***************************************************************** * * Titel: Kritische Sprechakttheorie oder Semiotik der Macht? Habermas und die Wittgenstein-Tradition Autor: von Hans Herbert *Kögler*, University of Illinois at Urbana-Champaign Dateiname: 12-1-96.TXT Dateilänge: 108 KB Erschienen in: Wittgenstein Studies 1/96, Datei: 12-1-96.TXT; hrsg. von K.-O. Apel, N. Garver, B. McGuinness, P. Hacker, R. Haller, W. Lütterfelds, G. Meggle, C. Nyíri, K. Puhl, R. Raatzsch, T. Rentsch, J.G.F. Rothhaupt, J. Schulte, U. Steinvorth, P. Stekeler-Weithofer, W. Vossenkuhl, (3 1/2'' Diskette) ISSN 0943-5727. * * ***************************************************************** * * * (c) 1996 Deutsche Ludwig Wittgenstein Gesellschaft e.V. * * Alle Rechte vorbehalten / All Rights Reserved * * * * Kein Bestandteil dieser Datei darf ganz oder teilweise * * vervielfältigt, in einem Abfragesystem gespeichert, * * gesendet oder in irgendeine Sprache übersetzt werden in * * irgendeiner Form, sei es auf elektronische, mechanische, * * magnetische, optische, handschriftliche oder andere Art * * und Weise, ohne vorhergehende schriftliche Zustimmung * * der DEUTSCHEN LUDWIG WITTGENSTEIN GESELLSCHAFT e.V. * * Dateien und Auszüge, die der Benutzer für * * seine privaten wissenschaftlichen Zwecke benutzt, sind * * von dieser Regelung ausgenommen. * * * * No part of this file may be reproduced, stored * * in a retrieval system, transmitted or translated into * * any other language in whole or in part, in any form or * * by any means, whether it be in electronical, mechanical, * * magnetic, optical, manual or otherwise, without prior * * written consent of the DEUTSCHE LUDWIG WITTGENSTEIN * * GESELLSCHAFT e.V. Those articles and excerpts from * * articles which the subscriber wishes to use for his own * * private academic purposes are excluded from this * * restrictions. * * * ***************************************************************** ABSTRACT: The question how social power influences and determines the linguistically mediated understanding of agents concerns both critical social theory and critical hermeneutics. By drawing on Wittgenstein, Austin, and Searle, Habermas tries to reformulate the theoretical basis of a critical social theory in terms of a 'critical speech act theory'. As I show, serious problems and shortcomings arise concerning the related concept of three worlds, the formal-pragmatic theory of meaning, and the distinction between communicative and strategic action with regard to power. In order to overcome such difficulties, the idea of a `semiotics of power' is introduced. To make my point, I first argue for the relative autonomy of symbolic meaning that can neither be reduced nor be derived from (1) intentional attitudes (as in intentional semantics), (2) from reference or truth conditions (as in truth semantics), or (3) from the embeddedness in social practices (as in the `use theory of meaning'). By contrast, meaning has to be conceived as a primary dimension of experience (vorgängige Erfahrungsdimension) that requires a phenomenological reconstruction instead of a foundationalist deduction or reduction. Habermas likewise rejects those traditions of meaning theory. By drawing on Bühler's "organon-model" of language, he integrates intentional, referential, and social aspects of speech into one model of validity-oriented communication. However, Habermas' one-sided interest in world-directed validity claims leads him to neglect the crucial dimension of symbolic world- disclosure - a dimension even Bühler himself was well aware of. A critical discussion of Habermas' three-world-thesis, of his validity-based theory of meaning, and of his action-theoretic conception of power points out the impact of this problematic theoretical decision. In the last section, I offer a positive alternative to each of the problem fields regarding "world", "meaning", and "power". I argue that agents find themselves always already in one symbolically disclosed world, that meaning is dialectically constituted by an interplay between explicit world-orientation and implicit world-disclosure, and that structural domination can best be analysed in terms of the influence of social power practices on symbolic background understanding. Thus, my alternative shows how a `semiotics of power' can elucidate the structural impact of social power on symbolic meaning - something that Habermas' critical theory failed to achieve satisfactorily. The paper both reconstructs crucial aspects of the influence that Wittgenstein and in particular the postwittgensteinian theories of Austin and Searle had on the recent Frankfurt School, and contributes systematically to understanding the relationship between language and power. 0. EINLEITUNG Jürgen Habermas hat als der herausragende Vertreter der zweiten Generation der Frankfurter Schule die Konzeption einer "Kritischen Theorie der Gesellschaft", nicht zuletzt unter dem prägenden Einfluß von Wittgenstein und der an ihn anschließenden Sprechakttheorie, von Grund auf reformuliert. Das bewußtseinsphilosophische Paradigma soll durch eine kommunikationstheoretische Wendung der Handlungstheorie ersetzt werden, wobei Fragen der sprachlichen Bedeutung und symbolisch vermittelten Welterschließung in bezug auf soziale Handlungen nunmehr eine zentrale Rolle spielen. In ähnlicher theoretischer Stoßrichtung, aber mit anderen begrifflichen Akzentsetzungen, hat sich das Projekt einer "Kritischen Hermeneutik" der Analyse von sprachlichem Sinn und gesellschaftlicher Macht zugewendet. Die folgenden Überlegungen versuchen, in Auseinandersetzung mit dem Habermaschen Theorieprogramm das Projekt einer kritischen Hermeneutik an zwei entscheidenden Fronten weiterzutreiben. Kritische Hermeneutik ist eine an Gadamers Philosophischer Hermeneutik und Foucaults `Genealogie der Macht' orientierte Richtung, in der Fragen der Wirkung von sozialen Machtstrukturen auf Sinn- oder Bewußtseinsphänomene im Vordergrund stehen.*1* Hierzu muß einerseits ein tragfähiger Begriff des (sprachlichen) Sinns entfaltet werden, und zum andern muß eine solche Analyse über einen philosophisch ausgewiesenen, jedoch zugleich empirisch brauchbaren Machtbegriff verfügen. Genauer gesagt geht es um den Nachweis, wie Gebilde des "objektiven Geistes" (im Sinne eines sprachphilosophisch gewendeten Dilthey) durch zumeist implizit wirksame Machtpraktiken ihr spezifisches Gepräge erhalten. Insofern symbolische Formen den Sinnhorizont (Gadamer) der sozialen Subjekte strukturierend beeinflussen, bestimmen Machtpraktiken somit die bewußt erschlossenen `Gegenstände' der subjektiven Lebenswelten. Kritische Hermeneutik versucht, die strukturellen Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Ebenen des expliziten Verstehensakts, des impliziten Verständnishintergrundes und der sozialen Machtstrukturen begrifflich zu erfassen. Das Erkenntnisinteresse eines solchen Projekts ist verständlicherweise nicht die reine Beschreibung solcher Beziehungen. Es besteht vielmehr in der Ermöglichung eines Prozesses kritischer Reflexivität in bezug auf symbolische Machteffekte. Insofern eine solche Analyse jedoch über geeignete Analyse-Werkzeuge verfügen muß, sind entsprechend brauchbare Begriffe von Sinn und Macht ein entscheidendes methodologisches und theoretisches Desiderat. Wir benötigen, in anderen Worten, eine `Semiotik der Macht'. Ein solches Projekt liegt ganz offensichtlich im Wettstreit mit der einflußreichen kritischen Kommunikationstheorie, die Jürgen Habermas in Anschluß an den späten Wittgenstein und die daran anknüpfende Sprechakttheorie von Austin und Searle entwickelt hat. Zwar ist dieses als Gesellschaftstheorie intendierte Programm, ironisch genug, zunächst vor allem als Meta-Ethik fruchtbar geworden.*2* Dennoch teilt es in seiner klassischen Formulierung in der zweibändigen THEORIE DES KOMMUNIKATIVEN HANDELNS sowie in nachfolgenden Aufsatzsammlungen die thematische Ausrichtung an einer gehaltvollen Verbindung von Sinnphänomenen und sozialen Machtstrukturen, oder, in Habermas eigener Sprache, von philosophischer Bedeutungs- und gesellschaftstheoretischer Handlungstheorie. Das philosophische Bemühen des späten Wittgenstein, resystematisert in Austin und Searle, bietet sich als Inspirationsfundus einer kritischen Gesellschaftstheorie vor allem durch drei begriffliche Weichenstellungen an. Erstens wird die traditionelle Ausrichtung der Sprach- oder Sinnanalyse an Wahrheit oder Fakten überwunden; zweitens wird die Unterstellung eines Subjekts, das einsam der Welt gegenübersteht, zurückgewiesen; und drittens wird der damit einhergehende kontemplative Zug der Welterschließung aufgegeben. Statt wahrheitsorientiert, solipsistisch und kognitiv, ist die Analyse nunmehr an pluralen Wert- und Sinndimensionen, an ursprünglich gegebenen sozialen Kontexten und an den praktischen Ursachen und Folgen von Einstellungen gegenüber der Welt orientiert. Habermas hat im Kontext seiner Grundlegung der Kritischen Theorie an diese Überwindung der Bewußtseinsphilosophie angeknüpft. Er hat zugleich zumindest zwei entscheidende Fortschritte und Weiterführungen der über Wittgenstein II zu Austin und Searle verlaufenden Traditionslinie bewirkt. Gegenüber Searles paradigmatischer Formulierung der Sprechakttheorie klagt er erstens eine konsequentere Verabschiedung der Orientierung an der Welt objektiver Sachverhalte ein, um für expressive Sinnphänomene ebenso wie für die soziale Welt legitimer Normen den nötigen begrifflichen Raum zu schaffen. Und er bestreitet zweitens das philosophische Recht der Engführung von Sinnanalyse auf Semantik mit der These der intrinsischen Rolle pragmatischer Einstellungen in bezug auf die Erschließung illokutionärer Bedeutungen. Es versteht sich von selbst, daß eine Untersuchung von Sinn-Macht-Konstellationen am Diskussionsstand der kritischen Sprechakttheorie von Habermas nicht vorbeisehen kann. Eine eingehende Auseinandersetzung wird freilich Probleme dieser Habermasschen Weiterführung deutlich werden lassen. Um die Herausarbeitung von geeigneten Begriffswerkzeugen für Sinn und Macht voranzutreiben, habe ich den folgenden Weg gewählt. Zunächst werden verschiedene Versuche, das Phänomen des sprachlichen Sinns auf eine vorgängige Konstitutionsebene zurückzuführen, als unzureichend zurückgewiesen. Sprachliche Bedeutung läßt sich nicht auf subjektive Intentionen, objektive Sachverhalte oder soziale Praktiken reduzieren oder etwa von diesen Ebenen ableiten. Diese Analyse gibt einen geeigneten Hintergrund ab für die Diskussion von Habermas und Searle zu den Problemen des Weltbegriffs, der semantischen oder pragmatischen Bedeutungstheorie und der handlungstheoretischen Erschließung von sozialer Macht. Das im ganzen kritische Ergebnis dieser Argumentation bietet wiederum den Ausgangspunkt für die im dritten Teil durchgeführte Analyse von Welt, Sinn und Macht. Wir werden zu den drei Begriffskomplexen jeweils eine Alternative vorstellen, welche die herausgearbeiteten Probleme vermeidet und zugleich eine fruchtbare Analyse für die strukturelle Beeinflußung von sprachlichem Sinn durch soziale Macht erlaubt. I. INTENTIONEN, FAKTEN, PRAKTIKEN: ZUR NICHTHINTERGEHBARKEIT VON SINN. Ich möchte zunächst zeigen, daß sprachliche Bedeutung ein ursprüngliches Phänomen darstellt und als solches nicht auf andere Erfahrungs- oder Seinsbereiche reduziert werden kann. Mit dieser These ist nicht intendiert, nun sprachlichen Sinn selbst zum Grundpfeiler einer Erfahrungs- oder Handlungstheorie zu machen. Vielmehr soll hiermit allein dem Versuch vorgebaut werden, die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke und Äußerungen auf andere Erfahrungsdimensionen zurückzuführen. Ich vertrete die Irreduzibilität des Sinns also nicht in einem selbst ursprungsphilosophischen Geist, sondern gerade im Gegensatz zu diesem, insofern hier Sprache und Sinn auf vermeintlich tieferliegende Dimensionen reduziert oder von diesen abgeleitet werden sollen. Dahinter steckt in der Tat ein grundlegender Zweifel an jenem Philosophieverständnis, demgemäß die Aufgabe der philosophischen "Begründung" in der Rückführung einer Sorte von Phänomenen auf eine andere, "begründende" Sorte von Phänomenen besteht. Im Gegensatz hierzu soll "Rekonstruktion" eingeführt und als Strukturanalyse von Phänomenen oder Phänomengruppen verstanden werden, was erstens erlaubt, die INNERE STRUKTUR dieser Phänomene zu beleuchten, und zweitens gestattet, die INTERAKTION VERSCHIEDENER SINN- ODER SEINSBEREICHE unreduktionistisch zu untersuchen. In diesem Sinn werde ich nun nachzuweisen versuchen, daß sprachliche Bedeutung nicht auf subjektive Intentionen (1), nicht auf objektive Sachverhalte (2) und auch nicht auf soziale Praktiken (3) "zurückgeführt" werden kann. Der Zweck dieser Analyse besteht in der Freilegung des IRREDUZIBLEN SINNBEREICHS SPRACHLICHER BEDEUTUNGEN, ohne daß dieser Bereich zum Grundbaustein einer neuen Ontologie oder Epistemologie schlechthin erhoben wird. 1. Ein einflußreiches, die bewußtseinsphilosophische Tradition paradigmatisch verkörperndes Modell sieht Sprache als Instrument des sich mittels dieser artikulierenden Subjekts an.*3* Sprachliche Ausdrücke und Regeln dienen dem subjektiven Ausdruck zum Zwecke der Kommunikation, wobei der Sinn der sprachlichen Ausdrücke wiederum vollständig in den Intentionen der Subjekte, die sich ihrer bedienen, begründet ist. Sprache ist demzufolge eine symbolische Hülse, ein Transportmedium für (vorsprachlich existierende?) Informationen bzw. Intentionen. Sie erscheint hier zwar als eine notwendige Dimension für den inter-subjektiven "Sinnverkehr", nicht aber für die intra-subjektive Selbstverständigung oder für mentale Akte als solche. In unserem Zusammenhang interessiert vor allem, in welcher Weise die vorsprachlichen-subjektiven Intentionen, verstanden als sinnstiftende mentale Akte, für die Bedeutung sprachlicher Zeichen oder Äußerungen konstitutiv sein können. Zunächst ist freilich höchst unplausibel, daß die Intentionen, die das Subjekt mittels Sprache zum Zwecke der Kommunikation ausdrücken will, selbst einer völlig vorsprachlichen, gewissermaßen "rein" mentalen Ebene angehören sollen. Die rigide Trennung in vorsprachliche "Intention" und sprachlichem "Ausdruck" ist freilich nötig, wenn das intentionalistische Modell überhaupt Erklärungswert haben und nicht schlicht zirkulär sein soll: Wenn die Intentionen des Subjekts nämlich selbst schon durch sprachlichen Sinn bestimmt wären, würde der Rekurs auf Intentionen zur Erhellung des Sinns von Sprache sich im Kreise drehen. Dennoch ist gerade diese Voraussetzung an sich selbst nicht einleuchtend. Die Ausbildung zum "sprach- und handlungsfähigen Subjekt" (Habermas) scheint hingegen eine notwendige Bedingung dafür, daß wir als Sprecher überhaupt zur Artikulation bestimmter innerweltlicher Vorhaben, Ansichten, Interessen, Wünsche etc. in der Lage sind. Insofern sich unsere intentionalen Vorhaben zum großen Teil auf kulturell vermittelte und produzierte Werte und Tatsachen beziehen, kann man einen intrinsischen Zusammenhang zwischen der sprachlichen Beschreibbarkeit von Intentionen und "den Intentionen selbst" unterstellen. Die komplexen Intentionen kulturell-sozialisierter Subjekte können selbst nur im Kontext sprachlich erschlossener Kontexte erworben, entfaltet und weiterentwickelt werden.*4* Das intentionalistische Begründungsmodell, das die sprachlichen Bedeutungen auf vorsprachliche Intentionen zurückführen will, bricht somit die sprachlich vermittelte Welt intentionaler Projekte in sprachliche Beschreibungen und prädeskriptive Intentionen auseinander: Die eigentliche Intention wird damit zum symbolischen "Ding an sich" - und soll doch gerade der sprachlichen Bedeutung ihren "Sinn" verleihen. Gerade diese Funktion der Sinnverleihung, in der subjektive Intentionen sprachliche Bedeutung konstituieren, läßt sich jedoch bedeutungstheoretisch nicht nachweisen. Paul Grice hat versucht, das Verständnis von sprachlichen Äußerungen auf das Verständnis der dahinterliegenden Intention des Sprechers zu beziehen.*5* Demgemäß verstehen wir eine Äußerung, wenn wir erfassen, was uns der Andere mit dieser Äußerung zu verstehen geben will. Wie oben expliziert, dient das sprachliche Medium als Werkzeug zum Austausch von vorsprachlich-verfaßten subjektiven Bedeutungen. Gleichsam durch die Äußerung hindurch erfaße ich den Sinn, der sich als Intention "im Anderen" befindet, und der durch die sprachliche Veräußerung sodann auch für mich erfaßbar wird. In der Tat bleibt aber in diesem Modell unerklärt, wie sprachliche Bedeutungen mit einer anderen `Intention' als der, die unmittelbar in der Sprache zum Ausdruck kommt, vom Subjekt verwendet und vom Hörer verstanden werden können. Wie John Searle deutlich gemacht hat, können Sprecherintention und sprachliche Bedeutung nicht miteinander identifiziert werden, da der Sprecher eine bestimmte Satzbedeutung ERFOLGREICH für perlokutionäre Zwecke verwenden kann, ohne daß sich die Bedeutung des Satzes dadurch verändert. Der Satz "Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühen", geäußert von einem amerikanischen Soldaten mit dem (erfolgreichen) Plan, sich gegenüber Italienern als Deutscher auszugeben, bedeutet trotz dieses Erfolgseffektes nicht "Ich bin ein deutscher Soldat": "(This theory of meaning) fails to account for the extent to which meaning can be a matter of rules or conventions ... Meaning is more than a matter of intention. It is at least sometimes a matter of convention."*6* Dieses Beispiel zeigt, daß wir unterscheiden müssen zwischen der sprachlichen Bedeutung als solcher und der Intention, die mit der Verwendung des sprachlichen Sinnes einhergeht. Sprachliche Bedeutung wird vielmehr durch den Gebrauch gewisser Regeln und Konventionen ermöglicht.*7* Die bedeutungstheoretische Kritik an der Engführung von subjektiver Intention und sprachlicher Bedeutung wird zudem durch eine phänomelogische Analyse des Sinnverstehens bestätigt. Im "alltäglichen", d. h. unmittelbaren und unreflektierten Sprachverstehen erfassen wir jeweils direkt den Sinn des Gesagten - und nicht etwa die Intention, die sich entweder an die Aussage, an die Mitteilungsform, oder an beides zugleich haftet. Die phänomenologische Perspektive beharrt zu recht darauf, daß "die Sachen selbst" herausgestellt und einer möglichst unvoreingenommenen Untersuchung zugeführt werden müssen. Wahrnehmungsphänomenologisch ergibt sich dann z. B., daß wir in perzeptiven Akten die Tür selbst wahrnehmen, und nicht etwa "die Idee" der Tür. Ebenso erfassen wir im Sprachverstehen den Sinn der Äußerung gleichsam unmittelbar, und sind nicht etwa an einer dahinterliegenden Intention des Sprechers orientiert. Gadamer hat dementsprechend in interpretationstheoretischen Kontexten gezeigt, daß das Verstehen der Intention des Autors im Text ein abgeleitetes Phänomen ist, demgegenüber das Verstehen des Sinns als solchen den `ursprünglichen' Verstehensmodus ausmacht. Erst wenn wir uns einer Bedeutung im Text auch nach wiederholten Versuchen ihrer Plausibilisierung nicht sicher sind, rekurrieren wir auf die psychischen oder historischen Voraussetzungen, die den Anderen zu seinen Äußerungen bewogen haben mögen.*8* Was in dieser Reflexion auf den Prozeß natürlichen Sinnverstehens zu Bewußtsein kommt, ist somit nicht, daß im Grunde alles Verstehen auf die Intention des Autors zurückgeführt werden kann oder gar muß. Im Gegenteil, es zeigt sich vielmehr, daß die Möglichkeit des Sinnverstehens an die Existenz des gemeinsam geteilten Mediums der Sprache gebunden ist, durch die wir überhaupt erst Zugang zu anderem Sinn gewinnen. Die Abweichung einer anderen Meinung vom plausiblem Horizont, ebenso aber jeder individuelle Ausdruck überhaupt, setzt ein geteiltes Medium voraus, von dem ausgehend sich individuelle Äußerungen oder radikal andere Behauptungen erst absetzen oder "abheben" können. Es wäre demnach falsch, die gemeinsame Bedeutung aus den individuellen Intentionen hervorgehen zu lassen. Die individuelle Intention kann sich vielmehr nur durch den je spezifischen Gebrauch der ALLGEMEINEN SPRACHLICHEN MITTEL realisieren. Der Versuch, den sprachlichen Sinn aus der subjektiven Intention abzuleiten, muß demnach als gescheitert angesehen werden. 2. Neben der intentionalistischen Semantik hat sich die Wahrheitssemantik zur Aufgabe gemacht, die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke und Äußerungen mit bezug auf deren Wahrheitswert zu analysieren. Statt subjektive Intention soll nunmehr der Bezug zu objektiven Sachverhalten als Explikator sprachlichen Sinns dienen.*9* In dieser Tradition verstehen wir eine Aussage oder einen Sprechakt, wenn wir die Bedingungen kennen, unter denen der "propositionale Gehalt" der sprachlichen Äußerung wahr wäre. Während diese an Frege anknüpfende Tradition die Wahrheitsbedingungen zunächst sehr eng als Verifikation von Tatbeständen in Beobachtungssätzen auffaßte, so hat sich schließlich das Verständnis von Wahrheitsbedingungen bei Dummett bis hin zu Habermas zu der begründeten Kenntnis jener Zustände oder Evidenzen, die einen Satz wahr machen würden, verschoben. Trotz dieses erweiterten epistemischen Modells aber bleibt die Sinnexplikation an der (wie auch immer kontrafaktischen oder idealisierten) Feststellung von Sachverhalten (bzw. an einem äquivalenten Modell der idealisierten Interpretations- und Diskurssituation) orientiert. Sprachlicher Sinn wird also im Sinne von Geltungsbedingungen expliziert, so daß das, was uns als wahr und plausibel erscheint, somit auch als "verständlich" definiert werden kann, oder besser: das Kriterium für Verständlichkeit überhaupt darstellt. Tatsächlich scheint mir aber, daß die von Frege eingeführten Unterscheidungen eher eine Differenz von sprachlicher Bedeutung und Referenz auf Sachverhalte nahelegen, statt eine Definition oder Bestimmung von Sinn in terms von Wahrheit festzuschreiben. Frege hat ja bekanntlich auf der einen Seite die subjektiv- mentalen Akte von objektiven Gedankeninhalten abgegrenzt.*10* Diese "Psychologismuskritik", die Husserl entscheidend beeinflußte, unterstützt zunächst die von uns durchgeführte Kritik an der Identifikation von Intention und Sinn: Der Sinngehalt von Äußerungen darf nicht mit den psychisch konkreten Akten der Subjekte ineinsgesetzt werden, denn der Gedanke bleibt derselbe, egal wie oft, von wem oder von wievielen er tatsächlich gedacht wird. Nur so läßt sich zudem die Identität der Bedeutung eines Satzes, mit dem zwei Subjekte denselben Gedanken verbinden, verteidigen und begründen. Auf der anderen Seite aber hat Frege den "Sinn" sprachlicher Aussagen auch von deren "Bedeutung" abgegrenzt, wobei "Sinn" den Inhalt der sprachlichen Aussage und "Bedeutung" den objektiven Sachbezug meint. Mit dem berühmten Beispiel der Sinndifferenz von "Morgenstern" und "Abendstern", die sich gleichwohl auf die eine Venus beziehen und somit nur eine "Bedeutung" (will sagen: Referenz) haben, soll der Unterschied zwischen sprachlich-objektivem Sinn und sachlich- objektiver Referenz verdeutlicht werden. Wie Poppers Begriff der "Dritten Welt" plastisch ausdrückt, existiert "Sinn" für Frege also als eine dritte, relative autonome Dimension neben den psychischen mentalen Akten des Subjekts und den natürlichen Kausalprozessen und Gegenständen der Welt objektiver Sachverhalte. SINN läßt sich also weder auf den subjektiven Verständnisakt noch auf die objektive Sachreferenz reduzieren, sondern stellt eine Erfahrungsdimension sui generis dar. Indem ich Freges Argument so lese, will ich jedoch zugleich zwei Präzisierungen bezüglich der Sinndimension vorschlagen, von denen vor allem die zweite unmittelbar für unsere Diskussion relevant ist. Zunächst sollte man vermeiden, den Fregeschen Sinn als platonischen Ideen-Essentialismus zu verstehen. Demgemäß würde die Domäne der objektiven Gedankeninhalte eine ewige und statisch festgelegte Welt universaler Gesetzes- und Sinnbeziehungen beschreiben, in der (nach Popper) alle bereits entdeckten und noch zu entdeckenden objektiven Sinngehalte angesiedelt wären.*11* Ohne in den Psychologismus zurückzufallen, können wir diese Dimension im Anschluß an Gadamers Hermeneutik hingegen derart historisieren und temporalisieren, daß hiermit die individuell-allgemeinen Gehalte und Strukturen eines sich historisch und kulturell wandelnden "objektiven Geistes" gemeint sind. Im Medium der Sprache stellt sich so eine je veränderliche und doch den Einzelnen umgreifende Sinnbewegung dar, die sich weder auf die subjektive Psyche noch auf die objektive Natur zurückführen läßt.*12* Zweitens aber ist wichtig, die Reduktion der Sinndimension auf die Geltungsproblematik zu vermeiden, und zwar vor allem in Hinblick auf die bereits erreichte Begriffsunterscheidung von sprachlich-objektivem Sinn und sachlich-objektiver Referenzbedeutung. Tatsächlich hat Frege ja die Vorgängigkeit des Sinnes verteidigt mit der These, daß der Sinn die Bedingungen für den Wahrheits- bzw. Weltbezug festlegt. Im dieser Hinsicht können wir davon sprechen, daß sprachlicher Sinn zunächst und je schon eine Welt von sinnhaften Beziehungen erschließt, innerhalb derer dann bestimmte Aussagen über Sachverhalte möglich sind, die wiederum durch bestimmte Verfahren auf ihre Gültigkeit hin überprüft werden können. Damit aber, das möchte ich festhalten, wird der Sinn erstens als vorgängig gegenüber der Geltungsdimension eingeführt, und zweitens wird die Möglichkeit der Geltungsüberprüfung von dieser Sinnerschließung zumindest in bezug auf die Erfahrungsmöglichkeit von wahren oder falschen Sachverhalten abhängig gemacht. Natürlich entscheidet die Sinnerschließung nicht schon selbst, welche Aussage sich hernach als wahr oder falsch erweist, d. h. welche Annahmen oder Prognosen innerweltlicher Bewährung standhalten. Dennoch scheint es nachgerade absurd und im Wortsinn verkehrt, die Bedeutung der sprachlichen Erschließung von den Geltungskriterien her bestimmen zu wollen. Denn die Geltungsüberprüfung kann doch erst einsetzen, nachdem der Sinn die Welt (möglicher) wahrer oder falscher Zusammenhänge erschlossen hat. Was sich als Sachverhalt bewähren und somit als Tatsache gelten kann, hängt somit von einer VORGÄNGIGEN SINNERSCHLIEßUNG ab, die zwar nicht deren Wahrheit, aber eben den Sinn der zu überprüfenden Aussage festlegt. Tatsächlich führt eine an der Referenz orientierte Sinnanalyse ja zu der offensichtlichen Paradoxie, daß die Wahrheitsbedingungen für zwei verschiedene Sinnausdrücke, soweit sie eben denselben Sachbezug aufweisen, genau dieselben Wahrheitswerte aufweisen müßten. Insofern aber der "Sinn" (in Freges Sinn) von z. B. "Morgenstern" und "Abendstern" gerade nicht identisch ist, erweist sich die (ohnehin zweifelhafte) Identität der Wahrheitsbedingungen nachgerade als ungeeignet für die analytische Erfassung der zuvor festgestellten Sinndifferenz. Wir müssen also, dieser Analyse gemäß, auf der begrifflichen Differenz von sprachlichem Sinn und objektiver Sachverhaltsbedeutung beharren und jede Analyse von Sinn in terms von (wahren) Sachverhalten zurückweisen. 3. Beim späten Wittgenstein findet sich, im Zuge einer Selbstkritik der eigenen früheren Orientierung an einer Wahrheitssemantik, eine dritte Version der Bedeutungstheorie. Diese für die Sprechakttheorie Austins und Searles und für Habermas zentrale Position macht sich zur Aufgabe, die privilegierte Stellung der Wahrheitsproblematik in bezug auf sprachlichen Sinn zu überwinden. Statt als paradigmatischen Sprachmodus die faktenorientierte Aussage auszuzeichnen, werden nun alle möglichen "Sprachspiele" in die Analyse einbezogen.*13* Vom korrespondenztheoretisch inspirierten Sinnmodell verschiebt sich damit die analytische Ausrichtung auf Sprache als ein Koordinationsmechanismus für soziale Handlungen. Sprachlicher Sinn ergibt sich aus dem sozialen Gebrauch der Worte und Sätze in "Lebensformen", die Verwendung von Ausdrücken und Äußerungen `bestimmt' die Bedeutung der entsprechenden symbolischen Formen allein im Kontext eingespielter Praktiken und Interaktionen. Tatsächlich besteht in diesem Fortschritt gegenüber gewissermaßen `statischen' und `asozialen' Bedeutungstheorien jedoch die Gefahr, die relativ autonome Sprach- bzw. Sinndimension wiederum auf einen eigentlichen Grund, nunmehr auf den Grund der sozialen Praktiken, zu reduzieren.*14* Die Differenz zwischen konkreten sozialen Praktiken und sprachlichem Sinn zeigt sich jedoch schon beim Scheitern der behavioristischen Versuche, die Identität sprachlicher Ausdrücke, die Kreativität sprachlicher Artikulationen und die Kontextunabhängigkeit bzw. Universalität von sprachlicher Bedeutung aus einer "praktischen Ursprungssituation" abzuleiten. Tatsächlich wird mit der menschlichen Sprache eine Funktion der Sinnartikulation und Sinnübermittlung greifbar, die die jeweiligen praktischen Funktionen, kontextuellen Umstände und bestimmten Situationszwänge transzendiert. Während die sozialen Praktiken einen unentbehrlichen Beitrag zur Sinnbestimmung in der je konkreten Situation leisten, verfügt die Sprache zugleich über einen situationstranszendierenden Zug, der sich nicht aus dem praktischen Kontext ableiten läßt. Man kann sich diese Differenz zwischen der sprachlichen Sinnebene und den sozialen Praktiken jedoch auch daran verdeutlichen, daß sich der von den Subjekten in der Sprache `vorgestellte' Sinn nicht mit den tatsächlichen Funktionen oder Strukturen der Praktiken decken muß. Die sprachliche Welterschließung kann dadurch, daß sie eine relativ autonome Ebene des Sinnes verkörpert, ideologische Funktionen in bezug auf zugrundeliegende und durch diese Bedeutungen hindurch reproduzierte Sozialpraktiken und Institutionen übernehmen. So hat z. B. der humanistische Reformdiskurs im Gefängniswesen im 19. und 20. Jahrhundert die wahren Konsequenzen und funktionalen Effekte des Gefängnisses als Strafinstitution verdunkelt und verdeckt, und gerade dadurch den entsprechenden sozialen Praktiken zu weiterreichender sozialer Wirksamkeit verholfen. Die verschleiernde Sinnerschließung des Gefängnisses als eines Reforminstituts, das den Gefangenen angeblich als moralisches Mitglied in die Gesellschaft reintegriert, hat die eigentliche Funktion der Produktion einer kontrollierten Delinquenz sowie die praktische Struktur der Machtausübung in dieser Institution verdeckt. Eine Theorie, die den sprachlichen Sinn unmittelbar mit den sozialen Praktiken kurzschließt, kann eine solche funktionale Divergenz zwischen der sprachlichen Bedeutungsebene und den symbolisch vermittelten Sozialpraktiken nicht erklären.*15* Wir müssen also auch gegenüber der `Gebrauchstheorie der Bedeutung' die relative Autonomie von sprachlicher Bedeutung festhalten, und die unmittelbare Identifikation von Sinn und sozialer Praxis zurückweisen. Unsere Diskussion sollte plausibel machen, daß sich sprachliche Bedeutung nicht auf die subjektiven Intentionen der Sprecher, nicht auf die objektiven Gegenstände oder Sachverhalte und auch nicht auf die praktischen Interaktionen der Handelnden reduzieren oder von diesen Dimensionen ableiten läßt. Sinn ist ein gegenüber Intentionen, Sachverhalten oder Praktiken vorgängiges Phänomen und insofern unhintergehbar.*16* Wenn aber Sinn als vorgängiges Phänomen angesehen werden muß, dann bietet sich an, hier eine ebenso gewagte wie tiefgreifende begriffliche Umkehrung vorzunehmen. Tatsächlich scheint durch unsere Überlegungen ein alternatives Modell nahezuliegen, demgemäß sich der sprachliche Sinn gewissermaßen als symbolisches Medium zwischen die bewußten Akte des Subjekts und die Erfahrungsdimensionen der subjektiven Erlebnisse, der objektiven Sachverhalte und der sozialen Praktiken, gleichsam wie ein kaleidoskopischer Filter, schiebt. Statt die Bedeutung sprachlicher Formen auf vorsprachliche Dimensionen reduzieren zu wollen, müssen vielmehr die Erfahrungen, die wir in bezug auf solche Dimension zu machen imstande sind, als durch die Vermittlung symbolischer Deutungsschemata geprägt begriffen werden. Wie ich später noch verdeutlichen werde, geht damit nicht der symbolidealistische Fehlschluß einher, nun die anderen Dimensionen völlig in der symbolisch-sozialen Konstruktion der (subjektiven, objektiven oder sozialen) Wirklichkeit gleichsam semiologisch verdunsten zu lassen. Dennoch aber deutet die bisherige Analyse auf den symbolischen Sachverhalt, daß die Erfahrung von Wirklichkeit entscheidend durch die sprachliche Sinnebene strukturiert und beeinflußt ist. Das Modell, das ich zunächst vor allem in Hinblick auf die weitere Diskussion als Orientierungshilfe einführe, sieht damit die Erfahrungsakte des Bewußtseins, also das Verstehen von etwas als etwas, als symbolisch vermittelt an.*17* Mit diesem Schritt haben wir das Analyseniveau erreicht, das für die Diskussion der kritischen Sprechakttheorie und ihrer Beziehung zu einer `Semiotik der Macht' nötig ist: Sprachlicher Sinn ist nun nämlich offenbar durch das Ineinandergreifen von zwei verschiedenen Analyse- oder Erfahrungsebenen bestimmbar. Zum einen werden in den Sprechakten bestimmte Phänomene, "Entitäten" oder seiende Dinge thematisiert, und die Bedeutung der Äußerungen kann mit bezug auf den darin geäußerten Bedeutungsgehalt, also mit bezug auf diese konkreten Phänomene, erläutert werden. Zum andern aber ist dieser Sinn von einem symbolischen Hintergrund, der herausgearbeiteten "vorgängigen Sinnerschließung", abhängig, derzufolge sich spezifische Phänomene überhaupt erst als solche zu erkennen geben. Wie genau die explizite Bezugnahme auf etwas in der Welt mit der symbolischen Erschließung dieser Phänomene zusammenhängt, wie also WELTBEZUG und WELTERSCHLIEßUNG sich zueinander verhalten, steht im Zentrum der folgenden Analyse. II. KRITISCHE THEORIE ALS KRITISCHE SPRECHAKTTHEORIE? HABERMAS UND DIE WITTGENSTEIN-NACHFOLGE Die Sprechakttheorie von Austin und Searle knüpft in systematisierender Absicht an den späten Wittgenstein und dessen Kritik der Bewußtseinsphilosophie an. Statt an Fakten- Fetischismus, solipsistischem Subjekt und Praxis-Abstinenz soll die Sprachanalyse nun an den pluralen Verwendungsweisen unserer Sprachspiele, an den sozial etablierten Regeln und Konventionen und an einem durch und durch praktischen "Redehandeln" (Schwab) ausgerichtet werden. Für Habermas, dessen Reformulierung der Sinn-Macht-Problematik uns vor diesem Hintergrund vor allem interessiert, bietet diese Tradition den aussichtsreichsten Ausweg aus den begrifflichen Engpässen der (oben diskutierten) bedeutungstheoretischen Traditionen.*18* Habermas kritisiert die in Teil I. behandelten Ansätze freilich mit einer dezidiert anderen Stoßrichtung. Zwar stimmt die Kritik in bezug auf die intentionalistische Semantik, zumindest in ihrem wesentlichen Ergebnis, überein. Habermas jedoch versucht über eine wohlwollende Interpretation Dummetts direkt an die Wahrheitssemantik anzuschließen: Der Bedeutungsbegriff soll, ebenso wie in dieser Tradition, durch den Geltungsbezug expliziert werden. Nach Habermas verstehen wir einen Sprechakt, wenn wir wissen, was ihn akzeptabel macht.*19* Die Akzeptabilitätsbedingungen müssen freilich weiter als bei Dummett oder Searle gefaßt werden. Statt die Geltungsbedingungen mit der Übereinstimmung von Aussagen mit Sachverhalten in der Welt zu identifizieren, muß nun mit der Überwindung des Fakten- Fetischismus ernst gemacht und die Geltungsdimension auch auf subjektive Erlebnisse und soziale Normen ausgedehnt werden. Hier kann nun der späte Wittgenstein als Wegweiser dienen. Habermas Kritik an der `Gebrauchstheorie der Bedeutung' ist freilich wiederum, daß diese Kritik am Positivismus gewissermaßen übers Ziel hinausschießt, wenn Wahrheitsfragen überhaupt an die bloß "soziale Geltung" von Bräuchen und Sitten angeglichen werden. Habermas hält also, im Gegensatz zu meiner Analyse, die intrinsische Beziehung von Bedeutung und Geltung fest, und kritisiert lediglich deren Verengung auf propositionale Tatsachenwahrheit. Obwohl er so die Geltungsdimension auch auf soziale Normen und subjektive Erlebnisse ausdehnen kann, verstellt er sich mit dieser geltungsorientierten Bedeutungsanalyse, wie zu zeigen sein wird, die semiotisch aufschlüsselbare Strukturierung von Sinn durch soziale Macht, die sich unterhalb der expliziten Geltungsdimension durch die symbolische Welterschließung (als dem Hintergrund der explizierbaren und geltungsbezogenen Akte) artikuliert. Habermas konzentriert sich hingegen auf eine Rekonzeptualisierung der aktrelevanten Weltbezüge, die bei Searle und Dummett noch vom korrespondenztheoretischen Modell der Übereinstimmung von Aussagen mit Sachverhalten geprägt sind. Zur Erweiterung des sprechakttheoretischen Grundmodells knüpft Habermas an das "Organonmodell der Sprache" des frühen Begründer der Sprechhandlungstheorie, Karl Bühler, an. Nach Bühler dient die Sprache als "ein organum, um einer dem andern etwas mitzuteilen über die Dinge".*20* In dieser auf Platon zurückgehenden Bestimmung sind die drei für die Definition des Sprechakts wesentlichen Merkmale bereits enthalten: Die Sprache dient dem Subjekt als Ausdruck, mittels dessen ein Sachverhalt zur Darstellung gelangt, was wiederum zum Zwecke der Mitteilung bzw. der Verhaltenssteuerung geschieht. Damit drückt sich im sprachlichen Zeichen, sofern es im Sprechakt sinnhaft aktualisiert wird, zugleich ein Bezug auf die objektive Welt, ein Bezug auf die Innenwelt des Sprechers und ein Bezug auf die soziale Interaktion bzw. auf den anderen Sprecher aus: "(das Sprachzeichen) ist SYMBOL kraft seiner Zuordnung zu Gegenständen und Sachverhalten, ANZEICHEN (INDICIUM) kraft seiner Abhängigkeit vom Sender, dessen Innerlichkeit es ausdrückt, und SIGNAL kraft seines Appells an den Hörer, dessen äußeres oder inneres Verhalten es steuert wie andere Verkehrszeichen."*21* AUSDRUCK, DARSTELLUNG, und APPELL beschreiben also drei gleichursprüngliche Sinnaspekte des Zeichens, die in Habermas' geltungsbezogener Lesart als Geltungsbezüge verstanden werden. Statt den Wahrheitsbezug auf Sachverhalte einzuschränken, müssen also die "wahrheitsanalogen" Bezüge auf subjektive Erlebnisse und soziale Normen mit in die Analyse einbezogen werden. Durch die Rekonstruktion des internen Geltungssinns, der jeweils ein anderer ist für die Bezugnahme auf subjektive Erlebnisse, auf objektive Sachverhalte oder auf soziale Normen, läßt sich somit eine Differenzierung von Sprechakttypen aufgrund drei, voneinander unterschiedender Geltungssphären vornehmen. Ausgehend von seinem geltungstheoretischen Ansatz kann Habermas zeigen, daß die unterstellte Gültigkeit von Sprechakten nicht auf die Wahrheit von Tatsachenbehauptungen, bezüglich derer die Existenz oder Nichtexistenz von Sachverhalten bestritten werden kann, reduzierbar ist. Sprechakte können vielmehr auch in bezug auf ihre Legitimität, etwa im Falle der fehlenden Autorität eines Befehlshabers, und auf ihre Aufrichtigkeit, etwa im Falle der Evidenz von Täuschungsabsichten, kritisiert und als inakzeptabel zurückgewiesen werden. Gestützt durch eine Kritik an Austins und Searles Klassifikationstabellen für Sprechakttypen schlägt Habermas deshalb die Orientierung an drei universalen Geltungsansprüchen vor, wobei die Bühlerschen Aspekte des Ausdrucks, der Darstellung und des Appells nunmehr als Geltungspräsuppositionen in bezug auf expressive, konstative und regulative Sprechakte verstanden werden. Sprecher erheben damit mit jedem Sprechakt zugleich drei Geltungsansprüche, nämlich aufrichtig zu sein, etwas Wahres zu sagen, und keine legitime Norm zu verletzen - und können bezüglich jeder dieser Dimensionen zur Rechenschaft gezogen werden. Gerade diese dreifache Kritikmöglichkeit, die in bezug auf die Dimensionen der Sprechaktgeltung besteht, berechtigt ja rekonstrukitv überhaupt erst zur These der dreidimensionalen Geltungsstruktur von sprachlicher Kommunikation. Im Zuge dieser kritischen Anknüpfung an die postwittgensteinianische Sprechaktheorie, die als das begriffliche Skelett einer kritischen Kommunikationstheorie dienen soll, stellt Habermas nun drei für unseren Diskussionskontext relevante Thesen auf. Erstens ist Habermas überzeugt, daß der triadische Geltungsbezug begrifflich zu einer Verdreifachung unseres Weltkonzepts nötigt, weil die geltungsanalytische Lesart der drei Zeichenbezüge jeweils verschiedene Kriterien des Glückens oder Mißglückens von Äußerungen vorsieht - und so offenbar verschiedene wahrheitsanaloge Realitätsdimensionen unterstellen muß. Zweitens müssen wir die Semantik zumindest ergänzen, wenn nicht ersetzen, durch eine formalpragmatische Bedeutungstheorie, da die Erweiterung der Geltungsaspekte auch normative und expressive Geltungen zuläßt, die sich nur durch die formale Struktur des praktischen Kommunikationskontextes verstehen lassen. Und schließlich wird drittens durch diese Analyse der (in der angelsächsischen Tradition vernachlässigte) Anschluß der Bedeutungstheorie an die Handlungstheorie herstellbar, da sich die Unterscheidung von illokutionären Verständigungsakten und perlokutionären Verständigungseffekten fruchtbar auf die machtanalytische Handlungstheorie abbilden läßt. Ich möchte durch eine kritische Diskussion dieser drei Thesen den Schritt zu einer stärker semiotisch orientierten Sprechakt- und Bedeutungsanalyse motivieren. DIE DREI-WELTEN-THESE. Um die Behauptung von drei kommunikativ erzeugten bzw. diskursiv unterstellten Welten zu begründen, rekurriert Habermas zunächst auf die von uns bereits eingeführte Unterscheidung von symbolischer Welterschließung und innerweltlichem Weltbezug.*22* "Lebenswelt" bezeichnet dabei den holistischen Sinnhintergrund, den wir im kommunikativen Handeln jeweils voraussetzen und reproduzieren, während in expliziten Sprechakten, ob performativ-handlungsbezogen oder reflexiv- argumentativ, jeweils auf etwas in der Welt Bezug genommen wird. Die Struktur dieser Bezugnahme auf Phänomene oder Aspekte der Welt nötigt nun nach Habermas zu einer begrifflichen Verdreifachung unseres Weltkonzepts. Anders als Popper, der diese "dritte Welt" vollständig nach dem Muster wissenschaftlicher Argumentationen mit universalem Wahrheitsbezug denkt, unterscheidet Habermas hier im Anschluß an den neukantianisch beeinflußten Max Weber drei `Wertsphären'. Diese Geltungsdimensionen werden freilich nicht als objektive Sinneinheiten eingeführt, sondern von den verschiedenen Geltungsbedingungen, die konstative, regulative und expressive Sprechakte im Sinne der Einlösbarkeit ihres Geltungsanspruches unterstellen, her rekonstruiert. Da sich jeder Sprechakt in Hinsicht auf die Wahrheit der enthaltenen Proposition, die Legitimität der unterstellten Norm und die Aufrichtigkeit der ausgedrückten Intention kritisieren läßt, unterstellt der Sprecher also nicht bloß einen Geltungsanspruch auf (sachliche) Wahrheit, sondern auch auf (normative) Richtigkeit und auf (subjektive) Wahrhaftigkeit. Um nun diese Wahrheitsanalogie (nicht: Wahrheitsidentität) der nicht-darstellenden Geltungssphären begrifflich zu untermauern, führt Habermas in einem weiteren Schritt das Konzept der drei Welten ein, die den jeweiligen Geltungsansprüchen im Sinne von Referenzkontexten zugeordnet sind: "Kommunikationsteilnehmer ... beziehen sich keineswegs nur auf etwas, das in der objektiven Welt statthat oder eintreten bzw. hervorgebracht werden kann, sondern auch auf etwas in der sozialen oder in der subjektiven Welt. Sprecher und Hörer handhaben ein SYSTEM VON GLEICHURSPRÜNGLICHEN WELTEN."*23* Diese Welten bilden ein "gemeinsam unterstelltes Bezugssystem", durch das sich die Subjekte auf etwas in der jeweiligen Welt beziehen können. Entscheidend ist nun, daß dieser Bezug über die Schiene der Geltungsansprüche verläuft, so daß die Wahrheit, Richtigkeit oder Wahrhaftigkeit von Sprechakten jeweils in Hinsicht auf eine unterstellte Welt von Phänomenen, denen diese Ansprüche entweder entsprechen oder nicht, zu bewerten oder zu bestimmen ist: "Auch die Bezüge der Sprechhandlung zu Sprecherintentionen und Adressaten können nach dem Modell eines Bezuges zur objektiven Welt gedacht werden. Es besteht nämlich gleichzeitig ein Bezug zur subjektiven Welt (des Sprechers) als der Gesamtheit privilegiert zugänglicher Erlebnisse und ein Bezug zur sozialen Welt (der Sprecher, Hörer und anderen Angehörigen) als der Gesamtheit der als legitim geltenden interpersonalen Beziehungen."*24* Habermas betont, daß die Wahrheitsanalogie nicht zu einer Angleichung von Erlebnissen oder Normen an Sachverhalte führen darf: "Die Kommunikationsteilnehmer nehmen mit ihren Sprechhandlungen auf etwas in der subjektiven oder in der sozialen Welt in einer jeweils ANDEREN WEISE Bezug als auf etwas in der objektiven Welt."*25* Insofern Sprechakte jedoch den Anspruch auf Wahrhaftigkeit und normative Richtigkeit zugleich mit dem (im engeren Sinne) "Wahrheitsanspruch" erheben, unterstellen sie dennoch entspechende Bezugswelten, in denen "etwas" dem im Sprechakt erhobenen Anspruch entweder entspricht oder nicht. Demgegenüber beharrt Searle in seiner klassischen Version der Sprechakttheorie auf der Unterstellung einer einzigen Welt der "brute facts".*26* Searle wendet sich gegen die Verdreifachung des Weltkonzepts aus derselben Motivation, die uns die Cartesianische Zwei-Welten-Lehre suspekt machen sollte. Statt die Welt zu verdoppeln oder zu verdreifachen und uns damit die Probleme des epistemischen Solipsismus, der Erkennbarkeit der Außenwelt etc. einzuhandeln, müssen wir hingegen strikt die Einheit der einen natürlichen, materiell gegebenen Welt verteidigen. Searles Vorschlag kann freilich als Kritik oder Alternative zu Habermas' Drei-Welten-Konzept schon deshalb nicht überzeugen, weil er philosophisch aufrichtig genug ist, die Reduktion von komplexen Bewußtseinsphänomen und deren Beschreibung auf das (den nackten Tatsachen gemäße) neurophysiologische Vokabular von Hirnströmen abzulehnen.*27* Während wir ONTOLOGISCH also von einer "realen" Welt ausgehen sollten, um die Fallstricke der klassischen Epistemologie zu umgehen, müssen wir PHÄNOMENOLOGISCH die Nichtreduzierbarkeit bestimmter Erfahrungs- oder Beschreibungsperspektiven zugestehen. Mit dieser philosophischen Doppelzüngigkeit aber verstrickt sich Searles quasi-materialistischer Ansatz jedoch zumindest in zwei Probleme. Erstens ist nicht klar, in welchem Sinn die Konstitution von gesellschaftlichen Phänomenen, die von der sprachlich-symbolischen Konstruktion sozialer Regeln und Institutionen abhängt, überhaupt ontologisch von den "brute facts" her bestimmbar sein soll. Die triviale Tatsache, daß Natur ohne Kultur, Kultur aber nicht ohne Natur existieren kann, erklärt ja nicht die (sozio-)ontologisch spezifische Struktur gesellschaftlicher Phänomene, die auch Searle zufolge von der sozialen Erzeugung "konstitutiver Regeln" abhängt.*28* Zweitens führt die dogmatische Privilegierung von EINER objektiven Welt der Sachverhalte zu unbegründeten Vereinseitigungen in der Erklärung. Da Searle letztlich doch die `nackten Tatsachen' für ontologisch grundlegend hält, muß jede kausale Struktur ihren letzten Halt in dieser ontologischen Ebene finden. Neurophysiologische Gehirnströme VERURSACHEN damit letztlich immer die Bewußtseinsphänome, während der umgekehrte Fall ausgeschlossen wird. Wenn aber mit der Überwindung des onto- epistemologischen Dualismus bzw. Triadismus ernst gemacht werden soll, und wenn zugleich die Irreduzibiliätät von komplexen Bewußtseinszuständen (z. B. von Depression, Glücksgefühl, oder Liebestaumel) auf neurophysiologische Beschreibungsformeln zugestanden wird, dann müßten wir die Verursachung von Gehirnströmen durch mentale Phänomene ontologisch auch zulassen. Indem Searle diese Möglichkeit kategorisch ausschließt, reduziert er einseitig das Spektrum der analytischen Beschreibungsmöglichkeiten und verteidigt dogmatisch ein Jahrhunderte altes empiristisches Vorurteil. Searle verkennt aber in seiner Kritik am Habermasschen Drei- Welten-Konzept ohnehin, daß Habermas die drei Welten gar nicht ontologisch einführt, sondern vielmehr "konstitutionstheoretisch" verstanden wissen will. Damit ist gemeint, daß die Welten, wie oben ausgeführt, korrelative Bezugsrahmen, sozusagen kommunikative Sinnprämissen darstellen, die Sprecher unterstellen müssen, insofern Ja/Nein-Stellungnahmen, also die Kritisierbarkeit der unvermeidlich erhobenen Geltungsansprüche, in intersubjektive Kommunikationen eingebaut sind. Insofern wir nun zeigen können, daß die Überprüfung des Wahrheitsanspruches, des Anspruches auf normative Richtigkeit und des Aufrichtigkeitsanspruches unterschiedlichen Kriterien genügt, drängt sich die Unterscheidung in verschiedene Geltungsansprüche, und damit in verschiedene Korrelationswelten, zwanglos auf. In Wahrheitsfragen geht es um die argumentative Einlösung von Behauptungen, für welche die beigebrachte Evidenz und Kohärenz etc. von Aussagen in einer möglichst machtfreien wissenschaftlichen Argumentations- und Forschungsgemeinschaft ausschlaggebend ist. In bezug auf normative Richtigkeit hingegen muß ein praktischer Diskurs die kontextuellen Werte und Normen auf ihre Gültigkeit hin überprüfen, wenn die kontextuellen Überzeugungen zur Deutung des Konfliktes nicht mehr ausreichen. Und in Fragen der Wahrhaftigkeit schließlich stößt die diskursive Einlösung des Anspruchs überhaupt auf ihre Grenzen. Gemeinhin kann sich die Aufrichtigkeit einer Äußerung nur im zukünftigen Handeln bewähren. Insofern hier also in der Tat verschiedene Geltungskriterien bezüglich der erhobenen Ansprüche greifen, scheint eine Differenzierung in entsprechende Weltbezüge angemessen. Habermas behauptet diese Welten also nicht in einem naiv ontologischen und epistemologisch verhängnisvollen Sinn, sondern führt sie, um in Searles Sprache zu bleiben, als Unterscheidungen der mit Sprechakten erzeugten konstitutiven Regeln ein, die somit in bezug auf die Geltungsdimensionen einer weiteren INTERNEN Differenzierung zugänglich sind. Dennoch stellt sich in Habermas Drei-Welten-These das Problem einer gewissen Spannung zwischen einem Begriff der Welt als der Gesamtheit von Phänomenen, und einem Begriff der Welt als Erschließungsperspektive, in der etwas als bestimmtes Phänomen überhaupt erst erscheinen kann. Habermas spricht von der subjektiven Welt als "Gesamtheit privilegiert zugänglicher Erlebnisse", und er bezeichnet die soziale Welt als "Gesamtheit der als legitim geltenden interpersonalen Beziehungen".*29* Der Begriff der Gesamtheit von `Entitäten' jedoch entstammt der realistischen Sprache des Positivismus, der von der objektiven Gegebenheit von Gegenständen und Sachverhalten ausgeht. Eine solche Redeweise aber führt schon in bezug auf die objektive Welt der Sachverhalte zu Paradoxien wie dem der negativen Fakten. Die Idee von einer Gesamtheit von Phänomenen unterstellt zudem ein beschreibungsunabhängiges Existieren von Sachverhalten, Normen und Erlebnissen, die sich als bestimmte Klasse oder Menge von Phänomenen denken lassen soll. Das aber läuft offenbar der erschließungs- oder konstitutionstheoretischen These zuwider, dergemäß die Welt der Normen und Erlebnisse, wie übrigens auch die der Sachverhalte, erst durch die diesbezüglichen Sprechakte realisiert und gewissermaßen als Bedeutungsphänomene konstituiert werden. Insofern sich die symbolischen Erschließungsrahmen jedoch historisch und kulturell wandeln und unterscheiden, kann schwerlich ein fixer Bestand an subjektiven Erlebnissen, objektiven Fakten und normativen Praktiken unterstellt werden. Zudem kann in der diskurskonstruktivistischen Sicht jedes Phänomen gleichermaßen als Sachverhalt, als normativ relevant oder als Erlebnis erschlossen und ist somit in das Diskursuniversum der anderen Welten übersetzbar.*30* Die konstative, regulative oder expressive Sprechaktdimension kann die (eine) Welt jeweils gemäß ihrer je spezifischen Logik erschließen, ohne das hier gewissermaßen ein Substratgemenge an objektiven Sachverhalten, sozialen Normen und subjektiven Erlebnissen vorausgesetzt werden muß. Diese Lesart ist in der Tat plausibel, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß Habermas den Weltbegriff zunächst als Doppelbegriff, d. h. als holistische Lebenswelt und als geltungsdifferenzierte Weltbezugstriade, einführt. In der Lebenswelt, oder in institutionell undifferenzierten Sprechakten, nehmen wir auf alle drei Welten zugleich bezug. Gleichzeitig können wir uns in problematisierender Rede auf einen Aspekt konzentrieren, und erzeugen damit durch diese diskursive Spezifizierung die (notwendige und erfahrungskonstitutive) `Illusion' einer getrennten Sonderwelt. Der von Searle befürchtete Zerfall des Habermasschen Diskursuniversums in drei cartesianisch aufgesplitterte Regionalontologien wird also weniger durch die interne Konstitutionslogik der jeweiligen Geltungsdimensionen als vielmehr allein durch deren gemeinsame Wurzel IN EINER LEBENSWELT vermieden. Um diese gemeinsame Wurzel der symbolischen Welterschließung jedoch auch im Sinne eines nicht-reifizierenden Weltbegriffs fruchtbar zu machen, hätte Habermas die symbolische Dimension als VORGÄNGIG gegenüber den verschiedenen Geltungsansprüchen ausweisen müssen. Nur wenn sprachlicher Sinn, wie ich oben argumentierte, gegenüber der Geltung ein zugleich nichthintergehbares und relativ autonomes Phänomen darstellt, kann die quasi-cartesianische Zersplitterung in drei Weltperspektiven begrifflich haltbar umgangen werden.*31* FORMALPRAGMATISCHE BEDEUTUNGSTHEORIE. Habermas' Interesse an der Sprechakttheorie ist gesellschaftstheoretischer Natur: Sprechakte erweisen sich als handlungskoordinierende Mechanismen, deren immanenter Geltungsbezug den Nachweis einer dem sozialen Handeln selbst innewohnenden Rationaliätsdimension erlaubt. Dieser Hintergrund erklärt die Relevanz, die Habermas seiner formalpragmatischen Bedeutungsanalyse einräumt. Die gegenüber Searles semantischer Analyse aufgestellte Behauptung der intrinsischen Relevanz der Handlungskontexte treibt nämlich die Bedeutungstheorie gewissermaßen von innen heraus zur Handlungstheorie. Zunächst hält Habermas mit der durch Dummett erweiterten Wahrheitssemantik an einem intrinischen Bezug zwischen sprachlicher Bedeutung und der Geltung von Sprechhandlungen fest. Wie bereits erläutert, verstehen wir den Sinn eines Sprechaktes, wenn wir die Bedingungen kennen, unter denen die aufgestellte Behauptung akzepatbel wäre. Im Falle von konstativen Sprechakten sind die Erfüllungsbedingungen offenbar epistemischer Art, hier müssen wir, um die Aussage zu verstehen, wissen, unter welchen Bedingungen die Aussage wahr sein könnte. Die Erweiterung der Geltungsdimensionen in bezug auf die durch expressive Sprechakte erschlossene subjektive Welt und auf die durch regulative Sprechakte erschlosse soziale Welt fordert nun eine Überwindung dieses epistemisch-semantischen Bezugsrahmens in Richtung auf eine unmittelbar von der praktischen Interaktionssituation ausgehende Analyse. Habermas argumentiert in diesem Kontext überzeugend gegen Searle, daß der SINN der Legitimität von normativen Erwartungen, die z. B. im Falle imperativischer Sprechakte in bezug auf die Autorität des Sprechers implizit erhoben werden, nicht aus den Erfüllungsbedingungen für Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann.*32* Der Sinn von intersubjektiv gerechtfertigten Normen läßt sich, anders als im Fall konstativer Sprechakte, nur aus dem normativen Rahmen des sozialen Kontexts selbst erschließen. Die Differenzierung der verschiedenen Sprechakttypen in bezug auf unterschiedliche Geltungsansprüche bringt also die bedeutungsinterne Relevanz des gesellschaftlichen Handlungsrahmens mit sich.*33* Die Überwindung der Semantik durch eine formalisierte Sprachpragmatik gelingt Habermas plausibel also dadurch, daß er zunächst die Verquickung von Bedeutung und Geltung annimmmt und sodann für bestimmte Geltungssphären die Unhintergehbarkeit des Handlungskontextes nachweist. Tatsächlich stellt sich diesem relativen Fortschritt gegenüber der allzu engen wahrheitsemantischen Sicht jedoch ein bedeutungstheoretisches Problem, daß ironischerweise in der Searleschen Sprechaktsemantik selbst aufgebrochen ist. Während diese Analyse nämlich zunächst von der Transparenz der wörtlichen Bedeutung ausging, an die auch Habermas' formalpragmatische Analyse anknüpft, hat sich schließlich die bedeutungskonstitutive Rolle eines implizit und holistisch strukturierten Hintergrundwissens als wesentlich erwiesen. Selbst der Sinn trivialer Sätze wie "Die Katze ist auf der Matte" oder "Geben Sie mir bitte einen Hamburger" hängt offenbar von einer unendlichen und nur teilweise propositional strukturierten Anzahl impliziter "Vorannahmen" ab, die von kontextspezifischen Erwartungen über den Ort der Matte oder die Größe des Hamburgers bis hin zu Unterstellungen der Gesetze der Schwerkraft reichen.*34* Dieses "Wissen" umfaßt zugleich Fertigkeiten und Kompetenzen, die eher praktisch-habitueller Natur sind und nicht in explizites Regelwissen übersetzt werden können. Für Searle ebenso wie für Habermas (der die Backgroundthese von Searle übernimmt) macht nun die Entdeckung dieses BEDEUTUNGSKONSTITUTIVEN Hintergrundwissens den Sinn wörtlicher Bedeutungen nicht etwa zunichte: Während für Searle dem impliziten "Background" gewissermaßen eine Art kontextspezifischer Anwendungsfunktion von an sich feststehenden wörtlichen Bedeutungen zukommt, sieht Habermas das implizite Vorverständnis als Sinnresource, derer sich die Kommunkationsteilnehmer in ihren expliziten Sprechakten bedienen können. Obwohl also der Hintergrund als bedeutungsbestimmend anerkannt wird, wird er zugleich durch diese begrifflichen Spielzüge wieder entschärft und gewissermaßen auf ein akzidentielles Sinnmoment zurückgestuft. Die "eigentliche" oder vollgültige Sprechaktbedeutung ergibt sich bei Habermas aus dem Geltungssinn der kommunikativen Äußerung, die von vornherein als geltungsbezogen definiert worden ist und sich somit des impliziten Hintergrunds bloß gleichsam als Materiallager, als angesammeltes Kulturreservoir bedient. Dieser Analyse kann man nun aber ansehen, daß sich ihre Domestizierung des sprachlichen Hintergrundsinnes einer begrifflichen Vorentscheidung eher denn einer unvoreingenommenen Beschreibung des Phänomens verdankt. Der Bedeutungsbegriff ist dogmatisch mit Bezug auf explizite Äußerungsbedeutung und dem damit erhobenen Geltungsanspruch definiert worden, ohne daß die von uns oben herausgearbeitete relativ autonome Sinnerschließung, die mit dem Problem des Hintergrundes in der Sprechakttheorie selbst greifbar wird, angemessen in Rechnung gestellt wird. Es macht zwar guten Sinn, für intersubjektive Kommunikation das geltungsbezogene Verständnis einer gemeinsam geteilten sprachlichen Bedeutung als sinnkonstitutive Unterstellung anzunehmen. Und es ist auch einleuchtend, daß im Fall des Zusammenbruchs von Verständigung auf gewisse formale Weltbezüge rekurriert werden kann und muß, um eine neue gemeinsame Basis aufzubauen. Was der Fall einer radikal gestörten Verständigung jedoch auch und vor allem zu Bewußtsein bringt, ist die Nichtkongruenz der SYMBOLISCHEN ERSCHLIEßUNGSRAHMEN, deren radikale Divergenz die Kommunikation zum Erliegen bringen kann. Tatsächlich zeigt sich hier, gleichsam querliegend zu den geltungsrelevanten Weltbezügen, die Strukturierungsdimension der impliziten Welterschließung, die das explizite Satz- und Sachverständnis hintergründig bestimmt. Insofern von Sprecher und Hörer verschiedene Klassifikations- und Begriffsordnungen verwendet werden, insofern die Bewertungstabellen und Wertskalen sich stark unterscheiden, und insofern die emotionalen und expressiven Ausdrucksformen symbolisch verschieden organisiert sind, muß in der Tat auf eine formalere Ebene von Weltbezügen bezug genommen werden. Dies ist aber ein Sonderfall der Kommunikation, die sich durch diesen Zusammenbruch gerade als gemeinhin durch INTERMEDIÄRE und IMPLIZITE DEUTUNGSSCHEMATA strukturiert erweist. Habermas' Konzentration der Bedeutungstheorie auf den explizit erhobenen Geltungsanspruch macht einen Ausnahmefall des Verstehens, ebenso wie die von ihm kritisierte Intentionssemantik von Grice, zum Paradigma. In Wahrheit vollziehen sich unsere Thematisierungen von etwas als etwas im Kontext ungefragt unterstellter symbolischer Bezugsrahmen, und es sind diese symbolischen Ordnungen, durch die die jeweiligen Sprechakte eine für beide Seiten (gemeinhin) geteilte Bedeutung erhalten.*35* BEDEUTUNGS- UND MACHTTHEORIE. Das Projekt von Habermas ist die bedeutungstheoretische Grundlegung einer kritischen Handlungstheorie. Kommunikative Sprechakte dienen der Koordination der individuellen Handlungspläne von Subjekten, die sich durch die diesen Akten innewohnenden Geltungsansprüche nolens volens an Rationalitätsmaßstäben orientieren. In diesem Kontext vertritt Habermas die pointierte These, daß der intrinsische Zusammenhang von Bedeutung und Geltung als philosophischer Nachweis des sozioontologischen Primats von kommunikativem gegenüber strategischem Handeln dienen kann. Auch für Habermas ist jedes Handeln teleologisch strukturiert. Es macht jedoch einen Unterschied, ob der Sprecher sich explizit an den Geltungsansprüchen orientiert und mit dem Hörer einen Konsens über die jeweils individuell oder kollektiv verfolgten Handlungspläne zu erzielen versucht, oder ob er sich schlicht am eigenen Interesse und den objektiven Erfolgsbedingungen der Durchführung bzw. Durchsetzung derselben ausrichtet und somit den Anderen als Mittel zum Zweck statt als rationales Ko-Subjekt begreift und behandelt. Tatsächlich steht es nach Habermas in der Macht des Handelnden, entweder eine KOMMUNIKATIVE, also an der konsensuell-argumentativen Beilegung von Konflikten oder Abstimmung von Handlungsabsichten ausgerichtete, oder aber eine STRATEGISCHE, durch die Maximierung der eigenen Erfolgschancen bestimmte Einstellung, einzunehmen. Mit dieser empirisch offenen Wahlmöglichkeit (und einer möglichen moralphilosophischen Begründung für den Vorzug kommunikativer Orientierungen) gibt sich Habermas aber nicht zufrieden. Die sprechakttheoretische Entdeckung, daß der perlokutionäre Effekt von Sprechakten notwendig durch das (für Habermas geltungsbezogene) Nadelöhr illokutionären Bedeutungsverstehens hindurch muß, soll den gewissermaßen sinnontologischen Primat des kommunikativen gegenüber dem strategischen Handelns dartun. Austin hatte die reine Wort- oder Satzbedeutung (lokutionärer Akt) von den durch die Verwendung der Sätze durch Sprecher vollzogenenen Handlungen (illokutionäre Akte) unterschieden, und hiervon wiederum die in der nichtsprachlichen Welt erzielten Effekte (perlokutionäre Akte) abgegrenzt. Wie aus der bisherigen Analyse hervorgeht, hält Habermas (wie übrigens auch Searle) die Unterscheidung von lokutionärem und illokutionärem Akt bedeutungstheoretisch für unhaltbar: Die reine Satzbedeutung läßt sich nur in bezug auf den (geltungsbezogenen) Verwendungsmodus erschließen. Demgegenüber aber bleibt der perlokutionäre Effekt für Habermas eine für die BEDEUTUNG DES SPRECHAKTS unwesentliche Konsequenz. Während also das Verständnis der Äußerungsbedeutung intrinsisch an das Verständnis der damit erhobenen Geltungsansprüche gebunden ist, bleibt der damit in der empirischen Welt erzeugte Effekt ein kontingentes Folgephänomen. Insofern Habermas nun von der gesellschaftstheoretischen Grundannahme ausgeht, daß soziales Handeln wesentlich in der sprachlich vermittelten Vernetzung von individuellen Akten und Handlungsplänen besteht, ist die strukturelle Orientierung an kommunikativer Rationalität gleichsam bedeutungsmäßig in das soziale Handeln eingebaut, während empirische Wirkungen ein bedeutungsmäßig parasitäres Ausfallprodukt sind. Strategische Einstellungen von Aktoren, die sich von vornherein auf die Erzeugung von perlokutionären Effekten konzentrieren, stellen demnach einen defizienten Modus der intersubjektiven Kommunikation, und somit der sozialen Existenz, dar. Es macht nun wenig Sinn, sich auf die sprechakttheoretischen Grabenkämpfe über die Korrektheit der Abbildung der illokutionär- perlokuionär Differenz auf die Unterscheidung zwischen kommunikativem und strategischem Handelns einzulassen. Für uns ist nicht die Treue zu Austin wichtig, sondern welchen Ertrag die bedeutungstheoretisch begründete Unterscheidung für eine substantielle Konzeption des sozialen Handelns, und genauer für die Rekonstruktion sozialer Macht, hat. Strategisches Handeln ist von kommunikativem Handeln, wie oben erläutert, durch die ego- und interessenzentrierte Orientierung an den eigenen Handlungszielen unterschieden. Die Verfolgung der eigenen Handlungsziele kann dabei entweder offen oder verdeckt erfolgen, d. h. der Andere wird entweder über die eigene Handlungsabsicht informiert oder aber diesbezüglich im unklaren gelassen. Wird strategisches Handeln nun verdeckt, d. h. in der Vortäuschung von kommunikativen Einstellungen durchgeführt, kann diese Täuschung wiederum bewußt als Manipulation des Anderen oder aber als unbewußte Selbsttäuschung vorliegen. Daß im Bereich der bewußten Täuschung eine vorgängige Orientierung an den eigentlich kommunikativen Akten vorliegt, folgt aus der Struktur derartiger Täuschungsakte selbst. Sie können nur gelingen, indem sie die vorgängige Ausrichtung des Anderen an der eigenen (bloß vorgetäuschten) Orientierung an Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit unterstellen. Auch und gerade für den Lügner ist die gemeinhin geteilte Wahrheitsunterstellung ein primärer sozialer Fakt. Interessanter ist der Fall der Selbsttäuschung, bei der die Sprecher selbst kommunikativ, also geltungs- und konsensorientiert zu handeln glauben, in Wahrheit aber von unbewußten strategischen Motiven hinterrücks bestimmt werden. Im Falle dieser SYSTEMATISCH VERZERRTEN KOMMUNIKATION liegt subjektiv kommunikatives, objektiv aber strategisches Handeln vor. Wie diese Kurzdarstellung der Habermasschen Begriffsunterscheidung von geltungs- versus machtorientiertem Handeln zeigt, bleibt diese Analyse des strategischen Handelns völlig von der positiven Kontrastfolie des kommunikativen Handelns bestimmt. Darin mag moralphilosophisch ein Vorzug bestehen, insofern das kritisierbare Machthandeln gegenüber dem normativ zu privilegierenden kommunikativen Handeln als defizitärer Modus ausgewiesen werden kann. Gesellschaftstheoretisch zeigt sich hier jedoch erneut die analytische Schwäche der zu engen Verquickung von Geltung und Bedeutung, da diesem Ansatz ein positives Modell der machtbestimmten Bedeutungskonstitution fehlt. In anderen Worten, strategisches Handeln wird entweder rein handlungs- und subjekttheoretisch durch egozentrisches Eigeninteresse, das den Anderen zum Mittel zum Zweck und letztlich zum Objekt degradiert, bestimmt; oder aber das Phänomen der strukturellen Gewalt, die sich durch die Verzerrung der Deutungskompetenzen und entsprechend verblendeter Interpretationen reproduziert, wird allein negativ durch das Fehlen einer kommunikativ transparenten Geltungsorientierung definiert. Wie jedoch die symbolisch- ideologischen Strukturen intern organisiert sind, welcher Logik und welcher Strukturierung bestimmte Verzerrungen der Sicht auf die Wirklichkeit, der Legitimität von Normen und Praktiken und der Authentizität eigener Gefühle und Bedürfnisse tatsächlich folgen, bleibt begrifflich und methodologisch völlig im Dunkeln. Dabei ist Habermas selbst eher an der strukturellen Transformation der Rationalitätsstrukturen statt an den je individuellen oder subjektiven Handlungseinstellungen interessiert. Das Konzept des lebensweltlichen Hintergrundes, zunächst bedeutungstheoretisch eingeführt, soll das strukturelle Scharnier zwischen Bedeutungs- und Handlungstheorie abgeben, denn "die Prozesse gesellschaftlicher Rationalisierung ... vollziehen sich eher an den implizit gewußten Strukturen der Lebenswelt als, wie es Weber nahelegt, an den explizit gewußten Handlungsorientierungen."*36* Obwohl Habermas hier den impliziten Charakter der Lebenswelt als Sinnhorizont hervorhebt, wird der begriffliche Anschluß dieses praktisch-sozialen Hintergrundkontextes an die Bedeutungstheorie expliziter Sprechakte wiederum allein an der Orientierung an Geltungsansprüchen ausgerichtet. Die Lebenswelt wird im ganzen als kommunikativ-funktionale Produktions- und Reproduktionsinstanz von kulturellem Wissen (Wahrheit), sozialer Solidarität (Richtigkeit), und personaler Identität (Wahrhaftigkeit) angesehen, und damit allein als Reproduktionsresource der Geltungsdimension bestimmt.*37* Ich habe an anderer Stelle gezeigt, daß dieser Lebensweltbegriff auf die interne Analyse des relativ autonomen symbolisch-praktischen Hintergrundes fälschlicherweise verzichtet. In diesem Kontext ist entscheidend, daß Habermas kein Konzept der symbolischen Vermittlung von struktureller Macht und individuellen Sprechakten aufzuweisen hat. Die Bestimmung bleibt rein an einem defizitären Modell des strategischen Handelns orientiert, ohne daß die PRODUKTIVE GESTALTUNG VON SINN DURCH HERRSCHAFT, die sich durch das lebensweltliche Vorverständnis auf die konkreten Äußerungen und Bedeutungsakte der Sprecher auswirkt, greifbar würde. Der strukturelle Einfluß, den funktionale Subsysteme wie kapitalistische Ökonomie oder administrative Politik auf die Lebenswelt haben sollen, muß so auch bedeutungstheoretisch unbegriffen bleiben.*38* Erst eine neuansetzende `Semiotik der Macht', die die symbolische Welterschließung nicht vorschnell auf die Geltungsdimension hin verengt, kann der holistischen Strukturierung eines machtgetränkten Vorverständnisses, das sich in konkreten Sprechakten zugleich artikuliert und reproduziert, analytisch gerecht werden. III. WELT, SINN UND MACHT: FÜR EINE SEMIOTIK DER KRITISCHEN THEORIE Ich möchte nun, auch vor dem Hintergrund der Diskussion in Teil I., eine Alternative zu den drei bei Habermas diskutierten Problemkomplexen vorstellen. Wir müssen dabei die vorschnelle Angleichung oder gar Reduktion von sprachlichem Sinn auf subjektive Intentionen, objektive Fakten oder soziale Praktiken vermeiden, ohne doch zugleich die Beziehung von Bedeutung auf diese Erfahrungsdimensionen aus den Augen zu verlieren. Von dieser Intuition war ja auch Habermas in seiner Anknüpfung an das triadische Sinnmodell von Bühler ausgegangen. Habermas hat aber, wie unsere Analyse in Teil II. zeigte, die Bedeutungsanalyse derart rigide auf die Geltungsproblematik hin zugeschnitten, daß der Intuition einer geteilten Welt angesichts der drei diskursiven "Sonderwelten", der sinnkonstitutiven Funktion des symbolischen Backgrounds und dem Anschluß der Bedeutungstheorie an die Machttheorie nicht voll Genüge getan werden konnte. In bezug auf die drei Begriffskomplexe Welt, Sinn und Macht möchte ich deshalb eine alternative Rekonstruktion vorschlagen, um die Vereinseitigungen der kritischen Sprechakttheorie zu umgehen. WELTBEGRIFF. Die bisherige Diskussion hat deutlich eine Spannung zwischen der Idee des Weltbezugs, bei dem etwas als Gegenstand des Bewußtseins oder des Sprechakts thematisch wird, und der Welterschließung, die einen Bezugs- oder Begriffsrahmen für derartige Sachbezüge bereitstellt, hervortreten lassen. Der Weltbegriff oszilliert demnach unscharf zwischen der Bestimmung von Seiendem innerhalb der Welt und dem umgreifenden Welthorizont überhaupt. Indem ich auf Heideggers Definition des Weltbegriffs zurückgreife, um meine eigene Analyse davon kritisch abzusetzen, kann die hier wichtige Dialektik zwischen Sprechakt und symbolischem Weltverständnis näher bestimmt werden. Heidegger hat in SEIN UND ZEIT, dessen Thema das existenzielle In-der-Welt-sein darstellt, die Grunddifferenz von Weltbezug und Welterschließung in vier Bestimmungen aufzulösen gesucht, um das ontologische Problem des Weltbegriffs zu erfassen. In bezug auf die nichtmenschliche Objektwelt ebenso wie in bezug auf die Welt des existierenden Daseins läßt sich eine ontische, d. h. innerweltlich auf das Seiende bezogene, und eine ontologische, d. h. auf die Seinsstruktur selbst abhebende Bedeutung von Welt unterscheiden. Welt kann im ersten Bereich die Gesamtheit aller Entitäten in der Welt bezeichnen; Welt bedeutet somit "das All des Seienden, das innerhalb der Welt vorhanden sein kann."*39* Zugleich kann dieser Bereich in seinem Sein thematisiert werden, etwa in regionalen Ontologien bestimmter objektiver Erfahrungsbereiche, so "wie in der Rede von der "Welt" des Mathematikers die Region der möglichen Gegenstände der Mathematik."*40* Wichtiger für uns und für Heidegger ist die ontische Welt des menschlichen Daseins, die als objektiv-soziale Umwelt, und zwar als öffentliche oder als private Lebenswelt, zu verstehen ist "als das `worin' (in dem) ein faktisches Dasein als dieses `lebt'".*41* Von dieser Lebenswelt selbst ist wiederum das Phänomen der "Weltlichkeit" zu unterscheiden, die als "ontologisch-existentialer Begriff" jeweils auf die verschiedenen sozialen Umwelten zugeschnitten ist, zugleich aber "das Apriori von Weltlichkeit überhaupt" enthält.*42* Es ist überdeutlich, daß Heideggers Analyse trotz aller Bemühung um eine Überwindung der Subjekt-Objekt-Differenz entscheidend von diesem bewußtseinsphilosophischen Denkschema geprägt ist. Die Unterscheidung der beiden Seinsbereiche in eine "natürliche" und eine "existentielle" Region ebenso wie die interne Unterscheidung zwischen ontischer Dimension und ontologischem Apriori zeigen dies zur Genüge. In Heideggers begrifflichem Viereck ist unsere Frage nach dem Verhältnis von Weltbezug und Welterschließung jeweils in der Spannung zwischen innerweltlichem Seienden und Natur-Sein bzw. existierend-objektiver Umwelt und erschließend- existentieller Weltlichkeit aufgehoben. Heidegger selbst macht klar, daß die Natur nur durch das menschliche Erkenntnis- und Erfahrungsverhalten für uns existiert. Somit reduziert sich die wesentliche Frage auf das Verhältnis von sozialer Umwelt und, so möchte ich interpretieren, symbolisch-"weltlicher" Welterschließung. Um dieses Verhältnis frei von subjektphilosophischen Schlacken zu erfassen, sollten wir erneut - vor den Hintergrund dieser Problemstellung - unser Verständnis des Weltbegriffs zum Thema machen. Der Begriff der Welt selbst scheint zunächst in vier Hinsichten definierbar. Erstens sprechen wir von der Welt des Biologen, der Welt des Physikers, und auch von der politischen Welt. Hier bezeichnet Welt eine geteilte symbolische Ordnung, die durch gemeinsame Begriffe, Prinzipien, Werte, Interessen, etc. für die Beteiligten regulativ bestimmt ist. Zweitens gibt es den Begriff der (sozialen oder natürlichen) Umwelt, der für Tiere im Sinne des Biotops und für Menschen im Sinne von sozialen oder kulturellen Strukturen und Bedingungen gebraucht wird. Hier beschreibt der Weltbegriff die Struktur der Situation, in die das Subjekt in bezug auf seine nächste bzw. funktional relevante Umgebung gestellt ist. Das Verhältnis zwischen dem regulativ- symbolischen WeltVERSTÄNDNIS und der objektiv-sozialen WeltSTRUKTUR ist besonders in Hinblick auf ein sozial- und machtbestimmtes Weltverständnis wichtig. Drittens wird der Weltbegriff, vor allem im philosophischen Diskurs, als die Gesamtheit der `in der Welt' vorfindlichen Gegenstände (oft mit materialistischer Konnotation, wie bei Searle) eingeführt. Welt ist also hierbei weder in den geteilten Sinn-Regeln noch in den Strukturen der Situation begründet, sondern allein im gleichsam aggregathaft gedachten Gesamt aller (wirklichen oder möglichen) Entitäten. Schließlich kann Welt aber auch als der Horizont, als die korrelative Erfahrungsstruktur des Subjekts verstanden werden. In dieser letzten Bedeutung ist der Weltbegriff am direktesten mit der Idee eines erfahrbaren Sinnes von Welt verbunden, hier wird `in der Welt sein' mit der reflexiven Vergegenwärtigbarkeit des Sinnes von Welterfahrung mitgedacht. Für unsere Diskussion ist wichtig, wie die Beziehung zwischen der Welt als dem Gesamt von Entitäten und der Welt als Sinnhorizont, vermittelt durch bestimmte symbolische Erschließungsrahmen im Kontext objektiver sozialer Situationen, zu denken ist. Mit anderen Worten, im intentional-reflexiven Sprechakt thematisiert das Subjekt etwas in der Welt, was jedoch, wie gezeigt, auf der Basis einer vorgängigen Sinnerschließung geschieht. Interessant ist nun, in welcher Weise der bewußte "Objekt"-Sinn durch bestimmte symbolische Deutungsschemata vorstrukturiert ist, die wiederum mit der sozialen Umwelt des Subjekts zu tun haben. Wie ich später zeigen werde, stellt diese Beziehung des sozialen zum symbolischen Hintergrund eine wichtige Kategorie zur Analyse struktureller Macht dar. In bezug auf den Weltbegriff möchte ich jedoch an dieser Stelle zunächst für ein angemesseneres Verständnis der Beziehung von internem, sprechaktrelativem Weltbezug und allgemein-umgreifendem Weltverständnis argumentieren.*43* In unserem Kontext soll freilich die Dimension der Welterschließung nicht, wie bei Heidegger, auf die ontologische Problematik bezogen werden. Tatsächlich kann sich jedes Seinsverständnis nur durch sprachlichen Sinn artikulieren, so daß, wie Cassirer schon früh zu recht gegen Heidegger einwandte, die Sinnanalyse der symbolischen Dimension in Wahrheit ursprünglicher ist, jedenfalls eine nicht überspringbare Ebene darstellt.*44* Zugleich können wir damit Tugendhats Einwand, daß sich ein einheitliches Seinsverständnis in der Sprache gar nicht nachweisen läßt, daß Heidegger also ein typisches philosophisches Scheiproblem aufstellt, entgegentreten.*45* Mich interessiert in der Tat nicht die Herausarbeitung eines substantiellen Verständnisses von "Sein" überhaupt, sondern vielmehr die Funktion und Bedeutung jener Ebene des sprachlichen "Vermittlungs-Sinnes", innerhalb dessen sich überhaupt erst bestimmte Seinsverständnisse artikulieren können. Hier möchte ich nun gegenüber Habermas auf der Existenz von einer Welt beharren, jedoch gegenüber Searle die Grundlegung dieses Weltverständnisses in "brute facts" als empiristische Reduktion des holistischen Sinnverständnisses von Welt zurückweisen. Wenn wir den Weltbegriff als den umgreifenden Horizont jeder Erfahrung von Seiendem verstehen, kann die Einheit der Welt verteidigt werden, ohne daß die unterschiedlichen Erfahrungsdimensionen, die Habermas (und Popper) zu der Drei- Welten-These geführt haben, geleugnet werden müssen. Subjekte erschließen Phänomene demzufolge jeweils in einem symbolisch vermittelten `Sinn', und obwohl sich die Struktur oder Totalität dieses Bedeutungsrahmens nie vollständig vor das Bewußtsein bringen läßt, liegt doch hier gerade die Wurzel unseres Begriffs einer Einheit der Welt. Emotionale Zustände, Konfrontationen mit Gegenständen und Sachverhalten und die Einbettung des Sinnes in soziale Praktiken und Institutionen sind nicht auf symbolische Bedeutung reduzierbar und werden dennoch alle durch eine je schon erfolgte und gemeinhin im Hintergrund bleibende symbolische Erschließung vermittelt. Erlebnisse sind als solche intrinsisch verknüpft mit kulturellen Bedeutungsrastern, wie die Analysen zur "Liebe" eines Stendhal oder Luhmann oder die Untersuchungen zu "Wahnsinn" von Foucault beispielhaft belegen. Wie Cassirer zeigte, werden Gegenstände und Fakten durch die Newtonsche Mechanik strukturell anders erschlossen als durch Wortmagie und mythische Deutungssysteme; gesellschaftliche Beziehungen und ihre Bewertungsraster `organisieren' die Welt der sozialen Praktiken symbolisch je anders, wenn sie als Gottes Vorsehung, als freier Zusammenschluß individueller Subjekte oder als kybernetisches System verstanden werden, wie soziologische und ethnologische Analysen erschöpfend dartun. Trotz dieser Abhängigkeit der Erfahrung von symbolischen Erschließungsrastern aber wird in diesen Dimensionen etwas anderes als bloß Sprache erfahren. Der symbolisch erschlossene Sinn kann nämlich von den drei Rändern der faktischen, sozialen und emotionalen Widerstände her in Frage gestellt bzw. durch diese Widerstandserfahrungen in seiner problemlosen Gegebenheit angegriffen werden. Ebenso wenig wie Sinn auf Intentionen, Fakten oder Praktiken reduziert werden kann, können diese Erfahrungsdimensionen schlicht mit der symbolischen Konstruktion von Erfahrung ineinsgesetzt werden. Wir leben also aus dem Fundus einer jeweils anders und differenziert erschlossen Welt des Sinns, an deren Rändern uns Erlebnisse, Fakten und Praktiken begegnen. Aufgrund der Offenheit all dieser Ordnungen fürs Verstehen kann, den vielen ausdifferenzierten symbolischen Ordnungen zum Trotz, die Idee einer Welt verteidigt werden. SINNBEGRIFF. Es liegt nahe, die Unterstellung der einen Sinn-Welt als den symbolschen Hintergrund zu begreifen, von dem ausgehend unendlich viele kreative Sprechakte bzw. Bezugnahmen auf Phänomene in der Welt möglich sind. Die Sprechakttheorie hatte, wie wir sahen, den Background (Searle) bzw. die Lebenswelt (Habermas) durchaus als Moment der Bedeutungskonstitution entdeckt. Dennoch ist in dieser akt- und geltungszentrierten Tradition die eigentliche Sinnschöpfung einseitig, zumindest was die Ausgestaltung der analytischen Begriffsinstrumente angeht, als Leistung der "konstitutiven Regeln" der Kommunikation betrachtet worden. Aus dem Blickfeld ausgeschlossen wurde die Untersuchung des konkreten Beitrages, den der sinnkonstitutive Hintergrund in der intersubjektiven Verständigung zwischen Sprechern und Hörern leistet. Der explizite Wiederanschluß dieser Dimension an die Bedeutungstheorie wird nicht nur einen vollständigeren und im ganzen angemesseneren Begriff von sprachlichem Kommunikationssinn erlauben; wir würden hier, über den `Umweg' der Sprachtheorie, zugleich das Problem der Vermittlung von Handlung und Struktur einer Lösung näherbringen. Sinnkonstitution, als die Identität von sprachlichen Ausdrücken und Äußerungen für die sich mit diesen symbolischen Mitteln über etwas verständigenden Subjekte, muß als ein Ineinandergreifen der expliziten Sprechaktdimension und des symbolisch-praktischen Hintergrundes begriffen werden. Die konstitutiven Sprechaktregeln legen fest, ob eine sprachliche Äußerung sich eher auf die Feststellung von Sachverhalten, auf die Kundgabe von emotionalen Einstellungen bzw. Erlebnissen oder auf die Bewertung und Beurteilung von Handlungen, Maximen oder Normen bezieht. Dieses grobe Raster, so räumt Habermas ein, muß für empirische Zwecke freilich selbst wieder für alle möglichen Feindifferenzierungen von Sprechakten geöffnet werden.*46* Unterhalb dieser Dimension aber unterstellen die Sprecher je schon eine bestimmte Ordnung der Welt, in der Sachverhalte, Emotionen und Handlungsnormen in bestimmter Weise als existent und wirklich gelten. Welche Entitäten wir in der Welt problematisieren und thematisieren können, welche Emotionen uns als die eigentlichsten und intensivsten erscheinen, welche Ordnung des Handelns wir für normal, normativ angemessen und legitim halten, all dies wird bereits durch eine symbolische Erschließung bestimmt, die unsere Wahrnehmung in bezug auf die Phänomenkomplexe selektiv strukturiert und intern organisiert. Das Sinnverstehen zwischen Sprechern und Hörern hängt demnach nicht allein davon ab, ob ich den Sprechakt adäquat als konstativ, regulativ oder expressiv erfasse, oder ob ich den Fragesinn, die imperativische Komponente, die Ironie oder den enttäuschten Tonfall aufzugreifen imstande bin. Sinnverstehen zwischen Subjekten hängt auch wesentlich davon ab, ob die UNTERSTELLTEN KLASSIFIKATIONSSYSTEME, die die Welt der (Sinn-) Phänomene bedeutungsvoll strukturieren, sich decken oder aber in ihrer inneren Ordnung, zumindest intuitiv, verstanden werden. VERSTEHEN bedeutet in diesem Modell, die Gefühls-, Sach- und Wertwelten des Anderen zu verstehen. Wir verstehen folglich einen Sprechakt nicht allein durch die illokutionäre Kraft, sondern dann, wenn wir die kategorialen Unterscheidungen und Bestimmungen kennen, die der Andere unterstellt, wenn er im Kontext von "Sprechaktangeboten" (Habermas) auf etwas Bezug nimmt. Dieses Modell kann zwei Phänomene des Bedeutungsverstehens zwischen Subjekten besser als andere Ansätze erklären. Erstens können wir nun einsehen, wie zwei Sprecher sich über etwas Emotionales, Faktisches oder Normatives zu verstehen glauben, in Wahrheit jedoch nur scheinbar diesselben Auffassungen teilen. Ein später auftretender Konflikt oder neue Information kann die Differenz in den grundlegenden Einstellungen zutage fördern. Zweitens können wir Andere sehr wohl verstehen, ohne mit ihnen `im Einverständnis' zu sein. Insofern wir ihre tiefliegenden symbolischen Annahmen und Unterscheidungen verstanden haben, leuchtet schließlich auch ein, warum sie das, was sie sagen, für evident oder angemessen halten, ohne daß wir selbst davon überzeugt sein müssen. Eine besondere Entdeckung dieser auf eine "Semiotik des Vorverständnisses" abhebende Analyse ist nun, daß Karl Bühlers ursprüngliche Konzeption einer Sprechhandlungstheorie, zumindest dem gesamten Ansatz und Programm nach, die von uns eingeklagte Dimension durchaus mit berücksichtigt.*47* Habermas' überaus selektive Rezeption verschweigt, daß Bühler mit dem Prinzip der "abstraktiven Relevanz" die semiotische Dimension des Bedeutungsverstehens, also das Erfassen bestimmter Kodestrukturen im Kontext der Kommunikation, als gleichursprünglich mit den dreifach verschiedenen Organonfunktionen ansah. Dieses durch Saussure und Jakobson einflußreiche Modell besagt, daß für Sinnkonstitution die selektive Unterscheidung des Zeichens von anderen Zeichen konstitutiv ist, wobei nur gewisse Phänomen- Merkmale eine symbolische Relevanz haben müssen, während wir von der gesamten Verfassung der Phänomene, die als Elemente in das Bedeutungssystem integriert werden, abstrahieren können. In der Phonetik ist z. B. entscheidend, welchen Lautfolgen eine symbolische Bedeutung im Unterschied zu anderen Lautbildern zuerteilt wird, wobei verschiedene Sprachen das objektive Möglichkeitsspektrum hier selektiv konventionell unterschiedlich aktualisieren.*48* Indem wir die grammatisch differenzierte Sprache nun mit Bühler (aber auch mit Cassirer und Gadamer) als Dimension der Begriffsbildung begreifen, wird das Prinzip der abstraktiven Relevanz auch für die sprachliche Erschließung ganzer Erfahrungsbereiche, also für die symbolische Strukturierung unserer Erlebnisse, Fakten und Praktiken, Geltung besitzen. Welche Erlebnisse erfahrbar und als "authentisch" artikulierbar werden, welche Gegenstände und Sachverhalte als "Realität" entweder bestritten oder verteidigt werden, welche Handlungsweisen, Praktiken oder Institutionen als "legitim" gelten dürfen, verdankt sich somit einer sprachlich-begrifflichen Vorstrukturierung, die wir bereits als den symbolischen Hintergrund von expliziten Sprechakten eingeführt haben. Sprechakte werden in diesem Modell als Artikulationsmodi des symbolischen Vorverständnisses begreifbar. Sie sind, was Searles spätere Wende zur Intentionalität freilich überpointiert, strukturell intentional ausgerichtet, d. h. auf etwas in der (wie auch immer intern differenzierten) Welt bezogen. Dieser Bezug selbst aber bezieht sich bereits auf vollzogene begriffliche Unterscheidungen, die durch die Sprechakte auf die konkret erfahrbare Welt der Umweltphänome und Entitäten wieder angewendet und gleichsam rückbezogen werden.*49* Dennoch darf nun umgekehrt dieser Hintergrund nicht zur fixen Ordnung reifiziert und als gesetzartige Superstruktur den je individuellen, gleichsam epiphänomenalen Sprechakten übergeordnet werden. Tatsächlich ist der Hintergrund auf die intersubjektive Reproduktion und Rekonstitution durch Sprecher in der Welt angewiesen, was ihn zugleich einem Dauertest und kritischer Infragestellung im Kontext von emotionalen Erlebnissen, faktischen Ereignissen und sozialen Widerständen aussetzt. Das dialektische Wechselspiel zwischen symbolischer Vorstruktur und intentionalem Bedeutungsakt bietet, wie ich nun zeigen möchte, eine produktive Vermittlungsmöglichkeit von Bedeutungstheorie und Handlungstheorie mit bezug auf soziale Macht. MACHTBEGRIFF. Der Vorzug des über den symbolischen Weltbegriff plausibel gemachten Sinnbegriffs besteht für die kritische Gesellschaftstheorie darin, daß damit der Einfluß struktureller Gewalt auf symbolische Phänomene analysierbar wird. Habermas beschreibt das strategische Handeln als defizitären Modus gegenüber dem kommunikativen Handeln. Damit aber bleibt ungeklärt, wie objektive soziale Kontexte und Machtstrukturen auf die allgemeinen Weltbildstrukturen der Sprecher Einfluß nehmen. Tatsächlich sehe ich die Überlegenheit des semiotischen Sinnmodells in der Explikationskraft in bezug auf strukturelle Herrschaft: Erst ein holistischer Sinnbegriff kann erklären, wie bestimmte emotionale Einstellungen, Realitätskonzeptionen und normative Verhaltenserwartungen als unbefragte Sinnprämissen Wirklichkeit erschließen und zugleich, durch die hintergründige Beziehung mit hierarchisch und exklusiv strukturierten Praktiken, soziale Herrschaft stabilisieren und reproduzieren. Aus diesem Grund scheint, im Lichte eines Hauptinteresses der Kritischen Theorie, weniger die Binnenunterscheidung der expliziten Sprechakte von Bedeutung, als vielmehr der zumeist unbewußte, potentiell aber kritisch-reflexive Zusammenhang zwischen Sinnverständnis und Machtpraxis. Tatsächlich kann ich hier nur die begrifflichen Weichenstellungen anzeigen, über die eine solche Verknüpfung von Sinn und Macht zu verlaufen hätte. Die folgenden drei Differenzierungen in bezug auf den Machtbegriff sind also als heuristische Hilfeleistung zu verstehen, um die Relation von struktureller Herrschaft und subjektiv-intentionaler Sprechaktbedeutung, die durch symbolische Deutungsschemata vermittelt ist, zu konzeptualisieren. Zunächst haben wir es hier mit SOZIALER MACHT im Gegensatz zu NATÜRLICHER MACHT zu tun. Diese scheinbar offensichtliche Unterscheidung ist kaum trivial, wenn wir uns klarmachen, daß unser weitergehendes Interesse in den strukturellen Bedingungen des sozialen Zwangs besteht. Während natürliche Kräfteverhältnisse durchgängig kausal vernetzt sind und als solche gemeinhin gesetzesmäßig und unumkehrbar verlaufen, ist das soziale Machtverhältnis immer im Prinzip reversibel und durch das Gegenprinzip der Freiheit mitbestimmt. Soziale Macht ist immer auch symbolisch vermittelt, indem die Subjekte entweder durch Sanktionen, durch normative Erwartungen und/oder durch habituelle Eingewöhnung zu einem bestimmten Verhalten, gleichsam zu einer Selbst-Strukturierung ihres Freiheitshorizontes, gebracht werden. Der Modus dieser Strukturierung kann nun entweder durch INDIVIDUELLE oder KOLLEKTIVE AKTEURE oder aber durch OBJEKTIVE STRUKTUREN vollzogen werden. Im ersten Fall wirken bestimmte Subjekte oder Gruppen direkt auf die Entfaltungs- und Realisierungmöglichkeiten anderer Subjekte oder Gruppen ein, und beschränken diese damit in ihrer Freiheit. Im zweiten Fall jedoch tritt kein Agent offen zutage, sondern bestimmte soziale, kulturelle oder sonstige Bedingungen bringen bestimmte Effekte bezüglich der sozialen Selbstverwirklichung mit sich. Diese Wirkungen können nun, um die dritte Unterscheidung einzuführen, entweder in einem NEGATIVEN BESCHRÄNKUNGSEFFEKT oder aber in einem POSITIV-PRODUKTIVEM ERMÖGLICHUNGSEFFEKT bestehen. Gerade diese letzte Unterscheidung ist trickreich, da diese analytische Differenzierung in der sozialen Wirklichkeit durchaus zwei Seiten einer einzigen Praxis beschreiben kann. So kann zum Beispiel der Ausschluß von bestimmten Bildungsmöglichkeiten in bezug auf klassische Kunst und Musik die positive Produktion von alternativen Musik- oder Malformen (etwa Rap oder Graffiti) bewirken oder nahelegen, die dann als positive Kulturkompetenzen zu verbuchen sind. Der untergründige Zusammenhang beider Aspekte kann aber gerade wichtig werden, um die letztlich doch herrschaftbestimmte oder zumindest herrschaftsbezogene Wurzel bestimmter subkultureller Praktiken nicht von vornherein zu übersehen. Indem wir diese begrifflichen Differenzierungen einführen, können wir ohne methodologische Schuldkomplexe einen Begriff der strukturellen symbolischen Gewalt entwickeln. Wir haben es in diesem Fall mit sozialer Macht zu tun, die durch die objektiven sozialen Bedingungen den Subjekten bestimmte positive Erlebnismuster, Realitätsbilder und Normvorstellungen auferlegt. Bestimmte objektive (und einschränkende) Kontextbedingungen werden durch die Einübung und Übernahme von Sinnmustern als "die Welt" akzeptiert, und steuern von nun an als unbefragtes Hintergrundwissen die explizite Bedeutung in Sprechhandlungen. Die objektive Beschränkung von Handlungsmöglichkeiten durch die soziale Situation setzt sich also in `Sinngrenzen' um. Sinn aber erzeugt, wie Bühler und Saussure deutlich gemacht haben, positive Bedeutung gerade durch die rein negative und formale Differenz. Die praktische Durchstrukturierung der symbolischen Ebene hat also positive Sinneffekte zur Folge - oder weniger technisch ausgedrückt, aus der jeweils anders gestalteten sozialen Situation gehen jeweils unterschiedliche Ich-Konzepte, Weltbilder und Wertvorstellungen hervor. Insofern diese symbolischen Formen nun unterschiedliche Selbstverwirklichungschancen in der `ureigensten' Identitätsdimension der Subjekte, nämlich in deren symbolischen Selbstverständnissen und Weltbildern, festschreiben, dienen sie der Untermauerung der existierenden Machtverhältnisse. Der Vorzug der semiotischen Analyse ist, daß sie die Intuition, daß soziale Kontexte ÜBER DIE SCHIENE DER SYMBOLISCHEN FORMEN Macht über Subjekte ausüben, in eine begriffliche Fassung überführt und so einer empirischen Analyse zuführt. Um gesellschaftstheoretisch zu dieser Dimension unserer sozialen Existenz vorzudringen, scheint also weniger die explizite und kommunikative Orientierung an verschiedenen in der Rede implizit erhobenen Geltungsansprüchen wichtig. Man muß dieser Analyse nicht ihr beschränktes Recht bestreiten, wenn es um das Verständnis der Binnendifferenzierung von Sprechakten geht, um zu sehen, daß das Phänomen der strukturellen Herrschaft eine semiotisch angeleitete Reflexion auf Sinn-Macht-Komplexe verlangt. *1* Sozialphilosophen wie Paul Ricoeur, David Hoy, John Thompson (sowie meine eigenen Arbeiten diesbezüglich) versuchen sich somit an einer begrifflichen Grundlegung für die empirisch fruchtbare Analyse von kulturellen und historischen Macht-Sinn- Konstellationen - ein Thema, das vor allem in den jüngst so produktiven "cultural studies" eminente Bedeutung erlangte. Vgl. als repräsentative Arbeiten John Thompson, CRITICAL HERMENEUTICS, Cambridge 1981; David Hoy, THE CRITICAL CIRCLE, University of California 1982; Thomas McCarthy/David Hoy, CRITICAL THEORY, Oxford 1995; Hans Herbert Kögler, THE POWER OF DIALOGUE. CRITICAL HERMENEUTICS AFTER GADAMER AND FOUCAULT, Cambridge, Mass. 1996 (deutsch: DIE MACHT DES DIALOGS, Stuttgart 1992). *2* Habermas hat allerdings in jüngster Zeit mit der Thematisierung der Rechtsproblematik den Anschluß an gesellschaftstheoretische Fragen zurückzugewinnen versucht. Im Zentrum stehen nun freilich im engeren Sinne politiktheoretische Fragen, und weniger die Konstitution von sozialem Sinn oder struktureller Gewalt. Vgl. Jürgen Habermas, FAKTIZITÄT UND GELTUNG, Frankfurt 1992. *3* Vgl. Jürgen Habermas, "Zur Kritik der Bedeutungstheorie", in: NACHMETAPHYSISCHES DENKEN, Frankfurt 1988, S. 105 ff. *4* "Intentionale Akte" verstehe ich als die bewußte und interessierte, entweder kognitive oder praktische Bezugnahme auf etwas in der Welt. Die Wahrnehmung von Gegenständen ebenso wie die Festsetzung und die gerichtete Ausführung von Handlungsvorhaben setzt dabei "Intentionen" voraus, die sich nicht ohne die Unterstellung sprachlicher Mittel `vorstellen' lassen. *5* Vgl. Paul Grice, STUDIES IN THE WAY OF WORDS, Cambridge, Mass. 1994. *6* John Searle,SPEECH ACTS, Cambridge 1969, S. 43, 45. Derselbe Sachverhalt kann auch durch die Struktur des simplen Lügens verdeutlicht werden. Ein Subjekt kann sich der "objektiven" Bedeutung von Äußerungen so bedienen, daß der SINN der Aussage als solcher intendiert und sprachlich erzeugt wird, ohne daß die übermittelte Bedeutung als ÜBERZEUGUNG vom Subjekt geteilt wird. Die sprachliche Bedeutung wird vielmehr strategisch zum Zweck des "den Anderen etwas glauben machens" eingeführt. In diesem Fall kann der Andere die Aussagen `richtig' verstehen, und sich doch über die eigentliche Intention des Sprechers täuschen. Dieser Fall tritt ein, wenn Äußerungen regelgerecht verwendet werden, so daß eine konventionell nachvollziehbare Bedeutung entsteht, auch wenn der Sprecher einen ganz anderen Zweck als den der unmittelbaren Mitteilung verfolgt. Hätte der amerikanische Soldat in Italien 1943 z. B. die Worte "Ich bin ein deutscher Soldat" ausgesprochen, und wäre von italienischen Soldaten richtig verstanden worden, dann wäre die Kommunikation aufgrund des regelgerechten Gebrauchs von Bedeutungskonventionen, und zwar trotz der verdeckten Intention, zustande gekommen. Wie Eco bemerkte, ist die Fähigkeit zur Lüge an die Code- oder Regelstruktur sprachlichen Sinns gebunden. *7* Im Falle der Nichtübereinstimmung des Kodes oder der Täuschungsabsicht müssen die Subjekte auf gemeinsam geteilte Phänomene zurückgreifen, um einen gemeinsamen Anhaltspunkt für ihre sprachlichen Äußerungen zu gewinnen. In diesem Fall wird auf beobachtbares Material der Umwelt zurückgegriffen, über das sich beide Parteien dann gleichsam als "sinnlicher Anker" ihrer Ausdrücke und Äußerungen einigen müssen. In der Tat aber kann dieser Rückgriff nur unter der Prämisse funktionieren, daß die Subjekte bereits wissen, was es heißt, ein sprachliches Zeichen als intersubjektiv geteiltes zu verwenden, denn das natürliche Anzeichen muß ja durch den Prozeß der Sinnbestimmung in ein gemeinsam geteiltes Zeichen mit intersubjektiver Bedeutung verwandelt werden. Vgl. Jürgen Habermas, "Zur Kritik der Bedeutungstheorie", a. a. O. *8* Hans-Georg Gadamer, WAHRHEIT UND METHODE, Tübingen 1960. *9* Jürgen Habermas, "Zur Kritik der Bedeutungstheorie", a. a. O. *10* Vgl. Gottlob Frege, "Sinn und Bedeutung", in: FUNKTION, BEGRIFF, BEDEUTUNG, Göttingen 1962. *11* Vgl. Karl Popper, OBJECTIVE KNOWLEDGE, Oxford 1972, S. 106 ff. *12* Hans-Georg Gadamer, WAHRHEIT UND METHODE, a. a. O. *13* Ludwig Wittgenstein, PHILOSOPHICAL INVESTIGATIONS/PHILOSOPHISCHE UNTERSUCHUNGEN, Cambridge, o. J. *14* Vgl. William Hanks, LANGUAGE AND COMMUNICATIVE PRACTICES, Chicago 1996, der die Freilegung einer formalen und relativ autonomen Sprachebene vor der Rückbeziehung dieser Schicht auf ihre praktischen Kontexte energisch und vor dem Hintergrund der wesentlichen Sprach- und Sinnkonzeptionen des 20. Jahrunderts einklagt. Vgl. auch Jürgen Habermas, "Zur Kritik der Bedeutungstheorie", a. a. O. *15* Vgl. Michel Foucault, ÜBERWACHEN UND STRAFEN. DIE GEBURT DES GEFÄNGNISSES, Frankfurt 1976. Vgl. auch Anthony Giddens, NEW RULES OF SOCIOLOGICAL METHOD, Kap. 1 und 2, Stanford 1993. *16* Wie oben angedeutet, sehe ich darin auch einen Hinweis für das Ungenügen des philosophischen Ableitungskonzepts überhaupt, auch wenn dies hier natürlich lediglich mit bezug auf die drei Grundlegungsversuche hinsichtlich der sprachlichen Bedeutung gezeigt worden ist. *17* In begrifflicher Anlehnung an die oben diskutierten Dimensionen werden somit subjektive Intentionen, objektive Sachverhalte und soziale Praktiken im Lichte von symbolischen Deutungsschemata erschlossen, wobei die Sinnschemata die spezifische Erfassung von etwas als etwas vorstrukturieren. Sprachliche Äußerungen, in denen sich ein solches Bewußtsein überhaupt erst artikulieren und somit konstituieren kann, beziehen sich somit auf die entsprechenden Phänomene vor dem Hintergrund einer solchen symbolischen Erschließung. *18* J. L. Austin, HOW TO DO THINGS WITH WORDS, Cambridge 1975; John Searle, SPEECH ACTS, a. a. O. *19* J. Habermas, "Zur Kritik der Bedeutungstheorie," a. a. O.; ders., THEORIE DES KOMMUNIKATIVEN HANDELNS, Frankfurt 1982, Bd. 1, S. 369 ff. *20* Karl Bühler, DIE AXIOMATIK DER SPRACHWISSENSCHAFTEN, Frankfurt 1969, S. 94; vgl. ders., SPRACHTHEORIE, Jena 1934. *21* Ibid., S. 117. *22* Jürgen Habermas, THEORIE DES KOMMUNIKATIVEN HANDELNS, a. a. O., S. 114 ff., bes. 123-126. *23* Jürgen Habermas, THEORIE DES KOMMUNIKATIVEN HANDELNS, Frankfurt 1982, Bd. 1, S. 126. *24* Jürgen Habermas, NACHMETAPHYSISCHES DENKEN, a. a. O., S. 125. *25* Ibid. *26* John Searle, SPEECH ACTS, a. a. O.; ders., THE CONSTRUCTION OF SOCIAL REALITY, New Jersey 1995, bes. S. 27-29. *27* Vortrag an der University of Illinois, Urbana, 19. April 1996. *28* John Searle, THE CONSTRUCTION OF SOCIAL REALITY, a. a. O. *29* Jürgen Habermas, "Zur Kritik der Bedeutungstheorie", a. a. O. *30* Erlebnisse und Normen können somit als subjektive oder soziale Sachverhalte thematisiert werden, Sachverhalte und Normen können entweder authentisch oder inauthentisch erlebt werden, und Erlebnisse und Sachverhalte können normativ angemessen oder illegitim sein. *31* Habermas expliziert den Lebensweltbegriff nicht radikal genug in terms eines holistischen Sinnbegriffs, sondern schlüsselt die Lebenswelt wiederum gemäß der drei Geltungsansprüche als Revervoir kulturellen Wissens, als Traditionsbestand legitimer Normen und als Sozialisationshorizont von personalen Identitäten auf. Siehe Jürgen Habermas, THEORIE DES KOMMUNIKATIVEN HANDELNS, Bd. 2, a. a. O., "Zweite Zwischenbetrachtung". *32* Jürgen Habermas, "Bemerkungen zu J. Searles "Meaning, Communication, and Representation", in: NACHMETAPHYSISCHES DENKEN, a. a. O., S. 136 ff. *33* Nur in der Perspektive des sozial Handelnden können wir verstehen, was es heißt, einen Befehl zu recht oder zu unrecht zu geben, ebenso wie allein in diesem Kontext der Sinn von Schwüren, Geständnissen, etc. (als nachvollziehbare Verantwortlichkeit für daraus folgendes Handeln) erhellt. Haben wir erst einmal die enge Orientierung an rein wahrheitstheoretischen bzw. epistemischen Kriterien überwunden und regulative sowie expressive Sprechakte als Geltungssphären eigener Art zugelassen, führt kein Weg in die rein semantische Analyse zurück: Der Sinn von geltungsspezifisch differenzierten Sprechakten läuft nunmehr notwendig über die Schiene der sozialen Interaktionskontexte. *34* John Searle, "Wörtliche Bedeutung", in ders., AUSDRUCK UND BEDEUTUNG, Frankfurt 1982; Jürgen Habermas, THEORIE DES KOMMUNIKATIVEN HANDELNS, a. a. O., S. 442 f. Zur kritisch- hermeneutischen Konzeption des Hintergrundes siehe Hans Herbert Kögler, "The Background of Interpretation", INTERNATIONALE ZEITSCHRIFT FÜR PHILOSOPHIE, 1994 (2), S. 305-329. *35* Vgl. Hans Herbert Kögler, DIE MACHT DES DIALOGS, Stuttgart 1992; siehe das neue Schlußkapitel der amerikanischen Ausgabe THE POWER OF DIALOGUE, Cambridge, Mass. 1996, S. 253 ff. *36* Jürgen Habermas, THEORIE DES KOMMUNIKATIVEN HANDELNS, a. a. O., S. 452. *37* Jürgen Habermas, THEORIE DES KOMMUNIKATIVEN HANDELNS, Bd. 2, S. 171 ff. *38* Vgl. Hans Herbert Kögler "The self-empowered subject. Habermas, Foucault, and hermeneutic reflexivity". in: PHILOSOPHY & SOCIAL CRITICISM, 22 (4), 1996, S. 13-44. *39* Martin Heidegger, SEIN UND ZEIT, Tübingen 1979, S. 64. *40* Ibid., S. 64/65. *41* Ibid. *42* Ibid. *43* In dieser Spannung liegt überhaupt erst die Möglichkeit begründet, daß sich symbolisch-praktische Teilwelten wie die der `Welt des Biologen' entfalten können, und nur dadurch entsteht die spezifisch menschlich-kulturelle Umwelt. *44* In der Disputation zwischen Ernst Cassirer und Martin Heidegger, in: Martin Heidegger, KANT UND DAS PROBLEM DER METAPHYSIK, Frankfurt 1973, S. 246 ff. *45* Ernst Tugendhat, VORLESUNGEN ZUR EINFÜHRUNG IN DIE SPRACHANALYTISCHE PHILOSOPHIE, Frankfurt 1976. *46* Jürgen Habermas, THEORIE DES KOMMUNIKATIVEN HANDELNS, Bd. 1, a. a. O., S. 441 f. *47* Vgl. Karl Bühler, a. a. O. *48* Bühler führt das Beispiel einer Flaggensprache ein, in der die Grundfarben alle eine bestimmte Bedeutung, die Schwarz-Grau- Weiß Töne eine andere haben. Die klassifikatorische Differenz zwischen den beiden Gruppen erlaubt hier die Identifikation von Bedeutung, während die internen Unterschiede (etwa zwischen Rot und Gelb oder zwischen Schwarz und Grau) symbolisch ohne Belang sind. *49* Hier muß man, wiederum mit Bühler, zwischen einer unmittelbar praktischen Deixis und einer durch das "symbolische Feld" bereits vermittelten Deixis unterscheiden. Vgl. Karl Bühler, SPRACHTHEORIE, a. a. O.