Sor Juana Inés de la Cruz

Autor: Eva Fischer-Ankern



Inés de la Cruz lebte von 1648 bis 1695 in Mexiko. Geboren wurde sie in armen Verhältnissen als Juana Inés Ramírez in San Miguel de Nepanthla, nahe des Vulkans Popocatépetl, 60 km von der Hauptstadt des damaligen Nueva España entfernt. Sie war die uneheliche Tochter von ungebildeten Eltern - Doña Isabel Ramírez de Santillana und Pedro Manuel de Asbaje - und hatte vier Schwestern und einen Bruder, die teilweise von anderen Vätern waren.

Sie lernte bereits mit drei Jahren zu lesen, und hatte als sie acht war all die Bücher ihres Großvaters gelesen. Mit sechs oder sieben bettelte sie ihre Mutter an, sie in Männerkleidung an der Universität von Mexiko studieren zu lassen, an der keine Frauen zugelassen waren. 1656 wurde sie im Alter von acht Jahren in die Hauptstadt zu ihrer Tante geschickt, wo sie Latein lernte. Fortan las sie philosophische und theologische lateinische Texte, was ihr den Ruf eines Wunderkinds brachte.

1664, im Alter von sechzehn begann sie aufgrund ihrer Intelligenz und Schönheit am Hof des Vizekönigs von Nueva España, als Hofdame bei Doña Leonor Carreto, Marquesa de Mancera, zu arbeiten, wo sie die nächsten vier Jahre lebte. Dort entwickelte sie ein Talent für die Sprache, und lernte bei Theologen, Mathematikern, Philosophen und Literaten. Sie wurde zwar von vielen Männern des Hofes umschwärmt, konnte aber aus Gesellschaftsgründen nicht heiraten, da sie unehelich und aus einer armen Familie war.
Später erklärte sie auch, dass sie die Idee des Heiratens ablehnte und lieber ins Kloster gehen wollte, um neben dem Erlangen von Sicherheit und Seelenheil auch alleine leben zu können, ohne verpflichtende Aufgaben die sie in ihrem Studium und anderen Aktivitäten behindern sollten.

Mit neunzehn trat sie für sechs Monate ins Kloster von San José de las Carmelitas ein, verließ dieses jedoch aufgrund der Strenge des Ordens. 1668, kurz vor ihrem zwanzigsten Geburtstag, legte sie ihren Eid ab und trat als Sor Juana dem weniger strengen Kloster von San Jerónimo bei, wo sie den Rest ihres Lebens verbrachte. Koloniale Kloster galten zu dieser Zeit als soziale und künstlerische Zentren. Ines de la Cruz hatte dort neben mehreren Dienern und einem Sklaven ihre eigene Bibliothek mit 4000 Büchern und ein Arbeitszimmer. Ebenso wurde sie oft von Menschen des Hofes und der Universität besucht, und korrespondierte auch mit sehr vielen Literaten. Sie verfasste viele Gedichte, Texte und Musikkompositionen, und studierte Philosophie, Theologie, die Naturwissenschaften, Literatur, Geschichte und Musik. Dadurch wurde sie berühmt, und ihre Bücher waren sowohl in Mexiko als auch in Spanien sehr beliebt. Sie dichtete auch in Nahuatl, der Sprache der Azteken, die sie ebenfalls beherrschte.

1680 freundete sich Inés de la Cruz mit María Luisa, Condesa de Parades, der Frau des Marqués de la Laguna, dem neuen Vizekönig, an, der viele ihrer Liebesgedichte gewidmet waren. Durch das Ansehen des Paars war sie von frauenfeindlichen Angriffen geschützt, diesen Schutz verlor sie jedoch durch deren Abreise 1688, nach dem Ende der Amtszeit.

1690 erreichte die Kritik ihren Höhepunkt, als ihr vermeintlicher Freund, der Bischof von Puebla, Manuel Fernández de Santa Cruz, ohne Erlaubnis einen ihrer Briefe veröffentlichte, in dem sie eine berühmte Predigt eines Jesuiten kritisierte. Er hatte sie zuvor nach einem theologischen Gespräch im Kloster aufgefordert, ihm ihre Gedanken schriftlich zu senden. Dazu hatte er einen zweiten Brief unter dem Pseudonym "Sor Filotea de la Cruz" als Vorwort geschrieben, in dem er ihr geistige Eitelkeit vorwarf, und sie wegen ihrer Voreingenommenheit mit weltlichen Dingen und des Fehlens von biblischen Themen in ihren Schriften und ihrem Studium ermahnte. Inés de la Cruz antwortete mit ihrem "Respuesta a Sor Filotea", das als erstes feministisches Manifest gilt.

Darin setzte sie sich für die Gleichberechtigung bei der Bildung ein, und nannte viele Beispiele von intelligenten Frauen aus der Vergangenheit. Dadurch wollte sie beweisen, dass etwas wie Intelligenz bei Frauen nicht die Ausnahme sondern etwas Normales ist. Ebenso beschäftigte sie sich damit, dass nicht nur Frauen in der Kirche still sein sollten, sondern alle "Unfähigen". Des Weitern erwähnte sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die sie durch das Kochen erfahren hatte, und die Bereiche Küche und Kindererziehung, in denen Frauen ihr Talent ausüben konnten. Dadurch argumentierte sie, dass intellektuelle Aktivität ein Recht beider Geschlechter sei. Auch die diskriminierenden Elemente in der Sprache und der Ideologie griff sie an, und forderte eine andere Einstellung.

In Folge dessen kam ihr immer mehr öffentliche Kritik von Seiten der Kirche entgegen, insbesondere verlangte Erzbischof Aguiar y Seijas, dass sie sich von ihren weltlichen literarischen Arbeiten zurückziehen sollte. Sie veröffentlichte weiterhin Schriften, von denen viele einen feministischen Ton trugen.

1691 erlitt Mexiko Stadt ein Hochwasser, danach eine Hungersnot. Inés de la Cruz musste all ihre Bücher, Musik- und naturwissenschaftlichen Instrumente verkaufen. Ihre danach verfassten Schriften beinhalteten kaum noch Ideologien, sie schien der Kritik der Kirche nachgegeben zu haben. 1695 erreichte eine Seuche das Kloster, an der auch sie sich ansteckte und in Folge dessen im Alter von 46 Jahren starb.