Differenz oder Substanz

Oder: Läßt sich Habermas‘ diskurstheoretischer Ansatz differenztheoretisch begründen?      (1999)

von Manfred Füllsack


 

Niklas Luhmann hat in seinen Schriften des öfteren (unter anderem etwa 1991 in einem Aufsatz mit dem Titel „Am Ende der kritischen Soziologie“) den Vorwurf erhoben, daß grundlegende Annahmen der kritischen Soziologie wesentlichen Entwicklungen im Bereich der zeitgemäßen Grundlagenforschung nicht mehr entsprächen. Angesichts dieser Entwicklungen, die mit den Gegebenheiten der Differenzierungsform der modernen Gesellschaft korrelieren würden, wäre es für die Soziologie am "Ende der ontologischen Weltkonzeptionen“, wie er schreibt, notwendig, die "Beobachtungspositionen erster Ordnung", die die kritische Soziologie noch einnimmt (vgl.: Luhmann 1991: 148), durch ein ins Grundsätzliche gewendetes Beobachten von Beobachtungen, also durch ein "Beobachten zweiter Ordnung" zu ersetzen.[1] Indem die kritische Soziologie demgegenüber aber nach wie vor an „ontologischen Weltkonzeptionen“ anschließt, könne sie und mit ihr vor allem die Habermassche Gesellschaftstheorie heute wohl nur mehr als unzeitgemäß betitelt werden.

"Ontologische Weltkonzeptionen“ sind für Luhmann, - das nimmt zum Beispiel Gerhard Wagner (1994: 275-291) in seinen diesbezüglichen Darstellungen an -, Theorieanlagen, die von einem substanzphilosophischen Ansatz ausgehen. Der Begriff Substanz, mit seinem Ursprung im griechischen Wort für das „Unterliegende“ oder das „Zugrundeliegende“ steht dabei für die Annahme eines einheitlichen Ursprungs, eines Urgrundes, also gewissermaßen einer allem zugrundeliegenden Einheit, die nicht ihrerseits begründet oder auf andere Voraussetzungen zurückgeführt werden muß. In Übereinstimmung mit Luhmanns Kritik sind auch eine Reihe anderer Autoren[2] davon ausgegangen, daß sich die kritische Soziologie, und hier insbesondere die Habermassche Diskurstheorie auf eine solche ein für allemal feststehende zugrundeliegende Einheit beruft. Denn anders könne sie ja gar nicht auf einen Standpunkt bestehen, von dem aus die Gesellschaft als "schlecht" und damit als "veränderungsbedürftig" beschrieben, also kritisch betrachtet werden kann. Wenn aber die Welt, wie Luhmann schreibt, nun keine "Dinggesamtheit (universitas rerum)" mehr, sondern nur ein "Korrelat des Beobachtens von Beobachtungen" ist, so werden feststehende Urgründe als "Realitätsgarantien" unmöglich. (vgl. dazu: Luhmann 1991: 149) Angemessen kann die Gesellschaft dann nur mehr differenztheoretisch und nicht mehr substanztheoretisch erklärt werden. Und genau dies entspräche auch weitgehend den Forschungsergebnissen so junger Wissenschaften, wie der Semiotik, der Schleifenkybernetik und der Systemtheorie. Die Kritische Soziologie mit ihrem substanztheoretischen Ansatz könne also nur mehr als überholt bezeichnet werden. Eine der Moderne angemessene Soziologie müßte differenztheoretisch ansetzen.

 

I.

 

Auf eine solche Differenzlogik, die ja im Prinzip eigentlich auch bereits in Kants Unterscheidung von „Ding an sich“ und Erscheinung angesprochen ist, hatte vor allem die Semiotik und ihre Unterscheidung von Zeichen und Bezeichnetem aufmerksam gemacht. Während Kant als Philosoph noch in erster Linie die Transzendenz, also die Überwindung dieser Differenz und somit eben eine Einheit oder schlußendliche Synthese des Gegensatzes von Wesen und Erscheinung im Auge hatte, waren die Semiotiker bestrebt, die Differenz zwischen signifiant und signifiée als solche zu betonen. Exemplarisch für die jüngere Semiotik hat etwa Jaques Derrida im Anschluß an Ferdinand de Saussure und Charles Sanders Peirce darauf verwiesen, daß die Spur des Bezeichnungsprozesses unendlich sei, daß die Zeichensetzung also nie an einen Anfang kommen kann, weil jede Bezeichnung bereits andere Zeichen voraussetzt, die ihrerseits wieder Zeichen voraussetzen, und so mit dem Bezeichneten niemals eine Einheit bilden können. (vgl.: Derrida 1974: 114)

Ähnlich wie die Semiotik geht, worauf Luhmann (vgl.: 1968: 157) hinweist, auch die Schleifenkybernetik nicht von einem „Wesenskern des Seienden“ als Ursprung von kybernetischen Prozessen, sondern von der „Invarianz als Problem“ in einer äußerst komplexen und sich beständig verändernden Welt aus. In kybernetischen Prozessen, allem voran etwa in den berühmten feed-back-Prozessen, wie sie etwa auch in Zentralheizungssystemen zur Anwendung kommen, wird die Invarianz bekanntlich als Sollwert eines Systems, also etwa als bestimmte Zimmertemperatur festgelegt, der dann unter Berücksichtigung von rückgemeldeten Informationen durch beständige Aktualisierungen vom System angestrebt wird. Dieser kybernetische Sollwert hat also für das System gewissermaßen einen normativen Sinn. Luhmann hat ihn daher in seiner frühen Schrift „Zweckbegriff und Systemrationalität“ als Vorbild für seine Vorstellung eines „deontologisierten“ Zweckbegriffs herangezogen. (vgl.: 1968: 159f) Für unseren Zusammenhang wesentlich ist aber diesbezüglich der Umstand, daß die Kybernetik eben nicht einen absoluten, einen invarianten Ursprung, oder eine ursprüngliche Einheit des Systemgeschehens annimmt, von dem aus das System seine Operationen beginnt, sondern daß die Invarianz des Systems vielmehr als Problem betrachtet wird, daß durch eine reale und ursprüngliche Differenz aufgeworfen wird.

Von einer solchen Differenz und eben nicht von einer „ontologischen Einheit“ geht nun bekanntlich auch die Systemtheorie mit ihrer Unterscheidung von System und Umwelt aus.[3] Diese „Ursprungsdifferenz“, an der auch die Theorie sozialer Systeme ansetzt, stellt für Luhmann einen der Gründe dar, warum seine systemtheoretische Gesellschaftskonzeption dem heutigen Wissenschaftsstand eher entspricht und somit eine der Moderne angemessenere Soziologie liefert als die gesellschaftstheoretische Konzeption von Jürgen Habermas.

 

II.

 

Bevor wir uns der Frage zuwenden, ob die Gesellschaftstheorie von Jürgen Habermas wirklich in dem von Luhmann und Anderen gemeinten Sinn „ontologisch“, sprich substanztheoretisch ansetzt, müssen wir einem Verdacht nachgehen, den Gerhard Wagner (1994) geäußert hat, dem Verdacht nämlich, daß auch Luhmanns Konzeption selbst nicht so „differenztheoretisch“ ansetzt, wie er das möchte, daß sie vielmehr selbst eine Einheit, freilich eine gewissermaßen unter einer begrifflichen Unterscheidung versteckte Einheit als Voraussetzung beruft.

Luhmann nimmt bekanntlich einen differenztheoretischen Ansatz von George Spencer Brown, den dieser in seinen „Laws of Form“ (1971) entworfen hat, als Ausgangspunkt für seine Systemtheorie. (vgl. u.a.: Luhmann 1988a: 296) „Draw a distinction“ lautet Spencer Browns Eröffnungszug, der mit dem Arrangieren einer Grenze definiert ist, die unterschiedene Seiten trennt, von denen dann kein Punkt mehr ohne Überschreiten (crossing) dieser Grenze auf die jeweils andere Seite gelangen kann. (vgl.: Brown 1971: 1) Diese Unterscheidung (distinction) geschieht allerdings nicht um ihrer selbst willen, sondern soll es ermöglichen, eine oder beide der unterschiedenen Seiten zu bezeichnen (indicate). Luhmann stellt diesen Umstand in seiner Interpretation des Brownschen Kalküls entsprechend heraus, indem er darauf hinweist, daß „Unterscheidung und Bezeichnung [...] im Grunde also nur zwei Momente einer einzigen Operation“ sind. (Luhmann 1986: 181) Distinct und indicate müssen stets als aufeinander angewiesen und miteinander verbunden vorgestellt werden. Auch Spencer Brown verwendet dementsprechend nur ein einziges Zeichen, den „mark of distinction“ (¬), zur Unterscheidung und Bezeichnung einer der beiden unterschiedenen Seiten. (vgl.: Brown 1971: 5)

Während nun aber bei Spencer Brown diese damit unterschiedenen Seiten tatsächlich als zwei gleichberechtigte Seiten unterschieden werden, verweist Luhmann darauf, daß Unterscheidungen „nicht völlig seitenneutral“ gehandhabt werden können, sondern stets eine „leichte Präferenz“ für eine der Seiten aufweisen müssen. (Luhmann 1988b: 50) Bei der ursprünglichen Bezeichnung würde nämlich eben zunächst nur eine der unterschiedenen Seiten bezeichnet und damit als Anknüpfungspunkt für weitere Operationenen nutzbar. Die nichtpräferierte Seite wird nach Luhmann also erst durch die Präferenz der jeweils anderen Seite zugänglich. Die Aufmersamkeit für die „Umwelt“ zum Beispiel kann erst dann einsetzen, wenn das „System“ als solches markiert ist. Damit wird auch das „crossing“ zwischen den beiden Seiten, das bei Spencer Brown noch ohne jegliche Annahme einer Asymmetrie möglich ist, bei Luhmann erst durch die Präferenz einer der beiden Seiten möglich, weil eben erst dadurch auch die nichtpräferierte Seite ins Spiel kommt.[4]

Zieht man diesen Umstand in Betracht, so wird deutlich, daß es Luhmann bei seiner Grundunterscheidung nicht wie Spencer Brown ausschließlich um Verschiedenheit, sondern vielmehr um Gegensätzlichkeit geht. Nur bei Gegensätzen wird nämlich die eine Seite der Unterscheidung im Sinne Luhmanns durch die jeweils andere zugänglich gemacht. Die Unterscheidung etwa von einem Haus und einem Fahrrad impliziert in keiner Weise die Möglichkeit eines crossing, eines Überwechselns, wie er sich etwa durch die Unterscheidung des Gegensatzpaares „Mann/Frau“ oder eben auch des Paares „System/Umwelt“ gleichsam von selbst aufdrängt.

Nun sind aber solche Gegensatzpaare, die aufeinander verweisen und damit das Überwechseln zwischen den Seiten erst im Sinne Luhmanns ermöglichen, nicht voraussetzungslos gegeben. Ein Gegensatzpaar macht immer schon die Annahme einer höhergeordneten Einheit notwendig. Von „Frau“ läßt sich nur umstandslos zu „Mann“ wechseln, wenn man bereits weiß, daß der Mensch eben nur in den beiden Formen „Frau“ und „Mann“ vorkommt. Ebenso bedarf das Gegensatzpaar von „System“ und „Umwelt“ einer höhreren Einheit. Luhmann weist diesbezüglich selbst einmal darauf hin, daß die Unterscheidung von System und Umwelt „ihrerseits Welt als Einheit der Differenz“ voraussetzt. (Luhmann 1984: 107) Habermas hat der Luhmannschen Evolutionstheorie diesbezüglich auch schon früh vorgeworfen, daß der Komplexitätsreduktionsprozeß des Systems in seiner Umwelt nicht anders als in Hinblick auf die übergeordnete Einheit der Welt gedacht werden kann. (vgl.: Habermas 1971: 272)[5] Die grundlegende Differenz, von der Luhmann ausgegangen ist und mit der er sich von den angeblich „ontologischen“ Konzepten seiner Vorgänger unterscheiden wollte, scheint sich demnach also als gar nicht so grundlegend, wie angekündigt, herauszustellen.

Niklas Luhmann hat allerdings auf den Vorwurf Gerhard Wagners, nicht wirklich „differenztheoretisch“ anzusetzen, entgegnet, daß er entgegen Wagners Annahmen unter Ontologie nicht ein dem Substanzbegriff verhaftetes Denken, sondern vielmehr die Beobachtung der Welt mit Hilfe der Primärunterscheidung von Sein und Nichtsein verstehe. Der Substanzbegriff, ebenso wie der aus ihm entwickelte Begriff des Subjekts ergebe sich dann erst aus dieser Beobachtungsweise, und zwar dann, wenn bei der Beobachtung der Unterschied von Sein und Nichtsein weggelassen würde, weil man meint, nur an Seiendes und nicht an Nichtseiendes anschliessen zu können. (vgl.: Luhmann 1994: 477) Ihm, Luhmann, ginge es also gar nicht primär um die „Dekomposition einer ursprünglichen Einheit, sondern um die Emergenz von Unterschieden in einem als unmarkiert vorauszusetzenden Weltzustand“. (Luhmann 1997: 598, Fn. 5)

Nun stellt Luhmann allerdings stets zweiteres, also die „Emergenz von Unterschieden“ im Gesamt seiner Schriften besonders heraus und als eindeutig moderneren Ansatzpunkt für eine Sozialtheorie den „ontologischen Weltkonzeptionen“ gegenüber. Wenn er betont, daß in der Systemtheorie die Differenz theoriegeschichtlich an die Stelle der „klassischen Figuren“ von Substanz und Subjekt getreten ist (1997: 63), und daß in ihr, weil sie „auf jede Einheitslösung“ verzichtet (1993: 506), eben die Unterscheidung und nicht die Einheit den entscheidenden Ausgangspunkt darstellt, so kann dies trotz jeder nachgereichten Relativierung – und insbesondere auch im Hinblick auf einen Aufsatztitel, der von einem „Ende der kritischen Soziologie“ spricht – nicht anders, denn als nachhaltige Abgrenzung von jenen angeblich differenzlos ansetzenden, einheitskonstruierenden „alteuropäischen Traditionen“ angesehen werden, zu denen Luhmann die Habermassche Gesellschaftskonzeption zählt.

 

III.

 

Obwohl sicher noch einiges zum Luhmannschen Versuch einer „differenztheoretischen“ Begründung seiner Sozialtheorie zu sagen wäre, wollen wir an dieser Stelle nun die Aufmerksamkeit auf die Habermassche Gesellschaftstheorie und ihren angeblich „ontologischen“ oder „substanztheoretischen“ Ansatz richten. Wohl aufgrund der deutlich spürbaren Herkunft aus der „alteuropäischen“ Philosophietradition und der darin begründeten, fortwährenden Berufung des „ehrwürdigen Titels der Vernunft“, scheint Habermas‘ Konzeption auf den ersten Blick tatsächlich weit von den „modernen“ differenztheoretischen Ansätzen von Kybernetik und Systemtheorie zu stehen kommen. Betrachtet man allerdings Habermas‘ Argumentation für die Normativität und „Vernünftigkeit“ des kommunikativen Handelns genauer, so scheint sich doch ein zumindest ebenso „differenztheoretischer“ Ansatz, wie ihn die Systemtheorie beruft, in seiner Konzeption auffinden zu lassen. Freilich muß betont werden, daß sich dieser „differenztheoretische“ Ansatz bei Habermas erst im Durchgang durch seine Schriften, und auch hier erst eigentlich vor dem Hintergrund der Luhmannschen Einwände aus seiner Konzeption herausschälen läßt. Ursprünglich konzentriert sich Habermas im Anschluß an die philosophisch-linguistische Tradition noch darauf, die besondere Qualität, also die Normativität und „Vernünftigkeit“ des „kommunikativen Handelns“, durch den Verweis auf einen impliziten Telos jeder Kommunikation, also durch den Verweis auf eine, wie Habermas sagt, „ideale Sprechsituation“ zu argumentieren, die so etwas, wie einen „versöhnten“ Gesellschaftszustand bezeichnen will, in dem jeder mit jedem „einzig unter dem zwanglosen Zwang des besseren Argumentes“ kommunizieren könne. Die Verteidigung dieser dann vielfach als „überzogener Idealismus“ kritisierten Position und die Richtigstellung der zahlreichen von ihr ausgelösten Mißverständnisse scheint Habermas viel Energie abverlangt und der Diskurstheorie einiges an Klarheit gekostet zu haben. Ein „differenztheoretischer“ Kern ließ sich jedenfalls unter den immer wieder den klassischen Begriff der „Vernünftigkeit“ berufenden Habermasschen Darstellungen kaum ausmachen.

Betrachten wir diesbezüglich zunächst die ursprüngliche Argumentationslinie für diese „Vernünftigkeit“. Im „kommunikativen Handeln“, das ja in der Habermasschen Theorie gegenüber dem „instrumentell-erfolgsorientierten Handeln“ sozusagen den „Originalmodus“ des menschlichen Handelns darstellt (vgl.: 1981, I: 388), sollen normative Ansprüche nachgewiesen werden, die jedes kommunikative Handeln und somit auch die sich dabei bildenen sozialen Strukturen, also etwa die Verkehrsformen der Gesellschaft, oder auch ihre Sinnstrukturen, ihr Weltbild etc. und letztendlich auch die Sozialwissenschaften selbst, auf Berücksichtigung eines ihnen immanenten Handlungsbedarfs festlegen. Habermas nennt diese normativen Ansprüche bekanntlich „Geltungsansprüche“ und stellt sie sich als grundlegende Verständigungsvoraussetzungen vor, auf die jede kommunikative Handlung, oder anders gesagt, jeder Verständigungsakt Bezug nehmen muß. Unter dem Titel „Universalpragmatik“ versucht er sie zunächst in seinen an John Austin und John Rodgers Searle anschließenden Sprechaktanalysen sprachtheoretisch zu begründen. In der Analyse der inneren Struktur von Sprechakten stellt er dabei drei (ursprünglich nur zwei) fundamentale Sprachfunktionen fest. „Elementare Sprechhandlungen weisen eine Struktur auf, in der drei Komponenten miteinander verschränkt sind: der propositionale Bestandteil für die Darstellung (oder Erwähnung) von Sachverhalten, der illokutionäre Bestandteil für die Aufnahme interpersonaler Beziehungen und schließlich die sprachlichen Komponenten, die die Sprecherintention zum Ausdruck bringen.“ (Habermas 1985: 363) Exemplarisch erfüllt etwa im Satz „Ich verspreche dir, daß p“ die Komponente „Ich verspreche“ die Aufgabe, die Intention des Sprechers festzulegen, der illokutionäre Teil „Ich verspreche dir“ hat die Funktion, die Aufnahme interpersonaler Beziehungen zu regeln, und der propositionale Teil „p“ übernimmt die Darstellung eines Sachverhaltes. Diese drei Komponenten legen für Habermas gewissermaßen drei Weltbezüge fest, in denen sich die Sprecher mit jeder elementaren Sprechhandlung bewegen. Es sind dies die drei Dimensionen der subjektiven, der sozialen und der objektiven Welt, in denen mittels Verständigungen gemeinsame Situationsdefinitionen ausgehandelt werden. (vgl.: 1981, I: 148ff) Da diese Dimensionen jedem Verständigungsteilnehmer „vorinterpretiert“ als „lebensweltlicher Horizont“ jeder Verständigung zur Verfügung stehen, kann an ihnen die Geltung der jeweiligen Aussagen gemessen werden, und zwar eben in den genannten drei Dimensionen. Habermas spricht diesbezüglich davon, daß die „Geltungsansprüche“ einer Aussage grundsätzlich in Bezug auf die Wahrheit der Aussage, in Bezug auf die Richtigkeit des Sprechaktes im Hinblick auf seinen normativen Kontext, sowie schließlich in Bezug auf die Wahrhaftigkeit der dabei geäußerten subjektiven Erlebnisse gemessen werden können. Die Wahrheit einer Aussage bemißt sich dabei eben an der objektiven Welt der existierenden Sachverhalte, die Richtigkeit einer Aussage an der sozialen Welt der moralischen Normen und die Wahrhaftigkeit an der bloß individuell zugänglichen Welt der inneren Erlebnisse. Der Hörer eines Sprechaktes kann also im Hinblick auf die Objektwelt die Wahrheit einer Äußerung, im Hinblick auf den normativen Kontext (beziehungsweise auf die Legitimität des vorausgesetzten Kontextes selbst) die Richtigkeit einer Äußerung und schließlich im Hinblick auf die geäußerte Intention des Sprechers auch die Wahrhaftigkeit der Äußerung bestreiten. Weil dies so ist, weil also jeder Sprechakt grundsätzlich als unwahr, als unrichtig oder als unwahrhaftig zurückgewiesen werden kann, ist in den „Geltungsansprüchen“, die sich in realen Verständigungssituationen jeweils als konstative, regulative und expressive Sprechhandlungen spezifizieren, für Habermas die beanspruchte Gültigkeit ausgedrückt, die Sprecher mit jedem Verständigungsversuch anmelden. Mit ihnen kommt für Habermas in kommunikativen Handlungen eine grundsätzliche Spannung zwischen den faktischen Verständigungsvorgängen und den in ihnen antizipierten Unterstellungen zum Ausdruck, eine „Spannung zwischen Faktizität und Geltung“, wie er in seinen späteren Schriften dann sagen wird, die die vom kommunikativen Handeln konstituierten gesellschaftlichen Bereiche, - und das heißt neben Verkehrsformen, Welterklärungen etc. auch die Versuche der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung, also die Sozialwissenschaft –, auf eine Abarbeitung dieser Spannung, also auf eine kritische Resonanz zu diesem Umstand festlegt.

 

IV.

 

Nun kommt man angesichts dieser Bemühungen Habermas‘, die Normativität des kommunikativen Handelns mit Hilfe von Sprechaktanalysen zu begründen, wohl nur schwerlich auf die Idee, aus seinen Überlegungen einen „differenztheoretischen“ Ansatz, wie ihn Luhmann für eine zeitgemäße Sozialtheorie für angebracht hält, herauslesen zu wollen. Vollends scheint Habermas aber den Blick auf jede zugrundeliegende Differenz dann durch die Verknüpfung seiner sprachtheoretischen Überlegungen mit Begriffen zu verstellen, die er aus der Philosophiegeschichte übernimmt und die natürlich aufgrund ihrer Historizität einen Wulst an Konnotationen mitschleppen, die alles eher tun, als in Richtung von Differnz zu weisen.

Ein solcher Begriff ist bei Habermas die „Vernunft“. In den mit jedem elementaren Sprechakt angemeldeten „Geltungsansprüchen“, und dem damit implizierten Grundtelos jedes Kommunikationsprozesses, nämlich der Intention, Verständigung herbeizuführen, sieht er auf sehr grundlegender Ebene „Vernünftigkeit“ angelegt. In den „Geltungsansprüchen“, schreibt er, „kann die Kommunikationstheorie einen leisen, aber hartnäckigen, einen nie verstummenden, obgleich selten eingelösten Vernunftanspruch aufsuchen, der freilich de facto anerkannt werden muß, wo immer und wann immer konsensuell gehandelt werden soll.“ (Habermas 1976: 11) „Vernünftigkeit“ wohnt darum, auch wenn dies nur kontrafaktisch erkennbar ist, den lebensweltlichen, sprich kulturellen Strukturen als demjenigen Wirklichkeitsbereich inne, der sprachlich strukturiert ist und der eben aus dem Grund auf der Faktizität von Geltungsansprüchen beruht, weil die Äußerungen (oder Sedimente von Äußerungen), aus denen die Kultur besteht und die durch sprach- und handlungsfähige Subjekte dieser und vergangener Generationen nach Regeln hervorgebracht wurden, einen grundlegenden Bezug auf Geltung implizieren.

Weil also die Kommunikationstheorie der Gesellschaft, die Habermas im Auge hat, den Lebensprozeß der Gesellschaft als einen zumindest zum Teil durch Kommunikationen vermittelten Erzeugungsprozeß begreift, und weil darum die gesellschaftliche Realität, die dabei entsteht, auf der Faktizität der in symbolischen Gebilden wie Sätzen, Handlungen, Gesten, Überlieferungen, Institutionen und Weltbildern implizierten Geltungsansprüchen aufruht, deshalb ist es für Habermas legitim, von einem „immanenten Wahrheitsbezug des gesellschaftlichen Lebensprozesses“ zu sprechen (1984: 105), der als „Vernünftigkeit“ der gesellschaftlichen Reproduktion mehr ist, als nur eine bestimmte historische, und damit kontextabhängige Gestalt von Vernunft. „Die Idee der Vernunft, die sich in den verschiedenen Geltungsansprüchen ausdifferenziert, [ist grundlegend] in die Form der Reproduktion einer sprechenden Tiergattung eingebaut.“ (1984: 105) Soweit also Menschen kommunizieren, und in gesellschaftlichen Zusammenhängen tun sie das notwendig immer, stehen sie auch unter den eigentümlichen Imperativen derjenigen Macht, die sich unter dem „ehrwürdigen Titel ‘Vernunft’“ aus der Struktur möglicher Rede begründet. „Wenn das Idealismus ist, [meint Habermas in Bezug auf diesbezügliche Vorwürfe] dann gehört dieser eben auf höchst naturalistische Weise zu den Reproduktionsbedingungen einer Gattung, die ihr Leben durch Arbeit und Interaktion, also auch kraft wahrheitsfähiger Propositionen und rechtfertigungsbedürftiger Normen erhalten muß.“ (1976: 11)

Dieser Rekurs auf die „Vernünftigkeit“ des kommunikativen Handelns ist von einer Reihe von Autoren entsprechend kritisch aufgenommen worden. (vgl. nur etwa: Eickelpasch 1996) Allen voran hat natürlich auch Luhmann immer wieder betont, daß die kommunikative Vernünftigkeit bei Habermas die sozialwissenschaftliche Aufmerksamkeit von den empirischen Gegebenheiten, von der Realität also, abzieht und eher auf ideale Annahmen hinlenkt, die dann zum Entwurf von gesellschaftlichen Utopien führen, die nur sein sollen, aber nicht sind. (vgl.u.a.: Luhmann 1993a)

Habermas hat zwar bereits, so könnte man sagen, von Anfang an (vgl.u.a.: 1968: 46) in seiner Konzeption versucht, seinen Begriff der „Vernünftigkeit“ oder auch der „kommunikativen Rationalität“ hinreichend skeptisch anzulegen, um mit Kant sicherzustellen, daß das Moment der Idealität, das die kommunikative Vernunft in sich aufbewahrt, nicht erneut, wie etwa in der Marxistischen Konzeption, als Vorstellung eines künftigen „besseren“ Zustandes hypostasiert wird, sondern nur als regulative Idee verwendet wird. Trotzdem haben aber, wie gesagt, seine zahlreichen Anspielungen auf die als Telos jeder Verständigung implizit angestrebte „ideale Sprechsituation“, in der verständigungssuchende Diskursteilnehmer gleichsam ohne die zahlreichen Beschränkungen realer Gesprächssituationen interagieren könnten, in der also, wie Habermas sich ausdrückt, nur mehr der „eigentümlich zwanglose Zwang des besseren Argumentes“ für den Ausgang eines Verständigungsaktes maßgeblich wäre, zu zahlreichen diesbezüglichen Mißverständnissen Anlaß gegeben. Auch seine späteren Überlegungen zu einem diskurstheoretisch begründeten Rechtsstaat, der als Idealform des Staates die moderne Gesellschaft trotz der in ihr gegebenen Risiken und trotz ihrer zahlreichen Brüche und Fissuren integrieren können soll, scheinen den Luhmannschen Vorwürfen eine gewisse Berechtigung zu geben. (vgl. dazu auch meine Darstellungen in: Füllsack 1999)

 

V.

 

Uns sollen aber an dieser Stelle nicht so sehr die Konsequenzen, die Habermas‘ grundsätzliche Annahmen für die weitere Entwicklung seiner Konzeption haben, interessieren, sondern vielmehr die theoretische Basis dieser Annahmen selbst. Habermas hat aufgrund der nachhaltigen Kritik an seinen Prämissen und vor allem aufgrund der vielen Mißverständnisse, die sie ausgelöst haben, sein Konzept wiederholt revidiert und präzisiert. Unter anderem hat er es in seinen späteren Schriften vorgezogen, die „ideale Sprechsituation“ nicht mehr in der Weise als Telos jedes Verständigungsvorgangs zu betonen, wie er es in seinen frühen Schriften noch tut. Auch die sprechaktanalytischen Überlegungen sind deutlich in den Hintergrund getreten und haben einer sehr reduzierten und logisch prägnanten Begründung der freilich nach wie vor für das kommunikative Handeln grundlegend bleibenden Spannung zwischen Faktizität und Geltung Raum gegeben. Folgt man dieser Begründung nun vor dem Hintergrund der Luhmannschen Bemühungen um einen differenztheoretischen Ansatz seiner Systemtheorie, so wird deutlich, daß auch Habermas‘ diskurstheoretische Begründung der Normativität des kommunikativen Handelns mit zumindest dem selben Recht, wie der Ansatz Luhmanns, auf eine ihr zugrundliegende Differenz pochen kann.

Wirklich deutlich wird dieser Umstand allerdings nur, wenn man die Habermasschen Überlegungen, wie gesagt, vor dem Hintergrund einiger grundlegend logischer Betrachtungen, wie sie Luhmann für die Basisoperationen von Systemen anstellt und wie wir sie ansatzweise oben erwähnt haben[6], auf ihren Wesenskern reduziert. Habermas selbst tut dies in seinen Schriften in systematischer Form nirgends. Am nächsten kommt er den folgenden Darstellungen noch in den einleitenden Überlegungen zu seiner Rechts- und Demokratietheorie. (vgl.: 1992: 32ff, insbesondere 35)

Die Spannung zwischen Ist- und Sollzustand, die für Habermas dem „kommunikativen Handeln“ grundlegend innewohnt und damit auch für die Konstitution der kommunikativ strukturierten Bereiche der Gesellschaft relevant wird, läßt sich einsehbar begründen, wenn man die Notwendigkeit ins Auge faßt, daß die Zeichen (und die Regeln ihrer Anwendung), die in einem Verständigungsakt verwendet werden, im Augenblick ihrer Verwendung als auch allen anderen Verständigungsteilnehmern bekannt unterstellt werden müssen. Weil in einem laufenden Verständigungsvorgang natürlich nicht die Zeit besteht, die Bedeutung der dabei verwendeten Zeichen, also etwa die Bedeutung der Begriffe der Sprache, bereits gleichzeitig mit der eigentlichen Verständigung zu klären, müssen sie zunächst als bekannt vorausgesetzt werden. Die Bedeutung der Zeichen, die zum Beispiel in dem Satz, der gerade gelesen wird, verwendet werden, also etwa die Bedeutung des Zeichens „Zeichen“, kann ich als Autor dieses Satzes nicht bereits in diesem Satz selbst erklären, sondern muß sie, wenn ich will, daß der Satz Verständigung herbeiführt, zunächst als allgemein bekannt voraussetzen. Daß in der Realität dann die Leser dieses Satzes möglicherweise ein unterschiedliches Verständnis von den in ihm verwendeten Zeichen oder Begriffen haben, spielt für den bezeichneten Umstand dabei keine Rolle. Denn auch wenn die Bedeutung der zunächst verwendeten Zeichen und Begriffe dann in einer weiteren Verständigungsrunde, also etwa im nächsten Satz, geklärt wird, gilt wieder, daß die in dieser weiteren Verständigung verwendeten Begriffe erneut bereits als bekannt unterstellt werden müssen, weil sie nicht gleichzeitig verwendet und erklärt werden können. In Verständigungen muß also grundsätzlich, weil die gleichzeitige Anwendung und Klärung der in ihr verwendeten Begriffe jede Verständigung unterbinden würde, stets ein Vorgriff auf ein nur ideales identisches Verständnis der verwendeten Begriffe, auf eine Bedeutungsidentität der verwendeten Begriffe gemacht werden. In jeder Verständigung kommen damit neben den faktischen Bedingungen der Verständigung stets auch kontrafaktische, sprich ideale Bedingungen zu tragen. Der Ist-Zustand jeder Verständigung bedarf also, so könnte man sagen, notwendig stets auch einem Soll-Zustand um Verständigung zu ermöglichen, nämlich zum Beispiel dem Vorgriff auf eine ideale Bedeutungsidentität der verwendeten Begriffe. Wie schon gesagt, verlangt die damit gegebene Spannung zwischen Ist- und Soll-Zustand, zwischen Faktizität und Geltung für Habermas nach einer beständigen Abarbeitung, und verpflichtet so letztenendes auch die Sozialwissenschaften zu einer kritischen Stellung zu ihrem Forschungsgegenstand.

Ein Verständigungssuchender kann nun für Habermas auf eine solche Bedeutungsidentität der von ihm verwendeten Begriffe (und der Identität der Regeln ihrer Anwendung) aus dem Grund vorgreifen, weil diese Begriffe eben Bestandteil seiner Sprache und somit seiner Kultur sind. Diese Sprache ist aber, sowie die Kultur im allgemeinen, die sozialen Verkehrsformen, das Weltbild der Gesellschaft etc., eben selbst wieder kommunikativ entstanden, das heißt, auch sie ist Resultat von Verständigungsprozessen. Von Verständigungsprozessen allerdings, die nun nicht von den aktuell Anwesenden einer ganz bestimmten Verständigungssituation, sondern sozusagen stammesgeschichtlich, gewissermaßen also von der gesamten bisherigen Menschheit geführt worden sind. (vgl. dazu: Habermas 1984: 109) Habermas stellt sich ja im Anschluß an den von Peirce beschriebenen zeitübergreifenden Verständigungsvorgang der scientific community auch die Konstitution bestimmter Bereiche der Gesellschaft als zeitübergreifenden Verständigungsvorgang vor, der gleichsam die gesamte bisherige Menschheit einschließt. Was also etwa die Sprache betrifft, so hätten eben all die unzähligen Verständigungsvorgänge, die bisher in der Menschheitsgeschichte stattgefunden haben, nach und nach jene Begrifflichkeit und Syntax ausgebildet, oder „konsentiert“, wie Habermas auch sagt, die zeitgenössische Gesellschafter nun vorfinden, um sich über etwas in der Welt zu verständigen. Die Begriffe der Sprache, auf deren Bedeutungsidentität in laufenden Verständigungen vorgegriffen werden muß, stehen damit also gewissermaßen „vorverständigt“ als Bestandteile der „Lebenswelt“ schon zur Verfügung.

Analog zu diesem „Vorverständigt-Sein“ der Begriffe und Regeln der Sprache lassen sich mit Habermas aber auch die sonstigen von ihm herausgestellten Kommunikationsbedingungen, also neben Sprechorganen etc. vor allem die von Kritikern oft als „transzendental“ bezeichneten „Geltungsansprüche“ oder auch die implizite „Vernünftigkeit“ aller Sprechakte vorstellen. Auch sie können, wie ich andernorts ausführlicher gezeigt habe[7], als Resultat eines nun allerdings eher die Phylogenese betreffenden Prozesses verstanden werden, der zumindest in Analogie zu einem weltgeschichtlichen Verständigungsprozeß, also zu einem die Gesamtheit der in der Menschheitsgeschichte bisher stattgefundenen Interaktionen umfassenden Prozesses vorgestellt werden kann. So wie Marx einmal die fünf Sinne des Menschen in Abstraktion seines Arbeitsbegriffs als Resultat des weltgeschichtlichen „Arbeitsprozesses“ bezeichnet hat, so läßt sich mit Habermas, - freilich in Erweiterung des bei Marx bloß „instrumentellen Handelns“ auf ein intersubjektives, ein „kommunikatives Handeln“ -, auch noch die Konstitution des menschlichen Erkenntnis- und Verständigungsapparates grundlegend als Resultat sozialer Interaktionen vorstellen. Auch diese Kommunikationsvoraussetzungen stehen modernen Gesellschaftern also gewissermaßen „vorverständigt“ zur Verfügung.

Wenn wir nun unsere Aufmerksamkeit auf diese „vorverständigt“ jeder Verständigung zur Verfügung stehenden Strukturen richten und sie den jeweils aktuell laufenden Verständigungen, die ohne diese Strukturen eben nicht möglich wären, gegenüberstellen, so wird eine grundlegende Differenz zwischen „vorverständigt“ und „aktuell“ sichtbar. Eine Differenz, die in direktem Anschluß an die von Saussure und seinen Nachfolgern bezeichnete Differenz von Zeichen und Bezeichnetem mindestens genauso „anfangslos“ und grundsätzlich der Konstitution der Gesellschaft voransteht, wie in der Luhmannschen Konzeption die Differenz von System und Umwelt, (oder wenn man seine Berufung auf Spencer Brown in Betracht zieht, wie die Differenz von „marked“ und „unmarked space“). Diese Differenz scheint damit dazu zu berechtigen, auch den Habermasschen Ansatz als „differenztheoretisch“ zu bezeichnen.

 

VI.

 

Noch ein wenig deutlicher dürfte dieser Umstand werden, wenn man von ihm aus abschließend noch einen kurzen Blick auf die sogenannte Kontextualismusdebatte wirft. Habermas hat sich in ihr einerseits gegenüber dem Kontextualismus von Richard Rorty (vgl.u.a.:1992) und andererseits auch gegenüber Luhmanns Betonung der „Kontingenz“ aller sozialer Strukturen stets dazu genötigt gesehen, darauf hinzuweisen, daß die in jeder Verständigung antizipierten Geltungsansprüche von Verständigungssuchenden gleichsam als feststehende, also als sich nicht mit dem Kontext verändernde Kommunikationsvoraussetzungen vorgestellt werden müssen (vgl. u.a.: 1988: 176f), weil eine Relativierung der Geltungsansprüche jedem Verständigungsversuch den Boden unter den Füßen wegziehen würde.[8] In dieser Betonung der „Kontextunabhängigkeit“ von Kommunikationsvoraussetzungen hat Habermas seinen „Geltungsansprüchen“ und der damit implizierten „Vernunft“ in den Augen der Kontextualisten eine gleichsam „metaphysische Transzendenz" unterschoben, denn woher sollte denn sonst, wenn alles fließt, diese „Kontextunabhängigkeit“ kommen.

Deutlich auf Seiten der kontextualistischen Konzeptionen hat Georg Kneer (1996: 106ff) den genauen Argumentationsverlauf dieser Kontextualismusdebatte rekonstruiert und ist dabei zu dem Schluß gekommen, daß das Habermassche kommunikative Vernunftkonzept im Prinzip den Prämissen einer Konzeption verhaftet bleibt, die er die Kantsche „Zwei-Reiche-Lehre“ nennt.[9] Unter diesem Begriff faßt Kneer erkenntnistheoretische Ansätze zusammen, die eine „kategoriale Schwelle“ zwischen Apriori und Aposteriori, zwischen Sinn und Erfahrung, Schema und Inhalt, begrifflich und empirisch, analytisch und synthetisch usw. zu errichten versuchen, die also in seinen Augen davon ausgehen, daß die Bedingungen des Sprechens, Erkennens und Handelns – das Reich des Intelligiblen - derart dem faktischen Sprechen, Erkennen und Handeln - dem Reich des Empirischen - vorausgehen, daß Rückwirkungen vom Reich des Empirischen auf das Reich des Intelligiblen systematisch ausgeschlossen bleiben. Nach Kneers Ansicht beschreibt Habermas das Verhältnis von (kontrafaktischen) Kommunikationsvoraussetzungen, also etwa von „Geltungsansprüchen“, und faktisch realisierten Kommunikationen „exakt in diesem Sinne“. (1996: 133) Die kontrafaktischen Präsuppositionen, auf die sich die kommunikativ Handelnden notwendig einlassen müssen, würden den wie auch immer gearteten faktischen Verständigungen bei Habermas gleichsam unverrückbar zugrundeliegen, würden also so etwas wie durch schlechte Metaphysik festgehaltene Fixpunkte im panta rhei der räumlichen und zeitlichen Kontexte sein und so dem von den Kontextualisten betonten Umstand widersprechen, daß es „keinen festen, ein für allemal gültigen Bestand von notwendigen und unvermeidlichen Bedingungen kommunikativen Handelns“ gäbe.

Kneer betont demgegenüber mit den Kontextualisten, daß ebenso wie die Kommunikationsinhalte auch die Kommunikationsvoraussetzungen dem historischen Wandel unterworfen seien. Zwischen Voraussetzungen und Inhalten der Kommunikation würde keine kategoriale, (quasi-) transzendentale Schwelle existieren, die es ausschließt, daß der Wandel von Kommunikationsinhalten eine Transformation der Kommunikationsvoraussetzungen zur Folge hätte. Auch die im kommunikativen Handeln unterstellten Wahrheits- und Richtigkeitsansprüche wären somit einem Wandel ausgesetzt und die Interpretation dieser Ansprüche - insbesondere die Frage, ob mit ihnen der Anspruch auf eine kontextüberschreitende Geltung verbunden wird oder nicht - kann also nicht, wie dies Habermas gegenüber den Kontextualisten herausstreicht, apriori festgelegt sein, sondern ist zutiefst kontextabhängig. „Die Strukturen sprachlicher Verständigung bieten keinen festen Halt gegenüber dem Partikularen und Kontingenten, diese sind, anders als es die Universal- bzw. Formalpragmatik suggeriert, längst in den Strudel der modernen Kontingenzerfahrung hineingeraten.“ (Kneer 1996: 133f)

Wenn man nun aber, wie ich dies oben (und andernorts wesentlich ausführlicher, vgl.:1999) vorgeführt habe, die Aufmerksamkeit in der Habermasschen Theorie auf die Differenz zwischen „vorverständigt“ zur Verfügung stehenden Kommunikationsvoraussetzungen und aktuellen Verständigungsvorgängen richtet, so ergibt sich ein Bild, das den Kontextualismusstreit als hinfällig erscheinen läßt, ohne daß die Argumente der Habermasschen wie auch die der kontextualistischen Seite außer Acht gelassen werden müßten. Einerseits läßt sich so der Habermasschen Annahme unumgehbar notwendiger Kommunikationsvoraussetzungen, die gegenüber den Kommunikationsinhalten als stabil unterstellt werden müssen, folgen. Habermas hat ja wohlgemerkt stets nur betont, daß die jeweils aktuell Verständigungsuchenden für sich auf quasi-transzendentale Voraussetzungen rekurrieren müßten. Für jeden Beobachter eines Verständigungsvorgangs, oder anders gesagt, für jeden, der über diesen Verständigungsvorgang Verständigung sucht, der also, wie in unserem Fall Georg Kneer, um mit Luhmann zu sprechen, eine „Verständigung zweiter Ordnung“ führt, können die Verständigungsvoraussetzungen der ersten Verständigung (der beobachteten Verständigung) kontingent erscheinen. Sobald aber dann dieser Beobachter seine Beobachtung kommuniziert, sobald er also Verständigung über diese Kontingenz sucht, muß auch er dabei auf für ihn unverrückbar feststehende Verständigungsvoraussetzungen rekurrieren, die er nicht für kontingent erklären kann, ohne seine eigenen Kommunikationen zu relativieren.

Mit der Aufmerksamkeit für die Differenz zwischen „vorverständigt“ und „aktuell“ ist also nun gewissermaßen der Schritt auf eine Ebene zweiter Ordnung verbunden, von der aus der Umstand der Annahme unverrückbar feststehender Kommunikationsvoraussetzungen aus einer bestimmten Distanz beobachtet werden kann. Aus dieser Distanz können die Kommunikationsvoraussetzungen dann eben andererseits auch als stammesgeschichtlich entstandene Resultate sozialer Interaktionen gedeutet werden und so als interimistisch im Problemlösungsfundus der Gattung festgehaltene Resultate jeweils problembezogener, und das heißt ja im Prinzip schon: kontextbezogener Interaktionen. Die für die Verständigungsteilnehmer selbst quasi transzendental feststehenden Kommunikationsvoraussetzungen können also nun vor dem Hintergrund der allgemeinen Evolution als nur relativ stabile phylogenetische Errungenschaften betrachtet werden. Die Kommunikationsvoraussetzungen werden also nur mehr gegenüber den Kommunikationsinhalten als stabil vorgestellt. Ihre vermeintliche Universalität ist aus dieser Perspektive tatsächlich keine absolute, sondern nur eine relative, die zwar eben nicht gegenüber den Einzelkommunikationen, wohl aber gegenüber dem allgemeinen Hintergrund von Zeit und Raum tatsächlich kontingent ist.[10]

In Bezug auf die Kantsche „Zwei-Reiche-Lehre“ wird mit dieser Aufmerksamkeit für die Differenz von „vorverständigt“ und „aktuell“ also gewissermaßen ein Mittelweg vorgeschlagen, der das „Reich des Intelligiblen“ zwar prinzipiell ebenfalls als kontingent vorstellt, ihm aber relativ zum „Reich des Empirischen“ aufgrund seiner nicht nur sprachlichen, sondern „epistemologischen“ Konstitution größere Stabilität zuspricht. Durch diese Stabilität scheinen die von Habermas herausgestellten Kommunikationsvoraussetzungen im Fluß der Einzelkommunikationen gleichsam unverrückbar festzustehen. Als bereits phylogenetisch ausdifferenzierte Voraussetzungen gelten sie gegenüber den faktischen Inhalten der Kommunikationen tatsächlich „universal“. Trotzdem kann man nun auch dem von Georg Kneer im Anschluß an die Kontextualisten herausgestellten Umstand rechtgeben, daß es „keinen festen, ein für alle Mal gültigen Bestand von notwendigen und unvermeidlichen Bedingungen kommunikativen Handelns gibt“. Zwar variieren die Kommunikationsinhalte offensichtlich leichter als die Bedingungen, an denen sie ansetzen. Auch diese sind aber veränderbar, also kontextabhängig und könnten so prinzipiell auch von den durch Kommunikationsinhalte geänderten Kontexten beeinflußt werden. Vermutlich würde auch Habermas nicht grundsätzlich ausschließen, daß die Evolution eines Tages auch andere primäre Formen der sozialen Interaktion als die der Kommunikation hervorbringen kann. Die Frage wäre dann allerdings, ob es noch Menschen sind, die so interagieren.

 

 

Verwendete Literatur

Derrida, Jacques, 1974, Grammatologie, Frankfurt/M.

Eickelpasch, Rolf, 1996, Bodenlose Vernunft. Zum utopischen Gehalt des Konzepts kommmunikativer Rationalität bei Habermas; in ders. und Armin Nassehi (Hrsg.), Utopie und Moderne, Frankfurt/M., S. 11-50.

Füllsack, M., 1998, Geltungsansprüche und Beobachtungen zweiter Ordnung. Wie nahe kommen sich Diskurs und Systemtheorie?; in: Soziale Systeme, Jg. 4, H. 1/1998, S. 185-198.

Füllsack, M., 2003, Auf- und Abklärung. Grundlegung einer Ökonomie gesellschaftlicher Problemlösungskapazitäten. Aachen (Shaker-Verlag)

Habermas, Jürgen, 1968, Technik und Wissenschaft als ‘Ideologie’, Frankfurt a.M., zit nach 9. Aufl. 1978.

Habermas, J. / Luhmann, N., 1971, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Frankfurt/M., zit. nach 10. Aufl. 1990.

Habermas, J., 1976, Zur Rekonstruktion des historischen Materialismus, Frankfurt/M.

Habermas, J. 1981, Theorie des kommunikativen Handelns, 2 Bde, Frankfurt/M., zit. nach 1.Aufl. 1988.

Habermas, J., 1984, Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt/M., zit. nach 1. Aufl. 1995.

Habermas, J., 1985, Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen, Frankfurt/M.

Habermas, J., 1988, Nachmetaphysisches Denken. Philosophische Aufsätze. Frankfurt/M.

Habermas, J., 1992, Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats. Frankfurt/M., zit. nach 4. Aufl. 1994.

Hegel, G.W.F., 1983, Wissenschaft der Logik II. Werke in zwanzig Bänden, Bd. 6, hg. von E. Moldenhauer und K.M. Michel, Frankfurt/M.

Kneer, Georg, 1996, Rationalisierung, Disziplinierung und Differenzierung. Sozialtheorie und Zeitdiagnose bei Habermas, Foucault und Luhmann, Opladen.

Luhmann, Niklas, 1968, Zweckbegriff und Systemrationalität, Frankfurt/M.

Luhmann, N., 1984, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt/M.

Luhmann, N., 1986, Die Lebenswelt – nach Rücksprache mit Phänomenologen; in: Archiv für Rechts und Sozialphilosophie 72: 176-194.

Luhmann, N., 1987, Die Richtigkeit soziologischer Theorie; in: Merkur 41: 36-49.

Luhmann, N., 1988a, Neuere Entwicklungen in der Systemtheorie; in: Merkur 42, 292-300.

Luhmann, N., 1988b, Frauen, Männer und George Spencer Brown, Zeitschrift für Soziologie 17: 47-71.

Luhmann, N., 1990, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt/M.

Luhmann, N., 1991, Am Ende der kritischen Soziologie; in: Zeitschrift für Soziologie Jg. 20, H. 2, S.147-152.

Luhmann, N., 1993, Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt/M.

Luhmann, N., 1993a, Ouod omnes tangit… Anmerkungen zur Rechtstheorie von Jürgen Habermas; in: Rechtshistorisches Journal 12/1993, S. 36-56.

Luhmann, N., 1994, Gesellschaft als Differenz. Zu den Beiträgen von Gerhard Wagner und Alfred Bohnen in der Zeitschrift für Soziologie Heft 4/1994; in: Zeitschrift für Soziologie Jg. 23, H. 6, 477-481.

Luhmann, N., 1997, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt/M.

Rorty, Richard, 1992, Kontingenz, Ironie und Solidarität, Frankfurt/M.

Spencer Brown, George, 1971, Laws of Form, London.

Wagner, Gerhard, 1994, Am Ende der systemtheoretischen Soziologie; in: Zeitschrift für Soziologie Jg. 23, H.4, 275-291.

 

[1] vgl.: dazu ausführlicher: Füllsack 2003

[2] Vgl.: u.a. die diesbezüglichen Einwände von Eickelpasch 1996; Kneer 1996, aber auch die grundsätzlicheren von Kontextualisten wie Richard Rorty. Ich komme darauf weiter unten ausführlicher zurück.

[3] Vgl. u.a.: „Wie alles angefangen hat müssen wir dem ‚big bang‘ oder ähnlichen Mythen überlassen. Für alle späteren Einsatzpunkte der Evolution kann man immer schon System/Umwelt-Differenzen voraussetzen ..." (Luhmann 1997: 500)

[4] Besonders deutlich wird diese Notwendigkeit einer Asymmetrisierung des ursprünglich symmetrischen Kalküls von Spencer Brown, wie Gerhard Wagner (1994: 279) gezeigt hat, bei Luhmann an dem simplen Umstand, daß Luhmann eben eine Systemtheorie und keine Umwelttheorie vorlegen will. Würde er in seiner ursprünglichen Unterscheidung von System und Umwelt nicht eine der beiden Seiten, nämlich die Systemseite, von Haus aus präferieren, so müßte er wohl auch eine Theorie für die Operationen der Umwelt vorlegen. Die Umwelt ist aber für Luhmann eben gerade „keine operationsfähige Einheit“. (Luhmann 1987: 39)

[5] Wenn man an dieser Stelle, ebenfalls nach einem Vorschlag von Gerhard Wagner (1994: 281), diesen Umstand mit den Überlegungen von Georg Willhelm Friedrich Hegel vergleicht, die dieser in seiner „Wissenschaft der Logik“ vorgelegt hat, so wird über den identitätslogischen Kern hinaus, den Luhmann seinem Denken entgegen seiner Aussagen offensichtlich doch zugrundelegt, auch die grundlegende Verwurzelung der Systemtheorie in klassischen Fragen der Philosophiegeschichte deutlich. Es drängt sich der oftmals geäußerte Verdacht auf, daß die Systemtheorie klassische Probleme der Philosophie im Prinzip nur in ein neues begriffliches Gewand gekleidet hat. Auch Hegel behandelt nämlich bereits den „Gegensatz“ als eine besonders raffinierte Form der Verschiedenheit, als „bloß gesetzten Unterschied“, als „Unterschied, der keiner ist“ (Hegel 1983: 52) Im "Gegensatz" würde nämlich, so Hegel, das eine Moment, nicht irgend einem anderen Moment, sondern seinem anderen Moment, also dem anderen seiner selbst begegnen. Hegel verweist diesbezüglich auf die Arithmetik und stellt fest, daß sich ein „+a“ und ein „-a“ überhaupt nur dann als solche begreifen lassen, wenn beide über ein und nur ein „a“ als eine „beiden zum Grunde liegende ansichseiende Einheit“ verfügen. (Hegel 1983: 60) Diese zugrundeliegende Einheit sei aber nun nicht ihrerseits als Teil eines Gegensatzes konzipiert, sondern vielmehr als „das gegen die Entgegensetzung selbst Gleichgültige“ (Hegel 1983: 60), es sei also tatsächlich eine Einheit, die somit jeder Unterscheidung, jeder Differenz und damit auch jedem differenzlogischen Ansatz zugrundeliegt.

[6] Siehe dazu ausführlicher meine Darstellungen in: Füllsack 2003.

[7] Vgl.: Füllsack 1999.

[8] Habermas hat diesen Umstand zusammen mit Karl-Otto Apel unter dem Titel des "performativen Selbstwiderspruchs" gegen eine Reihe von relativistischen Einwänden ins Rennen geführt. Vgl. auch dazu meine Darstellungen in: Füllsack 1999.

[9] Obwohl Habermas diesen Begriff explizit abgelehnt hat und in einer Auseinandersetzung mit Fred Dallmayr darauf hingewiesen hat, daß „die Theorie des kommunikativen Handelns die transzendentale Spannung zwischen dem Intelligiblen und der Welt der Erscheinungen in die kommunikative Alltagspraxis selbst einholt, ohne sie damit einzuziehen“ (1991: 155), kommt Kneer zu dem Schluß, daß es Habermas mit diesem Manöver nicht gelingt, sich den Prämissen der Zwei-Reiche-Lehre zu entziehen. Vgl.: Kneer 1996: 132, Fn.27.

[10] Man könnte sich zur leichteren Vergegenwärtigung dieses Umstandes Kommunikationsvoraussetzungen und Kommunikationsinhalte vielleicht auch als in zwei unterschiedlichen Medien stabilisierte „Resultate“ sozialer Interaktionen vorstellen. Während die Inhalte der aktuellen Verständigungen eben im allgemeinen in der Sprache gespeichert werden, lassen sich diejenigen Kommunikationsvoraussetzungen, die Habermas mit seinen „Geltungsansprüchen“ anspricht, als auf einer „epistemologischen“ (also jedenfalls als noch nicht im selben Sinn auf sprachlicher) Ebene gespeichert vorstellen, an der dann die sprachlichen und natürlich ihrerseits kontextabhängigen Verständigungsbemühungen der Gesellschafter ansetzen. Diese erscheinen nun dabei allerdings gegenüber der „epistemologischen“ Ebene deutlich flexibler, oder wenn man so will, kontingenter. Obwohl damit die Gefahr von grundlegenden Mißverständnissen gegeben ist, sei zur näheren Erklärung der hier nur tentativ so bezeichneten „epistemologischen“ Ebene doch der Vergleich mit den Hardware- und Softwarekomponenten in der Computertechnologie gezogen. Während die „epistemologisch“-konstituierten Kommunikationsvoraussetzungen wohl am ehesten als „Software“ angesehen werden kann, können die biologischen Sprechvoraussetzungen (Kehlkopf, Stimmbänder, etc.) als Hardwarekomponenten, die faktischen Kommunikationsinhalte hingegen als normale alltägliche Anwendungen von Hardware und Software vorgestellt werden. Alle drei Ebenen sind in höchstem Maß kontingent, daß heißt, sie verändern sich, wie die Computertechnologie ja selbst eindrucksvoll vorführt, beständig mit dem Kontext der zu bearbeitenden Probleme und der technischen Möglichkeiten. Relativ zueinander erscheint aber die Hardware im Fluß der schneller wechselnden Software und diese gegenüber den täglichen Anwendungen deutlich stabiler.


© Manfred Füllsack 1999