*WILLE UND WUNSCH IN DER HANDLUNG BEI WITTGENSTEIN* Andrej *Ule*, Univerza v Ljubljani, Slovenien Wittgenstein befasste sich mit der Problematik von Wille und Wunsch in allen Phasen seiner Philosophie, besonders in der Betrachtug der "psychologischen Begriffe(Verben)" ('denken', 'vorstellen', 'meinen', 'verstehen', 'erinnern', 'glauben', 'sehen', 'fuehlen', 'beabsichtigen', ...). In allen seinen Schriften findet man wichtige Bemerkungen zur Problematik von Wollen und Wuenschen. Oft betrachtet Wittgenstein Wille und Wunsch zugleich, insbesondere bei der Betrachtung der Handlung, aber auch selbststaendig als eigene "Phaenomene". Offensichtlich war diese Problematik fuer Wittgenstein sehr wichtig, doch nirgends hat er sie systematisch ausgebaut oder "in einem Stueck" dargestellt. Ich stelle hier darum nur einige Kennzeichnungen der Auffassung von Wille und Wunsch bei Wittgenstein dar, naemlich ihre grundlegende Differenz, wenn man beide in ihrem Verhaeltnis zur menschlicher Handlung (dem Tun) vergleicht. Die grundlegende Konstante in der Erwaegung des Willens bei Wittgenstein ist, dass Wittgenstein den Willen als einen internen Aspekt der Handlung selbst auffasste und nicht als ein besonderes, der Handlung vorangehendes seelisch-geistiges Phaenomen. Den Wunsch dagegen fasste er als ein empirisches Phaenomen, das der Handlung zeitlich vorangehen kann und vom Willen logisch unabhaengig ist. Diese Unterscheidung der logisch-internen Aspekte der Handlung und der psychologischen, empirischen Aspekte der Handlung ist ziemlich ungewoehnlich, doch sie ist mit der staendigen Opposition Wittgensteins zu jedweder Form des psycho- physischen Dualismus verbunden. Alles Phaenomenale, d.h. auch alle psychischen oder physiologischen Phaenomene gehoeren nach Wittgenstein naemlich zur Welt, also zu den Tatsachen, die man empirisch beschreiben und kausal erklaeren kann, doch alles, was am Menschen und seiner Handlungen immateriell zu sein scheint, stellt verschiedene logisch-interne Aspekte der psychischen und physischen Tatsachen dar, die sich nur mittels bestimmter sprachlicher Mittel, z.B. mittels der formalen Sprache oder mittels sogenannter Scheinsaetze erweisen koennen. Wille ist demnach kein "geistiges" Gegenteil des Physischen, sondern drueckt die logische und grammatische Artikulation des menschlichen Wesens aus. Diese Auffassung findet man schon in den Tagebuechern (Tagebuecher, S. 180-181). Wittgenstein hat dort das Wollen ausdruecklich mit dem Tun verbunden, Wuenschen aber mit dem Ereignis, das neben oder vor dem Tun bestehen kann. "Wuenschen ist nicht tun. Aber, wollen ist tun. (Mein Wunsch bezieht sich z.B. auf die Bewegung des Sessels, mein Wille auf mein Muskelgefuehl.) Das ich einen Vorgang will, besteht darin, dass ich den Vorgang mache, nicht darin, dass ich etwas Anderes tue, was den Vorgang verursacht... Der Wunsch geht dem Ereignis voran, der Wille begleitet es." (Tagebuecher, S. 181). Der Willensakt ist also keine Ursache der Handlung, sondern die Handlung selbst. Man kann nach Wittgenstein nicht wollen, ohne zu tun (ibid., S. 180-1). Wir koennen ausserdem den hypothetischen physikalischen Zusammenhang zwischen Willen und Welt nicht wieder wollen (ibid., S. 166). Dieselben Gedanken findet man spaeter auch im TRACTATUS (TLP, 6.374). Also, der Wunsch kann eine Ursache der Handlungsereignisse sein, der Wille aber ist die Tat selbst, bzw. der logische Aspekt der Handlung, der die Handlung aus dem Bereich der Tatsachen aussondert. Die These, dass Wollen sozusagen dem Tun gleich ist, ist eben die Umdrehung der ueblichen Vorstellung, wonach Wollen ein geistiger (seelischer) Vorgang und eine "geistige (seelische) Ursache" von Handlung ist (wobei man Handlungen als eine besondere Art von Ereignissen vorstellt). Man stellt sich Handlungen als psychophysische Ereignisse vor, die man mittels eines inneren Motors antreiben muss. Obwohl es klar ist, warum Wittgenstein diese uebliche Vorstellung ablehnen wollte, bleibt es noch immer offen, was er an ihre Stelle setzen wollte und ob seine neuen Thesen stimmen. Darin steckt eine noch unausgearbeitete These Wittgensteins ueber den kategorialen Unterschied zwischen den blossen Vorgaengen bzw. Ereignissen an den Handlungen und den Handlungen selbst. Leider hat Wittgenstein diese These auch spaeter nie zur einer entwickelten Handlungstheorie augearbeitet, obwohl sie in allen seinen Schriften staendig angwesend ist. In den Tagebuechern und im TRACTATUS wurde der Wille auch als der Traeger des Ethischen bestimmt (TB, S. 169, TLP, 6.43), was in den spaeteren Werken nie mehr geschah, obwohl diese Vorstellung impliziterweise auch da besteht. Ich will hier nicht in diese spezielle "ethisch-transzendentale" Problematik des Willens eintreten, die sehr wichtig fuer die Auffassung des fruehen Wittgensteins vom "methaphysischen Subjekt" ist. Ich will nur betonen, dass es nach dieser Auffassung vom Willen beim fruehen Wittgenstein zwischen dem Willen und der Welt keine logische Verbindung gibt: "Die Welt ist unabhaengig von meinem Willen" (TLP, 6.373). Der Wille als der Traeger des Ethischen kann (als das "gute oder böse Wollen") zwar nichts in der Welt veraendern, doch er kann die Grenzen der Welt aendern (TLP, 6.43) und sie damit als Ganzes in eine glueckliche oder in eine unglueckliche Welt verwandeln. Wichtige Ueberlegungen zum Problem des Willens und des Wuenschens findet man spaeter besonders in der PHILOSOPHISCHEN GRAMMATIK, im BRAUNEN BUCH, in den BEMERKUNGEN UEBER DIE PHILOSOPHIE DER PSYCHOLOGIE, in den ZETTELN und natuerlich in den PHILOSOPHISCHEN UNTERSUCHUNGEN. In der PHILOSOPHISCHEN GRAMMATIK hat Wittgenstein wieder die notwendige innere Verbundenheit des Willens und der Handlung stark betont. Der Wille ist das, was die Handlungen zu unseren Handlungen macht, wodurch wir selbst in der Handlung sind (PG; S. 144- 5), d.h. womit wir absichtlich und bewusst etwas tun. Die Identitaet von Wollen und Tun wurde spaeter zwar selten und ausdruecklich ausgesprochen, doch die These vom Wollen als dem Moment von Handlung selbst ist geblieben. Trotzt der kategorialen Unterschiede von Wollen und Wuenschen gibt es nach Wittgenstein doch eine wichtige Aehnlichkeit zwischen ihnen: beide sind naemlich intentional, d.h. beziehen sich logisch intern auf gewisse Sachverhalte, die man verwirklicht wuenscht oder will. Es scheint, als ob eine Art Schatten der zukuenftigen Ereignisse im Wuenschen und im Wollen enthaltet ist. So schreibt Wittgenstein z.B. im sog. GELBEN BUCH (1933/34): "Zwischen dem Gewilltsein 'A' zu singen und dem eigentlichen Singen wollen wir einen schattenhaften Uebergang, der dadurch vollzogen ist, dass man fuer sich an das Lied erinnert. Und auch zwischen der Frage 'Bist du gewillt, 'A' zu singen?' und der Antwort wollen wir ein Zwischenglied. Hier ist das Verstehen der Schatten. Es scheint, dass wir das Gewollte im Gewilltsein stets schon vollzogen haben wollen, und aehnlich verhaelt es sich mit dem Wuenschen und dem Gewuenschten." (GB, S. 219) Diese Art von "Schatten" der zukuenftigen Ereignisse in den Intentionen hat Wittgenstein (auch bei einigen anderen psychologischen Begriffen, z. B. "begehren", "suchen", "trachten", "erwarten") besonders intensiv in den zwei wichtigen Werken aus der sogenannten fruehen mitleren Periode seines Schaffens (1929- 33), in den PHILOSOPHISCHEN BEMERKUNGEN und in der PHILOSOPHISCHEN GRAMMATIK eroertert. Doch auch in seinen spaeteren Schriften hat er die Grundkennzeichnungen dieser Analyse erhalten. Seine allgemeine Antwort auf die Frage nach dem Ursprung des Schattens des Zukuenftigen in der Intention heisst, dass erst der sprachlich artikulierte Ausdruck des Wuenschens, der Willenshandlung, der Erwartung, des Gedankens etc. eine logische Identitaet der Intention mit ihrer (moeglichen) Erfuellung schafft (PB, S. 69-70, PG, S: 150-1). Erst die Sprache gibt uns eine Interpretation des Wuenschens, des Wollens etc., die zugleich ihr lebendiger Ausdruck ist. Die sprachliche Interpretation der Intention ist etwas Endgueltiges, es gibt keine weitere Interpretation des sprachlichen Ausdruckes einer Intention. Darum sagte Wittgenstein treffend: "In der Sprache treffen sich Wunsch und Erfuellung" (PG, S. 151, aber auch PU, 445). Die angegebenene Aehnlichkeit zwischen Wollen und Wuenschen in der Hinsicht ihrer Intentionalitaet vermindert nicht ihre kategorial unterschiedliche Rolle in der Handlung (dem Tun). Auch im zitierten GELBEN BUCH hat er das getan und zwar einige Seiten vor der oben angefuehrten Stelle: "Wir muessen hier darauf achten, dass Wollen und Wuenschen voellig verschieden sind. Wenn ich sage, ich habe es gewollt, meinen Arm zu heben, meine ich nicht, ich haette es nur sehr heftig gewuenscht, und dann sei der Arm in der Hoehe gegangen. Das Wollen ist nicht etwas, was mir geschieht, sondern etwas, was ich tue. Das Wort 'wuenschen' hat einen sehr viel umfassenderen Gebrauch als 'wollen'. Das Wort 'wollen' wird im Zusammenhang mit Phaenomenen verwendet, die mit unseren Koerpern verbunden sind. Das Denken ist - im Gegensatz zum Wollen - etwas, was einem geschieht, nicht etwas, was man tut" (GB, S. 216, siehe auch aehnliche Stellen in PG, S. 144, PU, 615). Diese grundlegende Auffassung vom Wille/Wunsch-Unterschied erhält Wittgenstein dann in allen seinen Werken. In den PHILOSOPHISCHEN UNTERSUCHUNGEN schreibt er, dass mein Wunsch kein Mittel zur Ausfuehrung meiner Bewegung ist, denn ich bediene mich keines Mittels, wenn ich meinem Arm "willkuerlich" bewege (PU, 614). Das Wollen muss das Handeln selber sein. "Es darf nicht vor der Handlung stehen bleiben" (PU, 615). "Wenn ich meinem Arm hebe, so habe ich nicht gewuenscht, er moege sich heben. Die willkuerliche Handlung schliesst diesen Wunsch aus." (PU, 616). Wittgenstein hat in den PHILOSOPHISCHEN UNTERSUCHUNGEN ebenso streng die Vorstellung vom Willen als eine Erfahrung oder Vorstellung abgelehnt. Den Willen kann man nicht wieder wollen oder herbeifuehren (PU, 611, 613). Das kommt daher, weil schon die Handlung keine Erfahrung (oder besser, NUR eine Erfahrung) ist, ebenso nicht ein Ereignis, sondern ein Tun, das nur im Kontext von Sprachspielen und anderen Handlungen "existiert". Dieses Tun ist natuerlich mit bestimmten Erfahrungen (Erlebnissen) verbunden, z.B. mit den bestimmten kinästhetischen Erlebnissen (Innervation), wenn man willkuerliche Bewegungen mit der Hand ausführt. Doch diese sind eben keine Handlungen. Wittgenstein bemerkt zwar oft, dass solche Unterschiede "grammatisch" sind, d.h. sie sind nicht "tatsaechlich" im Sinne von Unterschieden zwischen Phaenomenen, doch sie sind nicht weniger zwingend fuer den Mensch als sprechendes Wesen. Wenn man fragt, wie diese Unterschiede entstanden sind, kann man nur mit Wittgenstein antworten: Darum, weil wir eine Sprache beherrschen, weil wir sprechende Wesen sind. Wittgenstein lehnte aufgrund dieser Kritik jede "Herbeifuehrung" beim Wollen, d.h. jede Idee eines unmittelbaren, nicht-kausalen Herbeifuehrens der Handlung mittels des Willens ab (PU, 613). Der Wille ist keine innere Ursache der Handlung und auch keine selbststaedige Handlung (obwohl es willentliche Akte gibt, d.h. Handlungen, die mit dem Wille gemacht sind). Darum ist auch die Vorstellung vom wollenden Subjekt als etwas "Masseloses (Traegheitsloses)", als "einem Motor, der in sich keinen Traegheitswiderstand zu ueberwinden hat" und der "also nur Treibendes und nicht Getriebenes ist", verkehrt (PU, 618). Es sind das die grammatisch bedingten Scheinvorstellungen. Dasselbe gilt auch fuer die Vorstellung vom "unmittelbaren Wissen" des willkuerlich Handelnden von seiner Handlung, bzw. von seiner Absicht oder fuer die "Abwesenheit des Staunens" bei willkuerlichen Handlungen (PU, 628). Bei dem Eindruck, willentliche Handlungen seien mit dem unmittelbaren und gewissen Wissen von ihrer Absichten verbunden, geht es um die Kriterien des Wiedererkennens unserer Absichten bzw. unserer Handlungen, nicht um besondere psychische Gesetze etc. (PU, 625). Man kommt zu diesen Auffassungen durch bestimmte Sprachspiele, fuer die die Leute abgerichtet sind, denn diese Sprachspiele "lernt man" schon beim Beginn jedes Sprachlernens. So z.B. 'passt' der grammatische Unterschied zwischen dem Gebrauch der psychologischen Begriffe, der ersten Person des Praesens, wo man nach Wittgenstein gewoehnlich Ausdruecke unserer Zustaende oder Handlungen macht und keine Beobachtungen mit dem Gebrauch der Begriffe in der dritten Person (wo man meistens Beobachtungen ueber die andere Personen macht) zur Grundstruktur (der Tiefengrammatik) unserer Sprache. Der Wille ist demnach keine besondere Erfahrung, Tatsache, auch keine besondere Handlung, doch aber eine notwendige Kennzeichnung aller willentlichen Handlungen. Richtig gesprochen, kann man nicht vom Willen an sich sprechen oder von dem, was der Wille an einer Handlung "ausmacht". Wenn ich vom Willen als einem grammatisch- logischen Aspekt der Handlungen spreche, will ich also nicht den Wille selbst angeben oder bestimmen, sondern auf den Ort und die Rolle der Unterscheidung der willkuerlichen und unwillkuerlichen Handlungen in den Sprachspielen hinweisen. Man kann aber von verschiedenen Ausdruecken des Willens an eigenen Handlungen oder an den Handlungen anderer Menschen sprechen, die ihnen die Kennzeichnung der willentlichen Handlungen geben. Der Wille drueckt sich (meistens) in der Angabe der Absicht einer handelnden Person aus, bzw. in der Auszeichnung einer Person als Akteur einer Handlung (diese Person ist gleichsam "in" einer Handlung); der Wille drücht sich also in der Bezogenheit unserer Handlungen auf die relevante Lebensform als dem Kontext aller unserer Handlungen aus. Menschliche Handlungen sind willkuerlich oder unwillkuerlich im bestimmten Kontext, der ihnen diese oder andere Kennzeichnungen gibt, nicht aber an sich. Wilkuerlich, d.h. auch meistens, willentlich, sind nach Wittgenstein "gewisse Bewegungen mit ihrer normalen UMGEBUNG von Absicht, Lernen, Versuchen, Handeln. Bewegungen, von denen es Sinn hat, zu sagen, sie seien manchmal willkuerlich, manchmal unwillkuerlich, sie sind Bewegungen in einer speziellen Umgebung" (BPPS I, 776, Vgl. Z., 577). Das heisst weiter, dass man Handlungen nur im Kontext der anderen aktuellen oder potentiellen Handlungen derselben oder anderer Menschen, die einer gemeinsamen Lebensform angehoeren, schildern kann: "Nicht, was einer jetzt tut, eine einzelne Handlung, sondern das ganze Gewimmel der menschlichen Handlungen, der Hintergrund, worauf wir jede Handlung sehen, bestimmt unser Urteil, unsere Begriffe und Reaktionen" (Z., 567, BPPS II, 629). Der Wille stellt also einen logisch-internen Aspekt unserer Handlungen dar, der in den zugehoerigen Sprachspielen und innerhalb einer menschlichen Lebensform auf die notwendige Zugehoerigkeit der Handlungen zu bestimmten Personen hinweist. Es folgt daraus, dass die Personen fuer ihre willkuerlichen Handlungen auch verantwoertlich sein koennen und sich fuer sie auch verantwoertlich fuehlen koennen. Wenn man von einem Aspekt spricht, dann spricht man von einer Art Sichtweise der Handlungen und nicht von ihren objektiven oder apriorischen "Eigenschaften". Wir selbst geben nach Wittgenstein letzlich den eigenen oder den anderen Handlungen (un)willkuerliche Kennzeichnungen um sie sie in verschiedene interne (regelhafte) Verhaeltnisse mit den anderen potentiellen und aktuellen Handlungen zu stellen. Der Kontext einer Lebensform ermoeglicht die Begründung willkuerlicher Handlungen. Handlungen koennen und duerfen begruendet werden. Hier spielt die Willkuerlichkeit der Handlung die notwendige Voraussetzung der Begruendungen. Der Wille drueckt sich durch verschiedene intentionale Zustaende aus, die sich grammatisch-intern mit den Gruenden der Handlungen verbinden. Der Wunsch dagegen stellt ein empirisches Phaenomen dar, das zwar oft mit den willkuerlichen Handlungen kausal und intentional verbunden ist, jedoch keine notwendige (grammatische) Relation zum Akteur (man kann unbewusste Wuensche haben) hat und auch keine notwendige Verbindung mit den anderen Handlungen derselben oder anderer Personen hat. Der Wunsch als solcher ist kein Grund der Handlung, doch kann er eine Ursache der Handlung sein. Erst wenn der Handelnde seinen Wunsch in einer Absicht artikuliert (fuer sich oder auch fuer die anderen Leute), die sich im Netz von anderen Absichten, Glaubeneinstellungen etc. befindet, kann man sagen, dass diese Absicht auch einen Handlungsgrund darstellt. Wenn z.B. jemand aus seinem starken Wunsch (Begehren) nach Wasser an einer Quelle Wasser trinkt, dann kann dieses Verhalten noch keine willentliche Handlung darstellen, obwohl es ein bewusstes Handeln ist. Wenn aber jemand z.B. ein Glas oder einen Krug nimmt, zur Quelle geht, wartet, bis das Glas voll ist und dann trinkt, dann ist die Annahme, dass es eine willentliche Handlung ist, begruendet. Denn man kann voraussetzzen, dass diese Person so etwas wie einen "praktischen Syllogismus", d.h. eine logisch- intentionale Verbindung der Absicht und der Mittel zur Verwirklichung seiner Absicht machte. Diese Absicht, nicht aber der bloße Wunsch (als ein psychophysisches Phaenomen), stellt jetzt den Grund des Wassertrinkens und nicht nur seine Ursache dar. Damit verbindet sich der Unterschied von Wille und Wunsch mit der Eroerterungen von Gruenden und Ursachen in der Spaetphilosophie Wittgensteins. Ich will hier nicht die ganze, sehr verwickelte Problematik des Unterschiedes von Gruenden und Ursachen eroertern. Ich will auch nicht in die gegenwaertige polemische Gegensaetze zwischen den "kausalen" oder "intentionalen (akausalen)" Erklaerung der Handlungen eintreten, sondern nur einen Aspekt dieser Unterscheidung bei Wittgenstein behandeln, der fuer mein Thema wichtig ist. Wittgenstein unterscheidet im BLAUEN BUCH die Ursachen von den Gruenden "grammatisch": jede Erklaerung mittels der Ursachen ist empirisch und hypothetisch, d.h. kontingent wahr, jede Erklaerung mittels Gruenden ist im Prinzip endlich und nicht-hypothetisch, d.h. zweifellos und kategorisch, denn die Kette von tatsaechlichen Gruenden hat einen Anfang in "unbegruendeten" Handlungen (z.B. im unmittelbaren Verstehen eines Befehls und dem unmittelbaren Gehorsam) (BB, S. 33- 34). Es ist also sinnlos von unseren Motiven als von den "inneren" Ursachen zu sprechen, die unserem Bewusstseinn unmittelbar gegeben sind. Das Wissen von (meinen) Gruenden muss nach Wittgenstein zweifellos sein und das eben zeigt seine "grammatische" Natur. Die Begruendung der Handlungen ist ein wichtiges Element der Umgebung, die eine willkuerliche Bewegung (Handlung) von einer unwillkuerlichen unterscheidet. Sie weist auf das Handlungsnetz einer Lebensform hin, naemlich auf andere (eigene oder fremde) Handlungen, die mit meiner Handlung in ein mögliches Regelverhaeltnis eintreten koennen. Man kann die Handlungen, nicht über blosse Wuensche begruenden. Wuensche koennen verschiedene Ursache haben und sie koennen manchmal auch Ursachen der Handlung sein. Trotzt dieser differenzierten Verbindung des Willens mit Gruenden und des Wuenschens mit Ursachen der Handlung, ist es falsch, wenn man glaubt, dass der Wille nur mit Gruenden, Wuensche dagegen nur mit Ursachen verbunden sind. Man kann nur sagen, jeder tatsaechliche Handlungsgrund ist mit einer willentlichen Absicht verbunden, jeder Wunsch, dem eine zugehoerige Handlung folgt, ist (an sich) eine Handlungsursache. Doch es gibt willentliche Handlungen ohne Gruende und es gibt Wuensche, die Urspruenge von Gruenden sind. Es kann sogar geschehen, dass der Wunsch und der Wille keine Gruende und keine Ursache einer Handlung enthalten. Z. B. beim Schreiben, das zugleich eine willkuerliche und eine automatische Bewegung ist. Es ist sinnlos zu sagen, "die Hand schreibt, weil man will, sondern man will, was sie schreibt" (Z., 586). Und ebenso schreibt man nicht, weil man wünscht. "Denn, dass sie schreibt, was ich wuensche, koennte mich ja erst recht in Erstauenen versetzen" (ibid.). Eine (willkuerliche) Handlung kann man nur so weit begruenden, bis man zu den nicht mehr begruendbaren, dennoch aber zweifelsfreien Handlungen, aber zu keinen Evidenzen, Erfahrugen, Erlebnissen oder Tatsachen kommt. Diese primaeren Handlungen sind "blind", doch willentlich und regelhaft. Wir lernen sie zugleich mit unserer (sprachlichen) Eingliederung in die relevante Lebensform, die uns mit anderen Leuten verbindet. Mittels der Gruende bezieht man sich also auf das Geflecht der Handlungen, die unsere Lebensform aufbauen. Die Ursachen (einer Handlung) dagegen können uns zu den Tatsachen fuehren, die wir überhaupt nicht wahrgenommen haben (z.B. zu den unbewussten Bewegungen in unserer Seele), doch zu keiner Regel, zu keinem Sprachspiel. Ich gelange mittels der wittgensteinschen Ausfuerungen ueber die logisch-grammatische Wunsch/Wille sowie Ursache/Grund- Unterscheidung zur These, dass eine willkuerliche Handlung demnach eine begruendete Handlung oder eine nicht mehr begruendete Handlung ist, die aber am Beginn einer Reihe von Begruendungen stehen kann. Die Wuensche, die dabei auch auftreten koennen, koennen zwar Ursachen oder Gruende der Handlung sein, doch nur in Verbindung mit den darauffolgenden willkuerlichen Handlungen, die derselben Absicht entspringen, nicht per se. Wennn sie fuer den Handelnden in keine regelhafte Verbindung mit anderen (eigenen oder fremden) Handlungen eintreten, koennen sie nur Ursachen der Handlung darstellen. Daher behaupte ich (vielleicht etwas zu pointiert): der Wille bezieht sich auf tatsaechliche Gruende der Handlungen, der Wunsch auf ihre moegliche Ursachen. Ich will damit die Eroerterung ueber eine moegliche Kausalerklaerung aller Handlungen, sowie der Gruende als Ursachen nicht schliessen, denn (wie so oft bei Wittgenstein) stellen die angegebenen Unterscheidungen doch nur einen Aspekt der Handlungen dar, nicht aber das letzte Wort in der Eroerterung. Man kann verschiedene kritische Bemerkungen zu den Ansichten und Argumenten Wittgensteins ueber das Verhaeltnis von Wollen und Wuenschen, so wie über das Verhaeltnis von Gruenden und Ursachen machen. Man kann z.B. fragen, ob bei einer nichtrealisierten Handlung kein Wille da war oder vielleicht ein "anderer Wille" (mit einer anderen Absicht), die die erste Handlung blokierte. Ebenso scheint eine "zu grosse Last" auf den Begriffen des Wuensches, des Glaubens und auf anderen "Vorgaengern" einer Handlung zu liegen, wenn alles, was bisher (d.h. in der ueblichen Vorstellung) zum Wille gehoert hat, jetzt zum Wunsch, zum Glauben usw. gehoert. Doch nach dem hier gesagten kann man vermuten, dass es fuer Wittgenstein sinnlos war, ueber nichtrealisierten Willen, sinnvoll aber, ueber nichtrealisierte Wuensche, Absichten, nichtrealisiertes Trachten usw. zu sprechen. Nichtrealisierte Handlungen koennen wohl willentlich sein, obwohl ihre Absichten, Motive, usw. (d.h. verschiedene sprachliche Ausdruecke des Willens) sich nicht realisieren. LITERATUR: Wittgenstein, L. 1969 Schriften 1, Frankfurt/M, Suhrkamp Wittgenstein, L. 1970a Schriften 2, Frankfurt/M, Suhrkamp Wittgenstein, L. 1970b Schriften 5, Frankfurt/M, Suhrkamp Wittgenstein, L. 1969 Tractatus logico-philosophicus, in Wittgenstein (1969) (verk. TLP) Wittgenstein, L. 1969 Tagebuecher 1914-1916, in Wittgenstein (1969) Wittgenstein, L. 1969 Philosophische Untersuchungen, in Wittgenstein (1969) (verk. PU) Wittgenstein, L. 1970 Philosophische Bemerkungen, in Wittgenstein (1970a) (verk. PB) Wittgenstein, L. 1970 Philosophische Grammatik, in L. Wittgenstein, Werksausgabe Bd 4, Frankfurt/M, Suhrkamp 1984 (verk. PG) Wittgenstein, L. 1970 Das Blaue Buch. Eine philosophische Betrachtung, in Wittgenstein (1970b) (verk. BB) Wittgenstein, L. 1970 Zettel, in Wittgenstein (1970b) (verk. Z.) Wittgenstein, L. 1984a Bemerkungen ueber die Philosophie der Psychologie (I, II), In L. Wittgenstein: Werkausgabe, Bd. 7, Frankfurt/M, Suhrkamp (verk. BPPS) Wittgenstein, L. 1984b Letzte Schriften zur Philosophie der Psychologie, in L. Wittgenstein, Werkausgabe, Bd. 7, Frankfurt/M, Suhrkamp Wittgenstein, L. 1989 Das Gelbe Buch, in: L. Wittgenstein, Vorlesungen 1930-1935, Frankfurt/M, Suhrkamp (verk. GB) Egidi, R. 1992 Meaning and Actions in Wittgenstein's Late Perspective, in Grazer Philosophische Studien, vol. 42 Johnston, P. 1989 Wittgenstein and Moral Philosophy. London, New York, Routledge Savigny, E. von 1992 I Don't Know What I Want, in Grazer Philosophische Studien, vol. 42 Shanker, S. 1991 Wittgenstein's Remarks on Intentions, in: J. Hyman, Investigating Psychology, London, New York, Routledge Ule, A. 1989 Wittgenstein ueber die Ursachen und Gruende der Handlungen, Acta Analytica, No. 5, Ljubljana Waismann, F. 1983 Wille und Motiv, Stuttgart, Reclam