bewußt politische Kritik am herrschenden Gesellschaftssystem umsetzen ließen. Zunächst hat sich die akademische Philosophie seit der Etablierung der Bundesrepublik demgemäß auf Aufgaben zurückgezogen, die von ihrem eigenen Lehrangebot entfernt sind. Die zunehmende Entleerung der Rolle der Philosophie im Rahmen der Lehrerausbildung an der Universität ist daher auch von den führenden Vertretern der Philosophie als akademischer Disziplin gleichgültig hingenommen, wenn nicht sogar gefördert worden. Aus ihrer wichtigen Funktion der Lieferung von Begründungen und Immunisierungsstrategien für die historische oder positivistische Entfernung der Sozial- und Geisteswissenschaften von der geschichtlich-gesellschaftlichen Realität (sowie von für die ,,autonome Forscherpersönlichkeit" bestimmten, weiteren geistigen Perspektiven) ergab es sich konsequent, daß in dem Moment, wo der Bedarf an wissenschaftlich qualifizierten Arbeitskräften quantitativ und qualitativ so rasch zu steigen begann, daß eine Reform der akademischen Ausbildung im Interesse der bürgerlichen Klasse lag, zunächst Philosophen eines besonders auf diese Aufgaben eingestellten Typs führende Positionen in der Wissenschafts- und Bildungsorganisation übernahmen33, bezeichnenderweise allerdings fast ausschließlich im Zusammenhang der Reformdiskussion über die Organisation der akademischen Lehre. Seit der Formierungsprozeß der wissenschaftlichen Ausbildung im Interesse des Großkapitals ernsthaft eingesetzt hat, sind diese Aufgaben von den Philosophen als letzten Vertretern der alten Ordinarienuniversität längst an Spezialisten für Hochschulplanung, Hochschuldidaktik und deren politische Durchsetzung (BAK, HIS, AHD)34 übergegangen, die mit der Philosophie höchstens noch über die individuelle Sozialisation ihrer Vertreter oder über eine bestimmte Form von Wissenschaftstheorie als philosophischem Beitrag zum wissenschaftlichen Forschungsprozeß zusammenhängen.35 Seit dem Ende der Rekonstruktionsperiode hat auch in der Bundesrepublik die Philosophie als akademische Disziplin sich wieder mit einer Entwicklung auseinanderzusetzen, die sich international etwa seit der Vertreibung der analytisch orientierten Tradition durch den deutschen Faschismus vollzogen hat. Diese Entwicklung, in der sich im Bereich der angewandten Forschung die von Staat und Industrie gemeinsam organisierte Großforschung ausbildete und in der geplante Forschungsprojekte zunehmend auch in den Bereich der Grundlagenforschung eindrangen, müßte im internationalen Maßstab analysiert werden, ebenso wie die zugrunde liegende Neubestimmung der Rolle des Staates als eines stabilisierenden und planifizierenden Faktors, der die Erscheinungsformen des Grundwiderspruchs der kapitalistischen Gesellschaft verändert, ohne diese selbst aufzuheben. Sofern in dieser nach Projekt- und Großforschungsgesichtspunkten sich reorganisierenden Forschung Philosophie überhaupt noch einen Platz hat, handelt es sich entweder um charakteristisch veränderte Formen von Philosophie oder aber darum, durch vergleichsweise untergeordnete Projekte die analysierte Funktion der akademischen Philosophie im Zusammenhang der Lehre zu stabilisieren.36 Die angesprochenen charakteristisch veränderten Formen von Philosophie zeichnen sich durch eine beträchtliche Steigerung der formalen Rationalität gegenüber vergleichbaren früheren Formen aus; formale Rationalität und damit verbundene Spezialisierung sind die Voraussetzungen ihres Funktionierens im neuen wissenschaftsorganisatorischen Kontext. Die dort übernommene Funktion läßt sich in drei Richtungen typisieren: Der spezialisiert wissenschaftstheoretisch oder formalwissenschaftlich ausgebildete Philosoph übernimmt die Funktion einer permanenten methodologischen Kontrolle eines eng umschriebenen Bündels von Forschungsprozessen oder mit zusätzlichen inhaltlichen Qualifikationen in der Rolle des unspezialisierten Generalisten die Aufgabe der Förderung der Kreativität des Forscherteams, oder aber der philosophisch ausgebildete Wissenschaftler geht in seiner Tätigkeit in eine von der Philosophie selbst losgelöste Formalwissenschaft über (mathematische Logik, Kybernetik, Systemtheorie usw.). Funktionen dieser Art können philosophisch qualifizierte Wissenschaftler auf sehr verschiedenen Ebenen übernehmen, außerdem wird zumeist nicht nur eine dieser Funktionen wahrgenommen; das macht es schwierig, aus dieser abstrakten Analyse konkrete Funktionsbeschreibungen abzuleiten. Als wichtigste Erscheinung lassen sich jedoch die Herauslösung der theoretischen Grundlagen der Philosophie (Logik, Beweistheorie, Sprachtheorie) aus dem Forschungszusammenhang der Philosophie als akademischer Disziplin und ihre Konstituierung als eigenständige Wissenschaften sowie die fortschreitende Spezialisierung innerhalb der Philosophie selbst festhalten. Damit wird an die Stelle der globalen Abtrennung der Philosophie von gesellschaftlicher Praxis und wissenschaftlicher Forschung, wie sie die verschiedenen Richtungen des Positivismus vollzogen hatten, eine Strategie der parzellierten Herstellung solcher Zusammenhänge mit einer isolierbaren Praxis gesetzt, die nicht auf die dialektische Aufhebung, sondern auf eine verkürzende Auflösung der Philosophie als verselbständigter Form theoretischen Verhaltens hinausläuft. Diese Spezialisierung erscheint seit kurzem nicht mehr nur als Spezialisierung von Personen - in der immer noch am Anspruch einer philosophischen Totalität festgehalten wurde -, sondern ausdrücklich in institutionalisierter Form (Forschungsinstitute, Stellenbeschreibungen). An dieser Stelle ist die Frage zu untersuchen, welche konkrete Funktion Philosophie als Moment der sich reorganisierenden Forschung im gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß konkret übernimmt und in welche Abhängigkeiten sie sich dadurch begibt. Oberflächlich betrachtet, scheinen die gerade skizzierten Entwicklungen darauf hinzudeuten, daß Philosophie entweder direkt oder indirekt, d.h. durch entsprechende Qualifikation von Arbeitskraft, zum Moment einer umfassenden wissenschaftlichen Tätigkeit geworden ist, die (in unmittelbarer Unterordnung unter Verwertungsinteressen des Kapitals) Bedingungen der Steigerung der Produktivkräfte produziert. Dieser Funktion entsprechen neue Positionen der Philosophie, die ausdrücklich eine bestimmte überindividuelle Praxis zum Ausgangspunkt nehmen37 und auf die für eine formal wissenschaftliche Intersubjektivität vorausgesetzte Handlungsfähigkeit reflektieren. Während in den Naturwissenschaften die Forschungspraxis den in diesen Voraussetzungen explizierten Kriterien für Intersubjektivität definitionsgemäß schon genügt38 (und daher nicht davon ausgegangen werden kann, daß eine philosophische Analyse der in der Praxis befolgten methodologischen Regeln einen bestimmbaren Beitrag zur Qualifikation der Arbeitskraft des Forschers leisten kann), ist die Bestimmung dieser Rolle in bezug auf die Sozialwissenschaften schwieriger: Zwar ist die Übertragbarkeit der am Beispiel der mathematischen und Naturwissenschaften postulierten methodischen Regeln auf sozialwissenschaftliche Forschung mit guten Gründen in Zweifel gezogen worden,39 dennoch läßt es sich nicht von vornherein ausschließen, daß die Analyse und explizite Postulierung dieser Regeln einen Beitrag zur Qualifikation des an der Entwicklung von isolierten Techniken des social engineering arbeitenden Forschers liefert, so sehr auch daran festzuhalten ist, daß eine ausschließlich von diesen Regeln gesteuerte Forschung keine Erkenntnisse über die wesentlichen Zusammenhänge der Gesellschaft, deren Teil sie selbst ist, hervorbringen kann. Daß dies zumindest partiell geschieht, deutet sich in dem Verhältnis von Philosophie und Formalwissenschaften an,40 denen jedenfalls eine ähnliche Funktion zukommt, wie sie von J. Klüver für die Mathematik analysiert wird.40a Auch wenn die Frage offen bleibt, ob nicht neue Formen der Philosophie im Zusammenhang der Forschungsorganisation einen Beitrag dazu leisten, Bedingungen für die Entfaltung der Produktivkräfte hervorzubringen, muß doch festgehalten werden, daß ihre Funktion in diesem Zusammenhang überwiegend eine ideologische ist. Sie dient dazu, der technischen und wissenschaftlichen Intelligenz, die im Rahmen der organisierten Forschung direkt unter Interessen subsumiert ist, die sich eben nicht aus dem Forschungsprozeß selbst legitimieren lassen, das Bewußtsein zu vermitteln, sich in ihrer Forschungspraxis - von korrigierbaren Fehlern abgesehen - immer schon auf der Grundlage der umfassenden Praxisbezogenheit aller menschlichen Erkenntnis zu bewegen, durch die eine Wirklichkeitserkenntnis überhaupt möglich ist. Zugleich schirmt sie die an den Forschungsprozessen Beteiligten vor der Erkenntnis des wesentlichen gesellschaftlichen Inhalts der ihren Forschungen vorangehenden und folgenden Praxis ab, indem sie als zugrunde liegende Praxis idealistisch eine vernunftgeleitete Tätigkeit ausgibt, die dem Forscher aus seiner eigenen Erfahrung als Wissenschaftler vertraut ist. Den Anspruch, gesellschaftliche Praxis überhaupt auf das Modell der wissenschaftskonstituierenden (theoretischen) Praxis zurückzuführen, der in dieser idealistischen Verlagerung der Selbstbegründung der Vernunft in eine (über eine Praxis, die wissenschaftliche Intersubjektivität kontrollierbar herstellt) vermittelte Selbstbegründung der Wissenschaft impliziert ist, haben die Vertreter dieser Art von Philosophie durch die Entwicklung einer Ethik der kritischen Wissenschaftlichkeit bzw. der dialogischen Rationalität ausdrücklich erhoben; damit eröffnet sich für sie die Perspektive, die skizzierte ideologisch formierende Funktion gegenüber den Forschern auf weitere (hinreichend wissenschaftlich ausgebildete) Individuen ausdehnen und dadurch stützen können. An die Stelle einer gemeinsamen Orientierung des Bildungsbürgertums an den verflachten Werten des deutschen Idealismus könnte so eine gemeinsame Orientierung der aufgrund technischer und wissenschaftlicher Vorbildung gesellschaftliche Leitungsfunktionen wahrnehmenden Intelligenz an den Regeln methodologischer Rationalität treten. An die Stelle einer ideologischen Arbeitsteilung von Religion und historischer Philosophie, die die Formierung des Bewußtseins von Proletariat und Bildungsbürgertum im deutschen Bildungswesen bisher übernahmen, könnte dann eine entsprechende Arbeitsteilung zwischen modischen allgemeinen Philosophemen und der ,,wissenschaftlichen" Philosophie des methodischen Rationalismus treten. Sofern die Kritik der positivistischen Wissenschaftstheorie sich im Gefolge der Kritischen Theorie auf diese Ebene der Auseinandersetzung begab, auf der sich vor allem die kritischen Rationalisten schon in den 50er Jahren bewegten, berührte sie einen zentralen Punkt der sich damals in den angelsächsischen Ländern gerade herausbildenden Formen der Wissenschaftsorganisation. Statt aber die formale Immunisierung der hier vertretenen Positionen wirklich in Richtung auf eine inhaltliche Bestimmung der diesen Veränderungen der Forschungsorganisation zugrundeliegenden Kapitalverwertungsinteressen zu durchbrechen, zahlte die Kritik selbst den Preis, ihre eigenen Argumentationen immer mehr zu formalisieren, je mehr sie sich auf die Auseinandersetzung einließ. Das war so lange wenig bedenklich, wie nicht nur die wissenschaftspolitische Auseinandersetzung innerhalb der im Kalten Krieg von jedem Kontakt mit marxistischer Wissenschaft ferngehaltenen Bundesrepublik in die Wissenschaftstheorie verlegt zu sein schien,41 sondern darüber hinaus die geringe Entfaltung der gesellschaftlichen Klassenkämpfe es als aussichtslos erscheinen ließen, die inhaltliche Subsumtion dieser Forschung unter das Verwertungsinteresse des Kapitals direkt in Frage zu stellen. Schließlich war auch diese Tendenz an den deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten zunächst noch nicht Wirklichkeit, sondern nur etwas, was gemäß entsprechenden angelsächsischen Erfahrungen bevorstand. Dennoch ist rückblickend zu sagen, daß diese vorweggenommene Auseinandersetzung mit der neueren organisierten Forschungspraxis gerade das Medium einer Weiterentwicklung der ihr entsprechenden methodologischen Analyse war, die es gegenwärtig erlaubt, in die Realisierung einer entsprechenden methodischen Reorganisation der Forschung in der Bundesrepublik bereits auf einem sehr entwickelten theoretischen Niveau einzutreten.41a Vor dem Hintergrund der skizzierten Veränderungen der (durch ihre Funktion in der Organisation von wissenschaftlicher Forschung und Ausbildung definierten) gesellschaftlichen Rolle der Philosophie als akademischer Disziplin nehmen sich die gegenwärtig vorliegenden bürgerlichen Reformvorschläge als bloße, oft auch noch unzureichende Anpassungsversuche aus. Diese Reformprogramme gehen nicht von einer umfassenden und gründlichen Analyse der gegenwärtigen Funktion des Faches Philosophie aus, sie orientieren sich vielmehr unvermittelt an Prinzipien der neueren Wissenschaftstheorie, die die Veränderungen in der gesellschaftlichen Funktion der akademischen Wissenschaftspraxis nicht ausdrücklich verarbeiten, sondern nur in einem theoretischen Kontext zum Ausdruck bringen. Die meisten dieser Reformprogramme, auch unter denjenigen, die überhaupt radikal genug ansetzen, um das Problem einer Neubestimmung von Inhalt und Aufgabe des Faches Philosophie in den Blick zu bekommen, sehen allein den Bereich der Funktion im Rahmen einer wissenschaftlichen Ausbildung. Hierher gehören vor allem die Beiträge von Kambartel und H. Lenk, die jeweils von einer weit vorangetrieben Denkrichtung innerhalb des bürgerlichen methodischen Rationalismus ausgehen. 42 Kambartel, der von dem operativistischen Rationalismus ausgeht, bestimmt die Funktion der Philosophie als die einer kritischen Wissenschaftsdidaktik, die dafür Sorge trägt, daß es in den Wissenschaften vernünftig zugeht,43 Lenk sieht in der Philosophie ein vielseitiges, über alle disziplinären Schranken hinausgreifendes Geschäft, das darauf abzielt, Schule und Hochschule zu Institutionen der offenen Kritik zu mach en.44 Beide haben zwar in den von der antiautoritären Studentenbewegung an den Hochschulen in Gang gebrachten politischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre gelernt, daß Vernünftigkeit und Kritik mit Bezug auf die gesellschaftliche Wirklichkeit definiert werden müssen, es bleibt jedoch für sie bei der zur theoretisch begründeten Haltung hinzukommenden Absicht, gesellschaftlich wirksam zu werden, indem man die Gesellschaft über die theoretisch vollzogenen Einsichten aufklärt. Daß dabei Kambartel, orientiert an einer operativistischen Interpretation mathematischer Erkenntnisse, eher zu einer Harmonisierung von Interessenkonflikten im Namen einer formal überlegenen Vernünftigkeit neigt, während Lenk sich in eine unreflektiert liberalistische Unverbindlichkeit zurückzieht, deutet an, daß bei aller gegenwärtigen Konvergenz der mathematisch und der naturwissenschaftlich orientierte Rationalismus innerhalb der bürgerlichen Philosophie unterscheidbare und potentiell antagonistische Aspekte des widersprüchlichen Klasseninteresses der herrschenden Klasse45 zum Ausdruck bringen. Ihr Verhältnis und ihre materiellen Grundlagen näher zu analysieren, wäre eine wichtige Aufgabe einer materialistischen Kritik der gegenwärtigen bürgerlichen Philosophie, auf die im Rahmen dieses Essays nur hingewiesen werden kann. Während diese beiden Reformprogramme aus den fortgeschrittensten Richtungen innerhalb der bürgerlichen Philosophie sich auf die gesellschaftliche Funktion der Philosophie in ihrer Form als akademischer Lehre gemäß ihrem eigenen Ansatz beschränken und in den Forschungsprozeß nur kritisch eingreifen können, soweit sie ihn selbst als einen Prozeß der Lehre eines Lehrers gegenüber einem Schüler46 bzw. als einen Prozeß der offenen Diskussion unter Gleichgestellten47 konstruierten, versuchen dagegen diejenigen, die gegenwärtig die Kritische Theorie fortsetzen, indem sie ,,das Programm einer Erkenntnistheorie als Gesellschaftstheorie" verfolgen, ihre Neubestimmung der gesellschaftlichen Funktion der Philosophie unmittelbar in den Zusammenhang der gegenwärtigen Reorganisation des Forschungsprozesses zu stellen. Das zwingt sie allerdings dazu, nun noch die letzten Elemente marxistischer Theorie, die in der älteren Kritischen Theorie rezipiert worden waren, unter dem Vorwurf des Dogmatismus auszuschalten.48 Ihr kritischer Ansatz formalisiert sich einerseits, um überhaupt noch den Forschungsprozeß auf der von ihm selbst definierten Ebene erfassen zu können, und zieht sich zugleich in die wissenschaftstheoretische und gesellschaftliche Isolation einer Metawissenschaft49 zurück, die für ihre Wirksamkeit auf die Kraft der ,,fragilen Einheit der Vernunft" gegenüber den gegenwärtigen Persönlichkeits- und Gruppenstrukturen nur sehr zurückhaltend vertraut.50 Da die von ihren Vertretern als notwendig erkannte Spezialisierung und Konkretisierung bis jetzt nur Programm bleibt und die Reflexion auf die gesellschaftlichen Bedingungen der eigenen Wirksamkeit um die Kategorie des aufgeklärten Individuums (bzw. einer ,,Öffentlichkeit" solcher Individuen) kreist, ist zu erwarten, daß eine konkrete Durchführung des Programms seine Vertreter etwa dahin führen würde, wo heute schon Wissenschaftstheorie als spezialisierte Hilfswissenschaft fungiert.51. Die ihnen zugrunde liegende Idee einer Kontrolle wissenschaftlicher Großforschung durch einen organisierten öffentlichen Kommunikationsprozeß aller Bürger ist. nicht nur, was ihre Realisierbarkeit angeht, als naiv zu bezeichnen - ihre Naivität hat ihren klassenspezifischen Sinn: Sie unterschlägt die antagonistischen Interessen, die jeder Forschung als gesellschaftlich organisiertem Prozeß zugrunde liegen - auch noch in ihrem naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Während die lehrbezogenen Reformprogramme durch ihre Konzentration auf die liberale Kategorie des kritischen Individuums dazu angelegt sind, intellektuelle Konflikte nicht zur Konfrontation mit den Grundwidersprüchen der Gesellschaftsform des Monopolkapitalismus kommen zu lassen, indem sie sich auf eine fiktive und ungefährliche ,,Institutionalisierung" von Kritik im Ausbildungsbereich beschränken, ist die in den forschungsbezogenen Überlegungen zur gesellschaftlichen Funktion der Philosophie eingeschlagene Richtung dazu geeignet, die Antagonismen der Klassen hinter dem Schleier einer überzeitlichen technischen und kommunikativen Rationalität zu verbergen, die in der organisierten Wissenschaft auch schon gesellschaftlich realisiert werden soll. Die undifferenzierte These von der ,,Produktivkraft Wissenschaft" wird so zur Legitimationsinstanz einer nur noch formal kritischen, inhaltlich aber affirmativen Theorie im Dienste der herrschenden Klasse. Angesichts der gegenwärtig noch wenig entfalteten Klassenauseinandersetzungen in der Bundesrepublik ist es schwer, eine nähere inhaltliche Bestimmung der Aufgaben einer marxistischen Philosophie zu geben, die der Gefahr, eine Rechtfertigungsideologie für Intellektuelle zu werden, vom Ansatz her entgehen könnte. Es läßt sich jedoch allgemein festhalten, daß eine solche Philosophie bewußt die Partei des Proletariats ergreifen, d.h. die gegenwärtigen materiellen Verhältnisse, deren Moment die wissenschaftliche Forschung und Ausbildung ist, rückhaltlos in ihren konkreten Widersprüchen analysieren und daraus geschichtliche Entwicklungstendenzen ableiten müßte. Da diese Ausgabe nur gemeinsam mit der sozialistischen Kritik und Weiterführung aller geschichtlich-gesellschaftlichen Wissenschaften und auf der Grundlage der täglichen Erfahrungen des gesellschaftlichen Kampfes lösbar ist,52 muß eine marxistische Philosophie Arbeitsformen finden, in denen sie an der Erarbeitung konkreter wissenschaftlicher Ergebnisse ebenso wie an der Artikulation der täglichen Erfahrungen des Proletariats teilnehmen kann. Dabei wird sie sich im gemeinsamen Rahmen der marxistischen Theorie auf die Erfahrungen und Diskussionen der historischen Organisationen und Theoretiker der Arbeiterbewegung und ihre Weiterentwicklung in den gegenwärtigen ,sozialistischen Ländern' und durch sozialistisch arbeitende Gruppen und Organisationen in der Bundesrepublik stützen müssen, ohne jedoch die einen mechanisch übertragen und die anderen ohne gründliche Kritik weiterführen zu können. Als nicht von den anderen geschichtlich-gesellschaftlichen Wissenschaften trennbare, aber doch unterscheidbare besondere Tätigkeitsbereiche einer marxistischen Philosophie können in diesem Rahmen die drei folgenden gelten: Kritische, historisch-materialistische und nicht nur systematische Aufarbeitung der vorliegenden marxistischen Erkenntnistheorie und Wissenschaftskritik im Hinblick auf die theoretische und praktische Kritik der gegenwärtigen bürgerlichen Wissenschaft; Herausarbeitung der grundlegenden erkenntnistheoretischen Bedingungen der gegenwärtigen täglichen Erfahrungen des Proletariats und ihre Artikulation durch die Zusammenfassung wissenschaftlicher Ansätze aus verschiedenen Bereichen; Reflexion des Zusammenhangs des Grades formaler Rationalität gesellschaftlicher Erkenntnisse, die von gegenwärtig arbeitenden Gruppen und Organisationen erzielt worden sind, mit den Möglichkeiten und Notwendigkeiten eines bestimmten Standes der Entfaltung der Klassenkämpfe. Da alle diese Aufgaben selbst wieder nur durch Spezialisierung und konkrete Arbeit wahrgenommen werden können, steht der einzelne wissenschaftlich ausgebildete Sozialist, dessen Ausbildung überwiegend philosophisch ist, unabweisbar vor der Frage, welche konkrete Qualifikation (unter den sehr vielfältigen gegenwärtig möglichen) er durch seine Ausbildung erworben hat und für welche spezialisierte konkrete Arbeit er daher am besten geeignet ist. Nur diese Spezialisierung, in der sich die Aneignung der Fragestellungen und Ergebnisse eines überschaubaren und praktisch sinnvoll zusammenhängenden Ausschnitts der geschichtlich-gesellschaftlichen Wissenschaften mit der praktischen Erfahrung eines hinreichend bestimmten Aspekts der gesellschaftlichen Klassenantagonismen verbinden müssen, kann die Philosophie gegenwärtig aus der akademischen Isolation herausführen und sie befähigen, einen Beitrag zu einer Theorie zu leisten, die praktisch wird, indem sie die Massen ergreift. Das herbeizuführen, kann aber nicht allein die Sache philosophisch ausgebildeter Intellektueller sein. (Saarbrücken,1970-1971) Anmerkungen 1 Z.B. P. Brückner/A. Leithäuser, Thesen zur ,,Politisierung der Wissenschaften" , in. Universität und Widerstand, Frankfurt .1968, 70. 2 Z.B. in Frankfurt WiSe 68169, Berlin WiSe 68/69, in Heidelberg SoSe 69, in Frankfurt SoSe 69. 3 Vgl. R. Schmidt, Betriebsarbeit und Organisationsfrage. In: Sozialistische Politik, 3(1971), 83 ff. 4 Z.B. W. Müller: Arbeitswerttheorie bei Habermas; R. Damus, Habermas und der ,,heimliche Positivismus" bei Marx, beide in: Sozialistische Politik 1 (1969); J. Schmierer, Die theoretische Auseinandersetzung vorantreiben und die Reste bürgerlicher Ideologie entschieden bekämpfen - die kritische Theorie und die Studentenbewegung. In: Rotes Forum 1970, H. 1; die Unterscheidung dieser Kritik von älteren marxistischen Auseinandersetzungen mit der Kritischen Theorie (z.B. H.H. Holz, in: BI. f. dt. u. int. Pol. (1968), H. 1; H. Wessel, in: Forum (1968), H. 2-5, sowie eine Analyse ihrer konkreten Schwierigkeiten kann im Rahmen dieses Essays nicht geleistet werden. 5 vgl. u., S. 3 6 S. M. Horkheimer, Traditionelle und kritische Theorie. In: Kritische Theorie II, Frankfurt 1968, bes. S.155ff.; H. Marcuse, Philosophische und kritische Theorie. In: Kultur und Gesellschaft 1, Frankfurt 1965. 7 Paradigmatisch: J. Habermas, Erkenntnis und Interesse, Frankfurt 1968, S.59 bis 87; 0. Negt, Marxismus als Legitimationswissenschaft. Zur Genese der stalinistischen Philosophie. In: A. Deborin, N. Bucharin, Kontroversen über dialektischen und mechanischen Materialismus, Frankfurt 1969, S.30-45. Zur Kritik vgl. R. Damus u. J. Schmierer, s.o., Anm. 4, und die Auseinandersetzung um Negt, In: Zur stalinistischen Philosophie, Hamburg 1970, S.43-65. 8 Vgl. Habermas, a.a.O., S. 86, u. Logik der Sozialwissenschaften (Philos. Rdsch., Beih. 5, (1967), 178 f. und 5. 194 f. sowie T.W. Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt 1967. 9 Lenin, Die Aufgabe d. Jugendverbände. Rede auf dem III. Gesamtrussischen Kongreß der Kommunist Jugendverb. Rußlands, Lenin, Werke, Berlin (DDR), ### 10 Vgl. L. Goldmanns Begründung einer marxistischen Analyse der Gesch. d. marxist. Theorie. In: Recherches dialectiques, Paris 1959, auch in K Lenk.(Hg.): Ideologiekritik, Neuwied 1964, ###ff. 11 Zu deren abstrakter Negation der Wissenschaft "Erlernen wir unseren Beruf im Klassenkampf!" vgl. Flugblatt Berlin, Jan.1969 (abgedruckt in J. Habermas, Protestbewegung ... Frankfurt 1969,5.259 ff.). 12 D.h. aus ihrer Bestimmtheit als Moment der materiellen geschichtlich-gesellschaftlichen Praxis. "Auch die Nebelbildungen im Gehirn der Menschen sind notwendige Sublimate ihres materiellen, empirisch konstatierbaren und an materielle Voraussetzungen geknüpften Lebensprozesses" (Marx, Deutsche Ideologie, MEW3, 26). l2a Das Problem so zu formulieren, heißt eben nicht, wie es M. Blankenburg zu unterstellen scheint, ,,unter den Nachwirkungen der von der Studentenbewegung geforderten Abschaffungspolitik" (Blankenburg 1980, 121) zu leiden, sondern sich der Frage nach der spezifisch historischen Praxis der Philosophen in dem konkreten Netz der Klassenkämpfe zu stellen - die derselbe Autor in seiner Untersuchung durch einen Kurzschluß zwischen ideologischen Großwetterlagen und metaphilosophischen Aussagen geradezu eskamotiert. Dabei haben inzwischen die ausgeführten Untersuchungen von Blanke, Jürgens, Kastendiek, von Kastendiek und Maikowski, Mattes, Rott gezeigt, wie notwendig eine Analyse der wissenschaftlichen institutionalisierten ideologischen Praxis allein schon in den ,,Geistes"- oder ,,Sozialwissenschaften" ist. Wie viel mehr muß das für die Philosophie gelten, deren Praxis keinen spezifischen gegenständlichen Sinngehalt aufzuweisen vermag! 13 An Ingenieurschulen, (Poly-)Technika, Akademien, berufsbezogenen Hochschulen, Lehrerseminaren, Studienseminaren, Handels- und Wirtschaftshochschulen. Demselben Prozeß gehört die Gründung von Seminaren und Instituten an der philosophischen Fakultät (und damit zum Zwecke der Intensivierung der Ausbildung von Kandidaten für den Staatsdienst) an. 14 Äußeres Indiz dieses Funktionswandel ist die ab 1830 sinkende und ab 1873 steigende Entwicklung der Studentenzahlen sowie eine Welle von Neugründungen, die die Universitätsschließungen zu Anfang des Jahrhunderts kompensiert, seit der Reichsgründung. 15 In diesen Zusammenhang gehört überwiegend die Tätigkeit der Neukantianer und der verschiedenen psychologistischen Schulen. 16 Hierher gehört die Tätigkeit der Vertreter einer geisteswissenschaftlich orientierten Lebensphilosophie und Kulturkritik. 17 Vgl. G. Lukács, Von Nietzsche bis Hitler oder d. Irrationalismus in der deutschen Politik, Frankfurt 1966; Universitätstage Berlin 1966, Berlin 1966. 18 In der Intensität der Verbindung beider Aspekte, des Appells zur Eigentlichkeit und der Fundierung wissenschaftlicher Rationalität, liegt die besondere Bedeutung Heideggers. 19 Vgl. J. Habermas, Philosophisch-politische Profile, Frankfurt 1971, 67 ff., 76 ff. 20 Vgl. J. Kuczynski, Die Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus Teil 1, Bd. 16, Berlin 1965, 5 ff. 21 Vgl. insb. die Hochschulreform und Berufspolitik des preußischen Kultusministers C.H. Bekker (s. E.H Wende, C.H.B., 1969). 22 Frankfurter Universitätsreden 20, 1924; vgl. J. Habermas, Profile (s.o. Anm. 19), 239 f. 23 J. Habermas, a.a.O., s.37 ff. 24 Vgl. W. Dorst: Menschenerziehung in Westdeutschland, Berlin 1961, 62 ff. 25 Zur Geschichte des Instituts vgl. Alfred Schmidts Einleitung zum Neudruck der Zeitschrift für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, München 1971. 26 H.J. Krahl, Konstitution und Klassenkampf, Frankfurt 1971. 27 H. Plessner, Die verspätete Nation, Stuttgart 1959. 28 J. Habermas: Protestbewegung (s.o. Anm. 11), 51-54;W.F. Haug, Der hilflose Antifaschismus, Frankfurt 1968. 29 Vgl. M. Heidegger, Vorträge u. Aufsätze, Pfullingen 1954, 129 ff., bes. S.182 ff. 30 In diesem Zusammenhang wäre eine ideologiekritische Studie der Rolle der Antike, besonders der Vorsokratiker, und des kleinen Kanons ,,großer Denker" in der philosophischen Lehre am Platze. 31 Vgl. die ,,Marxismusstudien", Tübingen 1956 ff. und die Reihe ,,Sovietica«, Dordrecht 1959 ff. 32 Vgl. K. Jaspers, Die Idee der Universität (1923), Heidelberg 1946. 33 Z.B. Lübbe als Staatssekretär, Hahn als Minister, Lieber, Funke, Diemer als Rektoren, Gadamer und Ritter als Präsidenten wissenschaftlicher Akademien, Krings als Rektor, Vorsitzender der Görresgesellschaft und des Bildungsrats, Picht und Hennis als Publizisten, H. Becker als Vorsitzender des Verbandes dt. Volkshochschulen. 34 D.h. Bundesassistentenkonferenz, Bonn; Hochschulinformationssystem, Hannover; Arbeitskreis für Hochschuldidaktik, Hamburg. 35 Zu der in diesem Absatz skizzierten Entwicklung gehört auch die Tatsache, daß eine größere Zahl von Wissenschaftlern seit der Nachkriegszeit individuell die Loslösung der spezialisierten Sozialwissenschaften von der Philosophie .nachvollzogen, z.B. Schelsky, Gehlen, Maihofer, Derbolav, Dahrendorf, Hennis, Maier, Rüegg, Lieber. 36 Daneben kann noch das Bestreben, bestimmte Verfahren wissenschaftlicher Arbeit am prestigeträchtigen Objekt Philosophie vorzudemonstrieren, genannt werden (z.B. Siemens' ,u. IBMs Bemühungen auf dem Gebiet philosophischer Datenverarbeitung). 37 D.h. die Praxis des schematischen Operierens (Lorenzen), die Praxis des Dialogspiels (Lorenzen, Lorenz), die Praxis der kritischen Diskussion (Popper, Albert, Lenk), nicht aber die Organisation der Gesellschaft selbst betreffende Formen der Praxis. 38 Als Paradigma dient ihnen nämlich schon die Verfahrensweise der Physik (Popper) oder der Mathematik (Lorenzen, Lorenz) zur Festlegung der Kriterien für methodische Rationalität 39 Vgl. die Diskussion bei T.W. Adorno.. (Hg.), Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, Neuwied 1970. 40 Philosophen übernehmen Initiativfunktionen in der Herausbildung neuer formalwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen, die sich dann verselbständigen, sobald ihre Nützlichkeit festzustehen scheint. 40a Vgl. J. Klüver, in: Wissenschaftskritik und sozialistische Praxis, Stuttgart-Bad Cannstatt 1972, ### 41 A. Wellmer, Kritische Gesellschaftstheorie und Positivismus, Frankfurt 1969. 4la Das zeigt insbesondere neuerdings die Übernahme Apel-Habermasscher Ansätze in die internationale Forschungsplanungsdiskussion, z.B. bei G. Radnitzky, Contemporary Schools of Metascience, Göteborg 1968, 2 Bde. 42 F. Kambartel, Was ist und was soll Philosophie? Konstanzer Universitätsreden 1968; H. Lenk, Philosophie im technologischen Zeitalter, Stuttgart 1971. 43 A.a.O., vgl. L. Huber, Kann man Hochschuldidaktik ,,institutionalisieren"? (Blickpunkt Hochschuldidaktik 5). 44 A.a.O. 45 Vgl. Lukács, Geschichte und Klassenbewußtsein, Berlin 1923, 73 f. 46 Vgl. P. Lorenzen, Methodisches Denken. In: Methodisches Denken, Frankfurt 1968, 24ff. 47 Vgl. K. R. Popper, Truth, Rationality and the Growth of Scientific Knowledge. In: Conjectures and Refutations, London 1963, 215ff. 48 Ein prägnanter Ausdruck davon ist die Dissertation von D. Böhler, Metakritik der Marxschen Ideologiekritik, Frankfurt 1971. 49 K. O. Apel, Probleme und Aufgaben der Wissenschaftstheorie in der modernen Industriegesellschaft, Vortrag, 16.10.1969, a.d. 14. Sitzung des Ausschusses ,,Philosophie und Technik' des VDI in Düsseldorf 50 J. Habermas, Wozu noch Philosophie? In: Philosophisch-politische Profile, Frankfurt 1971, 36. 51 Vgl. das Programm der Zschr. Theory and Decision (Dordrecht 1970ff.) u.d. Veröffentlichungen des Göteborger Instituts für Wissenschaftstheorie (G. Radnitzky, H. Törnebohm). 52 ,,Die selbständige Philosophie verliert mit der Darstellung der Wirklichkeit ihr Existenzmedium". Marx, Die Deutsche Ideologie, MEW3, 27.