Carlo Ginzburgs Buch "Hexensabbat" - eine Herausforderung an die Methodendiskussion in der Geschichtswissenschaft

©Klaus Graf 1994




Die Frage [ Anm. 1], ob es das Hexenwesen wirklich gegeben habe, etwa als Geheimbund unterdrückter Frauen oder als organisierten nichtchristlichen Kult, hat in der "seriösen" Hexenforschung der letzten Jahre keine Rolle mehr gespielt. Spätestens seit der Monographie von Norman Cohn [Anm. 2] aus dem Jahr 1975 glaubte man, in der Vorstellung von der Verschwörung der Hexensekte und dem schändlichen Treiben beim Hexentanz den Ausläufer einer gegen gesellschaftliche Dissidenten gerichteten Obsession erblicken zu dürfen, mit der bereits die ersten Christen als angebliche Eselsverehrer konfrontiert worden waren und die später vor allem gegen die Ketzer in Anschlag gebracht wurde. Die internationale Hexenforschung wandte sich, wie sie meinte, wichtigeren Themen zu. Zahlreiche Regionalstudien bemühten sich um eine möglichst "dichte Beschreibung" (Clifford Geertz) der Verfolgungen und ihres sozialen Hintergrunds. Im Vordergrund standen und stehen die sozialen und kommunikativen Beziehungen in den betroffenen Gemeinschaften und die Wechselwirkung zwischen den Diskursen der Obrigkeiten und denen der einfachen Leute. Wenn die Hexenverfolgungen heute als ernstzunehmender historischer Forschungsgegenstand gelten, so ist das nicht zuletzt das Resultat dieser "sozialhistorischen Wende" der Hexenforschung.

Angesichts dieser Forschungslage muß Carlo Ginzburgs Ende 1989 in deutscher Übersetzung erschienenes Buch "Hexensabbat" [Anm. 3] äußerst irritierend wirken. Die von der deutschen Tagespresse geradezu hymnisch aufgenommene Monographie steht ohne Zweifel quer zum gängigen Wissenschaftsbetrieb der Historie und auch quer zu den mehr oder minder sozialhistorisch orientierten Ansätzen der neueren Hexenforschung. Ginzburgs Einleitung ist sich dieser Distanz durchaus bewußt. Der italienische Gelehrte wirft der herrschenden Meinung Einseitigkeit vor und insistiert auf der zentralen Bedeutung der von ihm herausgearbeiteten Zusammenhänge des Hexensabbat mit der "Reise des Lebenden in die Welt der Toten" (S. 31/43). Die uralten Mythen, die für drei Jahrhunderte in das Sabbat-Stereotyp Eingang gefunden hätten, seien heute "noch wirksam" und die "unzugängliche Erfahrung, die die Menschheit Jahrtausende lang symbolisch in Mythen, Märchen, Riten, Ekstasen zum Ausdruck gebracht hat, bleibt einer der verborgenen Mittelpunkte unserer Kultur, unserer Art, auf der Welt zu sein." (S. 32/43).

Entscheidend für das Verständnis des Hexenwesens seien also nicht die Erkenntnisse der "Sozialhistoriker", sondern der "Folkloristen", um eine von Andreas Blauert gebrauchte Unterscheidung aufzugreifen [Anm. 4] . Nach Ansicht der Folkloristen, zu denen außer Ginzburg vor allem Gustav Henningsen und Gábor Klaniczay gezählt werden müssen, gehen die Sozialhistoriker am eigentlichen Kern des Problems vorbei. Blauert hat Recht, wenn er angesichts dieser Kontroverse eine Diskussion über die theoretischen und methodischen Grundlagen der Hexenforschung anmahnt. Es erschiene mir jedoch verfehlt, Ginzburgs Herausforderung an die geschichtswissenschaftliche Methodendiskussion ausschließlich unter dem engen Blickwinkel der Hexenforschung zu erörtern.

Natürlich gibt es nicht "die" geschichtswissenschaftliche Methodendiskussion. Es gibt allenfalls eine Anzahl mehr oder weniger - meist eher weniger - vernetzter Zitierkommunitäten, denen theoretische oder methodische Anstrengungen wichtig genug sind, um sich dem ewig jungen Vorwurf auszusetzen: Wer von der Sache nichts versteht, spricht über Methode.

Die magistrale Anmaßung, mit der Ginzburg den Sozialhistorikern "Thema verfehlt" ins Schulheft schreibt, ist durch nichts gerechtfertigt. Trotzdem bin ich davon überzeugt, daß Ginzburg ein "großer Wurf" gelungen ist - mag auch der Stein nicht dort niedergegangen sein, wo der Autor meint. Ich kann und will also meine Faszination durch das Buch nicht leugnen und pflichte daher Helge Gerndt bei, der anläßlich einer kritischen Auseinandersetzung mit einer Vorstudie zu dem Hexensabbat-Buch 1986 geschrieben hat: "Ginzburg demonstriert in allen seinen Büchern auf überzeugende Weise, welche Überraschungen jenseits eines phantasielos-pedantischen Wissenschaftsbetriebes warten" [Anm. 5] . Das liegt nicht zuletzt an seiner Darstellungskunst, die den Leser auf einen wahrhaft atemberaubenden Ritt in die Welt der Mythen, Riten und Skythen mitnimmt. Eine kunstvolle Balance zwischen Erzählung, Beschreibung, Analyse und methodischer Erwägung kennzeichnet die Komposition des Buches. Die weiten Steppen der üblichen deutschen wissenschaftlichen Prosa läßt Ginzburgs suggestive Rhetorik jedenfalls weit hinter sich.

Ginzburg hat auch ein außergewöhnlich gelehrtes Werk vorgelegt, das durch die Intensität, mit der die internationale Forschung der unterschiedlichsten Disziplinen herangezogen und verarbeitet ist, beeindruckt. Abweichende Positionen, auch Angriffe auf seine Thesen, werden nicht verschwiegen, sondern kurz kommentiert. Besonders hervorheben möchte ich die zahlreichen wissenschaftsgeschichtlich wichtigen Hinweise. Unverkennbar ist das Bemühen um die ebenso sorgsame wie kritische Rekonstruktion vermeintlich veralteter Theorien.

Die Geisteswissenschaften sind leider sehr schlechte Kostverwerter. Sie verschlingen mehr, als sie verdauen können. Wechseln die Paradigmen, so werden viele gewonnenen Einsichten zum Schaden der Forschung wieder vergessen. Darüberhinaus fehlt es an Hilfsmitteln, die die in unzähligen Regionalstudien zum Hexenthema angehäuften Informationen, vor allem aber auch die allzu oft übersehenen oder übergangenen methodischen Anregungen überhaupt erst verfügbar machen. Dies muß auf Dauer, denke ich, zu einer Bornierung der Hexenforschung führen. Da man die Sichtung der einschlägigen interdisziplinären Literatur inzwischen auch als Hauptberuf betreiben könnte [Anm. 6] , liegt es nahe, sich auf das solide Handwerk zurückzuziehen, auf Orts- und Regionalstudien also, und den Rang einer Arbeit für die Hexenforschung vor allem an der Menge von Aktenstaub zu messen, die dafür geschluckt werden mußte. Aus dieser Perspektive ist es für Synthesen immer zu früh, denn noch sind zahlreiche aktenträchtige Archive nicht durchkämmt, noch sind wichtige Verfolgungsschwerpunkte nicht dem Forscherfleiß eines jungen Wissenschaftlers oder einer jungen Wissenschaftlerin anheimgefallen. Ein Hang zur Theorie oder gar die Beschäftigung mit ethnologischen Parallelen kann im Hinblick auf den Berg von Quellen und Literatur, den es abzutragen gilt, nur als unentschuldbarer Luxus erscheinen.

Den Nutzen ethnologischer Vergleiche für die historische Erkenntnis hat Ginzburg souverän in einem Aufsatz über "Rituelle Plünderungen" demonstriert [Anm. 7] . Wesentlich vorsichtiger als in dem Buch über den Hexensabbat handhabt er hier den interkulturellen Vergleich vor allem als Mittel der Verfremdung, mit der vermeintliche Selbstverständlichkeiten hinterfragt werden können. Die komparative Methode dient dabei weniger der Übertragung allgemeiner Gesetzmäßigkeiten als vielmehr der Individualisierung historischer Befunde. Den belebenden und inspirierenden Einfluß, den ethnologische und kulturanthropologische Modelle auf bestimmte Segmente der Geschichtswissenschaft in den letzten Jahren ausgeübt haben, wird man kaum unterschätzen dürfen. Ginzburgs Arbeiten könnten dazu beitragen, den mitunter doch recht engen Blick der deutschen Hexenforschung etwas zu weiten.

Verschwörung und Krise

Ginzburg sagt nicht ohne Koketterie: "Meinen Mangel an Fachwissen in Kauf zu nehmen, wurde schließlich zu einem Teil des Experiments" (S. 30/42). Jede Beurteilung des Buches muß dieses Risiko in ungleich größerem Ausmaß tragen, da nur einzelne Ausschnitte inhaltlich überprüft und am Forschungsstand gemessen werden können. Glücklicherweise steht der Historiker, der sich nicht mit ähnlich "pathologischen" Gegenständen wie Ginzburg beschäftigt, nicht ganz mit leeren Händen da. Der erste Teil, gewidmet der Vorgeschichte der Verfolgungen im 14. Jahrhundert, ist nämlich durchaus mit den Mitteln des Mediävisten überprüfbar, sofern dazu das 1987 veröffentlichte große Werk von Frantisek Graus über das 14. Jahrhundert als Krisenzeit gehört. Graus hat der von Ginzburg untersuchten angeblichen Verschwörung der Aussätzigen von 1321 in Frankreich ebenfalls einige Seiten gewidmet [Anm. 8] . Ein Vergleich der Quellen- und Literaturangaben beweist das hohe Niveau beider Werke. Sowohl der deutsche als auch der italienische Historiker haben sehr gründlich recherchiert und sind auf wichtige, der neueren (nicht jedoch der älteren) Forschung unbekannte Quellen gestoßen. Bemerkenswert scheint mir, daß jeder Quellen und Literatur, die der andere kennt, übersehen hat.

Die Verschwörungsgerüchte, die zu den Judenprogromen des Jahres 1348 führten, sind von Graus detailliert untersucht worden. Auch hier brauchen sich Ginzburgs Forschungen nicht zu verstecken. Daß insbesondere die jüngere deutschsprachige Forschungsliteratur rezipiert wurde, ist in ausländischen Publikationen leider ebensowenig selbstverständlich wie die Berücksichtigung fremdsprachiger Arbeiten durch deutsche Forscher. Wenn Ginzburg von der Steuerung der Anschuldigungen gegen die Leprakranken durch die Obrigkeiten spricht, trifft er sich in diesem Punkt mit den Ergebnissen, zu denen Graus auf ungleich breiterer Materialbasis gelangt ist. Den Zusammenhang zwischen Krisenerfahrung, Verschwörungstheorien und der weiteren Ausgrenzung und Verfolgung von Randgruppen hat Graus nachdrücklich hervorgehoben und auch die späteren Hexenverfolgungen diesem gesellschaftlichen Syndrom zugeordnet. Das von Graus, aber auch von Ginzburg vorgelegte aufschlußreiche Material zum Auftreten furchteinflößender vermeintlicher Verschwörungen im 14. Jahrhundert hat mich davon überzeugt, daß diese gesellschaftlichen Erscheinungen zum sozialen Hintergrund der in den Jahren nach 1430 entstehenden Hexenprozesse gehören und weiter untersucht werden sollten.

Ginzburgs Spekulation, die Verfolgung von Leprakranken, Juden und Hexen unmittelbar auseinander hervorgehen zu lassen, wird sich wohl kaum auf Dauer bewähren. Die Argumente sind allzu hypothetisch. Unberücksichtigt bleibt etwa die 1390 in Frankreich aufgetretene angebliche Verschwörung von Bettlern, auf die Graus aufmerksam gemacht hat [Anm. 9] und die erheblich näher am Beginn der frühesten bekannten Hexenverfolgungen liegt als die Ereignisse von 1348. Völlig unbewiesen ist die von Ginzburg behauptete Chronologie der Verfolgungen, die er um 1375 einsetzen läßt. Die frühen Hexenprozessen können als durch die Ketzereibeschuldigung diabolisierte Zaubereiprozesse oder auch als durch Zaubereibeschuldigungen angereicherte Ketzerprozesse verstanden werden. Andreas Blauerts Ergebnisse [Anm. 10] lassen den Schluß zu, daß dieser besondere Prozeßtyp im Westalpenraum nicht lange vor 1430 aufgetreten ist. Ginzburgs Argumente für "um 1375" scheinen mir so federleicht, daß sie einem quellenkritischen Windhauch nicht standzuhalten vermögen.

Eines der obersten Gebote bei der Erhellung dunkler Zeitabschnitte lautet: Du sollst keine Hypothesen aufeinandertürmen. Genau das tut jedoch Ginzburg, wenn er später die erschlossene Datierung um 1375 als völlig gesichert voraussetzt (S. 83/96). Im Vergleich zu dem, was Ginzburg in den späteren Kapiteln dem Leser an Hypothesen und, wie er es nennt, eurasischen Konjekturen zumuten wird, erscheint dieser Regelverstoß jedoch vergleichsweise bescheiden.

Für den ersten Teil des Buches meine ich feststellen zu können, daß er die Hexenforschung zwar in mancherlei Hinsicht ein Stück weiterbringt, zugleich aber eine Hypothese in den Mittelpunkt rückt, die allenfalls am Rand der Problematik ihren Platz hat. Ein wichtiger, bislang zu wenig bedachter Sachverhalt - nämlich die Verschwörungstheorien des 14. Jahrhunderts - wird von Ginzburg einseitig in den Vordergrund gespielt. Trotzdem denke ich, daß Ginzburgs Vorschlag in die richtige, auch von Graus vorgegebene Richtung weist. Dieser Ansatz kann ohne weiteres im Sinne der Sozialhistoriker umformuliert werden, woraus einmal mehr zu folgern ist: Ginzburgs polemische Abgrenzung von der gängigen Hexenforschung sollte nicht über Gebühr ernstgenommen und der Sozialhistoriker Ginzburg vor seinem dämonischen, hinkenden Alter Ego in Schutz genommen werden.

"Volks"-Religion als Kompromißgestalt

Zum ausgebildeten Hexenstereotyp gehörten der Flug zum Sabbat und die Tierverwandlung. Daß der Traditionshintergrund dieser Vorstellungen im wesentlichen in der Volkskultur zu suchen ist, ist seit langem geläufig. Die idealtypische Gegenüberstellung zwischen der Kultur des Volkes und der Kultur der Elite war bekanntlich für die Hexenforschung ungemein ergiebig, mag sie auch in der einen oder anderen Untersuchung methodisch unzulässig mit einer scharfen Trennung der beiden Bereiche in der geschichtlichen Wirklichkeit verwechselt worden sein [Anm. 11] . Daß Ginzburgs Insistieren auf einer reinen, von gelehrten, oberschichtlichen Vorstellungen unberührten Volkskultur undiskutabel ist, braucht hier nicht dargelegt zu werden [Anm. 12] . Man macht es sich jedoch zu einfach, wenn man umgekehrt alle Zeugnisse auf innerliterarische Traditionsvorgänge zurückführt, wie dies in der neueren deutschen Volkskunde mit Vorliebe geschieht. Sofern damit gegen ideologische Positionen des Faschismus Stellung bezogen wurde, war diese Haltung natürlich vollauf berechtigt. Doch sobald man leierhaft auf den eigenen Argumenten, dem "Sola Scriptura" Prinzip beharrt und Sperriges nicht zur Kenntnis nehmen will, wird dieser Weg zur dogmatischen Sackgasse [Anm. 13] . Zaubereivorstellungen und magische Praxis des späten Mittelalters im wesentlichen von dem katechetischen Werk eines einzigen Wiener gelehrten Theologen aufschlüsseln zu wollen, erscheint mir ebenso vermessen wie die Annahme eines mythischen Transports über Jahrtausende hinweg.

Mit anderen Worten: Frontstellungen zwischen Sozialhistorikern und Folkloristen führen nicht weiter. Ich sehe in dem von Ginzburg präsentierten Material zu den Nachtfahrenden eine produktive Herausforderung an die Hexenforschung. Es gilt daher bei der Untersuchung der "volksläufigen" Vorstellungen nicht nur einseitig den Schadenszauber in den Blick zu nehmen, auch wenn dieser im überlieferten Material im Vordergrund steht und als sozialer Sprengstoff unbestreitbar von größter Bedeutung war. Ich denke, wir sollten die Quellen ernsthaft daraufhin überprüfen, was in den Geständnissen und Zeugenaussagen der Hexenprozesse neben der rein pragmatischen Handhabung von Magie an "Volksreligiosität" zutage tritt. Es ist äußerst bedauerlich, daß Ginzburg den von ihm eingeschlagenen Weg zwar ein gutes Stück weit verfolgt, um dann im Nebel vorgeschichtlicher Spekulationen zu verschwinden. Der Sabbat ist nach Ginzburg eine "kulturelle Kompromißgestalt" (S. 31/43) zwischen gelehrten Ausarbeitungen und einer uralten volkstümlichen Totenreligion. Nicht wahrhaben will Ginzburg, daß die historische Erscheinungsform dieser Totenreligion, die Nachtschar also, selbst wieder eine kulturelle Kompromißgestalt zwischen kirchlichen und "volksläufigen" Vorstellungen ist.

Ein Beispiel soll diese These skizzenhaft illustrieren. Wolfgang Behringer hat den Prozeß des Gemeindehirten von Oberstdorf Stöcklin aus dem Jahr 1586 jüngst wieder in Erinnerung gebracht [Anm. 14] . Stöcklin beharrte zunächst darauf, es gebe drei Fahrten: Er fahre in der Nachtschar, in der rechten Fahrt würden die Toten an ihre Orte geführt und die dritte Fahrt sei die Hexenfahrt, von der er aber nichts wisse. Erst die Folter ließ Stöcklin gestehen, daß der Engel, dem er in seiner Ekstase begegnete, der ihn zum Beten und zum Gottesdienstbesuch anhielt und ihn durch das Jenseits führte, in Wirklichkeit nichts anderes als ein Buhlteufel war. Behringer hat auf die Parallele zu den Benandanti hingewiesen, spricht jedoch etwas herablassend von "naiven Vorstellungen" irgendwelcher Personen aus dem Volk, die an das "Wütende Heer" und umherirrende arme Seelen glaubten. Es erscheint mir jedoch nicht ganz abwegig, solche Zeugnisse auch als Ausdruck einer bäuerlichen Frömmigkeitsform zu würdigen, in der kirchliche und traditionelle Vorstellungen untrennbar verschmolzen sind. Die Bedeutung dieser Formen im kulturellen Kontext wird in der Regel nicht von ihrer Herkunft determiniert. Ob diese Formen nun das Produkt klerikaler Unterweisung oder uralt sind, ist irrelevant, wenn es darum geht, ihre soziale Funktion bzw. ihren Stellenwert für die Gläubigen zu beschreiben. Erst die Außensicht ermöglicht eine Trennung, erst die Außensicht der Dillinger Hofräte, die Stöcklins Flugvorstellungen zu begutachten hatten, trieb einen Keil zwischen Volksreligion und kirchliche Lehre. Es gebe nur zwei Flüge, erklärten die Hofräte aufgrund der gelehrten Tradition, nämlich mit Hilfe der Engel oder des Teufels. Daß dem Roßhirten tatsächlich ein Engel Gottes erschienen sei, schlossen sie aus [Anm. 15] .

Erst die von Ginzburg vertretene Außensicht könnte die Ekstase Stöcklins als schamanistisches Relikt von den anderen Glaubensvorstellungen trennen, die vor allem aus der katechetischen Unterweisung über das Fegefeuer und die armen Seelen erklärbar sein mögen. Ich möchte einen anderen Verständnishorizont vorschlagen, der vermeintlich vom Hexenthema etwas wegführt. Peter Dinzelbacher hat wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß erstaunliche viele Jenseitsvisionen einfacher Bauern aus dem Mittelalter erhalten geblieben sind [Anm. 16] . Ich sehe keinen zwingenden Grund, die religiös motivierten und mit Ekstasen verbundenen Jenseitsvisionen einfacher Bauern von den mystischen Erfahrungen zu trennen, wie sie etwa im 14. Jahrhundert in den Nonnenklöstern Oberdeutschlands verbreitet waren. Wenn man diese Position zuspitzt und gegen die sozialhistorisch orientierte Hexenforschung wendet, so könnte man fordern, daß sie über der Magie nicht die religiöse Erfahrung vergessen sollte. (Ich bin mir darüber im klaren, daß es endlose Diskussionen über die begriffliche Unterscheidung zwischen Magie und Religion gibt. Mir kommt es hier jedoch nur darauf an, das Handwerkliche an der Magie wieder etwas in den Hintergrund treten zu lassen.)

An dieser Stelle ist der Hinweis erforderlich, daß die vorstehenden Sätze formuliert wurden, bevor ich Gelegenheit hatte, den gleichzeitig mit der Erstfassung dieses Beitrags erschienenen Aufsatz von Gábor Klaniczay "Der Hexensabbat im Spiegel von Zeugenaussagen in Hexen-Prozessen" zu lesen [Anm. 17] . Er formuliert abschließend die von mir soeben aufgeworfene Frage: "In welcher Beziehung stehen diese teuflischen Erscheinungen mit der Tradition der mystischen Visionen und Heiligenerscheinungen des Volksglaubens?" [Anm. 18] . Auch Peter Dinzelbacher hat sich jüngst mit der Ambivalenz von Verhaltensweisen, die eine Frau sowohl als Heilige als auch als Hexe erscheinen lassen konnten, beschäftigt [Anm. 19] . Auf die von Klaniczay angekündigte Auseinandersetzung mit dem Werk des Reformtheologen Johannes Nider (1380-1438) darf man um so mehr gespannt sein als auch die altgermanistische Forschung, von einem anderen Ausgangspunkt her, in den letzten Jahren auf die spätmittelalterliche theologische Diskussion zum Problem der "Unterscheidung der Geister" aufmerksam geworden ist. Diese Debatte hat sich auch mit dem Unterschied zwischen göttlichen und teuflischen Erscheinungen befaßt [Anm. 20] . Wenngleich die Reformer im 15. Jahrhundert bestrebt waren, mystisch akzentuierte Laienfrömmigkeit ohne ekstatische Züge zu fördern, so wird man doch damit rechnen müssen, daß die Saat der Reform auch andere Formen der Spiritualität aufgehen ließ. Jedenfalls erscheint mir die Arbeitshypothese erlaubt, daß aufschlußreiche Zusammenhänge bestehen zwischen den Ausdrucksformen der spätmittelalterlichen Laienfrömmigkeit, den "spiritualistischen" Strömungen vor und während der Reformation, die für Träume, Offenbarungen und Visionen besonders empfänglich waren [Anm. 21] und den "religiösen" Praktiken, die in den Hexenprozessen zur Sprache kamen oder in ihnen "dämonisiert" wurden [Anm. 22] .

Es erscheint mir somit durchaus erfolgversprechend, vergleichend die Frage zu untersuchen, inwieweit die Hexenprozesse, aber auch die Diskussion über die magische Praxis, zum Forum von Auseinandersetzungen zwischen religiösen Bewegungen (oder auch einzelnen Gläubigen) mit ihrem Wunsch nach selbstbestimmter religiöser Erfahrung einerseits und der kirchlichen Orthodoxie andererseits geworden sind. Dabei denke ich nicht an den bekannten Zusammenhang zwischen Häresie und Zaubereivorwurf in den frühen Hexenprozessen und auch nicht an das umstrittene Verhältnis von Konfession und Hexenprozeß.

Hans Peter Duerr erwähnt eine um 1590 in der Untersteiermark auftretende religiöse Sekte, deren Anhänger auf hohen Bergen ekstatische Tänze aufführten und Visionen hatten [Anm. 23] . Verfolgt man diese Spur, so stößt man auf eine 1977 entstandene Grazer maschinenschriftliche theologische Dissertation von Josef Till, die mit der Behandlung der sogenannten Stifter und Springer ein faszinierendes Kapitel Frömmigkeitsgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts aufschlägt [Anm. 24] . Es handelt sich dabei um von slowenischen Bauern getragene religiöse Bewegungen, denen der mit Visionen begründete Wunsch nach der Erbauung von Wallfahrtskirchen auf Bergen oder an anderen abgelegenen Orten gemeinsam war. Die von der Forschung als Alte Stifter bezeichnete Bewegung wollte durch die Errichtung von Kirchen das erwartete göttliche Strafgericht abwenden. Bereits um 1530 bekämpfte der slowenische Reformator Primus Truber den Bau einer Bergkirche, den eine alte Frau aufgrund von Traumerscheinungen der Heiligen Sebastian und Rochus gefordert hatte [Anm. 25]. Truber berichtet auch von ekstatischen Phänomenen: Ettlich fallen nider bey Tag vor den Leütten, als sie den hinfallenden Siechtag hetten, vnd nach langem zittern und zappeln heben sie an zusagen, die Jungfraw Maria, oder sonst ein ander Heilig oder Heiligin, hab sie dermassen nidergeworffen, mit jnen geredt, vnd beuohlhen, das man jetzund an diesem, jetzund an jhenem Berg, Thal oder Wald, ein Kirchen bawen, vnd dahin mit Creützen gehn, Opffern, Meß lesen vnd Wallfahrten soll, vnd wo mans nicht thun werde, alsdann die jnen erscheinte Maria, Heilig oder Heiligin, wollen alles Getreid in Feld vnd Weinberg mit dem Hagel oder Schawer erschlagen, vnd ein solchen Sterben über die Menschen vnnd Vich schicken, das der dritte theil nicht soll bey dem leben überbleiben [Anm. 26] . Die Gruppe der "Neuen Stifter" wurde von einer Frau, Maruscha Pogerlic, initiiert, die aufgrund einer Christusvision am Andreastag 1583 die Errichtung einer Kirche am Berge Singerle in Krain verlangte. Aufgrund ihrer Bußpraxis, der Selbstgeißelung, hießen die Neuen Stifter auch "Marterer".

Die "Springer" oder "Werfer" traten von 1589 bis zu ihrer endgültigen Unterdrückung 1624 in der Untersteiermark auf. Ein Bericht von 1599/1600 beschreibt sie so: Es befinden sich auf den Windischen bezauberte Leith, so sich selzamb werffen, vmbgaugglen vnd sich sehr wunderbahrlichen stellen, nachmals in ectasi als wan si tod weren ligen. Wann Sie nun wiederumb zu sich selber khomen, predigen sie dem Volkh, sagen sie haben Visiones gesehen, die Chör der Engl, die H. Apostol, vnd die würdigste Junkhfrau Maria in ainem schönen guldenen Saal und dergleich mehr. Jtem die Muetter gottes woll khurz umb, daß man Jr zu Ehren Kyrchen paue, sonderlich aine bey St. Leonhard in Windischen Pichel, vnd in die selbig Kirche werde von den Engln das H: Grab von Jerusalem in lüfften gefüert worden, predigen dem Volkh, ermanens zur Pueß, vnd haben souil außgericht, daß das Volkh ain Kirche bey St. Lienhardt in Windischen Pichel zu (vermainten) H: Grab genandt gebaud zu welcher das Volkh hauffenweiß geloffen vnd gleich wie die Lutherische zu wenig, also glauben dergleichen Leuth superstitione zuuil. Solche Kirch wie auch noch ein andere zu Leutschach, ist durch die Herrn Comissarien in Brandt gesteckht worden [Anm. 27] .

Soweit die wenigen erhaltenen, zudem noch parteiischen Quellen - Selbstzeugnisse fehlen fast völlig - ein Urteil erlauben, fanden die Gottesdienste der Springer jeden Samstag vor dem Neumond statt. Nach Sonnenuntergang stellte man phosphoreszierendes Holz und kleine Kerzen auf Pfählen auf. Im Wald sollen sich Mahlzeiten und Trinkgelage angeschlossen haben. Wie den mittelalterlichen Ketzern warf man auch den schwärmerischen Springern vor, daß sie auf ihren Zusammenkünften unzüchtige Ausschweifungen begingen [Anm. 28] . Als "zaubrische Leute" wurden die Springer dämonisiert und ihr Kult mit der Hexensekte in Verbindung gebracht. Die evangelischen steirischen Landstände bezeichneten das Springen als "Hexenspringen", und der von ihnen mit der Verfolgung von Hexen, Zauberern und Springern beauftragte steirische Landprofos Jakob Bittner setzte den nächtlichen Tanz der Springer mit dem Hexentanz gleich [Anm. 29] .

Für Josef Till sind die religiösen Vorstellungen der Springer "eine Mischung christlichen Gedankengutes mit primitiver Naturreligiosität" [Anm. 30] . Die Ähnlichkeiten - aber auch die Unterschiede - zu dem von Ginzburg ausgebreiteten Material über bäuerliche Ekstasepraktiken liegen auf der Hand. Mit Ginzburg eine Botschaft aus uralter Zeit zu wittern und in die Tiefen der Vorgeschichte abzutauchen, wäre, wie ich meine, jedoch wenig sinnvoll. Ich sehe in solchen Belegen vielmehr eine Bestätigung für die Berechtigung der vorgeschlagenen Fragestellung im Rahmen einer sozialhistorisch fundierten Geschichte der Laienfrömmigkeit [Anm. 31] .

Noch ein letzter Gesichtspunkt mag die Austauschvorgänge zwischen kirchlichen und traditionellen Vorstellungen illustrieren. Welche Bedeutung das Totengedenken, die Memoria, für alle Schichten der mittelalterlichen Gesellschaft besaß, ist in den letzten Jahren von deutschen Mediävisten wiederholt herausgearbeitet worden. Grundlegend sind insbesondere die von Ginzburg leider nicht berücksichtigten Ausführungen von Otto Gerhard Oexle über die "Gegenwart der Toten" in der vormodernen Gesellschaft [Anm. 32] . Wenn man in Rechnung stellt, daß die Quatember die wichtigsten kirchlichen Totengedenktage waren, an denen in der Messe der Verstorbenen eindringlich gedacht wurde [Anm. 33] , so vermag dies zumindest zum Teil zu erklären, daß es Menschen - wie Stöcklin - gab, die gerade in den Quatembernächten glaubten, die Begegnung mit den Toten suchen zu müssen [Anm. 34] .

So richtig es mir prinzipiell scheint, in den spätmittelalterlichen Zeugnissen über magische Praktiken einen eher pragmatischen Synkretismus herauszustellen, wie es etwa Blauert tut [Anm. 35] , so möchte ich doch mit Ginzburg darauf bestehen, daß diese Sicht auch Wichtiges unzulässig verkürzt. (Ob eine solche frömmigkeitsgeschichtliche Ausweitung der sozialgeschichtlichen Hexenforschung noch als Hexenforschung bezeichnet werden darf, mögen Berufenere entscheiden.)

Für eine andere Lektüre Wittgensteins

Ludwig Wittgenstein hat in seinen insgesamt doch sehr rätselhaften Bemerkungen über Frazers "Golden Bough", auf die sich Ginzburg mehrfach bezieht, eindringlich dafür plädiert, magische Praktiken primitiver Kulturen nicht einfach mit der ethnozentrischen Arroganz Frazers als Ausdruck irrtümlicher Anschauungen abzutun. Wittgensteins Erörterungen enden mit einem sarkastischen Bonmot: "Gegen morgen, wenn die Sonne aufgehen will, werden von den Menschen Riten des Tagwerdens zelebriert, aber nicht in der Nacht, sondern da brennen sie einfach Lampen" [Anm. 36] .

Wesentlich später nimmt Wittgenstein das Thema noch einmal auf und erörtert mit der ihm eigenen, um das Thema kreisenden Eindringlichkeit den Eindruck, den das von Frazer geschilderte Beltane-Fest auf ihn macht. Es handelt sich um einen englischen Zeitvertreib im 18. Jahrhundert, bei dem es darum ging, mit Kuchenstücken ein Opfer auszulosen, das dann zum Schein ins Feuer geworfen und dem Baal geopfert wurde. Wittgenstein fragt sich, weshalb das Fest den Eindruck vorzeitlichen Grauens macht, also an vorgeschichtliche Menschenopfer zu erinnern scheint. Man sage in so einem Fall oft "dieser Gebrauch ist offenbar uralt". Wittgenstein fragt nach: "Woher weiß man das?". Es könnte doch sein, daß die Abstammung des Beltane-Fests von einem finstern Brauch ganz unsicher ist. Wenn wir hierin des Irrtums überführt würden, bliebe trotzdem etwas, dessen wir sicher sind. Wittgenstein bezeichnet dies als psychologische Evidenz. Nicht das Menschenopfer an sich ruft einen finstern und tiefen Eindruck auf uns hervor, sondern eine innere Erfahrung, die unabhängig von dem Wahrgenommenen auf dem Furchtbaren beruht, "das ich in mir und in den Andern sehe, gesehen und gehört habe" [Anm. 37] . Damit endet auch der zweite Anlauf von Wittgensteins Bemerkungen anläßlich seiner Frazer-Lektüre.

Wenn ich Wittgensteins enigmatische Notizen richtig deute, so möchte er darauf hinaus, daß nicht der Beltane-Brauch an sich oder sein Alter das Grauen hervorruft, sondern die Teilhabe an einer Lebensform, zu der das Grauenhafte gehört. Der kulturelle Kontext, nicht die möglicherweise jahrtausendealte Geschichte des Brauchs, entscheidet über seine Bedeutung.

Dieser kurze philosophische Exkurs war notwendig, da Ginzburgs Lektüre von Wittgenstein sich darauf beschränkt, einige passende Zitate aus dem Text herauszubrechen. Zugleich haben uns Wittgensteins Bemerkungen unmittelbar in das Zentrum von Ginzburgs Methode katapultiert. Wenn bestimmte Mythen über Jahrtausende hinweg heute noch wirksam sind - sind sie das, weil eine konstante Kernbedeutung mittransportiert wird, wie Ginzburg zu suggerieren scheint, oder sind sie das, weil Traditionsgut immer wieder neu mit kulturellen Bedeutungen aufgeladen werden kann?

Man kann sich sehr einfach klarmachen, daß die bedeutungsschwangere, raunende Rede von uralten Wurzeln unserer Kultur ein Bild ist, aus dessen Gefangenschaft, wie Wittgenstein sagen würde, wir uns befreien müssen. Die allermeisten Wörter, die wir gebrauchen, sind irgendwann vor vielen tausend Jahren, sagen wir, in der asiatischen Steppe entstanden. Es ist sicher, daß die indoeuropäische "Ursprache" kein gelehrtes Konstrukt ist, sondern irgendwann einmal tatsächlich gesprochen wurde. Trotzdem erschaudern wir nicht bei jedem Wort aus Ehrfurcht vor seinem Alter. Wir haben nicht das Gefühl, daß eine Untersuchung unserer gesellschaftlichen Praxis auf jene weit zurückliegenden Wurzeln zurückgreifen müßte, um ein zutreffendes Bild von unserer Lebensform zu entwerfen.

Ganz so einfach verhält es sich bei den von Ginzburg behandelten Erzählungen und Riten natürlich nicht. Doch nicht weil sie so alt sind, sind sie nach wie vor wirksam, sondern weil sie eine zentrale Gegebenheit jeder menschlichen Lebensform betreffen: den Tod. Betrachtet man die Glieder der von Ginzburg präsentierten Kette, so sieht man, daß bestimmte Motive immer wieder mit kulturellen Formen der Totenreligion oder des Totenkultes bzw. den Formen, in denen das Verhältnis zum Tod und den Toten seinen Ausdruck fand, vergesellschaftet waren. Hinzu kommt: Getrennt tradierte Motive können sich in bestimmten Kontexten in einer Weise wieder zusammenschließen, daß der Eindruck entsteht, als sei das ganze Schema einschließlich seiner Bedeutung tradiert worden, als sei der Zusammenschluß der Motive "wesenhaft" notwendig. Bei Ginzburg wird aus kontingenten Verknüpfungen ein notwendiger Zusammenhang. Kurz: er beachtet eine bedeutsames Phänomen zu wenig, das man die "Kombinatorik" im Feld der Glaubensvorstellungen, Erzählungen und Riten nennen könnte.

Ich behaupte daher: Nur eine essentialistische Fiktion, an der Wittgenstein übrigens keine Freude gehabt hätte, ermöglicht es Ginzburg, der gesamten Kette eine transkulturelle Bedeutung zu unterlegen und in dem tradierten Erzählkern die Matrix aller möglichen Geschichten zu sehen.

Bevor ich diese These weiter ausführe, sollte ich, um Mißverständnisse zu vermeiden, vorausschicken, daß ich Ginzburgs morphologische Methode grundsätzlich für berechtigt halte und die durch ihre Anwendung erzielten Befunde als durchaus ernsthafte Herausforderung betrachte.

Mit morphologischer Methode ist natürlich nicht Ginzburgs befremdliche Unart gemeint, "winzigen Details ein verzerrtes Echo" uralter Zusammenhänge ablauschen zu wollen (S. 176/192) - dergleichen führt bei Ginzburg in der Regel, wie bereits Gerndt bemerkte, zu "allzu subtile[n] Hypothesengebäuden" [Anm. 38] , ohne daß mögliche Gegenargumente hinreichend ernstgenommen werden.

Selbst wenn man jedoch einen mehr oder minder großen Teil der von Ginzburg in Verbindung gebrachten Zeugnisse als unsicher verwirft, bleiben doch etliche einigermaßen handfeste Zusammenhänge übrig, die äußerst erstaunlich sind und in der Tat einer historischen Erklärung bedürfen. Ich denke dabei vor allem an den unbestreitbaren Zusammenhang der um die Benandanti gruppierten Zeugnisse, also der "in Ekstase ausgetragenen nächtlichen Kämpfe für die Feldfruchtbarkeit" (S. 172/188). Die von Ginzburg vertretene Methode, nach formalen Ähnlichkeiten Ausschau zu halten und sich auf diese Weise assoziierend durch unterschiedliche Kulturen zu hangeln, hat somit eine Kette entstehen lassen, die, soweit ich das beurteilen kann, durchaus reißfest scheint.

Das von Ginzburg kunstvoll geknüpfte "Netz einander überlagernder und überschneidender Ähnlichkeiten" (S. 172/187) wird von ihm zurecht auf Wittgensteins Begriff der Familienähnlichkeit gebracht. Zu Frazers Ritenanalyse bemerkt Wittgenstein: "Es ist eine Mannigfaltigkeit von Gesichtern mit gemeinsamen Zügen, die da und dort immer wieder auftauchen. Und was man tun möchte ist, Linien zu ziehen, die die gemeinsamen Bestandteile verbinden" [Anm. 39] . Ginzburg hat eine Linie gezogen, die alle Elemente verbindet, ohne zu beachten, was Wittgenstein in den "Philosophischen Untersuchungen" anläßlich der Einführung des Begriffs "Familienähnlichkeit" geschrieben hat: "Und die Stärke des Fadens liegt nicht darin, daß irgendeine Faser durch seine ganze Länge läuft, sondern daß viele Fasern einander übergreifen" [Anm. 40] .

Darin liegt nicht zuletzt eine polemische Wendung gegen einen Essentialismus, der an eine einheitliche, in allen Zusammenhängen des Gebrauchs sich durchhaltende Bedeutung, an ein "Wesen" des Begriffs also, glaubt. Hermann Lübbe hat diese anti-sokratische Stoßrichtung Wittgensteins analysiert und dabei herausgestellt, daß die Abgrenzung eines Begriffs unscharf und das Resultat einer je nach Bedarf vorgenommenen Grenzziehung sein kann. Lübbe erläutert das am Begriff "Verwandtschaft": "Die Grenzen der Verwandtschaft sind jeweils anders bestimmt, keineswegs nach Willkür und Einfall, aber auch keineswegs in Nachbildung eines begrifflich festen, wesenhaften Substrats, das den Namen 'Verwandtschaft' trägt, sondern einigermaßen plausibel gemäß den Erfordernissen der Geschichten, in die Verwandte verstrickt sein können" [Anm. 41] .

Den anti-essentialistischen Gedanken Wittgensteins kann man für historische Traditionsprozesse ohne weiteres so umformulieren [Anm. 42] : Bei der Weitergabe von Traditionsgut über lange Zeit und heterogene kulturelle Kontexte muß nicht ein Wesenskern übermittelt werden; es genügt, wenn bei den einzelnen Übermittlungsvorgängen eine von vielen möglichen Bedeutungen dem Traditionsspender und dem Traditionsempfänger gemeinsam und kulturell relevant ist. Geschichten und Riten, die offen für unterschiedliche kulturelle Bedeutungen sind, nicht zuletzt weil sie Grundfragen menschlicher Existenz berühren, haben eine größere Chance, über lange Zeiträume tradiert zu werden.

Aus der Offenheit für kulturelle Bedeutungen folgt eben nicht, daß alle möglichen Bedeutungen ein für allemal festgelegt sind. Die Zielform ist nicht schon in der Urform präsent und die Bedeutung steckt, wie ich glaube, eben nicht im Schema, sondern wird im kulturellen Kontext jeweils neu in Auseinandersetzung mit dem vorgegebenen Schema ausgespielt. Anderer Ansicht ist Ginzburg, der nach einer methodisch doch sehr befremdlichen strukturalen Analyse in dem Kapitel "Häute und Knochen" die Behauptung formuliert: "Die durch historische Vermittlungen übertragenen Mythen oder Riten tragen implizit die formalen Regeln für ihre weitere Ausarbeitung in sich" (S. 270/294). Wie in einem Samenkorn die Pflanze, so ist also in jeder Version eines Mythos der ganze Mythos, die Summe seiner Versionen, präsent? Sind Mythen also Hologramme?

Hier hat der Gegenstand die Darstellung eingeholt. Ich möchte nämlich annehmen, daß sich an dieser Stelle eine aufschlußreiche metawissenschaftliche Bruchstelle beobachten läßt, an der mythisches Denken einbricht. Ginzburg verläßt die Grenzen der Wissenschaft sonst nie - anders als etwa Hans Peter Duerr, dem es in seinem bemerkenswerten Buch "Traumzeit" darum ging, diese Grenzen bewußt zu überschreiten. Esoterisches Denken oder gar der Gedanke an paranormale Übermittlungswege ist Ginzburg völlig fremd. Und doch läßt sich Ginzburgs Vorstellung von der Wirksamkeit mythischer Modelle in den Begriffen rekonstruieren, die Wolfgang Hübner seinem wichtigen philosophischen Versuch "Die Wahrheit des Mythos" zugrundegelegt hat. Hübner hebt darauf ab, daß in der mythischen Substanzvorstellung der Unterschied von Ganzem und Teil verschwindet. Gegenstände und Individuen sind lediglich Gefäße der numinosen Substanz, die überall gleich gegenwärtig ist [Anm. 43] . Überträgt man diese Grundsätze hypothetisch auf Ginzburgs Buch, so leuchtet unmittelbar ein, weshalb auch in kleinsten Spuren das Ganze des mythischen Schemas präsent ist und weshalb die Wirksamheit des Schemas einen verborgenen Mittelpunkt unserer Kultur darstellt.

Anders als Ginzburg hat Utz Jeggle die Konsequenzen einer "mythischen" Betrachtungsweise erkannt, wenn er hinsichtlich der von ihm, nicht jedoch von Ginzburg favorisierten Annahme eines kollektiven Unbewußten, das "parasprachlich" tradiert werde, zugesteht, die Zwischenglieder seien historisch nicht eindeutig fixierbar. Jeggle fährt fort: "aber da wird ein Punkt kommen, an dem der Mythos, daß die Mythen uns denken, uns aus der Aufgabe, die Indizienkette bruchlos zu vervollständigen, entläßt" [Anm. 44] .

Struktur und Geschichte

Ginzburgs Frage nach dem Verhältnis von Morphologie und Geschichte - da die Morphologie als Spielart des Strukturalismus zu verstehen ist, darf man auch formulieren: von Struktur und Geschichte - schlägt ein eminent wichtiges Thema an. "Der Angriff des Strukturalismus auf die Geschichte", so der Titel eines 1969 veröffentlichten Aufsatzes von Alfred Schmidt [Anm. 45] , ist innerhalb der Geschichtswissenschaft im Gegensatz etwa zur Literaturwissenschaft oder zur Ethnologie nur wenig diskutiert worden.

Die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen impliziert: Keine Kultur beginnt ganz von neu. Jede Gegenwart besteht aus Traditionen, die aufgenommen und verarbeitet werden, und aus Relikten, die übrigbleiben. Relikte können zu Traditionen werden - etwa als Denkmäler - und Traditionen zu Relikten. Stärker unter einem formalen Gesichtspunkt kann man von Strukturen oder Schemata sprechen. Die Fragestellung bleibt jedoch die gleiche. Folgt man einer Formulierung aus literaturwissenschaftlicher Perspektive, so wäre zu fragen, in "welcher Weise man sich [...] mit den Bedingungen, Möglichkeiten und Beschränkungen, die die überkommenen Strukturformen in sich trugen, auseinandersetzte, unter welchen Aspekten man es unternahm, sie zu überwinden oder zu verwandeln" [Anm. 46] .

In der deutschen Mediävistik hat sich vor allem Frantisek Graus, zuletzt in der bereits erwähnten Monographie über das 14. Jahrhundert, eindringlich mit der Frage nach Strukturen in der Geschichte beschäftigt. Im Resümee dieser Studie hat er eine Deutung historischer Prozesse vorgeschlagen, die an die Stelle einer zwangsläufigen Entwicklung eine "Vielfalt sich unterschiedlich assoziierender Beziehungsbündel" setzt, die "sich überschneiden und gegenseitig durchdringen, Muster und Strukturen bilden; daraus resultierte eine Vielfalt von Möglichkeiten" [Anm. 47] .

Man hat Claude Lévi-Strauss den Vorwurf gemacht, "alles Prozeßhafte auf Scheinbewegungen in einer zeitlosen Denk- und Darstellungsform [zu] reduzieren" [Anm. 48] . Diesem Einwand müssen sich auch die morphologischen Konstruktionen Ginzburgs stellen. Das von Graus formulierte Modell erscheint entschieden flexibler, da es der spezifischen kulturellen Situation den Spielraum läßt, spezifisch auf Traditionsbestände, überkommene Schemata, zu reagieren. Vermieden wird damit die Annahme einer überzeitlichen Stanzmaschine bzw. Matrix, die stets die gleichen morphologischen Formen erzeugt. Ginzburg lehnt die Annahme einer erblichen Übertragung kultureller Merkmale als "potentiell rassistisch" ab (S. 25/35). Ganz abgesehen davon, daß solche Denkverbote immer etwas eigenartig berühren, erscheint eine solche Hypothese mir immer noch plausibler als Ginzburgs Behauptung transkulturell wirksamer formaler Zwänge. Ginzburg schreibt: "Man möchte meinen, ein Zwang formaler Ordnung forme denkbar disparate kulturelle Materialien und gieße sie in eine relativ spärliche Anzahl vorgeordneter Modelle" (S. 243/258).

Vorausgesetzt wurde bisher, daß die erkannten Ordnungen in gleichem Maße objektiv sind, wie es etwa Symmetrien in der Natur sind. Auch die Klassifikationen der strukturalen Analyse sind jedoch Menschenwerk und insofern kulturell bedingt. Ginzburg bezieht sich auf Wittgensteins Begriff der "übersichtlichen Darstellung", unterläßt es jedoch, eine wichtige Erläutertung Wittgensteins zu diesem Begriff zu zitieren: Der Begriff der übersichtlichen Darstellung "bezeichnet unsere Darstellungsform, die Art, wie wir die Dinge sehen (Eine Art der 'Weltanschauung', wie sie scheinbar für unsere Zeit typisch ist. Spengler.)" (Hervorhebungen von mir, K.G.) [Anm. 49] . Ginzburg hat zu wenig in Erwägung gezogen, daß seinen Ergebnissen Interpretationen zugrundeliegen, die Ordnung schaffen und nicht finden.

Auf assoziierendem Wege kommt Ginzburg etwa zu dem Begriff des Geh-Ungleichgewichts, dem er "scheinbar" verschiedene Phänomene - man beachte das "scheinbar", das den geheimen Zusammenhang suggerieren soll - zuordnet: "hinken, ein verwundetes Bein nachziehen, eine verwundbare Ferse haben, mit einem bloßen Fuß gehen, stolpern, auf einem Bein hüpfen" (S. 241/256). Die für einen Teil dieser Phänomene erkannten (besser: erschlossenen) Todeskonnotationen werden auf den ganzen Begriff übertragen.

Jede "symbolische Form" steht dem Tod mehr oder minder nah. Daher kann es auch nicht überraschen, daß eine an formalen Affinitäten orientierte assoziierende Methode notwendigerweise sehr oft auf Todeskonnotationen stoßen muß. Hinzu kommt ein weiteres: Jenseitsvorstellungen und Totenkult sind stets nach dem Vorbild der kulturellen Wirklichkeit gestaltet, sie sind "welthaltig". Symbole und Gegenstände besitzen vielfach ein Spiegelbild in der Totenwelt. Es fällt daher schwer zu sehen, welche Symbole nicht auf direkte oder indirekte Weise mit dem Tod zusammenhängen. In der Vision des Bauern Gottschalk werden beispielsweise die aus dem nordischen Volksglauben stammenden Totenschuhe erwähnt, die vor den Dornen des Totenreiches schützen sollen [Anm. 50] . Beschuhtes Gehen hat also ebenso eine "Todesaura" (S. 193/207), wie sein Gegenteil, das Barfußgehen, das ja dem Geh-Ungleichgewicht zugewiesen wurde.

Besonders schlimm ist es in methodischer Hinsicht um das Kapitel über die Tierverwandlungen bestellt. Ginzburg muß den Leser vom notwendigen, "wesenhaften" Zusammenhang der Bettelumzüge und der Tierverkleidungen mit den Toten überzeugen [Anm. 51] - er tut dies in einer Weise, die einmal mehr bestätigt, daß jene Aussagen, die mit besonderem Nachdruck als "unbestreitbar", "unleugbar" usw. ausgegeben werden, in Wirklichkeit die am wenigsten gesicherten sind. Sie haben apotropäische Funktion: Sie sollen den bösen Zweifel vertreiben. Dazu nochmals ein Wort von Wittgenstein aus den schon mehrfach zitierten Bemerkungen zu Frazer: "Ich muß immer wieder im Wasser des Zweifels untertauchen" [Anm. 52] .

Den Anmerkungen Ginzburgs zu den angeblich unbestreitbaren Behauptungen ist zu entnehmen, daß andere Forscher durchaus Einspruch gegen derlei Thesen eingelegt haben. Er wird unter Hinweis auf die Forschungen von Georges Dum‚zil, mithin einer durchaus umstrittenen Autorität, zurückgewiesen. Kritik an dem gewählten Verfahren, rätselhafte frühe Zeugnisse durch sehr viel spätere zu entschlüsseln, kontert Ginzburg, offenbar in die Enge getrieben, mit dem Argument: "Diesen Weg schlechterdings zu verwerfen, würde bedeuten, sich jede Möglichkeit zu verschließen, ungleichzeitige Zeugnisse in homogenen Serien anzuordnen - und damit auch jede Möglichkeit, die Vergangenheit zu interpretieren" (S. 187/199, Hervorhebung von mir, K.G.). Die Aggressivität dieses Arguments spricht für sich.

Ginzburgs methodische Fehlleistungen machen klar, daß die Anwendung der Morphologie, also die Analyse formaler Ähnlichkeiten, nur in einem hinreichend präzise abgegrenzten kulturellen Kontext sinnvoll ist. Der von Ginzburg untersuchte Gegenstand ist mit einem solchen Kontext nicht vergleichbar, da er die Grenzen unseres Begriffs von einem "historischen Gegenstand" weit hinter sich läßt und nicht als vorfindliche Größe, sondern als Konstrukt aufzufassen ist, das aufgrund einer assoziierenden Verknüpfung unter dem Gesichtspunkt formaler Ähnlichkeiten zustandegekommen ist.

Damit bleibt mir nur noch, meine Überlegungen thesenhaft zusammenzufassen: Ginzburgs Buch setzt Maßstäbe, was Darstellung und Materialkenntnis betrifft. Sein vergleichender Ansatz trägt hoffentlich dazu bei, insbesondere den engen Blickwinkel der Hexenforschung auszuweiten. Das Werk gibt oft nicht die richtigen Antworten, aber es läßt bei genauer, vorbehaltloser Auseinandersetzung durchaus erkennen, welche Fragestellungen Erfolg versprechen, in welche Richtungen weitergefragt werden müßte. Ich habe als Beispiele die Verschwörungsvorwürfe des 14. Jahrhunderts und die Zeugnisse für eine mit ekstatischen Erfahrungen verbundene "Volksreligiosität" genannt. Eine Auseinandersetzung mit den von Ginzburg als philosophische Rechtfertigung seines Vorgehens angeführten Gedanken Wittgensteins hat zu einer Revision der methodischen Prämissen von Ginzburgs morphologischer Methode geführt. Mit Ginzburg meine ich jedoch, daß der Frage nach dem Verhältnis von Struktur und Geschichte entscheidende Bedeutung zukommt.

Ich zögere daher nicht, mit den Worten Goethes in den "Vorarbeiten zu einer Physiologie der Pflanzen" zu schließen, die Vladimir Propp, einer der Väter von Ginzburgs Methode, dem Vorwort seiner "Morphologie des Märchens" vorangestellt hat. Über die Morphologie schreibt Goethe: Sie "hat den großen Vortheil [...], daß die Phänomene, mit denen sie sich beschäftigt, höchst bedeutend sind, und daß die Operationen des Geistes, wodurch sie die Phänomene zusammenstellt, der menschlichen Natur angemessen und angenehm sind, so daß auch ein fehlgeschlagener Versuch darin selbst noch Nutzen und Anmuth verbinden könnte" [Anm. 53] .


Anmerkungen

[1] Der folgende Aufsatz geht zurück auf ein Referat auf der Tagung "Hexensabbat: Auseinandersetzung mit Carlo Ginzburg" der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart mit dem Arbeitskreis Interdisziplinäre Hexenforschung in Hohenheim am 8.3.1991. Er erschien erstmals in: kea. Zeitschrift für Kulturwissenschaften 5 (1993) 1-16 und wurde hier ergänzt und aktualisiert. - An mir bekanntgewordenen Rezensionen des Hexensabbat-Buchs in wissenschaftlichen Zeitschriften notiere ich: Günter Jerouschek, ZRG GA 108 (1991) 456-462; Klaus Herbers, HZ 253 (1991) 443-445; Utz Jeggle, Zs. für Volkskunde 88 (1992) 134-136; Peter Dinzelbacher, Mediaevistik 3 (1990, ersch. 1992) 398-400. Mit Ginzburgs suggestiver Darstellungstechnik setzen sich am Beispiel des Buchs "Der Käse und die Würmer" auseinander: Michael Maurer, Geschichte und Geschichten, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 42 (1991) 674-691, hier 675-680; Dominick LaCapra, History and Criticism (Ithaca/London 1985) 45-69. In den Niederlanden scheint die Diskussion über Ginzburgs Methode lebendiger zu verlaufen als in Deutschland. Außer dem wichtigen Beitrag (in Hohenheim ebenfalls vorgetragen) von Willem de Blécourt, Spuren einer Volkskultur oder Dämonisierung? Kritische Bemerkungen zu Ginzburgs "Die Benandanti", kea a.a.O., 17-29 vergleiche man aus der jüngsten Zeit: Rudi Künzel, Een vermoeden van ordening. Over de exemplarische methode in de geschiedwetenschap, Theoretische Geschiedenis 18 (1991) 141-154 (mit weiteren Hinweisen); Marleen Wessel, Van sporen en vormen. Carlo Ginzburg en de geschiedenis, ebd. 155-162. [zurück]

[2] Norman Cohn, Europe's Inner Demons (London 1975, französisch: Paris 1982). [zurück]

[3] Carlo Ginzburg, Hexensabbat. Entzifferung einer nächtlichen Geschichte. Aus dem Italienischen von Martina Kempter (1989). Zitate im Text mit Seitenzahlen geben die Stelle sowohl in dieser Ausgabe als auch, durch Schrägstrich getrennt, in der Taschenbuchausgabe von 1993 an. Die in der Vorbemerkung der zweiten Auflage angekündigten Zusätze scheint man mit der Lupe suchen zu müssen. [zurück]

[4] Andreas Blauert, Die Erforschung der Anfänge der europäischen Hexenverfolgungen, in: Ketzer, Zauberer, Hexen. Die Anfänge der europäischen Hexenverfolgungen, hrsg. v. Andreas Blauert (1990) 11-42, hier 31-33. [zurück]

[5] Diskussionsbeitrag in der Zeitschrift für Volkskunde 82 (1986) 209. [zurück]

[6] Zur Orientierung vgl. etwa Wolfgang Behringer, Erträge und Perspektiven der Hexenforschung, HZ 249 (1989) 619-640, ein Überblick, der heute (1994) bereits fast schon wieder veraltet erscheint. Hingewiesen sei auch auf die Begleitbände zur Ausstellung "Hexen und Hexenverfolgung im deutschen Südwesten" (Herbst 1994). [zurück]

[7] Carlo Ginzburg, Saccheggi rituali (1987), deutsch in: Freibeuter Heft 37 (1988) 13-21, Heft 38 (1988) 23-33. [zurück]

[8] Frantisek Graus, Pest - Geißler - Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit, 2. Aufl. (1988) 302-305. [zurück]

[9] Ebd., 322f. [zurück]

[10] Andreas Blauert, Frühe Hexenverfolgungen. Ketzer-, Zauberei- und Hexenprozesse des 15. Jahrhunderts (1989). [zurück]

[11] Ebd., 127-129. [zurück]

[12] Vgl. die Arbeiten von Dieter Harmening, zuletzt: Zauberinnen und Hexen. Vom Wandel des Zaubereibegriffes im späten Mittelalter, in: Ketzer, Zauberer, Hexen a.a.O., 68-90. [zurück]

[13] Vgl. zum methodischen Aspekt jüngst Rudi Künzel, Paganisme, syncrétisme et culture religieuse populaire au Haut Moyen Age, Annales E.S.C. 47 (1992) 1055-1069. [zurück]

[14] Wolfgang Behringer, Hexenverfolgung in Bayern. Volksmagie, Glaubenseifer und Staatsräson in der Frühen Neuzeit (1987) 189-191; Derselbe/Constanze Ott-Koptschalijski, Der Traum vom Fliegen. Zwischen Mythos und Technik (1991) 40. [zurück]

[15] Bei Engelserscheinungen war für die Obrigkeit in der Tat größte Vorsicht geboten, legte man doch Engeln gern Reformanliegen in den Mund. Dies gilt z.B. für die Engelserscheinung in Dürrmenz 1563, vgl. Karl Knöller, Unser Dürrmenz-Mühlacker (1928) 245-247, aber auch für den von David Sabean, Das zweischneidige Schwert (1986) 77-112 und Norbert Haag, Frömmigkeit und sozialer Protest: Hans Keil, der Prophet von Gerlingen, Zs. für württ. Landesgeschichte 48 (1989) 127-141 kontrovers behandelten Hans Keil am Ende des Dreißigjährigen Kriegs. [zurück]

[16] Peter Dinzelbacher, "verba hec tam mistica ex ore tam ydiote glebonis". Selbstaussagen des Volkes über seinen Glauben - unter besonderer Berücksichtigung der Offenbarungsliteratur und der Vision Gottschalks, in: Volksreligion im hohen und späten Mittelalter, hrsg. v. Peter Dinzelbacher/Dieter R. Bauer (1990) 57-99, hier 65. [zurück]

[17] In: kea 5 (1993) 31-54. Vgl. auch Ders., Miraculum und maleficium. Einige Überlegungen zu den weiblichen Heiligen des Mittelalters in Mitteleuropa, Wissenschaftskolleg Jb. 1990/91, 224-252. Wie Ginzburg greift auch K. auf die "morphologische Methode" zurück. [zurück]

[18] A.a.O., 52. [zurück]

[19] Peter Dinzelbacher, Heilige oder Hexen, in: Religiöse Devianz, hrsg. v. Dieter Simon (1990) 41-60. Ohne Zweifel ist Klaniczay besser mit der neueren Hexenforschung vertraut. [zurück]

[20] Vgl. z.B. Werner Williams-Krapp, "Dise ding sint dennoch nit ware zeichen der heiligkeit", Zs. für Literaturwiss. u. Linguistik 20 (1990) Heft 80, 61-71; Ders., Frauenmystik und Ordensreform im 15. Jahrhundert, in: Literarische Interessenbildung im Mittelalter, hrsg. v. Joachim Heinzle (1993) 300-313, hier 305. Zahlreiche Hinweise auf Quellentexte finden sich bei Thomas Hohmann, Heinrichs von Langenstein 'Unterscheidung der Geister' (1977) passim. [zurück]

[21] Vgl. Hans-Jürgen Goertz, Träume, Offenbarungen und Visionen in der Reformation, in: Reformation und Revolution. Festschrift für Rainer Wohlfeil, hrsg. v. Rainer Postel/Franklin Kopitzsch (1989) 171-192. Für die Zeit vor der Reformation sei nur auf den schwärmerischen Augsburger Weber Jörg Preining aufmerksam gemacht, über dessen Gerson-Rezeption Werner Williams-Krapp im Kolloquiumsband "Literarisches Leben in Augsburg im 15. Jahrhundert" handeln wird. [zurück]

[22] Dies gilt natürlich insbesondere für das von Ginzburg untersuchte Phänomen des Nachtfahrens und der Totenschaar. Eine neue unvoreingenommene Behandlung dieses Themas wäre jedoch wünschenswert. [zurück]

[23] Hans Peter Duerr, Traumzeit. Über die Grenze zwischen Wildnis und Zivilisation (1978) 238 (Anm. 23 zu § 4) nach Fritz Byloff. [zurück]

[24] Josef Till, Stifter und Springer. Beiträge zur Geschichte einer religiösen Bewegung im 16. und 17. Jahrhundert im slowenischen Raum Innerösterreichs, Diss. masch. Graz 1977. Für den Hinweis und die Vermittlung einer Kopie dieser Arbeit danke ich herzlich Frau Prof. Dr. H. Dienst. [zurück]

[25] Ebd., 89. [zurück]

[26] Ebd., 96f. [zurück]

[27] Ebd., 311. Vergleichbar sind die Ekstasen der Wiedertäufer von St. Gallen, vgl. ebd., 281. [zurück]

[28] Nach der Hauptquelle für den Kult der Springer, dem Bericht des Bischofs Martin Brenner, vgl. ebd., 255. [zurück]

[29] Ebd., 256. Die von Byloff, der im Verbreitungsgebiet der Springer einen Verfolgungsschwerpunkten der Hexenprozesse ein halbes Jahrhundert später ausmachen wollte, angeregte Vermutung Tills (256f.), die Springer seien Wegbereiter des Hexenwahns gewesen und und ihre Kultformen hätten die Sabbatvorstellung in der Steiermark erst volkstümlich gemacht, bedarf freilich der Überprüfung. [zurück]

[30] Ebd., 267. [zurück]

[31] Vgl. für das Spätmittelalter Klaus Schreiner, Laienfrömmigkeit - Frömmigkeit von Eliten oder Frömmigkeit des Volkes. Zur sozialen Verfaßtheit laikaler Frömmigkeitspraxis im späten Mittelalter, in: Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge, hrsg. v. Dems. (1992) 1-78. [zurück]

[32] Otto Gerhard Oexle, Die Gegenwart der Toten, in: Death in the Middle Ages, hrsg. v. Herman Braet/Werner Verbeke (Leuven 1983) 19-77. [zurück]

[33] Vgl. Wilfried Reininghaus, Die Entstehung der Gesellengilden im Spätmittelalter (1981) 116. Auf die Rezeption der Ansätze Ginzburgs in der französischen Forschung (Jacques Gélis u.a.) zur "Geschichte des Todes" machte Antoinette Reuter, Luxemburg, auf der Hohenheimer Tagung aufmerksam. [zurück]

[34] Natürlich kann man sich auch hier um die Henne und das Ei streiten und darauf verweisen, daß es Gründe gibt, in den Quatembern die Fortsetzung heidnischer Bräuche zu sehen. [zurück]

[35] Blauert, Frühe Hexenverfolgungen a.a.O., 124. [zurück]

[36] Ludwig Wittgenstein, Vortrag über Ethik und andere kleine Schriften, hrsg. u. übers. v. Joachim Schulte (1989) 29-46, hier 40. [zurück]

[37] Ebd., 42f., 46. [zurück]

[38] Gerndt (wie Anm. 5), 212. [zurück]

[39] Wittgenstein, Bemerkungen, in: Ders., Vortrag, a.a.O., 40. [zurück]

[40] Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen (1977) § 67. - Eine Zusammenstellung der Rezeption des Konzepts der "Familienähnlichkeit" außerhalb der Philosophie hat mit großen heuristischen Schwierigkeiten zu kämpfen, da die Teilnehmer dieser (virtuellen) Diskussion in der Regel nichts voneinander wissen (und sich somit auch nicht zitieren können). Außer dem bereits von Ginzburg zitierten Aufsatz von Rodney Needham, Polythetic Classification: Convergence and Consequences, Man NF 10 (1975) 349-369 wären zu nennen: Eleanor Rosch/Carolyn B. Merves, Family Resemblances: Studies in the Internal Structure of Categories, Cognitive Psychology 7 (1975) 573-605; Lothar Kuhlen, Typuskonzeptionen in der Rechtstheorie (1977) 136-159; Elmar Holenstein, Klassifikation in natürlichen Sprachen, in: Klassifikation und Ordnung (1989) 97-118; Werner Strube, Analytische Philosophie der Literaturwissenschaft (1993) 21ff. [zurück]

[41] Hermann Lübbe, Bewußtsein in Geschichten. Studien zur Phänomenologie der Subjektivität (1972) 86. [zurück]

[42] Vgl. Klaus Graf, Thesen zur Verabschiedung des Begriffs der 'historischen Sage', Fabula. Zeitschrift für Erzählforschung 29 (1988) 21-47. [zurück]

[43] Kurt Hübner, Die Wahrheit des Mythos (1985) 174. Eine ähnliche Beobachtung über den Substanzgedanken bei Ginzburg enthält der Diskussionsbeitrag von Dieter Harmening (wie Anm. 5), 222-225. [zurück]

[44] In der Diskussion von 1986 (wie Anm. 5) 219. [zurück]

[45] In: Beiträge zur marxistischen Erkenntnistheorie, hrsg. v. Alfred Schmidt (1969) 194-265. [zurück]

[46] Walter Haug, Struktur und Geschichte (1973), in: W.H., Strukturen als Schlüssel zur Welt. Kleine Schriften zur Erzählliteratur des Mittelalters (1989) 236-256, hier 247. [zurück]

[47] Graus (wie Anm. 8) 556f. [zurück]

[48] Haug a.a.O., 237. [zurück]

[49] Wittgenstein, Bemerkungen, in: Ders., Vortrag, a.a.O., 37. - Der von Ginzburg (S. 35/319 Anm. 58) zitierte Aufsatz von Joachim Schulte über die Abhängigkeit Wittgensteins von Goethes morphologischer Methode ist auch auf deutsch erschienen: Chor und Gesetz. Zur "morphologischen Methode" bei Goethe und Wittgenstein, Grazer philosophische Studien 21 (1984) 1-32. Schultes Interpretation (22f.) der zitierten Stelle stimmt mit meiner nicht überein. [zurück]

[50] Vgl. Dinzelbacher, "verba ...", in: Volksreligion a.a.O., 79-85. [zurück]

[51] Wenn Ginzburg die kurze Erwähnung eines jahreszeitlich nicht näher bestimmten Frankfurter Brauches durch Hilscher (1688), der unter Berufung auf Aussagen des Volks einen Zusammenhang dieses Heischebrauchs mit dem wütenden Heer herstellt, als "kostbar" bezeichnet (S. 186/197), so verkennt er einmal mehr die oben erwähnte "Kombinatorik" volksläufiger Vorstellungen. Ein ungestümes Betteln konnte damals ohne weiteres mit dem sprichwörtlichen wütenden/wilden Heer verglichen werden. Zu erinnern ist auch an den alten Grundsatz: unus testis, nullus! Wenn dem Zeugnis solches Gewicht zukommt - hätte dann nicht eine Kontrolle anhand Frankfurter Quellen und der archivalischen Überlieferung im dortigen Stadtarchiv nahegelegen? [zurück]

[52] Wittgenstein, Bemerkungen, in: Ders., Vortrag, a.a.O., 29. [zurück]

[53] Goethes Werke (Weimarer Ausgabe) II. Abt. Bd. 6 (1891) 298f. [zurück]

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