øøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøø ø ø ø File: 09-2-94.TXT - 50 KB ø ø ø øøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøø ø ø ø Katalin Neumer, Budapest - Ungarn ø ø ø øøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøø ø ø ø *Bedeutungserlebnisse - Privatsprachenkritik und ø ø Gebrauchstheorie der Bedeutung im Licht der ø ø psychologischen Aufzeichnungen Wittgensteins* ø ø ø øøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøø ø ø ø Abstract: ø ø ø ø Die Bedeutungserlebnisse - mit dem Begriff des Aspektwechsels ø ø bzw. der sekundaeren Bedeutung verknuepft - erscheinen fuer ø ø Wittgenstein zunaechst als sekundaer. Andererseits bekommen ø ø sie eine grundlegende Bedeutung, indem er sie mit fuer die ø ø Sprache grundlegenden Begriffen der Tradition, des Verstehens ø ø und intendierten Handelns in Zusammenhang bringt. Diese ø ø konzeptuelle Loesung bleibt aber unbefriedigend, weil sie den ø ø Weg zu der Privatsprachenkonzeption oeffnet. Die ø ø psychologischen Aufzeichnungen zeugen auf diese Weise vom ø ø vergeblichen Ringen zwischen einander ausschliessenden und ø ø trotzdem zueinander fuehrenden Alternativen. ø ø ø øøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøø øøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøø ø ø ø Neumer, Katalin (1994) Bedeutungserlebnisse - Privatsprachen- ø ø kritik und Gebrauchstheorie der Bedeutung im Licht der ø ø psychologischen Aufzeichnungen Wittgensteins; in: ø ø Wittgensteins Studies 2/94, File: 09-2-94; hrsg. von ø ø K.-O. Apel, F. Börncke, N. Garver, P. Hacker, R. Haller, ø ø G. Meggle, K. Puhl, Th. Rentsch, A. Roser, J.G.F. Rothhaupt, ø ø J. Schulte U. Steinvorth, P. Stekeler-Weithofer, ø ø W. Vossenkuhl (3 1/2' Diskette) ISBN 3-211-82655-6, ø ø ISSN 0943-5727 ø ø ø øøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøø Die Privatsprachenkritik Wittgensteins stellt den Kern und Angelpunkt seiner Spaetphilosophie dar. Seine Ausfuehrungen ueber die Empfindungen und darunter ueber die Schmerzen betreffen naemlich nicht nur den genannten, sondern auch einen viel weiteren Kreis der Erscheinungen: alle unsere Gefuehle und Erlebnisse, seelische Zustaende und Dispositionen, den ganzen Bereich des Psychischen, und damit Probleme wie das des Verstehens oder des Meinens. Wuerde die Wittgensteinsche Privatsprachenkritik in Frage gezogen, wuerde damit auch seine - auf dem Begriff des Regelbefolgens und auf der Gebrauchstheorie der Bedeutung beruhende - Sprachspielkonzeption ins Schwanken geraten. Und Wittgenstein hat auch nie an der Triftigkeit seiner Privatsprachenkritik gezweifelt. Es scheint ihm nie zu Bewusstsein gekommen zu sein, dass die Nuss der Privatsprachenkonzeption vielleicht haerter ist, als er sich vorgestellt hat. Von um so vergeblicherem Ringen zeugen seine psychologischen Bemerkungen (und zwar ohne dass er einen moeglichen Zusammenhang zwischen den beiden Bereichen bemerkt haette), in denen er das Verhaeltnis zwischen Bedeutung und Erlebnis ueberwiegend in Zusammenhang mit dem Prob lem des Aspektsehens untersucht, und in denen die Gebrauchstheorie der Bedeutung ploetzlich in einem zweideutigen Licht erscheint. In der Tat stellt sich die Gebrauchstheorie der Bedeutung bereits in den PHILOSOPHISCHEN UNTERSUCHUNGEN nicht in dem Masse als eindeutig dar, wie man es gewoehnlich annimmt. "Man kann fuer eine GROSSE Klasse von Faellen der Benuetzung des Wortes 'Bedeutung'- wenn auch nicht fuer ALLE Faelle seiner Benuetzung - dieses Wort so erklaeren: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache", lautet es an der vielzitierten Stelle. (PU I, § 43) Bei der Interpretation dieser Worte uebersieht man gerne, dass Wittgenstein ueber "eine GROSSE Klasse von Faellen", aber nicht ueber "ALLE Faelle" spricht, obwohl eine einfache Auslegung der Stelle auf der Hand liegt. Sie kann u.a. auf die spaeteren Ausfuehrungen der UNTERSUCHUNGEN verweisen, in denen Wittgenstein die Rolle der Koenigsfigur im Schach behandelt. Er wirft dort die Frage auf, ob als wesentliche Regel des Spiels gelte, dass man bei der Entscheidung, wer Weiss enthalten wird, vor Beginn jeder Schachpartie mit Hilfe des Koenigs Los zieht. "Ich bin [...] geneigt," so lautet seine Antwort, "auch im Spiel zwischen wesentlichen und unwesentlichen Regeln zu unterscheiden. Das Spiel, moechte man sagen, hat nicht nur Regeln, sondern auch einen WITZ." (PU I, § 564) Die Wahrheit dieser These ist leicht einzusehen. Auch wenn diese Regel aufgehoben wuerde, koennte das Schachspiel noch Schachspiel bleiben: Es selbst wuerde sich nicht aendern. Sollte eine jegliche winzige Modifikation ein anderes Spiel zum Resultat haben, koennten wir unmoeglich - im staendigen Wechsel - das neue, unbekannte Spiel weiter spielen. Eine andere Gruppe bilden Faelle wie z.B., dass es toericht waere behaupten zu wollen, "gehen" habe in "ich gehe" eine andere Bedeutung als in "du gehst", obwohl man das Wort in unterschiedlichen Situationen und auf unterschiedliche Faelle anwendet. (LP § 285) Ebenso, wie man auch nicht gerne sagen moechte, dass sich die Bedeutung eines Wortes immer wieder veraendert, und zwar situationsabhaengig in dem Sinne, ob man es gestern oder heute, in einem Ausruf oder in einer Beschreibung, zur Information oder um seine Kenntnisse an einer Pruefung zu zeigen, gesagt hat. (LP § 288, 58, 44) Bei der in diesem weiten Sinne aufgefassten Situationsabhaengigkeit wuerde man nicht imstande sein, die Bedeutung der Woerter zu erlernen, und sie in staendig neuen Kontexten anzuwenden. In den erwaehnten Faellen haben wir es mit derselben Bedeutung zu tun, und zwar weil die Bedeutung des Wortes auf dieselbe Weise erklaert und gelehrt wird. "'Die Bedeutung des Wortes ist das, was die Erklaerung der Bedeutung erklaert.' D.h.: willst du den Gebrauch des Worts 'Bedeutung' verstehen, so sieh nach, was man 'Erklaerung der Bedeutung' nennt." (PU I, § 560) Der Grund dafuer - die Lehre koennen wir also ziehen -, dass eine generelle Zuordnung der Bedeutung eines Wortes zu seinem Gebrauch jedenfalls nicht immer durchfuehrbar ist, besteht darin, dass "nicht jeder GEBRAUCH [...] eine Bedeutung" ist. (LP § 289) "Der Begriff 'Bedeutung' wird" also "dazu dienen, das, was man die kaprizioesen Bildungen der Sprache nennen koennte, von den wesentlichen, in der Natur ihres Zweckes gelegenen zu unterscheiden." (LP § 326) Auch die Umkehrung der These ueber die Relation Bedeutung-Gebrauch ist wahr: Es laesst sich nicht jeder Bedeutung ein eigener Gebrauch zuordnen. Auf die Aufforderungen "Suche Alex" und "Suche deinen Bruder" kann ich das gleiche tun, insofern mein Bruder Alex heisst. Die Aussagen "Heute ist mein Geburtstag" und "Am 26. April ist mein Geburtstag" beziehen sich deshalb noch nicht auf verschiedene Tage, weil "ihr Sinn nicht der gleiche" ist - so formuliert Wittgenstein die Fregesche "Sinn- Bedeutung" Distinktion in den Termini "Gebrauch" und "Bedeutung" um. (PU I, § 685) Manche Wittgensteinsche Beispiele werden uns jedoch unsicher machen. Bei einigen koennte der Fall vielleicht noch damit erledigt werden, dass auch die praechtigste Distinktion von ihrem Verfasser nicht unbedingt und nicht immer einwandfrei angewendet werden muss. So versteht man im Mustersatz "Auf je 1 m steht ein Soldat, auf je 2 m also 2 Soldaten" unter "ein" nach Wittgenstein zuerst in den beiden ersten Faellen dasselbe, naemlich EINS. Wenn man dagegen die Frage in der Weise stellt: "Hat nun die '1' verschiedene Bedeutung, wenn sie einmal fuer die Masszahl, ein andermal fuer die Anzahl steht", wird die Antwort schon bejahend sein. (PU I, § 552-553) Die Stimme unseres alltaeglichen Sprachgefuehls wird uns kaum sagen, dass man hier etwa mit einem Fall der Homonymie zu tun haette. Wie es auf den ersten Blick ebenfalls kaum einzusehen ist, dass "'Ich glaube' [...] nicht EIGENTLICH das Praesens von 'ich glaubte' sein" kann. (BPP I, § 700) (Auch in dem Fall nicht, wenn man sonst die Argumentation Wittgensteins akzeptierte, der zufolge man die Worte "ich glaube" in Behauptungen "Ich glaube...", in denen der Sprecher seine Disposition aeussert, ausfallen lassen koenne, im Gegensatz zu denselben - meistens in Vergangenheitsform formulierten*2* - Aussagen, in denen er bloss ueber seinen Zustand berichtete. Was das letztere betrifft, scheint selbst Wittgenstein ziemlich unsicher zu sein. In BPP I, § 479 stellt er z.B. die Schmerzaeusserung dem Bericht von einem vergangenen Schmerz gegenueber, und spricht dabei nicht ueber eine Bedeutungs-, sondern nur ueber eine Verwendungsaenderung des Wortes "Schmerz".) Die angefuehrten Beispiele koennte man noch vielleicht bloss als "Schoenheitsfehler" auffassen. Die Wittgensteinschen Ausfuehrungen ueber die "primaere" und "sekundaere" Bedeutung deuten demgegenueber ohne Zweifel auf ein weiteres Problemfeld hin. Die Problematik erscheint u.a. in seinen Ueberlegungen, ob die Woerter "dick" und "duenn" in der Frage, sei Mittwoch eher "dick" und Dienstag "duenn" oder eben umgekehrt, "eine andere Bedeutung" haetten, "als die gewoehnliche". Seine Antwort lautet: Nein, "sie haben" nur "eine andere Verwendung". "Ich will" eben nur "DIESE Woerter (mit den gelaeufigen Bedeutungen) HIER gebrauchen". Hier waere es noch am zweckmaessigsten, von "primaerer" und "sekundaerer" Bedeutung zu sprechen, wobei "die Worterklaerung [...] beidemal die der primaeren Bedeutung" waere, und "die sekundaere Verwendung" darin "besteh[e]", "dass ein Wort, mit DIESER primaeren Verwendung, nun in dieser neuen Umgebung gebraucht wird". (LP § 795, 797)*3* Das Phaenomen, auf das das Problem der primaeren und sekundaeren Bedeutung hindeutet, ist die Atmosphaere, die man fuer ein Wort als charakteristisch empfindet, bzw. das Erlebnis, von dem die Bedeutung des Wortes im Inneren begleitet wird. Auf den ersten Blick haben wir es hier mit einer Frage zu tun, die sich im Wittgensteinschen System sehr leicht erledigen laesst (und die auch von ihm selbst schon seit langem als endgueltig erledigt betrachtet wurde). So verdient es auf jeden Fall Aufmerksamkeit, dass Wittgenstein die Frage erneut aufnimmt und ihr einen bedeutenden Teil der mehr als 2800 Paragraphen seiner letzten psychologischen Bemerkungen (der Vorarbeiten zum nie vollendeten zweiten Teil der PHILOSOPHISCHEN UNTERSUCHUNGEN), und darueber hinaus eine wesentliche Partie des zweiten Teils der PHILOSOPHISCHEN UNTERSUCHUNGEN widmet. Worin konnte das Problem bestehen, das ihn als ungeloestes nicht in Ruhe gelassen und vielleicht sogar nur unbewusst zur staendigen Rueckkehr zum selben Thema, zum Schwanken zwischen verschiedenen Loesungsversuchen getrieben hat?*4* Wittgensteins fruehere - und gemeinhin bekannte - Antwort auf die Frage ist naemlich ausserordentlich einfach und vernichtend: Es kann fuer uns nichts von Interesse sein, was HINTER unseren Worten steckt, was sie nur begleitet. Erlebnisse dieser Art koennen hoechstens den Psychologen interessieren, die Bedeutung selbst aber nicht erklaeren bzw. beeinflussen. Selbst wenn jemand Erlebnisse hat, die die Bedeutung begleiten bzw. verursachen, koennen diese doch nur fuer ihn allein von Wichtigkeit sein. Sie sind naemlich mit der Bedeutung bloss kausal, extern, also zufaellig verknuepft. Das Ausbleiben der Erlebnisse kann das Operieren mit dem Zeichen nicht verhindern. Das gleiche Gefuehl in mir koennte auch ein anderes Wort begleiten, und umgekehrt: Dasselbe Wort kann bei einem anderen Menschen mit anderen Erlebnissen einhergehen. In unseren Augen werden ihn also nicht seine Gefuehle berechtigen, eben dies Wort zu gebrauchen, sondern die besonderen Umstaende. "[...] alle ERLEBNISSE des Verstehens" werden "vom Gebrauch, von der Praxis des Sprachspiels zugedeckt." (BPP I, § 184) Was ein "ausdrucksvolles Spiel" ist, kann man nur dem erklaeren, der "in einer bestimmten Kultur erzogen ist", und "dann auf die Musik so und so reagiert", (BPP II, § 468) wobei die Erziehung, die Aneignung der Regeln als logische Voraussetzungen des Verstehens einen internen, nicht zufaelligen Zusammenhang ins Leben rufen.*5* Obwohl eine musikalische Phrase und ein Erlebnis sich miteinander auch in diesem letzteren - tieferen, nicht kausalen - Sinne verknuepfen koennen, wird diese besondere Empfindung auch in diesem Fall nur mit der genannten Phrase zusammen leben. Das Gefuehl ist also zwar "nicht die Phrase selbst; denn Einer kann sie hoeren ohne dies Gefuehl", kann es trotzdem "in anderem Zusammenhang gar nicht wiedererk[annt]" werden. (PU II, S. 502-503) Auch wenn man den Eindruck hat, dass ein Wort "ein bestimmtes leichtes Aroma" hat, wenn z.B. "die Namen beruehmter Dichter und Komponisten eine eigene Bedeutung in sich aufgesogen zu haben scheinen", zeigt man jedoch auf ihre Werke, um diesen besonderen Charakter zu beschreiben. (BPP I, § 243) Wie dem auch sei, diese besondere Aura bzw. Stimmung ist fuer die Bedeutung der Woerter nur von sekundaerer Wichtigkeit. Die Woerter "Sabel" und "Saebel" haben eine andere Atmosphaere, nicht aber eine andere Bedeutung. (LP § 726) Die Atmosphaere droht sogar mit der Gefahr, dem reibungslosen Kommunikationsprozess zu stoeren: Die entsprechende Mitteilung gilt als "eine pathologische Mitteilung ueber den Mitteilenden" (LP § 73). Unter normalen, unzweideutigen Umstaenden waere es "mir nie eingefallen, der Satz haette einen besonderen Dunstkreis, haette ich nie daran gedacht, wie man ihn auch anders - als Zitat, im Scherz, als Sprechuebung, etc. - sagen koennte". (PU I, § 607) "Wenn ein feines Aufhorchen mir zeigt, dass ich in jenem Spiel das Wort bald SO, bald SO erlebe, - zeigt es mir nicht auch, dass ich's im Fluss der Rede oft GAR NICHT erlebe? - Denn, dass ich es dann auch bald SO, bald SO meine, intendiere, spaeter wohl auch so erklaere, steht ja nicht in Frage." (PU II, S. 555-556) Diese letzte Formulierung verbindet die Frage des Erlebens einer Bedeutung (und damit verknuepft auch die Begriffe des Meinens und der Intention) mit derjenigen des Aspektsehens. Die beiden Phaenomene stehen naemlich, wie es Wittgenstein mehrmals behauptet, in enger Verbindung miteinander. (Z.B. PU II, S. 546, 553, BPP I, § 1064, LP § 176) Es ist hier eigentlich nicht das Aspektsehen, sondern der Aspektwechsel von Belang. Nicht das ist also von Interesse, dass ich etwa im Hasen- Enten-Kopf einmal den Hasen, und ein anderes Mal die Ente erblicke, sondern das, wie ich den Hasen ploetzlich in Ente uebergehen sehe, und zwar "je nach der Erdichtung, mit der ich es umgebe". (PU II, S. 546) Das ploetzliche Bemerken eines Aspekts, der Aspektwechsel stellt ein Erlebnis dar, das sich in einer unmittelbaren, "natuerliche[n], primitive[n] Ausdruck des Erlebnisses", und zwar in einem Ausruf, (BPP I, § 862) in einem Vergleich aeussert. "[M]an erleb[t]" hier sozusagen "einen VERGLEICH. Denn der Ausdruck des Erlebnisses ist, dass wir zu einem Vergleich geneigt sind. Zu einer Paraphrase." (BPP I, § 317)*6* Die Faehigkeit, etwas auch so und auch so sehen zu koennen, stellt eine sekundaere Erscheinung dar, ebenso, wie das Erleben bzw. das So- und-so-Verstehen und -Meinen eines Wortes: "Es ist klar, dass dem Schueler, der nur eben erst mit dem Begriff Spitze, Grundlinie, etc. Bekanntschaft gemacht hat, die Worte 'Ich sehe jetzt das als Spitze' noch nichts sagen koennen." (PU II, S. 544) Dass man die Aspekte sich wechseln sieht, macht einen faehig, grammatische Homonymien zu erkennen oder die Aufforderung "Meine das Wort 'sondern' als Zeitwort!" zu verstehen und zu dem Wort einmal einen Satz zu bilden, in dem es als Zeitwort, und ein anderes Mal einen, in dem es als Bindewort vorkommt. Dies macht einen faehig, ueber Wortwitze lachen und Theater spielen zu koennen. Dies setzt einen instande, zu einem bestimmten Kontext - mittels des Vergleichens der Moeglichkeiten und in der Sprache des Vergleichs - das "treffende Wort" zu finden oder feine aesthetische Unterschiede zu machen. (PU II, S. 560-561) Dies Koennen macht einen faehig, nicht nur musikalische Anweisungen wie "staerker", "schwaecher", "schneller", "langsamer", sondern auch solche wie "Du musst das Wort als ... hoeren" oder "Spiel das, als ob es die Antwort waere" zu verstehen und ihnen zu folgen. (BPP I, § 247) Dies laesst einen fuehlen, dass ein "Wort, wenn es zehnmal nach der Reihe ausgesprochen wird, seine Bedeutung fuer ihn verliert und ein blosser Klang wird" (PU II, S. 553), und dass wenn man "den Satz mit den vertauschten Bedeutungen" ausspricht (etwa beim Ausruf "Ei, ei!" an Eier denkt), "der Sinn des Satzes zu zerfallen scheint". (PU II, S. 491-493, LP § 307) Das Fehlen dieser Faehigkeit - die "Aspekt-" bzw. "Bedeutungsblindheit" - erscheint zunaechst als nicht besonders tragisch, obgleich es Wittgenstein als eine Anomalie bezeichnet. Der Wechsel des Aspekts laesst sich, wenn man zwischen den Vergleichsmoeglichkeiten "Blindheit", "Fehlen des musikalischen Gehoers" und "Fehlen des absoluten Gehoers" waehlt, mit dem Mangel des musikalischen Gehoers in Parallele setzen. (PU II, S. 552, vgl. BPP I, § 168, 189, 1032, LP § 782) Ein Blinder kann sein Leben selbstaendig nicht fuehren. Absolutes Gehoer haben dagegen nur auserwaehlte Leute. Das musikalische Gehoer erscheint zwischen den beiden als sekundaer zum primaeren Sehen-Koennen in dem Sinne, dass wir auch ohne es groesstenteils in unserer Sprachspiele zurechtkommen koennen wie auch ohne das Aspektsehen.*7* Es waere wohl schade, wenn wir Kunstwerke nicht richtig geniessen koennten, und wenn unser Leben bloss "prosaisch" wuerde (BPP I, § 341). Es wuerde uns auch etwas langweiliger werden, wenn wir ueber Witze nicht lachen koennten, und wir wuerden hoechstwahrscheinlich auch im Aufloesen von Vexierraetseln oder im Spiel GLUECKSRAD nicht besonders glaenzen. Sonst wuerde allerdings die Kommunikation selbst durch das Fehlen des Bedeutungserlebnisses nicht gestoert: Daraus, dass MIR der Satzsinn zerfaellt, folgt noch nicht, dass er - wenn der Satz sonst den oeffentlichen Regeln gemaess gebildet wurde - auch DEM ANDEREN zerfaellt. "Was schadet es also?" (PU II, S. 493) "Ist es aber nicht ueberfluessig, um diese tiefgreifende Lehre viel Laerm zu machen? Sie folgt ja selbstverstaendlich aus Wittgensteins ganzem Gedankengang", meint man vielleicht. Der Grund aber, weshalb Wittgenstein das Gesagte gleichsam monomanisch wiederholt, liegt darin, dass er den Gedanken nicht loswerden kann: Wie waere es, wenn es eine Sprache gaebe, "in deren Verwendung die 'Seele' der Worte keine Rolle spielt[e]. In der uns z.B. nichts daran lieg[e], ein Wort durch ein beliebig erfundenes neues zu ersetzen". (PU I, § 531) Die frueher erwaehnte Erscheinung - naemlich dass es in einer Sprache dieser Art ohne Belang waere, das "treffende Wort" zu finden - wuerde in dieser Sprache in der Weise auftreten, dass unsere Woerter, "mit Gefuehlen" nicht "'geladen'", "durch beliebige andere Laute auf eine Vereinbarung hin zu ersetzen" waeren. (LP § 712) Hier waeren die Woerter - keine eigenartige Bedeutung in sich aufgesogen - den Nummern der Gefangenen aehnlich. (BPP I, § 326) In einer solchen Sprache haette es keine Bedeutung, dass die Tradition um die Woerter einen Horizont, "Dunstkreis" zeichnet, und dass die Woerter durch Erziehung "ASSIMILIERT" wurden. (LP § 712) Im Land der Aspektblinden wuerde es keine Rolle spielen, ob ein Wort "mit Verstaendnis" verwendet wird, und ob es auch gemeint und geglaubt wird. Die Menschen wuerden sozusagen papageienhaft sprechen - woraus auch ersichtlich ist, dass es etwas uebereilt war zu behaupten, dass der Zerfall des Sinnes nichts schaden koenne. Im Zusammenhang damit, dass "[d]as besondere Erlebnis der Bedeutung" dadurch "charakterisiert" ist, "dass wir mit einer Erklaerung und der Vergangenheitsform reagieren: gerade so, als erklaerten wir die Bedeutung eines Worts fuer praktische Zwecke", (BPP I, § 688), koennte ein Bedeutungsblinder keine Worterklaerungen wie "Ich habe damit gemeint..." geben. Er koennte die Frage nicht beantworten, was er mit einer Aussage gemeint und intendiert hat. Ohne die Faehigkeit, etwas in verschiedenen Zusammenhaengen zu sehen, koennte er naemlich seine "fruehere Aeusserung" nicht "paraphrasieren", (PU II, S 511, LP § 23) bzw. auf einen Zeitpunkt der Vergangenheit Bezug nehmen (BPP I, § 175) und sich " an eine Absicht erinnern" (BPP I, § 225). Aus seinem Munde koennte es nicht lauten: "Ich weiss, was du meinst, aber ich kann es nicht so HOEREN." (BPP I, § 320) Ihm wuerde es keinen Unterschied ausmachen, ob er nur weiss, was ein Bild darstellen soll, d.h., ob er das Dargestellte nur fuer etwas HAELT, oder es auch so sehen kann. (PU II, S. 532 und 552) Ihm wuerde eine Zeichnung in ihre zusammenhangslose Bestandteile zerfallen, ohne dass er sie als "organisiert"(BPP I, § 1121) bzw. "als Organismus" (LP § 677) sehen koennte. Im Lande der Bedeutungsblinden wuerde sich das Regelbefolgen ohne Verstaendnis abspielen. Die Saetze wuerden fuer die Einheimischen sozusagen nicht "leb[en]". (BPP II, § 465) Da sie ueber keine Intentionen und Plaenen verfuegen koennten, wuerden sie mehr mechanisch, "automatisch" reden und "einen weniger lebendigen Eindruck machen als wir". (BPP I, § 198) Die Aspektblinden wuerden nicht empfinden, dass die Woerter "sich beim Hoeren oder Ansehen durch ein unwaegbares Etwas unterscheiden". (BPP I, § 243) Was sie imstande waeren, sich anzueignen, waere nicht mehr als blosse Technik und Bedeutungsregel. Und jetzt lernen wir langsam verstehen: Dass unsere Woerter eine Atmosphaere bzw. Stimmung haben, beginnt aus einer sekundaeren (oder vielleicht sogar zu entfernenden) Eigenschaft zu einer das Wesen unserer Sprache bestimmenden heranzuwachsen. Das Phaenomen des Bedeutungserlebnisses wird damit verknuepft, dass die Tradition dem Sprachgebrauch zugrunde liegt, und dass man von Sprache erst sprechen kann, wenn auch von Verstehen und intendiertem Handeln. "Als ich den Fall 'eines Bedeutungsblinden' annahm," schreibt Wittgenstein, "war es, weil das Erleben der Bedeutung im GEBRAUCH der Sprache keine Wichtigkeit zu haben scheint. Weil es also scheint, als koenne dem Bedeutungsblinden nicht viel verloren gehen." (BPP I, § 202) Aber "wenn es sich nun so verhaelt," nimmt er diesen Faden wieder auf, "dass es ein Bedeutungserlebnis zwar gibt, dies aber etwas nebensaechliches ist, - wie kann es dann so sehr wichtig scheinen? Kommt es daher, dass dies Phaenomen einer gewissen primitiven Deutung unserer Grammatik (Sprachlogik) entgegenkommt?" (BPP I, § 1050) Um sich die Sprache "menschlicherweise" anzueignen, muss man sie nicht bloss als Regelsystem erlernen - man soll sich also nicht nur das Wesentliche, sondern auch das Unwesentliche von ihr aneignen. Man muss in das unvorhersehbare und unbestimmte "Gewimmel", (BPP II, § 629) in "das Getriebe des Lebens" (BPP II, § 625), in sein "kompliziertes filigranes Muster", was sich nicht einmal nachzeichnen laesst, (BPP II, § 624) Einblick gewinnen, und auf diese Weise "Menschenkenntnis" erwerben. (PU II, S. 574-575) Damit sind wir aber auf einen sehr schmalen und gefaehrlichen Grenzstreifen getreten. Wir haben ja gesehen: Der Unterschied zwischen "Wesentlichem" und "Unwesentlichem" liegt dem Erlernen einer Sprache zugrunde. Wie kann man also Menschenkenntnnis erwerben und aufgrund der dazu noetigen "unwaegbaren Evidenz" Urteile faellen?*8* Fuer diesen Zweck kann man nach Wittgenstein nur "GEWISSE Regeln geben [...], aber doch nur wenige und solche, die Einer durch Erfahrung ohnehin zumeist erlernt", wobei "aber das wichtigste Uebrige UNWAEGBAR" bleibt. (LP § 921) "Der seelenvolle Ausdruck in der Musik, - er ist doch nicht nach Regeln zu erkennen." (BPP II, § 695) Was wir also liefern koennen, sind nicht mehr als "Winke" (PU II, S. 575), die "Fetzen einer Beschreibung" (LP § 919). Die Luecken zwischen den Winken koennen nur durch die "lange Erfahrung" (LP § 925) ausgefuellt werden, und diese Erfahrung erscheint sogar als wesentlicher als die Regeln selbst. Bei dieser Loesung bleibt erstens fraglich, ob sich das, was erfahren wurde, ohne jegliches ordnendes Prinzip, ohne Regeln zur Erfahrung formen kann. Will man, zweitens, dass diese Erfahrung nicht nur die meine waere, so muss man konsequenterweise die gemeinsame, auf der unwaegbaren Evidenz beruhende Erfahrung der sprachlichen Gemeinschaft voraussetzen. Diese Voraussetzung scheint aber bei der Loesung unserer vorhin erwaehnten Frage kaum behilflich zu sein, wie sie auch die Frage offen laesst, wie ein JEDER der Sprachgemeinschaft zum Spielen des Sprachspiels abgerichtet werden koennte. Sowohl mit dieser, wie auch ohne diese Voraussetzung machen wir unvermeidlich Schritte in die Richtung, ueber EIGENE Erfahrung und damit auch ueber private Empfindungen zu reden. Wie dicht auch Wittgenstein an diese Grenze kommt: Der Kennerblick entwickelt sich - schreibt er - durch lange Erfahrung, durch Vergleichen einer ganzen Reihe von Bildern und durch das Erfahren deren feinen Unterschiede. Dadurch wird der Kenner instande gesetzt, feine aesthetische Urteile zu fallen. Eine Jury koennte dagegen nur die Bedeutung seiner Urteile, nicht aber deren Gruende verstehen. Einem "andern Kenner" hingegen koennte der Kenner "die Andeutungen geben, die dieser versteht" (LP § 927), weil auch der dieselben feinen Abschattungen kennengelernt hat wie er selbst. Die Gruende der Urteile zaehlen sozusagen als innere Angelegenheit der beiden. Fuer die "unwaegbare Evidenz" bleibt als letzte Instanz nichts uebrig als "ich sage 'Haettest DU ihn gesehen, so wuerdest du dasselbe sagen'". (LP § 923) Mit dieser Loesung stossen wir aber wieder an konzeptuelle Schwierigkeiten: "Wenn das einzige Mittel, den Andern zu verstehen, waere, die gleiche Erziehung durchzumachen, was unmoeglich ist", so wuerde der andere fuer mich zum "verschlossenen Buch" werden. (BPP II, § 568) Es bliebe mir also nichts uebrig, als die Gefuehle des Anderen, in der Analogie zu den meinigen, aufgrund logischer Schluesse zu verstehen. Mit dieser Methode kann man aber nach Wittgenstein aus seinem In-sich-Geschlossensein nicht ausbrechen. (BPP II, § 719)*9* Darueber hinaus kann man mittels logischer Schluesse den anderen nur als Ding, und nicht als Mensch verstehen, und dies heisst, ihn nicht als Person, sondern sozusagen "aspektblind" behandeln.*10* Weiterhin: Wenn wir auch die gemeinsame, auf der unwaegbaren Evidenz basierende Erfahrung der Sprachgemeinschaft ohne die angedeuteten konzeptuellen Schwierigkeiten voraussetzen koennten, wuerden wir damit das Problem nur auf eine andere Ebene verschieben. Nur in diesem Fall erhielten wir als Resultat nicht inkommensurable Individuen, sondern inkommensurable Gemeinschaften. Hier kann vielleicht eine Parallele mit einem der Vorlaeufer, aber auch Gegner des Wittgensteinschen Privatsprachenarguments einleuchtend sein, und zwar mit den Abschnitten von Freges LOGISCHEN UNTERSUCHUNGEN, in denen er die Natur der Vorstellungen behandelt. Er schreibt ihnen einerseits Praedikate zu, die spaeter auch von Wittgenstein angenommen wurden.*11* Andererseits formuliert Frege auch Behauptungen, die von Wittgenstein - vermutlich auch auf Frege hinweisend - mit solcher Vehemenz angegriffen wurden. "Jedenfalls ist es uns Menschen unmoeglich, Vorstellungen anderer mit unsern eigenen zu vergleichen", schreibt Frege. "[...] Kein anderer hat meine Vorstellung [...] Kein anderer hat meinen Schmerz. [...] Jede Vorstellung hat nur einen Traeger; nicht zwei Menschen haben dieselbe Vorstellung."*12* Handelte also die Wissenschaft von Vorstellungen - auf diese Weise fuehrt Frege seine Ausfuehrungen weiter -, so waere keine Wissenschaft moeglich, die fuer Viele gemeinsam sein koennte. Dies wuerde nach sich ziehen, dass "ein Widerspruch zwischen beiden Wissenschaften [...] nicht moeglich" waere; "und es [...] eigentlich muessig" waere, "sich um die Wahrheit zu streiten".*13* Bei diesem letzten Punkt laesst sich schon wieder eine Parallele mit manchen Wittgensteinschen Ideen bemerken, und zwar mit denjenigen, denen zufolge die Inkommensurabilitaet der Weltanschauungen u.a. soviel hiesse, dass sie einander nicht widersprechen, einander nicht fuer falsch erklaeren, bzw. nicht widerlegen koennen. Dies ist also die eine Wittgensteinsche Loesung des Dilemmas der Kommunikationsmoeglichkeit zwischen Weltanschauungen bzw. Sprachen - nennen wir es etwa "private Weltanschauungskonzeption". Wenn die Bedeutung mit dem Gebrauch im weitesten Sinne des Wortes zusammenfaellt, wenn es keinen Unterschied zwischen primaerer und sekundaerer Bedeutung gibt, wenn als Vorbedingung des Verstehens einer anderen Sprache gilt, sie im weitesten (sowohl im primaeren als auch im sekundaeren) Sinne sich anzueignen und voellig zu internalisieren, so muss der Mensch wenigstens ausserordentliche Faehigkeiten besitzen, der das andere Weltbild verstehen kann. Und den Lernprozess in der Weise aufgefasst, dass man dieselbe - im weitesten Sinne genommene - Erziehung durchmachen muss, (und wenn man zwischen primaeren und sekundaeren Regeln keinen Unterschied macht, hat man auch keine andere Wahl) wird dadurch auch logisch ausgeschlossen, das andere Weltbild verstehen zu koennen.*14* Es laesst sich allerdings eine andere Loesung fuer das Problem bei Wittgenstein finden, und diese ruehrt ebenfalls aus einer der Auffassungen des Aspektwechsels her. Wie am Beispiel des Wortes "sondern" gesehen, die Faehigkeit des Aspektsehens u.a. bedeutet, dass man ein Wort aus seinem engen Kontext herausheben und einmal so und ein anderes Mal so sehen kann. Von diesem Gedanken ist nur noch einen Schritt weit zu jenem anderen, dass ich ein Wort, wenn ich nicht als Bedeutungsblinder erscheinen moechte, auch ohne den gegebenen Gebrauch und unabhaengig von meinem abgegrenzten Weltbild verstehen koennen muss. Textstellen, die auf eine Loesung dieser Art hindeuten, sind bereits in den PHILOSOPHISCHEN UNTERSUCHUNGEN aufzufinden. Ich muss kein Glaeubiger sein, um zu verstehen, dass "die Seele [...] bestehen" kann, "wenn" auch "der Leib zerfallen ist" (PU II, S. 495), und dass, obwohl ich "ja auch nie Gefuehle einer unsichtbaren Gegenwart" habe, "und Andere" sie "haben", kann ich die Andern doch "ueber ihre Erfahrungen befragen". (PU II, S. 504)*15* "Der [der] den Begriff 'Gott' nicht verstehen kann, [kann] nicht sehen, wie ein vernuenftiger Mensch dies Wort im Ernst gebrauchen kann", ihn koennen wir wiederum einen Aspektblinden nennen. (BPP I, § 213) Als eine der Voraussetzungen fuer das Erlernen einer fremden Sprache gilt, dass man faehig ist, Aspekte zu sehen. Es mag wohl sein, dass es im Anfangsstadium der Aneignung der Muttersprache nicht oder nicht unbedingt eine Rolle spielen soll, dass man grammatische Homonymien erkennt. Beim Erlernen einer fremden Sprache kann man aber schwerlich vermeiden, solche Erklaerungen zu treffen wie z.B. dass "pas" einerseits einen Teil der Verneinung in der franzoesischen Sprache darstellt, andererseits aber soviel wie "Schritt" heisst, bzw. den Woertern "bisschen", "bit" und "thing" analog ist. (Vgl. BPP I, § 319) Der Vergleich mehrerer Sprachen ist zumindest eine der Moeglichkeiten bzw. Hilfen des Verstehens: "Du kommst in eine neue Lage, wenn du MEHRERE Sprachen betrachtest und mit einander vergleichst." (LP § 286) Diesem Faden bis zu seinem Ende folgend koennen wir sogar dahin gelangen, dass man, um ein Wort zu verstehen, es nicht unbedingt auch anwenden koennen muss. (Dies nennt man alltaeglich den passiven Wortschatz, was auch zeigt, von wie alltaeglichen Phaenomenen hier die Rede ist.) Um ein Spiel zu begreifen bzw. es jemandem zu beschreiben, muss ich es nicht auch spielen koennen. Aehnliche Gedanken liest man in einer der letzten Bemerkungsketten Wittgensteins, und zwar in den BEMERKUNGEN UEBER DIE FARBEN. In dieser Hinsicht lassen sich diese Bemerkungen sogar als eine konzeptionelle Wendung betrachten. Frueher war Wittgenstein naemlich eindeutig der Meinung, dass die Bedeutung eines Wortes erklaeren bzw. lehren nicht anderes hiesse als seinen Gebrauch lehren. Der Lernprozess der Aneignung, die Einuebung als Grund stellte fuer ihn den Weg zur Bedeutung dar, wobei "Prozess und Resultat einander aequivalent" waren (BGM S. 68). Die Erlernbarkeit galt auf diese Weise - wie frueher bereits bemerkt - als logische Vorbedingung des Verstehens. Demzufolge war fuer ihn die Beschreibung des Erlernens einer Regel die interne Beschreibung dieser Regel. "[W]orin einer Regel richtig folgen besteht, kann man nicht NAEHER beschreiben, als dadurch, dass man das LERNEN des 'Vorgehens nach der Regel' beschreibt", behauptete er. (BGM S. 393) Zwischen Beschreibung und Gebrauch bestand fuer ihn kein Unterschied. Wie man auch Mathematik nicht beschreiben, sondern nur machen konnte, (WWK S. 38) war auch eine Metasprache ueber die Sprache unsinnig. Verstehen hiess soviel wie anwenden koennen. Demgegenueber stellt Wittgenstein in den spaeten BEMERKUNGEN UEBER DIE FARBEN immer wieder Fragen wie die folgende: "Heisst ein Spiel beschreiben immer: eine Beschreibung geben, durch die man es erlernen kann?" (BUF I, § 79) Man kann sogar mehr behaupten, als dass Beschreiben und Lehren nicht unbedingt zusammenfallen. Um etwas zu verstehen, muss man nicht einmal imstande sein, etwas erlernen zu koennen. Z.B. hat auch Karl der Grosse "gewiss das Prinzip des Schreibens verstanden und doch nicht schreiben lernen koennen". Es gibt naemlich zwei Arten des Nichterlernen-Koennens: In dem einen Fall "erlangen wir bloss eine Fertigkeit nicht, im andern fehlt uns das Verstaendnis". (BUF III, § 320) Bei alledem laesst sich auch das Umgekehrte dieses Falles vorstellen: Ich kann eine Faehigkeit erwerben, ohne zu verstehen, was ich mache. "Ich koennte" naemlich "auch einen genau nachmachen, der eine Multiplikation rechnet, ohne selbst das Multiplizieren erlernen zu koennen." In diesem Fall wuerde ich freilich niemanden multiplizieren lehren koennen. (Ich kann mit der groessten Genauigkeit franzoesische Saetze wiederholen, trotzdem werde ich die franzoesische Sprache niemanden lehren koennen, wenn ich sie nicht beherrsche.) Es ist aber jedenfalls denkbar, "dass ich den Anstoss dazu gaebe, dass einer es lernt". (BUF III, § 289) "Nach unseren Irrfahrten zwischen der Szylla und der Charybdis der einander ausschliessenden und trotzdem zueinander fuehrenden Alternativen koennten wir vielleicht an diesem Punkt endlich Ruhe finden", mag der Leser wohl schon meinen. "Wir konnten uns die Wichtigkeit des Aspektsehens bewahren, und trotzdem brauchten wir, indem wir fuer eine schwaechere Variante der Gebrauchstheorie der Bedeutung plaedierten, den Unterschied zwischen dem Gebrauch und der Bedeutung nicht aufzuheben. Auf den ersten Blick ist es vielleicht noch nicht zu sehen, wie die Erfahrung der unwaegbaren Evidenz in diesem begrifflichem Netz Platz haben wird, aber wir koennen die Entscheidung dieser Frage auf die Zukunft verschieben." Wir sollten dabei aber vor Augen haben: Der Unterschied zwischen Gebrauch und Bedeutung bedeutet hier mehr als in unseren frueheren Ausfuehrungen, nach denen sich einerseits die Bedeutung in mehreren Verwendungen zeigen und andererseits dieselbe Verwendung sich mit mehreren Bedeutungen verknuepfen konnte. Es blieb allerdings keine Bedeutung ohne Verwendung, in dem Sinne zumindest, dass die Bedeutung - wenn auch sie sich ab und zu nicht unmittelbar in einer Verwendung aeusserte - nicht ein weiteres Feld der Verwendungen logisch vorausgesetzt haette. Mit den vorhin erwaehnten Betrachtungen haben wir aber doch einen Schritt in die Richtung nach dieser letztgenannten Loesung getan. Ueberlegen wir uns also zuletzt noch diese Moeglichkeit, wobei wir uns wieder auf manche Wittgensteinsche Auslegungen des Aspektsehens berufen koennen. Unseren Gedankengang muessen wir an einer entfernteren Stelle orientieren, und zwar an einer der Wittgensteinschen Definitionen des Aspektsehens, der zufolge sich der Gegenstand beim Aspektwechsel nicht aendert. Dies heisst, wir sehen dabei nicht einen anderen Gegenstand, sondern nur bemerken in demselben Gegenstand andere interne Relationen. Wenn man die Hasen-Enten-Figur beobachtet, bleibt die Figur selbst waehrend der ganzen Zeit unveraendert. Die Veraenderung besteht allein darin, dass einem einmal seine Hasenzuege, ein anderes Mal seine Entenzuege ins Auge fallen, aber ohne dass er sensorisch anders gereizt worden waere. Infolgedessen, "wenn ich einen Aspekt beschreibe, so setzt die Beschreibung Begriffe voraus, die nicht zur Beschreibung der Figur selbst gehoeren". (BPP I, § 1030) Das Aspektsehen besteht wesentlich darin, dass ich etwas "in ein Bild hineinsehe", "was garnicht da ist, was nicht in der Figur liegt". (BPP I, § 1028) Wenn man etwa sagt: "Ich hoerte eine klagende Melodie", hoert man das Klagen in der Tat in einem bestimmten Sinne nicht, und zwar in dem, dass man es nicht empfinden kann: Zu dieser Empfindung kann man "ja nicht einmal ein Sinnesorgan [...] angeben" (PU II, S. 545). Das Aspektsehen und das mit ihm verbundene Verhalten haben ihren Platz auf einer anderen Ebene als die der Wahrnehmung.*16* Wenn ich z.B. einen Jungen seine Hand nach einem Hund ausstrecken sehe, so werde ich meine Wahrnehmung unter dem Gesichtspunkt des Aspektsehens formulieren wie folgt: "Ich sehe, dass das Kind den Hund anruehren will, sich aber nicht recht traut." Diese letztere Beschreibung befindet sich nicht an der gleichen Stufe, wie eine "Beschreibung sich bewegender Formen und Farben" (BPP I, § 1066): "Wir koennen doch den Ausdruck, die Schuechternheit des Benehmens, etc. NICHT IN DEMSELBEN SINNE 'sehen', wie die Bewegung, die Formen und Farben." (BPP I, § 1070) U.a. deshalb gilt als Mangel, wenn jemand nur technische Anweisungen wie "staerker", "schwaecher", "schneller", "langsamer", etc. verstehen kann, nicht aber solche wie "Spiel das, als ob dies die Antwort waere". (BPP I, § 247) Auf der Ebene der Wahrnehmungen kann hier in Wahrheit nichts stattfinden, nur auf derjenigen des Verhaltens. Sehen wir etwas als etwas bzw. anders, so "reagieren" wir "anders" (PU II, S. 545-546), ziehen wir "andere Vergleiche" (LP § 773) und Parallelen. Um einen Aspekt erblicken zu koennen, muss man gewisse Redewendungen beherrschen, über gewisse Begriffe verfuegen. Mit dem Gesagten will Wittgenstein dieses Mal aber etwas mehr behaupten als er ueblich tut: Nicht bloss, dass man aufgrund des Verhaltens des anderen Bescheid hat, dass dieser einen Aspekt bemerkt hat; auch nicht bloss, dass einer das Sprachspiel des Aspektsehens nur vor dem Hintergrund einer Institution erlernen kann. Die Forderung, gewisse Redewendungen auf die Figur anwenden zu koennen, gilt, wie seltsam dies auch klingt, als "logische Bedingung dessen [...], dass Einer das und das ERLEBT!". Man kann dagegen nicht sagen, "nur der 'habe Zahnschmerzen', der das und das zu tun imstande sei", (PU II, S. 544) der sich also so und so verhalten kann. Gegen diese Argumentation kann man - wenn man nur an die Hasen-Enten- Figur denkt - schwerlich etwas einwenden. Es ist nichts Absurdes daran, wenn einer, der in der Figur den Hasen sieht, auf die Aufforderung: "Kopiere dies!" aufs Haar dasselbe Bild zeichnet wie der, der sie als Ente erkennt, (LP §. 167) wobei als Kriterium seines Anders-Sehens nur sein Ausruf - "Ein Hase!" - gilt. Es mag wohl auch vorkommen, dass jemand ein Gesicht hoechst genau portraetiert, "aber seinen Ausdruck nicht als Laecheln erkennt" (BPP I, § 1103), obwohl ich sehen koennte (wenn naemlich seine Zeichnung wirklich genau ist), dass das Gesicht in der Zeichnung ebenfalls zu einem Laecheln verzogen ist. Dies angenommen, ergibt sich aber die folgende, bereits wohl absurd klingende Frage: "Waere es denkbar, dass ueber zwei identischen Abschnitten eines Musikstuecks Anweisungen stuenden, die uns aufforderten, es beim ersten Mal so, beim zweiten Mal SO ZU HOEREN, ohne dass dies auf den Vortrag irgendeinen Einfluss ausueben sollte." (BPP I, § 545) Darauf, dass dies nicht nur als Gedankenexperiment, das Unmoegliche zu denken, aufzufassen ist, deutet die mehr "offizielle" Variante: "Wer den Ernst einer Melodie empfindet, was nimmt der wahr? - Nichts, was sich durch Wiedergabe des Gehoerten mitteilen liesse." (PU II, S. 546)*17* Spiele ich ein Menuett einmal in dem Stil, als ob ueber ihm stuende: "Tanz der Landleute", und einmal in dem Stil, als ob ueber ihm zu lesen waere: "Ball bei Hof", so muss dies an meinem Spiel in ueberhaupt nichts zum Vorschein kommen. Wenn einer, um zu zeigen, dass er verstanden hat, wie ich in verschiedenen Auffassungen das Stueck gespielt habe, es mir nachspielt, so muss sein Verstaendnis an seinem Spiel nichts aendern. Jetzt bleibt nur noch die Frage offen, wie ihm gelungen ist, meinem Spiel die Auffassung zu entnehmen, und woraus ich sehen werde, dass er mich verstanden hat - wenn ich "keine Verwendung des Bilds als Zeichen dafuer" ansehe, "dass es so, oder so GESEHEN wird". Wenn ich "das als das typische Spiel des 'Etwas als Etwas sehen'" annehme, daß jemand "verschiedene Aspekte kennt und zwar UNABHAENGIG von irgendeiner Verwendung des Angeschauten". (BPP I, § 411) und wenn als einziges Kriterium dafuer, dass der andere das Musikstueck in der von mir geforderten Auffassung gehoert und gespielt hat, ausreicht, dass er behauptet: "So ist es schon richtig gespielt!", und wenn ferner dies Verhalten von dem anderen - von dem des Spielens - nicht einmal ergaenzt werden muss, dann können wir sagen, daß aus dieser Schachtel nicht nur der Kaefer der Empfindungen, sondern auch der des Verhaltens herausfällt. Das Sprachspiel soll[te] mit einer voellig leeren Schachtel weiter funktionieren. Von der Gebrauchstheorie der Bedeutung ausgegangen, muss man sie aufgeben, und sie aufgegebend, kommt man immer wieder zu ihr zurueck. Wir sind in Verlegenheit gekommen, wir kennen uns nicht aus. ANHANG Die Wittgenstein-Zitate wurden den folgenden Ausgaben entnommen, mit Angabe ihrer Abkuerzungen: BEMERKUNGEN UEBER DIE FARBEN, in: Werkausgabe in 8 Baenden, Frankfurt: Suhrkamp 1984, Bd. 8, S. 7-112 - BUF BEMERKUNGEN UEBER DIE GRUNDLAGEN DER MATHEMATIK, in: Werkausgabe Bd. 6 - BGM BEMERKUNGEN UEBER DIE PHILOSOPHIE DER PSYCHOLOGIE, in: Werkausgabe, Bd. 7, S. 7-346 - BPP LETZTE SCHRIFTEN UEBER DIE PHILOSOPHIE DER PSYCHOLOGIE, in: Werkausgabe, Bd. 7, S. 347-488 - LP PHILOSOPHISCHE UNTERSUCHUNGEN, in: Werkausgabe, Bd. 1, S. 225-580 - PU VORLESUNGEN UND GESPRAECHE UEBER AESTHETIK, PSYCHOLOGIE UND RELIGION, hrsg. von Cyril Barret, Goettingen: Vandenhoeck u. Ruprecht 1971 - VG WITTGENSTEIN UND DER WIENER KREIS, in: Werkausgabe Bd. 3 - WWK ANMERKUNGEN *1* Der vorliegende Aufsatz ist der Foerderung der Alexander von Humboldt-Stiftung zu verdanken. Hinweise und Verbesserungsvorschlaege danke ich Gabor Forrai, Dominic Kaegi und Hans-Peter Schuett. *2* Nach Wittgenstein koennen auch Aussagen in der ersten Person Singular Praesens als Berichte funktionieren. Vgl. z.B. BPP I, § 597. *3* Auf weitere Aspekte der sekundaeren Bedeutung, die in der Literatur ohnehin ausfuehrlich behandelt worden sind, moechte ich an dieser Stelle nicht eingehen. *4* Rudolf Haller hat schon bemerkt, dass "er [= Wittgenstein] selbst, auch gegen Ende seines Lebens, nicht sicher war, wann die Erlebnisse denn ueberhaupt eine Rolle, wann eine vernachlaessigbare und wann keine Rolle spielen". ("Ueber Bedeutungsblindheit", in: Leinfellner, Werner-Wuketits, Franz M. (Hg.): DIE AUFGABEN DER PHILOSOPHIE IN DER GEGENWART - THE TASKS OF THE CONTEMPORARY PHILOSOPHY. Akten des 10. Internationalen Wittgenstein Symposiums, Wien: Hoelder-Pichler-Tempsky 1986, S. 511) *5* Vgl. Katalin Neumer, "Wenn die Tiefengrammatik offen zutage liegt... Wittgenstein und die deutsche Sprachphilosophie", in: SEMIOTISCHE BERICHTE 4, 1990, S. 314 ff. und "Uebersichtlichkeit, Universalitaet und Kulturkritik in Wittgensteins Spaetphilosophie", in: S - EUROPEAN JOURNAL FOR SEMIOTIC STUDIES 1-2, 1992, S. 196-197. *6* Budd, Malcolm, WITTGENSTEIN'S PHILOSOPHY OF PSYCHOLOGY, London-New York: Routledge 1989, S. 93 und 95-96. *7* Vgl. Schulte, Joachim, ERLEBNIS UND AUSDRUCK. WITTGENSTEINS PHILOSOPHIE DER PSYCHOLOGIE, Muenchen-Wien: Philosophia Verlag 1987, S. 72-73. *8* Zum letzeren Ausdruck siehe z.B. PU II, S. 576-577 und Johnston, Paul, WITTGENSTEIN. RETHINKING THE INNER, London-New York: Routledge 1993, S. 181-184. *9* Mit dem Gesagten moechte ich auf keinen Fall den Leser vermuten lassen, dass Wittgenstein, bevor er zur Konzeption der "unwaegbaren Evidenz" kam, die Einzelfaelle zugunsten der unerbittlich zur Geltung kommenden Regeln vernachlaessigt oder sogar gestrichen haette. "Man folgt der Regel 'MECHANISCH'. [...] >Mechanisch<, das heisst: ohne zu denken. Aber GANZ ohne zu denken? Ohne NACHZUDENKEN", schrieb er z.B. in BGM S. 422. (Vgl. Neumer, "Das eliminierbare Wort 'ich' - Das Problem des Subjekts in der Spaetphilosophie Wittgensteins", in: Jeff Bernard, Janos Kelemen [Hg.], ZEICHEN, DENKEN, PRAXIS. OESTERREICHISCH-UNGARISCHE DOKUMENTE ZUR SEMIOTIK UND PHILOSOPHIE, Wien-Budapest: OEGS-ISSS 1990, S. 319-346.) Die genannten konzeptuellen Schwierigkeiten werden m.E. eben erst in den letzten Schriften explizit. Diese Schwierigkeiten habe ich in meinem Aufsatz "Regelbefolgung und 'feine Abschattungen des Benehmens' in Wittgensteins Spaetphilosophie" ausfuehrlicher behandelt (in: Zagorsekova, Marta-Pauer, Jozef (Hg.), THE EUROPEAN TRADITIONS AND THE PROBLEM OF SOCIAL ORDER, Pressburg: Aspectus Philosophici 1994, im Druck). *10* Zu dem letzteren Gedanken siehe Mulhall, Stephen, ON BEING IN THE WORLD. WITTGENSTEIN AND HEIDEGGER ON SEEING ASPECTS, London-New York: Routledge 1990, S. 85-86 und 88-89. *11* Er schreibt u.a., dass man einen gruenen Gesichtseindruck habe, aber nicht sehe, und dass der Tatbestand, "dass ich" ihn "habe," koenne "mir nicht zweifelhaft sein; dass ich aber ein Lindenblatt sehe," sei "nicht so sicher". (Frege, LOGISCHE UNTERSUCHUNGEN, in: Kleine Schriften, hrsg. von Ignazio Angelelli, Hildesheim: Georg Holms Verlagsbuchhandlung 1967, S. 351 und 358) *12* Frege, ebenda, S. 352. *13* Frege, ebenda, S. 353. Vgl. Hacker, Peter, "Frege and the Private Language Argument", in: IDEALISTIC STUDIES, 1972, S. 265-287. *14* An dieser Stelle moechte ich auf das Problem nicht eingehen, wie problematisch der Begriff des "Anderen" sein kann, und dass sich die Frage, wo das "Andere" ueberhaupt anfaengt, anders zu sein, nicht so einfach beantworten laesst. Koennte ich gegebenenfalls ein Gedicht von Puschkin nicht besser verstehen als ein Fachbuch in Astronomie, auch wenn das letztere in meiner Muttersprache geschrieben wurde? Koennte ich vielleicht nicht wenigere Chancen haben, Mathematikerin oder Seiltaenzerin als annehmbare Slawistin zu werden? Und wenn wir schon bei der Mathematik verbleiben: Dass sich ein mathematischer Beweis nicht in die Alltagssprache uebersetzen laesst, soll dies vielleicht bedeuten, dass er sich - die Nichtuebersetzbarkeit als uebliches Kriterium des Anderen gesetzt - vom Standpunkt unserer Muttersprache, der fuer uns ohne Zweifel unausweichlich ist, ueberhaupt nicht verstehen und sich nicht aneignen laesst? Wir sind dicht an eine Absurditaet gekommen. *15* Ausfuehrungen aehnlichen Gehalts sind auch frueher, z.B. in den VORLESUNGEN UEBER DEN RELIGIOESEN GLAUBEN zu finden. Dort ist aber der Akzent auf die Unmoeglichkeit des Verstehens des Anderen gesetzt. (VG S. 90) *16* Dies erklaert auch den von mehreren Autoren bemerkten, aber nicht weiter erklaerten Tatbestand, dass sich die sekundaere Bedeutung eines Wortes laut Wittgenstein nicht durch die (aehnlichen) Eigenschaften der bezeichneten Gegenstaende erklaeren laesst. (Z.B. Diamond, Cora, "Secondary Sense", in: ARISTOTELIAN SOCIETY PROCEEDINGS, 1966-67, S. 191, Hanfling, Oswald, "I heard a plaintive melody", in: Griffith, A. Phillips (ed.): WITTGENSTEIN CENTENARY ESSAYS, Cambridge: Cambridge University Press 1991, S. 120-126, Hark, Michel Ter, BEYOND THE INNER AND THE OUTER. WITTGENSTEIN'S PHILOSOPHY OF PSYCHOLOGY, Dordrecht- Boston-London: Kluwer Academic Publishers 1990, S. 190, Mulhall, a.a.O., S. 49.) Es handelt sich ja auch hier um einen Aspektwechsel, der sich mit externen Eigenschaften des Gesehenen nicht begruenden laesst. *17* Diesen Satz hat bereits Haller hervorgehoben, aber ohne die damit einhergehenden Komplikationen in dem Wittgensteinschen Gedankengang bemerkt zu haben (a.a.O., S. 511).