רררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררר ר ר ר File: 12-2-94.TXT - 74 KB ר ר ר רררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררר ר ר ר Matthias Tichy, Hamburg - Germany ר ר ר רררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררר ר ר ר *"Die Identitaet ist der Teufel in Person": Wittgenstein und ר ר das Problem des Sinns von 'Identitaet'* ר ר ר רררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררר ר ר ר ZUSAMMENFASSUNG ר ר ר ר Nach einer Skizze des Kontextes, in dem sich das Problem der ר ר Identitaetsaussagen fuer den fruehen Wittgenstein stellt, ר ר wird gezeigt, weshalb die Logikkonzeption des TRACTATUS eine ר ר Deutung trivialer Identitaetsaussagen als Tautologien nicht ר ר zulaesst, worin der primaere Grund fuer den Ausschluss von ר ר Identitaetsaussagen aus der Logik besteht. Wittgenstein's ר ר Kritik an Russells Identitaetsdefinition, wie sie im ר ר TRACTATUS ausgefuehrt wird, ist demgegenueber sekundaer. ר ר Spaeter ist es nicht Freges oder Ramseys Kritik am Ausschluss ר ר von Identitaetssaetzen, sondern seine neue Logikkonzeption ר ר von 1929, die Wittgenstein veranlasst, Identitaetsaussagen ר ר wieder als Saetze zuzulassen. Weil er ihnen jedoch keine ר ר Sonderstellung einraeumen will, entwickelt Wittgenstein keine ר ר spezielle Bedeutungsanalyse von Identitaetsaussagen, sondern ר ר transformiert das Problem ihrer Deutung in die Frage nach ר ר geeigneten Identitaetskriterien. Bedeutsam ist diese ר ר Kontinuitaet in Wittgensteins Denken fuer eine genaue ר ר Abgrenzung gegenueber Positionen, die sich als ר ר Identitaetskritik verstehen, wie der Kritischen Theorien der ר ר Frankfurter Schule oder dem Neostrukturalismus. ר ר ר ר ABSTRACT ר ר ר ר After an outline of the context where the problem of ר ר identity-statements is situated for the young Wittgenstein, ר ר it is pointed out why the TRACTATUS-conception of logic ר ר admits no explanation of identity-statements as tautologies, ר ר which is the principal reason for Wittgenstein's exclusion of ר ר identity-statements out of logic. His critique of Russell's ר ר identity-definition, although stressed in the TRACTATUS, is ר ר secundary. Later, it aren't Frege's or Ramsey's critiques, ר ר but Wittgenstein's new conception of logic in 1929 that ר ר renders it possible to admit identity-statements as ר ר sentences. As Wittgenstein isn't willing to concede them a ר ר particular position, he gives no special analysis of the ר ר meaning of identity-statements; the problem is transformed ר ר into the question of suitable identity-criteria. To regard ר ר this continuity is important for a sharp delineation between ר ר Wittgentein's position and a critique of identity such as ר ר that of the Francfort School or of the Neostructuralism. ר ר ר רררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררר ר ר ר Tichy, Matthias (1994) "Die Identitהt ist der Teufel in ר ר Person": Wittgenstein und das Probelm des Sinnes von ר ר 'Identitהt'; in: Wittgenstein Studies 2/94, File: 12-2-94; ר ר hrsg. von K.-O. Apel, F. Bצrncke, N. Garver, P. Hacker, ר ר R. Haller, G. Meggle, K. Puhl, Th. Rentsch, A. Roser, ר ר J.G.F. Rothhaupt, J. Schulte, U. Steinvorth, ר ר P. Stekeler-Weithofer, W. Vossenkuhl (3 1/2'' Diskette), ר ר ISBN 3-211-82655-6, ISSN 0943-5727 ר ר ר רררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררררר Gliederung: Einleitung 1. Die Wurzel des Problems. 2. Die Logik des TRACTATUS 3. Der Ausschluss von Identitaet aus der Logik. 2 4. Die Kritik an der Identitaetskonzeption des TRACTATUS. 5. Die Transformation des Identitaetsproblems. 6. Wittgenstein und die Identitaetskritik ...Anmerkungen Dass eine Klaerung des Identitaetsbegriffs auf schwierige Probleme fuehrt, ist wohl spaetestens seit der Diskussion um die Begruendung des Leibnizschen Ununterscheidbarkeitsprinzips bekannt; dass es sich bei der Identitaet um den Teufel selbst handeln soll, wie Wittgenstein in scherzhafter Uebertreibung im Oktober 1913 an Russell schreibt *1*, duerfte dennoch ueberraschen. Nun steht der Teufel einerseits fuer das Boese, andererseits fuer das Vertrackte und Unloesbare, wobei man hinsichtlich der Fruehphilosophie Wittgensteins eine Verbindung beider Aspekte behaupten koennte, sofern seine Untersuchungen im Bereich der Logik mit der ethischen Dimension seines Philosophierens zusammenhaengen. Auch die Veroeffentlichung der sogenannten "Geheimen Tagebuecher" haben dazu beigetragen, im fruehen Wittgenstein nicht mehr nur den Logiker, Schueler und Kritiker Russells zu sehen, sondern einen Menschen, dessen theoretische Arbeit als "Flucht zu sich selbst" (GTB 2.11.14 (S.38)) verstanden werden kann. Wittgenstein vergleicht den Versuch der Loesung des "Problems" der Beziehung von Sprache und Welt, mit dem er sich im Herbst 1914 beschaeftigt, mit einer Belagerung (GTB 24.10.1914 (S.33); vgl. 31.10.1914 (S.37)) und stellt so einen Zusammenhang zwischen seiner Situation und dem Fortgang seiner logischen Untersuchungen her. Sofern letztere zu scheitern drohen, gebraucht er noch einmal die Redeweise vom Teufel (GTB 21.8.1914 (S.19)).*2* Von der Frage, welcher Interpretationsansatz einen adaequaten Zugang zur Fruehphilosophie Wittgensteins ermoeglicht, kann hier jedoch abgesehen werden, da aus dem Kontext der oben angefuehrten Briefstelle hervorgeht, dass hier zunaechst einmal ein logisches Grundlagenproblem angesprochen ist. Nach traditioneller Auffassung ist es Aufgabe der Logik, Identitaetssaetze zu untersuchen, weil sie in ihrer trivialen Form "a=a" analytisch wahr sind; umgekehrt hat aber die Einordnung von Identitaetssaetzen in die Klasse der logisch wahren Saetze Rueckwirkungen darauf, was unter Logik zu verstehen und wie sie aufzubauen ist. Weil es seinem Konzept einer selbstexplikativen Logik entsprechend ein einheitliches Merkmal der Saetze der Logik geben muss, rueckt fuer Wittgenstein die Frage, ob und wie sich Identitaetssaetze als Saetze der Logik begreifen lassen, in die Position eines logischen Grundlegungsproblems; keinesfalls handelt es sich um ein metalogisches Problem etwa in dem Sinn, ob ein formales System mit Identitaet ausdrucksstaerker ist als eines ohne. Darueber hinaus betrachtet Wittgenstein zur Zeit der Vorarbeiten zum TRACTATUS Logik und Metaphysik als die beiden Bestandteile der Philosophie, wobei er die Logik als deren "Basis" (AL 206; vgl. TB 3.9.1914) *3* bezeichnet, und so ist auch die Frage nach der Bedeutung von Identitaetssaetzen von vornherein als philosophisches Problem zu verstehen. Kap.1: Die Wurzel des Problems. 3 Die Herkunft des Identitaetsproblems, wie Wittgenstein es angeht, laesst sich recht genau angeben. In den 'Principles of Mathematics', die Wittgenstein wahrscheinlich schon vor seinem ersten Cambridgeaufenthalt gelesen hat, liefert Russell eine Fassung des Identitaetssatzes, in der der metaphysische Hintergrund zwar noch durchscheint, jedoch eine Abkehr vom Satz der Identitaet als einem spekulativen Prinzip vollzogen ist. Einerseits versteht Russell Identitaet in einem nicht-formalen Sinn, sofern er eine Verbindung herstellt zwischen dem Satzschema "a=a" der symbolischen Logik und dem Satz der Identitaet, wie er aus der klassischen Metaphysik bekannt ist. Gegen Leibniz' Rationalismus und den Idealismus Bradleys versucht Russell jedoch, Identitaet realistisch als Protorelation *4* bzw. Relation zu fassen. Hieraus ergibt sich nun ein Problem, auf das Russell selbst aufmerksam macht, ohne eine Loesung vorschlagen zu koennen: "The question whether identity is or is not a relation, and even whether there is such a concept at all, is not easy to answer. For, it may be said, identity cannot be a relation, since, where it is truly asserted, we have only one term, whereas two terms are required for a relation. [...] Nevertheless, identity must be something."(The Principles of Mathematics, London 1903, 2.Aufl.1937, §64) Obwohl er diese grundsaetzliche Frage nicht klaeren kann, gebraucht Russell das Identitaetszeichen fuer den Aufbau seiner Logik. Allerdings verfolgt er parallel dazu das Grundsatzproblem weiter, und seine neu entwickelte Kennzeichungstheorie hat auch die Aufgabe, eine befriedigende Deutung von Identitaetssaetzen zu ermoeglichen und die Verwendung des Identitaetszeichens auf bestimmte Faelle zu beschraenken. Was jedoch die Einfuehrung des Identitaetsbegriffs angeht, bleibt noch in den 'Principia mathematica' eine Unklarheit bestehen. Aus Russells Hinweisen geht letztlich nicht hervor, ob er das Kriterium der Uebereinstimmung in saemtlichen Eigenschaften als Definition der Identitaet begreifen oder behaupten will, dass das Ununterscheidbarkeitsprinzip ein streng allgemeingueltiger Satz ist. Zwar verwendet er in PM *13.01 das principium identitatis indiscernibilium zur Definition der Identitaet, setzt sich jedoch an anderer Stelle mit der Moeglichkeit seiner Begruendung auseinander.*5* Wenn aber Identitaet zweier Gegenstaende nichts anderes bedeutete als die Gemeinsamkeit aller ihrer Eigenschaften, wuerde das Prinzip tautologisch und waere somit einer Begruendung nicht beduerftig oder faehig.*6* Dass Russell jedoch unter Identitaet mehr versteht als nur das, was formal im Definiens von PM *13.01 angegeben ist, geht nicht zuletzt auch daraus hervor, dass Russell in seiner Einleitung zum TRACTATUS die Kritik Wittgensteins an dieser Passage der 'Principia' ernst nimmt. Wenn es Russell mit seiner Definition wirklich nur um die Neufestsetzung der Bedeutung eines Begriffs gegangen waere, haette Wittgensteins Kritik ihr Ziel verfehlt. Deshalb darf angenommen werden, dass fuer Russell dem Definiendum bereits imlizit eine Bedeutung gegeben ist, die in der Definition aufgewiesen werden soll und auf die Wittgensteins Kritik zielt. Dies geht auch aus der Passage der ersten Einleitung zu den 'Principia' hervor, wo Russell begruendet, weshalb eine (formale) Definition von Identitaet 4 durch das Leibnizsche Ununterscheidbarkeitsprinzip moeglich ist (S.57). Bei Russell besteht somit eine Spannung zwischen der formalen Einfuehrung des Identitaetszeichens zusammen mit entsprechenden Transformationsregeln und der philosophischen Klaerung des Identitaetsbegriffs. Der Aufweis dieser Schwierigkeit fuehrt jedoch, wie nun auszufuehren sein wird, zusammen mit der Forderung nach einer selbstexplikativen Logik in ein Dilemma, das Wittgenstein im TRACTATUS nur dadurch aufloesen kann, dass er Identitaet aus dem Bereich des Logischen und Aussagbaren ueberhaupt ausschliesst. Um die Gruende fuer diesen Schritt einsehen zu koennen, kann man sich nicht nur auf die Kritik an Russells Identitaetsbegriff stuetzen, wie Wittgenstein sie in T 5.5301 - T 5.5303 vortraegt. Zwar laesst sich der TRACTATUS, wie B. McGuinness schreibt, als ein "Versuch Wittgensteins betrachten, alle seine Einfaelle, denen er eine gewissen Wert beimass, in das Buch einzubringen" (Wittgenstein: A Life, a.a.O., S.162.). Was nun die Analyse von Identitaetssaetzen angeht, enthaelt der TRACTATUS zwar das Resultat der Auseinandersetzung mit der Frage, ob und wie sie in die Logik integrierbar sind bzw. wie die Logik aufgebaut sein muss, um Identitaetssaetze als Saetze der Logik verstehen zu koennen, doch laesst sich im TRACTATUS der Weg nicht mehr erkennen, auf dem Wittgenstein zu diesem Resultat gelangt ist, und auch nichts von anderen Ansaetzen, die er zunaechst verfolgt hat. Denn seine Kritik an Russells Identitaetsdefinition (T 5.5302) sowie seine wie hingeworfene Behauptung, es bei Identitaetssaetzen mit unsinnigen ('a=b') oder sinnlosen ('a=a') Ausdruecken zu tun zu haben (T 5.5303), sind das Resultat einer laengeren Auseinandersetzung, an deren Beginn sich Wittgenstein selbst darum bemuehte, Identitaetssaetze im Rahmen seiner Logik zu erklaeren, jedoch scheiterte. Ausserdem gehoert die These von der Ueberfluessigkeit der Identitaetssaetze mit zu den ersten, die Wittgenstein in den zwanziger Jahren im Verlauf seiner Gespraeche ueber den TRACTATUS modifizierte. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, aus welchen Gruenden Wittgenstein Identitaetssaetze aus seiner Logik ausschloss, welches Ziel er damit verfolgte und welche Konsequenzen sich daraus ergaben. Kap.2: Die Logik des TRACTATUS Wenn Wittgenstein die Frage nach dem Sinn von Identitaetssaetzen stellt, geht er bereits von Voraussetzungen aus, die sich als Resultat bestimmter Untersuchungen Russells ergeben haben. Nach seiner Abkehr vom Idealismus ordnet Russell Identitaet zunaechst in die Klasse der Relationen ein und macht geltend, dass das Bestehen dieser Relation weder von ihrem Erkanntwerden abhaengig noch auf andere Formen, denen ebenfalls Urteile entsprechen koennen, reduzierbar ist. So klammert er von vornherein einige der Fragen aus, die unter dem Stichwort "Identitaet" behandelt worden sind. Dies betrifft vor allem erkenntnistheoretische Probleme, insbesondere in der Gestalt, die der Idealismus ihnen gegeben hat. Sofern die erkenntnistheoretische Frage nach den konstituierenden Leistungen des Subjekts nicht mehr als Grundproblem gilt, wird auch der entsprechende Identitaetsbegriff hinfaellig, dem 5 zufolge Identitaet wesentlich die des Subjekts und vom Subjekt hervorgebracht ist. Wittgenstein, der seiner Ueberzeugung von der Ueberlegenheit der Arbeit der "modernen mathematischen Logiker" in seiner Rezension des Logikbbuches von Coffey Ausdruck verleiht (in: McGuinness: Wittgenstein: A Life, a.a.O., S.169), handelt im Anschluss an Russell Identitaet von vornherein im Rahmen des logischen Atomismus ab, der durch die Grundfrage nach dem Verhaeltnis von Tatsache und Satz bestimmt ist. Sofern Wittgenstein von Identitaet spricht, geht es um die Selbigkeit des Gegenstandes, um die Sichselbstgleichheit des Bezeichneten gegenueber verschiedenen Bezeichnungsweisen oder um die Strukturgleichheit von Zeichen und Bezeichnetem. Die Rede von logischen Gesetzen, insbesondere von dem Satz der Identitaet als Denkgesetzen laesst sich hingegen nicht in den logischen Atomismus einordnen, woraus sich ein tiefgehender Unterschied zwischen Russells und Wittgensteins Verstaendnis von Logik gegenueber dem damals verbreiteten ergibt. Ueber diesen Unterschied gegenueber dem traditionellen Verstaendnis von Logik wird sich Wittgenstein bereits waehrend seines ersten Cambridgeaufenthalts klar. Bekanntlich war eine Zusammenarbeit mit dem Logiker W. E. Johnson nicht moeglich, weil Wittgenstein ueber Grundsatzprobleme sprechen und nicht in ein fertiges System eingefuehrt werden wollte (Vgl. McGuinness: Wittgenstein: A Life, a.a.O., S.97f.). Ein Vergleich von Johnsons Logik mit derjenigen Wittgensteins laesst den grundsaetzlichen Unterschied erkennen, was die Zulaessigkeit der Verwendung epistemischer Begriffe angeht. So bestimmt Johnson in seiner 1921/22 erschienenen "Logic", in der er auf Ergebnisse seiner frueheren Vorlesungen zurueckgreift, die Logik als "analysis and criticism of thought" (Logic, Vol. 1-2, Cambridge 1921/22, hier Vol.1, S.xiii). Weiter grenzt er sie zwar als Untersuchung der Bedingungen richtigen Denkens von einer Kunstlehre ("art of thinking") ab und weist ihr als normativer Untersuchung einen der Ethik und Aesthetik vergleichbaren Status zu. Sofern sich jedoch aus den Saetzen der Logik Imperative ableiten lassen, umfasst nach Johnson die wissenschaftliche Logik wiederum die Kunstlehre, und so bleibt die enge Verbindung zwischen den logischen Saetzen als Denkgesetzen und realen Denkprozessen fuer ihn gewahrt (Logic Vol.I, S.XX; vgl. Vol.II, S.224). Deshalb ist es nicht abwegig zu vermuten, dass es Wittgenstein bereits waehrend der Teilnahme an Johnsons Logikkurs um das Problem ging, wie eine Logik beschaffen sein muesse, die aus jeglichem erkenntnistheoretischen Kontext herausgeloest ist, insbesondere weil Wittgenstein hinsichtlich dieses Ausgangspunkts ein Schueler Moores und Russells ist.*7* Deren Auseinandersetzung mit dem Hegelianer Bradley, der zwischen Urteil und Wahrheit einen unaufloeslichen Zusammenhang angenommen hatte, fuehrte schliesslich zu dem Resultat, die Wahr- bzw. Falschheit von Saetzen als objektiv, als unabhaengig von ihrem Erfasstwerden im Urteil des Subjekts anzusehen. Darueberhinaus zeigt das Scheitern von Russells Versuch, eine "Theory of Knowledge" zu verfassen, dass die erkenntnistheoretische Fragestellung nicht mehr in den vorgegebenen Begriffsrahmen integriert werden kann. Gegenueber der erkenntnistheoretischen Subjekt-Objekt-Relation rueckt daher das Verhaeltnis zwischen Tatsachen und Saetzen in den Vordergrund. Insbesondere wird die Frage danach, unter 6 welchen Voraussetzungen ein wahres bzw. falsches Urteil gefaellt wird, sekundaer. Die traditionelle Auffassung der Logik als Lehre von den Gesetzen des Denkens findet sich auch in Peter Coffeys 1912 erschienenem Buch "The Science of Logic", dessen Rezension Wittgensteins erste Veroeffentlichung darstellt. Fuer Coffey liegt der Sinn des Identitaetsatzes darin, dass das Gleichbleiben des Gegenstandes gegenueber den unterschiedlichen Urteilen ueber diesen Gegenstand behauptet wird (Vol I, p.23). Damit sei allerdings nicht bloss ein Denkgesetz, sondern ein Gesetz der Wirklichkeit selbst ausgedrueckt (ebda., S.26). In seiner Kritik hebt Wittgenstein, der sich dabei auf die "grossartige Arbeit der modernen mathematischen Logiker" stuetzt, hervor, dass Coffey entgegen den Resultaten Russells immer noch meint, alle Urteile muessten Subjekt-Praedikat-Form haben, und so auch das Identitaetszeichen mit der Kopula verwechselt (McGuinness: Wittgenstein: A Life, a.a.O., S.169f.). Wittgensteins Kritik an bestimmten Fehlern des Logikkalkuels steht somit in Zusammenhang mit der Herausloesung logischer Fragen aus dem traditionellen erkenntnistheoretischen Kontext. Noch entfernter liegt fuer Wittgenstein ein anderer Problembereich, in dem von Identitaet die Rede sein kann, naemlich der psychologische. Was den Psychologismus betrifft, besteht Uebereinstimmung zwischen Wittgenstein und Frege; dass Wittgenstein im Unterschied zu Frege keine explizite Psychologismuskritik vorlegt, duerfte daran liegen, dass er diese Position gar nicht einer Auseinandersetzung fuer wert haelt. So berichtet er in einem Brief an Russell, er habe mit dem Psychologen Charles S.Myers eine Diskussion "ueber die Beziehung zwischen Logik und Psychologie" gehabt und sei so "offenherzig" gewesen, dass Myers ihn nun fuer arrogant halte (BR Nr.2, 22.6.1912). Neben diesen und anderen Einzelfragen, die Russells und Wittgensteins Neubeginn gegenueber der "alten Logik" deutlich erkennen lassen, ist es aber der Status der Logik selbst, der neu bestimmt wird. Denn auch wenn Logik nicht als Gesamtheit von deskriptiven Regeln zur Beschreibung von Denkvorgaengen, sondern als System der Gesetze richtigen Denkens verstanden wird, bleibt sie - etwa bei Johnson - an epistemische Kategorien gebunden. Demgegenueber formuliert Wittgenstein die Logik von vornherein zeichentheoretisch und nimmt damit ein Merkmal der Logik Russells auf, das dort zwar angelegt, jedoch nicht ausdruecklich als bestimmendes Merkmal anerkannt ist.*8* Der Grund dafuer liegt wohl darin, dass es die erkenntnistheoretische Deutung logischer Probleme Russell ermoeglicht, Luecken in der Begruendung zu schliessen; Wittgensteins Kritik an Russells Berufung auf die "Evidenz" bestimmter Grundsaetze deckt diesen Mangel auf und fuehrt zu der Einsicht, dass die Logik "fuer sich selber sorgen" muss (TB 22.8.1914; vgl. TB 2.9., 3.9. und 8.9.1914.). Russells Logik, wie er sie in den 'Principles of mathematics' und zusammen mit Whitehead in den 'Principia mathematica' in ausgearbeiteter Form vorlegt, enthaelt somit in Wittgensteins Sicht nicht nur Unzulaenglichkeiten, die sich aus der Notwendigkeit einer Typunterscheidung ergeben, sondern vor allem einen Mangel an Autonomie. Russell baut die Logik mit 7 Hilfe von fuenf "primitive propositions" und zweier informaler Regeln, der Schlussregel des modus ponens und der Substitutionsregel, auf. Die Schlussregel ist notwendig, weil man mit den Regeln des Kalkuels den Umgang mit ihnen nicht zirkelfrei erklaeren kann.*9* Russell selbst bezeichnet die Begruendung der Unterscheidung zwischen einem als wahr behaupteten und einem in einer Deduktion mit beliebigem Wahrheitswert verwendeten Satz als "sehr schwieriges logisches Problem", haelt diese Unterscheidung aber fuer unverzichtbar, um zu der Behauptung der Folgerung "q" zu gelangen, wenn die Praemisse "p" und die Implikation "p