***************************************************************** * * * File: 07-1-95.TXT Dateilänge: 114 KB * * * * Autor: Wilhelm Lütterfelds, Passau - Germany * * * * Titel: Wittgensteins interner Dualismus von Innen und * * Außen - "Letzte Schriften über die Philosophie * * der Psychologie" * * * * Erschienen in: WITTGENSTEIN STUDIES, Diskette 1/1995 * * * ***************************************************************** * * * (c) 1995 Deutsche Ludwig Wittgenstein Gesellschaft e.V. * * Alle Rechte vorbehalten / All Rights Reserved * * * * Kein Bestandteil dieser Datei darf ganz oder teilweise * * vervielfältigt, in einem Abfragesystem gespeichert, * * gesendet oder in irgendeine Sprache übersetzt werden in * * irgendeiner Form, sei es auf elektronische, mechanische, * * magnetische, optische, handschriftliche oder andere Art * * und Weise, ohne vorhergehende schriftliche Zustimmung * * der DEUTSCHEN LUDWIG WITTGENSTEIN GESELLSCHAFT e.V. * * Dateien und Auszüge, die der Benutzer für seine privaten * * wissenschaftlichen Zwecke benutzt, sind von dieser * * Regelung ausgenommen. * * * * No part of this file may be reproduced, stored * * in a retrieval system, transmitted or translated into * * any other language in whole or in part, in any form or * * by any means, whether it be in electronical, mechanical, * * magnetic, optical, manual or otherwise, without prior * * written consent of the DEUTSCHE LUDWIG WITTGENSTEIN * * GESELLSCHAFT e.V. Those articles and excerpts from * * articles which the subscriber wishes to use for his own * * private academic purposes are excluded from this * * restrictions. * * * ***************************************************************** * * * Abstract: * * * * In seinen "Letzten Schriften" vertritt Wittgenstein die * * These einer begrifflichen Verbindung von Innerem und * * Äußerem. Dieser interne Dualismus von Leib und Seele ist * * ebenso anticartesianisch wie antibehavioristisch. Daß das * * Seelische notwendig seinen öffentlichen Ausdruck im * * Verhalten findet, trifft jedoch nur auf das Seelische in der * * Perspektive der Dritten Person zu. Demgegenüber bleibt das * * eigene Erleben in der Ich-Perspektive etwas Inneres, das * * nicht öffentlich zugänglich ist. * * * * In his "Letzte Schriften" Wittgenstein holds the thesis of a * * conceptual connection between inside and outside. This * * internal dualism of body and soul is at the same time * * anticartesian and anti-behaviouristic. That the mental finds * * its public expression necessarily in behaviour holds only * * true for the mental from the perspective of the third * * person. In contrast to this one's own mental experience * * remains inside the I-perspective without public expression. * * * ***************************************************************** * * * Lütterfelds, Wilhelm (1995) Wittgensteins interner Dualismus * * von Innen und Außen - "Letzte Schriften über die Philosophie * * der Psychologie" ; in: * * Wittgenstein Studies 1/95, File: 07-1-95; hrsg. von * * K.-O. Apel, F. Börncke, N. Garver, B. McGuinness, P. Hacker, * * R. Haller, W. Lütterfelds, G. Meggle, C. Nyíri, K. Puhl, * * Th. Rentsch, A. Roser, J.G.F. Rothhaupt, J. Schulte, * * U. Steinvorth, P. Stekeler-Weithofer, W. Vossenkuhl * * (3 1/2'' Diskette) ISSN 0943-5727 * * * ***************************************************************** Wittgensteins interner Dualismus von Innen und Außen "Letzte Schriften über die Philosophie der Psychologie" I. Methodologische Vorbemerkung Wiederholt hat Wittgenstein in seinen "Letzten Schriften über die Philosophie der Psychologie"*1*, auf die sich die folgenden Ausführungen beschränken, darauf aufmerksam gemacht, daß seine sprachanalytischen Untersuchungen zum Problem des Inneren und Äußeren primär begriffliche, logische oder grammatische Untersuchungen sind, daß sie also keine bloß psychologischen oder gar physischen Analysen darstellen (S. 17, 36, 48). Dies gilt für alle Strukturmomente und Gesetzmäßigkeiten dieses Verhältnisses. So auch, wenn es um die Möglichkeit geht, wie sich das Innere im Äußeren zeigt und darin zum Ausdruck kommt, sowie generell, wenn die Notwendigkeit ihrer Verknüpfung thematisch wird. In all diesen Fällen handelt es sich um begriffliche Probleme. Aussagen über sie haben deswegen niemals nur den Status psychologischer Erfahrungsaussagen der Ersten oder Dritten Person, obwohl sie diesen Status immer auch haben können (S. 88). Die logische oder begriffliche Struktur des Verhältnisses von Innerem und Äußerem (S. 88) sucht Wittgenstein darüber hinaus aus einer Bedeutungsanalyse unseres Sprachgebrauches zu gewinnen, genauerhin aus einer semantischen Analyse der Selbst- und Fremdzuschreibung psychologischer Prädikate. Andere Untersuchungsweisen wie Introspektion, Erlebnisanalysen oder interne Erfahrungen des Seelischen treten demgegenüber völlig in den Hintergrund, ohne daß Wittgenstein ihre Möglichkeit bestreitet (S. 88). Die Wirklichkeit des Inneren wird von ihm primär anhand der Verwendungsweise der psychologischen Ausdrücke analysiert - mit der Absicht, über eine "Grammatik des Seelischen" Einsichten in die Struktur unseres Inneren und seines Verhältnisses zum Äußeren zu gewinnen. Darüber hinaus geht Wittgenstein von einer quasi ontologischen Voraussetzung aus. Nämlich davon, daß es sich bei den "Tatsachen" und "Zuständen" des Inneren und Äußeren um zwei Wirklichkeitsbereiche handelt, die im Status ihrer Realität ebenso wie in ihrer Phänomenalität und Begrifflichkeit eine eigenständige Wirklichkeit haben und in ihrer "Logik" unterschieden sind, also nicht aufeinander zurückgeführt werden können (S. 86, 87, 88, 91, 111, 119). Und dies, obwohl Wittgenstein sehr wohl weiß, daß viele seiner Analysen den Eindruck erwecken, "ALS OB" er das "Innere durchs Äußere erklären (quasi definieren) wollte" (S. 87). Doch dieser Eindruck täuscht (ebd.). Wittgenstein ist demnach kein Identitätstheoretiker, aber auch kein Behaviorist, weder ein methodischer noch ein radikaler. Seine Analysen der psychologischen Aussagen reduzieren sich deswegen auch nicht auf Analysen des sprachlichen und nicht-sprachlichen Verhaltens. Andererseits lehnt er gleichfalls den Cartesianismus als hinreichende Theorie des Verhältnisses von Innerem und Äußerem radikal ab. Dies gilt freilich nicht für eine dualistische Interpretation des Verhältnisses von Erleben und Verhalten überhaupt. Aber die bei Descartes damit verknüpften essentiellen Bestimmungen etwa der Substantialität des Inneren wie auch des Äußeren, der akzidentell- kausalen Verknüpfung beider Wirklichkeitsfelder, der Privatheit des Inneren und der Öffentlichkeit des Äußeren sowie etwa auch der Identität des Selbstbewußtseins mit der "Seele", die nicht zugleich auch eine Identität des Ich mit dem Leib besagte - derartige cartesianische Theoreme kritisiert Wittgenstein massiv. Im Zentrum seiner "Letzten Schriften über die Philosophie der Psychologie" steht vor allem (im Sinne einer Kritik an Descartes' radikalem Dualismus von Leib und Seele) die These, daß Inneres und Äußeres begrifflich miteinander verknüpft sind (S. 87), also keineswegs bloß akzidentell oder etwa über die Kategorie der Wechselwirkung, ohne daß diese begriffliche Verknüpfung jedoch eine Reduktion des Inneren auf das Äußere besagen soll - weshalb man Wittgensteins Position als die eines "internen Dualismus" kennzeichnen kann. Es ist offenbar der methodische Ansatz der Sprachanalyse, der Wittgenstein trotz seines deklarierten Dualismus von Innerem und Äußerem in einen radikalen Behaviorismus-Verdacht geraten läßt (S. 87). Denn anders als Descartes, der sich auf einen eigenen, introspektiven oder geistig-seelischen Zugang zum Inneren beruft, lehnt Wittgenstein diese psychologisch-interne Selbsterfahrung oder Selbstanalyse mentaler Phänomene ab, weil sie ihre eigene Sprachlichkeit übergeht. Wenn er aber primär über eine Untersuchung der psychologischen Sätze deren Semantik aufschlüsseln möchte, dann ist dies nur in der Weise möglich, wie sich diese Semantik in der Dritte-Person-Perspektive darstellt. Aber darin wird das Innere nur als sprachliches und nichtsprachliches Äußeres greifbar - denn "das Sprachspiel [ist] etwas Äußeres" (S. 87). Gleichwohl möchte Wittgenstein damit nicht in eine reine Semantik der Verhaltens- oder Leib-Sprache geraten. Es liegt ihm deshalb fern, "das Innere wegzuzaubern" (S. 87). Allerdings tritt eine komplementäre Analyse der psychologischen Sätze aus der Erste-Person-Perspektive dabei völlig in den Hintergrund - obwohl Wittgenstein bisweilen klar und entschieden feststellt, daß sich die Probleme der psychologischen Phänomene nur aus beiden Perspektiven zusammen umfassend aufklären lassen (S. 53, 61) - ein Problem, das seine gesamten Untersuchungen durchzieht und immer wieder zu kritischen Ergänzungen nötigt. Denn wenn ich "zu meinen eigenen Worten eine ganz andere Einstellung [habe] als die Andern" (S. 21), dann hat dies auch Folgen für eine unterschiedliche Semantik der psychologischen Ausdrücke in der Erste- und Dritte- Person-Perspektive. II. Die These: Die begriffliche "Verbindung von Innen und Außen" Ausgangspunkt ist eine kategoriale Trennung der "inneren" und "äußeren" "BEGRIFFE" (S. 87 f). Kategorial ist diese Trennung deswegen, weil es sich dabei um zwei verschiedene Typen von Begriffen handelt, die logisch in keiner Weise aufeinander zurückführbar sind. Während sich der "äußere Begriff" auf das sprachliche und nichtsprachliche Verhalten im weitesten Sinne bezieht, haben "innere Begriffe" das Seelische zum Inhalt, d. h das Insgesamt der sog. mentalen Phänomene wie Erlebnisse, Empfindungen, Überlegungen, Gedanken, Wünsche, Entscheidungen usw.. Und der Unterschied zwischen beiden Typen von Begriffen ist ein Unterschied ihrer jeweiligen "LOGIK " (S. 87), ohne daß Wittgenstein diesen Unterschied auch noch als einen "metaphysischen" auffassen möchte (ebd.). Nun soll - so die These - die "Verbindung von Innen und Außen" zu ihren jeweiligen Begriffen gehören, ohne daß dadurch das eine auf das andere reduziert wird, ohne daß damit aber auch ein metaphysischer Dualismus verbunden sein darf. Eine derartige "Verbindung" ist dann natürlich nicht bloß zufällig und kontingent. Sie ist also nicht von der Art, daß sie im einen Falle vorliegen könnte, im anderen - gleichen, ähnlichen oder unähnlichen - aber nicht. Sie muß vielmehr, notwendig, d. h. immer vorliegen, wenn wir einen jeweils einzelnen Begriff von Innerem oder Äußerem verwenden. Zudem gehört sie zum begrifflichen Gehalt dieser Phänomene. Dies bedeutet wiederum, daß man den einen Begriff nicht verwenden kann, ohne zumindest implizit auch den anderen zu verwenden. Wittgenstein hat die Logik dieser "Verbindung" nicht eigens thematisiert. Sie muß den folgenden Einzelanalysen entnommen werden. Im Teil II seiner "Philosophischen Untersuchungen" spricht Wittgenstein entsprechend von einem "Durcheinander" der Sprachspiele vom Benehmen und von der Seele, das er von deren (cartesianischem) "Nebeneinander" abhebt, ohne freilich auch hier die Logik dieses "Durcheinander" näher zu bestimmen (S. 13, 88). Und wie aus den folgenden Einzelanalysen hervorgeht, ist die Struktur der begrifflichen Verbindung von Innen und Außen keineswegs aporiefrei, was vor allem in der Differenz oder Asymmetrie von Erste- und Dritte- Person-Perspektive begründet ist. III. Das Eigen-Seelische - kein Fall einer bevorzugten "inneren", "direkten" Evidenz Dies hat nun radikale Konsequenzen für alle Phänomene des Inneren oder des Seelischen. So etwa auch für das Phänomen der Evidenz, das mit dem Seelischen notwendig verknüpft ist. Denn die übliche cartesianische Auffassung besagt, daß das Seelische nur im eigenen Fall evident ist, weil man es "nur von sich her KENNT", während "man es im Andern nach Äußerem erraten muß" (S. 86 ). Die Evidenz des Seelischen scheint nur im eigenen Fall vorzuliegen, im fremden Fall scheinen wir nur über eine "indirekte äußere Evidenz des Seelischen" zu verfügen (S. 86 Anm.). Doch die begriffliche Verbindung von Innen und Außen widerlegt diese Auffassung. Wittgenstein hat in der Privatsprachenkritik seiner "Philosophischen Untersuchungen" eine Reihe von Argumenten vorgelegt, nach der "diese Ansicht in Rauch aufgegangen ist" (S. 86). Derartige Argumente wie das Erinnerungsargument gegen eine intern leerlaufende Korrektheitsüberprüfung psychologischer Ausdrücke im eigenen Fall, das Argument, niemand könne privat korrekt einer Regel folgen, das Argument, auch die Empfindungssprache sei Teil der öffentlichen Sprache und wie diese intersubjektiv erlernt oder auch das Argument, man wisse keineswegs nur im eigenen Fall um das Vorliegen von Seelischem -, derartige Argumente sollen nach seiner Auffassung nun keineswegs zeigen, "daß das Innere etwas Äußeres ist". Sie sind also gerade nicht im Sinne eines einseitigen Identitäts-Reduktionismus des Seelischen auf das Verhalten zu lesen. Sie kritisieren demnach nur eine falsche dualistische Auffassung von Innen und Außen, in diesem Falle eine falsche dualistische Auffassung von "direkte[r] innere[r] und indirekte[r] äußere[r] Evidenz des Seelischen" (S. 86 Anm.). Denn der falsche Evidenz-Dualismus besteht aufgrund der Privatsprachen- Kritik darin, daß es beim Eigen-Seelischen und Fremd-Seelischen jeweils einen besonderen Typ von Evidenz gibt. Und diese Typen sollen gerade dadurch charakterisiert sein, daß die Evidenz im eigenen Falle auf das Innere geht, im fremden Falle dagegen auf das Äußere und bestenfalls indirekt auf dessen Inneres. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Wenn die Verbindung von Innen und Außen begrifflich ist, dann liegt "innere Evidenz" immer auch im Falle des Fremd-Seelischen vor. Dies bedeutet, daß wir das Fremd-Seelische in derselben evidenten Weise kennen wie das Eigen-Seelische. Doch dann ist der Unterschied zwischen "innerer" und "äußerer Evidenz" hinfällig, er besteht nicht mit Hilfe der angegebenen "Eigenschaften der Evidenz" (S. 86), etwa von "direkt" und "indirekt". Und dann ist es auch nicht mehr sinnvoll, im Falle des Eigen- und Fremd-Seelischen eine "innere Evidenz" von einer "äußeren Evidenz" unterscheiden zu wollen. Derartige begriffliche Unterscheidungen haben dann keine Bedeutung mehr, sie heißen "nichts" (S. 86). Es ist derselbe Typ von Evidenz, der unser Wissen um die eigenen Erlebnisse charakterisiert wie unser Wissen um Fremd-Seelisches, ohne daß freilich dadurch Inneres auf Äußeres reduziert wird. Wenn wir in unserer Sprache dennoch an den Ausdrücken "innere" und "äußere Evidenz" und ihren Unterschieden festhalten wollen, müssen wir deren Bedeutung uminterpretieren; d.h. wir müssen nach wie vor eine "'Evidenz für Inneres'" zulassen und sie entsprechend von einer "'Evidenz für Äußeres'" unterscheiden (S. 86). Aber dieser Unterschied ist kein Unterschied verschiedener Evidenztypen mehr, sondern er betrifft verschiedene Sachverhalte, die darin evident gewußt werden - nämlich einerseits den Sachverhalt, daß es sich bei einer äußeren Realität um eine begriffliche Verhaltens-Wirklichkeit handelt, die notwendig mit einem Begriff von Seelischem verknüpft ist und insofern eine "Evidenz für Inneres" darstellt, während es sich im anderen Fall um eine äußerliche Wirklichkeit handelt, die uns als eine rein physische Realität der Welt evident ist. Wittgensteins These einer Typengleichheit der Evidenz im Falle des Eigen- und Fremd-Seelischen darf freilich über eines nicht hinwegtäuschen. Nämlich darüber, daß sie auf die Dritte-Person- Perspektive beschränkt ist, worin es um die Sicherheit des (objektiven) Wissens um Seelisches geht. Demgegenüber ist die Erste- Person-Perspektive ausgeblendet. Darin ist jedoch nur das Eigen- Seelische Inhalt des Erlebens, während fremde Erlebnisse lediglich gewußt werden, so daß sich das Problem eines Evidenz-Unterschiedes für die Differenz von Erleben und Wissen aufs neue stellt. IV. Die Wahrnehmung des "fremden Äußeren" Das Konzept einer begrifflichen Verbindung von Innen und Außen kritisiert nicht nur die Annahme, die "Evidenz für Inneres" sei lediglich im eigenen Falle "direkt"; sondern auch die cartesianische Überzeugung, daß man im fremden Fall "doch immer nur das ÄUSSERE" wahrnimmt (S. 86). Bei dieser Überzeugung kann es sich nicht bloß um eine These handeln, die eine empirische Feststellung der bisherigen Fremderfahrung ist, und sie kann auch keine induktive Verallgemeinerung dieser Erfahrungsbasis sein. Denn die cartesianische These will offenbar logisch ausschließen, daß die Möglichkeit einer direkten Wahrnehmung des Fremd-Seelischen besteht. Wenn die These aber eine solche Möglichkeit logisch ausschließt, dann legt sie den Sinn dieser sprachlichen Ausdrücke fest. Von der "Wahrnehmung einer anderen Person" sprechen, ist dieser These zufolge dann damit verknüpft, daß man nur deren Äußeres wahrnimmt. Jeder andere Sprachgebrauch würde nach dieser Grammatik sinnlos. Dann bestimmt diese These aber "einen Begriff" (S. 86), nämlich den Begriff der Wahrnehmung einer anderen Person (genetivus objectivus). Dagegen macht Wittgenstein die Möglichkeit eines alternativen Sprachgebrauches geltend. Denn: " warum soll ich nicht sagen, ich nehme seine Zweifel wahr?" (S. 86). Und wir sehen in der Tat diese Zweifel sehr oft im Gesicht einer anderen Person. Dieser Sprachgebrauch wird noch dadurch unterstützt, daß wir ja für die andere Person unterstellen, daß diese die eigenen Zweifel "nicht wahrnehmen" kann (S. 86) - oder jedenfalls, wenn man an das eigene Spiegelbild denkt, nicht in dem Sinne, wie ein Anderer sie wahrnimmt. Ein solcher alternativer Sprachgebrauch müßte jedoch unsinnig sein, wenn die fragliche These zu Recht unseren Begriff der "Wahrnehmung einer anderen Person" bestimmte. Er ist aber nicht unsinnig. Denn wir beschreiben "oft" das fremde Innere gerade so, wie wir es im Äußeren wahrnehmen, während wir Schwierigkeiten haben, das (bloße) Äußere zu beschreiben (S. 86). Ist dies der Fall, dann ist es nicht sinnvoll, die These zu vertreten, daß wir nur wahrgenommenes fremdes "Äußeres" beschreiben (S. 86). Wir würden es dann so beschreiben wie das Physikalisch-Äußere. Doch dies tun wir eben nicht. Beschreiben wir demnach fremdes Äußeres, dann nur in seiner internen Verbindung mit seinem Inneren. Wir beschreiben also im fremden Falle niemals Äußeres im Gegensatz zum Inneren. Diese begriffliche Unterscheidung von Beschreibungstypen unserer Fremdwahrnehmung gibt es nicht. Wir beschreiben fremdes Äußeres begrifflich notwendig als Ausdruck von Innerem - auch wenn wir oft keine hinreichenden Kriterien zur Verfügung haben, letzteres eindeutig zu bestimmen. Dies ist nicht damit zu verwechseln, daß wir uns oft nur auf die äußeren "Umstände" beziehen, unter denen "Menschen dieses oder jenes sagen" (S. 87) oder auch bestimmte seelische Zustände oder Erlebnisse mitteilen und leiblich ausdrücken. Darin bezieht man sich zwar in der Tat "immer" auf "ÄUSSERE Umstände" (S. 87). Denn das "Sprachspiel" ist "etwas Äußeres" und nur unter derartigen Umständen für uns wirklich. Doch daß wir uns im Sprachspiel notwendig auf Äußeres beziehen, bedeutet nicht, daß wir darin auch "wirklich nur von Äußerem" reden (S. 87). Wahrnehmungen beschreiben, in denen wir uns auf fremde Personen beziehen, ist nicht identisch mit der Beschreibung wahrnehmbarer sprachlicher Umstände, die eine solche Beziehung ermöglichen. Letzteres ist lediglich eine notwendige Bedingung. Aus der logischen und "nicht nur erfahrungsmäßig[en]" Verbindung des Inneren mit dem Äußeren (S. 88) und aus dem damit verbundenen Begriff einer Wahrnehmung fremden Erlebens im äußeren Verhalten resultiert nicht zuletzt eine wichtige Einsicht für das Problem der "Regel der Evidenz"(S. 86). Aus den "Gesetzen" der psychischen Evidenz läßt sich für ein internes "WESEN des Seelischen" nichts entnehmen (S. 88). Ist nämlich die Evidenz des Psychischen immer nur eine solche des Äußeren - auf Grund ihrer begrifflichen Verbindung, dann ist dieses Wesen auch "nur in seinen Zügen" des Ausdrucks beschreibbar (S. 88). Wenn darüber hinaus Evidenz immer "äußere" Evidenz ist, selbst wenn sie sich nicht auf bloß physische Sachverhalte, sondern auch auf solche des Eigen- und des Fremd-Seelischen bezieht, dann haben wir weder im eigenen noch im fremden Fall ein gesondertes formales Evidenz-Kriterium zur Verfügung, um eigene "psychologische Äußerungen" von fremden Erlebnissätzen oder gar physikalischen Beschreibungen zu unterscheiden. "KEINE Evidenz" ist in der Lage, den Unterschied von eigenen und fremden Erlebnis-Äußerungen sowie anderen Formen der sprachlichen Darstellung anzugeben (S. 87), weil es keinen gesonderten Typ einer inneren und äußeren, direkten und indirekten Evidenz gibt. Der fragliche Unterschied ist immer eine Differenz der "äußeren" Evidenz - die dann jedoch nicht nur keine diskriminierende Funktion hat, sondern auch selber differenzlos ist. Wenn man sie aber nicht mehr begrifflich von einer "inneren Evidenz" unterscheiden kann, wie soll man dann ihre Bedeutung noch bestimmen? Denn sie ist ein Begriff ohne "grammatischen Nachbarn". Zudem scheint ihre Anwendung auf die eigenen Erlebnisse in der Ich-Perspektive der Ersten Person unsinnig zu sein - aber bedeutet dies, daß das Eigen-Seelische evidenzlos ist? V. Die Bedeutung des Inneren - eine Semantik der "Logik" des Äußeren? Verwenden wir den "Begriff seelisch" im fremden Falle, dann bedeutet dies nicht, daß wir damit "rechtfertigen" möchten, daß wir zwar das Äußere einer anderen Person wahrnehmen, aber nur etwa im Sinne eines Analogieschlusses, und d. h. letztlich "unbestimmt" auf deren Inneres schließen könnten. Vielmehr ist es umgekehrt. Wenn wir von "Fremd- Seelischem" sprechen oder uns mit dem Wort "seelisch" auf eine andere Person und deren Erlebnisse beziehen, dann wird dieser Wortgebrauch gerade nicht dadurch erklärt, daß wir uns dabei auf etwas Inneres in einer anderen Person beziehen, das uns äußerlich nicht zugänglich ist, weshalb unser Wortgebrauch "unbestimmt" bliebe. Sondern es ist "diese Unbestimmtheit", die unseren Wortgebrauch "Fremd-Seelisches" verständlich macht (S.87). Von eigenen Erlebnissen sprechen wir aus begrifflichen Gründen dagegen niemals in "unbestimmter" Weise. So ist etwa im Sprechen von eigenen Schmerzen der seelische Zustand hinreichend bestimmt. Genau dies ist nicht der Fall, wenn wir uns (fallibel) über Fremd-Seelisches äußern. Hier liegt eine Logik der sprachlichen Unbestimmtheit vor - und in dieser logischen oder begrifflichen "Unbestimmtheit" möchte Wittgenstein die Bedeutung des Ausdrucks "Fremd-Seelisches" verankern. Von der "Seele" eines Anderen sprechen, bedeutet insofern, von etwas sprechen, das - im Gegensatz zum eigenen Fall - durch logische Operationen der eigenen Sprache nicht vollständig und infallibel bestimmt werden kann (was freilich nicht besagt, daß die Bestimmtheit des Eigen-Seelischen durch logische Operationen zustandekommt). Wenn Wittgenstein auf diese Weise versucht, auf die "Logik" unserer Sprache zurückzugreifen, um den "Ausdruck 'das Innere'... begreiflich" zu machen (S. 87), also gerade nicht einen metaphysischen Dualismus von privaten Erlebnissen und fremder Körperwahrnehmung benutzt, um die Semantik des "Inneren" zu erklären (S. 87), dann ist offensichtlich diese Erklärung keineswegs hinreichend. Denn die Eigenschaft der "Unbestimmtheit" als logische Eigenschaft unserer sprachlichen Zuschreibungen im Falle des Fremd-Seelischen mag durchaus eine notwendige Bedingung des entsprechenden Ausdrucksgebrauches sein. Semantisch hinreichend ist sie aber nicht. Eine derartige Unbestimmtheit ist keineswegs der Sinn oder die Bedeutung des Ausdrucks "Seelisches" im Falle der Fremdzuschreibung, auch wenn sie unsere Weise der sprachlichen Bezugnahme kennzeichnet. Es sei denn, Wittgenstein gerät dennoch in die Verlegenheit, das "Innere durchs Äußere erklären" zu wollen, genauerhin durch die äußeren logischen Umstände des Wortgebrauchs. Wenn man deshalb auch seine Meinung teilen kann, daß "'Seelisch'... kein metaphysisches Epithet" ist (S.87), so ist es gleichermaßen unbefriedigend, es bloß als "logisches Epithet" aufzufassen (S.87). Denn eine solche Interpretation des Seelischen oder Inneren spricht diesem keine eigene phänomenale Wirklichkeit zu, sondern reduziert es auf ein lediglich logisch oder begrifflich notwendiges Konstrukt unseres Sprachgebrauchs. "Und doch ist es nicht so" (S.87). Weder läßt sich die Bedeutung des "Seelischen" auf die Umstände dieses Ausdrucksgebrauchs reduzieren, und schon gar nicht auf die bloß logisch notwendigen Bedingungen desselben. Noch müssen wir es notwendig im Sinne eines metaphysischen Dualismus von Leib und Seele als eine Wirklichkeit auffassen, die uns in einer sprachvorgängigen und sprachunabhängigen Weise intern und privat gegeben wäre. Beides ist die Überzeugung Wittgensteins, obwohl seine Analysen sprachlicher und begrifflicher Art diese Überzeugung beständig zu negieren scheinen. Denn wenn es nur die "Logik" ist, die unser "Bild von innen und außen erklärt, es begreiflich macht" (S.87 Anm.), dann entsteht dieses Bild lediglich aufgrund einer logischen Struktur unserer psychologischen Sprache, ohne ein reales Fundament in einer eigenen, psychischen Datenbasis zu haben. Aber dieses hat es in der Tat auch nur, wenn man die Ich-Perspektive des eigenen Erlebens berücksichtigt - was Wittgenstein wegen des damit verknüpften Cartesianismus und der Dominanz der Dritte-Person-Perspektive in seinen Analysen nicht hinreichend berücksichtigt. VI. "Sicherheit" - kein bloßer Geisteszustand, sondern eine Handlungsweise Besteht eine interne Verbindung zwischen Innen und Außen, dann läßt sich auch die Sicherheit oder Gewißheit im Falle des Fremd-Seelischen, z.B. fremder Schmerzen, nicht mehr nur "als einen Geisteszustand, eine Art Gefühl" interpretieren (S. 34f.). Sondern auch der Begriff dieser Sicherheit als eines eigenen inneren Phänomens ist unlösbar verknüpft mit dem Begriff von einem äußeren Phänomen, genauerhin mit dem einer "Handlungsweise" (S. 35). Damit bestreitet Wittgenstein nicht, daß es interne Geisteszustände wie etwa "Sicher-sein ... oder dergleichen" (S. 34f) gibt. Aber diese internen Zustände sind Bedeutungen sprachlicher Ausdrücke und damit notwendig an eine sprachliche Handlungsweise gebunden , d.h. an etwas Äußeres. Deswegen kann Wittgenstein feststellen, daß das "Wichtige an der Sicherheit" die (sprachliche) "Handlungsweise" ist. Wittgenstein bestreitet insofern nicht, daß im Falle der Sicherheit bezüglich des Fremd-Seelischen etwas "in uns" vorgeht (S. 35). Aber er verweist unser Interesse nicht auf dieses interne Phänomen, sondern auf den "Ausdruck der Sicherheit im [sprachlichen] Benehmen" (S. 34). Nun könnte man einen solchen "Ausdruck" in jenem akustischen "TON" erblicken, mit dem wir die Sicherheit oder auch den Zweifel in unseren Überzeugungen sprachlich äußern (S. 35). Aber dies stellt Wittgenstein zurück. Denn dieser "Ton" soll nicht so wichtig sein wie die mit der Äußerung verknüpfte "Handlungsweise". Offenbar deshalb nicht, weil sich im "Ton" einer Äußerung das entsprechende interne Sicherheitsgefühl nicht so direkt und kausal wirksam äußert wie in einer Handlungsweise - denn erst das Benehmen einer Person, worin ihre Sicherheit zum Ausdruck kommt, ist eine hinreichende Bedingung dafür, daß diese Sicherheit als öffentliches Phänomen von einer anderen Person erkannt werden kann. Daß ein Benehmen als Ausdruck von Sicherheit Grund für deren Erkenntnis seitens einer anderen Person ist, bedeutet darüber hinaus aber nicht, daß es sich dabei um eine kausale Relation handelt, die eine universale Gesetzmäßigkeit darstellt. Denn die informative Kraft eines Benehmens-Ausdrucks ist relativ auf die wahrnehmende, den Ausdruck erfassende Person - "was mich sicher macht, macht einen Andern nicht sicher" (S. 34). Deswegen lassen sich Gesetze des Ausdrucksverhaltens von Geisteszuständen etwa bezüglich der Sicherheit dieses Ausdrucks auch nicht in einer nomologischen Erklärung verwenden, um sicheres Wissen über Fremd-Seelisches logisch abzuleiten. Es ist kein "Beweis" davon möglich, daß man sicher sein kann, daß in einem Benehmen ein bestimmter Geisteszustand zum Ausdruck kommt (S.34). Die eigene Sicherheit über Fremd-Seelisches ist erst recht einem selber nicht andemonstrierbar in Form eines logischen Beweises. Doch Wittgenstein stellt zugleich auch fest, daß es eine gewisse Regelmäßigkeit im Auftreten der Sicherheit bezüglich fremdseelischer Zustände gibt. Denn Personen stimmen in der Regel darin überein, daß sie sicher sind, welche Geisteszustände sich im Benehmen Anderer äußern. Die "Diskrepanz" zwischen dem Auftreten der eigenen Sicherheit bezüglich des Fremd-Seelischen und dem Fehlen dieser Sicherheit bei anderen Personen hat "Grenzen" (S. 34). Und daß wir normalerweise in der Sicherheit über Fremd-Seelisches übereinstimmen, ist dann zwar auch eine Art Übereinstimmung in unseren Geisteszuständen. Aber es ist für Wittgenstein vor allem eine Übereinstimmung in unserer "Handlungsweise", mit der wir z.B. auf fremde Schmerzen reagieren. Freilich hat auch diese Gleichheit der Reaktion "Grenzen" und läßt die Möglichkeit von "Diskrepanzen" im Reaktionsverhalten zu. Unser Begriff vom fremden Erlebnis, von seiner Verknüpfung mit dem Ausdrucksbenehmen und mit unserer reagierenden Handlungsweise ist keineswegs der Begriff einer logischen oder "zwangsläufigen" Verbindung (S. 37). Denn dies hätte zur Folge, daß im Normalfall alle Personen darauf in gleicher Weise "reagieren" und insofern in ihrer Reaktionsweise übereinstimmen. Doch eine solche "Übereinstimmung besteht NICHT" (S. 37). Andernfalls implizierte der Begriff vom Erlebnis-Ausdruck eine notwendige Verbindung zwischen Erlebnis, Benehmen und Reaktion. Derartige Begriffe haben deshalb für Wittgenstein den Charakter von "elastischen, ja auch biegsamen Begriffen", was freilich keinerlei Beliebigkeit besagt und insofern ihre Unbrauchbarkeit zur Folge hätte (S. 39). Unser Begriff der Verbindung von Erlebnis, Ausdruck und reagierendem Benehmen scheint eher dem Begriff von "Schotterhaufen" oder "Sandhaufen" zu entsprechen, die gleichfalls durch Vagheit und Unschärfe gekennzeichnet sind (S. 37, Anm.). VII. Kontingente "Verborgenheit" des Inneren? Wenn der Begriff unserer eigenen Sicherheit im Falle des Fremd- Seelischen zwar der Begriff eines inneren Geisteszustandes ist, der jedoch wegen der internen Verbindung desselben mit dem Äußeren immer den Begriff einer reaktiven Handlungsweise impliziert, ohne daß eine "zwangsläufige" Verbindung zwischen diesem Begriff und dem Vorliegen des fremdseelischen Erlebnisses bestünde, dann weist Wittgenstein auch zurecht die These zurück, daß das "Denken des Menschen... im Innern des Bewußtseins in einer Abgeschlossenheit" vor sich geht, von der begrifflich ausgeschlossen ist, daß sie jemals oder unter Umständen auch öffentlich sein könnte (S. 35). Das Innere ist vielmehr wegen seiner begrifflichen Verbindung mit dem Äußeren in der "Handlungsweise" prinzipiell öffentlich. Und wenn wir davon sprechen, daß es "verborgen" ist, dann nur in einem kontingenten, von Umständen abhängenden Sinn, so wie etwa auch die "Zukunft... verborgen" ist (S. 35). Der Grund dafür liegt in der Vagheit unserer Begriffe von der Verbindung zwischen Erlebnis und Benehmen. Deshalb müssen wir durchaus die Möglichkeit einräumen, daß das fremde Innere faktisch verborgen ist. Doch dies kann es nur unter der Voraussetzung sein, daß prinzipiell die Möglichkeit seiner öffentlichen Kenntnis besteht. Freilich verfügen wir häufig nicht über hinreichende Kriterien dafür, aus einem fremden Verhalten den darin zum Ausdruck kommenden Geisteszustand zu entnehmen. Doch dies heißt nicht, daß fremdes Verhalten bisweilen nur Äußeres wäre und nicht auch Äußeres, in dem sich notwendig oder immer Inneres ausdrückt, das allerdings unter Umständen unbekannt sein kann. Dies hat begrifflich zur Folge, daß es paradoxerweise keinen gesonderten Begriff vom fremden Äußeren gibt, den wir inhaltlich eindeutig von einem Begriff des fremdem Inneren unterscheiden könnten. Denn jeder dieser Begriffe impliziert auch den Begriff seines Gegenteils. Sie überlappen sich gleichsam inhaltlich. Fremdes Benehmen ist Ausdrucksverhalten und niemals bloß ein körperlicher Vorgang - wie auch umgekehrt Fremd-Seelisches nur als leibliches Verhalten (sprachlicher und nichtsprachlicher Art) vorliegt. Dennoch müssen wir innere und äußere Begriffe voneinander unterscheiden. Dies ist jedoch nur unter der Voraussetzung möglich, daß sie phänomen-verschiedene Sachverhalte zum Inhalt haben, nämlich Geisteszustand und Benehmen. Genau dies wird jedoch durch die interne Verbindung zwischen diesen beiden Begriffen ausgeschlossen - ein Paradox, auf das Wittgenstein in seinen Untersuchungen immer wieder stößt. So wenn er etwa feststellt, daß die "Unsicherheit über das Innere... eine Unsicherheit über etwas Äußeres" ist (S. 117), ohne daß darin freilich das Innere auf das Äußere reduziert werden dürfte (S. 87). Dies bedeutet zwar, daß beide Formen der Unsicherheit identisch sind; aber es kann nicht auch eine Identität von Innerem und Äußerem zur Folge oder Voraussetzung haben. Dann gibt es jedoch weiterhin Kriterien, um Inneres und Äußeres zu unterscheiden. Doch auf keinen Fall dürfen wir dabei von einem Gegensatz zwischen Innerem und Äußerem Gebrauch machen, der aus exklusiven, einander ausschließenden Merkmalen bestünde - wie etwa privates Erleben und öffentliches Benehmen. Denn dann wäre nicht nur die fragliche Unsicherheit nicht mehr typengleich. Sondern es wäre auch eine begriffliche Verbindung zwischen Innerem und Äußerem ausgeschlossen und das fremde Innere nicht nur kontingent verborgen. Aber das Innere (Erleben) nur als Ausdrucksphänomen aufzufassen, um die Gleichheit der Unsicherheit zu gewährleisten sowie eine begriffliche Verbindung von Innerem und Äußerem, und d.h. auch eine bloß kontingente Verborgenheit des Inneren zu ermöglichen, würde wiederum keinen semantischen Unterschied von Innerem und Äußerem darstellen - als Inhalt zweier kategorial verschiedener Begriffe. Müssen wir aber nicht an einer solchen Unterscheidung dieser Begriffe festhalten - weil das Erlebnis in der Ich-Perspektive nicht dasselbe ist wie der Erlebnissausdruck in der Dritte-Person-Perspektive? Wenn Wittgenstein feststellt, daß wir Fremd-Seelisches als fremdes Verhalten wahrnehmen, dann drängt sich auch hier die Lesart einer Identitätsrelation zwischen Verhalten und Seelenzustand auf - doch gleichzeitig halten wir natürlich an deren begrifflichem und inhaltlichem Unterschied fest. Hilft in diesen Fällen das Frege-Modell der Identität weiter, also die Annahme zwei sinnverschiedener, mentaler und körperlicher Beschreibungsweisen, die sich auf denselben Sachverhalt beziehen - aber auf welchen? VIII. Ein nicht-cartesianischer Unterschied zwischen "subjektiver" und "objektiver Sicherheit" Das übliche Verständnis dieses Unterschiedes scheint darin zu liegen, daß wir einen mathematischen Satz wie "2 x 2 = 4" für "objektiv sicher" halten, während wir im Falle einer fremden Schmerzzuschreibung "nur subjektiv sicher" sind (S. 37). Objektive Sicherheit kann sich auch auf intersubjektiv wahrnehmbare Sachverhalte der physischen Welt beziehen. So etwa kann sie die "Farbe" eines Gegenstandes betreffen (S. 38). Möglicherweise treten im Falle einer mathematischen Rechnung wie auch einer Farbaussage "Streit" wie "Unstimmigkeit" auf (S. 37 f). Doch derartiges läßt sich dadurch beseitigen, daß man eine intersubjektive Entscheidung darüber herbeiführen kann, welche Aussage korrekt ist (z. B. durch Farbtests), so daß sich objektive Sicherheit wieder herstellt. Solche Kriterien gibt es offensichtlich für Aussagen über Fremd-Seelisches nicht. Und deswegen scheinen wir dann zu Recht nur von einer "subjektiven Sicherheit" sprechen zu dürfen. Doch Wittgenstein weist diese cartesianische Auffassung von verschiedenen Sicherheitstypen zurück. Zwei Argumente nennt er in diesem Zusammenhang. Zunächst ein negatives: Der Grund dafür, daß sich die intersubjektive Übereinstimmung bezüglich der Sicherheit eines Urteils über Fremd-Seelisches sehr oft nicht einstellt, kann nicht darin liegen, daß eine Person mißtrauischer ist als eine andere (S. 38). Denn es geht dabei um die Richtigkeit eines Urteils, und die psychische "Disposition des Urteilenden" ist kein Kriterium dieser Richtigkeit. Wäre sie es, dann läge kein Urteil (über Fremd- Seelisches) vor. Wäre Mißtrauen der Grund dafür, daß eine Person eine fremde "Gefühlsäußerung" für unecht hält, dann würde sie sich nur eines subjektiven Kriteriums dafür bedienen. Dann könnte sie jedoch auch kein Urteil über einen fremden Gefühlsausdruck fällen. Sondern ihre Aussage wäre nur Ausdruck ihres Mißtrauens. Wenn deshalb das Urteil über die Qualität einer fremden Gefühlsäußerung nicht durch psychologische Motive wie Mißtrauen (oder Vertrauen) begründet werden kann, sondern nur mittels nichtsubjektiver Sachverhalte wie solche des fremden Benehmens, dann kann die fehlende Übereinstimmung in der Urteilspraxis über Fremd-Seelisches auch nicht an subjektiver Unsicherheit liegen. Sie muß objektive Gründe haben. Eigen-Psychische Faktoren wie solche des Mißtrauens, des Sich-selber- im-Anderen-nicht-Wiederfindens oder seiner psychischen Unähnlichkeit fallen dann aus. Ist aber die Unsicherheit im Falle eines Urteils über Fremd-Seelisches nicht subjektiv-psychisch begründet, dann auch nicht eine entsprechende Sicherheit. Dann können wir auch nicht sagen, daß wir im Falle des Urteils über Fremd-Seelisches "nur" subjektiv sicher wären. Dies folgt aus der Struktur unserer Urteile über fremd-psychische Sachverhalte und aus der Notwendigkeit, objektive Richtigkeitskriterien dafür zu benützen. Der Ausdruck "subjektive Sicherheit" muß dann aber mittels seiner Verwendungsweise anders erklärt werden als dadurch, daß er sich auf die eigene psychische Bewertung der Echtheit fremder Gefühlsäußerungen bezieht. Wittgensteins Überlegungen münden in die These, daß die Bedeutung von "subjektive Sicherheit" im Falle eines Urteils über Fremd-Psychisches nicht in einem Geisteszustand liegt, sondern in der fehlenden intersubjektiven Übereinstimmung hinsichtlich eines solchen Urteils - also in einer bestimmten Struktur sozialer Urteilspraxis. Bedeutet insofern der Ausdruck "subjektive Sicherheit" nicht etwas Intern- Psychisches, dann gilt Entsprechendes auch für den Ausdruck "objektive Sicherheit". Letztere besagt dann soviel wie "tatsächliche intersubjektive Übereinstimmung" in der Urteilspraxis (etwa bezüglich mathematischer Sachverhalte oder empirischer Tatsachen). Und der Unterschied der Bedeutung beider Ausdrücke bzw. beider Typen von Sicherheit ist nicht ein Unterschied zwischen innerer und äußerer Sicherheit, sondern ein Unterschied zwischen zwei Typen sozialer Übereinstimmung in der Urteilspraxis; nämlich zwischen einer interpersonalen Urteils-Übereinstimmung, die generell nicht herstellbar ist - und d. h. wir urteilen "subjektiv sicher" über Fremd-Seelisches; und einer Urteils-Übereinstimmung, die prinzipiell erreicht werden kann und normalerweise auch tatsächlich vorliegt - und d. h. wir urteilen "objektiv sicher" über mathematische Sachverhalte, physische Dinge oder auch Farben von Körpern. Dann ist aber auch das Fehlen der objektiven Sicherheit bezüglich des Fremd-Seelischen nicht derart metaphysisch begründbar, daß wir "nicht in des Andern Seele sehen" können (S. 39). Denn dies wäre ja wiederum eine cartesianische Begründung, die auf subjekt-interne Gründe rekurriert. Vielmehr bedeutet das Fehlen der objektiven Sicherheit, daß es keine herstellbare Übereinstimmung in unserer Urteilspraxis bezüglich des Fremd-Seelischen gibt. Wittgenstein geht sogar so weit, den Sinn des Ausdrucks "die Seele des Andern" nicht mit inneren Erlebnissen einer anderen Person zu identifizieren, sondern mit diesem Fehlen der objektiven Sicherheit in unserer Urteilspraxis. Dieses "Fehlen" ist als sozialer Sachverhalt allerdings öffentlich konstatierbar, also gerade nichts Psychisch-Inneres. Unverkennbar ist auch hier der behavioristische Reduktionismus unserer Urteile über Fremd-Seelisches, zu dem Wittgensteins Kritik nötigt. Doch daß der Ausdruck "die Seele des Andern" den Sachverhalt fehlender objektiver Sicherheit bedeutet, ist bestenfalls eine notwendige Bedingung der Semantik dieses Ausdrucks, genauerhin seines Gebrauchs aus der Er-Perspektive. Es bleibt ja die Frage völlig offen, warum in diesem Falle die objektive Sicherheit fehlt. Auch wird die Semantik des Ausdrucks "meine Seele" durch derartige Analysen überhaupt nicht berührt, weil das Kriterium des interpersonalen Konsenses in der Ich- Perspektive nicht greift. Wittgensteins nicht-cartesianische Interpretation von subjektiver und objektiver Sicherheit im Sinne zweier sozialer Übereinstimmungstypen der Urteilspraxis hat ferner zur Folge, daß gerade auch dann, wenn ein Gefühl offen, ehrlich, ohne Verstellung und im bekannten sprachlichen Rahmen geäußert wird, nur subjektive Sicherheit unseres Urteils besteht - trotz der Öffentlichkeit des psychischen Sachverhaltes. Und diese Sicherheit es ist, die unser "Verstehen" des Gefühls kennzeichnet (S. 43). Dann kann in der Tat auch der Grund für die Unsicherheit unseres Urteils über die Gefühle des Anderen nicht darin liegen, daß wir nicht in dessen Seele hineinschauen können. Denn diese ist ja im Verhalten des Anderen gerade nicht "versteckt". Folglich muß die Urteils- und Verstehensdefizienz im Falle des Fremd-Seelischen anders (als cartesianisch) begründet werden. Die Differenz von Gefühl und Erscheinung im sprachlichen und nichtsprachlichen Benehmen ist deshalb nach Wittgenstein nicht die Differenz von privatem Innen und öffentlichem Außen, sondern der Differenz vergleichbar zwischen Gesichtern mit Masken und solchen ohne Masken oder "weniger Masken" (S. 42 f). Doch dann ist der fragliche Unterschied ein Unterschied in dem, was äußerlich sichtbar ist bzw. zumindest sichtbar sein kann, also kein Unterschied zwischen Sichtbarem und prinzipiell Unsichtbarem. Das "Bild" (S.42) von einem begrifflich-notwendig privaten Inneren oder Seelischen wird auf diese Weise von Wittgenstein als scheinbar falsche Begründung einer lediglich subjektiven Sicherheit destruiert. Aber doch um den Preis, daß Wittgenstein beständig die seelischen Phänomene mit Verhaltensweisen zu identifizieren genötigt ist oder das Innere zumindest als eine bestimmte Variante des Äußeren auffassen muß, wobei die Erlebnisrealität des Seelischen in der Erste-Person- Perspektive vollständig ausfällt. Dies ist offenbar eine Konsequenz, die aus Wittgensteins extern-sprachlicher Betrachtungsweise folgt, die das Seelische primär in der Perspektive der Dritten Person analysiert - eine Konsequenz, die Wittgenstein jedoch zugleich nicht akzeptieren möchte. Denn die These der begrifflichen Verbindung von Innen und Außen scheint in all dem darauf hinauszulaufen, daß es sich dabei um eine Verbindung zweier Begriffe von Äußerem handelt, von leiblichem Äußeren und Ausdrucks-Äußerem. IX. Der "uninteressante" Gegensatz von privatem Innen und öffentlichem Außen Wir machen im Falle des Fremd-Seelischen den Unterschied zwischen einem "UNVERKENNBAREN Ausdruck" eines Erlebnisses oder Gefühls und einem zweifelhaften (S. 48). Welches Kriterium haben wir zur Verfügung, um diesen Unterschied zu machen und entsprechend zu rechtfertigen, daß wir in dem einen Falle über die Schmerzen sicher Bescheid wissen, im anderen Falle unsicher sind (S. 48)? Wie erkennt man entsprechend, daß ein bestimmtes "Anzeichen" für einen inneren Zustand "untrüglich" ist (S. 48)? Die cartesianische Antwort darauf müßte lauten: Man verfügt über kein eindeutiges Kriterium, so daß ein solcher Unterschied der Echtheit oder Unechtheit eines Gefühlsausdrucks letztlich nicht feststellbar ist. Oder er wäre eben nur dann eindeutig und unbezweifelbar feststellbar, wenn wir in die Seele des Anderen hineinsehen oder hineinerleben könnten. Genau dies widerspricht jedoch unserer berechtigten Überzeugung, daß wir um die Echtheit oder Unechtheit eines Gefühlsausdrucks sehr oft wissen. Also kann die cartesianische Auffassung nicht richtig sein. Wenn es aber einen "unverkennbaren Ausdruck" für seelische Zustände und Ereignisse gibt, dann müssen wir auch über ein hinreichendes Kriterium für jene Unterscheidung verfügen. Dann kann ein solches Kriterium aber nur in einem äußeren Verhalten oder Ausdruck liegen, worin das Innere nicht prinzipiell verborgen ist. Und eine "untrüglich[e]" Erkenntnis eines "Anzeichen[s] für etwas Inneres" muß ihr Kriterium "am Äußeren" finden (S. 48). Dem entspricht, daß wir auch am äußeren Verhalten feststellen, ob ein Mensch sein Inneres verbirgt (S. 48). Ist aber dieses Verbergen selber ein äußerer Vorgang, dann kann es sich dabei nicht um etwas handeln, was (ausschließlich) als prinzipiell privater Vorgang in der Seele eines Menschen abliefe. Natürlich steht und fällt diese Argumentation Wittgensteins mit der Annahme, daß es unverkennbar echte Ausdrücke seelischer Zustände gibt. Doch diese Annahme ist keine kontingente, nicht einmal eine notwendige "Meinung" oder Voraussetzung - sie kennzeichnet unser eigenes Selbstverständnis gleichermaßen wie generell unsere "Einstellung zum Menschen" (S. 54). Würde jemand dies bestreiten, dann müßte er für uns ein "Wahnsinniger" sein (S. 48). Wenn es zutrifft, daß alle Kriterien der Echtheit oder Unechtheit von inneren Zuständen äußere Verhaltenskriterien sind, dann haben wir auch nur sie zur Verfügung, um darüber sicher zu sein, was in einer Person vorgeht. Doch dann ist es letztlich uninteressant, zusätzlich zu den Verhaltenskriterien, die über die Echtheit oder Unechtheit eines Ausdrucks das Vorliegen oder Nichtvorliegen seelischer Zustände und Ereignisse festlegen, irgendwelche rein internen Geisteszustände oder Erlebnisse anzunehmen, für deren Wirklichkeit wir keinerlei externe Kriterien haben. Wenn ich sage "ich erinnere mich nicht" und meine Äußerung entspricht den Echtheitskriterien (oder im Falle einer Lüge den Kriterien der Irreführung einer anderen Person), dann ist es völlig unerheblich, ob ich mich "in Wirklichkeit" noch erinnere oder nicht (S. 48). Denn der Andere verfügt über keinerlei Kriterien, diese interne "Wirklichkeit" festzustellen. Ein solcher Sachverhalt ist für ihn "nicht von Interesse". Und Wittgenstein zieht daraus zurecht die Konsequenz, daß es "auf den Gegensatz Innen und Außen" dann nicht ankommt (S. 48); jedenfalls nicht auf einen Gegensatz, der nicht selber wiederum durch äußere Kriterien bestimmbar wäre. All dies folgt freilich nur, wenn man das Problem des Fremd-Seelischen in der Dritte-Person-Perspektive analysiert. Lediglich in dieser Perspektive ist das Innere nur insofern "von Interesse", als es sich im Verhalten oder Benehmen ausdrückt. Wittgensteins These einer begrifflichen "Verbindung von Innen und Außen" ist dann jedoch entschieden perspektiven- und interessenabhängig. Sie kann (und will) ihrerseits dann weder das Recht einer anderen (Ich-) Perspektive ausschließen, noch die Möglichkeit, das Verhältnis von Innen und Außen darin anders begrifflich zu bestimmen - etwa cartesianisch. Doch diese These gilt es freilich noch eigens zu begründen. X. Erlebnisse - eine unausdrückbare, zusätzliche "innere Wirklichkeit"? Freilich räumt Wittgenstein damit auch ein, daß ein Begriff vom Inneren logisch möglich ist, der nicht (intern) mit dem eines Äußeren verknüpfbar ist. Denn nur von einem zumindest logisch möglichen Sachverhalt können wir sagen, daß er nicht von Interesse für uns ist. Auch wenn demnach das Innere einer Lüge von Anderen am "Gesicht" abgelesen wird und sich deswegen das "Gefühl" einstellt, daß das Innere öffentlich oder "zugänglich" ist, so daß man sich "ganz durchschaut" fühlen kann (S. 49), und zwar gerade aufgrund eines äußeren Verhaltenskriteriums wie das eines Gesichtsausdrucks -, selbst dann ist es nicht logisch unsinnig, noch von einer "Wirklichkeit" dieses inneren Zustandes - als des eigenen Erlebnisses - zu sprechen, die sich von der Wirklichkeit des (sprachlich) ausgedrückten Geisteszustandes für Andere unterscheidet. Und zwar gerade auch dann, wenn wir für diese Wirklichkeit des Geisteszustandes aus begrifflichen Gründen keinerlei äußere Kriterien der Erkenntnis und des Verstehens zur Verfügung haben, sondern nur das eigene interne Erleben. Entspricht dieser logischen Möglichkeit einer rein "inneren Wirklichkeit" ein tatsächlicher Sachverhalt? Sinnvoll sind derartige Fragen auch deshalb, weil Wittgensteins Überlegungen in der Perspektive der Dritten Person und ihrer Erkenntnis des Fremd-Seelischen formuliert sind, die wiederum an das Verhaltenskriterium gebunden ist. Seine Überlegungen werden also prinzipiell aus der äußeren Perspektive der objektivierenden Sprachanalyse vollzogen. Wenn man aber mit Wittgenstein davon ausgeht, daß sich alle Probleme primär oder gar ausschließlich in dem objektiven Faktum "Sprache" stellen, dann hat man gegenüber dem Problem des Seelischen von vorneherein einen externen Beschreibungs- und Erklärungsstandpunkt gewählt. Und dann ist das Interesse an der Priorität des Sprachlich-Äußeren natürlich selbstverständlich. Entsprechend dominiert dann die Zugangsweise zum Seelischen, die a priori über äußere Kriterien vermittelt ist. Demgegenüber tritt die Ich-Perspektive der Ersten Person als Perspektive des eigenen, internen Zugangs zum Seelischen, d.h. des eigenen Erlebens, völlig in den Hintergrund. Und zwar selbst dann, wenn diese sich gemäß dem linguistic turn an der Sprache des Eigen-Seelischen orientiert und nicht cartesianisch an vorsprachlich gegebenen Bewußtseinsdaten, wenn sie also auch das eigene Erleben als sprachliches Phänomen auffaßt - in Sinne eines sprachlichen Cartesianismus. Denn in dieser sprachgebundenden Ich-Perspektive kann es durchaus sinnvoll sein, einen Begriff des Inneren auszubilden, der nicht mit einem Begriff des öffentlichen Äußeren verknüpfbar ist, und schon gar nicht logisch notwendig, sodaß gleichsam "auch Gott nicht [darum] WISSEN kann" (S. 114). Diese Annahme beruht darauf, daß die (sprachliche) Äußerung seelischer Zustände ihrerseits auch ein "Erlebnis" ist, das als solches keinen sprachlichen Ausdruck hat, weil es nur im eigenen Vollzug der Äußerung vorliegt (vgl. Philosophische Untersuchungen § 649). Diese Auffassung radikalisiert natürlich den Streit darüber, ob es neben der Position des Apriori der öffentlichen Sprache nach wie vor in der Perspektive des Ich (der Ersten Person) ein Apriori des sprachlichen (!) Bewußtseins im Sinne Descartes' gibt. Für das eigene Ich stellt sich dann das Verhältnis von Innerem und Äußerem jedenfalls anders dar als für Andere. Denn für die interne Position der eigenen Subjektivität ist dann das Äußere nicht "eine Art Schneckenhaus", das die Geisteszustände lediglich wie die Schnecke im Schneckenhaus verbergen kann (S. 49), also nicht derart, daß damit eine prinzipielle oder logische Privatheit der Geisteszustände verbunden wäre. Die im Bild des "Schneckenhauses" nur mögliche Verborgenheit des Inneren trifft auf den Begriff des cartesianischen Inneren nicht zu, selbst wenn dieses für das Ich sprachlich artikuliert ist. Umgekehrt, in Wittgensteins Paradigma von Innerem und Äußerem ist das Innere nicht deswegen verborgen, "weil es das Innere ist" (S. 49), sondern weil häufig, also kontingenterweise keine hinreichenden öffentlichen Ausdruckskriterien zur Verfügung stehen, es zu erkennen. Massiv kommt dieser Paradigmenwechsel vom internen Bewußtseinsparadigma des eigenen Erlebens, Denkens und Sprechens zum externen Sprachparadigma der Beschreibung, Beurteilung und Bewertung des als Äußeres vorliegenden Fremd-Seelischen, das mit dem Eigen- Seelischen auf gleicher Stufe steht, immer dann zum Ausdruck, wenn Wittgenstein verlangt, die "Beispiele, die Philosophen in der 1. Person geben ..., in der 3., zu untersuchen" (S. 61). Doch andererseits weiß Wittgenstein natürlich, daß er damit ein ganzes Phänomenfeld, nämlich das des eigenen Erlebens und Sprechens, ausblendet, obwohl letzteres immer auch als Phänomen in der Außenperspektive existiert. Ausgeklammert bleibt der auch sprachanalytisch relevante Sachverhalt, daß ich "zu meinen eigenen Worten eine ganz andre Einstellung als die Andern" habe (S. 21). Allerdings findet sich bei Wittgenstein zugleich die Forderung, daß man "die Begriffe 'Schmerzen haben' und 'Schmerzen heucheln' in der DRITTEN UND [!] ERSTEN Person betrachten" muß (S. 53). Für die Ich-Perspektive des eigenen sprachlichen Erlebens stellt sich natürlich die Frage "Interesse für Innen oder Interesse für Außen?" anders. Denn in dieser Perspektive dominiert das Interesse für das eigene Innere. Und selbst wenn dieses eigene Innere nicht vorsprachlich oder sprachfrei im Sinne eines Dualismus von Geist und Körper aufzufassen ist, sondern ein immer schon sprachlich strukturiertes, gegebenes und realisiertes Inneres ist, selbst dann besteht hier nicht nur die Nötigung nicht, das Innere auf das Äußere zu reduzieren. Sondern das von einem selber erlebte und sprachlich geäußerte Innere ist dann auch von kategorial anderer Struktur, als wenn es lediglich von Anderen extern beschrieben wird, die es darin gerade nicht erleben und äußern. Dann hat aber das Seelische im eigenen sprachlichen Erleben einen Wirklichkeitsstatus, der im sprachlichen Verhalten unausdrückbar ist: Die Handlung des Erlebens und sprachlichen Äußerns ist extern nicht beschreibbar. Sie kann nur selber vollzogen werden und ist insofern ein exklusiv begriffliches Inneres. Die Semantik der psychologischen Ausdrücke in der Erste- Person-Perspektive hat dann aber eine Eigenständigkeit, die nicht bloß mit der Semantik des Äußeren nicht verwechselt werden darf, sondern die auch von der Semantik der psychologischen Ausdrücke in der Dritte- Person-Perspektive verschieden ist. Genau dies scheint nicht zuletzt ein Grund dafür zu sein, daß Wittgenstein an dem Typenunterschied der Begriffe von Innerem und Äußerem festhält, ja festhalten muß, so daß er durchaus begrifflicher, ontologischer sowie grammatischer Dualist ist. Und dies gilt selbst dann, wenn auch in der Perspektive der Ersten Person zwischen Innerem und Äußerem notwendig eine sprachliche Verbindung besteht, der Dualismus ihres Selbstverständnisses also nicht nur im vorsprachlichen cartesianischen Sinne interpretierbar ist. Auch in der Erste-Person- Perspektive ist dann das eigene Erleben notwendig sprachliches Verhalten oder Benehmen. Allerdings in einer Art, die den eigenen sprachlichen Erlebnisvollzug als logisches Inneres ausweist. Nur auf diese Weise kann Wittgenstein die cartesianischen Kriterien des Dualismus bzw. der res cogitans, so vor allem die vorsprachliche Privatheit, unterlaufen und kritisieren, ohne das Innere aufs Äußere zu reduzieren. Auch in der Erste-Person-Perspektive und der Selbstzuschreibung interner Phänomene ist es dann so, daß das eigene "Gesicht ... die Seele des Körpers" ist *2*, ohne daß Wittgenstein den Typ der Identität in dieser Identitätsthese näher erläutert. Sie kann ja weder eine Reduktion der Seele auf das Gesicht besagen, noch eine Art Leibnizscher Identität sein; denn die Eigenschaften des Gesichts sind nicht solche der Seele. Deswegen muß ich keineswegs mein Gesicht anschauen, um zu wissen, in welchem seelischen Zustand ich mich befinde. Zudem ist der Ausdruck meines Seelenzustandes in meinem Gesicht kategorial von jedem leiblichen oder sprachlichen Ausdruck eines Fremd-Seelischen verschieden, weil ich letztes aus logischen Gründen nicht selber vollziehen und erleben kann. Freilich muß man für diesen Perspektiven-Dualismus im Falle psychologischer Sprachspiele wohl klar feststellen, daß Wittgenstein die Eigenständigkeit der Erste-Person-Perspektive beständig zugunsten der Dritten Person zu reduzieren versucht; so, wenn er immer wieder feststellt, daß die Eigenperspektive sowie all jenes, was sich intern in einem selber abspielt, eigentlich nicht von Interesse für das öffentliche Sprachspiel ist. Andererseits ist es aber gerade Wittgensteins Festhalten an diesem Perspektiven-Dualismus, der ihn immer wieder dazu bewegt, jeden Behaviorismus-Vorwurf zurückzuweisen - was ihn allerdings nicht daran hindert, daß er beständig dazu neigt, die Phänomene des Seelischen nicht nur bei Anderen aus der Außenperspektive der Dritten Person zu analysieren, sondern auch im eigenen Fall. Doch dadurch wird offensichtlich der Eigenwert der Erste-Person-Perspektive massiv reduziert. Auf das Argument des sprachlichen Cartesianismus der Ersten Person ("Ich kann fremde Schmerzen nicht fühlen") ist freilich noch zurückzukommen, weil Wittgenstein den Sinn desselben dann doch letztlich radikal zu kritisieren versucht. Schließlich ist auch nicht zu übersehen, daß diese beiden Perspektiven wiederum von der Wir- Perspektive zu unterscheiden sind, die Wittgenstein nicht erwähnt. Diese Wir-Perspektive ist natürlich jene des gemeinsamen Sprachspiels. Und sie hat auch ihren Eigenwert. "Ich habe Schmerzen" - "Er, sie, es hat Schmerzen" - "Wir haben Schmerzen, wir äußern Schmerzen" - dies sind offensichtlich sprachanalytisch drei unterschiedliche Problemfelder. Und sie gehören alle drei zu jenem ganzen Komplex, der zu analysieren ist. Dann nur dieses "Ganze ist das Instrument, der Begriff" (S. 53). XI. Die Reduktion des Inneren auf die "Rolle der Theorie oder Konstruktion" Für den Unterschied der Erste-Person-Perspektive von der Dritte- Person-Perspektive spricht z. B., daß man von seinen Handlungen und seinem eigenen Leben "im allgemeinen ein klareres zusammenhängenderes Bild ... als der Andre" entwerfen kann (S. 50). Diese Defiziens der Außenperspektive, die darin besteht, daß von ihr aus in der Regel nur ein unvollkommen "kohärenter[] Bericht" über die eigenen Handlungen möglich ist als dann, wenn man selber einen solchen Bericht gibt (S. 50), verführt dazu, diese Defiziens mit einem Rückgriff auf das eigene Innere zu begründen. Und zwar cartesianisch dadurch, daß es dem Anderen nicht zugänglich sei. Mangelnde Kohärenz einer Fremdbeschreibung der eigenen Handlung gründet dann in der Privatheit des eigenen Inneren. Denn die eigenen Absichten, Lebensentwürfe und Lebenspläne, die die eigenen Handlungen in einer kohärenteren Weise beschreiben lassen, etwa mittels eines komplexen Geflechtes von Mittel-Zweck-Relationen -, diese eigenen mentalen Zustände stehen dem Anderen ja nicht zur Verfügung. Sie sind privat und dem Anderen verborgen. Diese Konsequenz sucht Wittgenstein zu vermeiden. Er muß die allgemeine Defiziens der Kohärenz der Außenbeschreibung der eigenen Handlungen anders erklären. Zwar will er dabei wohl "das Innere" der eigenen Absichten, Zwecksetzungen und Wertungen berücksichtigen. Aber er muß es uminterpretieren. Dies versucht er derart, daß er dem "Innere[n] die Rolle der Theorie oder Konstruktion" beilegt (S. 50). Das Innere hat dann die Funktion, gleichsam einen umfassenden und angemessenen Ordnungsrahmen der eigenen Handlungsbeschreibungen zu geben, der die einzelnen Handlungen zu einem "verständlichen Ganzen ergänzt" (S. 50). Über die Möglichkeit einer vollständigen Handlungsanordnung und Konstruktion verfügt der Andere in der Regel zwar nicht. Aber dies bedeutet nicht, daß ihm mein Inneres verborgen wäre. Sondern dieses Innere hat durchaus eine öffentliche Funktion; nämlich meine Handlungsbeschreibungen in eine systematische Ordnung zu bringen oder eine umfassende Art zu beschreiben, das Leben zu konstruieren. Und diese Funktion ist auch für den Anderen operabel - allerdings normalerweise in einer defizienten Weise. Darin ist jedoch mein Inneres als öffentlicher Ordnungszusammenhang mit dem Äußeren meiner Handlungen begrifflich verknüpft. Gleichwohl besteht ein Unterschied, nämlich darin, ob ich selbst oder ein Anderer diesen Zusammenhang konstruiert. Meine eigene "Konstruktion" ist normalerweise "kohärenter". Und dieser Unterschied wird durch die Begriffe "Inneres- Äußeres" gekennzeichnet, die der Cartesianer falsch interpretiert. Offensichtlich ist auch dies wiederum eine Unterbestimmung des Begriffes vom eigenen Inneren. Denn den internen Konstruktionszusammenhang kann zwar nicht nur ich in meine Handlungen bringen - dem Anderen ist dies gleichfalls, wenn auch oft mit geringerem Erfolg, möglich. Doch dies gilt nur mit einer weiteren Einschränkung. Nämlich der, daß für den Anderen meine Zielsetzungen und Lebenspläne entweder aus seiner systematischen Konstruktion meiner Handlungen herausfallen, weil für ihn mein "Inneres" nur die Bedeutung einer solchen Konstruktion hat. Oder aber meine Seelenzustände und - vorgänge werden darin vom Anderen berücksichtigt. Dann kann die Bedeutung des Ausdruck "Inneres" jedoch nicht nur das "verständliche Ganze" meiner Handlungen sein. Andernfalls läge dann doch eine behavioristische Verkürzung des Inneren auf einen erlebnisneutralen, begrifflichen Ordnungsrahmen von Handlungen vor, was nicht zuletzt einer Art Entmündigung und Negation der eigenen Freiheit und Autonomie gleich käme. Daraus resultiert in der Regel auch, daß der eigene Ordnungsentwurf des Handlungszusammenhanges eine Korrekturfunktion gegenüber der fremden Konstruktion hat. Diese Dominanz der Perspektive der Ersten Person gegenüber der externen Er-Perspektive scheint gerade auch dann zu bestehen, wenn der eigene Bericht und der fremde Bericht über den Zusammenhang der eigenen Handlungen "zu einem verständlichen Ganzen" übereinstimmen. Denn das Übereinstimmungskriterium bleibt an die eigene Person rückgebunden. Darüber hinaus läßt sich dann auch die Einsicht nicht mehr abweisen, daß der Grund für die Dominanz der kohärenteren Handlungsordnung, die der Eigenperspektive der Ersten Person zukommt, nach wie vor in einem privilegierten Zugang zum eigenen Inneren liegt, auch wenn dieses sich in dem Verhalten öffentlich ausdrückt. Der Andere kennt dieses eigene Innere dann zwar nicht ausschließlich als "Theorie" oder "Konstruktion" von Handlungsbeschreibungen zu einem "verständlichen" Lebensganzen. Er kennt es darin auch insofern, als er in einer solchen "Konstruktion" auf die Äußerung von Absichten, Zwecksetzungen und Wertungen zurückgreifen kann, ja muß. Doch das eigene innere Leben, d.h. die eigenen Erlebnissvollzüge des Überlegens, Wählens von Zielsetzungen und Entscheidens samt der eigenen Handlungensrealisierung, kann der Andere aus begrifflichen Gründen nicht kennen. Diese interne Verwirklichung meiner selbst im Handeln und Leben gehört für mich jedoch auch bzw. primär zur Bedeutung des "Inneren". Diese Bedeutung existiert aber nur in der Ich-Perspektive, so daß sich in ihr der Cartesianismus des "Inneren" wieder einstellt. Wenn Wittgenstein hinzufügt, daß meine "Gedanken ... ihm [dem Anderen, etwa in dessen Konstruktion meines Handlungszusammenhanges] nicht verborgen, sondern nur auf eine andre WEISE offenbar [sind], als sie's mir sind" (S. 50), dann verschiebt sich natürlich das Problem auf diese unterschiedliche Art und Weise der Öffentlichkeit des Inneren. Dies kann für Wittgenstein ja nicht heißen, daß das eigene Innere mir als Erlebnis offenbar ist, während es dem Anderen nur als Konstruktions- oder Ordnungszusammenhang in den Handlungsbeschreibungen zugänglich ist. Denn dann läge darin eine äquivoke Verwendung von "Gedanken" als Inneres" offenbar. Aber Gedanken in ihrem Ausdruck als Ordnungszusammenhang von Handlungen kennen und beschreiben oder sie darin auch als Handlungsregulativ und Zwecksetzungen über Mittel-Reihen äußern und verwirklichen - ist dies nicht kategorial verschieden? Der Andere kann meine Gedanken als finale Regulative meiner Handlungen nicht praktizieren oder verwirklichen, sondern nur beschreiben. Diese finale Verwirklichung ist dann aber etwas, das als bewußte Handlung dem Anderen prinzipiell verborgen bleibt, also keine lediglich "andre WEISE" der Offenbarkeit darstellt. Die finale Handlungsrealisierung meiner Absichten, Wünsche, Interessen usw., die zu dem geordneten Ganzen meiner Lebensführung führt, ist ihrerseits nicht auch ein öffentlicher, und d.h. von Anderen prinzipiell praktizierbarer Vorgang. Insofern ist sie mir keineswegs lediglich auf eine "andere Weise" zugänglich, als dem Anderen, sondern sie ist diesem gar nicht zugänglich. Der Begriff meines eigenen internen Lebens und sprachlichen Handelns hat aus logischen Gründen keine semantische Intersubjektivität. Dann ist aber das eigene Innere begrifflich nicht mit dem Äußeren verknüpfbar - was der These Wittgensteins widerspricht. Demgegenüber möchte Wittgenstein am Dualismus von Erlebnis (oder Gedanken) und Benehmen (oder Ausdruck) festhalten, beide aber derart begrifflich miteinander verknüpfen, daß es keinerlei begriffliche Privatheit des eigenen Inneren gibt - auch nicht dann, wenn man die eigenen Lebensvollzüge und intentionalen Handlungsrealisierungen als ein derartiges "Inneres" auffaßt. Schließlich darf natürlich bei all dem nicht übersehen werden, daß auch dieser sprachliche Cartesianismus samt seiner Wittgenstein-Kritik in der öffentlichen Sprache formuliert ist. Insofern ist er durch eine strukturelle Paradoxie gekennzeichnet, so daß das Reden "von LOGISCHEM Verstecktsein ... eine schlechte Interpretation" ist (S. 50), weil man ja über das (kommunikativ) spricht, was "versteckt" ist. Aber letztere vermeiden, dies hieße wiederum, den Eigenwert der Ich-Perspektive vernachlässigen. XII. "Das Innere ist uns verborgen" In dieser These ist das übliche Privatheitsverständnis des eigenen Inneren formuliert. Wittgenstein kann nun diesen Satz nicht als Unsinn abqualifizieren, und nicht nur dies. Der Satz hat auch in seiner Konzeption einen Sinn. Darüber hinaus geht Wittgenstein sogar soweit, diesen Sinn als in gewisser Weise wahr aufzufassen. Es ist in der Tat so, daß das fremde Innere uns verborgen ist. Doch wenn Wittgenstein die private Bedeutung dieses Satzes bestreitet, muß er ihn als sinnvollen und wahren Satz anders verstehen. Wesentlich für diesen Satz ist die in ihm zum Ausdruck kommende "Asymmetrie". Sie besteht darin, daß dem "Besitzer" des Inneren dieses "nicht verborgen" ist (S. 52), während dies für den Anderen der Fall ist. Derartige Sätze gehören zu unserem psychologischen Sprachspiel, und sie formulieren unterschiedliche Sachverhalte für die Erste- und Dritte-Person-Perspektive. Wie versteht Wittgenstein nun diese Asymmetrie? Daß das Innere dem Besitzer nicht verborgen ist, besagt nach seiner Auffassung, "daß ER ES ÄUSSERT" (S. 52). Damit ist eine fundamentale Asymmetrie oder Ungleichheit gegenüber dem Anderen, der diese Äußerung wahrnimmt, verbunden. Denn der Andere äußert natürlich das fremde Innere nicht. Darüber hinaus ist er in der Situation, daß er dieser Äußerung glauben kann oder nicht, was wiederum von "gewissen Bedingungen" abhängt (S. 52). Und wenn diese Bedingungen eindeutig sind, z.B. weil es den "UNVERKENNBAREN Ausdruck der Freude" gibt (S. 48), dann gibt es für den Anderen im Falle einer Äußerung von Fremd-Seelischem "den Irrtum nicht" (S. 52). Für den Besitzer jedoch ist es sinnlos, seiner Äußerung des Inneren selber "Glauben schenken" zu wollen (S. 52). Und verbunden damit ist es gleichfalls nicht sinnvoll, sich selber gegenüber für seine Äußerungen des Inneren die Möglichkeit des Nichtglaubens einräumen zu wollen. Der Besitzer ist sich der Äußerung seines Inneren sicher. Damit hat Wittgenstein eine asymmetrische Struktur im Sprachspiel der Äußerung des Seelischen aufgedeckt. Offensichtlich betrifft diese Asymmetrie die unterschiedliche Einstellung zur Äußerung von Innerem im eigenen und im fremden Fall. Und diese Asymmetrie der Einstellung gegenüber der Äußerung von Innerem möchte Wittgenstein offensichtlich identifizieren mit der Bedeutung des Satzes "Das Innere ist dem Andern verborgen" - was dann so viel bedeuten soll wie, daß der Andere das fremde Innere nicht äußert. Positiv formuliert: Wittgenstein reduziert die Bedeutung von "Privatheit des fremden Inneren" auf eine Reaktionsweise des Anderen, die auch interner Art - etwa ein "Glauben" sein kann. Denn diese Reaktionsweise gibt es in der Tat für den Besitzer des Inneren nicht, wie auch umgekehrt seine Handlungsweise nicht die des Anderen ist. Jene ist in seinem Falle oder aus der Erste-Person-Perspektive unsinnig. Zweifellos handelt es sich bei dieser Handlungs- und Reaktionsweise um "einen Zug des SPRACHSPIELS, der die Idee von privat- oder verstecktsein nahelegt" (S. 52). Aber diese "Idee" wird von Wittgenstein auf eine unterschiedliche Einstellung und Verhaltensweise im Sprachspiel selber reduziert. Reicht dies aus? Liegt in dieser Asymmetrie der Spielzüge des psychologischen Sprachspiels, die zweifellos der Fall ist, die vollständige Bedeutung des Satzes: "Das Innere ist uns verborgen"? Auch wenn man Wittgenstein zustimmt, daß die Aussage, der Andere könne das Innere "in sich verstecken", "wieder falsch" ist (S. 52), weil selbst ein derartiges Verstecken sich im öffentlichen Benehmen ausdrückt, so daß das Innere gerade nicht versteckt ist, wie etwa im Falle des Heuchelns -, selbst dann scheint Wittgensteins Sinn- Reduktion des Ausdrucks "Verborgenheit des Inneren" unbefriedigend. Gewiß, "das Seelische [hat] seinen Ausdruck im Körperlichen" (S. 93 vgl. S. 54, 113); ja, der Körper ist das "beste Bild der menschlichen Seele" (Philosophische Untersuchungen, Teil II, Kap. IV), und: "Das Gesicht ist die Seele des Körpers" (Vermischte Bemerkungen, S. 56) - aber nur der Besitzer des Inneren ist in der Lage, das Seelische in seinem Gesicht zu "äußern", in seinem Körper quasi abzubilden oder zwischen beiden derart eine Identität herzustellen, daß sein Schrei seine Schmerzen ausdrückt, weil nur er selbst seine seelischen Phänomene erlebt und (für Andere) äußert. Und dies gehört gleichfalls als konstitutives Element zum psychologischen Sprachspiel und damit zur Bedeutung der "Verborgenheit des Inneren". Wenn es aber kein interpersonal gemeinsames Erleben und leiblich-sprachliches Äußern des Eigen-Seelischen gibt, dann existiert für mich und den Anderen auch kein identisches seelisches Phänomen, zu dem wir eine unterschiedliche Einstellung interner und externer Art haben. Dann ist schließlich auch die "Verborgenheit" des Eigen-Seelischen nicht als eine derartige Asymmetrie interpretierbar - so müßte die cartesianische Kritik an Wittgensteins These lauten, die dann freilich in der Überzeugung einer begrifflichen Privatheit des Eigen-Seelischen wurzelt. Infolge der skizzierten Asymmetrie ist der Satz "ER schreit, wenn er Schmerzen hat, nicht ich" (S. 52) kein "Erfahrungssatz", sondern ein grammatischer Satz. Dieser Satz beruht nicht auf bisherigen Erfahrungen, die ich mit anderen Personen und ihren Schmerzen gemacht hätte, derart, daß ich bisher quasi feststellte, daß in all diesen Fällen immer nur die betroffenen Personen schreien, dagegen "nicht ich". Vielmehr handelt es sich um einen grammatischen Satz, der eine bestimmte Regel der Verknüpfung von Ausdrücken formuliert. Und zwar schließt diese Regel aus, daß der Satz "Er hat Schmerzen" mit dem Satz "Ich äußere diese Schmerzen" verknüpfbar ist. Dies bedeutet ja nicht, daß ich nicht in einer anderen Weise als in der grammatisch ausgeschlossenen Schmerzexpression, nämlich in Form der Schmerzbeschreibung oder auch Schmerzfeststellung, auf fremde Schmerzen Bezug nehmen könnte. Die Frage ist freilich, ob Wittgensteins Argumente ausreichen, diese Asymmetrie der Schmerzäußerung, formuliert im grammatischen Satz zu begründen. Ohne Zweifel ist sie ein wesentliches Element unseres interpersonalen Begriffes von "Schmerz" bzw. des Seelischen, so daß dieser eine allgemeine, öffentliche Bedeutung hat. In der Perspektive der Dritten Person ist es in der Tat so, daß wir über denselben Begriff von "Schmerz" verfügen, den wir Personen (uns selber eingeschlossen) zuschreiben, auch wenn dies in asymmetrischer Weise geschieht. Und es ist gewiß auch so, daß es die "Schmerzzeichen und das Schmerzbenehmen" sind, die diesen Begriff mitbestimmen (S. 53). Doch möglicherweise ist dies keine hinreichende, weil primär behavioristische Bestimmung der Bedeutung von "Schmerz", die die Erste-Person-Perspektive ausklammert. Und auch Wittgenstein geht natürlich davon aus, daß es den Schmerz als "Erlebnis" gibt (S. 60). Doch dessen interne Phänomenologie in der Ich-Perspektive legt er nicht vor. Auf ein Erlebnis als ein individuelles Vorkommnis im Menschen kann man mit dem Indikator-Ausdruck "dies" Bezug nehmen. Wittgenstein mag nun zunächst zu Recht die Konsequenz abwehren, die man daraus ziehen möchte, nämlich daß man eben "DIES" (das Schmerzerlebnis) quasi als "Ding" "im Andern nicht mit Sicherheit feststellen kann" (S. 60). Denn mit "dies" nehmen wir auch auf beliebige äußere individuelle Dinge oder Sachverhalte Bezug, ohne daß aus der Art dieser Bezugnahme sowie aus der Individualität derartiger Phänomene irgend etwas für die Sicherheit oder Unsicherheit, Privatheit oder Öffentlichkeit der Feststellung folgte. Wittgenstein wehrt zu Recht auch die umgekehrte Konsequenz daraus ab; nämlich, daß das Schmerzerlebnis wie jedes andere "Ding" leicht benennbar und sein Begriff auch "leicht faßlich ist" (S. 60). Aus der scheinbaren Gleichheit der sprachlichen Bezugnahme im Indikator "dies" auf Schmerzerlebnisse wie auf physische Dinge folgt insofern nichts bezüglich der Frage, ob es in dem , worauf wir dabei mit "dies" Bezug nehmen, nicht kategoriale Unterschiede gibt. Der "Begriff 'Schmerz'" wird dadurch in keiner Weise "untersucht" (S. 60), sodaß ein Cartesianer die mögliche indikatorische Bezugnahme aus Erlebnisse durch das hinweisende "DAS" etwa nach dem Stechen mit einer "Nadel" (S. 45) nicht als Argument für ein "logisches Verstecktsein" verwenden kann. Aber zum Schmerzbegriff gehört inhaltlich ebenso das Schmerzbenehmen wie das Schmerzerlebnis. Und wenn zum grammatischen Bedeutungsgehalt von "Schmerz" auch gehört, daß nur der "Besitzer" dieses Gefühls es asymmetrisch äußern kann, weil nur er es erlebt, ist dann das Erlebnis des Schmerzes und seine Äußerung nicht etwas, das als Gefühl und Handlung dem Anderen prinzipiell nicht zugänglich ist, weil er die fremde Ich-Perspektive nicht einnehmen kann? Die grammatische Asymmetrie hätte dann auch einen cartesianischen Grund. In seinen letzten Bemerkungen ist Wittgenstein auf dieses entscheidende Argument: "Das fremde Innere ist uns verborgen - weil wir es nicht selber erleben" nicht zufällig noch einmal zurückgekommen. Aber auch dort kann er es, wie sich noch zeigen wird, nicht entwerten. Anders läge natürlich der Fall, wenn man unmittelbar beschreiben könnte, wie "das Nervensystem des Andern" funktioniert, und dies die Basis für unser "Verhalten zum andern" wäre (S. 57). Allerdings würden solche "Menschen" dann in ihrem Sprachspiel nicht über Schmerzerlebnisse verfügen und deren Äußerungen. Sie hätten in der Tat "gar nicht unsern Schmerzbegriff". Aber dann wäre auch ihr Leben "GANZ ANDERS... als das UNSRE" (S. 57). Offenbar ist gerade das Erlebnis und das Schmerzgefühl das Wichtige in unserem Schmerzbegriff. Und dieser Erlebnisbegriff ist einer der "Grundbegriffe", der unsere "Lebensweise" kennzeichnet, so daß auch "ein Gesetzgeber den Schmerzbegriff" nicht "abschaffen" könnte (S. 60). Dann ist aber auch die Ich-Perspektive für unseren Erlebnisbegriff quasi juristisch konstitutiv. XIII. Schmerzbenehmnen als "Evidenzkriterium" Immer wieder stellt Wittgenstein fest, daß es "den UNVERKENNBAREN Ausdruck" seelischer Erlebnisse, wie Freude oder Schmerz (S. 48), gibt, bzw. daß "es einen ursprünglichen echten Schmerzausdruck gibt" (S. 77). Dieser Ausdruck hat für uns den Charakter einer "Evidenz" (S. 77). Die Sicherheit dieser Evidenz betrifft dabei nicht das fremde Benehmen, sondern den Sachverhalt, daß es "Erscheinung[]" ist von "etwas Wichtige[m]", nämlich einem fremden Erlebnis (S. 77). Die Sicherheit dieser Evidenz ist darin begründet, daß der Schmerzausdruck "nicht gleichermaßen mit dem Schmerz und der Verstellung verbunden" ist (S. 77). Die echte Äußerung von Schmerzen ist insofern das Primär- Phänomen gegenüber der Verstellung. Nur deshalb können wir auch ein "Kind den BEGRIFF [Schmerz] LEHREN " (S. 78). Denn man lehrt es (auch) diese Evidenz. Dies besagt jedoch nicht, daß wir auch notwendig über ein "sicheres Kriterium" einer solchen Evidenz verfügten (S. 116). Im Gegenteil, wir können "ganz sicher sein" hinsichtlich der Erlebnisse einer anderen Person aufgrund ihrer Äußerungen und doch keine "sicheren Kriterien" für diese Evidenz haben (S. 116). Unsere Evidenz ist insofern etwas, das wir nicht weiter begründen können. Weil wir nun zwar über Sicherheit, aber nicht auch notwendig über sichere Kriterien für das Fremdseelische verfügen, können wir auch nicht sagen, daß wir um das Fremdseelische wüßten; "meine absolute Sicherheit wird... nicht ein WISSEN bedeuten" (S. 117). Daß wir hinsichtlich des Fremdseelischen absolut sicher sein können, ohne daß wir deshalb auch darum wüßten, ist nach Wittgenstein jedoch nicht darin begründet, daß es keine "zwangsläufig[e]" Verbindung zwischen dem Benehmen eines Menschen und seinem Inneren gibt (S. 117). Sondern wenn wir von Wissen sprechen, dann beruht dies auf anderen Regeln, als wenn wir von der Sicherheit der Evidenz sprechen. Sicherheit des Wissens muß z.B. wie in der Physik, durch "Experiment[e]" oder durch mathematische "Berechnung" (S. 117) begründet sein. Eine solche Begründungsmöglichkeit hängt von hinreichenden Fakten und logischen Zusammenhängen ab. Im Falle des Fremd-Seelischen läge eine solche Begründungsmöglichkeit, die die Verwendung von "Wissen" rechtfertigte, nur dann vor, wenn uns der gesamte Lebenskontext und alle Umstände des Anderen bekannt wären, so daß wir aus ihnen "zwangsläufig" eine Äußerung als Äußerung etwa der Freude auffassen müßten. Dann hätten wir nicht nur "absolute Sicherheit" über seinen Gemütszustand, sondern wir könnten diese Sicherheit auch als ein "Wissen" auffassen. Wir könnten daraus "Schlüsse" ziehen, die dann auch "für Alle gelten" würden (S. 117). Doch über eine solche Begründung unserer Evidenz verfügen wir nicht, weshalb wir letztere auch nicht als ein "Wissen" um Fremd-Seelisches ausgeben dürfen. Das Fehlen sicherer Kriterien dafür, daß sich im fremden Benehmen bestimmte seelische Erlebnisse ausdrücken, negiert dann insofern keineswegs unsere Sicherheit bezüglich des fremden Erlebnisses. Es handelt sich deshalb um eine Sicherheit, die dennoch kein Wissen bedeutet. Ist unsere Sicherheit in allen Fällen des Fremd-Seelischen die Sicherheit "über etwas Äußeres" (S. 117), und zwar über Erlebnisausdrücke, dann gilt dies auch für unsere Unsicherheit. Letztere ist demnach nicht darin begründet, daß wir über das Fremd- Seelische deswegen unsicher wären, weil es etwas "Inneres" wäre. Eine solche cartesianische Begründung der Unsicherheit ist unzutreffend. Daß sie nicht korrekt sein kann, geht auch daraus hervor, daß sich an der Art unserer Kommunikation und intersubjektiven Praxis im Sprachspiel überhaupt nichts ändern würde, wenn "alle Menschen immer über die Gefühle des Andern unsicher wären" (S. 116). Wäre Seelisches prinzipiell privat, müßten wir eine solche generelle Unsicherheit annehmen. Doch hätten wir eine solche - kontrafaktische - Unterstellung bisher gemacht, so hätte sie an unserem intersubjektiven psychologischen Sprachspiel und unserer gemeinsamen Lebensform bisher nichts geändert und änderte auch weiterhin nichts. Ein cartesianischer, allgemeiner Zweifel hätte insofern keinerlei praktische Bedeutung für unser psychologisches Sprachspiel. Er wäre darüber hinaus nicht nur mit diesem kompatibel. Er hätte vielmehr auch dieselbe Funktion wie unsere prinzipielle Sicherheit bezüglich des Fremd-Seelischen. Unsere Unsicherheit bezüglich des Fremd-Seelischen kann dann aber auch keine prinzipielle sein, die in der Privatheit eines Inneren begründet wäre. Die "Regeln der Evidenz" des Inneren oder der Erlebnisse sind insofern auf Grund unserer kommunikativen Praxis Regeln der Evidenz des Ausdrucksverhaltens - und darauf "richten wir unser Augenmerk" (S. 119). Nicht zuletzt besagt das Fehlen der sicheren Kriterien, daß man einen "echten Ausdruck" immer eindeutig beschreiben kann oder eindeutig "erkennt" (S. 85). Es gibt darüber hinaus keine ausschließende Alternative von "Echtheit und Unechtheit... eines Gefühlsausdrucks" (S. 119), sondern eine ganze Palette von vagen Verknüpfungen beider "wesentlichen Merkmale" (S. 119). Und wenn es sogar so sein kann, "daß ein Mensch die Zeichen der Freude von sich gäbe und sich dann in ganz unerwarteter Weise benimmt" (S. 120) und daß wir dennoch sicher wären über seine Freude, dann ist der Begriff des Kriteriums auch auf diese handlungskonträre Evidenz und ihre Sicherheiten nicht mehr anwendbar. Es ist in der Tat eine "äußerst komplizierte[] Weise", in der die "äußeren Zeichen" Erlebnisse ausdrücken (S. 82). Neben dieser These des Fehlens sicherer Kriterien, ja bisweilen eines Kriteriums überhaupt für die Erkenntnis des Fremd-Seelischen mit Hilfe des Benehmens, was jedoch die subjektive Sicherheit darüber nicht ausschließt, was allerdings auch nicht dazu berechtigt, von einem Wissen des Fremd-Seelischen zu sprechen - neben dieser Theorie finden sich bei Wittgenstein noch andere Überlegungen zum Evidenzproblem. So ist diese Evidenz immer an die Dritte-Person-Perspektive gebunden; "er hat dafür [für mein Seelisches] Evidenz, ich (aber) nicht" (S. 92). Für die eigenen seelischen Erlebnisse stellt sich die Evidenzfrage gar nicht. Denn sie werden von einem selber erlebt und (sprachlich) ausgedrückt. Der Umweg über äußere Zeichen des Benehmens ist nicht erforderlich, ja sinnlos, um selber sicher zu sein. Die betroffene Person hat also nicht einmal eine "direkte Evidenz" für ihr Seelisches, während ein Anderer nur eine "indirekte" hätte (S. 92). Sie hat vielmehr gar keine Evidenz, also auch keine "innere unmittelbare" (S. 92). Dann kann aber auch die Evidenz anderer Personen über Fremd-Seelisches nicht bloß eine "äußere, mittelbare" sein (S. 92), Denn den dazu erforderlichen Gegensatz zu einem anderen Evidenztyp im eigenen Falle gibt es nicht. (Offensichtlich sind Wittgensteins Überlegungen zum Problem psychischer Evidenz sowie auch zur Möglichkeit des Wissens um Seelisches nicht einheitlich und kohärent - vgl. Kap. III und VI). Wenn die Evidenz über Fremd-Seelsiches "unsicher" ist, dann auch nicht deshalb, weil sie nur eine "äußere mittelbare" wäre (S. 92). Ihre Unsicherheit betrifft entsprechend nicht das fremde Innere, sondern "seinen Ausdruck im Körperlichen" (S. 93), so daß unsichere Evidenz über Fremdseelisches eine "Unsicherheit über Äußeres" ist (S. 93). Daß wir demnach in der Dritte-Person-Perspektive häufig gar keine Evidenz über das Fremdseelische haben oder nur eine unsichere, wird von Wittgenstein gerade nicht cartesianisch damit erklärt, daß wir keinen Zugang zu diesem Fremdseelischen hätten bzw. die betroffene Person einen privilegierten. Diese Argumentation beruht wiederum auf Wittgensteins genereller These, daß es "das Seelische" nur insofern gibt, als es "seinen Ausdruck im Körperlichen" hat, auch wenn wir sehr oft nicht angeben können, welchen Ausdruck und weshalb wir über das fremde Äußere unsicher sind (S. 93). Auch in diesem Zusammenhang geht Wittgenstein soweit, daß er eine semantische Uminterpretation des "Verhältniss[es] vom Inneren zu Äußerem" vornimmt. Wenn er das übliche cartesianische Verständnis dieses Verhältnisses ablehnt, dann auch die Auffassung, daß es dieses Verständnis sei, das unsere "Unsicherheit der Evidenz" in der Erkenntnis des Fremd-Seelischen begründe. Bezeichnenderweise interpretiert Wittgenstein die Bedeutung jenes Ausdrucks derart um, daß es - umgekehrt - unsere "Unsicherheit der Evidenz" sein soll, die wir "bildhaft[]" darzustellen versuchen, indem wir von einem "Verhältnis von Innerem zu Äußerem" sprechen (S. 93). Die "bildhafte Darstellung" unserer Unsicherheit mit Hilfe eines fremden Inneren und seines Verhältnisses zum Äußeren scheint freilich wiederum eine behavioristisch-reduktionistische Uminterpretation zu sein, selbst wenn das ausschließlich räumliche Bild des Inneren die Semantik des "seelischen Erlebnisses" verfehlt. Denn dann müßte es ja auch nur eine "bildhafte Darstellung" sein, wenn wir davon sprechen, daß das Seelische seinen "Ausdruck" im Körperlichen findet. Und auch letzteres wäre nur fälschlich, weil in "bildhafter Darstellung", ein "Äußeres". Darüber hinaus träfe diese Kritik nicht nur auf Wittgensteins eigenen "Begriff vom Inneren" zu. Denn auch dieser impliziert ein (bildliches) Verhältnis zu dem vom Äußeren. Vielmehr wäre auch die phänomenale Kennzeichnung des Seelischen insgesamt als etwas "Inneres" gänzlich verfehlt oder eine grammatische Fehldeutung unserer häufigen Unsicherheit bezüglich des Seelischen. Umgekehrt, wenn diese Unsicherheit nur fremdes Benehmen betrifft, genauerhin seine Ausdrucksfunktion, welche Art von Phänomen soll sich dann in ihm zeigen bzw. in ihm "erscheinen", wenn wir dieses Phänomen ausschließlich als Ausdrucksphänomen auffassen, ihm also nicht auch unabhängig vom Ausdruck eine Art phänomenal eigene Wirklichkeit beilegen? Um "Inneres" kann es sich dabei ja nicht handeln. Ist schließlich nicht auch unsere eigene "Unsicherheit" bezüglich des Fremd-Seelischen etwas "Inneres"? So mangelhaft das "Bild 'außen- innen'" (S. 95) auch ist, weil es metaphysische Mißverständnisse suggeriert, es ist nicht die Konsequenz eines falsch interpretierten, unterschiedlichen Gebrauchs psychologischer Ausdrücke, sondern liegt umgekehrt diesem Gebrauch zugrunde. Andernfalls - wenn er "das Bild vom Innern und Äußern ... NICHT" gebraucht (S. 42f.), weil die "Einstellung zur Seele" nur eine bestimmte gemeinsame Lebensweise besagte - müßte Wittgenstein dann nicht die eigenen Voraussetzungen seiner Untersuchung in Zweifel ziehen, so vor allem seine These einer "begrifflichen Verbindung von Innen und Außen"? Und noch eine interessante These verknüpft Wittgenstein mit seiner Untersuchung über die Evidenz des Fremd-Seelischen. Wenn dieses notwendig "seinen Ausdruck im Körperlichen" findet - auch wenn wir sehr oft nur vage kriterielle Begriffe des Ausdrucksverhaltens zur Verfügung haben, um die seelischen Erlebnisse zu bestimmen, sodaß wir einen Anderen selbst dann nicht verstehen, "wenn er sein Äußerstes tut", seine Gefühle "verständlich zu machen" (S. 43), dann liegt die Evidenz darüber, daß sich im fremden Benehmen überhaupt Seelisches ausdrückt, notwendig vor und nie "nur erfahrungsmäßig"; also etwa nur so, "wie ein Symptom mit einer Krankheit" verknüpft ist, das ja nicht notwendig, sondern nur empirisch-kontingent diese Krankheit anzeigt (S. 92). Demgegenüber verfügen wir bezüglich der speziellen Verhaltenskriterien für bestimmtes Fremd-Seelisches lediglich über einen "erfahrungsmäßigen" Zusammenhang von Ausdruck und Erlebnis. Dies folgt aus der These der Vagheit und Unsicherheit unserer Ausdruckskriterien. Das Evidenzproblem hängt demnach ganz entscheidend an Wittgensteins These, daß Seelisches notwendig "seinen Ausdruck im Körperlichen" findet. In analytischen Überlegungsschritten versucht er, diese Überzeugung zu begründen. Wir können nur dann von der Seele eines Menschen sprechen, wenn er erlebnisfähig ist und Gefühle wie Schmerz oder Freude empfindet. Und auch anderer Erlebnisse, wie solche der Erinnerung, der Vorstellung oder der Fähigkeit, "Entschlüsse zu fassen", kann der Mensch nicht fähig sein, ohne den "sprachlichen Ausdruck" (S. 92) Sprachliche Ausdrücke sind aber Teil einer Sprache, die durch "Regelmäßigkeit" bestimmt ist, so daß sprachlichen Ausdrücken Begriffe zugrundeliegen. Und es sind nach Wittgenstein diese Regeln bzw. Begriffe der Sprache, die "unser Leben" durchdringen und in denen sich unser Leben "spieg[elt]" (S. 98). Dann ist es aber ausgeschlossen, daß jemand Schmerzerlebnisse hat und um sie weiß sowie Schmerzäußerungen zeigt, ohne über den Begriff des Schmerzes zu verfügen, und d. h. ohne über einen sprachlichen Ausdruck (S. 98). Andernfalls gäbe es für ihn weder eigene Schmerzerinnerung noch Erkenntnis fremder Schmerzäußerungen noch die Unterscheidung von geheuchelter und echter Schmerzäußerung - all dies setzt eine sprachliche Realisierung und begriffliche Erfassung des Schmerzerlebnisses voraus. Zweierlei sollten diese Überlegungen Wittgensteins allerdings nicht übersehen lassen. Zum einen ist unsere Evidenz bezüglich des Fremd- Seelischen an die Dritte-Person-Perspektive gebunden; genauerhin daran, daß dessen Öffentlichkeit auf das Ausdrucksverhalten beschränkt ist und nicht auch auf den Eigenvollzug des fremden Erlebens. Und zum anderen schließt dies nicht aus, daß in der Ich-Perspektive das Eigen- Seelische nicht nur ein (sprachliches) Ausdrucksphänomen ist, sondern darüber hinaus eine Erlebnis-Innenseite hat, für die es nicht nur kein Evidenzproblem gibt, sondern auch keine Öffentlichkeit. XIV. Sind Wahrnehmungserlebnisse wie visuelle "Gesichtseindrücke" etwas Inneres? Wittgensteins These einer begrifflichen Verbindung von Innen und Außen muß auch für all jene kognitiven Vorgänge, Erlebnisse und Zustände gelten, die wir mit Hilfe unserer sinnlichen Wahrnehmung (Sehen, Hören, Fühlen usw.) vollziehen und haben. Wenn es Begriffe des Inneren gibt, dann müssen diese auch Begriffe von inneren kognitiven Vorgängen und Zuständen sein. Nach einer verbreiteten Auffassung neigen wir dazu, diese kognitiven Begriffe zu einer "Welt des Bewußtseins" zu rechnen, die wir von der "Welt der physikalischen Gegenstände" unterscheiden (S. 99). Unsere "Welt des Bewußtseins" oder des "Geistes" bestünde dann gleichsam aus den Vorgängen und Zuständen unseres Sehens, Hörens, Fühlens usw., die uns unsere "Sinne lehren" (S. 99). Insofern tritt nach dieser Auffassung die physikalische Welt noch einmal, also doppelt auf, nämlich auch als Inhalt der Wahrnehmungserlebnisse im Bewußtsein. Und dieses Bewußtsein besteht wiederum aus derartigen Wahrnehmungserlebnissen, die seine interne "Welt" ausmachen. Nach dieser Auffassung hätte der Satz "Ich sehe einen Baum" nicht nur eine physikalische, sondern auch eine subjektiv-phänomenale Bedeutung, sofern er sich auch auf etwas in der "Welt meines Bewußtseins" bezieht, nämlich auf den Baum als "visuellen Eindruck", "Phänomen" oder "Gesichtseindruck", den dieser Satz dann äußert oder beschreibt (S. 102). Wittgenstein weist diese Auffassung zurück, die die Wahrnehmungserlebnisse oder kognitiven Erlebnisse in einer inneren "Welt des Bewußtseins" ansiedelt. Damit kritisiert er auch die Sinnesdatentheorie mit ihrer verdoppelten Realität von physikalischen Gegenständen und Gesichtseindrücken, visuellen Eindrücken, Phänomenen usw. sowie die entsprechende Semantik von kognitiven Wahrnehmungssätzen als Äußerungen oder Beschreibungen von bewußtseinsimmanenten Wahrnehmungsphänomenen. Eine Argumentation seiner Kritik bedient sich des Lernargumentes. Man lernt nicht, was das Sehen ist bzw. das Seherlebnis oder das Erlebnis des Hörens, sondern man lernt derartige Erlebnisse in konkreten Fällen, also dann, "wenn ICH JETZT sehe, höre etc." (S. 100). Die "Welt des Bewußtseins" besteht aus konkreten Wahrnehmungserlebnissen der Gegenwart, die wir dann nur derart zu einem größeren Ganzen erweitern, daß wir "GLAUBE[N], daß es auch früher so war" (S. 100). Wenn aber die Welt des Bewußtseins dasjenige ist, was in den gegenwärtigen konkreten Wahrnehmungserlebnissen vorliegt, dann kann man diese "Welt" nicht dadurch bestimmen, daß man "mit einer umfassenden Gebärde" auf "ALLES DAS" verweist (S. 100). Doch dann hat es in der Tat keinen Sinn, von einer "'Welt des Bewußtseins'" zu sprechen (S. 100). Wenn aber mein Bewußtsein in den konkreten jeweiligen Wahrnehmungserlebnissen der Gegenwart aufgeht, dann kann dieses Bewußtsein auch nur aus dem bestehen, "Was ich jetzt sehe" (S. 100). Doch was ich sehe, ist ein Baum und nicht einen "visuellen Eindruck[]" oder einen "Gesichtseindruck". Derartige "Phänomene" gibt es in der gegenwärtigen Wahrnehmungssituation nicht (oder bestenfalls als Erklärungsbegriff etwa dafür, daß man den Baum wie generell alle Dinge im Gesichtsraum perspektivisch sieht). Man könnte es zwar ein "Phänomen" nennen, daß man den Baum "richtig als Baum" erkennt. Aber dann bedeutet "Phänomen" nicht einen bewußtseinsimmanenten visuellen Eindruck vom Baum oder ähnliches, sondern daß man darüber erstaunt ist, daß man etwas richtig als Baum erkennt (S. 102). Wenn wir in unseren Wahrnehmungserlebnissen die Gegenstände der physikalischen Welt gleichsam verdoppelt als visuelle Eindrücke oder Phänomene auffassten, die wir dann quasi äußern und beschreiben, wie sollten wir zudem derartige Erlebnisse identifizieren, "vergleichen" oder "Einem... erklären" (S. 100, 102). Wenn wir einen Baum sehen und dies sprachlich ausdrücken, dann handelt es sich dabei nicht um "die Beschreibung eines Phänomens" (S. 102). Denn dann müßten wir es in der Tat "merkwürdig" finden, weil wir ja nicht den wirklichen Baum beschreiben und ihn doch zu sehen vorgeben. Dagegen nennen wir es "merkwürdig", einen Baum zu sehen, "obwohl keiner da ist" (S. 102) - was voraussetzt, daß es eben nicht merkwürdig ist, daß wir den wirklichen Baum normalerweise sehen, also nicht einen Gesichtseindruck desselben. Entsprechend ist es für den Anderen durchaus ein beobachtbares Phänomen, wenn "ICH diesen Gesichtseindruck habe", was jedoch bedeutet, daß er sich auf mein Wahrnehmungsverhalten beschreibend beziehen kann, während ich dabei natürlich keinerlei bewußtseinsinternes Phänomen eines visuellen Gesichtseindrucks "beobachte" (S. 102). Diese Beschreibung meines visuellen Wahrnehmungsverhaltens besagt allerdings nicht, daß darin die Bedeutung von "ich sehe" "nur eine Form des Verhaltens, eine Fähigkeit so und so zu handeln bedeutet (S. 72). Wenn die Psychologie nur eine Beschreibung und Erklärung des Verhaltens ist, dann kann ein Psychologe die Bedeutung des Wortes "sehen" ebensowenig erklären wie dessen Gebrauch lehren (S. 72). Insofern ist die Bedeutung von "ich sehe" auch für Wittgenstein nicht reduzierbar auf visuelles Wahrnehmungsverhalten. Wir müssen sie deshalb als Wahrnehmungserlebnis des Bewußtseins auffassen, als etwas "Inneres". Doch bezeichnenderweise gibt Wittgenstein darüber keine Auskunft. Er erwägt lediglich, daß es vielleicht sinnvoll ist, davon zu sprechen, "daß L. W. diesen Eindruck", etwa den einer visuellen Wahrnehmung, hat, was jedoch nicht bedeuten soll, daß dieser "Eindruck" ein "Phänomen" sei (S. 102). Wittgenstein hat gewiß recht damit, daß es nicht sinnvoll ist zu sagen, mir sei "bekannt daß ich sehe" (S. 103). Offenbar ist das eigene Sehen kein Sachverhalt, von dem man irgendwie Kenntnis haben könnte. Dem entspricht, daß die Bedeutung von "sehen" nicht dadurch bestimmbar ist, daß man auf den Gebrauch dieses Wortes sieht (S. 104). Denn andernfalls wäre die Bedeutung von "sehen" ein beobachtbarer Wortgebrauch samt seinen Regeln. Eine derartige Bedeutung könnte uns durchaus ein Psychologe beibringen. Aber Sehen wäre dann "etwas, was er an den Menschen beobachtet hat" (S. 105). Und dies ist es offensichtlich nicht. Denn man kann nur einem Menschen, der bereits sieht, die Bedeutung des Wortes "sehen" beibringen; weshalb auch "ein Sehender ganz ohne das Wort 'sehen' auskommen" könnte oder jedenfalls - wie ein "normales Kind" - sehr lange ohne ein solches Wort auskommen kann (S. 72). Gibt es also so etwas wie ein apriorisches Wissen darum, daß wir sehen, und stammt dieses Wissen quasi aus unserem Inneren? Wenn Sehen ein Bewußtseinsvorgang ist oder ein inneres Wahrnehmungserlebnis, wie ist dann dieser innere Begriff mit dem vom Äußeren verknüpft, mit dem vom Wahrnehmungsverhalten und Wahrnehmungsbenehmen? Eine solche Beziehung ist jedenfalls nicht nur in der Dritte-Person-Perspektive begrifflich notwendig. Gibt es darüber hinaus einen mehr oder weniger spezifischen Ausdruck des Sehens im Benehmen und sprachlichen Verhalten? Doch wenn das Sehen nicht auf einen derartigen Ausdruck reduzierbar ist, worin besteht dann seine eigene Bewußtseinsrealität oder Erlebniswirklichkeit? Daß es die "Welt des Bewußtseins" nicht gibt oder gleichsam nur als retrospektive "Glaubens"-Konstruktion, daß sie also nur aus konkreten gegenwärtigen Bewußtseinserlebnissen besteht - ein Hinweis auf die transzendentale Funktion der Gegenwart, besagt ja nicht auch die Negation der Wahrnehmungserlebnisse. Irgendwie scheint Wittgenstein am visuellen Eindruck festzuhalten; was ja phänomenal unmittelbar ausgewiesen ist durch unser Wissen um die Perspektivität unseres Sehens sowie um unseren Gesichtsraum oder auch um die Sinnestäuschung eines nur scheinbar gesehenen Baumes, - "Phämomene", die ja auch Wittgenstein akzeptiert. Aber was sollen wir dann unter diesem kognitiven, geistigen Inneren verstehen? Ist es auch hier die Bewußtseins- oder Erlebnisperspektive der Ersten Person, die darüber Auskunft gibt, die Wittgensteins Analysen jedoch nur andeuten? XV. Das fremde Innere - keine "Projektion" Entschieden lehnt Wittgenstein die Projektionstheorie ab, nach der das fremde Innere eines Menschen die Übertragung oder Projektion des eigenen Inneren auf diesen Menschen ist. Wenn wir uns auf einen Menschen beziehen, dann bedeutet dies, daß wir uns auf Inneres beziehen. Es "lächelt" nicht zunächst nur "ein menschlicher Körper", in den wir dann das Innere der Freude hineinprojizieren. Sondern der "Lächelnde" "IST" "ein Mensch" (S. 113). Und unsere Einstellung zu ihm ist eine "Einstellung" "zu seiner Seele" (S. 54). So wie "das Seelische seinen Ausdruck im Körperlichen" findet (S. 93), so existiert auch umgekehrt der menschliche Körper nur in interner Einheit mit der Seele - beide sind begrifflich und nicht bloß empirisch oder kontingenterweise miteinander verbunden, so daß die Bedeutung des "Inneren" in die des "Äußeren" überzugehen scheint. Dennoch bedeutet, von einer fremden Freude sprechen, nicht dasselbe wie davon sprechen, daß eine fremde Person "gelächelt hat" (S. 112). Der körperliche Ausdruck der Seele ist nicht dasselbe, wie das seelische Erlebnis - und es stellt sich auch hier wieder die Frage nach der Struktur des internen Dualismus von Innen und Außen, die in Wittgensteins Analysen offen bleibt. Mit zwei Argumenten entkräftet Wittgenstein die Projektionstheorie, die in der Theorie der Intersubjektivität von großer Bedeutung ist, ähnlich wie die Übertragungstheorie oder die Theorie des Analogieschlusses. Zum einen wird nämlich die Sprachlichkeit der Fremdzuschreibung des Seelischen umgangen. Damit scheinen wir zwar auch der "Schwierigkeit" zu entgehen, das "FELD des Satzes" (etwa von "Der Andere freut sich") zu beschreiben (S. 111). Denn dieser Satz gehört zu einem ganzen sprachlichen Raum, worin wir eine Reihe von Beschreibungen des Benehmens und sprachlichen Verhaltens vornehmen müßten, um die Freude des Anderen zu erfassen. Und der Ausgriff auf diesen sprachlichen Raum wäre überflüssig, wenn es sich bei fremder Freude um die ins Innere projizierte handelte. Würden wir aber das fremde Erlebnis nur als etwas auffassen, das wir in das fremde Innere "projizieren", dann könnten wir über das, was wir dabei projizieren, lediglich sagen: "DIES sei, um was es sich handle" (S. 111). Und "dies" wäre darin entweder prinzipiell unbekannt oder aber die in den Anderen projizierte eigene Freude - also sagen wir damit gar nichts Inhaltliches und beschreiben nichts Fremd-Seelisches. Wir würden uns dann so verhalten, wie wenn wir die figürlich darstellbare Struktur von Benzol dadurch beschrieben, daß wir sagten "die Atome seien SO angeordnet" (S. 111). Das andere Argument gegen die Projektionstheorie des Fremdseelischen macht auf die Zirkularität einer solchen Theorie aufmerksam. Wenn wir die seelischen Erlebnisse in das fremde Innere hineinprojizieren - offenbar deshalb, weil wir sie nicht unmittelbar kennen, dann setzen wir dabei dieses Innere gleichsam wie einen leeren Behälter bereits voraus, worin das projizierte seelische Erlebnis "liegt" (S. 111). Doch Wittgenstein macht dagegen geltend, daß das Innere ja dieses seelische Erlebnis bereits "IST" (S. 111). Die Projektionstheorie ist insofern eine "Erklärung, die uns nicht weiterführt" (S. 111). Deshalb ist die Projektionstheorie für Wittgenstein durch die Theorie der begrifflichen Verbindung von Innen und Außen zu ersetzen. XVI. "Ich kann fremde Schmerzen nicht fühlen" Wittgensteins These der begrifflichen Verbindung von Innen und Außen im fremden wie im eigenen Fall ist zuzustimmen. Denn das gemeinsame Sprachspiel ist für uns auch in der Ich-Perspektive unhintergehbar. Auch die eigenen Erlebnisse sind nur in ihrer sprachlichen Darstellung und in ihrem körperlichen Ausdruck für einen selbst wirklich, sie sind also nicht etwas, dessen "eigentliche" Realität darin nicht vorläge. Deswegen haben die psychologischen Ausdrücke eine intersubjektive, öffentliche Bedeutung, die wir in unseren Begriffen des Inneren formulieren. Es fragt sich aber nach wie vor, ob diese semantische Symmetrie des psychologischen Sprachspiels im fremden wie im eigenen Fall nicht auf die Er-Perspektive der Dritten Person beschränkt und durch eine Semantik der Ich-Perspektive zu ergänzen ist. Dann wäre die Semantik des psychologischen Sprachspiels zugleich durch eine Asymmetrie zwischen Erster und Dritter Person gekennzeichnet. Dazu hat Wittgenstein in seinen letzten Bemerkungen selber zwei entscheidende Überlegungen angestellt. Zum einen "steht zwischen seinem [dem fremden] Erlebnis und mir immer der Ausdruck" (S. 123). Dies bedeutet zwar nicht, daß der Andere sein Erlebnis quasi "unmittelbar" sieht und es dann uns "beschreibt", so daß wir es nur "mittelbar" kennen (S. 123). Aber für eine andere Person existiert das Fremd-Seelische immer nur in seinem sprachlichen und nichtsprachlichen Ausdruck. Das in Sprache und Benehmen ausgedrückte Innere ist jedoch nicht das Innere als Erlebnis. Schmerz- und Wahrnehmungsverhalten sind nicht identisch mit Schmerzgefühl und Wahrnehmung. Zum anderen bin immer nur ich es selber, der "meine eignen Gedanken" denkt, d.h. erfasst, vollzieht, realisiert, abwägt usw. (S. 78). Nur ich selber fühle entsprechend die Schmerzen. Der Andere kann lediglich aufgrund meiner sprachlichen Äußerung oder meines Schmerzverhaltens konstatieren und sicher sein, daß ich sie fühle. Sie auch fühlen, kann er nicht. Denn dann würde es sich dabei nicht mehr um meine eigenen handeln - wie auch umgekehrt der Andere nicht sagen könnte, es wären seine Gefühle, wenn er meine fühlte (S. 124). Es ist gleichsam die ich-zentrische Subjektivität des Seelischen oder Inneren, die die Unmöglichkeit begründet, fremdes Seelisches zu erleben. Doch bezeichnenderweise weist Wittgenstein derartige eigene Einwände radikal zurück: "Das heißt nichts" (S. 124). Andernfalls müßte er in der Tat seine These der begrifflichen Verbindung von Innen und Außen - oder seinen internen Dualismus - radikal relativieren, und zwar auf die Dritte-Person-Perspektive. Und dies, obwohl er der Ich-Perspektive - wie mehrfach belegt - ihren Eigenwert für die Analysen des psychologischen Sprachspiels beläßt. Möglicherweise gerät Wittgenstein deswegen in diese Inkonsequenz, weil das Leib-Seele-Problem andernfalls nach wie vor aporetisch bliebe, Wittgenstein also seinen Anspruch nicht einlösen könnte, die philosophischen Probleme durch eine Änderung der "alte[n] Denkweise", d.h. sprachanalytisch im Ausgang von der Dritte-Person-Perspektive zu lösen (S. 113). Denn hält man zugleich an der "alten Denkweise" aus der Ich-Perspektive fest, sollte man in der Tat, wie Wittgenstein selber fordert, "die Probleme für unlösbar halten" (S. 113). Wittgensteins Kritik auf Grund der Änderung der "Denkweise" bedient sich des Unsinnsverdachts gegenüber den oben genannten Argumenten. Von fremden Gefühlen sprechen, von fremden Erlebnissen, generell vom fremden Seelischen oder Inneren und gleichzeitig geltend machen, daß man von etwas spreche, was für einen selber keinen Wirklichkeitsstatus habe, weil man über diese Phänomene als eigene Erlebnisse nicht verfüge -, ist dies nicht ein semantischer bzw. performativer Selbstwiderspruch? Wovon spricht man eigentlich? Ist dann nicht z.B. der Ausdruck "fremdes Gefühl" sinn- und bedeutungslos? Wenn er aber sinn- und bedeutungslos ist, dann kann er auch nicht in der obigen Behauptung verwendet werden. Eine derartige Behauptung hätte die gleiche sprachliche Form wie "X erlebe ich nicht". Umgekehrt, wenn der Satz "Fremde Gefühle erlebe ich nicht" einen Sinn hat und zumindest keine sinnoffenen Ausdrücke enthalten kann, dann muß ich wissen können, worauf ich mich in dem Ausdruck "Fremde Gefühle" beziehe. Es muß dann auch so etwas möglich sein wie ein Wissen um fremde Erlebnisse. Doch dann ist der fragliche Behauptungssatz nicht unsinnig, sondern sinnvoll, wenn auch falsch. Wittgenstein verschärft diese Kritik noch, um das entscheidende Argument zu entkräften, nämlich daß ich fremdes Inneres niemals selber erlebe - woraus dessen "logisches Verstecktsein" folge und der Cartesianismus rehabilitiert würde. Er stellt im Rahmen eines Gedankenexperimentes die Überlegung an, daß ich durchaus "denselben Schmerz" empfinden könnte wie eine andere Person, indem etwa zwischen mir und dem "Andern eine Verbindung" hergestellt würde, die dies erlaubte (S. 124). Ist nämlich dies zumindest denkbar und eines Tages vielleicht auch technisch realisierbar, etwa dadurch, daß ich am Bewußtsein eines Anderen teilnehme, dann könnte ich das Denken einer anderen Person ebenso denken wie ihr Schmerzgefühl fühlen oder erleben. Und dann wäre in der Tat die Behauptung "Fremde Schmerzen erlebe ich nicht" die Behauptung einer Unmöglichkeit, die lediglich kontingent oder faktisch der Fall ist. Sie besagte aber keine logische oder begriffliche Unmöglichkeit. Und es gäbe auch keine begriffliche Privatheit des Seelischen. Doch zwei Überlegungen sprechen entschieden gegen diese Argumentation Wittgensteins. Zum einen seine eigenen Ausführungen. Denn in seinem Gedankenexperiment soll ich dann doch nur die "gleiche Art 'Schmerz'" empfinden und "an der gleichen Stelle, wie der Andre" (S. 124). Aber dadurch wird offenbar die fragliche Behauptung gerade nicht zurückgewiesen und widerlegt. Denn in ihr geht es nicht darum, ob ich - begrifflich - die "gleiche Art" eines seelischen Vorganges erlebe wie eine andere Person, sondern dasselbe seelische Erlebnis. Andernfalls könnte man ja immer noch geltend machen, daß man über das Erlebnis des Anderen selber nicht verfüge, sondern nur über die Gleichheit des Typs eines solchen Erlebnisses. Wenn Wittgenstein die Bedeutung des Ausdrucks "derselbe Schmerz" dadurch erläutert, daß er von der "gleichen Art 'Schmerz'" spricht, dann hat er das Gedankenexperiment im entscheidenden Punkt abgeschwächt, wodurch es seine kritische Funktion verliert. Es hilft dabei auch nicht weiter, sich auf den "Schmerzausdruck" zu berufen, der im eigenen und fremden Falle gleich wäre (S. 114). Denn das ist nur der Fall, wenn man die gleichen und nicht dieselben Schmerzen erlebt, also nach wie vor von zwei individuell verschiedenen Erlebnissen ausgeht. Was es für einen numerisch identischen Schmerz besagen soll, wenn man unterstellt, daß verschiedene Personen ihn erleben, ist völlig unklar. Daß Wittgenstein seine kritische Argumentation abschwächt, könnte seinen Grund darin haben, daß er mit einem möglichen Verlust der Subjektivität rechnet (oder sie völlig anders versteht), der dann einträte, wenn ich mit anderen Personen zusammen dasselbe seelische Erlebnis hätte. Denn für diesen Fall hätte es keinen Sinn mehr, dieses Erlebnis als meines von dem des Anderen zu unterscheiden. Dieser Unterschied ist aber konstitutiv für mein Selbstverständnis als Ich oder für den Unterschied von Erster Person und Dritter Person. Es bliebe für diesen Fall nur die Wir-Person übrig, und wir müssten die anderen Formen unseres Sprachgebrauches gleichsam streichen - Überlegungen, die Wittgenstein bekanntlich immer wieder im Zusammenhang mit dem Solipsismus-Problem erörtert hat und selber zurückweist: "der Infinitiv hat alle Personen und Zeiten hinter sich" (S. 53). Auch daraus geht hervor, daß Wittgensteins Konzept einer begrifflichen Verbindung von Innen und Außen die Leib-Seele-Problematik bestenfalls aus der Dritte-Person-Perspektive aufzulösen vermag - eine Drehung der "Betrachtungsweise", die er ja ausführlich fordert. Doch wenn er zugleich den Eigenwert der Erste-Person-Perspektive betont, und d.h. das Phänomen des eigenen Erlebens des Inneren, dann muß er seine These der begrifflichen Verbindung von Innen und Außen - seinen internen Dualismus - radikal negieren, will er nicht aus dem Phänomenfeld des Inneren den eigenen Vollzug des Erlebens und Denkens radikal ausklammern. Letzterer ist aber begrifflich nicht verknüpfbar mit dem Außen, weil er in Benehmen und Sprache ebensowenig ausdrückbar ist, wie er in der Dritte-Person-Perspektive der externen Zugangsweise greifbar werden kann. Doch damit stellt sich gerade jenes Problem wieder ein, um dessen Beseitigung es Wittgenstein ging. Nämlich das Problem, daß das Seelische im eigenen Fall der Erste-Person- Perspektive (und mit ihm natürlich alles das, was wir unter dem Ich- Bewußtsein verstehen), logisch oder begrifflich notwendig und nicht bloß faktisch für den Anderen prinzipiell unzugänglich ist oder eben privat. Für Wittgensteins These besagt dies, daß die Verbindung von Innen und Außen gleichermaßen zu ihren Begriffen gehört (nämlich in der Dritte- Person-Perspektive), wie sie in der Ich-Perspektive aus logischen Gründen nicht existieren kann. Beides gehört zu unserem Selbstverständnis als Menschen, die "eine Seele haben" und sich zugleich als Ich verstehen. Doch dann wird die ganze Leib-Seele- Problematik offensichtlich wieder außerordentlich paradox - was ja in der cartesianischen und idealistischen Tradition nicht unbekannt ist und auch Wittgenstein nicht auschließen kann, weil er die Änderung der Denkweise vom Willen abhängig weiß (S. 113). ANMERKUNGEN: *1* Frankfurt/Main 1993 . Die Seitenangaben im Text beziehen sich auf diese Ausgabe. *2* Vermischte Bemerkungen, Frankfurt/Main 1994, S. 56