in der Philosophie G. W.
F. Hegels
D I P L O M A R
B E I T
zur Erlangung des Magistergrades der
Philosophie
an der Fakultät für Human- und
Sozialwissenschaften
der Universität Wien
eingereicht von
Leonhard Weiss
Wien, (März, 2004)
Für
Andrea
und
meinen Vater
Ein herzliches Dankeschön
sei an dieser Stelle Frau Univ.-Prof. Dr. Herta Nagl-Docekal
für die Betreuung der vorliegenden
Arbeit ausgesprochen.
„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von
Voraussetzungen, die er selbst nicht
garantieren kann.“[1]
Ernst-Wolfgang Böckenförde
Inhaltsverzeichnis
I.I. Hegels Begriff des Staates
I.I.I. Die emotionale Einheit der Familie
I.I.II. Die Subjektivität der bürgerlichen Gesellschaft
I.III. Der Staat als Antwort auf
das „Problem der Moderne“
I.III.I. Die Stände als Vertretung der besonderen
Interessen
I.III.II. Das letzte „Ich will“ des Fürsten
I.IV. Gesinnung, Gewissen und
Patriotismus
I.IV.I. Ein Grundgefühl der Ordnung
I.IV.II. Das moralische Gewissen
I.IV.III. Die politische Gesinnung
II. Hegels Begriff der Religion
II.II. Hegels Ablehnung eines
nichterkennbaren Gottes
II.III. „Begriff“ und „Form“ der
Religion
II.IV. Kultus und Gemeinde - das
Bewusstsein der Versöhnung
III. Das „systematische“ Verhältnis von Staat und Religion
III.I. Der objektive Geist als
„Weg“ zum absoluten
III.III. Der absolute Geist
„über“ dem objektiven
IV. Das „praktische“ Verhältnis von Religion und Staat
IV.I. Die Religion als
„Grundlage“ des Staates?
IV. II. Die Bedeutung religiöser
„Gesetze“
IV.III. Endlichkeit und
Unendlichkeit - ein „Exkurs“ zur Logik
IV.IV. Selbsterkenntnis des
Menschen in Gott
IV.V. Die differenten Formen von
Religion und Staat
IV.III.II. Frömmigkeit als Weltabgewandtheit
IV.VI. Die politische Kraft des
Christentums
IV.VI.I. Die absolute Religion als die selbstreflexive
Religion
IV.VI.II. Die Religion der Freiheit
IV.VI.III. Protestantismus und moderner Staat
IV.VII. Staat und Kirche -
Religionsfreiheit
V.I. Gegensätzliche Ansprüche
und Relativierungen
V.II. Kein Staat ohne
Menschenbild?
V.III. Die Bedeutung der
Identifikation
V.IV. Konsequenzen aus Hegels
Überlegungen?
V.V. Eine andere „Grundlage“ des
Staates?
VI.I. Siglen der zitierten
Schriften Hegels
VI.II. Zitierte Werke anderer
Autoren
Noch vor einigen Jahren wäre eine
philosophische Arbeit zum Verhältnis von Religion und Staat möglicherweise in
den Bereich abgehobener Theorie ohne viel gesellschaftspolitischer Relevanz
einzuordnen gewesen. Zurzeit sieht dies meines Erachtens allerdings ein wenig
anders aus. Zu nennen sind in diesem Kontext vor allem zwei politische
Ereignisse bzw. Entwicklungen, welche die neue Aktualität der in dieser Arbeit
behandelten Frage aufzeigen.
Im Laufe der vergangenen Monate ist
in Europa, im Zuge der Debatte um die neue europäische Verfassung, ein Thema
gesellschaftspolitisch virulent geworden, welches zuvor jahrelang als nicht
mehr diskussionswürdig bzw. als überholt betrachtet wurde. Zentral handelt es
sich dabei um die Frage, ob die Verfassung eines Staates (in diesem Fall einer
Staatengemeinschaft, der Europäischen Union) eine Begründung in einem
gemeinsamen Wertekonsens oder sogar in einer Religion benötigt. (Eine ähnliche
Debatte gibt es derzeit in kleinerem Rahmen auch auf österreichischer Ebene.)
Beobachtet man die Diskussionen über
eine eventuelle Erwähnung der Termini „religiöse Wurzeln“, „Christentum“ oder
„Gott“ in einer Verfassungspräambel, so fallen einem die oft überraschenden
Frontlinien innerhalb dieses Disputs auf. Während die katholische Kirche grosso
modo für eine Nennung Gottes in der Verfassung auftritt, lehnen etwa die
österreichischen evangelischen Kirchen genau dies ab[2].
Und während die stark katholisch geprägten Staaten Polen und Italien entschiedene
Befürworter eines Gottes- bzw. Religionsbezuges sind, gehört das „laizistische“
Frankreich diesbezüglich zu deren striktesten Gegnern. Diese Gegenüberstellung
ist insofern interessant, als sich hier die kulturellen Traditionen der
einzelnen Länder als stärker zu erweisen scheinen als die parteipolitischen
Bindungen der Regierungen. Hat Frankreich doch zurzeit einen konservativen
Premierminister, Polen hingegen einen sozialdemokratischen.
Vergessen werden darf an dieser
Stelle jedoch keineswegs, dass die aktuelle Debatte um die Bedeutung des
Religiösen in der Verfassung eigentlich zwei differente Fragestellungen
vereint. Denn während die Forderung nach einem „Religionsbezug“, also nach
einer Erwähnung der religiösen Wurzeln eines politischen Systems, primär nur
der - vermeintlichen oder wahren - historischen Herkunft der Verfassung Tribut
zollen möchte, hat etwa ein in der Verfassung kodifizierter Verweis auf die
Verantwortlichkeit gegenüber „Gott“ meines Erachtens einen entscheidend
größeren normativen Gehalt, da ein solcher Verweis nur unter der Voraussetzung
Sinn macht, dass die Bürger des Staates in ihrer Mehrzahl als religiös
bezeichnet werden können. Auf die durchaus problematischen Konsequenzen eines
„Gottesbezuges“ werde ich im Laufe der vorliegenden Arbeit nochmals
zurückkommen.
Brisant wurde die Frage nach dem
Verhältnis von Religion und Staat zweifellos auch durch die Ereignisse bzw.
Folgen des 11. September 2001. Zeigte sich doch bei den Anschlägen auf New York
und Washington, in welch schrecklicher Weise „Religion“ - in den Handlungen
religiöser Fundamentalisten - „praktisch“ werden kann. Wobei zugleich natürlich
auch die Frage zu stellen ist, wieweit die Terroristen von 9/11 tatsächlich
religiös motiviert waren, oder ob Religion dabei nur Mittel im Dienste anderer
- politischer oder ökonomischer - Zwecke war. Für mich selbst noch deutlicher
zeigte sich die Aktualität der Frage nach der Relation von Religion und
Weltanschauung einerseits und politischem System anderseits aber im Laufe der
„Konsequenzen“, die den Terroranschlägen folgten - im Zuge der internationalen
Debatte um einen Militärschlag gegen den Irak und den Möglichkeiten, im Irak
(wie zuvor in Afghanistan) ein diktatorisches Regime durch ein demokratisches
zu ersetzen. Stand damit doch auch die entscheidende Frage im Raum, wieweit die
Herrschaftsform eines Landes von außen bestimmt werden kann bzw. ob einer
Gesellschaft Demokratie „verordnet“ werden kann. Und damit sind wir bereits bei
dem für Hegel so entscheidenden Verhältnis von Staat und „Gesinnung“,
„Religion“ oder „Menschenbild“. Ist hier doch zu fragen, ob politische Systeme
nicht auch von den in einem Land dominierenden Weltanschauungen abhängig sind,
d. h. ob ein Verfassungswechsel nicht von einer Gesellschaft selbst erreicht
werden muss. Virulent wird dabei auch die Frage, ob es eine für alle
historischen, geografischen und kulturellen Umstände gleichermaßen geeignete
Herrschaftsform gibt. Oder müssen politische Systeme der weltanschaulichen und
religiösen Überzeugung der jeweiligen Gesellschaft angemessen sein? Und wenn
ja, in welcher Form kann es eine „Übereinstimmung“ von religiösen und
politischen Überzeugungen geben? Sind Religionen die legitimierende Basis eines
staatlichen Systems? Oder sind sie eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit?
Braucht der demokratische Staat als ideelles Fundament die „Gesinnung“ seiner
Mitglieder? Oder lebt der moderne Staat gerade von der Neutralität gegenüber
allen individuellen Überzeugungen?
All dies sind meines Erachtens
durchaus spannende Fragen, deren politische Relevanz auch in der (Post-)Moderne
nicht zu umgehen ist.
Warum aber gerade Hegel? Warum widme
ich mich nicht den Erörterungen anderer Denker zum Verhältnis von Religion und
Staat? Alternativen gäbe es ohne Zweifel viele. Von Platon über Thomas von
Aquin, Hobbes, Montesquieu, Rousseau, Kant bis zu Marx oder anderen. Was die
Hegel’schen Ausführungen meines Erachtens so interessant macht, ist ihr
Vielklang. Finden wir bei Hegel doch Aussagen wie „Im allgemeinen ist die
Religion und die Grundlage des Staates eins und dasselbe“[3],
und „Die Vorstellung von Gott macht die allgemeine Grundlage eines Volkes aus“[4],
ebenso wie die Feststellung „Die Religion als solche darf nicht das Regierende
sein“[5].
Hegel pocht einerseits auf die Trennung von Kirche und Staat und vermeint
anderseits, letztlich nur im Protestantismus eine Sicherung des modernen,
freien Staates zu finden. Im Laufe dieser Arbeit möchte ich versuchen, diese
vielfältigen Überlegungen zu rekonstruieren und in einen Zusammenhang zu
bringen.
Inhaltlich und formal ist die
vorliegende Arbeit in fünf Teile gegliedert. Im ersten und zweiten Abschnitt
versuche ich, Hegels Verständnis der Begriffe „Staat“ und „Religion“ zu
verdeutlichen und, wo notwendig, vom üblichen Sprachgebrauch zu unterscheiden.
Anhand einiger wesentlicher Punkte soll dabei gezeigt werden, was, und in
welcher Form, für Hegel in die Bereiche „Staat“ bzw. „Religion“ fällt.
Im Anschluss widme ich mich dann den
Hegel’schen Überlegungen zum Verhältnis der beiden Gesellschaftsbereiche. Wobei
am Beginn, im dritten Abschnitt der Arbeit, eine Rekonstruktion der Positionen
von „Staat“ und „Religion“ innerhalb des von Hegel entwickelten philosophischen
Systems steht. Wie sich dabei zeigt, hat dieses „systematische Verhältnis“ auch
Auswirkungen auf das „praktische Verhältnis“ von Religion und Staat, dem ich
mich im folgenden Abschnitt zuwende, und das insofern den Kern dieser Arbeit
ausmacht, als es demonstriert, in welcher Form die Religion von Hegel als
„Grundlage des Staates“ gedacht wird. Hier finden sich möglicherweise auch
Gedanken Hegels, die als Basis für eventuelle Antwortversuche auf die oben
behandelten aktuellen Fragen nach der Begründung eines Staates in religiösen
Werten genützt werden könnten.
Den fünften und letzten Teil meiner
Arbeit bildet ein Versuch, die Hegel’schen Thesen einer kritischen
zeitgenössischen Relektüre zu unterziehen. Dabei möchte ich zum einen die
vielfältigen Überlegungen Hegels aneinander messen und dadurch eventuelle
Bruchstellen und Schwächen aufzeigen, zum anderen der Frage nachgehen, ob die
Hegel’schen Konzepte auch heute noch Gültigkeit haben, und in welcher Form sie
eventuell Antworten auf die Fragen des beginnenden 21. Jahrhunderts sein
können. Dieser fünfte Abschnitt wird daher sowohl eine Zusammenfassung der
vorhergehenden Teile als auch eine versuchte Weiterentwicklung derselben sein.
Vor dem Beginn der eigentlichen
Arbeit muss an dieser Stelle noch eine inhaltliche Einschränkung vorgenommen
werden; entspricht der Inhalt der Arbeit doch nicht ganz dem Umfang des im
Titel aufgeführten Themengebiets. Denn behandeln werde ich in der Folge nicht
alle Hegel’schen Überlegungen zum Verhältnis von Religion und Staat, sondern im
Wesentlichen nur die Ausführungen des „reifen Hegel“, d. h. diejenigen Texte,
die Hegel im Laufe der letzten rund 13 Jahre seines Lebens verfasst hat bzw.
die auf Mitschriften Hegel’scher Vorlesungen aus dieser Zeit basieren. Konkret
sind dies die „Grundlinien der Philosophie des Rechts“[6],
die „Wissenschaft der Logik“[7]
und die „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften“[8]
sowie die zum Teil erst nach Hegels Tod veröffentlichten Mitschriften der
Vorlesungen über Religionsphilosophie, Geschichtsphilosophie, Rechtsphilosophie
und Philosophiegeschichte. Nicht berücksichtigen werde ich in meiner Arbeit
hingegen die zahlreichen Texte über religiöse und politische Fragen, die Hegel
in früheren Jahren verfasst hat. Dies, obwohl meines Erachtens auch in diesen
Schriften viel Interessantes zu finden ist;
manche - zum Teil sehr von Rousseau beeinflusste - Überlegungen des
jungen Hegels sind sogar spannende Relativierungen bzw. vorweggenommene
Kritiken späterer Konzepte. Trotzdem werde ich mich - vor allem um den Umfang
der Arbeit nicht zu sprengen - im Großen und Ganzen auf eine Auseinandersetzung
mit den oben genannten Schriften beschränken.
I.I.
Hegels Begriff des Staates
Im Folgenden werde ich versuchen,
einige wesentliche Elemente und Voraussetzungen des Hegel’schen Staatsbegriffs
zu explizieren, und möchte dazu anfangs auf einen Paragrafen der EPW
zurückgreifen, anhand dessen ich eine vorläufige Erläuterung darlegen werde, um
im Anschluss daran auf besondere Problem- und Fragestellungen in Bezug auf
Hegels Staatsbegriff einzugehen.
In der EPW beginnt Hegel seine
Erklärung des Begriffes des Staates mit den Worten:
„Der Staat ist die selbstbewußte
sittliche Substanz, - die Vereinigung des Prinzips der Familie und der
bürgerlichen Gesellschaft.“[9]
Im ersten Schritt der Auslegung
dieses Satzes werde ich die Bedeutung des Ausdrucks „sittliche Substanz“
untersuchen. Um den Begriff der „Sitte“ fassen zu können, müssen wir anfangs
eine negative Abgrenzung vornehmen. Sitte steht bei Hegel, anders als im
alltäglichen Sprachgebrauch, in erster Linie nicht für eine traditionale
Lebensweise bzw. -regel. Eher ist „Sittlichkeit“ als eine Form der Beziehung
zwischen Individuen einerseits und Traditionen, Gebräuchen und Gesetzen
andererseits zu verstehen[10].
Mit dem Konzept der Sittlichkeit vereint Hegel sowohl die Idee eines objektiven
Guten als auch den Gedanken des Guten als Inhalt des subjektiven Gewissens.
Dies bedeutet, dass Hegel Sittlichkeit nicht primär als von außen vorgegebene
Ordnung versteht, wodurch der Begriff „sittlich“ sich nicht auf ein naturrechtlich
zu deutendes Sittengesetz bezieht, und auch der Staat, als „sittliche
Substanz“, in der Hegel’schen Philosophie nicht als „Ausdruck und Werkzeug
einer der Welt von Natur innewohnenden oder von Gott eingestifteten Ordnung,
die dem Menschen von außen vorgegeben und zur Vollbringung aufgegeben wäre“[11],
zu interpretieren ist. Vielmehr steht „Sittlichkeit“, wie es in § 142 der GPR
heißt, für „die Idee der Freiheit“[12].
Sittlichkeit ist also im Sinne des Hegel’schen Konzepts der Idee[13]
als Einheit von Begriff und Wirklichkeit von Freiheit zu betrachten. Liest man
die Hegel’schen Texte in diesem Sinne, so sind die Sphären der Sittlichkeit
(Familie, bürgerliche Gesellschaft und Staat) unterschiedliche Weisen des
Verhältnisses von Freiheitsbegriff und -wirklichkeit. Auf die besondere
Realisation des Freiheitsbegriffs im Staat wird an späterer Stelle noch
zurückzukommen sein. Entscheidend ist, an dieser Stelle festzuhalten, dass
„Sittlichkeit“ bei Hegel immer schon ein zweidimensionales Phänomen bezeichnet:
Unter „Sittlichkeit“ sind sowohl Formen des sozialen Umgangs zu subsumieren als
auch die Vorstellungen, die sich die diesen Umgang pflegenden Individuen von
der Strukturierung des sozialen Zusammenhangs machen.
Zur Klärung des Adjektivs
„selbstbewußt“ sei hier auf den § 257 der GPR verwiesen. Dort beschreibt Hegel
den Staat als den sich selbst deutlichen, substanziellen Geist, „der sich denkt
und weiß“[14]. Um diese
Beschreibung allerdings verstehen zu können, scheint mir eine Abgrenzung des
Staates von den von Hegel ebenfalls im besprochenen Paragrafen der Enzyklopädie
genannten, weiteren (früheren) Formen der Sittlichkeit - Familie und
bürgerliche Gesellschaft - notwendig.
I.I.I.
Die emotionale Einheit der Familie
Familie erläutert Hegel als
„unmittelbare Substantialität“[15]
und als eine die Liebe zu ihrer Bestimmung habende Gemeinschaft. Die Familie
ist demzufolge wesentlich durch die emotional verfasste Einheit ihrer
Mitglieder definiert. Interessant ist allerdings, dass Hegel mehrfach betont,
dass sich die Ehe nicht im gefühlten Wunsch nach Vereinigung erschöpft, sondern
dass sie vielmehr durch die öffentliche Übereinstimmung im Vertrag, durch „das
Zeichen, die Sprache, als das geistigste Dasein des Geistigen, als sittlich
konstituiert“[16] sei. Auch
der Ehe, der Form der gefühlten Einheit, muss demzufolge bereits das Element
der geistigen, vernünftigen Zustimmung innewohnen[17].
Für Christoph Jermann fasst Hegel die Ehe „nicht als die äußerliche Relation
zweier Personen, sondern als deren wesentliche Einheit, rechtlich gesehen also
im Sinne einer einzigen, neuen Person“[18],
zusammen. Obwohl Hegel die Ehe als „an sich unauflöslich“[19]
bezeichnet, gehört die „Auflösung“ zum Begriff der Familie wiederum wesentlich
dazu. Diese Auflösung erfolgt in der Erziehung der Kinder zu freien
Persönlichkeiten. Zugleich ist die Erziehung der Kinder für Hegel die
Vollendung der in der Ehe erreichten Einheit, da diese in den Kindern
„Gegenständlichkeit“[20]
erlangt, während die substanzielle Vereinigung in der Ehe nur in den Sphären
von „Innigkeit“ und „Gesinnung“[21]
besteht.
Durch das Selbstständigwerden der
Kinder kommt es auf natürliche Weise zur Destruktion der ursprünglichen,
gefühlten Einheit der Familie. Durch die neuen, von den Kindern gegründeten
Familien entsteht ein Verhältnis konkreter Personen[22],
die sich „äußerlich zueinander verhalten“[23].
Hegel geht in der Anmerkung zu § 158
der GPR auf das Bewusstsein der Identität innerhalb der Ehe ein und stellt es
der politischen Einheit gegenüber. Während in der Liebe die Empfindung, das
Natürliche, vereint, leisten im Staat die Gesetze diese Aufgabe - aber auf
einer wesentlich anderen Ebene, da die Inhalte der Gesetze vernünftig gewusst
sein müssen. Wir kommen damit nochmals zu einem sehr wesentlichen Teil des oben
zitierten Paragrafen, dem zufolge der Staat die selbstbewusste sittliche Substanz ist. Wie Hegel sowohl in den GPR
als auch der EPW schreibt, realisiert sich dieses Selbstbewusstsein in der
Verfassung eines Staates. In der EPW heißt es, „Sie [die Verfassung] enthält die Bestimmungen, auf welche Weise der vernünftige
Wille, insofern er in den Individuen nur an sich der allgemeine ist, teils zum
Bewußtsein und Verständnis seiner selbst komme [...]“[24].
Die Aufgabe der Verfassung, erläutert Hegel in § 540, liegt in der Garantie der
Vernünftigkeit der Gesetze und der Rechtssicherheit. Die Verfassung muss, um
vom einzelnen, vernünftigen Willen anerkannt werden zu können, dessen an sich
selbst und an die Allgemeinheit, an der er partizipiert, gelegten Maßstäbe der
Vernunft sichern. Zugleich leistet die Verfassung als Gesetztes den Schutz des
vernünftigen Willens vor der „zufälligen Subjektivität“ und ist als
Wirklichkeit der Freiheit „existierende
Gerechtigkeit“[25].
I.I.II.
Die Subjektivität der bürgerlichen Gesellschaft
Es gehört, wie Jürgen Habermas
betont, zu Hegels Verdiensten, als Erster eine „der modernen Gesellschaft
angemessene Begrifflichkeit auch terminologisch“ darin zum Ausdruck zu bringen,
„daß er die politische Sphäre des Staates von der ‚bürgerlichen Gesellschaft‘
trennt“[26].
Mit dem Konzept der bürgerlichen Gesellschaft versucht Hegel, eine Welt, die
moderne Welt, die mit den traditionellen Begriffen der politischen Philosophie
nicht mehr zu fassen ist, auf den Punkt zu bringen. Durch die Trennung von
Staat und bürgerlicher Gesellschaft gelingt Hegel, wie Christoph Jermann
schreibt, eine zweifache Abgrenzung, denn das Hegel’sche Konzept sieht nicht
nur eine unabhängige Gesellschaft vor, sondern negiert auch alle Staatsmodelle,
die dem Ideal der bürgerlichen Gesellschaft nachempfunden wurden[27].
Bekanntlich nennt Hegel in den GPR einen auf der Stufe der bürgerlichen
Gesellschaft stehenden Staat „Not- und Verstandesstaat“[28].
Ein solcher „Staat“ bildet ein System allseitiger Abhängigkeit und gründet in
den selbstsüchtigen Zwecken der Einzelnen[29].
Die bürgerliche Gesellschaft bildet
in der Hegel’schen Philosophie innerhalb des Bereichs des objektiven Geistes
die Sphäre der Besonderheit[30].
Am prägnantesten wird das Neue der bürgerlichen Gesellschaft von Hegel in einem
Zusatz zum § 182 der GPR zusammengefasst: „In der bürgerlichen Gesellschaft ist
jeder sich Zweck, alles andere ist ihm nichts.“[31]
Egoistische Bedürfnisbefriedigung ist demzufolge das Kennzeichen dieses
Bereichs der Sittlichkeit, der jedoch, wie Hegel in Anlehnung an die klassische
Nationalökonomie[32] darlegt,
gerade durch das Hervortreten der Partikularität ihrer Mitglieder zu einer
neuen Form der Allgemeinheit führt. Worauf Hegel dabei abzielt, ist das in der
ökonomisch geprägten bürgerlichen Gesellschaft entstehende „System allseitiger
Abhängigkeit“[33]. Jeder der
alleine auf seinen Vorteil bedachten Akteure tritt notwendigerweise in
Interaktion mit anderen, ebenso egoistisch orientierten Personen. Aber nicht
nur das. Der Einzelne benötigt die Allgemeinheit gerade. Hegel nennt in diesem
Zusammenhang das Beispiel der Bezahlung von Abgaben, mit deren Hilfe der Staat
erst in der Lage ist, die - modern gesprochen - Rahmenbedingungen für die
Erfüllung der besonderen Interessen zu schaffen. Die in der bürgerlichen
Gesellschaft erreichte Allgemeinheit ist aber deutlich von der im Staat
erzielten zu differenzieren, da sie nur Notwendigkeit, nicht aber Freiheit ist[34].
Wir können an dieser Stelle daher festhalten, dass die staatliche Allgemeinheit
eine in Freiheit gewählte sein muss.
Hegel versucht, die explosiven
Kräfte der Entwicklung der selbstständigen Besonderheit in der bürgerlichen
Gesellschaft[35] durch die
Institutionen der Stände, durch Korporationen aufzufangen. In der Korporation
wird die bewusstlose Notwendigkeit der Allgemeinheit innerhalb des Systems der
Bedürfnisse zur gewussten und denkenden Sittlichkeit[36].
In der Korporation wird der reine Eigennutz beiseite gelassen, um auch den
Standesgenossen zu unterstützen, dabei verliert, wie es Hegel nennt, die Hilfe,
welche die Armut empfängt, ihr Zufälliges[37].
Es gehört zu den überraschenden Wendungen der Hegel’schen Rechtsphilosophie,
dass gerade im Bereich der egoistisch geprägten bürgerlichen Gesellschaft
wieder Elemente der, Hegels systematischem Anspruch nach, bereits aufgehobenen
Moralität erscheinen. Das durch die volle Entfaltung des Bewusstseins seiner
eigenen Besonderheit gekennzeichnete Individuum muss, wie Ludwig Siep schreibt,
aus seiner sittlichen Gesinnung heraus, in einer freien und bewussten Wahl
seines Standes und durch die Übernahme der entsprechenden Pflichten, die
Vereinigung von freier Selbstverwirklichung und Befolgung objektiv notwendiger
Regeln anstreben[38].
Ich möchte damit die bisher
erreichte Erläuterung des § 535 der EPW zusammenfassen und abschließen, um mich
dann einzelnen Problemkreisen des Hegel’schen Staatsbegriffs zu widmen. Der
Staat wäre demzufolge eine Einheit von Individuen, die aber, anders als in der
Familie, nicht nur durch ein Gefühl des Zusammengehörens, sondern durch ein
Bewusstsein der Sicherung der eigenen Freiheit und der in der bürgerlichen
Gesellschaft manifest gewordenen Besonderheit erreicht wird. Im Staat bleibt
diese Besonderheit aber nicht letzter Zweck, da die Gesinnung und Tätigkeit der
Einzelnen zum Teil der allgemeinen Substanz werden[39].
Wie Hegel diese neue Form der Allgemeinheit zu fassen versucht und wie ihr
Verhältnis zur Einzelheit des modernen Individuums zu denken ist, soll in den
nächsten Abschnitten dieser Arbeit behandelt werden.
In einem Zusatz zu § 153 der GPR
bringt Hegel eine Auseinandersetzung mit dem rousseauschen Erziehungskonzept.
Schlusspunkt der Kritik an Versuchen, junge Menschen in der Abgeschiedenheit
des Landes, unter Ausschluss des „Lebens der Gegenwart“ zu erziehen, ist Hegels
Feststellung, dass das Individuum erst als Bürger eines guten Staates zu seinem
Recht komme[40]. Was am
Staat ist es aber, das dem Individuum dies erlaubt?
Deutlich ist, dass Hegel den Staat
nicht als eine dem Einzelnen gegenüberstehende Institution des Zwangs und der
Freiheitsbeschränkung denkt. Vielmehr kommt im Staat „die Freiheit zu ihrem
höchsten Recht“[41]. Diese
Freiheit ist aber für Hegel nicht ausschließlich als negative, d. h. als
Abwesenheit aller Beschränkungen und Bestimmungen zu denken, dies wäre nur die
Willkürfreiheit der bürgerlichen Gesellschaft. Nicht der Schutz der Interessen
der Einzelnen ist letzter Zweck des Staates. Hegel erkennt sehr deutlich die
Schwierigkeiten aller Staatsmodelle, die den Staat als Instrument im alleinigen
Dienste des Schutzes der Individuen begreifen. Die Teilnahme an einem solchen
Gemeinwesen müsste, da aus eigenem Interesse gewählt, auch jederzeit negierbar
sein, argumentiert Hegel. Demgegenüber stellt Hegel die Vereinigung als solche
als wahrhaften „Inhalt und Zweck“[42]
dar. Damit aber hat, wie Hegel, die Konsequenzen des eigenen Konzepts offen
legend, festhält, der Endzweck der Verwirklichung der Freiheit „das höchste
Recht gegen die Einzelnen“[43].
Die ohne Zweifel diskussionswürdigen Folgen dieses Gedankens vorerst beiseite
lassend, soll zuerst die Binnenstruktur des Hegel’schen Arguments beleuchtet
werden.
In der Vorrede zu den GPR nennt
Hegel den Staat die Vernunft, wie sie sich im Element des Selbstbewusstseins
verwirklicht[44]. Obwohl der
Staat historisch betrachtet erst auf einer bestimmten Stufe der
Menschheitsentwicklung erscheint, ist er also als Realisation der Vernunft
immer schon mit derselben verbunden, ihr nichts Äußerliches[45].
Warum dies so ist, scheint mir Hegel im Zusatz zu § 4 der GPR zu erläutern, in
welchem er die Freiheit als Grundbestimmung des Willens bezeichnet.[46]
Sobald Wille und Denkvermögen[47]
existieren, ist Freiheit unumgänglich. Worin liegt nun aber diese Freiheit, und
in welcher Form realisiert sie sich gerade im Staat? Hegel beschreibt Freiheit
als zweifach Bestimmtes. Zum einen als „negative Freiheit“, als Abstraktion von
allen Bestimmungen, als reiner Selbstbezug[48].
Zum anderen als Verwirklichung des Willens und damit als Schritt in die
Besonderheit und in die eigene Beschränkung. Erst die Einheit der beiden
Momente ergibt die Freiheit des Willens, denn Freiheit ist, „ein Bestimmtes zu
wollen, aber in dieser Bestimmtheit bei sich zu sein und wieder in das
Allgemeine zurückzukehren“[49].
Kritik übt Hegel dabei an Modellen, denen zufolge die Inhalte dieses
Sich-Bestimmens dem Selbstbewusstsein fremd sind, weil damit, so die Hegel’sche
Argumentation, die Autonomie zur Heteronomie verkehrt würde, da die „freie“
Entscheidung von äußeren, vorgegebenen Faktoren abhinge[50].
Was Hegel hingegen selbst verwirklicht sehen möchte, nennt er den „konkreten
Begriff der Freiheit“[51],
worunter er die Fähigkeit versteht, in der „Besonderung“ des Willens immer auch
das Allgemeine des eigenen Ichs - das sich selbst von jeder Bestimmung abstrahieren
kann - festzuhalten und die Bestimmungen des Willens als seine eigenen
anzuerkennen. Am Beginn des Abschnittes über den Staat greift Hegel wieder auf
den früher entwickelten Terminus der „konkreten Freiheit“ zurück:
„Der Staat ist die Wirklichkeit der
konkreten Freiheit; die konkrete Freiheit aber besteht darin, daß die
persönlichen Interessen sowohl ihre vollständige Entwicklung und die
Anerkennung ihres Rechts für sich (im System der Familie und der bürgerlichen
Gesellschaft) haben, als sie durch sich selbst in das Interesse des Allgemeinen
teils übergehen, teils mit Wissen und Willen dasselbe und zwar als ihren
eigenen substantiellen Geist anerkennen und für dasselbe als Endzweck tätig
sind.“[52]
Die konkrete Freiheit des
Staatsbürgers besteht in einem dualen Prozess, in der Anerkennung der eigenen
Wünsche und Bedürfnisse, deren Befriedigung, wie bereits erläutert, der Sphäre
der bürgerlichen Gesellschaft obliegt, und in der Rückführung der Subjektivität
in die Allgemeinheit als ihrem Selbstzweck. Dies gelingt, wie Hegel mehrfach
betont, erst dem modernen Staat. Für Habermas ist es daher Hegel, der das
„Prinzip der neuen Zeit - die Subjektivität“ entdeckt hat[53].
In den Augen Hegels kommt diese Ehre
vermutlich Rousseau zu, dem es, wie Hegel in den GPR schreibt, als Erstem
gelungen ist, ein Grundprinzip des Staates zu finden, das „nicht nur seiner
Form nach (wie etwa der Sozialitätsprinzip, die göttliche Autorität), sondern
dem Inhalt nach Gedanke ist“[54].
Die Leistung Rousseaus war es demzufolge, den Staat allein auf dem freien
Willen zu begründen. Zugleich übt Hegel aber Kritik an Rousseau, den er als
Teil der Philosophie des Kontraktualismus liest, da dieser nur die Summe der
einzelnen, empirischen Willen als Fundament des Staates fassen würde[55].
Wird die Vereinigung im Staat als freiwilliger Akt unabhängiger Einzelner
verstanden, dann folgen, so Hegels Credo, „zerstörende Konsequenzen“[56].
Eine Philosophie des Gesellschaftsvertrags kann den Staat immer nur als
kontingentes Ergebnis einer Übereinkunft von empirischen Individuen denken. Das
Resultat eines Vertrags - als Form des Übereinkommens mehrerer unabhängiger
Parteien - kann, wie Hegel es nennt, nur gemeinsamer, nicht aber allgemeiner
Natur sein. Der Vertrag, argumentiert Hegel, geht von der Willkür der Personen
aus. Es liege aber „nicht in der Willkür der Individuen, sich vom Staat zu
trennen“[57]. Daher
scheint Hegel auch nicht von einer individuellen Wahl der Staatszugehörigkeit
auszugehen, verweigert er den Staatsbürgern doch ein generelles Emigrationsrecht[58].
Ein Staat, der auf den besonderen Wünschen der Individuen aufbaut, kann niemals
dem „Prinzip der modernen Staaten“ - der Einheit von Subjektivität und
Allgemeinheit - Genüge leisten, ist Hegel überzeugt.
In den „Vorlesungen über die
Philosophie der Geschichte“[59]
behandelt Hegel ebenfalls die alleinige Begründung des Staates aus den Willen
der Einzelnen heraus und nennt eine weitere Problematik dieses Ansatzes: das
Obsolet-Werden jeder Verfassung (d. h. eines geordneten Systems von
Institutionen und Regeln). Ein Staat, der einzig auf der bei jeder geplanten
Maßnahme neu einzuholenden Zustimmung der einzelnen Mitglieder beruht, bedürfte
nur eines „willenlosen Mittelpunkts“, der die Verfahren der
Entscheidungsfindung leitet und überwacht, wäre jedoch kein ausdifferenziertes
Gemeinwesen mehr, wie es der moderne Staat zu sein versucht, so die Hegel’sche
Überlegung zu einem solchen extremen Modell der direkten Demokratie[60].
Positiv bezieht sich Hegel, wie
bereits erwähnt, auf Rousseaus Versuch, den Staat aus dem freien Willen
herzuleiten. In den VGP nennt Hegel als besonderes Verdienst Rousseaus, dass
bei diesem deutlich werde, „der freie Wille sei der Begriff des Menschen“[61].
In Abgrenzung zu dem - seiner
Meinung nach bei Rousseau angewandten - Prinzip des einzelnen Willens,
insistiert Hegel in den GPR aber auf den „Grundbegriff [...], „dass der
objektive Wille das an sich in seinem Begriffe Vernünftige ist, ob es vom
Einzelnen erkannt und von ihrem Belieben gewollt werde oder nicht“[62].
Nicht ganz einfach zu deuten ist, was unter diesem „objektiven Willen“ zu
verstehen ist. Hegels eigenem Anspruch nach kann es kein individueller Wille
sein, da er sonst den von ihm gegen das Rousseau’sche Konzept erhobenen
Einwänden nicht genügen würde. Am einleuchtendsten erscheint mir eine
Interpretation, die auf Hegels Überlegungen zum Begriff des „objektiven
Geistes“ in der EPW zurückgreift. Dort schreibt Hegel:
„Die Zwecktätigkeit aber dieses
Willens ist, seinen Begriff, die Freiheit, in der äußerlich objektiven Welt zu
realisieren, dass sie eine durch jenen bestimmte Welt sei, so daß er in ihr bei
sich selbst, mit sich selbst zusammengeschlossen, der Begriff hiermit zur Idee
vollendet sei.“[63]
Es gehört also demzufolge zum
Begriff des Willens dazu, dass sich dieser selbst eine äußerliche Form gibt,
eine Form, die seinem „Begriff“ entspricht. Dieser Begriff des Willens ist für
Hegel die Freiheit. „Es ist absoluter Zweck der Vernunft, daß die Freiheit
wirklich sei.“[64] Hegel
ergänzend könnte man wohl sagen, dass das Konzept Freiheit überhaupt nur Sinn
macht, wenn man davon ausgeht, dass die Freiheit real sei. Der Wille, der ein
solcher nur ist, wenn er frei ist, kann nur diejenige Form als seine
anerkennen, die Freiheit realisiert. Das gelingt, so das Hegel’sche Argument,
nur im - modernen - Staat, wo die für die Freiheit wesentliche Einheit von
Besonderheit und Allgemeinheit erreicht wird. Diese Synthese von subjektivem,
besonderem Interesse und objektiver Allgemeinheit enthält zwei Komponenten,
oder besser zwei Seiten: das Wissen, dass allgemein nur gilt, was meinem Willen
entspricht; zugleich aber auch eine Form der Übereinstimmung dieses Willens mit
der Allgemeinheit. Zur Verdeutlichung, warum diese Einheit für die Freiheit so
zentral ist, scheint mir ein Rückgriff auf die Kant-Interpretation Hegels
sinnvoll. Ist Kant doch auch für Hegel derjenige Denker, der erkannt hat, „daß
die Freiheit die letzte Angel ist, auf der der Mensch sich dreht“[65].
Kant habe, so Hegel, zu Recht „was für das Selbstbewußtsein Wesen hat, als
Gesetz, Ansich gilt, in es selbst zurückgeführt“[66].
Hegel kritisiert an der Gesetzgebung aus der Identität der Allgemeinheit mit
der Individualität kantischer Prägung allerdings deren „Inhaltslosigkeit“.
Tatsächlich bleibt jedoch das notwendige Moment der Anerkennung der allgemeinen
Gesetze durch den Einzelnen als ein Teil der Entwicklung der Gesetze auch bei
Hegel zentral. Und verwirklichte Freiheit ist für Hegel wesentlich mit Recht
und Gesetz verknüpft[67].
Während hingegen der „Zustand der Gesetzlosigkeit, wo der besondere Wille als
solcher [...] als Gesetz oder vielmehr statt des Gesetzes gilt“[68]
ein Kennzeichen des Despotismus ist. In den VPG bringt Hegel die Bedeutung des
Gesetzes für ein Verständnis wirklicher Freiheit sehr präzise auf den Punkt:
„und nur der Wille, der dem Gesetz gehorcht, ist frei, denn er gehorcht sich
selbst“[69].
Wenn man bedenkt, dass Hegel eine Trennung des Willens von der Vernunft
dezidiert ablehnt[70],
so wird klar, dass in seinen Augen ein vernünftig orientierter Wille mit den
Gesetzen „sich selbst“ - nämlich seinem eigenen Anspruch - gehorcht; dem
Anspruch nach vernünftigen Regeln zu handeln; während „Gesetzlosigkeit“ für
Hegel immer mit zufälligen, nicht argumentierbaren Entscheidungen verbunden
ist.
In den Einleitungsparagrafen zum
Kapitel über die Sittlichkeit spricht Hegel in den GPR von der Pflicht, in der
das Individuum zur substanziellen Freiheit gelangt[71].
Obwohl sich der Terminus „Pflicht“ hier allgemein auf die in einem sittlichen
Zusammenhang geltenden Regeln bezieht, scheint Hegel bereits die staatlichen
Gesetze im Auge zu haben. Seine Argumentation richtet sich, wie sich unter
anderem im Zusatz zum § 149 zeigt, in erster Linie gegen die Vorstellung einer
„abstrakten Freiheit“, der „jede Bestimmung und Gliederung im Staate“ als eine
Beschränkung der Freiheit gilt. Für Hegel jedoch ermöglicht erst die Pflicht
die „Befreiung, teils von der Abhängigkeit, in der es [das Individuum] in dem bloßen Naturtriebe steht, sowie von der
Gedrücktheit, in der es als subjektive Besonderheit in den moralischen
Reflexionen des Sollens und Mögens ist, teils von der unbestimmten
Subjektivität, die nicht zum Dasein und der objektiven Bestimmtheit des
Handelns kommt und in sich und als eine Unwirklichkeit bleibt“[72].
Diese vor allem im ersten Teil stark kantisch anmutende Argumentation enthält
im zweiten - implizit - den bereits genannten Vorwurf Hegels, das Konzept des
kategorischen Imperativs wäre inhaltsleer[73].
Dadurch, dass Hegel Pflicht als den von bzw. in einem Gemeinwesen vorgegebenen
Regelkanon bestimmt, fällt die Schwierigkeit, als einziges Gebot der Pflicht
die Pflichterfüllung anzuerkennen. Da die vom sittlichen Gemeinwesen
übernommene Pflicht sowohl Unabhängigkeit von den unmittelbaren, natürlichen
Trieben als auch von der Inhaltsleere, die Hegel dem Standpunkt der moralischen
Gewissens vorwirft, ermöglicht, hat sie, wie Honneth schreibt, innerhalb der
Hegel’schen Argumentation eine „therapeutische
Funktion“[74]. Mit der
Bestimmung von Pflicht als Ausdruck eines sozialen Gefüges eröffnen sich
allerdings zahlreiche andere Fragen, deren zentralste wohl die ist, wie eine
solche Pflicht mit einem modernen Menschenverständnis, das fundamental vom
Autonomiebewusstsein und von der Ablehnung der Fremddetermination geprägt ist,
vereinbar wird - mit einem Menschenbild, das in der Hegel’schen Philosophie
selbst von entscheidender Bedeutung ist. Für Hegel ist jedoch eine solche
Anerkennung der Regeln der Gemeinschaft eben keine Heteronomie, denn die
sittlichen Normen sind, obwohl sie absolute Autorität haben, für das Subjekt nichts
Fremdes. Das Individuum gibt vielmehr „Zeugnis des Geistes von ihnen als von
seinem eigenen Wesen“[75].
Indem das Individuum die Normen seiner sittlichen Gemeinschaft, seines
kulturellen und historischen Umfelds als ihm gemäß erkennt, ist es ihm zugleich
möglich, auch die staatlichen Regeln anzuerkennen. Kann doch, wie Hegel
mehrfach betont, ein politisches System - eine Verfassung - nur gelebt werden,
wenn es dem sittlichen (und religiösen) Weltbild seiner Bürger entspricht.
Später wird auf diese Relation noch intensiver einzugehen sein.
An dieser Stelle scheint mir ein
Versuch einer Erklärung des von Hegels oftmalig erwähnten Gedankens, dass
Freiheit nur in einem als vernünftig verstandenen sittlichen System, d. h. auch
in Übereinstimmung mit dieser Vernünftigkeit, denkbar ist, sinnvoll.
Eindrucksvoll gibt Wilm Hüffer das von Hegel angedachte Problem wieder: „Wer
Freiheit als unveräußerlich erachtet, weil sie in einem angeblich an sich gegebenen Willen manifestiert,
stilisiert lediglich die ‚Außenwelt‘ zur unüberwindlichen Schranke dieses
Willens, zum Hindernis, an dem er aufläuft und zerbricht.“[76]
Der hier skizzierte Gedanke besagt wohl, dass Freiheit nur denkbar ist, wenn
die dem Handelnden gegenüberstehenden Strukturen selbst bereits als potenziell
vernünftige verstanden werden, da ansonsten die Freiheit zur reinen Abgrenzung
von einem nicht zu bewältigenden Äußeren wird. Alle Überlegungen, wie ein
Gemeinwesen vernünftig ausdifferenziert werden kann, schließen ein, dass eine
solche Veränderung als möglich erachtet wird. Eine Annahme, die sich nur mit
dem Verweis auf eine zumindest in Ansätzen bereits vorhandene Sinnhaftigkeit
der vorhandenen Strukturen rechtfertigen lässt. Wird ein Staat nur als das
Ergebnis naturwissenschaftlich zu beobachtender Determinationen oder aber als
die zufällige Summe emotional bestimmter Willkürakte seiner gegenwärtigen und
früheren Mitglieder gedacht, dann ist eine Reflexion auf seine derzeitige und
primär auf seine potenzielle, zukünftige Verfasstheit von geringer Relevanz. Wobei
Hegel selbst in den GPR kaum Hinweise auf eine zukünftige Verbesserung des
Staatsgebildes gibt. Mit Josef Kosian muss wohl gesagt werden, dass „von
Erwartung und Hoffnung“, wie sie sich im Werk des jungen Hegel zeigten, wenig
übrig geblieben ist[77].
Neben der Bedeutung von
Gesetzmäßigkeit und Pflicht für eine Verwirklichung von Freiheit und der
Notwendigkeit einer zumindest in Ansätzen vorhandenen Vernünftigkeit im
sozialen System scheint mir innerhalb der Hegelschen Philosophie noch ein
dritter Theoriestrang für das Verständnis der Relation von Freiheit und Staat
wesentlich zu sein. Zur Erläuterung dieses Gedankens möchte ich nochmals auf
Hegels Behandlung des „freien Willens“ zurückgreifen. In einer Anmerkung zum §
10 der GPR heißt es, der wahrhafte freie Wille sei ein solcher, der sich selbst
und seine Freiheit wolle, der sich, wie es im Paragrafen selbst steht, „zum
Gegenstand hat“[78]. Hegel
scheint damit folgenden Gedanken anzudeuten[79]:
Freier Wille kann nur etwas anstreben, was selbst Ausdruck von Freiheit ist
bzw. Freiheit ermöglicht. Andernfalls würde sich sein freier Charakter selbst
aufheben. Wenn aber das Objekt eines freien Willens Freiheit verwirklichen, d.
h. selbst Subjekt von Freiheit sein soll, dann muss dieses Objekt personal oder
als soziale Gruppe gedacht werden. Hegel selbst führt als Beispiele für eine
solche verwirklichte Freiheit Freundschaft und Liebe an[80].
In diesen Formen der Gemeinschaft könnte das Individuum sich selbst
beschränken, aber sich in dieser Beschränkung als frei fühlen. Diese neue
Unbeschränktheit basiert aber auf einer anderen Ebene, da sie erst in der
Gemeinschaft erscheint. In Bezug auf die Sphäre der Staatlichkeit könnte also
gesagt werden, dass der Einzelne in seiner Beschränkung innerhalb des sozialen
Systems eben dieses vernünftig geordnete System als Subjekt von Freiheit
verstehen kann; aber auch nur ein solches System, denn ein etwa auf
egoistischem Glückseeligkeitsstreben oder Willkür basierendes kann der freie
Wille nicht als Ausdruck seiner selbst anerkennen. So wie in der Freundschaft
eine Form von Freiheit erlebt werden kann, die ohne diese intersubjektive
Beziehung nicht existent wäre, so ermöglicht ein vernünftig organisierter
Staat, d. h. ein Verfassungsstaat, der Vernunft eine ihr gemäße Form der
Freiheit, da nur in ihm Gesetzmäßigkeit herrscht und da seine Gesetze solcher
Art verfasst sind, dass sie, die Vernunft, ihnen (generell, selbstverständlich
nicht in jedem konkreten Fall) zustimmen kann.
Eine wirklich vernünftige politische
Form findet sich Hegel zufolge erst im modernen Staat. Daher scheint es mir an
dieser Stelle notwendig zu sein, auf Hegels Verständnis desselben einzugehen[81].
I.III. Der Staat als Antwort auf das
„Problem der Moderne“[82]
Wenn im modernen Staat tatsächlich
das Allgemeine mit der vollen Freiheit der Besonderheit verbunden ist[83],
dann stellt sich die Frage, wie diese Synthese erreicht wird. Werner Maihofer
vermeint in der Hegel’schen Geschichtsphilosophie drei prinzipielle Stufen der
Staatsentwicklung zu erkennen[84]:
den Staat der Antike, der Neuzeit und der Moderne[85].
War in der Antike die Partikularität „noch nicht losgebunden und freigelassen
und zur Allgemeinheit, d. h. zum allgemeinen Zweck zurückgeführt“[86],
so erfolgt im neuzeitlichen Staatsdenken die Umkehrung: Der Staat wird als
„Aggregat der vielen Einzelnen“[87]
verstanden. Damit entstehen aber neue, fundamentale Probleme. Zerbrach der
antike Staat, der Hegel’schen Interpretation zufolge, an der entstehenden
Individualität, so hat der neuzeitliche, der sie zu seinem Prinzip gemacht hat,
erst recht mit den Konsequenzen ihres Absolutheitsanspruchs zu kämpfen. Laut
Armin Adam besteht Hegels Lösung des Problems, dass die Freiheit der
Selbstbestimmung, stünde sie den vielen Einzelnen zu, den sittlichen
Zusammenhang des Staates zu zerstören droht, darin, „den Staat selbst zum
Subjekt der Freiheit zu erheben“[88].
Eine wie mir scheint durchaus überzeugende Hegel-Interpretation, die ich jedoch
zumindest um einen Hinweis auf den § 270 der GPR ergänzen möchte, um den
Eindruck zu vermeiden, Hegel führe ein metaphysisches Subjekt „Staat“ ein. In
diesem Paragrafen schreibt Hegel, der Staat wüsste, was er wolle, und handle
daher nach Grundsätzen und Gesetzen, „die nicht nur an sich, sondern fürs
Bewußtsein sind“[89]. Dieses
Bewusstsein kann sich wohl nur auf die Individuen beziehen[90].
Ich interpretiere Hegels diesbezügliche Überlegungen daher dahingehend, dass im
sittlichen System dem Individuum die allgemein verwirklichte Freiheit - als
Ausdruck seines eigenen Autonomiebewusstseins(!) - so bedeutungsvoll erscheinen
kann, dass ihr Wert über den des reinen Eigennutzes hinausgeht[91].
Ohne Zweifel ist für Hegel jedoch
der Gedanke des Staates als Subjekt der Freiheit insofern zentral, als er zum
Prinzip der ganzen inneren Struktur, der Verfassung, und damit der
Gewaltenteilung, innerhalb des modernen Staates wird. Daher scheint es mir
sinnvoll, Hegels Erörterungen des „inneren Staatsrechtes“, d. h. der
Konstitution des modernen Staates, unter zwei Gesichtspunkten zu lesen. Erstens
unter dem Gesichtspunkt der Vereinigung der besonderen Subjekte der
bürgerlichen Gesellschaft in der gesetzgebenden Gewalt, in den Ständen, und
zweitens unter dem Gesichtpunkt der Zusammenfassung der Staatssouveränität (d.
h. des „Freiheitssubjektes Staat“) im Individuum des Monarchen.
Zuerst jedoch muss einiges
Generelles zu der von Hegel skizzierten Gewaltenteilung erwähnt werden. Im
Gegensatz zu der in der Tradition Lockes und Montesquieus vertretenden Trias
der Gewalten setzt sich die Hegel’sche aus gesetzgebender, exekutierender und
monarchischer Gewalt zusammen und enthält also die Jurisdiktion nicht als
unabhängige Gewalt. Hegel betrachtet die Rechtssprechung vielmehr als Teil der
ausführenden Gewalt, deren Aufgabe die Anwendung der allgemeinen Gesetze auf
den Einzelfall ist. Auch vom hinter der Gewaltenteilung stehenden Gedanken her
unterscheidet sich Hegel wesentlich von der üblichen politischen Auffassung. Soll Hegel zufolge doch durch die
Gewaltentrennung gerade keine gegenseitige Kontrolle und Beschränkung erreicht
werden, da eine Konkurrenz der Gewalten die Einheit des Staates gefährden
könnte, vielmehr müsse jede Gewalt „an sich selbst ein Ganzes bilden“[92]
und einen „Unterschied des Begriffs ausdrücken“[93],
d. h. die staatlichen Gewalten sollen Verkörperungen der Prinzipien
Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit sein.
I.III.I.
Die Stände als Vertretung der besonderen Interessen
Zunächst zu den Hegel’schen Überlegungen
über die gesetzgebende Gewalt, die Stände, deren „eigentümliche
Begriffsbestimmung“ es, wie Hegel in den GPR sagt, ist, „dass in ihnen das
subjektive Moment der allgemeinen Freiheit, die eigene Einsicht und der eigene
Wille der Sphäre, die in dieser Darstellung bürgerliche Gesellschaft genannt
worden ist, in Beziehung auf den Staat zur Existenz kommt“[94].
Bedenkt man, dass gerade den Ständen als den Vertretern der bürgerlichen
Gesellschaft die Rolle zukommt, die Gesetze, die Verfassung weiterzuentwickeln[95],
so stehen sie, wie mir scheint, fast paradigmatisch für das für die Moderne und
besonders für die Hegel’sche Philosophie so zentrale Problem der Vereinigung
von Besonderheit und Allgemeinheit.
Wogegen sich Hegel entschieden
wehrt, sind Vorstellungen einer politischen Partizipation der „Vielen“ als
Menge atomisierter Einzelner. Nicht als losgelöste Individuen, als „abstrakt“
bestimmte Staatsbürger, sondern als Teil der Korporationen sollen sich die
Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft an der Allgemeinheit beteiligen. Die
Aufgabe der Korporation scheint es für Hegel zu sein, bereits in der Sphäre der
bürgerlichen Gesellschaft die subjektiven Zwecke insofern in einem
Allgemeineren zu bündeln, als dessen Zweck „ganz konkret ist und keinen
weiteren Umfang hat, als der im Gewerbe, dem eigentümlichen Geschäfte und
Interesse, liegt“[96].
Das egoistisch orientierte Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft tritt der
Korporation als Vertretung der Interessen, die es als Teil eines bestimmten
Wirtschaftszweiges hat, bei. Daher liegen die Aufgaben der Korporation im
Festlegen von Qualitätsrichtlinien und Aufnahmebeschränkungen und auch in
gewissen sozialen Schutzfunktionen. Wichtig ist Hegel jedoch die „Standesehre“
innerhalb der Korporation. Darunter ist wohl eine Art des
Zusammengehörigkeitsgefühls zu verstehen. Diese Gesinnung wird besonders für
die Rolle, die Hegel den Ständen im politischen System einräumt, wichtig.
An den gesetzgebenden Beratungen
nehmen Abgeordnete der Korporationen teil. Damit vertreten diese Repräsentanten
nicht die „nur für einen einzelnen und temporären Akt sich auf einen Augenblick
ohne weitere Haltung“ versammelnden Einzelnen[97],
sondern Interessengruppen[98].
Für das Verhältnis Repräsentierter zu Repräsentant ist das Zutrauen wesentlich,
dass der zweite „meine [des
Vertretenen] Sache als seine Sache, nach
seinem besten Wissen und Gewissen, behandeln wird“[99].
Die Identifikation des Vertretenen mit seinem Repräsentanten erfolgt für Hegel
über das gemeinsame berufliche Umfeld und die damit verbundenen gemeinsamen
Interessen[100].
Bemerkenswert ist Hegels Argument
für die Öffentlichkeit der Beratungen der Ständeversammlungen. Diese seien
nicht etwa wegen der größeren Transparenz der Entscheidungen im Sinne einer
politischen Kontrolle durch die Bürger wichtig, sondern weil das Volk durch die
Verhandlungen der Ständevertreter „das Wahrhafte seiner Interessen“ kennen
lerne[101],
argumentiert Hegel gerade von der gegenteiligen Seite aus. Durch eine
Rekonstruktion des Prozesses der Gesetzesfindung gelänge dem Bürger eher eine
Anerkennung der Norm, denn „das Prinzip der modernen Welt fordert, daß was
jeder anerkennen soll, sich ihm als ein Berechtigtes zeige“[102].
I.III.II. Das letzte „Ich will“
des Fürsten
Es gehört zu den überraschendsten
Schlüssen der Hegel’schen Rechtsphilosophie, dass die dem modernen Menschen-
und Staatsbild entsprechende Herrschaftsform die konstitutionelle Monarchie
sein soll.
Hegel verteidigt die herausragende
Stellung des Fürsten als Verkörperung des Prinzips der freien, souveränen Willensentscheidung.
Das Abwägen der Argumente, also die Tätigkeit der beratenden Instanzen, der
Gesetzgeber, lässt sich nur mit dem Akt des „Ich will“ beschließen, den für
Hegel nur ein Subjekt setzen kann[103].
Selbst wenn man aber Hegels Argumentation noch weiter folgt und zugesteht, dass
dieses souveräne Subjekt des Willens eine natürliche Person sein muss[104],
bleibt jedoch fraglich, ob diese Aufgabe nicht von einem demokratisch gewählten
Staatsoberhaupt ebenfalls erfüllt werden könnte.
Interessant ist an dieser Stelle,
dass Hegel in den GPR einen Wechsel im systematischen Aufbau vollzieht, der
seinem eigenen Begriffsschema widerspricht. Noch in § 273 beginnt Hegel die
Nennung der politischen Gewalten mit der die Allgemeinheit verkörpernden
Gesetzgebung und geht dann über die Regierung, als der Subsumtion der
Besonderheit unter die Allgemeinheit, zur Subjektivität der fürstlichen
Willensentscheidung über. Die Behandlung der einzelnen Gewalten beginnt Hegel
jedoch mit dem Monarchen, ohne überzeugend zu erklären, warum die Einzelheit
nicht die Synthese, sondern die Grundlage von Besonderheit und Allgemeinheit
ist. Dadurch entledigt er sich der Frage, wie die Einzelheit durch die
Allgemeinheit vermittelt sein muss[105].
In Bezug auf das Thema dieser Arbeit ist in erster Linie festzuhalten, dass für
Hegel die Einheit des Volkes im Staat, trotz der Vermittlung durch die Stände,
in einer Person dokumentiert sein muss, in einer Person allerdings, deren
faktische Macht eher gering ist, da sie an den „konkreten Inhalt der Beratungen
gebunden“ ist und oft nicht mehr zu tun hat, als ihren „Namen zu
unterschreiben“. Der Fürst setzt den Akt, über den „nicht hinausgegangen werden
kann“[106]. Worauf
Hegel hier insistiert, ist, dass auch die ausgiebigsten Beratungen, um nicht im
sinnlosen Zirkel der theoretischen Erörterung hängen zu bleiben, beendet werden
müssen und ihr Resultat als gültig bestätigt werden muss. Um die Stärke des,
seiner Meinung nach, modernen Prinzips der Monarchie zu zeigen, verweist Hegel
auf die Antike. Auch in der demokratischen Verfassung Athens gab es einen
äußeren Anstoß für die Gesetze, argumentiert Hegel - das Orakel. Im Spruch der
Götter erkannten die Griechen eine letzte Aussage darüber, was den Menschen als
gut zu gelten hätte. Die Moderne hingegen wäre dazu gelangt, das letzte „Ich
will“ - man könnte wahrscheinlich auch sagen: das letzte „So soll es sein“ -
als durch den Menschen selbst gesetzt zu verstehen.
I.IV.
Gesinnung, Gewissen und Patriotismus
Wie bereits an früherer Stelle
erläutert, räumt Hegel dem individuellen Wissen um den Wert des Staates für die
Verwirklichung der Freiheit und dem Zutrauen in die Rechtmäßigkeit desselben
durchaus viel Bedeutung ein. Allerdings ist diese Wertschätzung eine
zwiespältige. Denn wie Hösle richtig festhält, ist es tatsächlich erstaunlich,
dass Hegel in den GPR der subjektiven politischen Gesinnung einen Paragrafen,
der objektiven Verfassung aber ganze 61 Paragrafen widmet[107].
Zugleich ist die Rolle des Staates als Verwirklichung der Freiheit aber eines
der zentralen Themen der ganzen GPR und auch die Frage der „sittlichen“
Gesinnung berührt Hegel an vielen Stellen. Möglichweise führt Hegel hier
tatsächlich - wie ihm Schnädelbach in Bezug auf die Einsicht in den
historischen Charakter der Verfassung vorwirft[108]
- eine problematische Unterscheidung zwischen der Perspektive der Staatsbürger
und der philosophischen Perspektive ein.
I.IV.I.
Ein Grundgefühl der Ordnung
„Durch die Gewalt, meint die
Vorstellung oft, hänge der Staat zusammen; aber das Haltende ist allein das
Grundgefühl der Ordnung, das alle haben.“[109]
Mit dem hier zitierten Satz grenzt
sich Hegel nicht nur von einem politischen Denken, das in der philosophischen
Tradition etwa von Thomas Hobbes vertreten wurde[110],
ab, sondern konterkariert, wie es zumindest auf den ersten Blick scheint, auch
einiges in seinen eigenen Ausführungen. Äußert sich Hegel in der Vorrede der
GPR doch durchaus polemisch über die „Seichtigkeit“ eines politischen Denkens,
das den Staat auf den „Brei des Herzens, der Freundschaft und Begeisterung“,
der „subjektiven Zufälligkeit des Meinens“, des Gefühls bauen lässt[111].
Warum soll also plötzlich ein „Grundgefühl der Ordnung“ die „Architektonik der
Vernünftigkeit“[112]
des Staates tragen? In § 168 bezeichnet Hegel die „politische Gesinnung“, die
er auch „Patriotismus“ nennt und um deren Erläuterung sich der ganze Paragraf
dreht, als „Zutrauen“, das aber „zu mehr oder weniger gebildeter Einsicht
übergehen kann“. Obwohl hier durchaus die Gefahr besteht, Hegel als Denker zu
lesen, der das „Zutrauen“ der „einfachen Leute“ von der philosophischen
Erkenntnis der Notwendigkeit des Staates unterscheidet und damit den Staat der
Kritik durch seine Bürger entzieht, so muss hier doch eine Erläuterung dieser
Differenz von „Zutrauen“ und „Einsicht“ versucht werden. Dafür scheint mir der
Verweis auf den an selber Stelle angeführten Begriff der „Gewohnheit“ sinnvoll.
Auch der aufgeklärteste Staatsbürger muss - und kann - nicht in jeder Situation
alle staatlichen Zusammenhänge durchschauen und sollte trotzdem im Interesse des
Staates - und damit wohl auch in seinem eigenen - das Vertrauen in die
Vernünftigkeit des Gemeinwesens haben können. Die Gründe für die staatlichen
Strukturen können aber durch eine vertiefte Beschäftigung, durch „Einsicht“
erkannt werden. Der Verweis auf das gewohnheitsmäßige Zutrauen verhindert aber,
wie Milan Znoj schreibt, dass alle ständig zu Aktivisten werden[113],
d. h. sich jederzeit um den staatlichen Gesamtzusammenhang sorgen müssen. Daher
ist die Gesinnung wesentlich, „welche in dem gewöhnlichen Zustande und
Lebensverhältnisse das Gemeinwesen für die substantielle Grundlage und Zweck zu
wissen gewohnt ist“[114].
Zentral ist hier der Verweis auf das Gemeinwesen als „Grundlage“, der als
Hinweis auf Hegels Unterscheidung zwischen der politischen Gesinnung und der
moralischen zu deuten ist.
I.IV.II.
Das moralische Gewissen
Hegels Behandlung des subjektiven
Gewissens gehört zu den meistkritisierten Teilen der GPR. Stellvertretend für
eine Reihe von Vorwürfen sei hier ein Satz von Ernst Tugendhat genannt:
„Die Möglichkeit eines
selbstverantwortlichen, kritischen Verhältnisses zum Gemeinwesen, zum Staat
wird von Hegel nicht zugelassen, vielmehr hören wir: die bestehenden Gesetze
haben eine absolute Autorität; was vom Individuum zu tun ist, steht in einem
Gemeinwesen fest; das eigene Gewissen des Einzelnen hat zu verschwinden, und an
die Stelle der Reflexion tritt das Vertrauen.“[115]
Anlass für diese scharfe Kritik sind
Hegel’sche Ausführungen wie die folgende:
„Der Staat kann deswegen das
Gewissen in seiner eigentümlichen Form, d. i. als subjektives Wissen nicht
anerkennen.“[116]
Im Folgenden möchte ich versuchen,
die Hegel’schen Überlegungen zum „moralischen“ Gewissen zusammenzufassen und zu
erläutern. In § 137 der GPR unterscheidet Hegel das „wahrhafte“ Gewissen, das er
auch „Gesinnung“ nennt, vom „formellen“. Zweiterem gelten Hegels Ausführungen
im „Moralitätskapitel“ und auch die Überlegungen zu einer notwendigen
„Aufhebung“ des Gewissens.
Das Gewissen versteht Hegel als
Ausdruck der absoluten Berechtigung des subjektiven Selbstbewusstseins, „nichts
anzuerkennen, als was es so als das Gute weiß“[117].
Ist es doch, wie Hegel an anderer Stelle schreibt, das Recht des subjektiven
Willens, dass das, was er als gültig anerkennen soll, von ihm als gut eingesehen
werde[118]. Aufgrund
dieser zentralen Bedeutung ist das Gewissen auch „ein Heiligtum, welches
anzutasten Frevel wäre“[119].
Zugleich aber kann die rein formelle Bestimmung, dass etwas Inhalt des Gewissens
ist, nicht Kriterium der Berechtigung dieses Inhalts sein. Denn ob das, was das
Gewissen für gut hält, „auch wirklich gut ist, dies erkennt sich allein aus dem
Inhalt dieses Gutseinsollenden[120]“.
Hegels Argumentation stützt sich an dieser Stelle aber, wie wir etwas später
sehen werden, nicht nur auf die recht leicht einsehbaren Schwierigkeiten, die
eine moralische Wertung auf der alleinigen Basis des Gewissens inkludiert[121].
Da das Gewissen als „formelles“ immer „leer“ ist, d. h. da alles aus „bestem Gewissen“
heraus getan werden kann, muss das „formelle Gewissen“ in das „wahre“
übergehen, in eines, das seine Inhalte aus dem System der Sittlichkeit bezieht[122].
Interessant sind Hegels Ausführungen
über die juristische Unzurechnungsfähigkeit, die er Kindern und psychisch
Kranken zwar zuerkennt, die aber nicht aufgrund von „Verblendungen des
Augenblicks“ geltend gemacht werden dürfte, da sonst dem Täter keine Behandlung
nach „dem Recht und der Ehre des Menschen“ zukommen würde und auf die Natur des
Menschen, ein „Allgemeines, nicht ein abstrakt Augenblickliches und
Vereinzeltes des Wissens zu sein“, vergessen würde[123].
Wenn eine Tat nur aufgrund einer momentanen emotionalen Regung entschuldigt
wird, geschieht dem Täter damit gerade nicht „Recht“, da ihm die menschliche
Fähigkeit vernünftig zu handeln abgesprochen wird. Doch Hegel geht noch weiter.
Auch die subjektive „Einsicht in die Rechtlichkeit oder Unrechtlichkeit“[124],
d. h. das Gewissen, kann vor Gericht nicht alles entschuldigend sein, so Hegel.
Hegels Ablehnung der reinen
Formalität des Gewissens darf aber, wie Daniel Dahlstrom sehr richtig betont,
nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch das formelle Gewissen eine ganz
wesentliche Rolle hat, nämlich „das Entscheiden, das dem subjektiven Willen
alleine zuzurechnen ist[125].
Hegel erkennt daher in Zeiten, „wo die Wirklichkeit eine hohle geist- und
haltungslose Existenz ist“, die „Flucht in die innerliche Lebendigkeit“[126]
durchaus als berechtigt an.
An dieser Stelle scheint mir eine
nochmalige Lektüre des oben zitierten Satzes, wonach der Staat das Gewissen
nicht anerkennen könne, sinnvoll. Hegel führt neben der immer möglichen
Differenz von subjektivem Gewissen und objektivem Inhalt noch ein zweites
Argument gegen eine moralische Bewertung allein aufgrund des Gewissens an.
Gerade weil das Gewissen den Anspruch erhebt, letzter und vernünftiger
Handlungsgrund zu sein, kann es sich nicht nur auf sich selbst berufen, sondern
muss einerseits immer danach trachten, mit der „objektiven“ Wirklichkeit in
Einklang zu sein, und kann andererseits „nicht allen intersubjektiv
überprüfbaren Maßstäben entzogen sein“[127].
Und daher könne der Staat das Gewissen, als subjektives Wissen, nicht
anerkennen, „sowenig als in der Wissenschaft die subjektive Meinung [...] eine
Gültigkeit hat“[128].
Worauf Hegel vermutlich abzielt ist, dass tatsächlich der „Staat“ -
repräsentiert beispielsweise durch einen Richter - nicht allein nach dem
Gewissen des Vor-Gericht-Stehenden urteilen kann, sondern immer auch die Folgen
und den Ablauf der zu beurteilenden Handlung beachten muss. Dabei ist aber
festzuhalten, dass dem Staat das Recht zukommt, eine Handlung zu verurteilen,
wenn sie aus einem „Irrtum“ des Gewissens heraus entstanden ist, nicht aber das
Gewissen selbst. Dieses „Heiligtum“ anzutasten, wäre - wie bereits erwähnt -
für Hegel ein „Frevel“. Daher können „Gesinnungstäter“ für Verbrechen bestraft
werden, ohne „Gesinnungsterror“ zu verüben.
Trotzdem aber bleibt bei Hegel „die
Tendenz tätig, die Moral zu verrechtlichen“[129].
Dies zeigt sich unter anderem in § 132, wo Hegel die „Zufälligkeit“ der
Gewissensinhalte durch die „Öffentlichkeit der Gesetze und durch die
allgemeinen Sitten“ zu beheben sucht.
I.IV.III.
Die politische Gesinnung
Die oben erwähnte problematische
Zusammenführung der Gesinnung mit Staat und Gesetz scheint Hegel auch in §268
vorzunehmen, wenn er schreibt „die politische Gesinnung, der Patriotismus [...]
ist nur Resultat der im Staat bestehenden Institutionen“[130].
Würde dies so gelten, bliebe tatsächlich wenig Raum für ein kritisches Verhältnis
des Individuums zum Staat. Einem Staat, der individuelle Gesinnung nur als
Resultat seines Einflusses versteht, müsste ohne Zweifel der Vorwurf des
Totalitarismus gemacht werden. Laut der Nachschrift von Griesheims fügte Hegel
aber bei seiner 1824/25 gehaltenen Vorlesung über die Rechtsphilosophie dem
zitierten Paragraphen unter anderem folgende Ergänzung bei:
„Der Patriotismus ist das Resultat
der Institutionen des Staats, aber ebenso ist die Gesinnung die Ursache, durch
sie und aus ihr erhält der Staat Bethätigung, Erhaltung.“[131]
Demzufolge versteht Hegel die
Gesinnung keineswegs nur als Ausdruck und Abbild der staatlichen Einrichtungen,
sondern der Staat kann tatsächlich nur existieren, wenn er auf der Gesinnung
seiner Bürger basieren kann. Als von Menschen geschaffen gründet sich auch der
„objektive Geist“ des Staates auf den subjektiven Geistern der Individuen.
Nachdem bisher vor allem die formale
Seite der Gesinnung im Mittelpunkt der Betrachtung stand ist es nun nötig, auf
Hegels inhaltliche Bemerkungen zum Patriotismus einzugehen. Dabei ist zuerst
auf eine Abgrenzung Hegels hinzuweisen:
„Unter Patriotismus wird häufig nur
die Aufgelegtheit zu außerordentlichen Aufopferungen und Handlungen verstanden.
Wesentlich ist aber die Gesinnung, welche in dem gewöhnlichen Zustande und
Lebensverhältnisse das Gemeinwesen für die substantielle Grundlage und Zweck zu
wissen gewohnt ist.“[132]
Znoj interpretiert Hegels
Argumentation als Ablehnung eines „national-romantischen“ Patriotismus, der
sich an Heldensagen und Opfertaten berauscht[133].
Ein solcher „Patriotismus“ diene gerade als Vorwand für das Fehlen einer
wahrhaft politischen Gesinnung, die im Staat mein „substantielles und
besonderes Interesse“ „bewahrt und enthalten“ sieht, erläutert Hegel[134].
Die Einsicht - bzw. das Zutrauen - in die Struktur des Staates als Form der
Freiheit ermöglicht dem Bürger, im Staat „nicht ein Anderes“ zu sehen, sondern
zu erkennen, dass „mein Wohl auch sein Zweck ist“[135].
Allerdings gehört es sicher zu den Schwächen der Hegel’schen Ausführungen, dass
er an dieser Stelle[136]
nicht einmal auf die Möglichkeit einer Entfremdung von Staat und Individuum
eingeht und nicht hinterfragt, ob der Staat nicht zumindest in bestimmten
Situationen zu einem „ganz Anderen“ der Gesinnung werden kann. Dass es durchaus
zu Konflikten zwischen moralischen Positionen und staatlichen Gesetzen kommen
kann, die keineswegs immer zu Gunsten der staatlichen Gesetze entschieden
werden müssen, führt Hegel aber in einer Anmerkung zu § 30 der GPR aus. Dort
erklärt er beide Sphären - Staatlichkeit und Moralität - als „beschränkt“.
Interessanterweise bezeichnet Hegel an dieser Stelle auch den moralischen
Standpunkt als ein „Recht des Geistes“[137].
Wenn aber sowohl Moral als auch Staat nur limitiert geltende „Rechte“, d. h.
für Hegel, Formen der Freiheit, sind, dann stellt sich tatsächlich die Frage,
ob Hegel in seiner Behandlung des Gewissens nicht gerade die wesentliche
Differenz zwischen staatlichem, sittlichem Recht und Moral unberücksichtigt
lässt. Wie er meines Erachtens in den GPR auch der Frage ausweicht, ob
Konflikte zwischen Recht und Moralität nicht in jedem Gemeinwesen notwendig
auftreten müssen. In Hegels Geschichtsphilosophie finden sich, wie mir scheint,
immer wieder Hinweise darauf, dass gerade auch solche Spannungen, zwischen
individuellen, moralischen Überzeugungen und der anerkannten Sittlichkeit,
entwicklungsnotwenig sind. Ein klassisches Beispiel hierfür wäre die Figur des
Sokrates, des „Erfinders der Moral“, dessen Prinzip des „Daimonion“ sich nicht
nur als „revolutionär gegen den athenischen Staat“ erweist, sondern durch den
Bruch mit der griechischen Sittlichkeit für Hegel erst das Auftreten der
modernen Subjektivität ermöglicht zu haben scheint[138].
Dieser Einwand der mangelnden
Berücksichtigung des möglichen Konflikts zwischen Moral und Recht gilt meiner
Meinung auch, wenn Siep vermutlich Recht hat, dass für Hegel das „Zutrauen“ der
Individuen nur „zu den Institutionen eines Gemeinwesens, das man prinzipiell
‚Staat’ nennen kann“ gilt, und der Begriff „Staat“ nur Gemeinwesen bezeichnet,
deren „Verfassung und Institutionen das Recht und auch die Selbstverwirklichung
der Individuen“ zum Zweck haben[139].
Denn auch in einem solchen Staat können Regeln „unmoralisch“ sein, oder
zumindest erscheinen.
Hegels Zusammenbringung von
Gesinnung und Institutionen hat zwei Seiten: zum einen, dass Letztere nur dann
auf Dauer existieren können, wenn sie von Ersterer getragen werden, zum anderen
aber auch, dass „die Freiheit des Selbststeins, der Absicht, des Gewissens und
so das sittliche Leben der Freien nur dann Bestand haben, wenn die
Institutionen ihnen gemäß sind“[140].
Der individuellen Gesinnung ist es nur dann möglich ihre Ziele und
Vorstellungen zu realisieren, wenn die Institutionen die Freiheit ihrer
Handlung verbürgen. Ist dies nicht der Fall, so kann das Gewissen seinem
Anspruch, Grund einer in Freiheit erwählten Aktion zu sein, nicht genügen. In
diesem Sinn pocht Hegel wohl darauf, dass die Gesinnung davon ausgehe, dass der
Staat „mein substantielles und besonderes Interesse“ bewahrt und sie daher „in
diesem Bewusstsein frei“ sei[141].
Aufgrund dieser Bedeutung für die Realisierung des Freiheitsbewusstseins
scheint mir trotz der oben erwähnten Kritik an der Ausblendung eines möglichen
Konflikts zwischen Moral und staatlichem Recht Hegels Pochen auf die
„wahrhafte“ politische Gesinnung insofern berechtigt, als damit in erster Linie
das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der Gesetze als Ganzes, der Verfassung, zu
verstehen ist[142]. Denn
tatsächlich besteht der moderne Verfassungsstaat doch nur, wenn seine Bürger
ein generelles Vertrauen in seine Legitimität haben können. Dass jedoch auch
wenn dieses „Zutrauen“ grundsätzlich vorhanden ist, einzelne Fragen zu
Kontroversen zwischen dem moralischen und dem rechtlichen Standpunkt führen
können - wie es ja in einer Gesellschaft etwa auch zu Differenzen zwischen den
besonderen Berufsinteressen kommen kann, zu Differenzen, die laut Hegel im
Rahmen der „Ständevertretungen“ überwunden werden -, das lässt sich nicht so
leicht umgehen.
Etwas erstaunlich wirkt an Hegels
Ausführungen sein Insistieren auf die Bedeutung des „Geist einer Nation als
unbewegtem Beweger der Individuen“, wie von Griesheim Hegels diesbezügliche
Erklärungen betitelt[143].
Wenn tatsächlich alle Individuen nur „Kinder ihrer Zeit“ und vom „Geist der
Nation“ bewegt sind, scheint gerade die für Hegel so zentrale Geistigkeit des
Menschen zu wenig zu ihrem Recht der Aufhebung der Natürlichkeit zu kommen.
Konterkarierend ergänzt werden könnten Hegels Überlegungen mit von ihm selbst
früher geäußerten Gedanken. In der „Phänomenologie des Geistes“[144]
betont Hegel nämlich gerade, das selbstbewusste Individuum müsste aus dem
allgemeinen Geist seines Volkes „heraustreten“, auch wenn die unmittelbare
Einheit mit der sittlichen Gemeinschaft ein „Glück“ sei und der Verlust des
Vertrauens in die Sittlichkeit zunächst eine Isolation bedeute. Zu wirklicher,
weil reflektierter Sittlichkeit könne das Individuum erst kommen, wenn ihm die
Gesetze zu „abstrakter Theorie“ geworden seien, es aber sich selbst wieder für
eine Form der Gemeinschaft entschieden habe[145].
Mit Hösle möchte ich an dieser Stelle zwei unterschiedliche von Hegel benützte
Begriffe von Sittlichkeit unterscheiden, deren Differenz sich unter anderem in
folgender Stelle der VPG findet:
„Hieraus folgt, daß was wir früher
bei den Griechen als Form der Sittlichkeit betrachteten, nicht mehr in
derselben Bestimmung in der christlichen Welt seinen Standpunkt hat, denn jene
Sittlichkeit ist die unreflektierte Gewohnheit; das christliche Prinzip ist
aber die für sich stehende Innerlichkeit, der Boden auf dem das Wahrhafte
aufwächst.“[146]
Die Sittlichkeit der modernen
(christlichen) Welt ist demzufolge immer schon von der antiken zu
unterscheiden, da in ihr das einzelne Subjekt der Substanz der Gewohnheit
reflektierend gegenübersteht. In Bezug auf die oben vorgenommene Konfrontation
der Argumentationen aus den GPR und der
PhG, kann mit Hösle daher gesagt werden, dass Hegel, während er in der PhG eine
Form der „vorreflexiven, archaischen Kultur“ beschreibt, in der Anmerkung zu §
268 der GPR „die Sittlichkeit einer sich wissenden, aus Freiheit sich
institutionell bindenden Intersubjektivität“[147]
thematisiert. Möglicherweise aus diesem Grund, da er die Gesetze bereits als
Ausdruck reflektierter Sittlichkeit verstand, verzichtete Hegel in der GPR auf
einen Verweis auf das notwendige Heraustreten des Individuums aus der
Sittlichkeit[148].
II.
Hegels Begriff der Religion
Es könnte so scheinen, als ob für
eine Arbeit zum Verhältnis von Staatlichkeit und Religion in erster Linie die
individuelle religiöse Einstellung von Interesse sein müsste - um diese den
ebenfalls individuellen ethischen und politischen Vorstellungen
gegenüberstellen zu können -, nicht aber der Inhalt des religiösen
Bewusstseins. Die Position, dass sich eine solche Arbeit doch vor allem um das
Verhältnis von religiösem Transzendenzbewusstsein einerseits und Einsicht in
die Zweckrationalität staatlicher Gesetze anderseits drehen müsste, nicht aber
um die Vorstellungen, die sich die Individuen von dieser Transzendenz machen,
hat meiner Meinung nach durchaus Berechtigung. Trotzdem scheint mir eine -
zumindest kurze - Behandlung auch der inhaltlichen Aspekte des Hegel’schen
Religionsbegriffs für diese Arbeit nötig zu sein - und das hat mit den Spezifika
dieses Begriffs selbst zu tun. Wehrt sich Hegel doch mehrfach gegen eine
Erörterung von Religion unter Ausklammerung ihrer besonderen Inhalte.[149]
Hegels Religionsphilosophie ist daher, wie unter anderem Falk Wagner ausführte,
der Versuch, die alte spekulative Theologie und die moderne
Religionsphilosophie seiner Zeit miteinander zu verschränken[150].
In diesem Sinne werde ich im Folgenden versuchen, die wesentlichen inhaltlichen
und formalen Bestimmungen des Hegel’schen Religionsbegriffs zusammenzufassen.
Anschließend werde ich mich genauer
mit Hegels Überlegungen zur Bedeutung des religiösen Kultus beschäftigen, der
für Hegel, wie ich seine Argumentationen verstehe, zwei wesentliche
Identitätsstiftungen zu leisten hat: die „Versöhnung“ von Endlichkeit und
Unendlichkeit, und die Einheit der Menschen. Die Bedeutung des „Kultus“ für
diese Arbeit zeigt sich unter anderem auch daran, dass Hegel in den 1831
gehaltenen Vorlesungen zur Religionsphilosophie auch das Verhältnis von
Religion und Staat unter diesen Begriff subsumiert[151].
II.II.
Hegels Ablehnung eines nichterkennbaren Gottes
„Es
macht unserem Zeitalter keinen Kummer mehr, von Gott nichts zu erkennen,
vielmehr gilt es für die höchste Einsicht, daß diese Erkenntnis sogar nicht
möglich sei.“[152]
Obiges Zitat fasst Hegels kritische
Diagnose des Zustandes der religionsphilosophischen und theologischen Diskurse
seiner Zeit zusammen. Hegel wendet gegen das Diktum von der Unerkennbarkeit
Gottes eine zweifache Überlegung ein, die sich in erster Linie gegen Theologen
richtet, die versuchen, Religion allein auf dem subjektiven Gottesbewusstsein
zu begründen. Zum einen erinnert er, dass ein solches Religionsverständnis
fundamental dem Anspruch des Christentums, „geoffenbarte“ Religion zu sein,
widerspricht und zum anderen wendet er gegen die - seiner Meinung nach falsche
- Demut die Anerkennung der eigenen Endlichkeit mit der Unerfassbarkeit des
Göttlichen zu verbinden ein, eine solche „Demut“ wäre eigentlich Hochmut, lege
sie doch fest, dass das Unendliche durch die Endlichkeit des menschlichen
Subjekts begrenzt sei und mache so das endliche Ich zum „einzigen Affirmativen,
Unendlichen und Absoluten“[153]
und widerspreche daher, wie Hegel in der EPW ausführt, ihrem eigenen religiösen
Anspruch[154].
Eng mit den Einwänden gegen eine
Religion, die auf die Frage nach der Existenz Gottes vergisst, verknüpft ist
Hegels Kritik an alleinigen Fundierungen des Religiösen im Gefühl bzw. in dem,
was Hegel selbst „unmittelbares Wissen“ nennt. Auch wenn Religion nur als die
empirisch überprüfbare Existenz des Gefühls von Gott verstanden wird, kann
diese Religion ihrem eigenen Anspruch (in welcher Form auch immer, Vermittlung
zwischen Menschen und Göttlichkeit zu sein) nicht genügen, da Gott so nur als
„zufälligster Inhalt“[155]
eines selbst zufälligen Gefühls gedacht ist[156].
Dieser Charakter einer nur kontingenten Fundierung im empirischen Gefühl
widerspricht aber der Vorstellung Gottes als „freiem Anunfürsichsein“[157].
Bemerkenswerterweise wendet Hegel
aber noch einen zweiten Gedanken gegen eine solche Religion des Gefühls ein. In
den religionsphilosophischen Vorlesungen heißt es: „Man beruft sich auf das
Gefühl, wenn die Gründe ausgehen. So einen Menschen muß man stehenlassen; denn
mit dem Appellieren an das eigene Gefühl ist die Gemeinschaft unter uns
abgerissen.“[158] Leider
führt Hegel die Argumentation an dieser Stelle nicht weiter aus, aber man kann
vermuten, dass er einen Religionsbegriff, der keine Gemeinschaft erlaubt, da er
von der Ebene der Intersubjektivität absieht, als ebenso ungenügend versteht
wie einen, der die Form des Verhältnisses Mensch-Gott nicht stringent fassen
kann[159].
Obwohl eine Fundierung der Religion
im Gefühl gegenüber dem vorhin skizzierten Ausschließen des Wissens um Gott aus
der Religion für Hegel den Vorteil hat, dass sie Gott wieder zum Thema macht,
so haben beide Positionen doch etwas gemeinsam - die Verankerung des Religiösen
im empirischen Subjekt - für Hegel eine zweiseitige Tatsache. Zum einen besteht
damit, wie gesagt, die Gefahr, dass Gott zum akzidentellen Bewusstseinsinhalt
wird, zum zweiten aber wird damit auch für Hegel ein wichtiger Punkt erreicht.
Zeigt diese Verankerung des Religiösen im Subjekt doch, dass alle „äußere
Autorität“ weggeworfen ist, denn „was mir gelten soll, muß seine Bewährung in
meinem Geiste haben“[160].
Vom Verständnis des Gottesgedankens
als nur zufälligem Inhalt des Gottesbewusstseins versucht Hegel seine eigene
Religionsphilosophie abzuheben. Vor allem ein zentraler Gedanke scheint Hegels
Ausführungen dabei, wie Wagner ausführt, zu begleiten, und zwar dass „das
Gottesbewußtsein, als die Beziehung des menschlichen Bewußtseins auf Gott“ die
„für diese Beziehung vorausgesetzte Selbständigkeit des Gottesgedanken“ mit zur
Sprache bringen muss[161].
Wir werden darauf bei der Beschäftigung mit Hegels Interpretation des
Christentums wieder zu sprechen kommen.
II.III.
„Begriff“ und „Form“ der Religion
Hegel zerlegt den „Begriff der
Religion“ in drei Elemente: in „Gott“, das „religiöse Verhältnis“ und den
„Kultus“. Gott versteht Hegel als Allgemeines, in Einheit mit sich seiendes,
als absolute Substanz[162].
Wobei Hegel allerdings Wert darauf legt, dass bei der Erörterung solcher
Bestimmungen noch nicht Religion, die erst mit der Unterscheidung zwischen
Gottesgedanken und Gottesbewusstsein erreicht wird, thematisiert sei[163].
Um jedoch nicht nur vom zufälligen Vorhandensein von Religion ausgehen zu
können, versucht Hegel die „Notwendigkeit des religiösen Standpunkts“ zu
beweisen. Dabei geht er gewissermaßen auf doppelte Weise vor. Während er zum
einen die Notwendigkeit der Religiosität im Bewusstsein der menschlichen
Endlichkeit verankert, führt Hegel zum Zweiten die Notwendigkeit des endlichen
Bewusstseins für die göttliche Allgemeinheit aus[164].
Unter dem Titel des „religiösen Verhältnisses“
behandelt Hegel Religion vor allem als „das Bewußtsein des Menschen von einem
Höheren, Jenseitigen, außer ihm und über ihm Seienden“[165]
und wendet ein, dass Vorstellungen von einem Jenseits als ganz Anderem des
Diesseits, die Transzendenz beschränken würden. Ein adäquater Begriff der
Unendlichkeit müsste dagegen auch ihr Verhältnis zum Endlichen schlüssig fassen
können, so der Hegel’sche Anspruch[166].
Religion versteht Hegel als Versuch einer „Versöhnung“ von Endlich- und
Unendlichkeit. Eine Synthese, die nur im Ansatz in den Relationen von Gefühl,
Vorstellung und Verstandesdenken erreicht wird und die im religiösen Kultus als
„Vermittlung von subjektiver Erhebung des Menschen zu Gott und der
Selbstentäußerung Gottes an den Menschen“[167]
und letztlich in der Philosophie erfolgen kann. Damit ist allerdings
interessanterweise für Hegel ein wesentlicher Teil der Religion (zumindest: der
christlichen Religion), die Gemeinde, eigentlich bereits über die für die
Religion konstitutive Bewusstseinssphäre, die Vorstellung hinaus[168];
ist für Hegel doch, wie wir noch sehen werden, die Subjekt-Objekt-Differenz
Charakteristikum der Vorstellungssphäre.
Die Religion, deren Aufgabe laut
Günther Dellbrügger bei Hegel in der Vereinigung des menschlichen mit dem
göttlichen Willen liegt[169],
synthetisiert sowohl theoretische, emotionale als auch voluntative Elemente.
Als theoretische Form der Religion versteht Hegel wie gesagt die „Vorstellung“.
Eine Charakterisierung, die meines Erachtens nur verständlich wird, wenn sie in
Relation zu dem gesetzt wird, was Hegel die Bereiche der Anschauung und des
Denkens nennt - zu Kunst und Philosophie. Alle drei Sphären des absoluten
Geistes sind nach Hegel Formen der Darstellung des Absoluten. Da die bildliche
Darstellung der Kunst das Absolute immer „beschränkt“, weil physisch, zur
Anschauung bringt, kann sie nach Hegel einem Bewusstsein, das zur Vorstellung
eines rein geistigen Absoluten gelangt ist[170]
nicht mehr genügen; die Religion bewirkt das „Ende der Kunst“[171].
Gegenüber der Kunst erreicht die Religion eine Verinnerlichung des Bildes vom
Absoluten. Allerdings bedient sich auch die Vorstellung sinnlicher Symbole und
Beschreibungen, aber diese werden eben nicht mehr als unmittelbare Darstellung
des Göttlichen verstanden, sondern als Verweis auf etwas Übersinnliches.
Trotzdem bleibt in diesem Rückgriff der religiösen Vorstellung auf Bilder nach
Hegel immer etwas Inadäquates. Ein Defizit, das sich in der zeitlich-räumlichen
Verfasstheit der religiösen Erzählungen zeigt. Zum entscheidenden Kriterium der
Unzulänglichkeit der Sphäre der Vorstellung wird für Hegel aber die seines
Erachtens für die Vorstellung wesentliche Differenz von Subjekt und Objekt, von
Vorstellendem und Vorgestelltem. Da die Vorstellung einerseits die
Unangemessenheit des Bildes erkennt, andererseits aber das über das Sinnliche
Hinausgehende selbst nur wieder mittels Symbol explizieren kann, steht sie in
„beständiger Unruhe“[172].
Da sich die Vorstellung immer schon ihrer eigenen Probleme bewusst sein kann,
liegt auch die viel zitierte „Flucht in den Begriff“[173]
bereits in ihr angelegt. Für Hegel ist die Philosophie in der Lage, die Inhalte
der religiösen Vorstellung, die in Wahrheit ihre eigenen sind[174],
aufzunehmen und auf einer höheren Bewusstseinsstufe zu erhalten, da Religion
und Philosophie letztlich dieselbe Frage nach dem Absoluten behandeln. Ob und
in welcher Form diese „Aufhebung“ der Religion aber tatsächlich möglich ist,
das wurde von zahlreichen Denkern hinterfragt. Aber auch Hegel selbst sieht
dieses Problem durchaus. Stellt er in den VPR doch klar, dass es ein wichtiger
Vorwurf gegenüber dem Denken sei, dass es die Inhalte der Vorstellung verändere
und verfälsche. Die Schwierigkeit dabei sei, so Hegel, „zu trennen was Inhalt
als solcher, der Gedanke ist, von dem, was der Vorstellung als solcher
angehört“[175]. Denn zu
ändern ist für Hegel alleine die Form der Vorstellung. Welche Konsequenzen aus
der Hegel’schen Kritik an der Form der Religion als Ausdruck der Vorstellung zu
ziehen sind, darin unterschieden sich Links- und Rechtshegelianer ganz
wesentlich. Während Erstere mit der Erkenntnis der inferioren Form der Religion
auch gleich deren Inhalte verabschieden wollten, legten Letztere auf Hegels
Betonung der Inhaltsgleichheit von Religion und Philosophie Wert und folgerten
daraus die Legitimation der Religion als solcher. Wie aber schon Karl Löwith in
seiner berühmten Studie „Von Hegel zu Nietzsche“ festhielt, liegt die Wurzel
dieses Streites gewissermaßen bereits in der „Zweideutigkeit“[176]
der Hegel’schen Argumentation selbst angelegt. Michael Schulz kritisiert, seine
Argumentation an Falk Wagner anlehnend, beide - rechts- und linkshegelianische
- Positionen als zu kurz greifend[177].
Ihm zufolge gehen sowohl Links- als auch Rechtshegelianer von einem als zu
ident verstandenen Verhältnis von Form und Inhalt innerhalb der Hegel’schen
Philosophie aus - beide Seiten legten demnach zu wenig Augenmerk auf den
dialektischen Charakter der Hegel’schen Denkfiguren. Vielmehr dürfte, so
Schulz, weder aus der Inhaltsgleichheit von Religion und Philosophie eine
Gleichheit im Erkenntniswert der beiden gefolgert werden, noch aus der
Ablehnung der Form des religiösen Bewusstseins ein Ende der Inhalte. In der
Vorstellung wird der an sich unendliche Inhalt verendlicht. Die endliche Form
des unendlichen Inhalts könne daher nicht als rein akzidentelle Größe der
Religion verstanden werden, da die Form selbst ein wesentlicher Teil von ihr
sei, argumentiert Schulz. „Insofern aber die verendlichte Gegenüberstellung
sich in ihrer Einseitigkeit zu sich negativ verhalten muß, kommt es zur
Fortbestimmung. In dieser Hinsicht unterschiedet sich die endliche Form als
Form vom absoluten Inhalt und von der Form, die ihrerseits den Inhalt zu
generieren vermag.“[178]
Aus der unzureichenden Form der Religion folgt also eine auch inhaltliche
Veränderung - diese Wandlung liegt bereits im Wesen der Religion selbst
begründet. Die Legitimation der Religion liegt demzufolge in dem ihr immanenten
Potenzial zur eigenen Fortbestimmung. Trotzdem ist das Verhältnis von Religion
und Philosophie keineswegs ein spannungsfreies, vielmehr scheint gerade aus
Sicht des religiösen Bewussteins die Philosophie oft genug eine destruktive
Wirkung zu haben. Da Vorstellungen sich immer aus endlichen „Bildern“
zusammensetzen, die Philosophie aber gerade diese Endlichkeit zu überwinden
trachtet, droht aus religiöser Sicht ein Ersatz religiöser Wahrheiten durch
„abstrakte Prinzipien“.
Ein gutes Beispiel für die, in
Hegels Augen wesentlichen Unzulänglichkeiten der religiösen Vorstellung, findet
sich in Hegels Beschäftigung mit dem christlichen Konzept der „Erbsünde“.
Begegnet das Denken der biblischen Geschichte in Form des abstrakten
Verstandes, so verstünde es das Verhältnis des Erbes endlich und erhebe den
Einwand, es sei für Kinder doch zufällig, wer ihre Eltern seien, so Hegel[179].
In Wahrheit dürfe die Erzählung aber nicht wörtlich genommen werden, sondern
die endlichen Bestimmungen müssten in das Gebiet des Allgemeinen erhoben
werden. Als paradigmatisch für Hegels „Aufhebung“ des Religiösen werde ich hier
eine kurze Wiedergabe Hegels eigener Genesisinterpretation geben[180].
Zeigen sich doch für Hegel gerade auf dem Gebiet der Bibelexegese die
Schwierigkeiten eines Erfassens der Inhalte einer religiösen Erzählung. Charles
Taylor fasst in seiner großen Hegelstudie die doppelte Problematik des
Verständnisses der biblischen Texte aus der Sicht Hegels wie folgt zusammen:
„Entweder nehmen sie [Menschen ohne philosophisches Verständnis] es als
unverfälschte Wahrheit (d. h. sie nehmen die Bibel wörtlich) oder sie erkennen
an, daß etwas Unausgesprochenes übrig bleibt und schließen daraus dann, daß
Gott in dieser Hinsicht nicht zu verstehen ist.“[181]
Keiner dieser Wege ist für Hegel gangbar. Weder ein orthodoxes, wörtliches
Bibelverständnis noch ein Anerkennen einer Unerkennbarkeit Gottes sind für ihn
der „absoluten Religion“, dem Christentum, entsprechend. Er möchte vielmehr ein
Durchdenken der religiösen Erzählungen. Ein Versuch, dies zu leisten, ist
Hegels Interpretation der Geschichte vom „Sündenfall“. Da Adam nicht nur als „erster
Mensch“, sondern als „Mensch als solcher“ verstanden werden müsste, sei die
Sünde Adams nicht nur sein, sondern aller Menschen Vergehen, deutet Hegel den
biblischen Text. Auch die Beschreibung des Akts des Vergehens selbst versteht
Hegel als „vorgestellte“ Erzählung einer in Wahrheit allgemeinen, weil
gedanklichen Wirklichkeit. Mit dem Essen der Frucht vom Baum der Erkenntnis
erlangt Adam Wissen, Bewusstsein und tritt damit in die Entzweiung ein, die
„Quell alles Bösen ist“. Der Mensch, als bewusstes Wesen, lebt immer in der
Differenz von Subjekt und Objekt; ohne diese Entzweiung gibt es kein Wissen,
aber auch keine Schuld, sondern nur die tierische, fraglose Eingebundenheit in
den Naturzusammenhang, folgert Hegel aus der biblischen Geschichte. Den eigentlichen
Kern der religiösen Erzählung machen bei Hegel also die in ihr enthaltenen
Aussagen über das Wesen des Menschen aus.
Bevor wir nochmals auf die
„Aufhebung“ der Religion in der Philosophie zu sprechen kommen, scheint es mir
wichtig, auf Hegels Insistieren auf der Religion als der „Wahrheit für alle
Menschen“[182]
hinzuweisen. Im Interesse der allgemeinen Verständlichkeit räumt Hegel der
vorstellungsmäßigen Erläuterung des Absoluten in der Religion große Bedeutung
ein. Obwohl oder vielleicht gerade weil die Religion nur eine unvollständige
Darstellung bieten kann, sind ihre Erklärungen leichter nachvollziehbar und
damit wertvoll. Damit scheint sich aber eine unüberbrückbare Differenz zwischen
dem „vollständigen“ Verständnis der Philosophie und dem „beschränkten“ der
Religion aufzutun. Eine Differenz, die zwar vom Standpunkt der Philosophie aus
als notwendig verstanden werden kann, die für das religiöse Bewusstsein aber
unversöhnlich bleibt. Gerade diese Trennung möchte Hegel aber durch die
Entwicklung seiner Religionsphilosophie beenden. Die Religionsphilosophie soll
daher die, wie es Wagner nennt, „bildungspraktische Aufgabe“[183]
übernehmen, das religiöse Bewusstsein aus der Form der Vorstellung heraus zu
der des Denkens führen. Die Religionsphilosophie muss ausgehend von der
vorstellungsmäßigen Begrifflichkeit der Religion eine Überführung der
religiösen Inhalte in gedankliche Fassungen leisten und dabei zugleich das
religiöse Bewusstsein davon überzeugen können, dass ein solcher Transport ohne
entscheidende inhaltliche Verluste erfolgen kann. In dieser Aufgabenstellung
der Religionsphilosophie liegt Wagner zufolge auch die Wurzel des bereits
erwähnten Löwith´schen Vorwurfs der „Zweideutigkeit“ der Aufhebung der
Religion. Da Hegel mit seiner Religionsphilosophie versucht, das religiöse
Bewusstein zur Philosophie zu geleiten, müsse er immer wieder „zwischen
Vorstellung und Begriff“ hin- und hergehen, so Wagner[184].
Er müsse sich auf den religiösen Inhalt beziehen, um ihn dann als im
philosophischen Begriff aufgehoben darlegen zu können. Wodurch es zu einer
Aufhebung kommen kann, die insofern auch dem eigenen Anspruch des religiösen
Bewusstseins entspricht, als es nur so „den geglaubten, gefühlten oder
vorgestellten Inhalt auch an der Stelle seiner begrifflichen Explikation
erfassen kann[185].
Allerdings scheint mir Wagner zum einen Hegels pessimistische Schlusssätze der
VPR, wonach die Aufhebung der Religion in der Philosophie keine allgemeine
Verwirklichung erlebt[186],
und zum anderen auch Aussagen Hegels, wie die bereits zitierte, dass die
Religion der Ort der Wahrheit „für alle“ sei, nicht ausreichend zu
berücksichtigen. Trotz aller theoretisch möglichen Überführung der Religion in
die Philosophie bleibt die Sphäre der „vorgestellten“ Wahrheit im Dienste der
allgemeinen Verständlichkeit von immenser Bedeutung. Das scheint mir gerade im
Kontext der im Zuge dieser Arbeit behandelten Frage nach der Relation von
Staatlichkeit und Religion wichtig, da Hegel generell nicht von einer
„Übernahme“ der religiösen Erklärungsfunktion durch die Philosophie ausgeht.
Allerdings muss Wagner insofern Recht gegeben werden, als Hegel selbst das
resignierende Ende der religionsphilosophischen Vorlesungen in einigen
Vorlesungszyklen zu Gunsten der „Realisierung des Geistigen der Gemeinde“ ausließ
und eine Verwirklichung des Religiösen als möglich erachtete[187].
Auch scheinen für einen primär nicht „philologisch“ orientierten Zugang zu den
Hegel’schen Texten auch weniger Hegels persönliche Zeitdiagnosen von Bedeutung
zu sein, als die Konsequenzen, die aufgrund der inneren Logik der Texte selbst
folgen; und in diesem Sinne muss sowohl die Bedeutung der „Aufhebung“ der
religiösen Inhalte in der Philosophie, die ja immer auch eine „Konservierung“
ist, für die Religion selbst betont werden, als auch dass, weil Hegel immer auf
den elitären Charakter des philosophischen Zugangs pocht, er der Religion als
Ort der Wahrheit „für alle“ eine große Bedeutung zukommen lassen muss, eine
Bedeutung, die der Philosophie aus dieser Perspektive betrachtet verwehrt bleiben
muss.
II.IV.
Kultus und Gemeinde - das Bewusstsein der Versöhnung
Dem Kultus[188]
voran geht das für die (religiöse) Vorstellung konstitutive Wissen um die
Trennung von Göttlichem und Menschlichem, eine Entgegensetzung, die in allen
theoretischen Formen des Religiösen zu Tage tritt. Die Differenz manifestiert
sich für Hegel auch im Bewusstsein der „rein geistigen Trennung des subjektiven
Willens vom göttlichen“[189],
der moralischen Fehlerhaftigkeit des Menschen[190].
Als natürliches Wesen ist jeder Mensch „an sich böse“, da in seiner
Natürlichkeit Antriebe verwurzelt sind, die einer vernünftigen Leitung seines
Willens widersprechen. Wenn die „Unmittelbarkeit das Gesetz ist“[191],
verfehlt der Mensch für Hegel die Anforderung, nicht zu sein wie er von Natur
ist, und damit sein Menschsein. Indem der Mensch das in seiner Natürlichkeit
angelegte Böse sieht, erkennt er sich als von Gott getrennt. Religiöser Kultus
ist für Hegel der Versuch diese Trennung zu überwinden, „sich im Zwecke Gottes,
in Einigkeit mit ihm zu wollen“[192].
Neben dem Kultus sieht Hegel übrigens noch einen zweiten Weg der Überwindung
der negativen Natürlichkeit des Menschen, die Erziehung. In dieser geschehe die
Aufhebung jedoch bewusstlos, so Hegel, und erst im Kultus erfolge sie mit
„Bewußtsein und Wille“[193].
Hegel subsumiert unter den Terminus
„Kultus“ sowohl innerliche Zustände als auch äußerliche Rituale und nennt als
„erste Form“ des Kultus die Andacht. Dies ist insofern bemerkenswert, als Hegel
das andächtige Subjekt dadurch charakterisiert, dass es „sich hineinversenkt“,
und „Feuer“ und „Wärme“ der Andacht betont[194].
Damit eröffnet sich die Frage, ob es Hegel gelingt, diese, von ihm positiv
bewertete Form der Religiosität von einer Religion des Gefühls abzuheben, oder
ob nicht Hegels eigene Einwände gegen den „zufälligsten Inhalt“ des Gefühls
auch die Gewissheit in der Andacht treffen können. Aber Hegel zielt mit dieser
Beschreibung der Andacht auf eine seines Erachtens wesentliche Bestimmung ab.
Liegt in ihr doch die Unterscheidung der Andacht vom rein vorstellungsmäßigen
Bezug auf die Unendlichkeit, da das andächtige Subjekt in jener „nicht bloß
gegenständlich mit diesem Inhalt beschäftigt“ ist[195].
Hier zeigt sich, dass für Hegel gegenüber dem Kultus die wesentlichen
Kritikpunkte am beschränkten Zugang der religiösen Vorstellung nicht mehr
relevant sind, da der Kultus als Form der Praxis die Subjekt-Objekt-Differenz
der Vorstellung bereits überwindet. Daher sind für Hegel, neben der Andacht,
die noch ganz auf der Stufe der „Innerlichkeit“ erfolgt, gerade auch die
äußerlichen Formen, die „die Versöhnung zum Gefühl, zum gegenwärtigen,
präsenten, zum sinnlichen Bewußtsein“[196]
bringen, zentrale Teile des Kultus. Zu notieren ist an dieser Stelle, dass
Hegel in den religionsphilosophischen Erörterungen in bestimmter Weise eine
Form der Praxis, den Kultus, als Fortschritt gegenüber dem bloß theoretischen
Verhältnis der Vorstellung einführt[197].
Wie bereits erwähnt ist das Wissen
um die Differenz zwischen der menschlichen Endlichkeit und dem Göttlichen für
Hegel konstitutiv für den religiösen Kultus. Doch dieses Bewusstsein muss nach
Hegel im Lauf des historischen Lernprozesses, als welchen er die
Religionsgeschichte versteht, selbst erst entwickelt werden. Daher
interpretiert Hegel die verschiedenen Kultformen als unterschiedliche Stadien
des Versöhnungsprozesses[198].
Wenn die „Glückseligkeit“ herrscht, dass Gott den Menschen nahe ist -
beispielsweise als lokale Schutzgottheit[199]
-, dann kann der Kultus insofern keine „Versöhnung“ leisten, weil die ihr
notwendig vorausgehende Trennung noch gar nicht vorhanden ist. Ein auf dieser
Stufe stehender Kultus ist daher nicht ein „vom übrigen Leben abgesondertes“[200].
Alltägliche und religiöse Handlung gehen ineinander über und bilden zusammen
„ein heiliges Leben“[201].
Erst mit dem Bewusstsein der Spannung zwischen „feierlicher“ Form und profanem
Inhalt einer Tätigkeit entsteht zugleich der Wunsch nach Aufhebung des
Endlichen. Hegel versteht alle Formen des Opfers (Gabe-, Reinigungs- und
Arbeitsopfer) als Versuche, den endlichen Wert der natürlichen Bedürfnisse und
ihrer Befriedigung gewissermaßen auszugleichen. Doch materielle Opfer können
die Unzulänglichkeit des Endlichen nicht hinreichend beheben, da sie „die
Negativität des Endlichen“ auch „nur auf endliche Weise“ ausdrücken[202].
Der Anspruch, dem Unendlichen zu genügen, kann daher erst dann mit der
Natürlichkeit „versöhnt“ werden, wenn diese Versöhnung auf einer anderen Ebene
geschieht - auf der des Geistes. Weder in einer „ursprünglichen Einigkeit“ noch
durch eine materielle „Bezahlung“ kann sich der Mensch als mit dem göttlichen
Willen, dem „vollendeten Willen“[203],
in Einklang befindlich verstehen, sondern nur in einer bewussten Überwindung
der subjektiven, natürlichen Bedürfnisse zu Gunsten der freien Geistigkeit.
Die spekulative Religionsphilosophie
Hegels legt, wie es bei Jaeschke heißt, „den Akzent nicht auf die Lehre,
sondern auf den Kultus - nicht auf das Wissen von Gott im
Bewußtseinsverhältnis, sondern auf die Selbstgewißheit der Gemeinde“[204].
Im Folgenden seien kurz einige Grundzüge des für Hegels Religionsphilosophie
zentralen Begriffs der „Gemeinde“ skizziert.
Die Gemeinde bringt den
Zusammenschluss der Individuen in der gemeinsamen Liebe zu Gott hervor.
Interessant ist hierbei Hegels Unterscheidung dieser Gemeinschaft von Formen der
Freundschaft und der Liebe zwischen Mann und Frau. Die Liebe innerhalb der
religiösen Gemeinde ist Hegel zufolge frei von aller Besonderheit, d. h. sowohl
von der für die Freundschaft konstitutiven Übereinkunft in „Grundsätzen,
Studien, Wissenschaft“ als auch von der Zuneigung zu einem speziellen Menschen,
der zwischenmenschlichen Liebe. Die Einheit in der Gemeinde beruht vielmehr auf
einer rein geistigen Übereinkunft. Der in der Gemeinde geglaubte Inhalt muss
aus diesem Grund immer schon von der sinnlichen in die geistige Form
übergegangen sein[205].
Dies obwohl der in der Gemeinde praktizierte Kultus auch sinnliche Elemente
enthalten kann. Aber auch in der religiösen Erzählung sind nicht die überlieferten
Wunder das eigentlich Entscheidende, so Hegel - denn „der sinnliche Inhalt ist
nicht an ihm selbst gewiß“[206]
und muss durch die Vernunft beglaubigt werden -, sondern die innerhalb der
Gemeinde geglaubte Wahrheit; diese jedoch werde nicht unmittelbar durch die
Worte der heiligen Texte hervorgebracht, sondern durch die Gemeinde selbst[207],
der Glaubensinhalt ist wesentlich „erst in der Kirche gemacht worden“[208].
Die Gemeinde[209] hat daher
immer auch die entscheidende Aufgabe diese Inhalte zu tradieren, zu lehren.
Das neu in die Gemeinde aufgenommene
Mitglied - Hegel denkt hier in erster Linie an das getaufte Kind[210]
- lernt mit der Zeit die Glaubensinhalte und weiß sich als Teil der
Gemeinschaft, in der die Versöhnung immer schon geschehen ist. Mit der Zentrierung
auf das getaufte Kind konterkariert Hegel allerdings die zuvor erwähnte
Unterscheidung zwischen Erziehung und Kultus, als der „bewussten“ Form der
Überwindung der unmittelbaren Natürlichkeit. Eine wirklich „bewusste“
Entscheidung könnte der Kultus doch streng genommen nur für Erwachsene sein.
Hegel denkt jedoch die Einführung in den Kultus als Form einer Erziehung eines
Kindes. Die religiöse Wahrheit tritt dem (kindlichen) Individuum zunächst als
ein ihm Äußerliches gegenüber[211],
in Form einer Autorität. So wie das Kind zunächst unbewusst an die religiöse
Wahrheit herangeführt wird, so erfolgt auch die Aufnahme in die Gemeinde nach
Hegel zunächst nicht aufgrund einer Initiative des neuen Mitglieds, sie
geschieht durch die Kindestaufe. Erst durch die Taufe und die Heranführung des
Kindes in der Erziehung an die religiösen Wahrheiten wird es dem Individuum
möglich, sich am Kultus zu beteiligen. Den Kultus versteht Hegel als bewusste
Aneignung der religiösen Lehren, die zuvor bereits „unbewusst“ in der Erziehung
erfolgt war.
Durch die Taufe wird das Individuum
Mitglied der Gemeinde, „in der das Böse an und für sich überwunden“ ist[212].
Das Wissen um dieses Überwundensein des Bösen ermöglicht es dem
Gemeindemitglied das Böse nichtig zu setzen. Hegel bleibt jedoch eine
Erläuterung dessen schuldig, was hier unter dem Bösen zu verstehen ist.
Möglicherweise meint er rein generell alles innerhalb einer religiösen Gruppe
als negativ Definierte, welches vom Einzelnen, eben weil es als „Böses“
festgelegt ist, verneint werden kann. Zugleich erlauben religiöse Reue und Buße
dem Individuum, Verbrechen „auszulöschen“[213],
da das Vergehen als solches keinen Wert, und d. h. auch keinen negativen Wert,
hat. Da ein Ungeschehenmachen des Geschehenen nicht auf der Ebene des Materiellen
erfolgen kann, ist die Versöhnung von Anspruch und Tat - und um eine solche
Versöhnung zwischen dem, was als an sich gut erkannt, und dem, was getan wurde,
geht es nach Hegel anscheinend primär - eine geistige und damit aber in
gewisser Hinsicht nur eine „abstrakte“[214].
Als Gemeinschaft von Menschen steht
die religiöse Gemeinde aber immer schon vor dem Problem der Realisierung ihrer
Überzeugungen, der Überwindung des abstrakten Charakters der „Versöhnung“.
Daher steht die Gemeinde notwendigerweise in einem Verhältnis zur sozialen
Wirklichkeit.
Hegel skizziert im Folgenden drei
alternative Bestimmungen dieser Relation von Religion und sittlicher Ordnung -
der Begriff „Staat“ wird von Hegel an dieser Stelle nicht genutzt, wäre hier
aber im Wesentlichen deckungsgleich einzusetzen. Festzuhalten ist, dass Hegel
hier das religiös-sittliche Verhältnis nur aus der Perspektive des Glaubens,
nicht aber aus der Sicht der weltlichen Ordnung betrachtet. Ich werde später
die hier vorgestellten Möglichkeiten der Verhältnisbestimmung von Religion und
Staat noch ausführlicher behandeln und auch die „gegenteilige” Optik wählen und
die Rolle der Religion aus der staatlichen Perspektive beleuchten.
Hegel vermeint drei Arten der
geistigen Verortung der religiösen Gruppe innerhalb der sittlichen Wirklichkeit
zu erkennen. Man könnte diese verschiedenen Verhältnisbestimmungen meines
Erachtens als externe (a), subordinierende (b) und integrierte (c) Positionen
bezeichnen.
Ad a) Bestimmend für die erste Position ist der Begriff des „Entsagens“[215].
Obwohl Hegel auch sie als „Form der Versöhnung“ bezeichnet, scheint dieser
Relation von Religion und Wirklichkeit gerade das versöhnte Element zu fehlen,
da sie durch ein Sichabschließen des Glaubens gegenüber der Welt gekennzeichnet
ist. Um zu verstehen, warum Hegel trotzdem von „Versöhnung“ spricht, muss
nochmals auf die oben erwähnte Bedeutung des Kultus als Form der Versöhnung von
Mensch und Gott hingewiesen werden. Diese Weise der Versöhnung findet natürlich
auch hier statt. Jedoch bleibt die religiöse Versöhnung auf der Ebene des
Realen mit der Wirklichkeit „unversöhnt“, da zwar der religiöse Anspruch des
Individuums und sein Handeln in der religiösen Buße versöhnt ist, seine
Aktionen im Rahmen der Weltlichkeit aber immer als unzulängliche angesehen
werden. Daher ist innerhalb eines solchen Verständnisses die „mönchische
Abstraktion“, worunter Hegel primär einen Rückzug aus der Welt versteht, die
eigentlich korrekte Verhaltensweise.
Ad b) Die zweite Form der Versöhnung beschreibt Hegel mit der Formel,
„daß die Weltlichkeit und Religiosität einander äußerlich bleiben und doch in
Beziehung kommen sollen“[216].
Diese Beziehung kann aus Sicht des Glaubens nur in Form der Herrschaft über die
Weltlichkeit existieren, da nur so dem religiösen Anspruch, dass die eigene
Versöhnung der rohen Wirklichkeit überlegen sein muss, Genüge getan werden
kann. Für die religiöse Vereinigung sieht Hegel dadurch die Gefahr entstehen,
selbst den kontigenten Charakter zu übernehmen, zu „verweltlichen“. Der in
einer solchen Gesellschaft lebende Mensch steht in der ständigen „Entzweiung“,
da sein familiäres, berufliches und politischen Agieren ein „nichtiges“ sei[217].
Da er nur tun kann, was ihm die religiöse Autorität vorschreibt, kann er in
keiner seiner Handlungen so etwas wie einen Selbstzweck erkennen. Alles bleibt
nur falsches, notwendiger- und unfreiwilligerweise zu Tuendes. Daher ist gerade
diese Form der Versöhnung das Gegenteil dessen, was sie erreichen möchte,
betont Hegel. Statt die eigene, geistige Versöhnung in die Welt zu tragen,
importiert die religiöse Gemeinde die Zerrissenheit der Wirklichkeit.
Ad 3) Im Gegensatz zu den vorhin skizzierten Alternativen erlaubt die
dritte Verhältnisbestimmung, auch in den sittlichen Institutionen Bedeutung zu
finden, diese als „heilig“, einer eigenen Teleologie gehorchend zu empfinden.
Erkennt die glaubende Gemeinde doch, dass „die wahre Versöhnung“ in dem
sittlichen und rechtlichen Staatsleben besteht[218].
Hegels genauere Überlegungen, wie diese Versöhnung zu erreichen ist, werde ich
an späterer Stelle erörtern. Festzuhalten ist hier primär, dass nach Hegel eine
religiöse Bewegung aufgrund ihres eigenen Anspruchs in ein Verhältnis zur
sittlichen Wirklichkeit treten muss, um sich selbst nicht als „abstrakte“
erleben zu müssen.
III.
Das „systematische“ Verhältnis von Staat und Religion
III.I.
Der objektive Geist als „Weg“ zum absoluten
Während Hegel in seinen Behandlungen
des „äußeren Staatsrechts“, d. h. der internationalen Beziehungen, besonders
auf die Souveränität der Staaten Wert legt, wird genau diese Selbstständigkeit
in seinen - sowohl in den GPR als auch der EPW unmittelbar anschließenden -
Überlegungen zur „Weltgeschichte“ wieder relativiert. Und es kann tatsächlich
erstaunen, dass am Ende der GPR wieder eine Form des Naturzustandes steht und
auf den Aufstieg hin zum sittlichen Staat letztlich wieder ein Abstieg zum
rechtlich nicht vollends fassbaren Konkurrenzverhältnis zwischen den Staaten
folgt.[219]
Interessanterweise hält Hegel einen internationalen Staatenbund, der als
Richter über allen zwischenstaatlichen Konflikten steht, deswegen für nicht
realistisch, weil eine solche Instanz nur dann anerkannt werden könnte, wenn
die Staaten eine „Einstimmung“, welche „auf moralischen, religiösen oder welchen
Gründen und Rücksichten, überhaupt immer auf besonderen souveränen Willen
beruhte und dadurch mit Zufälligkeit behaftet“ sei, erzielt hätten. Dadurch
dass Hegel den innerhalb eines Staates, eines „Volksgeistes“, so zentralen
kulturellen Wertekonsens international nicht verwirklicht sieht, kann er einem
Staatenbund nur beschränkte Dauerhaftigkeit zugestehen. Bedeutung misst Hegel
aber dem Völkerrecht zu, dessen wesentlichste Bestimmung er in der
gegenseitigen Anerkennung der Souveränität der Staaten und damit in der
Verpflichtung zur Nichtintervention zu erkennen scheint. Das ist gerade im
Zusammenhang mit der durchaus problematischen Tolerierung des Krieges als
Mittel zur Durchsetzung der Interessen eines Staates bei Hegel wichtig, da das
Pochen auf die Autonomie der einzelnen Staaten Hegels Diktum, dass der Streit
der Staaten „insofern die besonderen Willen keine Übereinkunft finden, nur
durch Krieg“ entschieden werden könne[220],
in gewisser Weise relativiert[221].
Gerade die Wertschätzung der Selbstständigkeit der Staaten ermöglicht Hegel,
wie wir sehen werden, den systematischen Übergang vom „äußeren Staatsrecht“ zur
„Weltgeschichte“ und von dieser zu den Formen des „absoluten Geistes“.
An dieser Stelle scheint mir ein
klärender Exkurs zum bereits oben erwähnten Begriff des „Volksgeistes“
sinnvoll, da dieser Terminus in der folgenden Argumentation eine wesentliche
Rolle einnehmen wird. Der Volksgeist, so Hegel in der VPG, drücke, „das
gemeinschaftliche Gepräge seiner Religion, seiner politischen Verfassung,
seiner Sittlichkeit, seines Rechtssystems, seiner Sitten, auch seiner
Wissenschaft, Kunst und technischen Geschicklichkeit“ aus[222].
Die Bedeutung aller genannten Faktoren für die historische Entwicklung der
Staaten aufzuzeigen, setzt sich Hegel als Zweck seiner philosophischen
Ausführungen zur Weltgeschichte. Über Hegels historische, praktische
Bestimmungen des Verhältnisses von Religion und Staatlichkeit wird in dieser
Arbeit an späterer Stelle gesprochen. Hier sei nur Hegels Gleichsetzung der
unterschiedlichen Volksgeister mit verschiedenen Formen des Bewusstseins der
Freiheit genannt.
Das Verhältnis der Individuen zum
Volkgeist beschreibt Hegel als eine sich selbst entwickelnde Identität. Jeder
ist „Repräsentant“ des Volkgeistes[223]
und versteht die Taten seines Volkes als „sein Werk“[224].
Zugleich eignet sich das Individuum die „Gesinnungsart“ erst an[225].
Der Einzelne ist also nicht biologisch determiniert, sondern lernt erst im
Laufe seines Lebens, was innerhalb der Gruppe Wert hat. Die Aneignung scheint
Hegel durchaus als eine bewusste zu verstehen. Was Hegel aber nicht in Erwägung
zieht, ist die Möglichkeit der Entscheidung des Individuums über das Objekt
dieser Aneignung. Wenn der Einzelne erst für sich entwickeln muss, was an sich
bereits angelegt ist, bleibt die Frage, ob er diese Entwicklung nicht entweder
verweigern oder aber anders steuern könnte.
Trotzdem ist der Begriff der
„Aneignung“ insofern bedeutsam, als Hegel damit aufzeigt, dass der Volksgeist,
existierend etwa in Bräuchen und Traditionen, nur dadurch bestehen kann, dass
er von Individuen erhalten wird. Zugleich aber ist ein Brauch eben nur dadurch
ein solcher, dass er gewissermaßen immer schon vor den Individuen existiert.
Erst wenn eine Regel dem Individuum als etwas bereits Bestehendes
gegenübertritt, kann sie von diesem als Teil des Volksgeistes „angeeignet“
werden.
Für die Entwicklung innerhalb eines
Volkgeistes ist die Differenz zwischen dem, „was an sich ist, [...] und was es
wirklich ist“ entscheidend. Alle Versuche, die an sich immer schon vorhandene
Idee der Freiheit zu verwirklichen, treten ihm, einem historischen Volk, „von
neuem als Stoff gegenüber“ und produzieren immer eine neue „Anforderung der
Verarbeitung“[226]. Erreicht
ein Volksgeist aber im Laufe dieses ständigen Prozesses der Ausdifferenzierung
seiner selbst einen Punkt der zumindest scheinbaren Übereinstimmung von
Anspruch und Wirklichkeit, so zeigt sich gerade dieser Moment der „Blüte“ als
höchst instabil. Denn das Volk verliert, so der Hegel’sche Gedanke, das Interesse
an der Weiterentwicklung seiner Institutionen, wo der Gegensatz zwischen dem,
was „an sich“, und dem, was „wirklich“ ist, aufgehoben ist. Allerdings ist hier
die Frage zu stellen, wie eine solche Übereinstimmung überhaupt erreicht werden
kann, wenn das „an sich“ doch die Vorstellung reiner Freiheit ist. Wir werden
später noch sehen, dass für Hegel die Religion eine zentrale Rolle als die
Manifestation des Freiheitsbewusstseins, der etwa die rechtlichen und
politischen Institutionen zu genügen haben, spielt.
Als Ausdruck des Verfalls eines
bestimmten Volksgeistes[227]
bezeichnet Hegel die „Gewohnheit“. Dies ist insofern erstaunlich, als Hegel,
wie früher bereits erwähnt[228],
an anderer Stelle gerade diesen Begriff sehr positiv belegt und als für das
Bestehen eines Staates wichtiges Element anführt. Möglicherweise könnte das als
Hinweis darauf gelesen werden, dass auch der von Hegel etwa in den GPR
beschriebene Staat der Moderne à la longue gesehen nur eine vorübergehende
Hochblüte eines bestimmten Freiheitsverständnisses sein kann. Allerdings greift
der moderne Staat für Hegel bereits über die Beschränkungen eines bestimmten
„Volksgeistes“ hinaus bzw. relativiert den Begriff des Volksgeistes. Um dies
jedoch zu verstehen, muss an dieser Stelle die Hegel’sche Sicht der Relation
von Volk bzw. Volksgeist und Staat beleuchtet werden; denkt Hegel dieses
Verhältnis doch keineswegs in der Form der Identität. Hegel ist sich durchaus
bewusst, dass das „Volk“ einer Staatsbildung immer schon vorausgeht und damit
auch der „Volksgeist“ der ihm gemäßen Staatlichkeit. Allerdings hält Hegel
interessanterweise Völker, die das Stadium der Staatsbildung noch nicht
erreicht haben, historisch für nicht relevant, da ihnen eben das Bewusstsein
der notwendigen „Verobjektivierung“ ihrer Freiheitsbestimmungen abgeht[229].
In diesem Sinne spricht Hegel in den VPG auch davon, dass „Geschichtserzählung
mit eigentlich geschichtlichen Taten und Begebenheiten gleichzeitig erscheine“[230].
Da die vorstaatlichen Gesellschaften, die Hegel im Allgemeinen für
patriarchalische hält, noch von einem gleichförmigen Verlauf ihres Zustandes
ausgehen, leben sie in ihren traditionalen Geschichten und Bildern, ohne diese
als bewusste Ordnungsstrukturen zu erkennen. Sie haben weder Gesetze im
eigentlichen Sinne noch eine Geschichte als Form der Reflexion auf die eigene
Genese. Allerdings unterscheiden sich nach Hegel auch patriarchalische
Gesellschaften schon von den ihnen vorausgehenden familiären Einheiten, die
alleine auf Natürlichkeit und Gefühl basieren, insofern, als bei jenen von
einem „Zusammenhang des Dienstes“[231]
gesprochen werden kann, es also Herrschaftsstrukturen gibt, die über die
familiären Bindungen hinausgehen. Um den Schritt vom Volk, mit all seinen
geistigen und natürlichen Bestimmungen, zum Staat zu schaffen, scheint es nach
Hegel im Lauf der Geschichte „welthistorischer“ Individuen, großer Gestalten,
„in die das Volk sein Zutrauen setzte“[232],
benötigt zu haben, die aus dem allgemeinen „Volksgeist“ heraus, d. h. aus den
anerkannten Freiheitsbestimmungen, konkrete Verfassungen entwickelten.
Allerdings darf dies nicht so verstanden werden, als ob aus einem
Volksgeist ein Staat werden müsste. Eine bestimmte Kultur entwickelt
nach Hegel zwar die ihr gemäße Gesetzeslage und -form. Jedoch kann, wie Avineri
zu Recht mit Verweis auf die griechische Poliskultur betont, es einer
Gesellschaft gerade entsprechen, viele, klein strukturierte Staaten zu
entwickeln[233]. Auch
sollte der Hegel’sche Begriff des „Volksgeistes“ wohl nicht mit „nationaler
Einheit“ synonym gesetzt werden, sondern viel eher mit „Kulturepoche“. Eine
solche historische Epoche ist für Hegel in erster Linie nicht durch die
politische, militärische Hegemonie eines Staates, sondern, modern gesprochen,
durch die Dominanz einer Lebensart gekennzeichnet. Dies muss besonders in
Hinsicht auf Hegels Ausführungen über den „modernen Staat“, der seiner Meinung
nach zumindest die gesamte protestantisch geprägte Welt und keineswegs nur eine
„Nation“ bestimmt, betont werden; und das, obwohl Hegel in seinen Ausführungen über
die „Anthropologie“ das „Beharrliche des Typus der besonderen Nationen“ zu
erkennen vermeint[234].
Bemerkenswerterweise greift Hegel dort aber auch nicht den Terminus
„Volksgeist“ auf, sondern spricht von „Lokalgeist“. Dies ist meiner Meinung
nach unter anderem ein Hinweis darauf, dass Hegel die bereits genannten
geistigen, kulturellen Bestimmungen eines Volksgeistes letztlich als
entscheidender ansieht als die in der Anthropologie vor allem beachteten
natürlichen, physischen Charakteristika.
Nach diesem kurzen Exkurs zum
Verhältnis von „Volksgeist“ und Staat möchte ich wieder auf den nach Hegel
notwendigen „Verfall“ eines welthistorischen Volkes zurückkommen. Dieser
sollte, wie Hegel in den VPG betont, primär nicht als von außen bewirktes
Ereignis betrachtet werden - beispielsweise als Folge einer Eroberung -,
sondern als Ergebnis der Binnenentwicklung des jeweiligen Volksgeistes. Wenn
ein Volk den „höchsten Punkt der Bildung“[235]
erreicht hat, d. h. seinen eigenen Freiheitsbegriff nicht nur auf bestmögliche
Weise verwirklicht, sondern auch gedanklich erfasst hat, gerade dann beginnt
damit sein Auseinanderfallen. Die Individuen - nur solche können diese
Entwicklung bewirken - erkennen nicht nur, was der Freiheitsbegriff besagt, den
ein bestimmter Volksgeist verwirklicht, sondern sie sehen auch die Differenz
zwischen dem Allgemeinen des gedachten Prinzips und dem „wirklichen Werk“[236].
„Der Volksgeist enthält Naturnotwendigkeit und steht in äußerlichem
Dasein; die in sich unendliche sittliche Substanz ist für sich eine besondere
und beschränkte und ihrer subjektive Seite mit Zufälligkeit behaftet,
bewußtlose Sitte, und Bewußtsein ihres Inhaltes als eines zeitlich Vorhandenen
und im Verhältnisse gegen eine äußerliche Natur und Welt.“[237]
Da jeder Staat immer nur Ausdruck
eines besonderen „Volksgeistes“, d. h. Teil einer kulturell, religiös und
wissenschaftlich geprägten Epoche ist, kann er dem Anspruch, realisierte
Freiheit zu sein, immer nur partiell genügen. Mit dem gedanklichen Erfassen des
„Wesens“ einer Zeit wird die „Beschränktheit“ der Verwirklichung derselben
gesehen. Da aber damit auch die ursprünglich fraglosen Sitten und Regeln als
ungenügender Ausdruck erkannt werden, zerfällt der kulturelle Konsens innerhalb
des „Volksgeistes“. Setzt sich die zunächst nur von Einzelnen vertretene
Einsicht in die Mangelhaftigkeit der Lebensweisen durch, so tritt ein neues
Prinzip auf.
III.III.
Der absolute Geist „über“ dem objektiven
Doch Hegel geht nicht von einer
unendlichen Reihe von immer neuen Formen der Realisierung von
Freiheitsbegriffen aus. Denn die „Beschränktheit“ und „Naturnotwendigkeit“, in
der jeder Volksgeist und damit jeder Staat notwendigerweise steht, sind nicht
nur quasi systemimmanente Unzulänglichkeiten, sondern sie sind gerade
wesentliche Bestimmungen jeder Form des objektiven Geistes. Weil jeder
Volksgeist nur existiert, indem er von Gesellschaften und Institutionen gelebt
wird, ist es laut Hegel unumgänglich, dass Freiheit auf seinem Boden nicht
vollends begriffen werden kann.
Dank der Allgemeinheit des Denkens
werden nicht nur die Mangelhaftigkeiten der bestimmten Volksgeister, sondern
auch die grundsätzliche Differenz zwischen ideellem Freiheitsprinzip und realer
Verwirklichung erkannt. Damit wendet sich der Geist „von der Objektivität der
praktischen Welt zum reinen Wissen der theoretischen Vernunft“[238].
Obwohl der Übergang vom beschränkten
objektiven zum absoluten Geist gewissermaßen in der Fähigkeit des Denkens zum
Allgemeinen zu gelangen immer schon angelegt ist[239],
kann er letztlich, wie Peperzak in Anlehnung an Hegels Argumentation in § 50
der EPW schreibt, nur mittels eines „Sprungs“ erfolgen[240].
Aber es ist ein Sprung, der notwendigerweise gemacht werden muss, denn wenn die
Endlichkeit nicht als endlich erkannt und negiert werden soll, dann „soll nicht
gedacht werden“[241],
so Hegel.
Was die Sphären des „absoluten
Geistes“ leisten sollen, woran der „objektive“ gescheitert ist, darauf verweist
Hegel im § 553 der EPW:
„Der Begriff des Geistes hat seine
Realität im Geiste. Daß diese in der Identität mit jenem als das Wissen der
absoluten Idee sei, hierin ist die notwendige Seite, daß die an sich freie
Intelligenz in ihrer Wirklichkeit zu ihrem Begriffe befreit sei, um die dessen
würdige Gestalt zu sein. Der subjektive und der objektive Geist sind als der Weg
anzusehen, auf welchem sich diese Seite der Realität oder der Existenz
ausbildet.“[242]
Zentral scheint mir Hegels Verweis
auf die Befreiung der „an sich freien Intelligenz“ in ihrer Wirklichkeit „zu
ihrem Begriff“. Da Freiheit nach Hegel die Grundbestimmung des Geistes ist,
jede Intelligenz an sich also schon frei ist, eine völlige Freiheit im
objektiven Geist, der daher nur „Weg“ sein kann, aber nicht möglich ist, kann
die „freie Intelligenz“ ihren eigenen Begriff, d. h. den des freien Geistes,
selbst wieder nur auf der Ebene des Geistes erreichen. Wie Theunissen betont,
dürfen Hegels Gedanken aber nicht so verstanden werden, als ob Freiheit nur in
einem theoretischen Verhältnis erreicht werden könnte und die Sphären der
Praxis damit nichtig wären. Zu erinnern ist daher zum einen an die an anderer
Stelle[243] bereits
erwähnte Zusammenführung Hegels von Denken und Wille sowie an Hegels Bestimmung
des freien Willens als „Einheit des theoretischen und des praktischen Geistes“[244].
Theunissen schreibt daher: „Solange der Mensch seine Freiheit bloß weiß, bleibt
er noch bei sich, und erst wenn er sie verwirklicht, geht er in die Welt
hinaus. [...] Denn Verwirklichung der Freiheit heißt Verwirklichung in der
Welt.“[245] Daher muss
sich die freie Intelligenz „in ihrer Wirklichkeit“ befreit haben, um im
theoretischen Verhältnis von Kunst, Religion und Philosophie Gestalt des freien
Geistes zu sein. Die Formen des subjektiven Geistes (beispielsweise das
Selbstbewusstsein) und des objektiven (die intersubjektiven Verhältnisse in
einer Gemeinschaft) sind Teile einer solchen Freiheit „in Wirklichkeit“. Da der
Geist seinen eigenen „Begriff“ nur im Geist selbst findet, sind die Sphären des
absoluten Geistes, meines Erachtens, verschiedene Formen der Antwort auf die
Frage nach dem Wesen des Geistes und damit des Menschen[246].
Nennt Hegel in den VPG Religion doch „das Wissen des Wesens, das eigentlich
unser Wesen ist[247]“.
An späterer Stelle wird darauf noch genauer einzugehen sein.
Wenn wir das Verhältnis von Religion
und Staat im Kontext der weiter oben skizzierten Relation von objektivem und
absolutem Geist betrachten, so finden wir einige Punkte, die vom rein
„systematischen“ Verhältnis bereits auf Hegels Versuche, das praktische
Verhältnis zu fassen, verweisen. Da Religion als Form des absoluten Geistes die
wesentliche Bestimmung[248]
des Menschen, die Freiheit, bereits geistig - wenn auch nur auf der Ebene der
„Vorstellung“ und nicht des „Begriffs“ - fassen kann, ist sie dem Staat
gewissermaßen immer schon „überlegen“.
Entscheidende Differenz zwischen
objektivem und absolutem Geist ist, dass Letzterer die bewusste Reflexion auf
Ersteren ist oder sein kann, da dieser eine „Wirklichkeit“, jener aber ein
„Wissen“ ist[249]. In diesem
Sinne nennt Hegel in den VPG das Bewusstmachen der im objektiven Geist
verwirklichten Vereinigung der Einzelnen in der Gemeinschaft den Zweck „aller
geistiger Tätigkeit“, d. h. von Kunst, Religion und Philosophie.
Die Zugehörigkeit von Religion und
Staat zu verschiedenen Sphären ist insofern von eminenter Bedeutung, als
dadurch eine mögliche Verhältnisbestimmung für Hegel unmöglich wird - das
Verständnis der Religion als Mittel im Dienste des Staates. Würde die Religion
nur als Werkzeug im Dienste des Staates gedacht, ginge damit ihr wesentlich
„höheres Recht“ gegenüber allen nur beschränkten Formen der
Freiheitsrealisation verloren. In diesem Sinne ist meiner Interpretation nach
Hegels Aussage in den VPG, dass die Religion kein „zu Machendes“ sei[250],
zu verstehen. Und auch Hegels Kritik, dass die Religion in Zeiten „öffentlichen
Elends“ als Trost angegeben werde, richtet sich unter anderem gegen eine
Instrumentalisierung des Glaubens. Eine Religion, die ihre eigenen Erklärungs-
und Deutungsansprüche ernst nimmt, kann sich nicht dazu hergeben, Mittel im
Dienste eines ihr fremden, staatlichen Zwecks zu sein, sondern muss vielmehr
auf ihre Souveränität und auf ihren Selbstzweckcharakter pochen. Da jedes
Mittel gerade dadurch charakterisiert ist, dass es nicht um seiner selbst
willen vonnöten ist, schreibt Hegel, wüsste der Geist, wenn er die Religion als
Mittel verstehe, „daß er sie gebrauchen, daß er aber auch andere Mittel
ergreifen kann“[251].
Obwohl natürlich auch der Religion die Formen der Wirklichkeit nicht
gleichgültig sein können, da sie sich sonst zum weltfremden, wirkungslosen
Jenseitigen entwickeln würde, was nach Hegel fatale Konsequenzen hätte. Als
„Bewusstein der absoluten Wahrheit“ kann sie auch in der Welt der objektiven
Gesetze, der staatlichen Regeln, nur anerkennen, was „Teil an jener Wahrheit
hat, unter sie subsumiert ist und aus ihr folgt“[252].
IV.
Das „praktische“ Verhältnis von Religion und Staat
Unter diesem Titel möchte ich den
Hegel’schen Überlegungen zur Bedeutung und Fragwürdigkeit der These von der
Religion als „Grundlage“ des Staates, abseits der „systematischen“ Differenz
zwischen den Sphären des objektiven und des absoluten Geistes, nachgehen.
Hierbei werden besonders Hegels geschichtsphilosophische Betrachtungen eine
Rolle spielen, da vor allem die Abschnitte der VPG über die verschiedenen
historischen Kulturepochen ganz wesentlich von der Wirkung des religiösen
Glaubens auf die politischen Institutionen und Überzeugungen geprägt sind.
Dieses Kapitel soll aber keineswegs ein primär geschichtsphilosophisches sein
und Hegels Überlegungen zu den Relationen von Religion und Staat im Laufe der
Geschichte untersuchen, sondern vielmehr auf Grundlage der betreffenden
Ausführungen in den GPR und der EPW der Frage nach der religiösen Begründung
staatlicher Ordnung nachgehen. Dabei wird das „praktische“ Verhältnis von
Religiosität und Staatlichkeit abseits der historischen Beispiele erörtert
werden, wodurch sich zeigen wird, wie weit im Fokus der Hegel’schen Überlegungen
die These von einer notwendigen „Begründung“ des Staates durch Religion steht -
unabhängig von der geschichtlichen Konstellation.
Darüber hinaus wird auch die bereits
mehrfach angeklungene Frage erörtert werden, ob nicht die Religion von sich
heraus ein „Praktischwerden“ anstreben muss. Dabei wird es also nicht darum
gehen, inwieweit eine staatliche Ordnung eine sittliche, religiöse Basis
braucht - oder auch nicht braucht -, sondern ob Religion „staatsbildend“ sein
muss bzw. vor welchen Problematiken eine Religion im Kontakt mit der
staatlichen Realität steht.
IV.I.
Die Religion als „Grundlage“ des Staates?
Sowohl in den GPR als auch den VPR
beginnt Hegel seine Überlegungen zum Verhältnis von Religion und Staat mit der
„Behauptung“, dass „die Religion die Grundlage des Staates sei“, macht aber
zugleich deutlich, dass er diese These, obwohl sie „in neueren Zeiten oft
wiederholt worden ist“[253],
keineswegs für unmittelbar einsichtig und überzeugend hält. Es sind im
Wesentlichen zwei Argumente, die Hegel gegen eine singuläre Fundierung des
Staates in der Religion anführt, ein eher formales und ein eher historisch
inhaltliches.
Wird die Religion als „Grundlage des
Staates“ bezeichnet, so könnte dies den - falschen - Eindruck erwecken, so
Hegel, dass damit „die Wissenschaft des Staates erschöpft sei“[254].
Für den Theoretiker des „vernünftigen“ Staates keine akzeptable Vorstellung,
würde sie doch alle Versuche, den Staat als komplexes System von Institutionen
zu fassen, zu Gunsten eines einzigen „simplen“ Erklärungsmusters negieren.
Hegels umfangreiche Ausführungen zur Rolle von Familie und bürgerlicher
Gesellschaft im Staat, sein Pochen auf die rechtsstaatliche Gewaltenteilung und
die Bedeutung der Stände, all das könnte als belanglos erscheinen, wenn alleine
die religiöse Überzeugung dem Staat als Basis dienen würde.
Doch nicht nur durch den Verweis auf
die Gefahr, die Erklärung der Religion als Grundlage des Staates absolut zu
setzen, relativiert Hegel vorschnelle Antworten auf die Frage nach dem
Verhältnis von Religion und Staat. Hegel erinnert weiters daran, „dass die
Religion vornehmlich auch für die Zeiten öffentlichen Elends, der Zerrüttung
und Unterdrückung empfohlen und gesucht“ wurde[255].
Fast scheint Hegel damit Marx’ Kritik der Religion als „Seufzer der bedrängten
Kreatur“[256]
vorauszunehmen - wenn er selbstverständlich auch ganz andere Konsequenzen aus
der Einsicht zieht, dass es „Hohn“ wäre, würde dem von einer Diktatur
geknechteten Individuum „Trost in der Religion“ empfohlen. Während Marx daraus
eine generelle Aufhebung des „illusorischen Glücks“[257]
der Religion folgert, versteht Hegel seinen Verweis auf einen solchen
Missbrauch der Religion „nur“ als Kritik an einer speziellen Religion, die eine
derartige Benützung ihrer sinnstiftenden Funktion ermöglicht und damit nach
Hegel ihren eigen Anspruch verfehlt[258].
In den VPG erwähnt Hegel noch einen
weiteren Einwand gegen die Religion als Grundlage des Staates, oder besser
gegen eine seines Erachtens falsche, weil simplifizierende Interpretation
dieser Überlegung. Würde mit der These, dass der Staat auf der Religion
basiere, nichts anderes gemeint sein, als dass „die Individuen, als
gottesfürchtige, um so geneigter und bereitwilliger seien, ihre Pflicht zu tun,
weil Gehorsam gegen Fürst und Gesetz sich so leicht anknüpfen läßt an die
Gottesfurcht“[259], so müsste
mit dem Verweis geantwortet werden, dass Religion auch „fanatisch werden und
gegen den Staat [...] zerstörend wirken“[260]
könne. Meines Erachtens nach muss aber nicht nur der zweite Teil dieser
Argumentation als Kritik gelesen werden, sondern auch bereits der erste. Den
Gedanken von der Gottesfurcht als Transportmittel der Gesetzestreue kann Hegel
schon aufgrund der früher genannten „systematischen“ Überlegungen zum
Verhältnis von Religion und Staat nicht akzeptieren, da er den intrinsischen
Wert der Religion als Form des absoluten Geistes missachten würde. Wir werden
auf diesen fundamentalen Einwand gegen die Thesen zur Religion als „Grundlage“
des Staates an späterer Stelle noch zu sprechen kommen und auch besonders der
Frage nachgehen müssen, ob sich ein als vernünftig gedachter Staat mit einer
Fundierung in der „Gottesfurcht“ vereinbaren lässt.
Trotz der hier erwähnten Einwände
gegen eine Reduktion der Staatsbegründung auf den religiösen Glauben heißt es
in den VPR aber explizit:
„Im allgemeinen ist die Religion
und die Grundlage des Staates eins und dasselbe; sie sind an und für sich
identisch.“[261]
Im Folgenden möchte ich dem
Hegel’schen Verständnis dieser „an und für sich“ vorhandenen Identität
nachgehen. Wesentlich scheint mir, gleich anfangs festzuhalten, dass Hegel
nicht davon spricht, die Religion sei die Grundlage des Staates, sondern
vielmehr die Formel einer „Identität“ von Religion und Grundlage benützt. Dies
ist bedeutsam, weil ja auch ein Identitätsverhältnis zwei Elemente umfasst und
Hegel sich damit gegen eine übereilte Charakterisierung der Religion als Basis
des Staates wehrt. Interessanterweise benützt Hegel an anderer Stelle durchaus
auch die simplere Formel der Religion als Grundlage des Staates[262],
führt dort jedoch den entsprechenden Gedanken - wie bereits erwähnt - nur
indirekt ein, indem er darauf verweist, dass es sich dabei um eine oft genannte
Überlegung handle.
Als seine eigene Position führt
Hegel jedoch die Identität von Religion und Grundlage des Staates ins Treffen.
Eine Identität, welche die beiden Relata nur unter einer bestimmten Perspektive
verbindet, während sie zugleich eine Unterscheidung der beiden Begriffe
ermöglichen muss. In diesem Sinne schreibt Hegel in der EPW auch, der Staat
beruhe „nach diesem Verhältnis“ (von Religion und Sittlichkeit) auf der
religiösen Gesinnung[263].
Damit haben wir bereits auf einen entscheidenden Terminus zurückgegriffen, auf
jenen der „Gesinnung“, welche Hegel an erwähnter Stelle selbst nochmals in „sittliche“
und „religiöse“ Gesinnung ausdifferenziert. Ich habe bereits an früherer Stelle
die zweiseitige Bestimmung der Rolle der Gesinnung innerhalb des Staatsganzen
durch Hegel erläutert. Demzufolge erkennt Hegel die Gesinnung sowohl als vom
objektiven System der politischen Institutionen abhängige Variabel als auch als
notwendige Wurzel der Institutionen. Diese doppelte Fixierung der Gesinnung
erklärt sich in erster Linie dadurch, dass Hegel aufgrund seiner Kritik der
Abstraktheit einer Gesinnungsethik, Gewissen und Gesinnung nur innerhalb eines
komplexen Systems der Sittlichkeit Bedeutung zumessen zu können meint. Zu
erinnern ist an dieser Stelle an die bereits zitierte Erläuterung der
politischen Gesinnung als „Grundgefühl der Ordnung“[264].
Bedenkt man, dass Hegel dieses „Grundgefühl“ als wesentliche Basis des
Zusammenhalts im Staat versteht, dann wird deutlich, welche Rolle die Religion
seines Erachtens hier spielen kann. Wenn sich der Staat durch das
gemeinschaftliche „Zutrauen“ in seine Vernünftigkeit, durch die „politische
Gesinnung“, konstituiert, dann kann die Religion zunächst als Fundament dieser
Gesinnung verstanden werden, als deren „Substantialität“, wie es an der oben
zitierten Stelle der EPW heißt[265].
Bemerkenswert ist, dass, wie
ebenfalls bereits erwähnt, Hegel im § 268 der GPR zunächst vor allem auf die
Bedeutung des Staates für die Gesinnung pocht, während er nun in der EPW bei
der Erörterung der Rolle der Religion von einem in Etappen erfolgenden
Begründungsprozess des Staates durch die religiöse Gesinnung ausgeht und die
sittliche Gesinnung nur wegen ihrer Rolle der Vermittlung zwischen Religion und
Staat zu erwähnen scheint. Herbert Scheit schreibt in diesem Zusammenhang
meines Erachtens zu Recht, dass Hegel die Religion zwar als direkte Stütze des
Staates ablehne (man denke an die oben erwähnten Einwände Hegels), aber davon
ausginge, dass der Glauben den Staat „auf indirektem Wege“ stützen müsse[266].
Aufgrund ihres Einflusses auf die sittliche Gesinnung bestimmt die Religion
auch die Formen der Staatlichkeit. Gerade in Anlehnung an diese Formulierung
Scheits können zwei mögliche Varianten des Verhältnisses von Religion und Staat
expliziert werden, die meiner Meinung nach für ein Verständnis der Hegel’schen
Position wesentlich sind. Eine „direkte“ Begründung des Staates würde die
Religion demzufolge liefern, wenn sie unmittelbar zur Gesetzestreue aufriefe,
dies wäre die laut Hegel weit verbreitete Position, dass „Gottesfurcht“ den
„Gehorsam“ fördere. Von dieser Überzeugung ist jedoch die zweite Argumentationsvariante
zu unterscheiden, die vor allem darauf pocht, dass Religion eine „sittliche“
Gesinnung hervorrufe, da sie einen bestimmten Wertekonsens begründe, und dass
diese politische Überzeugung Grundlage einer spezifischen staatlichen Ordnung
sei. Während die erste Position eher formal orientiert scheint, da Religion
hier als Basis des politischen Gehorsams als solchem gilt, geht die zweite von
einer inhaltlichen Deduktion der Inhalte der politischen Gesinnung und damit
der Prinzipien der staatlichen Institutionen aus der Religion aus. Hegel muss
im Allgemeinen als entschiedener Vertreter zweiter und Kritiker ersterer
Position verstanden werden. Dies zeigt sich in den vielen Verweisen darauf,
dass nur die „wahrhafte“ Religion sinnvollerweise als Grundlage des modernen
Staates verstanden werden dürfte[267],
d. h. dass nur das Christentum aufgrund seiner inhaltlichen Bestimmungen zur
Stabilisierung der den vernünftigen Staat tragenden Gesinnung geeignet sei.
Allerdings sind für Hegel natürlich auch andere Religion „staatsbegründend“ -
mit den verschiedenen Arten des Politischen und den jeweils „entsprechenden“
Religionen beschäftigen sich schließlich die VPG - aber den Staat der Moderne,
als den Staat der Freiheit, sieht er nur im Christentum begründet. Was Hegel
nicht meint, ist, dass andere Religionen nicht „Grundlage“ eines Staates sein
können - bestimmte Glaubensformen des Orients versteht Hegel als möglicherweise
sogar festere Fundamente gewisser Staatsmodelle - besonders „despotischer“
Herrschaften. Insofern basiert selbstverständlich auch die These von der
„indirekten“ Begründung des Staates durch die Religion auf einer „formalen“
Überlegung. Denn abstrahiert besagt diese Argumentation nichts anderes, als
dass Religion eine besondere Form des Politischen „begründet“. Es ist aber eine
formale Überlegung, die den Inhalt zum entscheidenden Kriterium macht, während
erstere Überlegung das Befolgen der staatlichen Regeln unter Ausblendung ihrer
Inhalte und Ziele im religiösen Glauben zu fundieren versucht. Mit der
„direkten“ Begründung des Staates durch die Religion beschäftigt sich Hegel in
den religionsphilosophischen Vorlesungen, wo es über Vorstellungen, denen
zufolge „die Gesetze, die Obrigkeit, die Staatsverfassung von Gott stammen“[268],
heißt, diese bedeuteten auch „man soll den Gesetzen gehorchen, sie mögen sein
wie sie wollen“[269].
Hegel ist sich sehr wohl bewusst, dass eine Gleichsetzung von Gesetzestreue mit
Gehorsam gegenüber Gott die Gefahr der Willkürherrschaft inkludiert. Denn wenn
die juristischen Gesetze als unmittelbarer Ausdruck göttlichen Willens gelten,
stehen sie notwendigerweise außerhalb des Bereichs des Kritisierbaren.
Gewisserweise beschreibt Hegel an dieser Stelle eine besondere Form des
religiösen Fanatismus. Weist er doch daraufhin, dass „das Prinzip der
göttlichen Autorisation des Regenten“ darauf beruhe, dass der Wille des
Herrschers „eine unmittelbare Offenbarung Gottes sei“[270]
und dass sich diese Legitimationsform jederzeit umkehren könne, sodass auch
andere Menschen diese Qualität, unmittelbarer Ausdruck göttlichen Willens zu
sein, für sich beanspruchen können. Obwohl Hegel dem Gedanken, dass Gesetze
Teil einer gottgewollten Entwicklung sind, keineswegs ganz fern steht, so
betont er doch - und grenzt sich dadurch von allen Formen der „direkten“
Begründung des Staats ab -, wie entscheidend es sei, den göttlichen Willen in
den Gesetzen zu erkennen; und dies ist laut Hegel „nichts Partikulares, sondern
kommt allen zu“[271].
Damit stellt er klar, dass keine Person, keine Gruppe, aber auch kein Gesetz
unmittelbarer Ausdruck göttlichen Willens sein kann und dass religiöse
Legitimationen von Herrschaftsansprüchen, die auf den alleinigen Besitz der
Wahrheit bauen, nicht akzeptabel sein können.
Scheits These von der „indirekten“
Begründung des Staates durch die Religion ist jedoch insofern problematisch,
als sie den Anschein erwecken könnte, Hegel denke die Relation Religion-Staat
als linear geordnetes Kausalverhältnis[272].
So, als ob zunächst eine Form der Religion existierte, aus der sich dann eine
bestimmte sittliche Gesinnung entwickle, die im letzten Schritt eine ihr gemäße
politische Verfassung entstehen ließe. So einfach versucht Hegel meines
Erachtens das Problem aber nicht zu lösen.
Vielmehr versteht Hegel das
Begründungsverhältnis als zirkuläres. Religiöses und politisches
Selbstverständnis sind demzufolge als wechselseitig abhängige Faktoren zu
denken, die - neben anderen Einflüssen[273]
- zusammen den einen Geist der „Totalität“ eines Volkes ausmachen[274].
Möglichweise könnte man dies am besten mit dem Wort „Kräftefeld“ beschreiben.
Das „Volk“ wäre einem solchen Vergleich nach die Summe verschiedenster Kräfte,
die sich selbst, einander und ihr Resultat beeinflussen. Wie ich aber bereits
an früherer Stelle festgehalten habe, kommt bei Hegel nichtsdestotrotz der
Religion innerhalb dieses „Kräftefeldes“ insofern eine zentrale Rolle zu, als
sie der Maßstab der Kompatibilität der verschiedenen Kräfte ist. Die
Besonderheit dieses „Kräftefeldes“ wäre bei Hegel, dass es aus sich heraus neue
Kräfte entwickeln kann, die aber immer schon auf die Gesamtheit hin abgestimmt
sind. Warum gerade die Religion innerhalb dieses virtuellen „Kräftefeldes“ eine
besondere Position einnimmt, erläutert Hegel meines Erachtens in den VPG, wo es
heißt: „Der Geist aber hat sich ein ausdrückliches Bewußtsein davon [von der
Synthese von Subjektivität und Allgemeinheit in der Sittlichkeit des Staates]
zu geben, und der Mittelpunkt dieses Wissens ist die Religion.“[275]
Für ein Verständnis dieses Satzes ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass
Religion - anders etwa als das Rechtssystem - innerhalb des „Kräftefeldes“
eines „Volkgeistes“ eine zweifache Rolle spielt. Denn Religion ist nicht nur
ein auf die Individuen und damit auf die Gesamtheit des Volkes wirkender
Faktor, sondern sie liefert den Individuen auch ein Leitbild, an dem entlang
sie die anderen Faktoren messen bzw. kritisieren können. Daher hat sie nach
Hegels Meinung etwa auch entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung
politischer Systeme, die ja immer nur aus diesem „einen Geist“ der Menschen
heraus entwickelt werden.
Interessanterweise nennt Hegel im
Anschluss an die zitierte Stelle auch die beiden anderen Formen des „absoluten
Geistes“ als weitere Arten dieses Wissens. Am Schluss der Arbeit werde ich
darauf noch näher eingehen und insbesondere hinterfragen, ob und in welcher
Form Philosophie diese Rolle der Religion übernehmen kann. Für Hegel steht
jedenfalls die Religion „an der Spitze“ der Reflexionen über die im Staat
erfolgende Vereinigung[276].
Aufgrund dieser doppelten Rolle der Religion, als Einfluss auf die Menschen und
als von denselben innerhalb eines „Volkes“ Bewirktes, kann Hegel sagen, dass
der Staat aus der Religion „hervorgegangen ist und jetzt und immer aus ihr
hervorgeht“[277].
IV.
II. Die Bedeutung religiöser „Gesetze“
Wenn die Religion tatsächlich
innerhalb des von mir zur Erläuterung der Hegel’schen Gedanken herbeigezogenen
„Kräftefeldes“ eine entscheidende Rolle einnehmen soll, dann stellt sich
unweigerlich die Frage, welche besondere Qualität sie dazu berechtigt. Bisher
haben wir dazu nur festgestellt, dass die Religion ein Wissen über die
Vereinigung von Subjektivität und Allgemeinheit im Staat sei. Ohne Zweifel
bedarf diese These noch einiger Präzisierungen, die aber Hegel selbst nicht zu
geben scheint.
Im Voraus ist zu bemerken, dass sich
die übergeordnete Stellung der Religion innerhalb eines Gemeinwesens für Hegel
in entscheidender Hinsicht nicht von dem leicht zu argumentierenden Gedanken
herleitet, dass politische und soziale Regeln, die im Widerspruch zu religiösen
Geboten stehen, für das gläubige Individuum immer weniger zählen können als die
„heiligen Gesetze“. Natürlich ist sich Hegel dieser Tatsache bewusst und er
weist auch an mehreren Stellen darauf hin. Exemplarisch sei ein Zitat aus der
EPW genannt:
„Die Gesetze scheinen in diesem
Gegensatz gegen das, was von der Religion für heilig erklärt wird, als ein von
Menschen Gemachtes; sie können, wenn sie auch sanktioniert und äußerlich
eingeführt wären, dem Widerspruche und den Angriffen des religiösen Geistes
gegen sie keinen dauerhaften Widerstand leisten.“[278]
Selbstverständlich können für den
Gläubigen die temporären Regeln der endlichen Wirklichkeit nicht die Relevanz
der ewigen Gesetze haben. Es ist dies meines Erachtens aber nicht der
eigentliche „Angelpunkt“, um den sich die Hegel’sche Argumentation dreht. Warum
dies nicht der Fall ist, erklärt sich primär dadurch, dass Gebote und Gesetze
für Hegel nicht den Kern einer Religion ausmachen können. Eine Überzeugung, die
sich in den teils fast polemischen Ausführungen Hegels über die Inhalte des
Alten Testaments[279]
und den teils sehr kritischen Überlegungen zur jüdischen Religion ausdrückt[280].
Kritisiert Hegel am Judentum doch gerade die starke Betonung von Geboten
innerhalb seiner heiligen Schriften und die Gefahr, in eine „Vernunftlosigkeit
des Dienens“[281]
abzurutschen. Der jüdische Gott stünde, so die Meinung Hegels, den Menschen als
Herr gegenüber, dessen Gebote „wie von Knechten“ befolgt werden müssten[282].
Damit wären die Gesetze aber „nicht aus dem allgemeinen Zweck entwickelt“ und
stünden auch niemals zur Disposition; vielmehr inkludiere jede politische
Veränderung einen „Abfall von Gott“[283].
Gegenüber einem solchen Gott könne sich der Mensch aber nie als frei empfinden,
da er, was er ist, nur „durch den Einen“[284]
sei. Nun könnte es so scheinen, als ob die Vorstellung eines allmächtigen
Gesetzesgottes - dem gegenüber Furcht die existenzielle Empfindung ist -
Menschen sich nur als nichtig verstehen lassen könnte. Hegel schreibt jedoch:
„Die Furcht, in der der Knecht sich als Nichts betrachtet, gibt ihm die
Wiederherstellung seiner Berechtigung.“[285]
Im Dienen gewinnt der sich als von Gott getrennt, ausgeschlossen erkennende
Mensch eine neue Form des Selbstbewusstseins, so der Hegel’sche Gedanke; in
einem Dienen, das zugleich „höchster Zweck“[286]
und inhaltlich „willkürlich“[287]
ist. Der „willkürliche“ Charakter der göttlichen Gebote zeigt sehr gut, warum
Gesetze für Hegel nicht den eigentlichen Kern von Religion ausmachen können. Weil
gegenüber einer absoluten Macht Gottes, die keine Vermittlung zu der ihr als
Negatives gegenüberstehenden Welt inkludiert, jede Handlung „an sich unbestimmt
und deswegen ganz äußerlich“[288]
sein muss. Besteht für Hegel das Problem göttlicher Gebote, die sich auf ein
der Religion fremdes Gebiet beziehen, doch darin, dass sie „ungeistig“, d. h.
„zufällig“, weil nicht begründbar sein müssen. Denn „was geglaubt werden soll,
muß aber einen religiösen, geistigen Inhalt haben“[289],
ansonsten wird es allein zur zu befolgenden Äußerlichkeit.
Hegels Kritik einer solchen Religion[290]
basiert nun auf zwei Strängen, auf der Unmöglichkeit eines Verständnisses des
Menschen als freiem Wesen und auf der Mangelhaftigkeit des Gottesbildes, die
sich für Hegel im Wesentlichen eben darin beweist, dass ein solcher Gott kein
ihm gemäßes, weil geistiges und damit freies Wesen geschöpft hätte. Es ist wohl
auch kein Zufall, dass Hegel an dieser Stelle die Metapher von „Herr und
Knecht“ verwendet. Verweist diese Ausdrucksweise doch sehr deutlich auf Hegels
Ausführungen über den „Kampf um Anerkennung“. In der EPW betont Hegel, dass ein
auf der Stufe der „Herr-Knecht-Beziehung“ stehendes Anerkennungsverhältnis
nicht nur die Freiheit des Knechts beschränkt, sondern gerade auch die des
Herrn. „Der dem Knecht gegenüberstehende Herr war noch nicht wahrhaft frei,
denn er schaute im anderen noch nicht durchaus sich selber. Erst durch das
Freiwerden des Knechtes wird folglich auch der Herr vollkommen frei.“[291]
Religionsphilosophisch interpretiert folgt daraus, dass einem als „Herr“
verstandenen Gott erst dann wirkliche Freiheit zuzusprechen ist, wenn der ihm
gegenüberstehende Mensch nicht als „Knecht“, sondern als Freier erkannt wird.
Solange dies nicht der Fall ist, kann diese Gottesvorstellung nicht als einem
philosophisch konsistenten Gottesbegriff entsprechend angesehen werden.
Beide Argumente (die Kritik an einem
mangelhaften Menschenbild und die an der ebensolchen Gottesvorstellung), die
offensichtlich eng mit einander verbunden sind, zeigen meines Erachtens
Wesentliches, wenn es um ein adäquates Verständnis der Hegel’schen Einschätzung
des Verhältnisses von Religion und Staat geht. Verweisen sie doch bereits
darauf, worin für Hegel die eminent geschichtsmächtige Kraft von Religion
begründet liegt, nicht darin, dass sie Regeln inkludiert, die in einem Konflikt
mit säkularen Regeln aus religiöser Sicht die größere Relevanz haben, sondern
in der engen Verknüpfung von Gottes- und Menschenbild.
Auf diesen starken Konnex von
Gottesvorstellung und Anthropologie bzw. Politik spielt Hegel in den VPR an,
wenn es heißt:
„Es ist ein Begriff der Freiheit in
Religion und Staat. Dieser eine Begriff ist das Höchste, was der Mensch hat,
und er wird von dem Menschen realisiert. Das Volk, das einen schlechten Begriff
von Gott hat, hat auch einen schlechten Staat, schlechte Regierung, schlechte
Gesetze.“[292]
Trotzdem gibt es interessanterweise
meines Wissens keine explizite Darlegung Hegels dieses Verhältnisses. Im
Anschluss an obiges Zitat erklärt Hegel selbst, dass der Zusammenhang „in
seiner ausgebildeten Ausführlichkeit eigentlich der Philosophie der
Weltgeschichte“ angehöre[293].
Einen Hinweis darauf, was die eigentliche Verbindung von Religion und Politik
ausmacht, finden wir unter anderem auch in den VPR, wo Hegel Religion als
„auseinandergelegte Geschichte dessen, was der Mensch ist“[294]
bezeichnet.
Tatsächlich gibt es meines Erachtens
zwei Diskursbereiche innerhalb der Hegel’schen Philosophie, die Antworten auf die
Frage nach der Relation zwischen dem in der Religion wesentlichen Gottesbegriff
und dem für Hegel im politischen Zusammenhang wichtigen Menschenbild anbieten.
Konkret wird dieses Verhältnis innerhalb der geschichtsphilosophischen
Ausführungen in VPG und VPR (in den Texten über „die bestimmte Religion“)
behandelt - hier thematisiert Hegel den Zusammenhang von Religion und
Anthropologie innerhalb der verschiedenen Religionen. Darüber hinaus ist aber
auch der logische Zusammenhang von Gottes- und Menschenbegriff zu beachten, für
dessen Verständnis meines Erachtens vor allem Hegels Erörterungen des
Charakters von Endlichkeit und Unendlichkeit im Rahmen der „Seinslogik“
relevant sind. Ich werde im Folgenden zunächst die logische Seite
berücksichtigen und anschließend versuchen, die Konsequenzen des Verhältnisses
der Begriffe von Unendlichkeit und Endlichkeit mit der Relation Gott-Mensch in
Beziehung zu bringen.
IV.III.
Endlichkeit und Unendlichkeit - ein „Exkurs“ zur Logik
Wie bereits früher erwähnt[295]
versteht Hegel Religion im Allgemeinen als Form des Übergangs von der
Endlichkeit zur Unendlichkeit. Zunächst ist darunter vor allem eines zu
verstehen: Der Mensch, der sich, aber auch seine Umwelt, als kontingent erkennt
und dieses Faktum als Mangel interpretiert, vermutet (oder erhofft) ein
notwendiges Allgemeines hinter den zufälligen Dingen. Er sucht „den Grund
seiner Unselbständigkeit“[296],
den er nur in einem Unendlichen finden kann.
Doch Hegel weist in seinen
religionsphilosophischen Vorlesungen auch noch auf eine zweite Form des
Zusammenhangs von Endlichkeit und Unendlichkeit hin, die aber „ganz der
logischen Betrachtung angehörig“ sei und zeige, dass es das Endliche selbst
wäre, das „sich übersetzt ins Unendliche“[297].
Es ist mir hier nicht möglich, eine
prinzipielle Debatte des Hegel’schen Grundgedankens des sich selbst bewegenden
Begriffs zu führen. Ich werde im Folgenden trotzdem einen Exkurs zur Logik
machen, allerdings nur aus dem Grund, um den für Hegel wesentlichen
Zusammenhang zwischen Definitionen des Unendlichen und des Endlichen zu
betonen. Ein Konnex, der, meiner Meinung nach, auch unter der - von Hegel nicht
geteilten[298] -
Voraussetzung gilt, dass Begriffe in erster Linie von Menschen produzierte
Bezeichnungen sind. Auch wenn Begriffe als solche nicht Ausdruck des „Wesens“
der Dinge sind, bleibt die Frage von Interesse, ob Vorstellungen vom
Unendlichen nur unter Bezug auf Endlichkeit möglich sind, d. h. ob jedes Bild
der Unendlichkeit auch eines der Endlichkeit inkludiert.
Wenn wir nun den für eine solche
Betrachtung relevanten Abschnitt der Hegel’schen Seinslogik[299]
betrachten, so fällt auf, dass Hegel je nach Lesart zwei beziehungsweise drei
unterschiedliche Begriffe von Unendlichkeit behandelt. Wobei es, wie Justus
Hartnack zu Recht festhält, auffällig ist, „daß die wahre Unendlichkeit, die
Hegel meint, nichts mit dem zu tun haben scheint, was man gemeinhin unter einer
Unendlichkeit versteht und daß er dagegen das, was gemeinhin unter diesem
Begriff verstanden wird, die schlechte Unendlichkeit nennt“[300].
Am Anfang der Hegel’schen Gedanken über die Begriffe „Endlichkeit“ und
„Unendlichkeit“ steht das Verständnis von Unendlichkeit als „Negation der
Endlichkeit“[301]. Dies
daher, weil für Hegel jede Definition eines Unendlichen zunächst bei der
Bestimmung Gegensatz des Endlichen zu sein beginnen muss. Eine Tatsache, die
aber auch bedeutet, dass die Unendlichkeit in bestimmter Hinsicht auf ihr
Gegenteil angewiesen ist. Denn wenn „gesagt wird, was das Unendliche ist,
nämlich die Negation des Endlichen, so wird das Endliche selbst mit
ausgesprochen; es kann zur Bestimmung des Unendlichen nicht entbehrt werden“[302].
In Opposition zur Vergänglichkeit
des Endlichen befindlich inkludiert „Unendlichkeit“, die Bestimmung das „Nichts
des Endlichen“[303]
zu sein; da im Vergleich zur Unendlichkeit das Sein des Endlichen als wertlos,
weil unbeständig und veränderlich erscheint, d. h. das Endliche durch Vergleich
mit seinem Gegenüber als „nichtig“ erkannt wird. Zugleich umfasst der Bereich
des Endlichen aber auch „den Kreis der seienden Bestimmtheiten, der
Realitäten“, wohingegen das Unendliche „das unbestimmte Leere, das Jenseits des
Endlichen“ ist.[304]
„Unendlichkeit“ bezeichnet dieser Interpretation zufolge etwas rein Ideelles.
Im Rahmen meiner Arbeit scheint es
mir entscheidend, dass nach Hegel das oben skizzierte Verständnis von
„Unendlichkeit“ diese in der Form begreift, dass das Unendliche „nur unendlich
in Beziehung auf das Endliche“[305]
ist. Wenn jedoch das Unendliche als dem Endlichen Gegenüberstehendes gedacht
wird, muss das Endliche die Grenze des Unendlichen bilden, d. h. auch das
Unendliche beschränkt werden. Ein solcher „falscher“ Begriff der Unendlichkeit
kann für Hegel die eigentliche Qualität des Unendlichen nicht fassen, da er es
verendlichen muss. Vielmehr beschreibt er in Wahrheit nichts anderes als „zwei
Endliche“: das von ihm als Beschränktes verstandene Diesseits und das
vermeintlich „unendliche“ Jenseits.
Doch ein solcher
Unendlichkeitsbegriff (Hegel nennt ihn „abstrakt“[306])
macht das Unendliche nicht nur notwendigerweise zu einem „endlichen
Unendlichen“, sondern zugleich wird sein Gegenteil zum „unendlichen Endlichen“,
da vom Endlichen immer nur zu einem weiteren Endlichen zu gelangen ist, d. h.
ein „ewiger, unendlicher“ Progress auftritt[307].
Genauso wie das Unendliche so gefasst nur in Bezug auf sein Gegenteil
verstehbar ist, existiert auch die Endlichkeit nur als Widerpart der
Unendlichkeit, d. h. jede der beiden hat nur an der anderen „ein eigenes
unmittelbares Entstehen“[308].
Hegel entwickelt damit einen zweiten
„falschen“ Unendlichkeitsbegriff. Versteht er als „schlechte Unendlichkeit“
doch auch jenes Konzept, das Unendlichkeit als Form einer grenzenlosen Reihe
versteht[309]. Wenn vom
Endlichen zu einem diesem gegenüberstehenden Unendlichen (einem „endlichen
Unendlichen“) übergegangen wird, dann kann „über“ dieses endliche Ergebnis
abermals ein unendliches gesetzt werden, das aber ebenfalls mit Endlichkeit
behaftet ist, und so fort. Zum unendlichen Progress kommt es, so Hegel, wo
„relative Bestimmungen bis zu ihrer Entgegensetzung getrieben sind“, wo jeder
der beiden Bestimmungen „selbständiges Dasein“ zugeschrieben wird, obwohl „sie
in untrennbarer Einheit sind“[310].
Das große Manko eines Verständnisses von Unendlichkeit als endlosem Fortschritt
liegt für Hegel darin begründet, dass es sich nicht von der grundlegenden
Überzeugung löst, das Unendliche müsse
vom Endlichen unüberbrückbar getrennt sein, dass es den Bezug auf die
Unendlichkeit nur als äußerliches, zufälliges Attribut der Endlichkeit
versteht.
Zugleich liegt aber dem Konzept des
endlosen Progresses bereits etwas zu Grunde, was zentral für Hegels Begriff der
„affirmativen Unendlichkeit“ ist - die Bezogenheit von Endlichkeit und
Unendlichkeit. Der dritte Unendlichkeitsbegriff zeigt für Hegel nun auf, was an
sich auch in den beiden anderen schon vorhanden war[311]:
die Einheit von Endlichkeit und Unendlichkeit. Denn jede der beiden
Bestimmungen geht nach Hegel notwendigerweise in ihr Gegenteil über. Das
Unendliche wird als Opposition zum Endlichen gedacht und wird damit selbst ein
Endliches. Das Endliche wiederum wird als Nichtiges, als zu Überwindendes
definiert und führt durch die unendliche Annäherung zur Bestimmung der
Unendlichkeit. Der scheinbare Widerspruch, der im Laufe dieses „Prozesses“[312]
auftritt, nämlich dass sich Endlichkeit in Unendlichkeit (und vice versa)
wandelt, hebt sich für Hegel dadurch auf, dass eben beide Bestimmungen auch ihr
Gegenteil inkludieren. Wenn die Kategorie „Endlichkeit“ auch „Unendlichkeit“
verlangt, führt jene ja auch zur „Endlichkeit“, was nichts anderes besagt, als
dass beide Bestimmungen die „Rückkehr zu sich selbst“[313]
enthalten. Denn der Begriff einer abstrakt verstandenen Unendlichkeit negiert
nicht nur sich selbst und führt so zur Endlichkeit, sondern zugleich ist auch
die Endlichkeit nichts anderes als Hinausgehen übers Endliche, Aufgehen in der
Unendlichkeit. Beide Bestimmungen sind „Negation der Negation“[314]
und damit „Affirmation“[315],
weil sie sich - über ihr Gegenteil - selbst bestimmen. Damit führt diese
Begriffsentwicklung zu einem, wie Keyserlingk zu Recht schreibt, „verblüffendem
Resultat“[316]: Sowohl
Unendlichkeit als auch Endlichkeit sind unendlich.
Neben der hier versuchsweise
wiedergegebenen prozessualen Herleitung des Begriffs der „affirmativen“
Unendlichkeit findet sich in dem diesbezüglichen Hegel’schen Text aber auch
noch eine zweite, meines Erachtens einfachere Erklärung dessen, was „wahre
Unendlichkeit“ sein muss. Hegels Gedanke geht dabei von der bereits mehrfach
erwähnten Mangelhaftigkeit der „schlechten Unendlichkeit“ aus, der Tatsache,
dass ein als Gegensatz des Endlichen gedachtes Unendliches begrenzt, also
endlich ist. Dagegen muss wahre Unendlichkeit, kurz gesagt, genau das Gegenteil
dieses „endlichen Unendlichen“ sein. Sie muss ihr Gegenteil, das Endliche,
umfassen, um nicht von diesem begrenzt zu werden, sie muss aber dadurch auch
die „schlechte Unendlichkeit“, die ja in Wahrheit nichts anderes ist als
Endlichkeit, inkludieren. Sie ist „Einheit des Endlichen und Unendlichen, die
Einheit, die selbst das Unendliche ist, welches sich selbst und die Endlichkeit
in sich begreift“[317].
Wahre Unendlichkeit umfasst für Hegel nicht nur das Endliche, sondern auch die
Differenz zwischen Endlichkeit und (endlicher) Unendlichkeit.
Wenn wir das oben Erörterte nochmals
kurz zusammenfassen, so bleibt festzuhalten, dass für Hegel jeder Begriff von
Unendlichkeit in Beziehung zur Endlichkeit steht. Worauf Hegel dabei besonders
insistiert, ist, dass gerade die Voraussetzung der absoluten Trennung von
Endlichkeit und Unendlichkeit zu einer Einheit, Bezogenheit der beiden
Bestimmungen führt. Während „falsche“ Vorstellungen von Unendlichkeit aber bei
dieser Differenz stehen bleiben und so das Unendliche verendlichen, umfasst
„wahre Unendlichkeit“ sowohl „Unendlichkeit“ als auch „Endlichkeit“. Dies wird
im Folgenden noch entscheidend, wenn ich versuchen werde, Hegels Überlegungen
zur „Unendlichkeit“ in Verbindung zu den vom ihm behandelten
Gottesvorstellungen zu bringen.
IV.IV.
Selbsterkenntnis des Menschen in Gott
Zunächst möchte ich meinen Exkurs zur
Hegel’schen Logik beenden und wieder zum bereits thematisierten Verhältnis von
Gottes- und Menschenbild zurückkommen. Wie oben erwähnt ist eine philosophische
Aufarbeitung dieser Relation für Hegel eine von der Geschichtsphilosophie zu
bewältigende Problemstellung. Begibt man sich nun in den VPG auf Spurensuche,
so findet man zunächst Sätze wie „Die Religion ist uns das Wissen des Wesens,
das eigentlich unser Wesen ist“[318],
und die Aussage, der Mensch habe „in seinem absoluten Gegenstande das Wesen und
sein Wesen gefunden“[319],
jedoch ebenfalls kein systematisches Elaborat zum Thema.
Wo liegt nun aber für Hegel die
entscheidende Gemeinsamkeit des „Wesens“, um das es in der Religion geht, und
unserem „Wesen“?
Einen für die Beantwortung dieser
Frage wichtigen Hinweis finden wir in dem Satz:
„Der Inhalt ist der Geist, und eine
Entwicklung, was der Geist ist, ist der Inhalt der ganzen
Religionsphilosophie.“[320]
Setzen wir dem Hegels Überzeugung,
der Mensch sei „wesentlich als Geist“[321]
gegenüber, so entsteht bereits ein wichtiger Konnex. Die Geistigkeit ist
demzufolge die wesentliche Verbindung zwischen den Begriffen „Mensch“ und
„Gott“ bzw. „Absolutes“. Wie eng diese Verbindung für Hegel ist, zeigt sich zum
einen an den mehrfachen Betonungen, dass Religion nur bei Menschen, nicht aber
bei Tieren existiere[322],
zum anderen in den Erklärungen, warum Gott nur als Mensch, nicht aber als Tier
erscheinen könne. Daher erschien Hegel der Schiller’sche Gedanke, dass die
Götter Griechenlands „menschlicher“ wären so besonders problematisch[323].
Zeigt diese Menschenähnlichkeit für Hegel doch gerade die geistige
Überlegenheit der griechischen Antike gegenüber „Naturgöttern“ und
„Abstraktionen des einen und höchsten Wesens“[324].
Im Gegensatz zur langen geistesgeschichtlichen Tradition der Anthropomorphismusvorwürfe
gegenüber den griechischen Göttern kritisiert Hegel die antike Götterwelt
bemerkenswerterweise aber gerade als zu wenig menschlich. Die Unsterblichkeit
der griechischen Götter verhindere deren wahre Humanität, so Hegel. Während der
christliche Gottessohn als Leidender und Sterbender „unendlich menschlicher“
sei. Daher ist für Hegel das Christentum, wie Höffe festhält, „die humanste
Religion“, findet doch tatsächlich mit dem Tod Jesu eine „radikalere
Vermenschlichung“ statt als „etwa mit dem Ehebruch Zeus“[325].
Mit dieser Betonung des Todes als eigentlich menschlichem Charakteristikum
eines Gottes trifft sich Hegel interessanterweise indirekt genau mit dem
„Urvater“ des Anthropomorphismusvorwurfs, mit Xenophanes. Kritisierte dieser
doch, dass wer die vielfältigen Geschichten der Geburten der griechischen
Götter erzähle, genauso viel sündige, „wie jene, die sagen, daß sie sterben“[326].
Auch Xenophanes sah im möglichen Tod, den er indirekt - und argumentativ wohl
richtig - aus dem Geborenwerden herleitete, das Charakteristikum der Humanität
der Götter. Während dies für ihn jedoch ein Zeichen falscher, „sündhafter“
Gottesvorstellungen war, deutet Hegel dies genau gegensätzlich. Wenn Gott
erscheine, dann, so Hegel, könne dies nur in Menschengestalt sein, „denn keine
andere Gestalt vermag es als Geistiges aufzutreten“[327].
Allerdings deutet Hegel den Tod des
christlichen Gottes zweifach. Dieser ist nicht nur ein Zeichen der Humanität
des Göttlichen, sondern auch Symbol dafür, dass „nicht der Mensch im sinnlichen,
unmittelbaren Dasein, sondern der, der die Gestalt des Geistes an sich trägt“[328]
Gegenstand der Verehrung ist[329].
Weil sie die „Forderung der Erhebung“ bereits in sich trägt - weil der Mensch als
Denkender auch über seine Endlichkeit hinausgehen kann -, ist die menschliche
Gestalt dem Göttlichen am ehesten entsprechend. Da das Tier unreflektiert,
seinem Trieb gehorchend agiert, sind Götter in Tiergestalt für Hegel
Kennzeichen dafür, dass das Göttliche als „die Macht überhaupt“[330],
als Substanz und nicht als Subjektivität verstanden wird. Nur ein Absolutes,
das etwa als „das allgemeine Leben“, nicht aber als freier Geist interpretiert
wird, kann in einem Tier, welches „die bewußtlose Macht, die im Ganzen wirkt“[331]
in sich hat, repräsentiert werden. Die vielen Seiten eines obersten Prinzips
können zwar durch Tiere, als Symbole bestimmter Qualitäten, dargestellt werden,
nicht aber die - bewusste - Freiheit eines als Subjektivität gedachten Gottes,
so der Hegel’sche Gedanke. Für unseren Zusammenhang von größerem Interesse ist
allerdings die Umkehrung dieser Überlegungen zum Hintergrund animalischer
Darstellungen des Göttlichen - die Bedeutung solcher Theologien für das
Menschenbild und damit für die politische Ordnung. Hegel meint nämlich, dass,
wenn Tiere als Götter verehrt werden, dies insofern zu einer Geringschätzung
des Menschen führen kann, da dann jeder Naturgegenstand gleich bedeutsam ist.
Die Verehrung des Göttlichen in Menschengestalt hingegen führt seines Erachtens
dazu, dass auch die Humanität höher geachtet wird. Allerdings ist hier kritisch
anzumerken, dass eine „Tier-Religion“ ja auch als Form des größeren Respekts
vor den nichtmenschlichen Lebewesen verstanden werden könnte. Für Hegel ist jedoch
besonders wichtig, dass eine Darstellung des Göttlichen im Menschen zu mehr
Achtung vor der Freiheit des humanen Subjekts führt, da die Subjektivität dann
auch Charakteristikum des Göttlichen ist. Damit sind wir auch bereits beim
zweiten wichtigen Bindeglied zwischen Gottes- und Menschenbild, dem
Freiheitsverständnis, das für Hegel wesentlich dadurch bestimmt wird, in
welcher Form die menschliche Autonomie im Göttlichen begründet ist. Sagt Hegel
doch in den VPG, dass das Bewusstsein der Freiheit des Menschen als Mensch
„zuerst in der Religion, in der innersten Region des Geistes aufgegangen“[332]
ist. Wenn aber die Geschichte primär „Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit“[333]
ist und zugleich diese Erkenntnis der eigenen Freiheit, die doch nur existiert,
wenn sie gewusst wird[334],
zuerst in der Religion vorhanden ist, dann sagt Hegel damit nichts anderes, als
dass Religionen notwendigen Stufen des historischen Fortschritts sind.[335]
Allerdings darf das zunächst nur als historischer Befund gewertet werden, d. h.
Hegels Hypothese gilt auch seinem eigenen Anspruch nach nur für die bereits
vergangenen historischen Epochen. Inwieweit auch die Gegenwart in ihrem
Freiheitsverständnis ebenfalls noch von Religion abhängig ist, darauf wird an
späterer Stelle noch einzugehen sein.
Die Verbindung der Begriffe „Mensch“
und „Gott“ über den Aspekt der Freiheit zeigt, dass es sich dabei um eine
zweidimensionale Relation handelt. Zum einen demonstriert, wie oben dargelegt,
das Verständnis der göttlichen Freiheit und Subjektivität die Wertschätzung
dieser Attribute auch in Bezug auf den Menschen, zum anderen ist aber auch die
Freiheit des Menschen in der Beziehung auf das von ihm verehrte höchste Wesen
entscheidend. Exemplarisch bin ich darauf schon früher[336]
eingegangen und habe dabei gezeigt, dass für Hegel der Mensch auch in Beziehung
auf einen als „Herr“ verstandenen Gott eine Form des - „knechtischen“ -
Selbstbewusstseins erlangen kann. Ganz allgemein kann gesagt werden, dass jede
Bestimmung des Göttlichen auch eine besondere Form der Freiheit des Endlichen
im Verhältnis zum Göttlichen inkludiert. An dieser Stelle scheint mir ein
Verweis auf den oben vorgenommenen Exkurs zu den logischen Bestimmungen
„Endlichkeit“ bzw. „Unendlichkeit“ sinnvoll. Wenn wir die drei dort behandelten
Unendlichkeitsbegriffe mit religiösen Gottesvorstellungen parallel setzen, so
zeigt sich, dass ein Gott, der als das ganz Andere des Menschen verstandenen
wird, das Endliche als „Nichtiges“ bestimmt; als ein Nichtiges aber, das wie
bereits erwähnt sein Selbstbewusstsein als dienendes erhält. Der „abstrakten“
Unendlichkeit entspricht für Hegel religionsphilosophisch die Vorstellung von
Gott als Unendlichem, demgegenüber das Sein des Menschen nur Schein ist[337].
Die „Freiheit“ des Menschen liegt hier im Dienen, nicht im Entscheiden.
Zugleich muss - das zeigt uns der Verweis auf die Logik - eine solche
Gottesvorstellung mit dem Problem zu kämpfen haben, dass sie das Jenseits nur
als gegensätzliche Bestimmung des Diesseits fassen kann, d. h. dass auch ein
solcher Gottesbegriff nur in Beziehung auf Endliches zu fassen ist.
Ähnlich sieht die Bestimmung des
Menschen aus, wenn das Göttliche als fortwährender Prozess der Veränderung, als
„unendlicher Progress“ verstanden wird. Dann ist auch der Mensch nur ein Teil
dieser andauernden Bewegung des Lebens, dessen Wert wie gesagt den aller
natürlichen Objekte nicht übersteigt.
Wie aber auch in der Logik die
falschen Unendlichkeitsbegriffe an sich bereits das eigentliche Verhältnis von
Unendlichkeit und Endlichkeit enthalten, so ist für Hegel auch in den
kritisierten Gottesbildern die notwendige Bezogenheit von „Gott“ und „Mensch“
bereits - unausgesprochen - behandelt. Obwohl dem „abstrakten“ Gott noch die
letzte Freiheit fehlt, solange er im „Knecht“ noch nicht seine eigene Freiheit
sieht, und der Bestimmung des Unendlichen als infinitem Progress noch abgeht,
dass die endlichen Element bewusst aus ihm heraus entwickelt werden, so
existiert keine der beiden Gottesvorstellungen ohne Bezug auf das Endliche.
Wirkliche Freiheit besteht aber erst dort, schreibt Hegel im Zuge seiner
Überlegungen zu „Herr und Knecht“, wo ich mich unmittelbar auf mich beziehe,
„indem ich mich auf den anderen beziehe“[338].
Parallel zur doppelten „Bewegung“ in der Logik bedeutet das, dass sich der
„Herr“ als frei versteht, indem er den „Knecht“ als autonom anerkennt, und dass
der „Knecht“ frei ist, wenn er sich in einem über sein ursprünglich
individuelles Anliegen hinausgehenden Allgemeinen selbst findet. Es wundert
nicht weiters, dass Hegel an der zitierten Stelle der EPW im Folgenden seine
Erklärung dieses Selbstbewussteins unter anderem mit Verweisen auf
„Vaterlandsliebe, dieses Wollen der allgemeinen Zwecke und Interessen des
Staates“ und „Liebe zu Gott“ weiter ausführt. Womit wir abermals bei einer der
wichtigsten Bestimmungen des Verhältnisses von Religion und Staat bei Hegel
angelangt sind, dem für beide Bereiche wesentlichen Spannungsbogen zwischen den
Begriffen „Subjektivität“ und „Allgemeinheit“.
Zu erinnern ist dabei zunächst an
bereits Erläutertes: „Staat“ bezeichnet für Hegel primär die bewusste
Integration der Einzelnen in ein Ganzes, das auch über ihre eigenen,
„besonderen“ Wünsche hinausgeht[339],
und „Religion“, im Besonderen der religiöse „Kultus“, ist für ihn der Versuch,
die erkannte Unzulänglichkeit der eigenen Existenz in einem Zusammenschluss mit
dem Göttlichen zu überwinden[340].
Sehr deutlich hebt Hegel die
Bedeutung der Synthese von Einzelheit und Allgemeinheit an einer bereits
zitierten Stelle der VPG hervor:
„Indem ich aber denkend weiß und
will, will ich den allgemeinen Gegenstand, das Substantielle des an und für
sich Vernünftigen. Wir sehen somit eine Vereinigung, die an sich ist, zwischen
der objektiven Seite, dem Begriffe und der subjektiven Seite. Die objektive
Existenz dieser Vereinigung ist der Staat, welcher somit die Grundlage und der
Mittelpunkt der anderen konkreten Seiten des Volkslebens ist, der Kunst, des
Rechts, der Sitten, der Religion, der Wissenschaft. Alles geistige Tun hat nur
den Zweck, sich dieser Vereinigung bewußt zu werden, d. h. seiner Freiheit.
Unter den Gestalten dieser bewußten Vereinigung steht die Religion an der
Spitze.“[341]
Wesentlich scheint es mir zu sein,
dass sowohl Staat als auch Religion Formen einer „Versöhnung“ von Individuum
und Allgemeinheit sind, denen das Bewusstsein einer Trennung vorausgeht. Wie
der Staat, im Speziellen der Staat der Moderne, ein Versuch ist, das Scheitern
des Egoismus der bürgerlichen Gesellschaft, der wiederum nur in ein System der
Abhängigkeit, der Heteronomie führt, zu beheben, so lebt Religion von dem
Wunsch nach Überwindung der eigenen „Sündhaftigkeit“, d. h. der Trennung des
Einzelnen von der allgemeinen, „göttlichen“ Ordnung. Zugleich aber, und das ist
an dieser Stelle sehr wesentlich, sind beide Formen der Vereinigung mit einer
Art des Verzichts, der Reduktion der eigenen Bedürfnisse, verbunden - mit einer
Preisgabe, die ein Bewusstsein um den Wert der Synthese erfordert und die im
Anspruch des Denkens, allgemein gültig zu entscheiden, angelegt ist. Da ich auf
Hegels Überlegungen zur Begründung des Staates im freien Denken bereits am
Beginn dieser Arbeit ausführlich zu sprechen gekommen bin, möchte ich mir hier
vor allem dem zweiten Teil des obigen Zitates widmen, der Erläuterung der
Religion als Bewusstsein der Vereinigung.
In der Religion, so Hegel in den VPG
weiter, „entsagt der Wille des Menschen seinem besonderen Interesse“, im
kultischen Opfer zeige der Gläubige, dass er „seines Eigentums, seines Willens,
seiner besonderen Empfindung sich entäußere“[342].
Ich habe bereits früher erwähnt, dass Hegel Opfer als Versuche, die Nichtigkeit
der eigenen, endlichen Existenz auszugleichen, versteht. Bemerkenswert ist
hier, dass diese Negation der Individualität Merkmal der Vereinigung von
Subjektivität und Allgemeinheit sein soll. Betont Hegel doch in den
rechtsphilosophischen Ausführungen, dass der Staat wesentlich auf der
Integration und der Bewahrung der Individualität basiere. Was nur schlecht mit
dem hier ebenfalls genannten Begriff der „Andacht“ (die Hegel anderorts als
„Hineinversenken“ charakterisiert[343])
zusammenpasst. Wesentlich ist die Religion insofern für den Staat, als sie ein
Versuch ist, die Synthese von Subjektivität und Allgemeinheit nicht nur zu
leben, sondern auch zu reflektieren. Womit wir abermals bei Gottesvorstellungen
und ihren Verbindungen zur Endlichkeit sind. Kann die Integration des einzelnen
Menschen in ein - politisches - Allgemeines für Hegel letztlich nur dann
wirklich verstanden werden, wenn sich dies auch im - religiösen - Absoluten
ausdrückt. Wenn im Religiösen das Endliche nur als nichtiger Gegensatz des
Unendlichen gedacht wird, dann wird auch im Politischen das Einzelne nicht
geschätzt, d. h. das Allgemeine des Staates wird zum einzig Relevanten und der
Schutz der Besonderheit der Individuen gleichgültig. Daher kann Freiheit nur
sein, „wo die Individualität als positiv im göttlichen Wesen gewußt wird“[344].
Aus diesem Grund macht für Hegel die
Vorstellung von Gott „die allgemeine Grundlage eines Volkes aus“[345]
und ist Religion „der Ort, wo ein Volk sich die Definition dessen gibt, was es
für das Wahre hält“[346].
Da die Realität eines Volkes die Vereinigung seiner Mitglieder ist, und diese
dauerhaft nur bestehen kann, wenn sich die Individuen zugleich des Wertes der
Synthese und der Subjektivität ihrer Elemente bewusst sind, spielt die Religion
im Leben eines Volkes eine derart relevante Rolle. Die religiöse
Gottesvorstellung enthält für Hegel nicht nur „alles, was zur Wesentlichkeit
des Gegenstandes gehört“, sie bringt die wesentlichen Elemente des
Verständnisses der Vereinigung auch „auf einfache Grundbestimmungen zurück“[347].
Das zeigt, was die Religion gegenüber den anderen oben zitierten Formen der
„bewussten Vereinigung“ auszeichnet - ihre Simplizität und Verständlichkeit.
Kunst und Wissenschaft etwa haben dagegen für Hegel durch ihre formal anderen
Antworten - auf die inhaltlich identen Fragen - genau diese Qualität nicht.
IV.V.
Die differenten Formen von Religion und Staat
Es könnte so scheinen, als ob die
Frage nach den unterschiedlichen Formen von Staat und Religion bereits an
früherer Stelle, bei der Gegenüberstellung von „objektivem“ und „absolutem“
Geist, beantwortet wäre. Und wären die Hegel’schen Texte nur Teile seiner
systematischen Philosophie, so müsste dies tatsächlich zutreffen. Hat sich doch
gezeigt, dass die Religion für Hegel als Element des absoluten Geistes ein über
das Existierende des objektiven Geistes und damit den Staat als Form der
Wirklichkeit hinausgehendes Wissen ist.
Nun gibt es aber vor allem in den
GPR einige Stellen, an denen Hegel seine eigene systematische Ordnung zu
unterlaufen scheint. Etwa wenn er, wie bereits zitiert, schreibt:
„Der Staat ist die Wirklichkeit der
sittlichen Idee - der sittliche Geist, als der offenbare, sich selbst
deutliche, substantielle Wille, der sich denkt und weiß ...“[348]
Dieses Sich-selbst-Wissen des
Staates wäre aber, wenn der Staat nur als Form der Wirklichkeit gedacht würde,
nicht möglich. Da jedoch, meines Erachtens nach, Hegel keine strenge - v. a. keine
zeitliche - Trennung der verschiedenen Geistsphären gedacht hat, sondern auch
den absoluten Geist als dem objektiven immer schon vorausgehend, kann er seine
eigene begriffliche Trennung, dass der Staat eine „Wirklichkeit“ und die
Religion ein „Wissen“ sei[349]
nur als Teilaspekt des Verhältnisses von Staat und Religion betrachten.
Auch wenn es an dieser Stelle
möglicherweise eine Unschärfe innerhalb des „Systems“ gibt, so scheint mir
gerade die Erklärung des Staates als sich-selbst-denkender Geist[350]
für eine Erörterung des Verhältnisses von Staat und Religion ganz wesentlich,
zeigt sie doch das vermutlich größte Problem, welches innerhalb dieser Relation
auftreten kann. Denn wenn der Staat tatsächlich ein System der allgemein
gültigen und vernünftig argumentierbaren Regeln ist, dann muss dies
notwendigerweise zu Konflikten mit der Sphäre der Vorstellung, des Gemütes und
der Innerlichkeit führen. Und solange die Religionsphilosophie mit ihrer
„bildungspraktischen Aufgabe“[351]
noch nicht restlos erfolgreich war, d. h. solange die religiösen Inhalte noch
nicht im philosophischen Denken „aufgehoben“ sind, muss zwischen Staat und
Religion eine Dissonanz bestehen bleiben.
Bemerkenswerterweise erkennt Hegel
in den GPR bei der Reflexion des staatlich-religiösen Verhältnisses eine
Unterscheidung an, die er, was problematisch genug ist, an anderer Stelle zu
übergehen scheint[352]
- die Differenz zwischen legaler Handlung und innerlicher Überzeugung. Betont
er doch, dass es für den Staat „gleichgültig ist, in welcher Gemütsweise“[353]
das vom Gesetz Geforderte erfüllt wird. Anders als die Religion, die ihre
wesentliche Erfüllung in der subjektiven Überzeugung des Individuums findet,
kann sich der Staat darauf beschränken, die Legalität der Handlungen
einzufordern und muss sich davor hüten, auf „religiöse Weise“ zu fordern, da er
sonst „das Recht der Innerlichkeit gefährden würde“[354].
Wobei hier natürlich nicht Hegels luzide Überlegungen über die generelle
Abhängigkeit eines politischen Systems von der „Gesinnung“ seiner Mitglieder
vergessen werden sollten[355].
Das große Konfliktpotenzial in der
Beziehung von Staat und Religion liegt für Hegel darin begründet, dass die
Inhalte der Religion „vorgestellte“ sind und dadurch mit all den beschriebenen
Mankos dieser Bewusstseinsform behaftet sind. Da die religiösen Geschichten die
ihnen impliziten Wahrheiten nur als außerhalb des Subjekts liegende Objekte -
beispielsweise als göttliche Gestalten - darstellen, kann letztlich etwa auch
die für Hegel so wesentliche Vereinigung von Individualität und Allgemeinheit
im Religiösen nur als jenseitiger Vorgang, nicht aber als an sich notwendiger
Zusammenhang betrachtet werden. Das eigentlich Problematische ist nun daran,
dass auch eine „Übersetzung“ der religiösen Inhalte immer individuell gebunden
ist. Das bedeutet, dass auch das religiöse Subjekt, welches die religiösen
Wahrheiten zu Regeln im sozialen Zusammenhang wandeln möchte, diese Übertragung
nur auf Basis seiner eigenen Überzeugung leisten kann und dadurch gerade nicht
die vom staatlichen Gesetz verlangte Allgemeinheit erreicht. Weil die Inhalte
im Religiösen „vorgestellt“ sind, sind sie bestenfalls exemplarisch, nicht aber
allgemein und damit gesetzmäßig. Eine wirkliche Übertragung der religiösen
Konzepte in staatliche Gesetze kann nur über den Umweg einer philosophischen
Reformierung des Religiösen führen, was aber all die schon besprochenen
Schwierigkeiten inkludiert[356].
Wenn die Religion jedoch an ihrer
besonderen Form festhält und sich zugleich „staatliche“ - d. h. gesetzgebende -
Funktion anmaßt, dann wird der Rechts- zum „Frömmigkeitsstaat“. Nicht mehr die
allgemeine Begründung wird zur entscheidenden Instanz, sondern das „subjektive
Gefühl ist das gesetzgebende“[357],
die Religion und der mit ihr verbundene Staat wird „fanatisch“. Womit wir bei
einem Begriff angelangt sind, dessen Verwendung bei Hegel meines Erachtens eine
genauere Untersuchung erfordert.
Ausgangspunkt der Gedanken Hegels
zum Phänomen des „Fanatismus“ ist in den VPR die von mir „systematisch“
genannte Differenz zwischen dem Staat als Wirklichkeit und der Religion als
Wissen und Verhältnis zum Absoluten, der gegenüber „alles nur als ein
Akzidentelles, auch Verschwindendes“ ist. Als Gegenüber eines solchen Glaubens
scheint der Staat der „Unsicherheit und Zerrüttung preisgegeben“ zu sein. Da im
Vergleich zu den „ewigen“ Gesetzen der Religion die staatlichen immer nur als
bedingte, kontingente erscheinen, gelte: „[…] dem Gerechten ist kein Gesetz
gegeben“[358], so Hegel.
Diese „Erhöhung“ der Religion führt aber nicht nur zur Beliebigkeit gegenüber
der sozialen, staatlichen Ordnung, sondern trägt die Gefahr der Willkür und der
Intoleranz in sich. Wer seinen eigenen Glauben über jede sittliche Struktur
stellt, kann dem „Ungläubigen“ die für den intersubjektiven Zusammenhang
wesentliche Anerkennung als vernünftiges Wesen nicht mehr gewährleisten. Damit
tritt aber insofern eine bedeutsame Wendung ein, als gerade aus der
Nichtigsetzung der besonderen Wirklichkeit eine Art des Umgangs mit eben dieser
Wirklichkeit folgt. Fanatismus hat also gewissermaßen immer schon zwei Seiten:
Zum einen kann er Handlungen nur durch ein „abstraktes“ Prinzip legitimieren
und jeden anderen Handlungsgrund für nichtig oder gar böse erklären, zum
anderen kann der Fanatiker gerade weil ihm die Wirklichkeit im Vergleich zu
einer „höheren“ Realität zwecklos
erscheint innerhalb dieser „unbedeutenden“ Welt willkürlich handeln.
Interessant ist, dass Hegel den
Begriff „Fanatismus“ auch an zumindest zwei Stellen seiner
geschichtsphilosophischen Überlegungen verwendet - bei seinen Erörterungen der
welthistorischen Bedeutungen von so unterschiedlichen Ereignissen wie dem
Auftreten des Islams und dem Stattfinden der Französischen Revolution[359].
Wie bereits gesagt ist es für Hegel
ein wesentliches Charakteristikum des „Fanatismus“, das Bestehende zu Gunsten
eines Idealen, „Abstrakten“ zu negieren. In den VPG schreibt Hegel bei seiner
Behandlung des „Mohammedanismus“[360],
der Fanatismus sei „wesentlich nur dadurch, daß er verwüstend, zerstörend gegen
das Konkrete sich verhält“[361].
„Fanatisch“ ist für Hegel, wer aufgrund seines Glaubens an ein jenseitiges
Idealbild die immer ausdifferenzierte Realität nicht achten kann, da sie im
Vergleich zu der einfachen Zielvorstellung immer auch Unvollkommenes
inkludiert. In diesem Sinne spricht Hegel auch vom „abstrakten Gedanken“ des
Fanatikers und der „konkreten“ Wirklichkeit. Das Ideal lässt sich genau durch
eine Bestimmung charakterisieren, sei es die der „Güte“, der „Gerechtigkeit“
etc. Demgegenüber steht eine Wirklichkeit, die genau diese Simplizität des
Utopischen vermissen lässt. Da die Realität der „einen“ Bestimmung des Ideals
nie vollends genügen kann, ist sie für den Fanatiker nur eine zu vernichtende.
Zugleich aber liegt im Fanatismus ein enormes schöpferisches Potenzial. Da dem
Fanatiker Diesseitiges unbedeutend ist, zählt ihm auch seine eigene Mühe wenig.
Metaphorisch könnte gesagt werden, wer nur das Ziel vor Augen hat, sieht wenig
von den Hindernissen am Weg dorthin. Daher schreibt Hegel, nie habe „die
Begeisterung als solche größere Taten vollbracht“ als in Zeiten der Ausbreitung
des „fanatischen“ Islams. Wobei hier Hegel keineswegs nur an die militärische
Eroberungsgewalt denkt, sondern auch an die Entwicklung von Kunst und
Wissenschaft.
Religionsphilosophisch vermeint
Hegel einen dem Fanatismus entsprechenden Gottesbegriff zu erkennen. Es ist
dies die Vorstellung von Gott als dem „absolut einen“[362].
Wenn Gott nur als unbestimmtes Absolutes gefasst wird, dem der Mensch als
Partikularer nichtig gegenübersteht, dann gibt es für den Menschen nur einen
einzigen tolerablen Zweck, die Verehrung dieses Einen selbst. Worauf Hegel wohl
abzielt ist, dass, wenn jede Handlung als typisch menschliche immer nur als
beschränkte, unbedeutende, weil im Diesseits situierte gilt, alleine die Form
des Bezugs auf das Jenseits Wert haben kann, da nur dabei eine Überwindung der
Partikularität erfolgt. In dieser singulären Wertschätzung der „Versenkung“ in
Gott liegt Hegel zufolge insofern der Fanatismus begründet, da sie zugleich
auch erfordert, „die Verehrung des Einen in allen Menschen hervorzubringen“[363].
Das Fatale eines solchen Gottesbegriffes scheint für Hegel zu sein, dass der
Mensch „nur insofern Wert“ hat, „als er seine Wahrheit setzt in das Wissen, daß
dies der Eine, das Wesen sei“[364].
Die Problematik liegt dabei natürlich in dem „nur insofern“. Fehlt damit doch
die zentrale Bestimmung des Selbst(!)wertes des Menschen. Da der Fanatiker dem
Mitmenschen nur über eine bestimmte Eigenschaft oder Tätigkeit Bedeutung
zuschreiben kann, steht er immer schon am Rand der Gewalttätigkeit.
Eine Erörterung der Hegel’schen
Sicht des „fanatischen“ Charakters der Französischen Revolution könnte an
dieser Stelle insofern unpassend erscheinen, als es für Hegel gerade zu den
Kennzeichen dieser Epoche gehört, ein völlig vom religiösen Kontext
abgetrenntes Freiheitsideal verwirklichen zu wollen[365].
Trotzdem scheint mir auch aus Hegels Behandlung des areligiösen Fanatismus der
französischen Revolutionäre einiges über das „fanatische“ Verhältnis von
Religion und Staatlichkeit ableitbar.
Hegel beschäftigte sich an zwei
Stellen seines Werkes ausführlich mit der Französischen Revolution, ihrer
welthistorischen Bedeutung und den gewalttätigen Konsequenzen der Ereignisse
von 1789: in der PhG und in den VPG. Den Begriff „fanatisch“ wendet Hegel dabei
nur in den geschichtsphilosophischen Vorlesungen zur Charakterisierung der
Revolutionäre an. In der PhG stehen zwei andere Ausdrücke im Zentrum der
Hegel’schen Ausführungen: „absolute Freiheit“ und „Schrecken“. Nichtsdestotrotz
könnte auch hier der Terminus „Fanatismus“ ohne große Beugungen des Hegel’schen
Textes aufgenommen werden. Mit dem Begriff „absolute Freiheit“ beschreibt Hegel
das anscheinend seinem Verständnis nach bei den Revolutionären vorherrschende
Bewusstsein, dass nichts gelten dürfe als der die Revolution tragende Gedanke
der Freiheit selbst. Da aber auch die Revolutionäre immer besondere Menschen
sind, kann jedem von ihnen als absolute, zu verwirklichende Freiheit letztlich
nur seine eigene Vorstellung gelten. Der Einzelne kann keinerlei Strukturen
oder Institutionen anerkennen, da solche immer schon eine Beschränkung seiner
Freiheit bedeuten. Den gewissermaßen einzigen „Minimalkonsens“ der
Revolutionäre kann daher nur ihre gemeinsame Ablehnung alles Bestehenden bilden.
Meines Erachtens kann auch Hegels berühmte Wendung von der „Furie des
Verschwindens“[366]
in diesem Sinne interpretiert werden. Da keiner der die „absolute Freiheit“
verwirklichen wollenden Revolutionäre eine Einschränkung seiner Rechte und
Möglichkeiten tolerieren kann, ist Negation die einzige mögliche Form der
intersubjektiven Einigung. Die letzte, „konsequenteste“ Form dieser Negation
bildet die Vernichtung des Anderen. Da die jeweils Regierenden sich nur als
Organ der Verwirklichung des Prinzips der Freiheit sehen, können sie die
Vorstellungen der anderen, die sich immer auch in Opposition zu den ihrigen befinden müssen, nicht achten; die
anderen werden zum zu beseitigenden Hindernis. Dem einzelnen Bürger tritt damit
der Staat, d. h. die Regierung, als Instanz des „Schrecken des Todes“[367]gegenüber.
Wie bereits oben erwähnt kommen wir hiermit zum Terror als Kennzeichen des
Fanatismus. Interessant ist meines Erachtens, dass es, wenn wir Hegels
Überlegungen an dieser Stelle spekulativ weiterführen, nur eine einzige
Situation geben könnte, in der ein solches fanatisches Regime nicht gewalttätig
gegen eine innere Opposition vorgehen „müsste“ - in einem Zustand der völligen
geistigen Identität seiner Bürger, einer Einheit, die wohl nur durch
systematische Gleichschaltung aller kulturellen und geistigen Instanzen,
letztlich durch totalitären Terror, zu erreichen wäre. Dass eine solche
„Einigkeit“ aller Bürger aber nie völlig zu erreichen ist, darauf hat Hegel,
wie bereits erwähnt, mit seinem Verweis auf die jeweilige „Besonderheit“ aller
einzelnen Revolutionäre hingewiesen. Dies erscheint mir insofern von großer
Bedeutung zu sein, als damit extreme Lesweisen der Hegel’schen Ausführungen
über die Identität innerhalb eines Volksgeistes aus den Texten Hegels heraus
widerlegbar sind. Hegel ist sich der Gefahr einer angestrebten absoluten
Identität der Menschen innerhalb einer sozialen Einheit nicht nur bewusst, eine
solche Form der Einheit würde auch allen seinen Überlegungen zur
Ausdifferenzierung der Gesellschaft innerhalb eines Staates widersprechen.
Auch in den VPG verwendet Hegel den
Begriff „Schrecken“ als Beschreibung der entscheidenden Erfahrung im
revolutionären Frankreich. Allerdings gelangt er diesmal über einen anderen
argumentativen Weg zu dieser Charakterisierung. Da jede besondere Institution
wie bereits erwähnt den „abstrakten Prinzipien der Freiheit“[368]
widerspricht, konnten die Revolutionäre nur eine Bestimmung erlassen, die
Vorschrift, die Freiheit anzustreben. Hegel benützt hierfür den Begriff der „Tugend“.
Ob jemand diese Tugend, d. h. das Ziel der Freiheitsverwirklichung, tatsächlich
lebt, kann nur „von der Gesinnung erkannt werden“[369],
daher können nicht Taten Kriterium dafür sein, ein „guter Revolutionär“ zu sein
- Handlungen genügen den abstrakten Freiheitsprinzipien ja niemals -, sondern
nur Überzeugungen. Doch gerade diese sind per definitionem nicht überprüfbar.
Der Staat der „Gesinnung“ wird somit zum System des „Verdachtes“. Der
„Schrecken“ einer solchen Gesellschaft potenziert sich nun noch dadurch, dass
ja keine institutionellen Maßnahmen der Rechtssicherheit anerkannt werden. Da
keine „gerichtlichen Normen“[370]
gelten, ist, wer dem Regierenden als nicht tugendhaft gilt, auch schon
verurteilt und da nichtexistente „Tugend“ innerhalb eines solchen Systems das
kapitalste Vergehen sein muss, ist die Todesstrafe die „logische“ Folge. Dies
wohl auch daher, da wer die „Tugend“ vermissen lässt, aus Sicht des Fanatikers
die singuläre und entscheidende Bestimmung eines „Revolutionärs“ nicht einhält
und damit sein Menschsein in bestimmter Hinsicht „verfehlt“.
Wenn wir nun sowohl Hegels
Überlegungen zum Islam als auch zur Französischen Revolution hinsichtlich
seiner Charakterisierung des Fanatismus betrachten, so sehen wir Folgendes:
Während erste Form des Fanatischen dadurch gekennzeichnet ist, dass sie sich
allein auf ein Jenseitiges hinorientiert, so resultiert der Fanatismus der
Revolutionäre gerade aus ihrem Anspruch, das Diesseits zu verändern. Die
Abstraktheit der Freiheit der Französischen Revolution folgt nach Hegel aus dem
Versuch, ein ideales Ziel vermittlungslos in die Praxis umzusetzen[371].
Nach Hegels Verständnis ist eine Verwirklichung von Freiheit, wie er sie als
entscheidende Konsequenz der Französischen Revolution achtet, nur im Kontext
verschiedener, vernünftig geordneter Sphären des menschlichen Daseins möglich.
Die revolutionäre Epoche musste demnach deswegen zu Ende gehen[372]
bzw. nach Hegel sich weiter entwickeln, da die „Vernünftigkeit selbst“ gegen
„diese fürchterliche konsequente Freiheit“ auftrat[373].
Anerkennen könne die „Vernünftigkeit“ nur eine strukturierte, geteilte
Herrschaftsform, so die Hegel’sche Überzeugung.
Interessant ist, dass, wenn wir den
religiösen Fanatismus des Islams und den areligiösen, politischen der
Französischen Revolution zusammen betrachten, sich für das Verhältnis von
Religion und Staat zwei in verschiedene Richtungen gehende Konsequenzen zu
ergeben scheinen: zum einen die Gefahr, die für den Staat aus einer
„fanatischen“ Religion erwächst, die Zerstörung aller seiner Ordnung, und zum
anderen ein „Scheitern“ der Religion selbst. Gilt meines Erachtens nach doch
Hegels Einwand, dass die Revolutionäre ihrem Anspruch der „absoluten Freiheit“
nicht genügen konnten, weil sie dieselbe als in Opposition zu aller
Wirklichkeit stehend verstanden, auch für eine Form des Religiösen, die
beispielsweise ihre Vorstellung eines „Paradieses auf Erden“ unmittelbar
Wirklichkeit werden lassen möchte. Eine solche Religion wäre nicht nur
politisch „gefährlich“, sondern stünde auch gegenüber sich selbst, d. h.
gegenüber ihren Gläubigen, gewissermaßen unter ständigem Legitimationsdruck,
warum die angestrebte Implementierung des Ideals noch nicht erfolgt sei bzw.
noch nicht erfolge. Auch müsste sich wohl die Frage stellen, ob überhaupt
Schritte dazu erfolgen können, da ja diese selbst wieder Maßnahmen im Kontext
des als nichtig gesetzten Bestehenden, also, um es mit dem berühmten
Adorno’schen Ausdruck zu sagen, nur ein „Richtiges im Falschen“[374]
und damit eben kein „Richtiges“ wären.
Aus diesem Dilemma folgen aus der
Sicht des fanatischen Bewusstseins zwei mögliche „Auswege“: die Zerstörung des
Bestehenden und eine Haltung, die Hegel „polemische Art von Frömmigkeit“ nennt[375].
IV.III.II.
Frömmigkeit als Weltabgewandtheit
Mit dem Ausdruck „polemische Art der
Frömmigkeit“ bezeichnet Hegel den geistigen Rückzug des religiösen Menschen aus
der sozialen und staatlichen Welt bei gleichzeitiger Einhaltung der Gesetze.
Die polemische Frömmigkeit ist demzufolge eine Form einer, wie ich es an
früherer Stelle genannt habe „externen“ Relation der Religion zum Staat[376].
Ein solcher gläubiger Mensch handelt
immer legal, weil er in gewisser Weise die Gesetze als so unbedeutend versteht,
dass sie auch des Widerspruchs nicht wert sind; er tut unter „Seufzen“,
„Verachten“ und „Wünschen“[377],
was von ihm gefordert wird, pocht aber innerlich vor sich selbst auf seine
reine Überzeugung. Diese Form des „Fanatischen“ führt damit genau zum
gegenteiligen Verhalten der rein zerstörerischen; nicht durch Destruktion,
sondern durch Ignoranz der weltlichen Gesetze zeichnet sie sich aus.
Doch nicht nur die staatlichen
Gesetze stehen in den Augen der „Frömmigkeit“ ständig unter dem Verdacht der
Nichtigkeit, sondern auch alle anderen Weisen des realen Lebens, da auch sie
gegenüber dem religiösen Ideal nur Scheincharakter haben müssen. Diese Art der
Frömmigkeit, die für den Protestant Hegel in besonderer Weise ein Phänomen des
Katholizismus ist, negiert das Sittliche „in seinen wahrhaften drei
Hauptpunkten“[378]. Der
„ersten Sittlichkeit“, der Ehe, stelle sie den Wert des Zölibats gegenüber, dem
Wert der Arbeit - dem Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft - den Gedanken der
Enthaltung gegenüber weltlichen Bedürfnissen und der freien Entscheidung im
Politischen die Gehorsamkeit, kritisiert Hegel in den VPR die religiöse
„Entsagung“[379], die er
anderorts auch als „mönchische Abstraktion“[380]
bezeichnet. Wenn Teile dieser Kritik auch durchaus zu hinterfragen sind[381],
so bleibt meines Erachtens das von Hegel hier angesprochene Grundproblem, dass
dem Gläubigen die Arbeit an den Schwierigkeiten der Wirklichkeit als
vernachlässigbar erscheinen kann, relevant[382].
Entscheidend ist für Hegel, dass die „polemische Art der Frömmigkeit“ nicht nur
ihr Unvermögen bzw. ihren Unwillen, die Welt zu ändern, betont, sondern
zugleich jederzeit in der Lage ist, anzugeben, wie die Wirklichkeit sein
sollte. Dies daher, weil sie sich im Besitz der Wahrheit, eines idealen
„Himmels auf Erden“[383],
seiend wähnt. Letztlich ist für Hegel eine solche Position aber Ausdruck der
Schwäche des religiösen Gewissens, welches sich als nicht stark genug erweist,
die Realität nach seinen Vorstellungen zu formen, und sich daher ins Jenseits
zurückzieht und damit einen Ausweg wählt, der nach Hegel Schwäche und geistige
Bequemlichkeit demonstriert, ermöglicht er doch eine Zufriedenheit im Gefühl
der „Gottseligkeit“[384],
ohne sich die Arbeit eines in der Wirklichkeit stehenden Lebens anzutun.
Zugleich ist eine solche Frömmigkeit auch eine Art Immunisierungsstrategie, da
sie durch die Fundierung der Behauptungen in der religiösen Überzeugung „weder
nach ihrer Seichtigkeit noch nach ihrer Unrechtlichkeit“[385]
beurteilt werden kann. Womit wir abermals bei der entscheidenden formalen
Differenz zwischen Staat und Religion gelandet sind. Zeigt sich an der hier
thematisierten besonderen Form der Religiosität doch ein allgemeines
Charakteristikum des Religiösen, aufgrund dessen die religiösen Individuen, die
alles unmittelbar zu wissen meinen, vor der Gefahr des Fanatismus stehen. Das
grundsätzliche Problem, dass die Religion das Wahre als „vorgestelltes“ Objekt
außerhalb der Welt sehen kann, während das staatliche Gesetz gerade die
Besonderheiten innerhalb der Realität erfassen muss, inkludiert - in Verbindung
mit der Tatsache, dass Religion einerseits auf gegebener Autorität beruht und
andererseits lediglich „ein Inneres“, das „dem Gewissen angehört“[386]
ist, während das politische Gesetz auf Argumentation basiert - die Gefahr, das
angestrebte Ziel über die Vernünftigkeit zu setzen. Dadurch kommt es zum
Konflikt zwischen staatlichem Gesetz und religiöser Überzeugung. Daher ist es
für Hegel entscheidend, dass im Staat „alles fest und gesichert“ ist, um eine
„Schanze gegen die Willkür und die positive Meinung“ zu bilden, und dass die
Religion „nicht das Regierende“ sei[387].
Allerdings muss gesagt werden, dass
Hegel bei seiner Kritik der „polemischen Frömmigkeit“ seinen eigenen
Religionsbegriff zu unterlaufen und Religion nur als Ausdruck des Gefühls zu
verstehen scheint. Wodurch er sie als, wie bereits früher erwähnt[388],
der Gemeinschaft unfähig kritisieren kann. Daher unterscheidet er diese Form
der „Frömmigkeit“ auch von der Religion der „wahrhaften Art“[389],
welche in Kultus und Lehre von der Subjektivität der Gefühlsreligion bereits
zur Intersubjektivität übergegangen ist und sich historisch für Hegel in der
Religion des trinitarischen Gottesbegriffes, dem Christentum zeigt.
IV.VI.
Die politische Kraft des Christentums
Bevor ich mich der Hegel’schen
Auseinandersetzung mit dem Christentum und dessen politisch, praktischer Seite
zuwende, muss ich auch an dieser Stelle betonen, was ich früher bereits in
anderem Zusammenhang hervorgehoben habe: In dieser Arbeit kann es nicht darum
gehen, ob oder wieweit „Hegels Christentum“ mit der „historischen“ Ausformung
dieser Religion[390]
übereinstimmt. Dazu fühle ich mich genauso wenig in der Lage[391],
wie zu einer grundsätzlichen Diskussion der Hegel’schen These vom Christentum
als „vollendeter“, bzw. „absoluter Religion“. Trotzdem werde ich auf den
Gedanken Hegels, dass die Geschichte der Religionen eine Lerngeschichte
darstellt, an deren Abschluss das Christentum steht, in der Folge noch
eingehen, aber nur deswegen, weil mir die Klärung des Grundes der elitären
Position des Christentums für ein Verständnis der praktischen Konsequenzen,
welche die Annahme der christlichen Religion für Hegel hat, wesentlich
erscheint. Primär soll es aber darum gehen, die Auswirkungen einer Religion,
die - um es ganz neutral zu formulieren - von Hegel „Christentum“ genannt wird,
auf den politischen Kontext der Religion zu untersuchen und dabei an diesem
einen Fallbeispiel nochmals zu verdeutlichen, wie für Hegel der Zusammenhang
von Religion und Staat zu denken ist.
IV.VI.I.
Die absolute Religion als die selbstreflexive Religion
„Die absolute Religion ist erstens
die offenbare Religion. Die Religion ist das Offenbare, ist manifestiert erst
dann, wenn der Begriff der Religion für sich selbst ist.“[392]
Es macht großen Sinn, obiges Zitat
sehr genau zu lesen. Zeigt sich dabei doch, was für Hegel das eigentlich
entscheidend Neue am Christentum ist, und was es zur Stellung als „vollendeter
Religion“ qualifiziert. Bei einer oberflächlichen Lektüre der Hegel’schen Texte
könnte es scheinen, als würde Hegel argumentieren, das Christentum sei
„absolute Religion“, weil es dem Begriff der Religion selbst entspricht, weil
es sozusagen dem Idealtypus jeder Religion äquivalent ist. Das Christentum wäre
demzufolge das vollständigste Bewusstsein des absoluten Geistes[393].
Hegel unterstützt zwar auch diese These, geht aber in seiner Argumentation noch
über sie hinaus: Das Christentum ist für Hegel nicht nur die adäquate
Realisation des Begriffs der Religion, sondern in ihm ist „der Begriff der
Religion für sich selbst“. Zu bemerken ist hier besonders, dass im ersten Satz
des obigen Zitats nicht „offenbarte“, sondern „offenbare“ steht. Es geht hier
also nicht darum, dass sich im Christentum Gott den Menschen zeigt, oder dass
in den heiligen Texten dieser Religion Gott selbst spricht, sich das Göttliche
offenbart - obwohl für Hegel auch das Attribut „geoffenbarte Religion“ eine
wesentliche Beschreibung des Christentums bietet[394]. Was im Christentum für Hegel „offenbar“
wird, ist die Religion selbst. Denn die „absolute Religion ist die offenbare,
die Religion, die sich selbst zu ihrem Inhalt, [ihrer] Erfüllung hat“[395].
Wenn wir uns nochmals erinnern, dass
das Wesentliche einer Religion das Bewusstsein vom Göttlichen ist, und nun dazu
bedenken, dass das Christentum das Wesen der Religion selbst offenbart, dann
bedeutet das, dass im Christentum das Bewusstsein von Gott selbst Gegenstand
des religiösen Bewusstseins ist, d. h. dass die christliche Form der Religion
insofern eine selbstreflexive Struktur hat, da sie die Ausübung der Religion selbst
zum religiösen Inhalt macht. Dies kann besonders im Zusammenhang mit der
bereits früher dargelegten Polemik Hegels gegen Vorstellungen, wonach das
Entscheidende an Religion allein die subjektive Überzeugung sei, nicht aber
objektives Wissen um Gott[396],
überraschen. Nennt Hegel im Folgenden einen solchen Standpunkt der subjektiven
Frömmigkeit doch einen „ganz wichtigen Fortschritt“[397],
da er der Subjektivität auch im Religiösen zu ihrem absoluten Recht verhelfe,
relativiert ihn aber zugleich durch den Hinweis auf die gläubige Versenkung in
der Andacht als notwendigem Element der Religion.
Was im Kontext der Frage nach
Religion und Staat der Begründung des Christentums als absoluter Religion
Relevanz verleiht, ist die Tatsache, dass mit dem Objektivwerden des Begriffs
der Religion in der Religion nicht nur eine verstärkte Wertschätzung des
Bewusstseins von Gott verbunden ist, sondern auch das Subjekt dieses
Bewusstseins als notwendig gewusst wird. Denn wenn im Christentum tatsächlich
nicht nur die Existenz Gottes, sondern auch die des Gottesbewussteins als
unbedingte gezeigt wird, dann muss dort auch die Notwendigkeit des Menschen als
Träger dieses Bewusstseins behandelt sein. Da in der christlichen Religion die
Beziehung von Gott und Mensch als Teil des Begriffs der Religion offenbar wird,
erlaubt sie für Hegel einen wesentlich neues Selbstverständnis des Menschen.
Eine vorstellungsmäßige
Demonstration dieser besonderen Stellung des Menschen vermeint Hegel im
christlichen Dogma der Trinität zu erkennen. Werde Gott im Christentum doch
gefasst als „das Eine, sich selbst gleiche Unendliche, die reine Identität,
welche zweitens sich von sich trennt, als das Andere ihrer selbst“[398],
so Hegel. In der Person des „Vaters“ betrachten die Christen Gott „sozusagen
vor oder außer Erschaffung der Welt“[399].
Bemerkenswert ist, dass Hegel dadurch, dass er die erste göttliche Person als
reinen Gedanken, als göttliches Prinzip vor aller Realisation versteht, bei der
Behandlung dieser Sphäre der Dreieinigkeit die trinitarische Struktur selbst
zum Thema macht. Gott als Allgemeines verstanden inkludiert für Hegel auch die
Unterscheidung, das Setzen seines Anderen, des „Sohnes“, und die Aufhebung der
Differenz zu diesem, denn „was er aber so von sich unterscheidet, hat nicht die
Gestalt eines Andersseins, sondern das Unterschiedene ist unmittelbar nur das,
von dem es geschieden worden“[400].
Mit dem Bewusstsein der in Gott selbst immanenten Differenzierung leistet das
Christentum für Hegel den entscheidenden Schritt über Religionen hinaus, die
alleine die Schöpfung als Akt der göttlichen Unterscheidung verstehen. Bleibt
doch, solange „Gott als bloß der Vater“[401]
verstanden wird, die Erschaffung der Welt eine Handlung außerhalb Gottes,
während mit dem Hervorgehen des Sohnes aus dem Vater der Unterschied „am
Begriff selbst“[402]
bestehend, die Differenz als Teil des Göttlichen, erkannt wird. Erst mit dieser
Anerkennung der Differenz im Göttlichen erreiche die Gottesvorstellung
tatsächlich Unendlichkeit, während wenn unter „Gott“ nur das Allgemeine, „Gott
der Vater“, verstanden werde, damit nur eine Bezeichnung „nach der Endlichkeit“[403]
verbunden sei[404], so Hegel.
Das Christentum hingegen zeige, dass „das Anderssein keinen Eintrag tue der
Einheit“[405]. Mit der
Menschwerdung des Gottessohns werde dem Christen die Einheit der göttlichen und
menschlichen Natur „zum Bewußtsein, zur Gewißheit gebracht“[406].
In Christus wäre „der Mensch selbst im Begriff Gottes enthalten“[407].
Aufgrund dieser spekulativen Wahrheit, die er im religiösen Bild des
„Gottmenschen“ zu erkennen vermeint, kritisiert Hegel auch Vorstellungen,
wonach Jesus nicht mehr als ein Prediger einer neuen Moral und Märtyrer seiner
Überzeugung gewesen sei, als nicht „auf dem christlichen Standpunkte“ stehend;
während der wahren Religion dagegen die Erkenntnis entspräche, dass die
Menschwerdung selbst notwendiger Teil des Göttlichen sei[408].
Diese an sich im Begriff existierende Wahrheit führe der „Gottmensch“ sinnlich
vor Augen, denn in der Religion gehe es nicht darum, dass die Menschen „die
Notwendigkeit dieser Idee einsehen und erkennen, sondern darum ist es zu tun,
daß sie ihnen gewiß wird, d. h. daß diese Idee, die Einheit der göttlichen und
menschlichen Natur zur Gewißheit komme, daß sie für sie die Form unmittelbarer
sinnlicher Anschauung, äußerlichen Daseins erhalte, kurz, daß diese Idee als in
der Welt gesehen und erfahren erscheine“[409].
Wesentlicher Teil der menschlichen
Erscheinung Gottes ist für Hegel, wie bereits früher ausgeführt[410],
der Tod Jesu, jener „höchste Beweis der Menschlichkeit“[411]
des Gottessohnes, der Hegel nicht
denkbar erscheint ohne die „Auferstehung“. Auf die absolute Menschlichkeit,
welche die Negation als in Gott selbst existierend zeigt, folgt für ihn
notwendigerweise die Überwindung der Endlichkeit als solcher, die Negation der
Negation. Am auferstandenen Christus zeige sich, „daß Gott es ist, der den Tod
getötet hat“, einen Tod, der Ausdruck seines radikal Anderen, des Endlichen
ist, so Hegel. Mit dem Bewusstsein, dass Gott den Tod auf sich genommen habe,
um ihn zu überwinden, ist für den Gläubigen zugleich die Sicherheit verbunden,
Christus habe „die Sünde der Welt getragen“, habe „Gott versöhnt“[412].
Da „in dem Tode Christi [...] die Endlichkeit des Menschen getötet worden“ ist[413],
sei für den Christen die Versöhnung des an sich aufgehobenen Gegensatzes von
Gott und Mensch bzw. von Gott und Welt möglich. Mit dem Tod des einen,
sinnlichen Subjektes, Jesus, verlagert sich für die Gläubigen die von diesem
Individuum verkörperte Wahrheit, die Verbindung von göttlicher und menschlicher
Natur, in einen anderen Bereich, von der Sphäre der sinnlichen Existenz in die
der geistigen Gewissheit. Mit dem Verschwinden des Gottmenschen, mit der
„Himmelfahrt“, wird die „Ausgießung des Geistes“, wird „Pfingsten“ möglich.
Während in Jesus die Versöhnung von Mensch und Gott verkörpert ist,
verwirklicht sie sich in der dritten göttlichen Person. Im sich in der Gemeinde
der Gläubigen realisierenden Heiligen Geist erfolgt der „Übergang aus dem
Äußeren, der Erscheinung, in das Innere“[414].
Zu Recht schreibt Dellbrügger daher in Anlehnung an Hegels Interpretation des
Christentums: „Die göttliche Geschichte findet ihre Fortsetzung im Inneren des
Menschen.“[415] Denn was
an Christus erschienen ist, die Einheit Gottes mit den Menschen, muss von jedem
Menschen selbst vollbracht werden. Zugleich wird mit dem Beginn der Gemeinde
für den Christen, so argumentiert Hegel, die Innerlichkeit, die subjektive
Überzeugung entscheidend. Die einzelne Seele bekommt damit als „unsterbliche“
eine „unendliche, ewige Bestimmung: Bürger im Reich Gottes zu sein“[416].
Mit dem Eintritt in die Gemeinde, der für Hegel eine Art „zweiter Geburt“[417]
ist, erhält der Mensch ein neues Ziel, Teil des Heiligen Geistes zu sein, des
„Gottes als gegenwärtigen, wirklichen Geistes“[418].
In diesem Sinne will Hegel das Christentum als „die Religion des Geistes“[419]
verstanden wissen, da hier die Vereinigung der Menschen im Geist selbst
geschieht, und führt ein Bibelzitat an: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen
versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“[420]
Wesentlich ist, dass Hegel die Versöhnung zwischen Menschlichem und Göttlichen
nur in der Überwindung des Endlichen, im Geistigen, denkt. Ich habe bereits
früher gezeigt, dass Hegel den religiösen Kultus im Allgemeinen und die
christliche Gemeinde im Speziellen als Versöhnung eines zweifachen Gegensatzes
versteht. Als Überwindung der Differenz zwischen Gott und Mensch einerseits und
der zwischen Mensch und Welt anderseits. Zugleich aber, das scheint mir im
Hinblick auf das Thema dieser Arbeit besonders bemerkenswert, liefert die
Gemeinde auch eine Form der zwischenmenschlichen Verbindung[421],
die sich in der gemeinsamen Liebe der Gläubigen zu Gott äußert. Aber nicht nur
das, im Christentum wird, wie Hegel betont, Gott selbst als „Liebe“, verstanden[422],
d. h. als „Unterscheiden zweier, die doch füreinander schlechthin nicht
unterschieden sind“[423].
Dies ist insofern wichtig, als für Hegel die Liebe innerhalb der christlichen
Gemeinde nicht nur die Hingabe des Einzelnes an ein Allgemeines ist - was auch
als Auslöschung der Subjektivität interpretiert werden könnte -, sondern er die
Liebe, als Überwindung einer Differenz zweier Getrennter, als die wesentliche
Struktur des trinitarischen Gottes selbst zu erkennen vermeint.
Wenn wir nun nochmals die am Beginn
dieses Kapitels stehende Erklärung für den Grund, warum das Christentums als
„absolute Religion“ zu bezeichnen ist, rekapitulieren, dann zeigt sich, dass
für Hegel in der christlichen Religion die Verbindung von göttlicher und
menschlicher Natur in der zweiten göttlichen Person deutlich wurde und in der
dritten die Innerlichkeit und die Möglichkeit der Versöhnung der Trennung des
Menschen von Gott und Welt „entdeckt“ wurden. Wobei sowohl die Überwindung als
auch die zu überwindende Differenz in Gott selbst vorhanden sind. Wodurch im
Christentum nicht nur das Objekt der Anbetung erfasst wird, sondern auch die
religiöse Hingabe selbst. Was für Hegel, wie am Anfang des Kapitels angeführt,
bedeutet, dass in der christlichen Religion „der Begriff der Religion für sie
selbst“ sei und dass das Christentum von einer Form der selbstreflexiven
Struktur bestimmt wird.
IV.VI.II.
Die Religion der Freiheit
Aus der religiösen Einsicht in die
Gottesebenbildlichkeit und der Bedeutung, die durch den Glauben an den
„Gottmenschen“ der Menschlichkeit zukommt, folgen im Christentum für Hegel
entscheidende praktische Konsequenzen. Deren wesentlichste ist, erklärt Hegel
in den VPG, dass, da der Mensch als Selbstzweck „unendlichen Wert“[424]
hat, unter Christen die Sklaverei unmöglich sei. Meines Erachtens ist die
christliche Ächtung der Sklaverei eines der Themen, an denen das Hegel’sche
Verständnis der politischen Wirkung einer Religion am deutlichsten demonstriert
wird. Leitet Hegel doch, was durchaus auch stringent wäre, das Verbot der Sklaverei
nicht aus dem christlichen Gebot der Nächstenliebe oder von Bibelzitaten her,
sondern verknüpft es über das christliche Menschenbild mit der
Gottesvorstellung. Ist für den Christen doch der Mensch „als Mensch nach seiner
allgemeinen Natur in Gott angeschaut“[425]
- wodurch „der Mensch“ an dieser Stelle zum Synonym für „jeder Mensch“ wird.
Ohne es ausdrücklich festzuhalten, greift Hegel hier auf eine rhetorische Figur
zurück, die er anderorts zur Erklärung der Singularität der Menschwerdung
Gottes benützt: „Einmal ist allemal“ bzw. „Einer ist alle“[426].
Damit hebt das Menschsein und die damit verbundene Würde „alle Partikularität
der Geburt und des Vaterlandes auf“[427].
Das Verbot der Sklaverei[428]
- bzw. der dahinter stehende Glaube an die Würde jedes Menschen - verleiht dem
Christentum die enorme Bedeutung, die es in der Hegel’schen
Geschichtsphilosophie innehat, und ist der entscheidende Schlüssel zum
Verständnis des vermutlich bekanntesten
Zitats aus den VPG:
„Der Orient wußte und weiß nur, daß
Einer frei ist, die griechische und römische Welt, dass Einige frei seien, die
germanische Welt weiß, daß Alle frei sind.“[429]
Bedacht werden muss dabei, dass für
Hegel die Geschichte der „germanischen Welt“ mit der Annahme des Christentums
durch die Germanen - deren Entstehungsgeschichte er „nicht in ihre Wälder
zurückverfolgen“ wollte - beginnt[430],
dass also das Wissen um die Freiheit „Aller“ auch an dieser Stelle eng mit dem
Christentum verknüpft ist.
Wie bereits erwähnt erfährt nach
Hegel mit dem Christentum die Innerlichkeit, als „Ort, wo der göttliche Geist
innewohnend und gegenwärtig sein soll“, wesentliche Bedeutung und wird daher
zum „Ort der Entscheidung“[431].
Das Individuum erkennt in der eigenen „unsterblichen“ Seele die Basis seiner
freien Wahl. In der EPW schreibt Hegel, bei Griechen und Römern, die nicht
erkannt hätten, dass der Mensch als solcher zur Freiheit berechtigt sei, wäre
Sklaverei deswegen akzeptiert worden, weil das Privileg der Freiheit als von
der Geburt, von der Natürlichkeit abhängig verstanden worden wäre. Im
Christentum löst sich dagegen die Freiheit nun von allen „natürlichen“, d. h.
materiellen Kriterien und wird zum Charakteristikum des Geist-Charakters des
Menschen. Mit der Entdeckung der Innerlichkeit als Ort der subjektiven
Entscheidung kommt es aber auch deswegen zum Verbot der Sklaverei, weil in ihr,
wie gesagt, der Selbstzweck des Individuums lokalisiert ist - während der
Sklave ja gerade dadurch definiert ist, allein dem Zweck des Gebieters zu
dienen.
Mit der Wertschätzung der
Innerlichkeit werde auch jede „unreflektierte Sittlichkeit“[432]
unmöglich, heißt es in den VPG; woran deutlich wird, dass sich mit dem Beginn
des Christentums auch, wie bereits erwähnt[433],
der Begriff der Sittlichkeit für Hegel ändert. Während die antike Sittlichkeit
noch durch die unmittelbare und zufällige - weil von der Herkunft anhängigen -
Zugehörigkeit zum Gemeinwesen und durch den Glauben an äußerliche Zeichen -
etwa an Orakel - charakterisiert war, werde die christliche durch das
Selbstbewusstsein eines jeden Menschen, „unendliche Macht des Entschließens“ zu
sein[434],
gekennzeichnet. Dies bedeutet nichts anderes, als dass mit dem Christentum
innerhalb des Gemeinwesens jene Konflikte beginnen, die Hegel mit seinen
Ausführungen über den „modernen Staat“ zu erklären und zu beheben versucht[435].
Auch aus diesem Grund ist der moderne Staat für Hegel ein „Kind“ des
Christentums. Wobei Hegel nicht an einen von einer christlichen Kirche
dominierten Staat, sondern an einen „Staat aus christlichem Prinzip“[436]
denkt. Der moderne Staat ist für Hegel nicht deswegen „christlich“, weil er von
gläubigen Christen entwickelt wurde - oder von ihnen regiert werden sollte -,
sondern weil er auf dem christlichen Grundgedanken der Freiheit aller Menschen,
der freien Subjektivität basiert; auf einem Gedanken, der das Christentum für
Hegel zur „Religion der Freiheit“ macht.
IV.VI.III.
Protestantismus und moderner Staat
„... aber wenn die Verfassung und
die Gesetze auf wahrhaftes ewiges Recht gebaut werden sollen, dann ist
Sicherheit allein in der protestantischen Religion.“[437]
Zur völligen Realisation kommt die
Erkenntnis der menschlichen Innerlichkeit als Fundament der (auch politischen)
Freiheit für Hegel erst im Protestantismus. Von der katholischen Religion hätte
sich die Reformation abgehoben und betont, dass „das Dieses, die unendliche
Subjektivität, Christus, auf keine Art in äußerlicher Weise gegenwärtig und
wirklich ist, sondern als Geistiges überhaupt nur in der Versöhnung mit Gott
erlangt wird - im Glauben und Genusse“[438],
heißt es in den VPG. Luther hätte sich vom „Aberglauben“ an Äußerlichkeiten
emanzipiert und die Versöhnung ganz in der geistigen Gemeinde lokalisiert. Erst
der Protestantismus mit seiner Aufhebung der Differenz zwischen Geistlichen und
Laien verwirklicht für Hegel die entscheidend christliche Erkenntnis, dass die
Wahrheit in den Besitz aller Menschen kommen kann und nicht einer bestimmten
Gruppe vorbehalten ist. Denn im Protestantismus habe jeder „an sich selbst das
Werk der Versöhnung zu vollbringen“[439],
während im Katholizismus der Laie das Wissen der göttlichen Wahrheit „von außen
her und von einem anderen Stande“ empfange“[440].
Für die Lutheraner sei nicht die Wahrheit als „gemachter Gegenstand“ zentral,
sondern das Subjekt selbst solle „ein wahrhaftes werden“, indem es seine eigene
Partikularität aufgebe und sich „diese Wahrheit zu eigen“ mache.[441]
Hatte Luther doch „siegreich festgestellt, was die ewige Bestimmung des
Menschen sei, müsse in ihm selber vorgehen“[442],
wodurch die religiöse Versöhnung allein im Glauben, im Gewissen des Einzelnen
selbst erfolge. Die Reformation erkenne, dass der Mensch durch sich selbst
bestimmt sei, frei zu sein, und realisiere dadurch die christliche Freiheit und
die für den modernen Staat wesentliche Anerkennung der Freiheit aller
Individuen, betont Hegel. Während der katholische Glaube von einer „Unfreiheit
des Geistes“, die sich für Hegel unter anderem im Vertrauen auf die wundersame
Wirkung von Reliquien ausdrückt, gekennzeichnet sei. Nun könnte es so scheinen,
als ob Hegel an dieser Stelle indirekt genau jene Vorstellungen einer Freiheit
des Subjekts einführe, die er anderorts als Überbewertung der „Besonderheit“
kritisiert und mit den Verweisen auf die Bedeutung der selbst gewählten
Partizipation an einem Ganzen (besonders am vernünftig verfassten Staat)
einzuschränken versucht[443].
Eine derartige Interpretation der Hegel’schen Texte würde aber übersehen, dass
für Hegel eine der wesentlichen Aussagen des Christentums (und im Speziellen
des Protestantismus) die Erkenntnis ist, der Mensch müsse seine Natürlichkeit
überwinden und fände erst in der geistigen Vereinigung in der „Gemeinde“ seine
wirkliche Bestimmung, wobei die Gemeinde selbst Teil der religiösen Wahrheit
ist. Daher vermeint Hegel im Protestantismus eine Form der Wertschätzung der
Subjektivität zu sehen, welche die Gefahr der Absolutsetzung des besonderen
Willens insofern entgeht, als sie das letzte Ziel jeder Subjektivität in einer
- geistigen - Allgemeinheit erkennt. In den VPG heißt es in diesem Sinne: „So
wird der subjektive Geist in der Wahrheit frei, negiert seine Partikularität
und kommt zu sich selbst in seiner Wahrheit.“[444]
Bemerkenswert ist die Hegel’sche
Reformulierung der protestantischen Kritik an der Beichte. Im Beichtvorgang
vertrete die Kirche die Stelle des Gewissens und leite die Menschen wie Kinder,
heißt es in den VPG[445].
In Anbetracht der Bedeutung, die dem subjektiven Gewissen für Hegel im
Protestantismus zukommt, zeigt dies, dass der Katholizismus für Hegel dem
Individuum die Möglichkeit nimmt, selbst, aus seinem eigenen Gewissen heraus,
zu entscheiden und zu handeln. Ähnlich argumentiert Hegel gegen die katholische
Heiligenverehrung. Auch in ihr würde dem Individuum die Möglichkeit verwehrt,
sich selbst dem Göttlichen zuzuwenden, wodurch es den Umweg über die
Vermittlung anderer nehmen müsste.
Für das Verhältnis von Religion und
Staat wird für Hegel das Ende des Mönchtums und die Abschaffung eines
„Priesterstandes“ im Protestantismus wesentlich; drückt diese Entwicklung doch
den Wandel von der „Heiligkeit“ zur „Sittlichkeit“ aus. Während das katholische
Bild der Heiligkeit nach Hegel von den Zielen Armut, Keuschheit und Gehorsam
gekennzeichnet ist, engagieren sich die protestantischen Priester in der Welt,
partizipieren an den Sphären von Familie, bürgerlicher Gesellschaft und Staat.
Während der Katholizismus die Trennung von sakraler und profaner Sphäre
propagiere, lasse die protestantische Religion nicht „zweierlei Gewissen“[446]
zu, betont Hegel. Mit dem Protestantismus realisiert sich für Hegel, was an
sich jeder Religion zu Grunde liegt, der Anspruch die eigenen Ziele nicht nur
im Jenseitigen verwirklicht zu sehen, sondern das Weltliche vom göttlichen
Geist „immanent durchdringen“[447]
zu lassen, das „weltliche Treiben“ zum „geistigen Geschäft“ zu machen[448].
An diesen Gedanken knüpft Hegel auch seine Erklärung, warum es zwar in
Frankreich, nicht aber in Deutschland zur Revolution gekommen ist: Die
deutschen Aufklärer hätten ihre Lehre von den Rechten aller bereits im
Protestantismus als mit der Wirklichkeit versöhnt gesehen, da dort das Gewissen
der Einzelnen als Basis aller Entscheidungen anerkannt werde. Zugleich hätten
sich die französischen Revolutionäre gegen einen König von Gottesgnaden, d. h.
gegen einen Herrscher, dessen Willkür, „weil sie Willkür des Gesalbten ist,
göttlich, heilig sein soll“[449],
aufgelehnt, während im Protestantismus auch der König nur insoweit als
ehrwürdig gelte, als sein Handeln der Gerechtigkeit und dem Wohl des Ganzen
genüge[450]. Da der
Protestantismus keinen den Laien übergeordneten Stand der Geistlichkeit kenne,
könnten die lutherischen Priester auch keinen Herrscher kraft ihrer kirchlichen
Autorität legitimieren. Während die katholische Kirche zwar eine Sicherung der
Macht des Herrschers ermögliche, da sie Gehorsam und Autoritätsglauben vertrete
und eine - der protestantischen Kirche unmögliche - Form der Legitimation
verleihen könne. Zugleich birgt aber eine solche Form des Verhältnisses von
Religion und Staat die bereits beschriebenen Gefahren von Fanatismus und
„polemischer Frömmigkeit“ und unterliegt all den bereits erhobenen Einwänden
gegen eine „direkte Begründung“ des Staates in der Religion.
Gegen eine Rückführung der
Begründung des modernen Staates allein im Protestantismus, wie sie Hegel vor
allem in den letzten Jahren seines Lebens zunehmend vollzog[451],
sprechen meines Erachtens jedoch zwei entscheidende Einwände. Zum einen der
historische, dass die laut Hegel mit dem Protestantismus erreichte Einheit von
religiöser und politischer Sittlichkeit möglicherweise im Widerspruch zu der
von Luther im Anschluss an Augustinus vertretenen „Zwei-Reiche-Lehre“ steht,
die für eine Trennung von politischer und religiöser Sphäre eintritt[452];
zum anderen der fundamentalere, dass Hegel dadurch möglicherweise eine
Eingrenzung der Basis des modernen Staates vollzieht, die dem
Freiheitsbewusstsein desselben widerspricht. Auch scheint Hegel in seiner
Kritik des Katholizismus nicht zu bedenken, dass ja auch die Lehren dieser
christlichen Konfession trotz aller möglichen Defizite das christliche Prinzip
der Freiheit aller Menschen umfassen. Auch wenn das fundamentale Grundprinzip
des neuen Menschenbildes von der religiösen Gemeinde selbst noch nicht
expliziert wurde, ja selbst wenn die institutionellen, kirchlichen Regeln ihm
sogar widersprechen mögen, ist es in den kanonischen Texten des Katholizismus
ebenfalls enthalten.
IV.VII.
Staat und Kirche - Religionsfreiheit
In Anbetracht der oben darlegten
Überlegungen Hegels über eine Fundierung des modernen Staates im Christentum
bzw. im Protestantismus, kann es verwunderlich erscheinen, dass Hegel auch ein
großer Verfechter der Trennung von Kirche und Staat, der Religionsfreiheit und
der weltanschaulichen Neutralität des Staates war. Zunächst kann der
Widerspruch zwischen Aussagen, wonach die Innerlichkeit „nicht das Gebiet des
Staates ausmacht“[453],
und dem Pochen darauf, dass ohne Reformation keine Revolution zu machen sei[454]
durch die in der Literatur immer wieder aufgezeigte Veränderung der Hegel’schen
Position in den Jahren zwischen 1817 und 1831 zwar nicht erklärt, aber
begründet werden. Am besten wird meines Erachtens dieser Wandel mit den von
Sergio Dellavalle in die Diskussion gebrachten Termini „Juristisches
Untermodell“ und „Zusammenführung von Staat, Religion und Philosophie“
begriffen.[455] Dellavalle
unterscheidet so die Differenzen innerhalb der Philosophie Hegels in der Zeit
zwischen 1817 und 1831. Während in den Texten der Jahre `17 bis `21 die
„Vermittlung zwischen Individuum und Gemeinwesen in erster Linie durch die
juristisch-institutionellen und sozialen Strukturen“ erfolgt[456],
kam Hegel, Dellavalle zufolge, in den späten Berliner-Jahren zunehmend zur
Überzeugung, nur die protestantische Subjektivität könne gewährleisten, dass
„das Bewußtsein der individuellen Freiheit nicht mit der Einheit des
Gemeinwesens in Konflikt gerät“[457].
Da die vorliegende Arbeit keinem
primär text-philologischen Zugang folgt, möchte ich an dieser Stelle nicht den
einzelnen Schritten der Entwicklung des Hegelschen Denkens vom Konzept des
konfessionell-neutralen Staat zum „protestantischen“ nachgehen, sondern mich
zunächst einer genauen Rekonstruktion des Hegelschen Verständnisses der
Trennung von Kirche und Staat und Religionsfreiheit widmen, um später auf die
Differenzen zwischen den unterschiedlichen Ansätzen einzugehen.
Sehr bemerkenswert ist, dass Hegel
in den VPG das Verhältnis von Staat und Kirche als eines der entscheidenden
Kriterien der historischen Entwicklung Europas seit dem Ende des römischen
Reiches versteht:
„Die europäische Geschichte ist die
Darstellung der Entwicklung eines jeden dieser Prinzipien für sich, in Kirche
und Staat, dann des Gegensatzes von beiden nicht nur gegeneinander, sondern in
jedem derselben, da jedes selbst die Totalität ist, und endlich der Versöhnung
dieses Gegensatzes.“[458]
Im Laufe der Historie des
Abendlandes vermeint Hegel nun drei Formen des Gegensatzes von religiösem und
weltlichem Bewusstsein zu sehen, eines Gegensatzes, den er in der Folge als den
von Kirche und Staat behandelt. Während es im Frühmittelalter noch so etwas wie
eine unmittelbare Einheit von religiöser und weltlicher Herrschaft gegeben
hatte, entwickelten sich Kirche und Staat im Hochmittelalter zu eigenen
selbständigen konkurrierenden Mächten, deren Gegensatz dadurch virulent wurde,
dass beide Mächte sich Funktionen der anderen aneignen[459].
Durch die Einflussnahme weltlicher Herrscher auf die Besetzung geistlicher
Positionen einerseits und der politischen Macht der Kirche andererseits kam es
für Hegel notwendigerweise zu einem Konflikt, welcher sich im Mittelalter in
der Vermischung weltlicher und geistlicher Interessen zeigte. Interessant ist,
dass Hegel an dieser Stelle die Festschreibung des Zölibats anscheinend als
sinnvoll oder zumindest zweckmäßig erachtet, da er sie hier als kirchlichen
Versuch, den Klerus aus dem Interessenkonflikt zwischen den weltlichen Zielen
der meist adeligen Herkunft der Kirchenführer und den geistlichen Ansprüchen zu
befreien, versteht. Trotz zahlreicher Anläufe, das Verhältnis von Kirche und
Staat zu regeln, gelang es nach Hegels Überzeugung weder geistlicher noch weltlicher
Herrschaft im Mittelalter zu einer in sich konsistenten Struktur zu kommen.
Zwar wehrte man sich seitens der Kirche zu Recht gegen den Einfluss der
Herrscher auf kirchliche Positionen, insbesondere gegen die Simonie, löste sich
aber nicht vom eigenen Anspruch selbst politischen Einfluss auszuüben[460].
Damit stand die mittelalterliche Kirche für Hegel im inneren Zwiespalt
einerseits das Weltliche als Untergeordnetes und Nichtiges[461]
zu betrachten, anderseits selbst weltliche Interessen zu haben.
Erst infolge der Reformation, die
zum einen im Protestantismus, wie bereits ausgeführt, eine neue religiöse
Sichtweise der weltlichen Ordnung bewirkte, und zum anderen durch die
zahlreichen konfessionellen Konflikte den Staat zu einer neuen Bestimmung
seines Verhältnisses zur Religion zwang, kam es zu einem grundlegenden Wandel
im europäischen Staatsverständnis. Demgemäss ist der „moderne Staat“ Hegels ein
die konfessionellen Differenzen und Spaltungen innerhalb des Christentums als
Faktum anerkennendes Gemeinwesen. Daher heißt es in den GPR, der Staat hätte
die Aufgabe, die religiöse Gemeinde zu unterstützen, ja, von seinen Bürger zu
fordern, dass „sie sich zu einer Kirchengemeinde halten[462]
- übrigens zu irgendeiner, denn auf den Inhalt, insofern er sich auf das Innere
der Vorstellung bezieht, kann sich der Staat nicht einlassen“[463].
Zu Recht sieht Hegel es als Kriterium der Stärke eines Staates an, sich liberal
gegenüber Weltanschauungen zu zeigen und sogar Religionen, „welche selbst die direkten
Pflichten gegen ihn religiös nicht anerkennen“[464]
zu tolerieren. In einem Zusatz dazu erklärt Hegel, dass etwa auch Angehörige
der Gemeinschaften der Quäker und Wiedertäufer im Staat anzuerkennen seien,
obwohl sie eine der wichtigsten Pflichten der Staatsbürger, die Gemeinschaft zu
verteidigen, aus religiösen Gründen nicht erfüllen dürfen. Unanhängig davon, ob
das Leisten des Wehrdienstes tatsächlich zu den wichtigsten Pflichten eines
Staatsbürgers gehört, bleibt es bemerkenswert, dass Hegel hier auf Toleranz
gegenüber Gemeinschaftsmitgliedern pocht, die wesentliche Regeln der
Gemeinschaft nicht erfüllen. Zugleich aber macht Hegel klar, dass dabei
Toleranz, „im eigentlichen Sinn“ geübt werde, da wer Grundregeln der
Gemeinschaft nicht achte, kein „Recht“ darauf habe, Mitglied der Gemeinschaft
zu sein[465].
Interessanterweise relativiert Hegel in der Folge diesen durchaus
problematischen Gedankengang dadurch, dass er gegen Argumente, wonach etwa
Juden nicht vollwertige Staatsbürger sein könnten, da sie sich als Angehörige
eines fremden Volkes empfänden, festhält, „dass sie zuallererst Menschen sind“[466].
Ein Staat, der dies vergesse, erhielte gerade „die den Juden vorgeworfene
Trennung“[467], betont
Hegel. Meines Erachtens bezieht er sich dabei auf den Gedanken, die
Zugehörigkeit zu einem „Volk“ über die zu einem Staat zu stellen. Ein Staat,
der dies tue, verkenne „sein Prinzip, die objektive Institution und deren
Macht“, schreibt Hegel und verweist auf eine Anmerkung zu § 268 der GPR. Dort
behandelt Hegel die Bedeutung der Gesinnung, des Zutrauens, dass das besondere
Interesse des Einzelnen im Allgemeinen gewahrt bleibt. Nicht die Abstammung,
sondern die Identifikation mit einem Gemeinwesen muss demzufolge das
entscheidende Kriterium der Staatszugehörigkeit sein. Jeder, der sich als
freies Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft verstehe, habe das Recht Mitglied
des Staates zu werden, argumentiert Hegel. Den Verweis auf die bürgerliche
Gesellschaft nimmt Hegel meines Erachtens an dieser Stelle vor, weil er dort
durch die Anerkennung der bürgerlichen Rechte, das Selbstgefühl des Menschen
„rechtliche Person“ zu sein, begründet sieht[468].
Ich
habe bereits an früherer Stelle auf die grundsätzliche formale Differenz zwischen den Sphären von Religion
und Staat aufmerksam gemacht und dabei die Unterscheidung zwischen der
Allgemeinheit der staatlichen Gesetze, die Hegel als Ausdruck einer
gedanklichen Universalität versteht, und der vorstellungsmäßig begrenzten
Gültigkeit der religiösen Inhalte hervorgehoben. Daran muss nun auch hier
wieder erinnert werden, liegt in dieser Differenz doch eine entscheidende
Wurzel für Hegels Eintreten für die Trennung von Kirche und Staat. Betont Hegel
doch, dass gerade erst in Abgrenzung von den nur beschränkten, weil
vorstellungshaften religiösen Inhalten die Universalität der staatlichen
Gesetze deutlich werde. Hegels Argumentationsgang geht aber interessanterweise
noch weiter:
„Diese Unterscheidung [zwischen der
bewussten Form der staatlichen Gesetze und der autoritären des Glaubens] tritt
aber nur hervor, insofern die kirchliche Seite in sich selbst zur Trennung
kommt; nur so, über den besonderen Kirchen, hat der Staat die Allgemeinheit des
Gedankens.“[469]
Dies bedeutet nichts anderes, als
dass erst nach der konfessionellen Spaltung der Staat sich zur für die Moderne
wesentlichen Universalität erheben konnte. Erst nachdem sich historisch durch
die verschiedenen religiösen Interpretationen der einen - biblischen -
Geschichte das grundsätzliche Manko einer jeden religiösen Erzählung, nur
vorstellungshaft, nicht aber gedanklich verfasst zu sein, gezeigt hatte, konnte
sich in Abgrenzung zu den Konflikten zwischen den religiösen Parteien der Staat
als neutraler konstituieren.
Neben dieser entscheidenden
Differenz zwischen dem Staat - als Sphäre der Allgemeinheit - und den Kirchen -
als Ausdruck der Besonderheiten - führt Hegel auch noch das Problem des
weltlichen Besitzes der Kirchen als Argument für eine Trennung von Kirche und
Staat an. Muss sich doch die Kirche, wie jede andere Vereinigung auch, selbstverständlich
an die staatlichen Eigentumsregeln halten.
Damit steht der von Hegel hier
skizzierte Staat aber nicht nur philosophisch - aufgrund seiner Universalität -
über jeder konfessionellen Bindung, sondern zum Teil auch praktisch, weil er zu
Recht auch von den Kirchen die Achtung seiner Regeln einfordern kann.
Allerdings schränkt Hegel in den GPR diese Positionierung des Staates als
übergeordnete Instanz insofern ein, als er auf die grundsätzliche Freiheit der
religiösen Überzeugung pocht; gehört die Religionswahl doch der „Sphäre der
Innerlichkeit, die als solche nicht das Gebiet des Staates ausmacht“[470]
an. Obwohl der Staat auf seinem Gebiet, dem der Gesetze, von den Kirchen
Unterordnung verlangen kann, wäre ein Eingriff in das ureigenste Gebiet der Religionen,
die menschliche Subjektivität, nicht tolerabel; dies auch deswegen, weil das
individuelle Gewissen für Hegel „ein Heiligtum, welches anzutasten Frevel wäre“[471]
ist[472].
Nachdem ich nun versucht habe, die
vielfältigen thematischen Überlegungen Hegels zur Relation von Staat und
Religion zu rekonstruieren, möchte ich die nachgezeichneten Konzepte im
Folgenden zusammenfassen, einander gegenüberstellen und einer kritischen
Lektüre unterziehen. Teilweise wird es zu diesem Zwecke notwendig sein, bereits
Erläutertes nochmals zu wiederholen, um daran weiterführend anknüpfen und ein
paar eigene Gedanken zum Thema formulieren zu können.
V.I.
Gegensätzliche Ansprüche und Relativierungen
Ausgehen werde ich zunächst von der
grundsätzlichen Differenz zwischen den von mir „systematisch“ bzw. „praktisch“
genannten Verhältnisbestimmungen von Religion und Staat; einer Differenz, die
sich im Wesentlichen in der unterschiedlichen Anwendung der
Zweck-Mittel-Relation zeigt. Während das „systematische“ Verhältnis von
Religion und Staat in Letzterem, als Teil der Sphäre des objektiven Geistes,
vor allem ein Mittel zur Realisation des absoluten Geistes, der Religion,
sieht, so scheint das „praktische“ Verhältnis genau für das Gegenteil zu stehen
- für die Unterstützung des Staates durch die Religion, welche dadurch leicht
in die Rolle des Werkzeuges gedrängt werden könnte. Nun habe ich bereits früher
zu zeigen versucht, dass Hegel genau diese Reduktion der Religion zum Mittel im
Dienste eines ihr fremden Zweckes ablehnt. Nichtsdestotrotz scheint mir ein
methodisches Festhalten an den beiden unterschiedlichen Ansätzen, die sich in
Hegels Erörterungen über Religion und Staat finden lassen, durchaus sinnvoll.
Was sich bei Hegels Ausführungen
nämlich deutlich zeigt, ist zunächst das grundsätzliche Dilemma, in welches
Religion und Staat fast notwendigerweise im Kontakt miteinander zu kommen
scheinen - die sich entgegenstehenden Geltungsansprüche von religiöser und
politischer Überzeugung. Muss die Religion, als Teil des absoluten Geistes
doch, gemäß Hegel, auf ihre Vormachtstellung gegenüber allen Formen des
objektiven Geistes pochen und kann diese nur als „Weg“ zum eigenen Begriff von
Freiheit akzeptieren. Demgegenüber steht jedoch, wie im Abschnitt über das
„praktische Verhältnis“ ausgeführt, ein Staat, der die Religion zwar als
wichtiges Transportmittel für die ihn tragende Gesinnung anerkennt, diese
jedoch dort, wo sie aufgrund ihrer (formalen) Defizite dem staatlichen
Anspruch, eine vernünftige Fassung des Freiheitsbegriffes zu sein, nicht
genügt, begrenzt. Während also gemäß dem systematischen Verhältnis der Staat
Mittel zum Zweck der Religion ist, stehen die Hegel’schen Ausführungen über den
Glauben als „Grundlage“ des Staates größtenteils für die umgekehrte Relation.
Wenn man nun überlegt, auf welche
Weise der Konflikt zwischen den konkurrierenden Geltungsansprüchen von Religion
und Staat zu beheben ist, so erscheint zunächst ein völliger Rückzug einer der
beiden Sphären aus dem Einflussbereich der anderen sinnvoll. Gegen einen
Verzicht der Religion auf jeden gesellschaftlich realen Einfluss wendet Hegel
aber ein, dass eine solche Frömmigkeit letztlich nicht nur an ihren Ansprüchen
scheitern müsse, sondern im besonderen Maße von der Gefahr das Fanatischwerdens
betroffen wäre[473].
Ein Rückzug des Staates auf die institutionelle Ebene unter gleichzeitigem
Verzicht auf eine Basis in der Überzeugung der Bürger kommt für Hegel wiederum
nicht infrage, da ein solcher Staat seines Erachtens nicht nur instabil,
sondern vor allem auch dem Ziel, realisierter Freiheitsbegriff zu sein,
widersprechend verfasst wäre[474].
Aufgrund seiner Ablehnung solcher
Extrempositionen muss Hegel einen anderen Weg zur Lösung des Geltungskonfliktes
zwischen Religion und Staat suchen. Hegel findet diesen im Konzept des „einen
Geistes“, der sich in beiden Sphären, Politik und Glauben, ausdrückt, und vor
allem im Gedanken der gegenseitigen Angewiesenheit von religiöser und
politischer Überzeugung. Dabei muss bedacht werden, dass es sowohl beim
„systematischen“ als auch beim „praktischen“ Verhältnis neben der Subordination
des Mittels unter den Zweck auch eine Abhängigkeit des Ziels von der Ursache
gibt. Denn auch wenn etwa die religiöse Überzeugung das politische System nur
als „Weg“ betrachtet, so bliebe sie ohne dieses doch realitätslos. Und genauso
ist für Hegel der Staat, für den die subjektive (religiöse) Überzeugung seiner
Mitglieder „Grundlage“ ist, ja auch von dieser abhängig. Die beiden
Theorieansätze zeigen meines Erachtens daher, dass für Hegel keine der beiden
Sphären ihre Ziele ohne die andere erreichen kann. Dies erscheint mir nun
tatsächlich sehr entscheidend. Findet sich doch durch den Versuch, die
unterschiedlichen Ansprüche von absolutem und objektivem Geist - unter
Berücksichtigung der „systematischen“ Differenz zwischen den beiden Sphären -
zusammenzudenken, in den Hegel’schen Überlegungen ein Werkzeug, um der Hegel
immer wieder vorgeworfenen „Vergötterung des Staates“ zu entgehen; einer
Kritik, die sich meist an dem berühmten Zitat aus den GPR entzündet, welches da
heißt:
„[…] es ist der Gang Gottes in der
Welt, daß der Staat ist.“[475]
Eine solche „Vergötterung“ - die
Hegel an der betreffenden Stelle, wie sich zeigen wird, meines Erachtens auch
gar nicht bezweckt - wird, wenn man die grundsätzliche Relativierung aller
Formen des objektiven Geistes durch den absoluten ernst nimmt, durch die
„systematische“ Differenz unterbunden. Wenn man bedenkt, dass der absolute
Geist die Beschränkung jeder objektiven Manifestation eines Freiheitsbegriffs
aufzeigt, dann kann kein jemals existierender Staat „Gott sein“. Aber nicht nur
jede historische Ausformung eines Staates hat mit diesem Einwand umzugehen,
sondern auch der „Staat an sich“, d. h. die Idee desselben. In diesem
Zusammenhang zeigt sich jedoch meines Erachtens eine gewisse argumentative
Unschärfe in den Hegel’schen Texten: Beachtet Hegel doch den Gedanken des im
„Wissen des absoluten Geistes“ seine eigene Weltlichkeit abstreifenden Geistes[476]
in den GPR anscheinend nicht, wenn er die Idee des Staates als „wirklichen
Gott“[477]
bezeichnet. Allerdings darf hier das Adjektiv „wirklich“ nicht übersehen
werden. Erläutert Hegel in der Folge doch, dass der Staat immer „in der Welt,
somit in der Sphäre der Willkür, des Zufalls und des Irrtums“[478]
stehe. Dies ist in Verbindung mit der Tatsache, dass für Hegel „Idee“ nie nur
ein Ideal bezeichnet, insofern wichtig, als damit deutlich wird, dass auch zum
Gedanken des Staates bereits seine Wirklichkeit dazugehört - sonst wäre er
nicht „objektiver Geist“ - und damit immer auch seine Zufälligkeit und
Mangelhaftigkeit. Daher verweist die „Wirklichkeit“ des „Gottes ‚Staat’“ auch
auf die Problematik seines grundsätzlichen Ungenügens. In einer gewissen
Hinsicht ist der Staat gerade weil er ein „wirklicher“ Gott ist, auch
ein mit Zufälligkeit behafteter.
Trotzdem bleibt kritisch zu fragen,
ob mit der Bezeichnung „wirklicher Gott“ nicht die Differenz von objektivem und
absolutem Geist überschritten wird.
Anders sieht dies allerdings in
Bezug auf die zitierte Formulierung vom „Gang Gottes in der Welt“ aus. Damit
erläutert Hegel im Zusatz zu § 258 nämlich die Rolle des Staates als
notwendiger Verwirklichung der Freiheit. Da für Hegel, wie bereits ausgeführt,
Freiheit ein vernünftiges Ordnungssystem - welches er an dieser Stelle „Staat“
nennt - erfordert, und Gott nur als sich in der Geschichte realisierender
verstehbar ist, kommt dem Staat die Aufgabe zu, Mittel zum Zweck der
Freiheitsverwirklichung, d. h. Teil des „Gang Gottes in der Welt“ zu sein.
Daher kann die Metapher vom „Gang“ an dieser Stelle gewissermaßen auch wörtlich
verstanden werden. Der Staat wäre demzufolge Teil eines Fortschritts, dessen
Ziel - wie bei jeder Bewegung - zumindest teilweise an, oder sogar hinter,
seinem Ende und nicht nur in ihm selbst liegt. Wodurch interessanterweise
gerade ein Verständnis des Staates als „Gang Gottes“ eine Relativierung der
Ansprüche eines „totalen Staates“ ermöglichen würde. Es könnte jedoch so
scheinen, als ob dieser Interpretation Hegels Diktum, dass die staatliche
Einheit „absoluter unbewegter Selbstzweck“[479]
sei, widerspräche. Allerdings wendet sich Hegel damit in Wahrheit nur gegen
eine singuläre Interpretation der staatlichen Gemeinschaft als Schutzinstrument
im Dienste der Partikularinteressen ihrer Mitglieder, wodurch „das Interesse
der Einzelnen als solcher der letzte Zweck[480]“
würde und der staatliche Selbstzweck, Freiheitsrealisation zu sein, verloren
ginge. Diesem Selbstzweck wird hingegen auch Genüge getan, wenn die staatlichen
Ansprüche etwa durch das religiöse Freiheitsverständnis relativiert werden.
Wenn die gegenseitige Abhängigkeit
von Religion und Staat, wie oben formuliert, eine wechselseitige Relativierung
der Geltungsansprüche bedingt, dann stellt sich allerdings nicht nur die Frage,
ob und wie der Bereich des objektiven Geistes durch den absoluten beschränkt
wird, sondern auch die Frage nach einer eventuellen Relativierung der Religion
durch den Staat. Aufgrund der „systematischen“ Differenz müsste die Frage
eigentlich verneint werden; nichtsdestotrotz erfordert sie nach Lektüre der
Hegel’schen Texte eine positive Antwort. Ja, es gibt für Hegel auch eine Form
der Relativierung der Religion durch die Realität des objektiven Geistes.
Allerdings erfolgt sie - anders als ihr oben erläutertes Gegenstück - nicht
durch das Aufzeigen der höheren Ansprüche einer anderen Sphäre, sondern
gewissermaßen relativiert sich die Religion für Hegel selbst, da ein Glauben,
der sich allein auf seine theoretischen Wahrheiten beschränkt und deren
praktische Umsetzbarkeit vernachlässigt, sich selbst nicht genügen kann[481].
Wobei keine Religion für Hegel völlig vor dieser Gefahr, zur konsequenzlosen
Frömmigkeit zu werden, gefeit ist. Sogar die „wahre Religion“, das Christentum,
droht, wie Hegel etwa in den VPG am Beispiel des oströmischen Christentums
ausführt, „abstrakt“ und lediglich dem Gewissen angehörig zu werden[482].
Demgegenüber muss ein Glaube, der seine Antworten auf die existenziellen Fragen
des Menschseins ernst nimmt, auch die praktische Relevanz dieser Antworten
berücksichtigen. Wodurch für die Religion nicht nur die Ebene des Staates - als
Form der sozialen Gestaltung der menschlichen Existenz - interessant wird,
sondern auch eine Reduktion theologischer Wahrheiten auf handlungsleitende
Aussagen unumgänglich wird. Was neben einer Simplifizierung vor allem auch eine
Zusammenfassung ausgefeilter religiöser Konzepte in zentralen Inhalten einer
Religion bedeutet. In den Hegel’schen Ausführungen ist, wie gezeigt, das
religiöse Wissen darum, was es heißt Mensch zu sein, einer dieser Kernpunkte.
Eine derartige Übersetzung
religiöser Inhalte ist für Hegel besonders auch wegen der
„vorstellungsbedingten“ Mankos jeder Religion notwendig. Damit etwa
beispielsweise das christliche Verständnis der Würde aller Menschen auch
politisch-praktisch relevant wird, muss es erst von seinem theologischen
„Kostüm“ befreit und gedanklich gefasst werden[483].
Daher können theoretisch auch konfessionelle Differenzen einer solchen
Relativierung der religiösen Wahrheiten durch ihre praktische Anwendung zum
Opfer fallen, da auch unterschiedliche Strömungen einer Religion trotz
differenter dogmatischer und institutioneller Verfasstheiten implizit dieselben
Aussagen über das Menschsein umfassen.
Wenn wir das bisher Gesagte nochmals
zusammenfassen, so zeigt sich, dass für Hegel Religion sowohl „unter“ und als
auch „über“ dem Staat steht. Einerseits stützt sie ihn, andererseits geht sie
als Form des Wissens über ihn hinaus. Genauso wie der Staat die Religion zur
Sicherung der individuellen Unterstützung seiner Ziele „benützt“, greift die
Religion auf ihn zurück, um ihre Ansprüche zu verwirklichen. Woraus jene Form
der gegenseitigen Abhängigkeit resultiert, die Hegel durch die Herleitung
beider Sphären aus dem „einen Geist“ eines Volkes begründet. Eine gemeinsame
Herkunft, die seines Erachtens auch die Lösung für den möglichen
Geltungskonflikt zwischen Religion und Staat inkludiert. Da sowohl religiöses
als auch politisches Freiheitsverständnis Teil desselben Geistes sind, muss es
nach Hegel zumindest so etwas wie eine partielle Übereinstimmung beider
Bereiche geben. Genau dies kann natürlich auch als argumentative
Taschenspielerei verstanden werden. Habe ich doch oben den Konflikt zwischen
den konkurrierenden Ansprüchen von Religion und Staat eingeführt und erkläre
nun, gemäß Hegel würde diese Differenz dadurch aufgelöst, dass Staat und
Religion ohnehin dasselbe anstreben. Wodurch der Konflikt weniger gelöst als
negiert wäre. Allerdings muss dabei auf die gegenseitigen Relativierungen von
Religion und Staat verwiesen werden, die diese Parallelität von religiösen und
politischen Zielen erst ermöglichen. Relativierungen allerdings, die bei Hegel
nicht explizit angesprochen werden, die meines Erachtens aber, wenn man die
Hegel’schen Ausführungen unter anderem über die „falschen“ versus die „wahren“
Formen des Religiösen liest, nicht übergehen kann. Zeigt das ausführliche
Kapitel über die Gefahr des Fanatismus doch sehr deutlich, dass auch für Hegel
der oben behandelte Konflikt denkbar und in einer prinzipiellen
Grenzüberschreitung begründet ist. Sei es dadurch, dass die Religion
unmittelbar aus ihrem Bereich des Ideellen heraus auf die Wirklichkeit
einzuwirken versucht[484],
oder dadurch dass der Staat die Gewissensfreiheit seiner Bürger beschränkt[485].
Die deutlichsten Aussagen Hegels zu den notwendigen Beschränkungen, die sich
sowohl Religion als auch Staat auferlegen müssen, um zu einem sinnvollen
Verhältnis zu kommen, finden sich in einem Zusatz zu § 270 der GPR, wo es heißt
„so wie der Staat, wenn er auf religiöse Weise forderte, das Recht der
Innerlichkeit gefährden würde, so artet die Kirche, die wie ein Staat handelt
und Strafen auferlegt, in eine tyrannische Religion aus“[486].
Allerdings - und das ist sehr
entscheidend - entsteht dem Hegel’schen Verständnis nach diese problematische
Dissonanz zwischen Religion und Staat durch Fehlentwicklungen innerhalb einer
oder beider Bereiche und ist insofern theoretisch immer vermeidbar. Vermeidbar
dadurch, dass beide Bereiche nicht nur den Respekt vor dem anderen bewahren,
sondern vor allem auch dadurch, dass sie die oben erläuterten gegenseitigen
Relativierungen nicht vernachlässigen. Zeichnet sich eine nichtfanatische
Religion nach Hegel doch durch Anerkennung der sozialen Wirklichkeit und durch
eine Beschränkung ihrer Ziele auf die in dieser Wirklichkeit realisierbaren
aus, und ein liberaler Staat durch Respekt vor der Würde individueller
Überzeugungen und Reduktion seiner Gebote, wo diese Würde verletzt werden
könnte. Wenn aber sowohl Religion als auch Staat die ihnen gemäßen Formen
annehmen, dann gibt es für Hegel keinen Gegensatz zwischen den beiden Sphären,
sondern ein Verhältnis gegenseitiger Dependenz und Akzeptanz. Eine „wahre“
Religion umfasst seines Erachtens nicht nur ideelle Konzepte, was das
Menschsein betrifft, sondern versteht auch die politische Wirklichkeit als
wertvolles Gebiet der möglichen und notwendigen Realisation dieser Konzepte.
Und der Staat weiß nicht nur, dass die religiösen Vorstellungen der
Staatsbürger „Grundlage“ der ihn tragenden „Gesinnung“ sind, sondern auch, dass
er diese Vorstellungen, obwohl - oder gerade weil - sie für ihn wichtig sind,
nicht bestimmen kann und darf.
V.II.
Kein Staat ohne Menschenbild?
In den GPR betont Hegel, dass ein
moderner Staat auch Nichtchristen (er spricht von Juden) die Staatsbürgerschaft
nicht verweigern dürfe, da er sonst seinen eigenen Prinzipien der Anerkennung
aller Menschen widersprechen würde. Hegels diesbezügliche Bemerkungen[487]
sind aus zwei Gründen interessant: erstens weil Hegel dabei das Charakteristikum
der Humanität über alle anderen Kriterien (explizit nennt er die Zugehörigkeit
zu einem anderen „Volk“) stellt, zweitens weil es dabei zu einer
bemerkenswerten Transzendierung des Hegel’schen Konzepts der Geburt des
modernen Staates aus dem Christentum kommt. Wenn der moderne Staat auf dem
(christlichen) Prinzip der Freiheit aller Menschen basiert, ja, eine
Errungenschaft dieser Weltanschauung ist, dann muss er selbst die Grenzen
dieser Herkunft insofern sprengen, als er eben alle Menschen und nicht nur
Christen anerkennt. Da das Jemanden-als-Mensch-Anerkennen aber auch Akzeptanz
seiner Gewissens- und Religionsfreiheit bedeutet, muss gerade der auf dem
Christentum basierende Staat mit religiöser Vielfalt umgehen. Wodurch die Frage
auftaucht, ob der Staat aus christlichem Prinzip nicht notwendigerweise zum
säkularen Staat wird. Nun scheint dies zunächst nicht sehr problematisch. Vor
allem deswegen nicht, weil damit gedanklich etwas hergeleitet wird, was wir
historisch möglicherweise ebenfalls nachvollziehen können. Schließlich hat sich
das Konzept des modernen, säkularen Staates im Laufe der vergangenen
Jahrhunderte doch tatsächlich besonders im christlich dominierten Raum Europas
bzw. Amerikas entwickelt und durchgesetzt. Wenn wir aber die Hegel’sche Überzeugung
ernst nehmen, dass sich der Gedanke der Freiheit aller Menschen nur in der
christlichen Religion wirklich begründen lässt, während alle anderen Religionen
diesbezüglich ein zumindest partielles Defizit aufweisen, dann muss diese
Entwicklung des „christlichen Staates“ zum säkularen Staat allerdings zum
Problem werden. Würde der „christliche Staat“ doch dann durch die - für ihn
unumgängliche - Anerkennung von Nichtchristen als Staatsbürger - weil sie
„zuallererst Menschen“[488]
sind - gewissermaßen selbst seine eigene Basis untergraben, da mit dem
Christentum auch der Glaube an die Freiheit der Subjektivität verloren ginge
oder zumindest geschwächt würde. Um dieses Dilemma zu umgehen, gibt es meines
Erachtens zwei Wege: zum einen die Übertragung des für Hegel so zentralen
Inhaltes des Christentums, des Bewusstseins der Freiheit des Menschen als
Menschen, von der religiösen Sphäre in eine säkulare, und zum anderen die
Sicherung der christlichen Botschaft als wesentlichem Teil einer religiösen
Mehrheitskultur. Letzterer Weg wäre mit Maßnahmen seitens des Staates zu
Gunsten der christlichen Religion verbunden, da diese für ihn „das Tiefste der
Gesinnung integrierende Moment“[489]
ist, wie es in den GPR heißt.
Nun ist es deutlich, dass Hegel die
Frage, ob der moderne Staat seine „christliche“ Herkunft nicht notwendig
überwinden und zum säkularen werden muss, explizit nicht stellt. Auch in den
GPR, wo Hegel ein System des liberalen Staates entwirft, der nicht direkt auf
Religion begründet scheint, bleibt das christliche Prinzip der Freiheit
bestimmend und obwohl der moderne Staat zwar die Grenzen der Konfessionen
überwindet bzw. sich erst im Laufe dieser Überwindung konstituiert, bleibt die
Religion ein entscheidender Faktor. Dies zeigt sich auch daran, dass Hegel zwar
staatliche Anerkennung differenter Glaubensgemeinschaften fordert und die Wahl
der Religion als wichtigen Teil der modernen Gewissensfreiheit erkennt, er aber
nicht die Möglichkeit der Wahl keiner Religionsgemeinschaft berücksichtigt. Der
Staat kann zwar - zumindest nach dem Modell der GPR[490]
- unterschiedliche religiöse Welt- und Menschenbilder tolerieren, da Religion
für Hegel aber ein so entscheidender Faktor bei der Ausdifferenzierung dieser
Vorstellungen ist, scheinen atheistische Staatsbürger für ihn nicht denkbar.
Der moderne Staat löst sich Hegel zufolge von allen Kirchen bzw. sogar von
allen Religionen, nicht aber von der Religion als solcher. Wie ich versucht
habe im Laufe des vorliegenden Textes herauszuarbeiten, liegt ein Schlüssel für
das Verständnis der zentralen Rolle der Religion im Hegel’schen Verständnis des
Staates im Begriff des „Menschen“. In der religiösen Vorstellung kommt der
Mensch für Hegel zu einer entscheidenden Bestimmung seiner selbst, da diese in
ihren Konzepten der Geistigkeit des Absoluten immer auch den subjektiven Geist
bestimmt. Jede Gottesvorstellung ist für Hegel auch mit einer Vorstellung vom
Menschen verbunden, wobei die entscheidende Ausdifferenzierung des
Menschenbildes durch die dem Menschen zugestandene Freiheit erfolgt. Durch eine
Freiheit, die Hegel in Bezug auf das göttliche Wesen in zweifacher Weise
bestimmt: zum einen durch die Autonomie, die der Mensch von bzw. gegenüber Gott
zugesprochen bekommt, zum anderen aber auch dadurch, dass Gottesbilder für
Hegel auch eine jeweils besondere Form der Wert- oder Geringschätzung der
Subjektivität inkludieren[491].
Da Hegel zufolge jede Staatsform eine Realisation eines speziellen
Freiheitsbegriffs ist und Religion die wichtigste Bestimmung dieses Begriffs
liefert, basiert jeder Staat eben auf einer Religion. Wobei dieses Basieren ein
doppeltes ist, historisch haben sich Staatsformen für Hegel aus Religionen
entwickelt, philosophisch steht die „verwirklichte Freiheit Staat“ auf dem
Vertrauen seiner Bürger in den jeweils speziellen Freiheitsbegriff, einem
Vertrauen, dessen dauerhafte Existenz vom religiösen Glauben gesichert wird.
Dagegen muss ein Staat, dessen Freiheits- und damit Menschenbild sich in
Opposition zum religiösen befindet, nach Hegel in Probleme geraten.
Bei einem Versuch einer Kritik der
diesbezüglichen Hegel’schen Gedanken muss meines Erachtens bedacht werden, dass
Hegel dabei zwei grundsätzlich differente Argumente verbindet, dass es an
dieser Stelle eigentlich um zwei Fragen geht: um die, ob Religion die einzig
wirklich feste Stütze des für einen Staat notwendigen Freiheitsverständnisses
ist, und um jene, ob ein Staat überhaupt einen solchen Konsens seiner Bürger im
Glauben an die Freiheit und die Rechte ihrer Mitmenschen erfordert.
Da ich auf die erste Frage am
Schluss meiner Arbeit eingehen möchte, werde ich mich zunächst einer versuchten
kurzen Kritik des Zusammenhangs von Freiheitsverständnis und staatlicher
Ordnung widmen. Allerdings werde ich dazu nur einige wenige Überlegungen bieten
können, da eine ausführliche Beschäftigung mit dieser Frage nicht nur den
Umfang dieser Arbeit sprengen würde, sondern sich meines Erachtens von ihrem
zentralen Thema zu weit entfernen würde. Da für Hegel der Zusammenhang von
Staat und Freiheitsbegriff, wie ich im ersten Teil dieser Arbeit aufgezeigt
habe, ein sehr wichtiger und meiner Meinung nach ein auch seiner Erörterung des
Verhältnisses von Religion und Staat zu Grunde liegender Gedanke ist, möchte
ich aber trotzdem ein paar kritische Anmerkungen dazu machen.
Zunächst scheint mir der Hegel’sche
Gedanke, dass eine Staatsform immer Ausdruck einer Weltanschauung ist, insofern
sinnvoll zu sein, als die Autoren einer Verfassung diese zweifellos nach ihren
Vorstellungen einer „gerechten“ Gesellschaft und im Einklang mit ihrem „Weltbild“
formulieren. Und auch Hegels Überzeugung, dass ein Staat letztlich nur stabil
sein kann, wenn die an ihm partizipierenden Menschen einen gewissen
weltanschaulichen „Minimalkonsens“ teilen, ist meinen Augen durchaus
zutreffend. Wobei natürlich betont werden muss, dass diese Weltanschauung auch
ein Bewusstsein des Wertes der Pluralität der Konzepte umfassen kann. Gerade
der Grundsatz, dass Bürgern das Recht zusteht, ihre individuellen
Lebensentwürfe zu verwirklichen, basiert doch - bzw. kann basieren - auf einem
spezifischen Menschenbild, auf einem, das eben den intrinsischen Wert jedes
Menschen anerkennt. Wenn man den Begriff der Weltanschauung bzw. des
Menschenbildes oder, um mehr in Hegel’scher Terminologie zu bleiben, der
Gesinnung so weit fasst, dass auch Toleranz gegenüber anderen „Gesinnungen“
damit bezeichnet wird, dann scheint mir der Gedanke des Staates als Realisation
eines Freiheitsbegriffes durchaus stringent und auch mit dem modernen Konzept
eines weltanschaulich neutralen Staates vereinbar zu sein. Lebt doch auch
dieser Staat von dem Bewusstsein, dass dem Leben der anderen Bürger Wert
zukommt oder zumindest, dass allen Bürgern das Recht zusteht, ihrem eigenen
Lebenswillen zu gehorchen. Insofern basiert meines Erachtens sogar der von Hegel
als „Notstaat“ apostrophierte Staat zum alleinigen Zweck des Schutzes der
Partikularinteressen auf einem bestimmten Menschenbild[492].
Allerdings sind wir damit natürlich
auch schon beim eigentlichen problematischen Punkt angelangt. Steht doch der
neutrale Staat gerade vor der Schwierigkeit, das Bewusstsein seiner Bürger um
den Wert der Freiheit aller Menschen zu sichern, ohne gerade diese Freiheit zu
minimieren. Meines Erachtens liegt darin das entscheidende Dilemma des Konzepts
des Staates als Ausdruck eines Freiheitsbewussteins; ein Dilemma, das unter
anderem auf die Differenz von Staatsgründung und Staatserhaltung zurückgeht.
Denn selbst wenn wir akzeptieren, dass die „Schöpfer“ einer Verfassung[493]
und damit eines staatlichen Systems ihre Freiheitsvorstellung in diesem System
verwirklicht haben - ich lasse hier die Frage, ob eine solche Realisation
überhaupt restlos möglich ist, d. h. die „systematische“ Differenz von
„objektivem“ und „absolutem“ Geist, beiseite - bleibt das Problem, dass das
System ja normalerweise eine über die Lebenszeit der Verfasser hinausgehende
Wirkung hat. Und wer kann garantieren, dass nachfolgende Generationen diesen
Freiheitsbegriff ebenfalls teilen? Und wodurch ist gesichert, dass selbst die
Zeitgenossen der „Gründer“ die von diesen vorausgesetzten Rechtsvorstellungen
teilen? Die zweite Frage würde Hegel wohl mit dem Verweis auf die Einheit eines
„Volksgeistes“, d. h. der Dominanz eines kulturell, religiös,
wissenschaftlichen Weltbildes innerhalb einer historischen Kulturepoche zu beantworten
versuchen. Dabei zeigt sich meines Erachtens aber, dass, selbst wenn wir davon
absehen, diese Erklärung einer Überprüfung an historischen Fallbeispielen zu
unterziehen und sie als überzeugend hinnehmen, sich die Frage auftut, was aus
dieser ursprünglichen kulturellen Übereinstimmung für das Fortbestehen einer
Gemeinschaft gefolgert werden kann. Womit wir auf prinzipieller Ebene bei der
bereits im Vorwort angesprochenen doppelten Debatte um einen Religions- bzw.
Gottesbezug in einer Verfassung angelangt sind. Zeigt sich doch unter anderem
in der Diskussion um die zukünftige europäische Verfassung, dass für Menschen,
die nicht grundsätzlich auf der völligen Laizität des Staates bestehen, sondern
auch das Thema der Religion als Teil des politischen Diskurses betrachten, zwei
unterschiedliche Verweise auf die Sphäre des Religiösen in einer Verfassung
möglich scheinen. Zum einen kann in einer Verfassung explizit auf die
philosophischen und religiösen Wurzeln der in ihr versuchsweise realisierten
Werte Bezug genommen werden, zum anderen können die Adressaten der Verfassung
direkt auf ihre Verantwortlichkeit „vor Gott“ verwiesen werden. Während
ersterer Gedanke gewissermaßen nur der - vermeintlich oder wahren - ideellen
Herkunft der Verfassung Tribut zollt, hat der Verweis auf die
Verantwortlichkeit gegenüber Gott nur unter der Voraussetzung Sinn, dass die
Bürger des Staates religiös sind. Dabei zeigt sich meines Erachtens sehr gut,
worin die Problematik der Verknüpfung von religiöser und staatlicher Sphäre in
einer Verfassung liegt. Denn selbst wenn unter den Autoren einer Verfassung
Konsens darüber bestehen würde, dass aktuelle und zukünftige Staatsbürger ihre
Handlungen vor einem höchsten Wesen zu rechtfertigen haben, könnten natürlich
die Bürger eben diesen Konsens nicht teilen und würden dann mit einer
Verfassung leben müssen, die ihrem Weltbild ganz und gar nicht entspräche und
die sie möglicherweise genau aus diesem Grund nur bedingt akzeptieren könnten[494].
Wodurch entweder die Stabilität der Verfassung selbst infrage gestellt wäre,
oder aber es zu zwei Klassen von Staatsbürgern kommen würde, da sich
diejenigen, die nicht an den in der Verfassung festgeschriebenen „Gott“
glauben, diskriminiert fühlen könnten.
Anders scheint dies allerdings in
Bezug auf eine Erwähnung eines religiösen Erbes auszusehen. Würde damit doch
grundsätzlich nur eine historisch, ideengeschichtliche Erläuterung der Werte
einer Verfassung gemacht und eine Herleitung vollzogen, die auch für denjenigen
nachvollziehbar sein kann, der die begründeten Werte auf einem anderen
Fundament basieren sieht.
Genau in dieser Dualität des
Verhältnisses von Religion und Staat liegt meines Erachtens eine - wenn auch
beschränkte - Aktualität der Hegel’schen Gedanken zum Thema. Lehnt Hegel doch
eine direkte Begründung der staatlichen Gesetze im Glauben ab und unterstützt
hingegen eine indirekte Begründung des Staates in der Religion[495].
Wie ich versucht habe zu zeigen, liegt die Bedeutung des Religiösen für das
Politische in dessen Kraft, Vorstellungen über den Wert des Menschen und seine
Freiheit zu formen. Weswegen für Hegel Religion - als Bewusstsein über den Wert
der Freiheit - eine „Grundlage“ des Staates bleibt. Insofern wäre es für Hegel
wohl keine Frage, dass eine Verfassung (auch) auf religiösen Werten basiert.
Ist die Religion doch seines Erachtens die erste Form eines Bewussteins über
die Vereinigung der Einzelnen in einem Allgemeinen[496].
Zugleich liefert Hegel aber auch einige Argumente gegen eine direkte Fundierung
des Politischen im Religiösen. Dabei zeigt sich in Bezug auf die angesprochene
aktuelle Debatte eine interessante Differenz zwischen deskriptiver und
normativer Ebene. Denn auch wenn nach Hegel’scher Überzeugung die religiösen
Wurzeln einer Verfassung immer vorhanden sind, so steht ihrer expliziten
Erwähnung die Frage entgegen, ob damit nicht einem „direkten“ Bezug des
Politischen auf das Religiöse in der Zukunft der Weg geebnet wird, einer
Bezugnahme Vorschub geleistet wird, die mit großen Missbrauchsmöglichkeiten
verbunden ist. Denn eine - deskriptive - Fixierung der Verbindung von
Verfassung und Religion hätte vermutlich insofern auch - normative - Folgen,
als (tatsächlich oder scheinbar) der genannten Religion widersprechende
Phänomene dann auch als der Verfassung widersprechend angesehen würden. Dies
mag wenig verwundern, da das Verständnis einer Religion als
„verfassungsbegründend“ selbstverständlich mit dem Wunsch, die Prinzipien
dieser Religion zu verwirklichen, verbunden zu sein scheint. Wenn zum Beispiel
nach Hegel’scher Überzeugung der moderne Staat auf dem „christlichen Prinzip“
der Freiheit aller basiert, so scheint es nicht zur Debatte zu stehen, dass
dieses Prinzip auch wesentlicher Teil aller bestimmten, ausgearbeiteten Gesetze
sein muss. Trotzdem finden sich bei Hegel auch wichtige Argumente dagegen. Zwar
nicht gegen den Gedanken, das „christliche Prinzip“ auch normativ zu verstehen
und politisch anzuwenden, aber grundsätzlich gegen die verfassungsrechtliche
Nennung einer Religion. Entscheidend dafür sind formale Kriterien des
Hegel’schen Religionsbegriffs. Da Religion im Wesentlichen Vorstellung und
Gefühl betrifft, d. h. Bild und Erzählung ihre wichtigsten Transportmittel
sind, kann sie, wie bereits ausgeführt[497],
nicht die Allgemeinheit des Staates erreichen. Eine explizite Erwähnung einer
Religion würde die formalen Mankos der Religion in die Verfassung importieren
und dadurch deren Charakter der Vernünftigkeit torpedieren, da, während im
Staat alles „fest und gesichert[498]
zu sein hat, die religiöse Wahrheit immer auch von der Interpretation der
exemplarischen Erzählung lebt. Dies ist meines Erachtens ein nicht zu
hintergehender Einwand Hegels gegen jede Form der „direkten“ Begründung einer
Verfassung in einer Religion, sei sie in Form eines Gottes- oder eines
Religionsbezuges.
Aber auch die - Hegel’sche -
Überzeugung, dass ein Staat auf einer indirekt religiös gestützten „Gesinnung“
basiert, muss mit dem Einspruch konfrontiert werden, dass eine solche
Gesellschaft leicht einen problematischen Umgang gegenüber denjenigen Mitglieder
entwickeln kann, die den - weltanschaulichen, religiösen - Konsens nicht
teilen. Hegel plädiert in diesem Zusammenhang ja für „Toleranz“ und Anerkennung
der Freiheit des Gewissens. Allerdings handelt es sich dabei um eine
„Toleranz“, die letztlich nur die Mehrheit ausüben kann, wobei sie nach Hegel
umso toleranter sein kann, je gefestigter sie in sich ist. Wenn eine politische
Gemeinschaft stabil ist, kann sie auch Mitglieder tragen, die wesentliche Ziele
des Ganzen nicht verfolgen, so Hegel, der aber damit immer von einer Form der
dominanten Mehrheitskultur ausgeht, welche es sich leisten kann liberal zu
sein. In diesem Festhalten an einer bestimmenden Mehrheitskultur liegt auch
ohne Zweifel das größte Defizit der Hegel’schen Überlegungen in Bezug auf eine
mögliche Übertragung in die Gegenwart. Negiert Hegel doch gerade die für die
Moderne so wichtige Pluralität der Lebensstile und -entwürfe[499].
Ein problematisches Faktum, welches
mit der Negation des republikanischen Grundkonsenses, wonach ein Staatsvolk
keine vorpolitische Einheit, sondern erst ein Ergebnis der Staatsbildung ist[500],
durch Hegel zusammenhängt. Auch wenn Hegel ein „Volk“ primär kulturell und
sozial nicht ethnisch bestimmt, bleibt die Problematik bestehen, dass er die
Staatszugehörigkeit von vorpolitischen Faktoren - etwa der Teilnahme an einer
Gesellschaft, die das „christliche Prinzip“ der Freiheit aller Menschen lebt -
abhängig denkt.
V.III.
Die Bedeutung der Identifikation
In gewisser Weise macht die
Tatsache, dass Hegel den modernen Staat immer unter Voraussetzung eines
Konsenses der Bürger im Bewusstsein vom Wert der Freiheit denkt, zugleich die
Stärke und die Schwäche seines politisch-philosophischen Ansatzes aus. Wie ich
bereits zu zeigen versuchte, liegt ein entscheidendes Manko des Konzeptes in
der kaum beantwortbaren Frage nach der Sicherung dieser Übereinstimmung und der
Gefahr den Staat intolerant werden zu lassen, indem er nur eine „Gesinnung“
erlaubt. Nichtsdestotrotz wohnt dem Hegel’schen Ansatz meines Erachtens auch
eine große Aktualität inne. Wobei es vor allem zwei grundsätzliche Positionen
Hegels in Bezug auf den Staat sind, die seine Philosophie auch heute noch
ausgesprochen bedenkenswert machen. Positionen, die sich mit den Schlagworten
„Identifikation“ und „kultureller Konsens“ bezeichnen lassen[501].
Da Hegel den modernen Staat im
Spannungsfeld zwischen Autonomie und Vereinigung, zwischen Subjektivität und
Gemeinschaft lokalisiert, sind die konzeptionellen Wege zu einer freiwilligen
Partizipation an einer Allgemeinheit und zu einem Verständnis der Allgemeinheit
als dem Einzelnen nicht Fremdes, Feindliches entscheidende Teile seiner
politischen Philosophie. Weil Hegel weiß, dass der moderne Staat auf dem
Prinzip der Freiheit aller Menschen basiert, er aber zugleich den Problemen
eines strengen Liberalismus, der die Gemeinschaft nur als Werkzeug im Dienste
der Interessen der Einzelnen versteht, entgehen möchte, sieht er sich mit der
Aufgabe konfrontiert, einerseits den Staat selbst zum notwendigen Teil einer Realisation
des Freiheitsprinzips zu erklären und andererseits den Staatsbürgern
Möglichkeiten zu eröffnen, sich als Teil dieser Entwicklung zu verstehen. Da
das Bewusstsein der Subjektivität - als der entscheidenden Instanz jeder
Entscheidung - konstitutives Element der Moderne ist, muss der ihr gemäße Staat
Chancen zu einer Integration der differenten Ansprüche, Ziele und Interessen
bieten, so die vielleicht grundlegendste Überzeugung der politischen
Philosophie Hegels.
Auch wenn wir heute das von Hegel für
einen solchen Ausgleich vorgeschlagene verfassungsrechtliche Instrument - die
Ständevertretung - wohl kaum noch als überzeugend ansehen, so muss doch bedacht
werden, was Hegel damit zu erreichen vermeint: die Identifikation aller
gesellschaftlichen Gruppen mit dem Staatsganzen. Plädiert Hegel doch nicht nur
deswegen für Ständevertretungen als gesetzgebende Instanz, weil er die auf
diese Art Delegierten für eine bessere Vertretung des Volkes als freigewählte
Abgeordnete hält, da sie seines Erachtens die Interessen und Probleme der
Bürger nicht nur besser kennen, sondern auch weil seines Erachtens die
Vertretenen den Delegierten mehr vertrauen könnten, da beide dieselben Anliegen
hätten. Nun liegt ein entscheidendes Mankos dieses Gedankens bereits in der alleinigen
Fokussierung auf die beruflichen Interessen der Menschen, denn nur diese werden
ja von Ständevertretern und
-vertretenen geteilt. Wobei Hegel ganz offensichtlich von einem enorm großen
Einfluss der ökonomischen Verhältnisse auch auf andere Sphären des Lebens
ausgeht, da er etwa die beruflichen Stände auch durch differente Lebensarten
unterscheidet. Obwohl von einer derartigen Identität auch berufsferner Anliegen
und Vorstellungen innerhalb eines „Standes“ (heute) selbstverständlich nicht
mehr ausgegangen werden kann, ist die Betonung, dass Ständevertretungen eine
enge Identifikation der Bürger mit den Delegierten erlauben, möglicherweise
gerade in Zeiten zunehmender „Politikverdrossenheit“ und einer möglichen „Krise
des Parteienstaates“ insofern interessant, als sie das Augenmerk auf die
Bedeutung des Vertrauens der vertretenen Bürger in ihre Abgeordneten lenkt. Der
Probleme eines politischen Systems, dem es an Identifikation seiner Mitglieder
mit den Entscheidungsträgern und damit den gefällten Entscheidungen mangelt,
scheint sich Hegel durchaus bewusst zu sein. Das ist zu notieren, auch wenn,
wie gesagt, Hegels Lösungsversuch für dieses Problem nicht überzeugt.
Die Berufsstände sind keineswegs das
einzige Mittel, mit dem Hegel eine Identifikation der Bürger mit dem Staat
erreichen möchte. Versteht er doch auch die Figur des Monarchen, des letzten
„Ich will“[502] einer
Gesellschaft, in gewisser Weise als die Verkörperung des Staatsganzen. Wobei
hier doch anzumerken ist, dass Hegel damit genau jene Leistung, welche die
Ständevertretungen erbringen sollen, wieder zurücknimmt. Ersetzt die
Identifikation mit der Person des Monarchen doch diejenige mit der Gesetzgebung
und damit den Gesetzen selbst. Während die Stände die Verbindung der Individuen
in einem intersubjektiven Prinzip oder Inhalt ermöglichen sollen, tritt im
Vertrauen in den Monarchen doch wieder nur die Identifikation mit einem
besonderen Subjekt auf. Damit würde aber die Überwindung der
Partikularinteressen ja selbst wieder nur in einer natürlichen Person erfolgen,
während die Instanz der Stände doch der Versuch ist, eine Allgemeinheit zu
finden, die in einer der Besonderheit übergeordneten Sphäre angesiedelt ist.
Hier tritt ohne Zweifel eine prinzipielle Differenz zwischen dem von Hegel
selbst erkannten Prinzip der Moderne und der von ihm vorgeschlagenen
Verfassungswirklichkeit auf. Wobei Hegel, wie erwähnt, versucht, den Monarchen
als notwendige Instanz einer Entscheidungsfindung zu erklären, ohne die es zu
keiner gültigen Handlung kommen könnte, die aber nicht von inhaltlicher,
sondern von - unverzichtbarer - formaler
Relevanz für die Entscheidung selbst ist. Aber auch wenn wir daran
erinnern, dass der Monarch für Hegel deswegen eine der gesetzgebenden Gewalt
übergeordnete Instanz ist, weil der Herrscher - anders als die
Ständevertretungen - nicht das logische Prinzip der Allgemeinheit, sondern
jenes der Einzelheit verkörpern soll, bleibt der Einwand, dass die dabei
erreichte Einzelheit prinzipiell nicht entscheidend von der Besonderheit der Individuen
abgehoben zu sein scheint.
Grundsätzlich anders sieht jedoch
der dritte Versuch, eine Identifikation der einzelnen Staatsbürger im Ganzen zu
erklären, aus. Dabei kehren wir wieder zum eigentlichen Thema dieser Arbeit
zurück: Die entscheidende Rolle der Religion als Teil der Verbindung der Bürger
mit dem Staat liegt - abgesehen von dem für Hegel primär nur von historischer
Relevanz seienden Glauben an lokale Schutzgötter, also an eine direkte Symbiose
von religiösen Figuren und bestimmten politischen Einheiten - in dem religiösen
Bewusstsein über den Wert des Einzelnen in einem Allgemeinen, über die
Bedeutung der Vereinigung[503].
Dies besonders, weil Religion für Hegel in erster Linie ein Versuch ist, die eigene
Endlichkeit zu überwinden und an einem größeren, dem Unendlichen, zu
partizipieren. Wie der Staat, verstanden als versuchte Freiheitsrealisation,
immer schon mehr ist als die Summe der Einzelnen, so überwinden auch die
religiösen Subjekte ihre Besonderheiten und werden für Hegel etwa in der
Andacht selbst Teil des göttlichen Geschehens. Zugleich zeigt sich den
Gläubigen im kultischen Prozess des Opfers, dass die Vereinigung mit dem
Absoluten eine Form des Verzichts erfordert.
Dabei wird jedoch deutlich, dass
Hegel an dieser Stelle tatsächlich, solange er Religion als Versuch die eigene
Endlichkeit zu negieren, versteht, auf eine wesentliche Gemeinsamkeit von
Religion und Staat verweist, zugleich aber den Fehler begeht, diese
Parallelität zu weit zu fassen. Denn auch wenn Religion und Staat insofern
gleiche Ziele verfolgen, so darf nicht auf die unterschiedliche Form dieser
beiden Sphären vergessen werden. Religion demonstriert zwar das Bedürfnis nach
Vereinigung von Subjektivität und Allgemeinheit, wie es sich auch im Staat
zeigt, erreicht deswegen aber noch nicht die Qualität der politischen
Vereinigung, da sie nicht deren Ansprüchen einer vernünftig verfassten
Allgemeinheit genügt.
Für Hegel versichern sich in der
Religion die Menschen nicht nur ihrer Stellung innerhalb des göttlichen
Prozesses, da jeder ihrer Bezüge auf eine Transzendenz immer auch ihre eigene
Existenz inkludiert, sondern auch innerhalb der menschlichen Gemeinschaft,
innerhalb der religiösen Gemeinde einerseits und der politischen Vereinigung
andererseits. Dabei zeigt sich allerdings sehr deutlich, wie weit Hegels
diesbezügliche Überlegungen nur in Verbindung mit seiner Ablehnung einer
„polemischen Frömmigkeit“ Sinn machen. Denn nur wenn die Religion die
Wirklichkeit als achtenswertes und notwendiges Feld ihrer Realisation begreift,
erlaubt sie tatsächlich eine Identifikation auch mit dem Staat. Andernfalls
könnte die Identifikation der Individuen mit dem Allgemeinen der Religion
gerade zu einer Abwendung vom Politischen führen. Für Hegel hingegen liegt in
der Religion als Bewusstsein eines bestimmten Freiheitsbegriffes die
Identifikation mit dem Staat, der Realisation dieses Begriffes, begründet.
Zusammenfassend scheint mir Hegel zu
Recht das Augenmerk der Staatsphilosophie auch auf den Faktor „Identifikation“
gelenkt zu haben, da tatsächlich jedes politische System, dem auch die ideelle
Verbindung seiner Mitglieder fehlt, in Schwierigkeiten geraten kann. Wobei
Hegel meines Erachtens allein mit den drei oben besprochenen Feldern des öffentlichen
Lebens drei unterschiedliche Weisen der Identifikation zu ermöglichen versucht.
Während die Institution der Ständevertretungen nämlich den Bürgern ermöglichen
soll, den Gesetzfindungsprozess als einen ihnen nicht fremden, sondern von
ihnen „selbst“ vollzogenen zu betrachten und an diesem Geschehen indirekt zu
partizipieren, so vermeint Hegel in der Figur des Monarchen, als Verkörperung
des Staates, eine Identifikation mit der Gesamtheit der staatlichen
Institutionen zu erkennen. Die Identifikation, welche die Religion für Hegel
leisten soll, steht aber auf einer prinzipiell anderen Ebene als die beiden
ersten Formen. Sie soll eine grundsätzliche Verbindung mit der Verfassung des
Staates ermöglichen, wobei „Verfassung“ hier durchaus in beiden von Hegel
verwendeten Bedeutungen zu verstehen ist. Nicht nur an die kodifizierte,
gesetzliche Verfassung ist dabei zu denken, sondern auch an die Verfassung, d.
h. die „Verfasstheit“, des „Volksgeistes“. (Die Verfassung im zweiten Sinne
enthält auch die sozialen und kulturellen Normen einer Gesellschaft.) Religion
ist meines Erachtens für Hegel Teil der Antizipation an dieser „Verfassung“ im
weiteren Sinne. Nicht spezielle Gesetze werden mit ihrer Hilfe geschrieben oder
interpretiert; sie bildet vielmehr den Hintergrund, auf dem die Gesetze erst
entwickelt werden. In diesem Sinne habe ich am Beginn dieses Kapitels neben die
„Identifikation“ auch den Begriff „kultureller Konsens“ gestellt. Denn, und das
ist meines Erachtens eine der bemerkenswertesten Voraussetzungen des
Hegel’schen Staatsbegriffes, „Staat“ bezeichnet bei Hegel keineswegs
„Nationalstaat“; auch wenn die Verweise auf den „Volksgeist“ dies vielleicht
nahe legen zu scheinen. Wie ich versucht habe zu zeigen[504],
geht es Hegel aber um anderes: Er situiert einen Staat nicht innerhalb
nationaler Grenzen - weder sprachliche noch ethnische Kriterien bestimmen bei
Hegel die staatliche Einheit -, sondern in einem sozialen und kulturellen
System, welches von „einem Geist“ erfüllt wird. Die Einheit der Staatsbürger
sieht Hegel in der gemeinsamen Teilhabe an diesem Geist, d. h. in ihrem
„kulturellen Konsens“, begründet.
Ähnlich wie bereits zuvor im
Zusammenhang mit den Überlegungen über die Ständevertretungen möchte auch an
dieser Stelle die Aktualität der Hegel’schen Erörterungen - unter Ausklammerung
mancher konkreter Vorstellungen - betonen. Scheint mir doch die
Problematisierung einer möglicherweise notwendigen Übereinstimmung der
Staatsbürger in Bezug auf wesentliche gesellschaftspolitische Fragen auch dann
noch sinnvoll, wenn man nicht die Religion als das entscheidende Substrat der
gemeinsamen Antwortversuche für diese Fragen ansieht. Denn ob man einen Konsens
der Staatsbürger in Bezug auf grundlegende Fragen[505]
als für den Zusammenhalt eines politischen Gebildes wichtig versteht, ist in
keiner Weise davon abhängig, wo man eine Basis dieses Konsenses zu sehen
vermeint. Ja, vom Wert einer solchen Übereinstimmung kann auch überzeugt sein,
wer keine letztentscheidende Stütze für sie sieht; wer etwa den Wertekonsens weniger
als Faktum als als eine immer aufs Neue zu bewältigende Aufgabe versteht.
V.IV.
Konsequenzen aus Hegels Überlegungen?
Wenn die These, dass ein Staat immer
auch von einem Wertekonsens - sei er nun religiös oder anderweitig bestimmt -
abhängig ist, zutrifft, dann muss sich gezwungenermaßen die Frage nach der
Sicherung dieser Übereinstimmung stellen. Womit sich aber auch ein Problem
auftut, welches mit der bereits angesprochenen Differenz zwischen deskriptiver
und normativer Ebene der Hegel’schen Theorien zu tun hat. Da es Hegel jenem
berühmt-berüchtigten Diktum der Vorrede zu den GPR nach stets um ein Begreifen
dessen, was „vernünftig“ und „wirklich“
ist, geht[506], dürfen
auch seine Äußerungen über das Verhältnis der Religion zum Staat primär nicht
als normative Aussagen verstanden werden. Wenn Hegel die Bedeutung der Religion
für den Zusammenhalt der politischen Einheit hervorhebt, so ist dies in erster
Linie als Beschreibung eines für ihn einsichtigen historischen Zusammenhangs zu
verstehen. Dies bedeutet, dass man, selbst wenn man die These der Fragilität
eines politischen Zusammenhangs ohne religiöse Basis uneingeschränkt teilte,
nicht unter Berufung auf Hegel verstärkte Religiosität fordern könnte, um den
staatlichen Zusammenhalt für die Zukunft zu sichern. Denn Hegel erhebt primär
nicht den Anspruch zu zeigen, wie politische Systeme aufzubauen sind. Daher
kann man auch, wenn man die Frage nach den möglichen praktischen Konsequenzen
aus der These von der Gesinnung als „Grundlage“ des Staates stellt, bei Hegel
keine direkten Antworten erwarten. Höchstens kann aus den Hegel’schen
Überlegungen gefolgert werden, in welche Richtung die Antworten gehen könnten,
denn auch wenn Hegel gewissermaßen rein „deskriptiv“ argumentiert, so sind
seine Überlegungen nichtsdestotrotz immens „normativ“, da sie ja jenes
gesellschaftliche System zu beschreiben beanspruchen, welches ein Verständnis
des Individuums in der Gemeinschaft als freies ermöglichen soll[507].
Zunächst möchte ich versuchen, kurz
auf die Frage einzugehen, wie, wenn eine gemeinsame „Gesinnung“ für einen Staat
konstitutiv ist, diese zu sichern bzw. zu erreichen ist. Gegen einen Appell an
die Individuen, Teil des sittlichen Konsenses zu werden, spricht Hegels Kritik
am „leeren“ Sollen der Moralität. Damit die Sittlichkeit leisten kann, was sie
Hegels Anspruch nach leisten soll - die Annerkennung der Subjektivität in einem
sozialen
System -, muss der Eintritt in die
Sphäre der Sittlichkeit nicht nur Ergebnis einer individuellen Entscheidung,
sondern auch Teil einer sozialen „Erziehung“ sein. Womit wir, in Bezug auf eine
„christliche Sittlichkeit“, d. h. eine Sittlichkeit der Freiheit, vor einem
enormen Paradox stehen. Jede Erziehung zur Religion der Freiheit ist immer auch
mit Unfreiheit seitens des Objekts der Erziehung (sei es
geschichtsphilosophisch betrachtet ein Volk oder sozialphilosophisch gesehen
ein Individuum) verbunden. Eine wirkliche Religion der Freiheit wäre doch
streng genommen nur jene Religion, zu
der sich alle in Freiheit entschieden haben, wenn aber diese Freiheit selbst
wieder das Ergebnis einer bestimmten Religion ist, dann würde das Begründete
Begründendes sein - der logische Zirkel schlösse sich. Dazu muss aber gesagt
werden, dass Hegel trotz aller Verknüpfungen von „Christentum“ und „Freiheit“
ja keineswegs von einem völligen Fehlen menschlicher Freiheit vor dem Auftreten
der christlichen Religion ausgeht - ansonsten gäbe es vor dem Christentum auch
keine Geschichte, da diese doch „Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“ ist
-, sondern vielmehr wie bereits mehrfach erwähnt sowohl in geschichts- wie in
sozialphilosophischer Hinsicht von einer kontinuierlichen Entwicklung zur
Freiheit. Gerade weil auch die Religion für Hegel aber nur ein Teil dieser
Entwicklung ist, kann der religiöse Konsens in einer Gemeinschaft nicht gezielt
erreicht werden, sondern ist selbst immer von vielen anderen (kulturellen)
Faktoren abhängig. Wodurch aber auch der religiöse Konsens nur bedingt als
Absicherung des politischen Konsenses dienen kann, da Religion nichts „zu
Machendes“[508] ist. Daher
ist der normative Gehalt der Hegel’schen Diagnose einer prinzipiellen
Abhängigkeit des politischen Freiheitsbegriffes und damit des staatlichen
Systems von der Religion nach meiner Interpretation ein durchwegs limitierter.
Interessant ist dabei besonders,
dass Hegel indirekt gerade durch das Pochen auf den Faktor der „Gesinnung“ als
wesentlichem Teil des Politischen dessen Fragilität aufzeigt, da er den
ideellen Konsens des „einen Geistes“ eines Volkes als nicht steuerbaren erkennt.
Denn auch die religiöse Gemeinschaft, für die Lehre und Weitergabe ihrer
Inhalte wichtige Teile ihrer Aufgaben sind, kann nach Hegel nur sehr bedingt
als Werkzeug zur Stabilisierung des kulturellen Konsenses verwendet werden.
Auch der Hegel’sche Staat scheint demzufolge vor der Problematik zu stehen, ein
Fundament im Freiheitsverständnis seiner Bürger zu erfordern, ohne diese
Grundlage aus sich heraus liefern zu können. Denn auch im Hegel’schen Konzept
basiert die Politik auf einer Sphäre, „von der sie ihre Legitimität bezieht,
die sie aber nicht selbst gestalten kann“[509].
Dies zeigt, dass auch der Hegel’sche Staat leicht in ein Dependenzverhältnis
zur Religion geraten kann, was ohne Zweifel auch als Symptom der Schwäche des
Politischen ausgelegt werden kann. Für Hegel träfe eine solche Diagnose
vermutlich deswegen nicht zu, weil es sich dabei seines Erachtens nur um eine
Schwäche des rein politischen Staates, nicht aber um ein Manko des Systems des
ganzen „Volksgeistes“, innerhalb dessen die sittliche, politische durch die
religiöse Gesinnung gesichert wäre, handeln würde. Wenn aber Hegels eigener
Anspruch, dass im Staat alles „fest und gesichert“[510]
zu sein hat, ernst genommen wird, muss gefragt werden, ob der Verweis auf die
Einheit des Volksgeistes nicht gegenüber diesem Argument hinfällig wird. Hier
zeigt sich ohne Zweifel ein Widerspruch innerhalb der Hegel’schen Ausführungen
zum Thema.
Möglicherweise gerade weil Hegel
sich bewusst ist, dass ein Konsens der Staatsbürger mit dem im Staat
verwirklichten Freiheitsbegriff nicht zu garantieren ist, verweist er in den
GPR bei der Behandlung des „Patriotismus“ vor allem auf das Eigeninteresse der
Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft als für den Staat wichtige Stütze. Ist
doch die politische Gesinnung das Zutrauen, dass das besondere Interesse der
Einzelnen im Staat „bewahrt und erhalten“[511]
wird. Das heißt, der Staat lebt nach Hegel keineswegs nur vom Wissen um die
Verwirklichung der Freiheit aller im Politischen, sondern auch ganz
entscheidend vom Individualinteresse der Mitglieder. Zugleich kann dieses für
Hegel aber nicht die einzige oder letztentscheidende Wurzel der staatlichen
Vereinigung sein und wer den Wert des Staates als realisierte Freiheit versteht
- oder aber, wer das im religiösen Glauben gewonnene Menschenverständnis auch
verwirklichen möchte -, blickt nach Hegel schon über sein unmittelbares
Eigeninteresse hinaus.
Neben der oben behandelten Frage
nach einer möglichen praktischen Konsequenz der deskriptiven Aussagen über die
Abhängigkeit des Staates von der (religiösen) Gesinnung, stellt sich aber auch
noch eine zweite: Wenn jede Staatsform kulturell abhängig ist, gibt es dann
keinen neutralen, universalen Maßstab für die Beurteilung politischer Systeme?
Denn wenn man die Hegel’sche Überzeugung ernst nimmt, dass die Verfasstheiten
politischer Gemeinschaften Ausdruck der ideellen Freiheitsbegriffe ihrer
Mitglieder sind, dann könnte man daraus auch eine Form des politischen
Relativismus ableiten. Der Verweis auf die - religiöse - „Grundlage“ des Staates
kann schließlich auch ein Versuch sein, Kritik am politischen System zu
unterbinden. Wodurch ein Staat gegen Vorwürfe immunisiert werden könnte,
menschenrechtswidrig bzw. inhuman zu agieren. Die Hegel’sche Überzeugung von
der Notwendigkeit einer ideellen Basis des Politischen kann daher auch mit der
fatalistischen Überzeugung einhergehen, wonach manche Staaten - denen die
„richtige“ Religion fehlt - einfach nicht „demokratiefähig“ sind. Nun weisen
manche Hegel’sche Aussagen tatsächlich in eine solche Richtung. Wie etwa jenes
Diktum aus den VPG, wonach „nur mit dieser Religion“ „diese Staatsform
vorhanden sein“ könnte[512],
oder auch jenes der EPW, wonach es eine Torheit ist, „eine Revolution ohne eine
Reformation“ zu machen[513].
Sagt dieses doch, dass allen nichtprotestantischen Staaten der Weg zum modernen
Staat, d. h. zur politischen Anerkennung der Subjektivität, nur bedingt
offen steht. Allerdings darf dabei natürlich nicht übersehen werden, dass auch
die Reformation von Hegel als ein von Menschen bewirktes Geschehen und nicht
als „Naturereignis“ gedacht wird. Wodurch klar ist, dass nach Hegel auch jedes
politische System eines Volkes zu ändern ist und nicht als quasi
„gottgewolltes“ und damit kritikresistentes zu gelten hat. Allerdings ist für
Hegel eine Reform des staatlichen Systems nur in Verbindung mit einer
Transformation des ideellen, religiösen Bewusstseins möglich. Aber auch dabei
zeigt sich ein großes Problem der Hegel’schen Gedanken. Denn auch wenn Hegel
immer von einer Religionsgeschichte, d. h. von einer teleologischen
Entwicklung, ausgeht, so gelingt es ihm nur sehr bedingt ein Strukturprinzip
dieses Fortschritts aufzuweisen. Vielmehr zeigt er die prinzipiellen
Differenzen der verschiedenen existierenden und vergangenen Religionen auf,
liefert dabei aber tatsächlich, wie Jaeschke zu Recht betont, mehr eine
„Religionsgeographie“ als eine „Religionsgeschichte“[514].
In seinem Rückgriff auf die historische Empirie als Grundlage der
geschichtsphilosophisch erkannten Teleologie „übersieht“ Hegel aber, dass diese
Empirie immer auch von Formen der Gleichzeitigkeit von „Ungleichzeitigem“
(„ungleichzeitig“ im Sinne des „Fortschritts“) geprägt ist. Was Hegel nun nicht
aufzeigt, ist, in welcher Form ein Dialog bzw. auch eine kritische
Auseinandersetzung zwischen den gleichzeitig wirkenden Religionen und damit
auch zwischen politischen Systemen denkbar ist. Eine Kritik des Anderen ist
dabei auch deswegen kaum möglich, weil dafür ein gemeinsames Prinzip als
anerkannte Grundlage der Diskussion fehlt. Nun stellte sich für Hegel dieses
Problem insofern nicht, als er geschichtsphilosophisch von einem absoluten
Recht des „historischen Volkes“ gegenüber den anderen ausging. Da wir heute
Hegel in diesem Punkt aber wohl kaum zustimmen können, müssen wir, wenn wir den
Gedanken einer weltanschaulichen Basis eines Staates trotzdem ernst zu nehmen
versuchen, eine Grundlage eines Dialogs zwischen „Ungleichzeitigen“, aber auch
einer Kritik eines fremden politischen Systems finden. Klar ist Hegel zufolge,
dass ein Aufoktroyieren der eigenen politischen Vorstellungen auf die
kulturellen Gegebenheiten einer anderen Kultur weder wünschenswert noch
zweckdienlich wäre. Eine „Revolution von außen“ muss nach Hegel immer scheitern[515],
solange die importierte Verfassung nicht mit den politischen und
weltanschaulichen Überzeugungen der Staatsbürger korreliert. In welcher Form
ist dann aber trotzdem ein kritisches Gespräch zwischen politischen Systemen
möglich? Eine Option wäre meines Erachtens der Rückgriff auf die von Hegel für
eminent politisch erachteten religiösen Vorstellungen davon, was es heißt,
„Mensch“ zu sein. Wobei dabei die Schwierigkeit auftritt, dass diese
Menschenbilder nach Hegel durch ihre Verschiedenheit auch differente
Vorstellungen von „Menschenrechten“ inkludieren. Aber auch wenn die
Menschenbilder der unterschiedlichen Religionen sehr verschieden gezeichnet
sind, so haben sie doch die Gemeinsamkeit, Versuche zu sein, Begriffe wie
„Freiheit“ oder „Subjektivität“ zu interpretieren.
V.V. Eine andere „Grundlage“ des Staates?
Es ist sehr interessant, dass bei
Hegel sowohl die Stärke als auch die Schwäche der Religion als politischem
Faktor in ihrem vorstellungshaften Charakter begründet liegt. Ermöglicht dieser
doch durch die Simplizität der Bilder sowohl die Tatsache, dass die Religion
die „Wahrheit für alle Menschen“[516]
ist, als auch ihr Ungenügen in Bezug auf die vernünftig verfasste politische
Ordnung. Entscheidende Differenz zwischen Religion und Philosophie ist in Bezug
auf das auch politisch interessante Menschenbild ohne Zweifel, dass es in der
Religion nicht um ein „Erkennen“, sondern ein „Gewisswerden“ und ein „Erfahren“
dessen, was Humanität bedeutet, geht[517].
Wodurch die Religion diesbezüglich für Hegel größere Relevanz hat. Aber genauso
wie die Religion für den Staat die Basis seiner „Gesinnung“ sein kann, indem
sie in den Sphären von Gefühl und Vorstellung bereits ein prärationales Bild
des Menschen und seiner Beziehung zur Umwelt konstituiert, enthält sie immer
auch das Element des Nichtargumentierbaren, des Unvernünftigen, das zur Gefahr
für die politische Ordnung werden kann.
Aus diesem Grund scheint es mir
sinnvoll an den Schluss dieser Arbeit die Überlegung zu stellen, ob nicht auch
ein anderer Bereich des Humanen die für Hegel wichtige Aufgabe der Religion im
Politischen, ein Verständnis des Menschseins zu konstituieren, übernehmen kann.
Gerade in einer Gesellschaft, die einerseits eine immer größer werdende Gruppe
von Menschen ohne Religionsbekenntnis umfasst und andererseits auch zunehmend
multireligiös geprägt wird, scheint mir eine Alternative zur religiösen
Begründung des staatlichen Zusammenhalts sinnvoll und auch in Bezug auf die
Hegel’schen Texte überlegenswert. Schließlich nennt Hegel selbst in den VPG
neben der Religion auch die beiden anderen Bereiche des absoluten Geistes,
Kunst und Philosophie, als Formen des Bewusstseins über die Vereinigung im
politischen Zusammenhang, da auch sie Varianten der Synthese von Subjektivität
und Objektivität aufzeigen[518].
Dies auch aus dem Grund, da, wie ich bereits zu zeigen versucht habe, für Hegel
jeder Gottesbegriff die Frage nach der Relation von Individuum und
Allgemeinheit stellt und auch Kunst und Philosophie das Absolute, Göttliche
thematisieren. Interessanterweise betont Hegel in den VPG in diesem
Zusammenhang zwar, dass die Philosophie, d. h. das denkende Wissen über das
Absolute und damit auch sein Verhältnis zur Einzelheit, die „höchste, freieste
und weiseste“ Form des Bewusstseins der Vereinigung ist, thematisiert im
Folgenden aber nur die Religion als politisch bedeutende Kraft. Ähnlich sieht
die Situation auch in den GPR aus, wo Hegel die „philosophische Einsicht“ als
beste Form des Bewusstseins vom Wesen des Staates bezeichnet und die religiöse
Gesinnung nur als deren Substitut nennt, aber ebenfalls nur das Verhältnis der
Religion und nicht der Philosophie zum Staat behandelt. Und so kann es wohl ein
wenig erstaunen, dass Hegel, der Denker des im absoluten Wissen der Philosophie
gipfelnden Systems und der „Aufhebung“ aller vorhergehenden Formen des
absoluten Geistes in dieser, in Bezug auf den Staat nur die Religion, nicht
aber die Philosophie bedenkt[519].
Noch dazu, wo Hegel bei seinem Pochen auf die Vernünftigkeit und Allgemeinheit
der staatlichen Gesetze doch Eigenschaften, die er in erster Linie der
Philosophie zuschreibt, nennt. Es kann meines Erachtens als Ausdruck eines
diesbezüglichen pragmatischen Realismus Hegels verstanden werden, dass er hier
dem Phänomen der leichteren Verständlichkeit der religiösen Vorstellungswelt
einen solche Vormacht gegenüber dem der in seinen Augen gültigeren Wahrheit des
philosophischen Denkens einräumt; wie er ja auch bei der Behandlung der
politischen Gesinnung primär die Faktoren „Zutrauen“ und „Gefühl“ hervorhebt,
welche unter Umständen zu „gebildeter Einsicht“ übergehen können[520].
Die Vormachtstellung, die Hegel der
Religion gegenüber der Philosophie in Bezug auf den Staat einräumt, hat aber
meines Erachtens noch eine zweite Begründung. Diese verweist auf Überlegungen,
die ich am Beginn der vorliegenden Arbeit zum Thema der „Sittlichkeit“
erläutert habe. Versteht Hegel unter „Sittlichkeit“ doch auch die Relation
zwischen einem Individuum und einem sozialen System, welche jenem ermöglicht,
sich in diesem „frei“ zu fühlen, da das soziale Gefüge als passend verstanden
wird. Nennt Hegel doch die Sittlichkeit auch eine „zweite Natur“[521],
was sehr deutlich das Kriterium der vorbewussten Integration in das System
betont. Seines Erachtens befreit sich das Individuum in jenem System, dessen
Werte und Regeln es als „seine“ ansieht, als dessen Teil es sich in bestimmter
Hinsicht empfindet. Religion kann dies ohne Zweifel erleichtern. Sind die
religiösen Erzählungen für den Gläubigen doch nicht nur die Quelle seiner
ethischen Maßstäbe, sondern auch etwas, „in“ dem er lebt, da die religiöse
Narration immer auch die Geschichte der umgebenden Welt und Gesellschaft ist.
Aus diesem Grund habe ich bei der Rekonstruktion der Hegel’schen Überlegungen
über die Religion auch besonders auf den Begriff der „Gemeinde“ hingewiesen.
Ist die Gemeinde doch jene Gemeinschaft, in der für den Gläubigen, „das Böse an
und für sich überwunden“ ist[522].
Zu erinnern ist hier auch an Hegels Insistieren auf die Bedeutung der dritten
trinitarischen Person des christlichen Gottes, durch welche die religiöse
Gemeinde selbst Teil des göttlichen Prozesses wird. Diese Qualität, ein Leben
„in“ der „Wahrheit“ zu ermöglichen, kann nun der Philosophie ohne Zweifel nur
schwer zugeschrieben werden. Daher kann wohl gesagt werden, dass Hegel der
Religion deswegen in dieser Hinsicht eine größere Relevanz als der Philosophie
zuschreibt, weil er die Religion - obwohl sie „absoluter Geist“ ist - sowohl
als Form des Theoretischen als auch des Praktischen ansieht, während er die
Philosophie oder Wissenschaft doch als reine Theorie versteht. Sollte also
gerade in einem zunehmend multireligiös werdenden Staat der Moderne eine
„Philosophie“ die Rolle, die Hegel in Bezug auf den Staat der Religion
zuschreibt, übernehmen, dann müsste sie möglicherweise nicht nur Grundlage des
auch das Politische beeinflussenden Menschenbildes sein, sondern auch ein Leben
„in“ diesem Bild ermöglichen. Für Hegel scheint dies aber nicht möglich zu
sein, weil er letztlich einem „Praktischwerden“ der philosophischen Theorie
extrem kritisch gegenübersteht. Ein Faktum, welches sich besonders in den
polemischen Äußerungen der Vorrede zu den GPR über die Rolle der Philosophie in
Bezug auf die Politik ausdrückt. Lehnt es Hegel doch explizit ab, „einen Staat,
wie er sein soll“ zu konstruieren, da er ein Entwerfen eines zukünftigen Staates
als zwecklosen Versuch „seine Zeit“ zu überspringen ansieht[523].
Wobei es, wie Habermas zu Recht festhält, „ein eigenartiges Licht“ auf Hegels
Verhältnis zur politischen Praxis wirft, dass er einerseits den Anspruch, durch
eine Theorie die zukünftige Praxis zu beeinflussen, verwirft, und andererseits
in den Schriften zur politischen Situation seiner Zeit genau dieses versucht[524].
Was aber meines Erachtens auch zeigt, dass Hegels Polemik der „Vorrede“ primär
nur als Ablehnung utopischer Staatsentwürfe und nicht politischer Kritik im
Generellen zu interpretieren ist. Bestehen bleibt jedenfalls bei Hegel das
Dilemma einer extrem geringen Wirkung der philosophischen Theorie auf die
Lebenspraxis der Gesellschaft[525],
was sich, wie bereits gesagt[526],
ganz besonders am Schluss der religionsphilosophischen Vorlesungen zeigt. Nennt
Hegel die Philosophie dort doch ein „angesondertes Heiligtum“, und erinnert die
„empirische Gegenwart“ daran, dass sie und ihre aktuellen Probleme „nicht die
unmittelbar praktische Sache und Angelegenheit der Philosophie“ seien[527].
Bemerkenswert allerdings der Zusatz des Wortes „unmittelbar“ - heißt dies doch,
dass „mittelbar“ die gesellschaftliche Situation sehr wohl Thema der
Philosophie sein kann. Erinnert werden kann hier auch an die „bildungspraktische
Aufgabe“ der Übersetzung der religiösen Vorstellungen in vernünftige Begriffe,
die laut Falk Wagner der Religionsphilosophie bei Hegel zukommt[528].
Möglicherweise könnte für Hegel die Philosophie, wenn ihr diese Aufgabe
gelänge, auch die politische Funktion der Religion übernehmen und etwa Basis
eines politisch realisierten Freiheitsbegriffes und Menschenbildes sein.
Allerdings dürfte, selbst wenn die Philosophie die Rolle der Religion im
„praktischen Verhältnis“ zum Staat ausfüllen würde, nicht auf die
grundsätzliche „systematische“ Differenz des absoluten Geistes gegenüber jeder
Form des objektiven vergessen werden, da nur sie verhindert, dass es zu einer
unkritischen Identität von Bewusstsein und Realisation kommt. Diese
prinzipielle Zweideutigkeit, einerseits „Grundlage“ des Staates zu sein und
anderseits jede Form des objektiven Geistes als notwendigerweise beschränkte zu
erkennen, kommt im Hegel’schen Denken nicht nur der Religion zu, sondern auch
jeder anderen Sphäre des absoluten Geistes, die möglicherweise deren Funktion
übernehmen könnte.
VI.I.
Siglen der zitierten Schriften Hegels
EPW III Georg, Wilhelm, Friedrich Hegel
Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III
Werke 10,
Suhrkamp, Frankfurt/Main, 1999 (4. Aufl.)
GPR Georg, Wilhelm, Friedrich Hegel
Grundlinien der Philosophie des Rechts
Werke 7
Suhrkamp,
Frankfurt/Main, 2000 (6. Aufl.)
PhG Georg,
Wilhelm, Friedrich Hegel
Phänomenologie
des Geistes
Werke
3
Suhrkamp,
Frankfurt/Main, 1998 (6. Aufl.)
RPi III Georg, Wilhelm, Friedrich Hegel
Vorlesungen
über Rechtsphilosophie
Dritter Band
Herausgegeben
von Karl-Heinz Ilting
Frommann-holzboog,
Stuttgart-Bad Cannstatt, 1974
RPi IV Georg, Wilhelm, Friedrich Hegel
Vorlesungen
über Rechtsphilosophie
Vierter Band
Herausgegeben
von Karl-Heinz Ilting
Frommann-holzboog,
Stuttgart-Bad Cannstatt, 1974
VGP III Georg,
Wilhelm, Friedrich Hegel
Vorlesungen
über die Geschichte der Philosophie III
Werke
20
Suhrkamp,
Frankfurt/Main, 1996 (3. Aufl.)
VPG Georg,
Wilhelm, Friedrich Hegel
Vorlesungen
über die Philosophie der Geschichte
Werke
12
Suhrkamp,
Frankfurt/Main, 1999 (5. Aufl.)
VPRm I Georg,
Wilhelm, Friedrich Hegel
Herausgegeben
von Walter Jaeschke
Vorlesungen
über die Philosophie der Religion I
Felix
Meiner Verlag, Hamburg, 1993
VPRm III Georg,
Wilhelm, Friedrich Hegel
Herausgegeben
von Walter Jaeschke
Vorlesungen
über die Philosophie der Religion III
Felix
Meiner Verlag, Hamburg, 1995
VPRs I Georg,
Wilhelm, Friedrich Hegel
Vorlesungen
über die Philosophie der Religion I
Werke
16
Suhrkamp,
Frankfurt/Main, 1995 (3. Aufl.)
VPRs II Georg,
Wilhelm, Friedrich Hegel
Vorlesungen
über die Philosophie der Religion II
Werke
17
Suhrkamp,
Frankfurt/Main, 1996 (3. Aufl.)
WL I Georg,
Wilhelm, Friedrich Hegel
Wissenschaft
der Logik I
Werke
5
Suhrkamp,
Frankfurt/Main, 1993 (3. Aufl.)
WL II Georg,
Wilhelm, Friedrich Hegel
Wissenschaft
der Logik II
Werke 6
Suhrkamp,
Frankfurt/Main, 1999 (5. Aufl.)
VI.II.
Zitierte Werke anderer Autoren
·
Adam, Adam, Despotie der
Vernunft? Hobbes, Rousseau, Kant, Hegel; Freiburg, München, 1997
·
Adorno, Theodor, W., Minima Moralia. Reflexionen
aus dem beschädigten Leben; Frankfurt/M., 2003
·
Amengual, Gabriel, Das
Gewissen als das höchste Recht des Subjekts, in: Hegel-Jahrbuch 1993/1994,
Berlin, 1995, S. 430-438
·
Avineri, Shlomo, Hegels
Theorie des modernen Staates; Frankfurt/M., 1979
·
Avineri, Shlomo, Der Staat -
das Bewußtsein der Freiheit, in: Riedel, Manfred, Materialien zu Hegels
Rechtsphilosophie 2; Frankfurt/M., 1975, S. 393-414
·
Bärsch, Claus, Staat und
„Corpus Christi Mysticum“. Religions-politologische Aspekte der Hegelschen
Philosophie des Staates, in: Hegel-Jahrbuch 1993/1994; Berlin, 1995, S. 256-259
·
Böckenförde, Ernst-Wolfgang,
Recht, Staat, Freiheit; Frankfurt/M., 1991
·
Brunkhorst, Hauke, Hegel und
die Französische Revolution. Die Verzichtbarkeit der Restauration und die
Unverzichtbarkeit der Revolution, in: Die Ideen von 1789 in der deutschen
Rezeption, Herausgegeben vom Forum für Philosophie Bad Homburg; Frankfurt/M.,
1989, S. 156-173
·
Cesa, Claudio, Entscheidung
und Schicksal: die fürstliche Gewalt, in: Henrich, Dieter/Horstmann, Rolf-Peter
(Hg.), Hegels Philosophie des Rechts. Die Theorie der Rechtsformen und ihre
Logik; Stuttgart, 1982, S. 185-205
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Dahlstrom, Daniel, Die
Zweideutigkeit des Gewissens, in: Hegel-Jahrbuch 1993/1994; Berlin, 1995, S.
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Gessmann, Martin, Hegel:
Freiburg/Breisgau, 1999
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Habermas, Jürgen, Theorie und
Praxis, Sozialphilosophische Studien; Frankfurt/M., 1974, S. 148-171
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Habermas, Jürgen, Der
philosophische Diskurs der Moderne; Frankfurt/M., 1985
·
Habermas, Jürgen, Die
Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie; Frankfurt/M., 1999
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Hartnack, Jürgen, Hegels Logik.
Eine Einführung; Frankfurt/M., 1995
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Hobbes, Thomas, Leviathan; Frankfurt/M., 1996
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Hösle, Vittorio, Hegels
System. Der Idealismus der Subjektivität und das Problem der
Intersubjektivität, Bd.1 + 2; Hamburg, 1987
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Hösle, Vittorio, Der Staat,
in: Jermann, Christoph, Anspruch und Leistung von Hegels Rechtsphilosophie;
Stuttgart-Bad Cannstatt, 1987, S. 183-226
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Hösle, Vittorio, Ethische
Prinzipien der Friedenssicherung, in: ders., Philosophie und Öffentlichkeit;
Würzburg, 2003, S. 85-102
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Honneth, Axel, Leiden an
Unbestimmtheit. Eine Reaktualisierung der Hegelschen Rechtsphilosophie;
Stuttgart, 2001
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Hüffer, Wilm, Theodizee der
Freiheit : Hegels Philosophie des geschichtlichen Denkens, Hegel-Studien:
Beiheft 46; Hamburg, 2002
·
Hyppolite, Jean, Introduction to Hegel´s Philosophy of History;
Gainesville, 1996
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Jaeschke, Walter, Kunst und
Religion, in: Graf, Friedrich Wilhelm/Wagner, Falk: Die Flucht in den Begriff.
Materialien zu Hegels Religionsphilosophie; Stuttgart, 1982, S. 163-195
·
Jaeschke, Walter, Staat aus
christlichem Prinzip und christlicher Staat. Zur Ambivalenz der Berufung auf
das Christentum in der Rechtsphilosophie Hegels und der Restauration, in: Der
Staat 18 H, 3, Berlin, 1979, S. 349-374
·
Jaeschke, Walter, Die
Religionsphilosophie Hegels; Darmstadt, 1983
·
Jaeschke, Walter, Vernunft in
der Religion; Stuttgart-Bad Cannstatt, 1986
·
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Familie, Die bürgerliche Gesellschaft, in: ders., Anspruch und Leistung der
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[1] Böckenförde, E.-W., Recht, Staat, Freiheit, S. 112
[2] Auf österreichischer Ebene gab es
zwar einen gemeinsamen Beschluss aller im Ökumenischen Rat der Kirchen
vereinten christlichen Kirchen, keinen „Gottesbezug“ in der Verfassung zu
fordern, seitens katholischer Kirchenvertreter wurde aber auch nach diesem
Beschluss ein solcher Bezug immer wieder eingemahnt. So meinte etwa der
Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn,
in seiner Ansprache zum Jahreswechsel 2003/04, es wäre sinnvoll, in der
Verfassung Gott „als den Garanten und Beschützer des Menschen“ zu
nennen. (Vgl. zum Beschluss der christlichen Kirchen betreffs eines
„Gottesbezuges“: http://religion.orf.at/projekt02/news/0311/ne031121_konvent_fr.htm,
und zur Silvesteransprache Kardinal Schönborns: http://religion.orf.at/projekt02/news/0312/ne031231_schoenborn_fr.htm)
[3] VPRs I, S. 236
[4] VPG, S. 70
[5] Vgl.: GPR, § 270 Z, S. 431
[6] Im Folgenden zitiert als: GPR
[7] Im Folgenden zitiert als: WL I + II
[8] Im Folgenden zitiert als: EPW
[9] EPW III, § 535, S. 330
[10] Ludwig Siep interpretiert das
Hegel’sche Konzept derart, dass sich das „sittliche Verhältnis“ innerhalb der
Entwicklung der Sittlichkeit über vier Stufen hinweg zu der adäquaten
Erkenntnis, dass die Sitten, Institutionen und Gesetze Gestaltungen der
Freiheit sind, entfaltet. (Siep, L., Was heißt „Aufhebung der Moralität in der
Sittlichkeit“ in Hegels Rechtsphilosophie?, in: Hegel-Studien, 17, S. 75-96)
[11] Maihofer, W., Hegels Prinzip des
modernen Staates, in: Riedel, M., Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie 2, S.
265 f.
[12] GPR, § 142, S. 292
[13] Vgl.: „Indem sich aber das Resultat
ergeben hat, daß die Idee die Einheit des Begriffs und der Objektivität, das
Wahre ist, so ist sie nicht nur als ein Ziel zu betrachten, dem sich anzunähern
sei, das aber selbst immer eine Art von Jenseits bleibe, sondern daß alles
Wirkliche nur insofern ist, als es die Idee in sich hat und ausdrückt.“ (WL II, S. 464)
[14] GPR, § 257, S. 398
[15] GPR, § 158, S. 307
[16] Vgl.: GPR, § 164, S. 315
[17] In einem Zusatz zum Paragrafen 164 wendet
sich Hegel gegen die von Friedrich v. Schlegel vertretene Position, dass sich
die Ehe im Gefühl der Liebe erschöpft und ein förmlicher Vertrag derselben
schadet. (Vgl.: GPR, § 164 Z, S. 317)
[18] Jermann, Ch., Die Familie, Die
bürgerliche Gesellschaft, in: ders., Anspruch und Leistung der Hegelschen
Rechtsphilosophie, S. 156
[19] Vgl.: GPR, § 163 Z, S. 314 f.
[20] Ebd., § 173 Z, S. 326
[21] GPR, § 173, S. 325
[22] Hegel versteht hier jede Familie
als eine rechtliche Person.
[23] GPR, § 181, S. 338
[24] Vgl.: EPW, § 539, S. 331
[25] Ebd.
[26] Habermas, J., Der philosophische
Diskurs der Moderne, S. 50
[27] Vgl.: Jermann, Ch., Die Familie,
Die bürgerliche Gesellschaft, in: ders., Anspruch und Leistung der Hegelschen
Rechtsphilosophie, S. 166
[28] GPR, § 183, S. 340
[29] Um das, was Hegel als „Staat“
bezeichnet, von diesem „Not- und Verstandesstaat“ abzugrenzen, schlägt Claus
Bärsch vor, innerhalb der Hegel’schen Texte statt „Staat“ „Staatsgesellschaft“
zu lesen. (Vgl.: Bärsch, C., Staat und ‚Corpus Christi Mysticum‘. Religionspolitologische
Aspekte der Hegelschen Philosophie des Staates, in: Hegel-Jahrbuch 1993/1994,
S. 256-259) Obwohl dies meines Erachtens ein durchaus sinnvoller Vorschlag ist,
werde ich aber im Folgenden beim Hegel’schen Wortgebrauch bleiben und weiter den
Begriff „Staat“ benützen.
[30] Dies zeigt sich auch in der
Binnenstruktur der diesbezüglichen Kapitel der GPR. Am Beginn steht das „System
der Bedürfnisse“, dominiert von der Befriedigung der besonderen Wünsche, dann
folgt „Die Rechtspflege“ als Ausdruck des Allgemeinen und den Schluss bilden
„Polizei und Korporation“ als, wenn auch unzureichende, Vermittlung von
Besonderheit und Allgemeinheit. (Vgl.: GPR, § 188, S. 346)
[31] GPR, § 182 Z, S. 339
[32] In einer Anmerkung zum Paragrafen
189 der GPR nennt Hegel Adam Smith, Jean Baptiste Say und David Ricardo. (Vgl.:
GPR, § 189 A, S. 346 f.)
[33] GPR, § 183, S. 340
[34] Jermann deutet die Beziehung
Einzelheit - Allgemeinheit auf der Stufe der bürgerlichen Gesellschaft als eine
wesenslogische Relation, da „die beiden Relata sich gegenseitig negieren, aber
schon deswegen aufeinander angewiesen sind“. (Jermann, Ch., Die Familie, Die
bürgerliche Gesellschaft, in: ders., Anspruch und Leistung der Hegelschen
Rechtsphilosophie, S. 167)
[35] Wie sehr Hegel die Sprengkraft
dieser Entwicklung erkannte, zeigt sich unter anderem in seinem Verweis darauf,
dass diese der „letzte Grund des Untergangs“ der „alten Staaten“ war. (GPR, §
185 Z, S. 341)
[36] Vgl.: GPR, § 255 Z, S. 397
[37] Vgl.: GPR, § 253 Z, S. 396
[38] Vgl.: Siep, L., Was heißt
„Aufhebung der Moralität in der Sittlichkeit“ in Hegels Rechtsphilosophie?, in:
Hegel-Studien, Bd. 17, S. 89
[39] Vgl.: GPR, § 260, S. 406 f.
[40] Vgl.: GPR, § 153 Z, S. 304
[41] GPR, § 258, S. 399
[42] GPR, § 258 A, S. 399
[43] GPR, § 258, S. 399
[44] Vgl.: GPR, Vorrede, S. 15
[45] Laut Ludwig Siep offenbart die
historische Entwicklung des menschlichen Bewusstseins für Hegel „die Wahrheit“,
dass die „geistige Existenz“ des Menschen als bewusst wollendes und handelndes
Wesen die staatliche Rechtsordnung verlangt. (Vgl.: Siep, L., Hegels politische
Anthropologie, in: Höffe, O., Der Mensch - ein politisches Tier?, S. 122)
[46] Wörtlich schreibt Hegel hier:
„Wille ohne Freiheit ist ein leeres Wort, so wie die Freiheit nur als Wille,
als Subjekt wirklich ist.“ (GPR, § 4 Z,
S. 46)
[47] An derselben Stelle setzt sich
Hegel gegen alle Versuche zu Wehr, Denken und Wollen als voneinander unabhängig
gegenüberzustellen, denn „es sind nicht etwa zwei Vermögen, sondern der Wille
ist eine besondere Weise des Denkens“. (GPR, § 46 Z, S. 47)
[48] Hegel verweist in diesem
Zusammenhang auf das Ich = Ich der Fichte’schen Wissenschaftslehre.
[49] GPR, § 7 Z, S. 57
[50] Axel Honneth setzt die beiden von
Hegel abgelehnten Freiheitsbegriffe („negative Freiheit“ und Freiheit als
Umgang mit als extern und „endlich“ verstandenen Objekten) mit den Sphären von
„Recht“ und „Moralität“ parallel und interpretiert Hegels Einführung der
„Sittlichkeit“ als versuchte Aufhebung dieser beiden defizitären Konzepte.
(Vgl.: Honneth, A., Leiden an Unbestimmtheit, S. 22 ff.)
[51] GPR, § 7 Z, S. 57
[52] GPR, § 260, S. 406 f.
[53] Dieser neue Gedanke, mit dessen
Hilfe Hegel sowohl die Überlegenheit als auch die Krisenhaftigkeit der Moderne
erklärt, differenziert sich laut Habermas in vier Momente: Individualismus,
Recht der Kritik, Autonomie des Handelns und idealistische Philosophie. (Vgl.:
Habermas, J., Der philosophische Diskurs der Moderne, S. 27)
[54] GPR, § 528 A, S. 400
[55] Wieweit Hegel Rousseau damit
unrecht tut bzw. wieweit ihm, wie es etwa Shlomo Avineri zu erkennen meint,
tatsächlich die „Bedeutung der Rousseauschen Unterscheidung zwischen la volontè
gènèral und la volontè de tous entgeht“, ist hier nicht zu debattieren. (Vgl.:
Avineri, S., Der Staat - das Bewusstsein der Freiheit, in: Riedel, M,,
Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie 2, S. 401)
[56] GPR, § 528 A, S. 400
[57] GPR, § 75 Z, S. 159
[58] Wie Hösle zu Recht schreibt, wäre
die Hegel’sche Argumentation hier allerdings nur dann stringent, wenn der
Emigrant nicht nur einen besonderen Staat, sondern die Sphäre der Staatlichkeit
als solcher verließe, da er nur dann der „vernünftigen Bestimmung des Menschen“
(Vgl.: GPR, § 75Z) widersprechend handeln würde. (Vgl.: Hösle, V., Hegels
System. Der Idealismus der Subjektivität und das Problem der
Intersubjektivität, Bd. 2, S. 557)
[59] Im Folgenden zitiert als: VPG
[60] Vgl. dazu: Vorlesungen über die
Geschichte der Philosophie (im Folgenden zitiert als: VGP), S. 61 f.
[61] VGP III, S. 307
[62] GPR, § 258 A, S. 401
[63] EPW III, § 483, S. 303
[64] GPR, § 258 Z, S. 403
[65] VGP III, S. 367
[66] VGP III, S. 367
[67] Im § 4 der GPR nennt Hegel das
Rechtssystem „das Reich der verwirklichten Freiheit“. (GPR, § 4, S. 46)
[68] GPR, § 278 A, S. 443
[69] VPG, S. 57
[70] Man vergleiche die bereits erwähnte Stelle (§ 4 Z) der GPR.
[71] Ähnlich argumentiert Hegel auch in
den VPG, wo es heißt, nur der dem Gesetz gehorchende Wille sei frei, denn er
gehorche sich selbst. (Vgl.: VPG, S. 57)
[72] GPR, § 149, S. 298
[73] In den VGP nennt Hegel das
Beispiel, dass ein Diebstahlsverbot nach kantischer Argumentation nur dann
haltbar wäre, wenn zuerst das Recht auf Eigentum gesetzt wäre. Ein solches
Recht ist aber nicht aus dem Kategorischen Imperativ ableitbar. (Vgl.: VGP III, S. 368 f.) Fraglich ist allerdings, ob Hegel
hier die zweite Formulierung des Sittengesetzes bei Kant, das Gebot, jeden
Menschen immer auch als Selbstzweck zu betrachten, ausreichend berücksichtigt.
Vgl: „Handle so, dass du die Menschehit, sowohl in deiner Person, als auch in
der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als
Mittel brauchest.“ (Kant, I., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, BA66f, S.
61)
[74] Honneth, A., Leiden an
Unbestimmtheit, S. 75
[75] GPR, § 147, S. 295
[76] Hüffer, Wilm, Theodizee der
Freiheit. Hegels Philosophie des geschichtlichen Denkens, S. 162 f.
[77] Kosian betrachtet diese „Zeitvergessenheit“
beim späten Hegel als starke Abwendung von Hegels früheren Überlegungen, wo das
„Bewusstsein des Werdens“ noch viel stärker in das Gegenwartsverständnis
einbezogen gewesen sei. (Vgl.: Kosian, J., Staatsräson und Recht des Herzens,
in: Hegel-Jahrbuch 1993/94, S. 457-462)
[78] Vgl.: GPR, § 10, S. 60 f.
[79] Meine diesbezügliche Interpretation
des Hegel’schen Textes folgt gewissermaßen Überlegungen von A. Honneth. (Vgl.:
Honneth, A., Leiden an Unbestimmtheit, S. 25 ff.)
[80] Vgl.: GPR, § 7 Z, S. 57
[81] Auch wenn, wie etwa Claudio Cesa
betont, eine strikte Unterscheidung der Prinzipien „Staat“ versus „Moderner
Staat“ innerhalb einer Interpretation der Hegelschen Philosophie durchaus
problematisch ist. (Vgl.: Cesa, Claudio, Entscheidung und Schicksal: die
fürstliche Gewalt, in: Henrich, D./Horstmann, R.-P. [Hg.], Hegels Philosophie
des Rechts. Die Theorie der Rechtsformen und ihre Logik, S. 187)
[82] Sergio Dellavalle führt diesen
Begriff in Anlehnung an Jürgen Habermas ein und umschreibt damit das von mir in
diesem Kapitel behandelte spannungsreiche Verhältnis von Individuum und
Gemeinwesen in der Hegel’schen Philosophie. (Vgl.: Dellavalle, S., Hegels
dreieinhalb Modelle zum Bürger-Staat-Verhältnis, in: Hegel-Jahrbuch 1993/1994,
S. 191-203)
[83] Vgl.: GPR, § 260, S. 407
[84] Vgl.: Maihofer, W., Hegels Prinzip
des modernen Staates, in: Riedel, M., Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie
2, S. 361-391
[85] Als Kennzeichnung der
unterschiedlichen Prinzipien erscheint mir diese Einteilung durchaus sinnvoll,
obwohl sie sehr wohl auch problematisch wirkt, da die Trennung von „Neuzeit“
und „Moderne“ in der Hegel’schen
Philosophie nicht immer ganz deutlich ist. So beginnt Hegel in den VPG seine
Erörterung der Französischen Revolution (für Maihofer die entschiedenste
Verwirklichung des neuzeitlichen Prinzips) mit den Worten „ […] kommen wir an
das letzte Stadium der Geschichte, an unsere Welt, an unsere Tage“. Wenn die
politische Neuzeit das letzte Stadium wäre, gäbe es aber keinen Platz für die
Moderne.
[86] GPR, § 260 Z, S. 407
[87] VPG, S. 527
[88] Adam, A., Despotie der Vernunft? Hobbes, Rousseau, Kant, Hegel, S. 269
[89] GPR, § 270, S. 415
[90] Was sich auch daran zeigt, dass
Hegel in den Erläuterungen zum genannten Paragrafen auf die Religion als -
individuelle - Bewusstseinsform und ihr Verhältnis zum Staat eingeht.
[91] Eine ähnliche Deutung scheint auch
Axel Honneth zu vertreten, wenn er schreibt, die Absicht Hegels wäre es,
„allgemeine Prinzipien der Gerechtigkeit in Form einer Rechtfertigung
derjenigen sozialen Bedingungen zu entwickeln, unter denen ‚die Subjekte
wechselseitig in der Freiheit des anderen eine Voraussetzung der eigenen
Selbstverwirklichung erblicken können`“. (Vgl.: Honneth, A., Leiden an
Unbestimmtheit, S. 34 f.)
[92] GPR, § 272 Z, S. 434
[93] GPR, § 272, S. 432
[94] GPR, § 302, S. 471
[95] Bemerkt werden muss, dass Hegel
nicht von einer Neuschaffung einer Verfassung ausgeht, sondern eher von einer
Ausdifferenzierung. Allerdings ist die Verfassung, obwohl sie als das
„Göttliche und Beharrende“ zu betrachten ist (Vgl.: GPR, § 273 A, S. 439),
ebenso wesentlich im Werden (Vgl.: GPR, § 298 Z, S. 465).
[96] GPR, § 251, S. 394
[97] Vgl.: GPR, § 308, S. 476
[98] Damit scheint sich Hegel gegen das
allgemeine freie Wahlrecht zu wenden, bei dem die „Vereinigung“ der Einzelnen
ja tatsächlich nur durch eine „temporäre“ Handlung erfolgt - durch die Wahl.
Die Repräsentation eines Standes scheint für Hegel eine dauerhaftere Verbindung
von Vertreter und Vertretenem zu garantieren.
[99] GPR, § 309 Z, S. 478
[100] Zur Bedeutung der Stände im von Hegel entworfenen politischen System vgl.: Avineri, Sh., Soziale Stände, Repräsentation und Pluralismus, in: ders., Hegels Theorie des modernen Staates, S. 187-210
[101] Vgl.: GPR, § 315 Z, S. 482
[102] GPR, § 317 Z, S. 485
[103] Vgl.: GPR: § 279, S. 444 f.
[104] Zu bedenken ist hier, dass Hegel
selbst dem Monarchen insofern keine sehr entscheidende Funktion einräumt, als
er dessen Tätigkeit mit dem Setzen des Punkts auf dem I vergleicht. In einem
ausgebildeten politischen System regiert Hegel zufolge das Gesetz, das zum
In-Kraft-Treten nur die formelle Beglaubigung der Unterzeichnung durch den
Fürsten braucht. (Vgl.: GPR: § 280 Z, S. 451)
[105] Vittorio Hösle sieht in dieser
Umkehrung in erster Linie eine Akkommodation Hegels an die „kontingenten
Zeitverhältnisse“. Für Claudio Cesa hingegen ist die Änderung auch vom
theoretischen Anspruch her gerechtfertigt, da Hegel damit seiner eigenen
Argumentation folge, dass die fürstliche Gewalt der Grund sei, warum es ein
Volk gebe (Vgl.: Hösle, V., Der Staat, in: Jermann, Ch., Anspruch und Leistung
von Hegels Rechtsphilosophie, S. 200 ff., Cesa, C., Entscheidung und Schicksal:
die fürstliche Gewalt, in: Henrich, D./Horstmann, R.-P. [Hg.], Hegels
Philosophie des Rechts. Die Theorie der Rechtsformen und ihre Logik, S. 199)
[106] Vgl.: GPR, § 279 Z, S. 449
[107] Vgl.: Hösle, Vittorio, Hegels
System, S. 561
[108] Vgl.: Schnädelbach, Herbert, Hegels
praktische Philosophie, S. 308 f.
[109] GPR, § 268 Z, S. 414
[110] Man denke nur an Hobbes’ Erläuterungen
der Ursachen der Staatsentstehung im Leviathan, wo es gerade die Furcht ist,
die die Menschen zum Eintritt in das Gemeinwesen verleitet und die Einhaltung
der Gesetze bewirkt. (Vgl.:
Hobbes, T., Leviathan, S. 131-135)
[111] Vgl.: GPR, Vorrede, S. 18 f.
[112] Ebd. S. 19
[113] Vgl.: Znoj, M., Der Patriotismus
als politische Gesinnung bei Hegel, in: Hegel-Jahrbuch 1993/1994, S. 233
[114] GPR, § 268 A, S. 413
[115] Tugendhat, E., Selbstbewußtsein und
Selbstbestimmung, S. 349
[116] GPR, § 137 A, S. 255
[117] GPR, § 137 A, S. 255
[118] Vgl.: GPR, § 132 A, S. 245
[119] GPR, § 137 A, S. 255
[120] Ebd.
[121] Fast beschwörend wirkt Hegel
diesbezüglich, wenn er schreibt: „Wenn aber das gute Herz, die gute Absicht und
die subjektive Überzeugung für das erklärt wird, was den Handlungen ihren Wert
gebe, so gibt es keine Heuchelei und überhaupt kein Böses mehr, denn was einer
tut, weiß er durch Reflexion der guten Absichten und Bewegungsgründe zu etwas
Gutem zu machen, und durch das Moment seiner Überzeugung ist es gut.“ (GPR, §
140 A, S. 274)
[122] Eine interessante Vermutung, warum
Hegel an so vielen Stellen seines Werkes vor den Gefahren eines übertriebenen
Subjektivismus für die Gemeinschaft warnt, aber nur selten vor denen eines
Vernachlässigens der Subjektivität, äußert Adriaan Peperzak. Laut Peperzak waren
für Hegel Positionen, die alleine auf das Recht des Bestehenden pochten,
geistesgeschichtlich bereits überwunden, da sie alleine dem antiken, nicht aber
dem modernen Menschenbild entsprachen. Hegel hielt, so Peperzak, „eine
Wiederkehr ihres objektiven Totalitarismus für unwahrscheinlich“. (Vgl.:
Peperzak, A., Zur Hegelschen Ethik, in: Henrich, D./Horstmann, R.-P. [Hg.],
Hegels Philosophie des Rechts. Die Theorie der Rechtsformen und ihre Logik, S.
120 f.)
[123] Vgl.: GPR, § 132 A, S. 246 f.
[124] Vgl.: GPR, § 132 A, S. 246 f.
[125] Dahlstrom, D., Die Zweideutigkeit
des Gewissens, in: Hegel/Jahrbuch 1993-1994, S. 442
[126] Vgl.: GPR, § 138 Z, S. 260
[127] Siep, L., Was heißt: „Aufhebung der
Moralität in Sittlichkeit“ in Hegels Rechtsphilosophie?, in: Hegel-Studien, Bd.
17, S. 95
[128] GPR, § 132 A, S. 255
[129] Amengual, G., Das Gewissen als das
höchste Recht des Subjekts, in: Hegel-Jahrbuch 1993/1994, S. 435
[130] GPR, § 268, S. 413
[131] RPi IV, S. 641
[132] GPR, § 268 A, S. 413
[133] Vgl.: Znoj, M., Der Patriotismus als
politische Gesinnung bei Hegel, in: Hegel-Jahrbuch 1993/1994, S. 234
[134] Vgl.: GPR, § 268: S. 413
[135] Vgl.: RPi IV, S. 642
[136] Wie bereits erwähnt, findet sich in
den GPR unter anderem im Zusatz zu § 138 eine diesbezügliche Bemerkung.
[137] GPR, § 30 A, S. 83
[138] Vgl.: VPG, S. 329 f.
[139] Vgl.: Siep, L., Was heißt:
„Aufhebung der Moralität in
Sittlichkeit“ in Hegels Rechtsphilosophie?, in: Hegel-Studien, Bd. 17, S. 91
[140] Ritter, J., Moralität und
Sittlichkeit, in: Riedel, M. (Hg.), Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie 2,
S. 237
[141] Vgl.: GPR, § 268, S. 413
[142] In den VPG hebt Hegel als
wesentliches Moment des modernen Staates die „Gesinnung, daß die Gesetze und
die Verfassung überhaupt das Feste seien“ hervor. (Vgl.: VPG, S. 531)
[143] Vgl.: RPi IV, S. 642
[144] Im Folgenden zitiert als: PhG
[145] Vgl.: PhG, S. 266 f.
[146] VPG, S. 404
[147] Vgl.: Hösle, V., Hegels System II,
S. 476
[148] Auf die diesbezügliche Bedeutung
und Rolle dessen, was Hegel „Volksgeist“ nennt, werde ich an späterer Stelle
noch zu sprechen kommen.
[149] Für Hegel geht es hier zentral um die Frage nach der Existenz Gottes. Eine nähere Behandlung dieses Gedankens folgt später.
[150] Vgl.: Wagner, F., Zum begrifflichen
Aufbau und argumentativen Duktus von Hegels „Vorlesungen über die Philosophie
der Religion“, in: Wiener Jahrbuch für Philosophie Bd. 22, S. 115-133
[151] Vgl.: VPRs I, S. 236-246
[152] VPRs I, S. 43
[153] VPRs I, S. 182
[154] Vgl.: „Wenn es mit dem Wort Gott
überhaupt in der Religion Ernst ist, so darf und muß die Bestimmung auch von ihm, dem Inhalte und Prinzip der
Religion, anfangen, und wenn ihm das Sichoffenbaren abgesprochen wird, so
bliebe von einem Inhalte desselben nur dies übrig, ihm Neid zuzuschreiben.“ (EPW III, § 564 A, S. 373)
[155] Vgl.: VPRs I, S. 128
[156] Bekannt ist in diesem Zusammenhang
auch Hegels Einwand geworden, würde Religion allein im Gefühl basieren, müssten
auch Tiere Religion haben. (Vgl.
u. a.: VPRs I, S. 129 und 168)
[157] Vgl.: VPRs I, S. 134
[158] VPRs I, S. 129
[159] Bei seiner
Erörterung der Bedeutung der christlichen Gemeinde greift Hegel abermals auf
diesen Gedanken zurück und schreibt, dass, wenn die Religion „Zuflucht zur Empfindung“ nimmt, die Kirche keine Gemeinschaft mehr hat und in „Atome zerfällt“, denn jedes Individuum
habe „ein eigenes Gefühl, eigene Empfindung und eine besondere Weltanschauung”.
(Vgl.: VPRs II, S.
340)
[160] VPRs I, S. 50
[161]Vgl.: Wagner, F., Zum begrifflichen Aufbau und argumentativen Duktus von Hegels „Vorlesungen über die Philosophie der Religion“, in: Wiener Jahrbuch für Philosophie, Bd. 22, S. 121
[162] Vgl.: VPRm I, S. 268 f.
[163] Den Schritt von der abstrakten
Lehre von Gott zu einer Behandlung der Religion als Verhältnis sieht Hegel in
der „neueren Theologie“ getan. (Vgl.: VPRs I, S. 101 f.)
[164] Die Überlegungen Hegels dazu sind
natürlich sowohl mit seiner Interpretation des Christentums als auch mit seinem
Verständnis von „Geist“ eng verknüpft. In einer Anmerkung zu § 364 der EPW
schreibt Hegel: „Gott ist nur Geist insofern er sich selber weiß; sein
Sichwissen ist ferner sein Selbstbewußtsein im Menschen und das Wissen des
Menschen von Gott, das fortgeht zum Sichwissen des Menschen in Gott.“ (EPW, § 364 A, S. 374)
[165] Vgl.: VPRs I, S. 167
[166] Eine genauere Auseinandersetzung mit Hegels Bestimmung „wahrer Unendlichkeit“ folgt an späterer Stelle dieser Arbeit. Vgl.: IV.III. Endlichkeit und Unendlichkeit - ein „Exkurs“ zur Logik
[167] Keyserlingk, A., Die Erhebung zum
Unendlichen: eine Untersuchung zu den spekulativ-logischen Voraussetzungen der
Hegelschen Religionsphilosophie, S. 210
[168] Daher kann Jaeschke schreiben, die Gemeinde fände „ihren eigentlichen Ort innerhalb der Philosophie“. (Jaeschke, W., Hegels Religionsphilosophie, S. 108)
[169] Vgl.: Dellbrügger, G., Gemeinschaft
Gottes mit den Menschen. Hegels Theorie des Kultus, S. 309 f.
[170] Ein menschheitsgeschichtlicher Fortschritt,
den Hegel mit dem Auftreten des Christentums verwirklicht sieht.
[171] Ein Ende, das sich weniger in einem
Verschwinden als in einem Bedeutungsverlust der Kunst manifestiert.
Entscheidend ist hier, wie Jaeschke völlig zu Recht schreibt, dass die Hegel’sche
These vom „Ende der Kunst“ nur dann diskussionswürdig ist, wenn die Aufgabe der
Kunst in der Darstellung des Absoluten gesehen wird. Wird dieser Hegel’sche
Gedanke nicht geteilt, kann auch das „Ende der Kunst“ nicht in Bezug auf Hegel
begründet oder widerlegt werden. Zu weit geht Jaeschke meines Erachtens
allerdings, wenn er das „Absolute“ allein auf die religiösen Aspekte dieses
Begriffs reduziert. Auch wenn die Kunst etwa die „Absolutheit“ des
Menschenbegriffs thematisiert, steht sie vor dem Problem der möglicherweise als
unzulänglich empfundenen Darstellung dieses Begriffs im angeschauten Bild.
(Vgl.: Jaeschke, W., Kunst und Religion, S. 184)
[172] VPRs I, S. 141
[173] Vgl.: VPRs II, S. 339
[174] In § 573 der EPW spricht Hegel von
der Gleichheit der Inhalte von Religion und Philosophie. (Vgl.: EPW, § 573 A, S. 379)
[175] VPR I, S. 152
[176] Vgl.: Löwith, K., Von Hegel zu
Nietzsche, S. 356
[177] Vgl.: Schulz, Michael, Sein und
Trinität, S. 310 ff.
[178] Schulz, M., Sein und Trinität, S.
310
[179] Vgl.: VPRs I, S. 154
[180] Vgl.: VPRs II, S. 256-260
[181] Taylor, Ch., Hegel, S. 611
[182] EPW, § 573 A, S. 379
[183] Wagner, F., Religion zwischen
Rechtfertigung und Aufhebung, S. 135
[184] Vgl.: ebd. S. 144
[185] Ebd. S. 148
[186] Vgl.: „Aber diese Versöhnung ist
selbst nur eine partielle, ohne äußere Allgemeinheit; die Philosophie ist in
dieser Hinsicht ein abgesondertes Heiligtum“. (VPRs II, S. 343)
[187] Vgl.: VPRm III, S. 167-167, S. 262-270
[188] In einem von D. F. Strauss
überlieferten Auszug einer Nachschrift der religionsphilosophischen Vorlesungen
aus dem Jahr 1831 findet sich eine sehr prägnante Zusammenfassung der
Hegel’schen Ausführungen zum Kultus, an der ich mich im Folgenden orientieren
werde (zur Dignität dieses Textes vgl.: VPRm I, S. XLVI), die ich aber um
einige an anderer Stelle von Hegel gemachte Erläuterungen erweitern möchte.
[189] VPRm I, S. 360
[190] Vgl.: die oben erwähnte
Interpretation der „Erbsünde“.
[191] VPRs II, S. 253
[192] VPRm I, S. 360
[193] Vgl.: VPRm I, S. 360
[194] Vgl.: VPRm I, S. 333
[195] Vgl.: ebd.
[196] VPRm I, S. 334
[197] Jedoch muss bemerkt werden, dass, wie Herbert Scheit zu Recht betont, „Kult“ „nicht als die sakrale Umschreibung für ‚Arbeit’ genommen werden kann, weil der Kult gar nichts ‚hervorbringt’.“ (Scheit, H., Geist und Gemeinde, S. 225) Die religiöse, kultische Handlung hat ihren Zweck in sich selbst, dient also nicht einem ihr fremden Telos.
[198] Dies ist allerdings nur eine mögliche den Hegel’schen Texten über die verschiedenen Religionen zu Grunde liegende Ordnungsstruktur. Jaeschke weist nach, dass Hegel auch die Dreiteilung der Logik (Sein, Wesen und Begriff) und die drei wesentlichen Formen des Gottesbeweises als Grundstruktur der Religionsgeschichte interpretiert hat. Letztlich scheint mir das von Jaeschke als „wenig originell“ bezeichnete Schema von „Einheit“, „Entzweiung“ und „Versöhnung“ im Kontext der in dieser Arbeit behandelten Frage am interessantesten. (Vgl.: Jaeschke, W., Vernunft in der Religion, S. 276-283)
[199] Hegel erwähnt in diesem
Zusammenhang Athene als göttliche Macht, mit der sich die Athener „ursprünglich
einig“ wissen. (Vgl.: VPRs I,
S. 222)
[200] VPRs I, S. 223
[201] Ebd.
[202] Vgl.: VPRs, S. 224
[203] VPRm, S. 360
[204] Jaeschke, W., Vernunft in der
Religion, S. 203
[205] Hegel verweist in diesem
Zusammenhang auf die biblische Erzählung des Pfingstwunders. Die „Ausgießung
des Geistes“ konnte dort nur nach dem physischen Tod Christi erfolgen, erst
nachdem „die sinnliche, unmittelbare Gegenwart aufgehört hat“, so Hegel. (Vgl.: VPRs II, S. 308)
[206] VPRs II, S. 314
[207] Vgl.: VPRs II, S. 318
[208] Vgl.: VPRs II, S. 322
[209] Hegel verwendet an dieser Stelle
die Termini „Kirche“ und „Gemeinde“ synonym.
[210] Vgl.: VPRs II, S. 323 f.
[211] Dies gilt nach Hegels Verständnis
für jede Form der Wahrheit, auch für die „sinnliche“ Wahrheit, die Hegel aber
nicht als Wahrheit im engeren Sinn ansieht. (Vgl.: VPRm III, S. 258)
[212] Vgl.: VPRm III, S. 258
[213] Vgl.: ebd. S. 259
[214] Vgl.: VPRs II, S. 330
[215] Vgl.: VPRs II, S. 331
[216] Ebd.
[217] VPRs II, S. 332
[218] Vgl.: ebd.
[219] Aber vielleicht hat Henning Ottmann
mit seiner Vermutung Recht, dass Hegels Verweis am Ende seiner
rechtsphilosophischen Ausführungen auf die Geschichte als alle Staaten
einholende Instanz auch „Respekt vor der Vielfalt der Völker und ihrer
Lebensformen“ ausdrückt. (Ottmann, H., Die Weltgeschichte, S. 284, in: Siep L.
[Hg.], Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 267-286)
[220] Vgl.: GPR, § 334, S. 500
[221] Zu den durchaus sehr diskussionswürdigen Thesen Hegels über die Bedeutung des Krieges vgl. u. a.: Rawls, J., Geschichte der Moralphilosophie, S. 462-466; Avineri, Sh., Hegels Theorie des modernen Staates, S. 231-246
[222] Vgl.: VPG, S. 87
[223] Vgl.: ebd. S. 72
[224] Vgl.: ebd. S. 99
[225]
In diesem Sinne heißt es bei Jean Hyppolite, das Individuum fände im Volksgeist
„destination“ und „realization“. (Vgl.: Hyppolite, J., Introduction to Hegel´s Philosophy of history, S.
7 f.)
[226] Vgl.: VPG, S. 98
[227] Hegel spricht in diesem
Zusammenhang sogar vom „natürlichen Tod“. (Vgl.: VPG, S. 100)
[228] Vgl.: I.IV.II. Ein Grundgefühl der Ordnung
[229] Vgl.: VPG, S. 56
[230] Ebd. S. 83
[231] VPG, S. 60
[232] Vgl.: Hegels Ausführungen über die
Bedeutung Solons (VPG, S. 307 ff.)
[233] Vgl.: Avineri, S., Hegels Theorie
des modernen Staates, S. 263
[234] Vgl.: EPW, § 394 f . + Zusätze
[235] VPG, S. 101
[236] Vgl.: ebd. S. 102
[237] EPW, § 552, S. 353
[238] Peperzak, A., Selbsterkenntnis des
Absoluten, S. 77
[239] Als Ausdruck genau dieser Kompetenz
des Denkens versteht Hegel etwa die Gottesbeweise; vor allem das „ontologische“
Argument des Anselm. Allerdings bleibt der Anselm’sche Gottesbeweis für Hegel
insofern „abstrakt“, als er die Denknotwendigkeit eines der Differenz von
logischer und ontischer Sphäre vorausgehenden Begriffs nur formal ableitet,
nicht aber als „Erhebung zum Unendlichen“ aufzeigt. (VPRs I, S. 165)
[240] Vgl.: Peperzak, A.,
Selbsterkenntnis des Absoluten, S. 80
[241] EPW I, § 50, S. 231
[242] EPW, § 553, S. 366
[243] Vgl.: I.II. Staat und Freiheit
[244] EPW, § 481, S. 300
[245] Theunissen, M., Hegels Lehre vom
absoluten Geist als theologisch-politischer Traktat, S. 114
[246] Die zweite für Hegel zweifellos
mindestens ebenso entscheidende Deutungsvariante des „absoluten Geistes“, d. h.
die Interpretation von Kunst, Religion und Philosophie als Stufen der
Selbsterkenntnis des Absoluten, lasse ich hier beiseite.
[247] VPG, S. 197, Ähnlich klingt Hegels
Aussage aus den VPR, Religion wäre „das Wissen des Menschen von Gott und Wissen
seiner in Gott“. (VPRs I, S. 236)
[248] Der Terminus „Bestimmung“ fasst
meiner Meinung nach die mehrfache Bedeutung, die Hegel dem Freiheitsbegriff in
Bezug auf den Menschen zumisst insofern gut, als er sowohl „teleologisch“ auch
„substantialistisch“ gelesen werden kann.
[249] Vgl.: „Der Staat ist die wahrhafte
Weise der Wirklichkeit [...] Die Religion ist das göttliche Wissen, das Wissen
des Menschen von Gott und Wissen seiner in Gott“ (VPRs I, S. 236)
[250] Vgl.: VPG, S. 71
[251] VPRs I, S. 104
[252] Vgl.: EPW, § 252, S. 355
[253] Vgl.: GPR, § 270 A, S. 415
[254] Ebd. S. 416
[255] Vgl.: ebd.
[256] Marx, K. Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, S. 378
[257] Ebd. S. 379
[258] Wir werden an späterer Stelle sehen, dass Hegel nur dem Christentum und in letzter Konsequenz sogar allein dem Protestantismus die Fähigkeit zugesteht, zu einem schlüssigen Verhältnis zur sozialen Wirklichkeit zu gelangen.
[259] VPG, S. 70
[260] Ebd.
[261] VPRs I, S. 236
[262] Vgl.: GPR, § 270 A, S. 415
[263] Vgl.: EPW, § 552, S. 355
[264] Vgl.: GPR, § 268 Z, S. 414
[265] Vgl.: EPW, § 552, S. 355
[266] Vgl.: Scheit, H., Geist und
Gemeinde, S. 238
[267] Vgl.: u. a.: GPR, § 270 A, S. 420, Auf die (inhaltliche) Bestimmung der „wahrhaften Religion“ wird später einzugehen sein.
[268] VPRs I, S. 237
[269] Ebd. S. 238
[270] VPRs I, S. 238
[271] Ebd. S. 239
[272] Wobei Scheit selbst meines Erachtens Hegel nicht in dieser Form interpretiert. (Vgl.: Scheit, H., Geist und Gemeinde, S. 230-233)
[273] Vgl.: III.II. Der Volksgeist
[274] Vgl.: EPW, § 562 A, S. 370
[275] VPG, S. 69
[276] Vgl.: VPG, S. 68
[277] VPG, S. 71
[278] EPW, § 552, S. 360
[279] Dem Alten Testament scheint Hegel - abgesehen von der von ihm sehr geschätzten und ausführlich interpretierten Geschichte vom „Sündenfall“ - generell wenig inhaltliche Tiefe, d. h. philosophisch redimensionierbare Wahrheit, zuzugestehen. Eine Tatsache, welche die Frage aufwirft, ob Hegel damit dem von ihm als „absolute Religion“ verstandenen Christentum gerecht wird, das sich doch auch auf die Schriften des Alten Testaments beruft.
[280] Ein Beispiel für diese Polemik ist Hegels offensichtlich zustimmende Erwähnung des Spottes Voltaires, wonach es besser gewesen wäre „wenn Gott den Juden Belehrung über die Unsterblichkeit der Seele gegeben hätte, als daß er sie lehrte auf den Abtritt zu gehen“. (Vgl.: VPRs I, S. 211)
[281] VPRs II, S. 89
[282] Vgl.: ebd.
[283] Vgl.: VPRs II, S. 85
[284] Vgl.: VPG, S. 243
[285] VPRs II, S. 82
[286] Vgl.: ebd. S. 87
[287] Vgl.: ebd. S. 89
[288] Vgl.: ebd.
[289] VPRs I, S. 212
[290] Wobei hier nicht zu debattieren ist, inwieweit Hegels Charakterisierungen dem historischen Judentum gerecht werden.
[291] EPW, § 436 Z, S. 226 f.
[292] VPRs I , S. 237
[293] Vgl.: ebd.
[294] VPRs II, S. 256
[295] Vgl.: II.III. „Begriff“ und
„Form“ der Religion
[296] VPRs I, S. 308
[297] Vgl.: ebd. S. 309
[298]
Bei Hegel heißt es explizit: „ [...] es ist wesentlich, dies in seinem
eigentlichen Sinn festzuhalten, daß nämlich nicht wir, in bloß äußerer
Reflexion, es sind, welche von einer solchen Bestimmung zu der ihr anderen
übergehen, vielmehr so, daß sie es an ihnen selbst sind, so überzugehen.“ (VPRs I, S. 310)
[299] Vgl.: WL I, S. 149-165
[300] Hartnack, J., Hegels Logik. Eine Einführung, S. 23
[301] Vgl.: „Das Unendliche ist in einfacher Bestimmung das Affirmative als Negation des Endlichen.“ (WL I, S. 149)
[302] Ebd. S. 157
[303] Ebd. S. 151
[304] Vgl.: ebd.
[305] Ebd. S. 155
[306] Vgl.: WL I, S. 149
[307] Eine sehr ausführliche Auseinandersetzung mit Hegels diesbezüglichen Überlegungen liefert Alexander von Keyserlingk. (Vgl.: Keyserlingk, A., Die Erhebung zum Unendlichen, besonders: S. 147-177)
[308] Vgl.: WL I, S. 154
[309] Was Hegel an dieser Stelle kritisiert ist nichts anderes als das gemeinhin übliche Verständnis von „Unendlichkeit“.
[310] Vgl.: WL I, S. 155
[311] Trotzdem gelingt es Hegel nicht wirklich überzeugend, dieses neue Unendlichkeitsverständnis als Weiterentwicklung der vorangehenden zu argumentieren. Vielmehr wirkt es, als ob Hegel hier eine neue Sichtweise darlegt, ohne zu erklären, wie sie sich entwickelt. Peter-Ulrich Philipsen, für den an der fraglichen Stelle der WL sogar ein „Bruch“ existiert, vermeint zu erkennen, dass es für Hegel von „entscheidender Bedeutung“ sei, dass „es keinen Übergang, keine Vermittlung von ‚schlechter’ zu ‚wahrer’ Unendlichkeit gibt und geben kann“, da Hegel die Kategorie „Endlichkeit“ als solche als unwahr aufzeigen möchte. (Vgl.: Philipsen, P.-U., Dekonstruktion als schlechte Unendlichkeit?, S. 191 f.)
[312] Welcher selbstverständlich nicht als zeitlicher zu verstehen ist.
[313] WL I, S. 160
[314] Ebd.
[315] Ebd.
[316] Vgl.: Keyserlingk, A., Die
Erhebung zum Unendlichen, S. 175
[317] WL I, S. 158
[318] VPG, S. 197
[319] Vgl.: ebd. S. 386
[320] VPRs I, S. 305
[321] Vgl.: u. a. VPRs I, S. 264 und EPW III, § 377, S. 9
[322] Vgl.: EPW I, § 50, S. 122 und VPRs I, S.
168
[323] Vgl.: „Da die Götter menschlicher
noch waren - Waren Menschen göttlicher.” (Zitiert nach: VPG, S. 304)
[324] Vgl.: VPG, S. 304
[325] Vgl.: Hösle, V., Hegels System II, S. 660
[326] Vgl.: „Xenophanes sagte,
jene, welche behaupten, daß die Götter geboren werden, sündigen genauso viel
wie jene, die sagen, daß sie sterben.“ (DK 21 A 12; Zitiert nach: Mansfeld, K., Die Vorsokratiker 1, S. 233)
[327] VPG, S. 305
[328] VPRs I, S. 378
[329] Auf die Bedeutung des
Zusammenhangs von Karfreitag, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten in Hegels
Auslegung des Christentums als Wissen über den Zusammenhang von Gott und Mensch
wird an späterer Stelle noch einzugehen zu sein.
[330] VPRs I, S. 434
[331] Ebd.
[332] VPG, S. 31
[333] Vgl.: „Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit.“ (VPG, S. 32)
[334] Vgl.: ebd.: „Die Orientalen wissen es noch nicht, daß der Geist oder der Mensch als solcher an sich frei ist; weil sie es nicht wissen, sind sie es nicht.“ (Hervorhebung von L. W.)
[335] Dass dies wohl tatsächlich Hegels Überzeugung war, zeigt sich rein formal auch daran, dass die Behandlung der Religion in den meisten Kapiteln der VPG sehr weit vorne steht.
[336]
Vgl.: IV.II. Die
Bedeutung religiöser „Gesetze“
[337] Vgl.: VPRs I, S. 311 f.
[338] Vgl.: EPW III, § 436 Z, S. 227
[339] Vgl.: I.I. Hegels Begriff des Staates
[340] Vgl.: II.IV. Kultus und Gemeinde - Bewusstsein der Versöhnung
[341] VPG, S. 68
[342] Vgl.: ebd.
[343] Vgl.: VPRm I, S. 333
[344] VPG, S. 70, Genaueres dazu folgt in meiner Erörterung des „Hegel’schen Christentums“.
[345] VPG, S. 70
[346] Ebd.
[347] Vgl.: ebd.
[348] GPR, § 257, S. 398
[349] Vgl.: „Der Staat ist die wahrhafte
Weise der Wirklichkeit [...] Die Religion ist das göttliche Wissen, das Wissen
des Menschen von Gott und Wissen seiner in Gott.“ (VPRs I, S. 236)
[350] Um die es ja in bestimmter Weise während des ganzen ersten Kapitels dieser Arbeit gegangen ist.
[351] Vgl.: II.III. „Begriff“ und
„Form“ der Religion
[352] Vgl.: I.IV.III. Das moralische Gewissen
[353] Vgl.: GPR, § 270 Z, S. 430
[354] Vgl.: ebd.
[355] Vgl.: I.IV. Gesinnung, Gewissen und Patriotismus
[356]
Vgl.: II.III. „Begriff“
und „Form“ der Religion
[357] GPR, § 270 Z, S. 430
[358] Vgl.: VPRs I, S. 418
[359] Wenn ich mich im Folgenden mit
Hegels diesbezüglichen Überlegungen beschäftige, tue ich dies
selbstverständlich nicht in der Überzeugung, dass Hegels Charakterisierungen
von Islam und Französischer Revolution als „fanatisch“ historisch bzw.
religionsphilosophisch korrekt sind. Eine grundsätzliche Erörterung dieser
Thesen würde sowohl den Rahmen dieser Arbeit als vor allem auch mein
diesbezügliches Wissen übersteigen. Ich gebe Hegels Ausführungen daher hier nur
wieder, um daraus Rückschlüsse auf seine Überlegungen zum Thema des Fanatismus
ziehen zu können.
[360] Vgl.: VPG, S. 428-434
[361] Ebd., S. 432
[362] Vgl.: VPRs II, S. 337
[363] VPRs II, S. 337
[364] Ebd. S. 336
[365] Matthias Kettner hat hier meines
Erachtens Recht, wenn er die völlige Abgelöstheit des Freiheitsprinzips vom religiösen
Inhalt als eine wesentliche Hegel’sche Bedeutung der „Abstraktheit“ des Ideals
der Revolutionäre versteht. (Vgl.: Kettner, M., Revolutionslogik, S. 192)
[366] PhG, S. 436
[367] PhG, S. 437
[368] VPG, S. 532
[369] Vgl.: ebd.
[370] Ebd. S. 533
[371] Habermas zufolge versucht Hegel, um
die für ihn zentrale Realisierung von Freiheit durch die Französische
Revolution geschichtsphilosophisch zu begreifen, ohne dadurch das seines
Erachtens notwendigerweise terroristische Züge annehmende Verhalten der
Revolutionäre zu legitimieren, „die Revolution zum Herzstück seiner
Philosophie“ zu machen. Möchte Hegel, nach Habermas, doch „die Revolutionierung
der Wirklichkeit ohne Revolutionäre“. (Habermas, J., Theorie und Praxis, S.
144)
[372] Vergessen werden darf aber
keinesfalls, dass Hegel den Ereignissen von 1789 eine sehr große Bedeutung
beimaß. Egal ob die in der Literatur immer wieder zitierte Anekdote, dass Hegel
regelmäßig am Jahrestag der Revolution auf dieselbe angestoßen habe (vgl. u.
a.: Ritter, J., Hegel und die Französische Revolution, S. 23; Habermas, J.,
Theorie und Praxis, S. 128; Gessmann. M., Hegel, S. 114) nun richtig oder
falsch ist, Tatsache ist, dass für Hegel die Französische Revolution als Stufe
im „Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“ von immenser Bedeutung und, wie
Brunkhorst richtig schreibt, „einer der wichtigsten Schritte des Geistes“
(Brunkhorst, H., Hegel und die Französische Revolution, S. 165) war.
[373] Vgl.: VPG, S. 533
[374] Adorno, T. W., Minima Moralia; S. 43
[375] Vgl.: GPR, § 270 A, S. 419
[376] Vgl.: II.IV. Kultus und Gemeinde - Bewusstsein der Versöhnung
[377] Vgl.: ebd.
[378] Vgl.: VPG, S. 457
[379] Vgl.: VPRs I, S. 240 f.
[380] VPRs II, S. 331
[381] Besonders die von Hegel hier
vorgenommene Gleichsetzung von mönchischer Armut und Arbeitslosigkeit, die ja
bereits empirisch, etwa durch Verweis auf das bekannte Motto eines der ältesten
Mönchsorden, der Benediktiner, das „Ora et labora“, zumindest teilweise
widerlegt werden kann.
[382] Genauer werde ich später - bei der Behandlung des Protestantismus - auf die religiöse Verhältnisbestimmung von Jenseits und Diesseits eingehen.
[383] Vgl.: VPRs I, S. 240
[384] GPR, § 270 A, S. 420
[385] Ebd.
[386] Vgl.: VPG, S. 409
[387] Vgl.: GPR, § 270 Z, S. 431
[388] Vgl.: III.II. Hegels
Ablehnung eines nichterkennbaren Gottes
[389] Vgl.: GPR, §270 A, S.420
[390] Bzw. mit einem der vielen „Christentümer“
[391] Zu den zahlreichen Debatten über
das Verhältnis von „Hegels“ Christentum zu dem der Kirchen und über die
Differenzen zwischen Hegel’scher „Trinitätsphilosophie“ und dogmatischer
„Trinitätstheologie“ vgl.: Jaeschke, W., Die Religionsphilosophie Hegels, S. 83
ff. sowie: ders., Vernunft in der Religion, S. 297-303
[392] VPRs II, S. 188
[393] Als Begriff der Religion bestimmt
Hegel das Bewusstsein, “daß Gott die absolute Wahrheit, die Wahrheit von allem
und daß die Religion allein das absolute Wissen“ sei. (VPRs I, S. 92)
[394] Vgl.: VPRs II, S. 194-203
[395] VPRs II, S. 189
[396] Vgl.: II.II. Hegels Ablehnung eines nichterkennbaren Gottes
[397] Vgl.: VPRs II, S. 190
[398] VPG, S.391
[399] VPRs II, S.218
[400] VPRs II, S.223
[401] Ebd.
[402] VPRs II, S.226
[403] Ebd. S.227
[404] An dieser Stelle ist an Hegels
Überlegungen zu “wahrer” und “falscher” Unendlichkeit zu erinnern. (Vgl.: IV.III.
Endlichkeit und Unendlichkeit - ein „Exkurs“ zur Logik)
[405] VPRs II, S.278
[406] Vgl.: ebd.
[407] VPG, S.392
[408] Vgl.: VPRs II, S. 278 f.
[409] VPRs II, S. 274
[410] Vgl.: IV.IV.
Selbsterkenntnis des Menschen in Gott
[411] VPRs II, S. 289
[412] Vgl.: ebd. S. 292
[413] Ebd. S. 295
[414] Ebd. S. 302
[415] Dellbrügger, G., Gemeinschaft Gottes mit den Menschen, S. 343
[416] Ebd. S. 303
[417]
Vgl.: „Der Mensch muss zweimal geboren werden, einmal natürlich und sodann
geistig, wie der Brahmane.“ (VPRs
II, S. 323)
[418] Vgl.: VPRs II, S. 305
[419] Ebd.
[420] Matth.18,20
[421] Vittorio Hösle vermeint daher,
meines Erachtens nicht zu Unrecht, bei Hegel Ansätze einer Interpretation des
Christentums als „Religion der Intersubjektivität“ zu erkennen. (Vgl.: Hösle,
V., Hegels System II, S. 651-662)
[422] Hegel verwendet an den diesbezüglichen Stellen die Begriffe „Liebe“ und „Geist“ zum Teil synonym, scheint letztlich aber zweiteren Terminus vorzuziehen.
[423] VPRs II, S. 222
[424] VPG: S. 403
[425] Ebd.
[426] Vgl.: VPRs II, S. 276 und 299
[427] VPG, S. 404
[428] Von dem Hegel natürlich weiß, dass
es nicht sofort mit dem Auftreten des Christentums verwirklicht wurde, da die religiöse
Bekenntnis noch zu einer „wirklichen gegenwärtigen Welt“ (vgl.: VPG, S. 405)
werden, d. h. realisiert werden, musste.
[429] VPG, S. 134
[430] Meines Erachtens sehr plausibel ist
die Gleichsetzung der Begriffe „germanische Welt“ mit „westliche Christenheit“
durch Shlomo Avineri. (Vgl.: Avineri, Sh., Hegels Theorie des modernen Staates,
S. 269 ff.)
Wohl
zu Recht schreibt Avineri auch: „Der Versuch, die letzte und vierte Stufe in
Hegels Geschichtsphilosophie mit den nationalistischen oder ethnisch-sprachlichen
Ansichten späterer deutscher Romantiker oder Nationalisten in Zusammenhang zu
bringen, ist völlig verfehlt.“ (Ebd., S. 270)
[431] Vgl.: VPG, S. 404
[432] Vgl.: VPG, S. 404
[433] Vgl.: I.IV.IV. Die politische Gesinnung
[434] Vgl.: VPG, S. 404
[435] Vgl.: I.III. Der Staat als
Antwort auf das „Problem der Moderne“
[436] Mit dem Begriff des „Staates aus christlichem Prinzip“ greife ich an dieser Stelle auf eine Arbeit W. Jaeschkes zurück. (Vgl.: Jaeschke, W., Staat aus christlichem Prinzip und christlicher Staat)
[437] VPG, S. 517
[438] Ebd. S. 494
[439] Ebd. S. 496
[440] Vgl.: EPW, § 552, S. 357
[441] Vgl.: ebd.
[442] VPG, S. 523
[443] Vgl.: I.II. Staat und Freiheit
[444] VPG, S. 496
[445] Vgl.: VPG, S. 456
[446] Ebd., S. 527
[447] EPW, § 552, S. 359
[448] VPG, S. 427
[449] Ebd. S. 526
[450] Ebd. S. 527
[451] Am deutlichsten wird die
geänderte Auffassung Hegels, was das Verhältnis von Religion und Staat
betrifft, in dem entsprechenden Abschnitt der EPW. (§ 552)
[452] Auf diese Diskrepanz zwischen der
Hegel’schen Deutung des Protestantismus und den lutherischen Thesen weist
Jaeschke hin. (Vgl.: Jaeschke, W., Staat aus christlichem Prinzip und
christlicher Staat, S. 361-363) Die Frage, inwieweit Hegel an dieser Stelle
tatsächlich einer Fehlinterpretation aufsitzt, kann an dieser Stelle nicht
behandelt werden, da sie eher Teil einer theologisch-orientierten Arbeit wäre.
[453] Vgl.: GPR, § 270 A, S. 422
[454] Vgl.: EPW III, § 552, S. 360
[455] Vgl.: Dellavalle, S., Hegels dreieinhalb Modelle zum Bürger-Staat-Verhältnis, S. 195-198
[456] Vgl.: ebd. S. 196
[457] Vgl.: ebd. 197
[458] VPG, S. 415
[459] Vgl.: „Dieser Gegensatz [von Kirche und Staat] ist nur darum vorhanden, weil die Kirche, welche das Heilige zu verwalten hatte, selbst zu aller Weltlichkeit herabsinkt und die Weltlichkeit nur um so verabscheuungswürdiger erscheint, als alle Leidenschaften sich die Berechtigung der Religion geben.“ (Ebd.)
[460] Als Beispiel dafür nennt Hegel etwa das Lehensverhältnis einiger europäischer Staaten gegenüber dem Vatikan und den Einfluss, den kirchliche Besitztümer auf die politische Geschichte hatten.
[461] Was sich laut Hegel, wie bereits ausgeführt, in den Zielen der katholischen „Heiligkeit“, Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam zeigt.
[462] Auf das bemerkenswerte Faktum, dass
Hegel zwar die Freiheit der Religionswahl betont, nicht aber die Möglichkeit
der Bekenntnislosigkeit in Betracht zieht, werde ich an späterer Stelle noch
eingehen.
[463] Vgl.: GPR, § 270 A, S. 420
[464] Ebd.
[465] Vgl.: ebd. S. 421
[466] Ebd.
[467] Ebd.
[468]
Im System der Bedürfnisse gilt der Mensch, „weil er Mensch ist“, heißt es in §
209 der GPR. In den Regeln des Tausches, der Bedürfnisbefriedigung und der
Arbeit erlebt das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft für Hegel die
Gleichwertigkeit aller als „allgemeine Personen“. (Vgl.: GPR, § 209, S. 360 f.)
[469] GPR, § 270, S. 428
[470] Ebd. S. 422
[471] GPR, § 137 A, S. 255
[472] Vgl.: I.IV.II. Das moralische Gewissen
[473] Vgl.: IV.V.I. Fanatismus; IV.V.II. Frömmigkeit als Weltabgewandtheit
[474] Vgl.: I.II. Staat und Freiheit; I.IV. Gesinnung, Gewissen und Patriotismus
[475] GPR, § 258 Z, S. 403
[476] Vgl.: EPW, § 552, S. 353
[477] GPR, § 258 Z, S. 403
[478] Ebd., S. 404
[479] GPR, § 258, S. 399
[480] GPR, § 258 A, S. 399
[481] Vgl.: IV.V.II. Frömmigkeit als Weltabgewandtheit
[482] Vgl.: VPG, S. 409 ff.
[483] Vgl.: IV.VI. Die politische Kraft des Christentums
[484] Vgl.: IV.V.I. Fanatismus
[485] Vgl.: IV.VII. Staat und Kirche - Religionsfreiheit
[486] GPR, § 270 Z, S. 430
[487] Vgl.: IV.VII. Staat und
Kirche - Religionsfreiheit
[488] Vgl.: GPR, § 270 A, S. 421
[489] Ebd., S. 420
[490] Ein wenig anders sah Hegel dies möglicherweise - wie bereits erwähnt - in den letzten Jahren seiner Lehrtätigkeit, wo er besonders auf den Protestantismus als Basis der modernen Freiheit der Subjektivität pochte. Vgl.: IV.VII. Staat und Kirche - Religionsfreiheit
[491] Vgl.: IV.VI.I. Die absolute Religion als die selbstreflexive Religion; IV.VI.II. Religion der Freiheit
[492]
Nur ganz am Rande möchte ich als kurze Erläuterung dieser These zu bedenken
geben, dass ja auch Kant bei seinem Versuch einen Staat für ein „Volk von
Teufeln“ zu entwerfen, zumindest von einer Gemeinsamkeit aller „Teufel“ ausgeht,
dem Wunsch der Gesellschaftsmitglieder ihre eigene Existenz zu sichern.
Erfordert ein Staat nach Kant doch eine „Menge von vernünftigen Wesen, die
insgesamt allgemeine Gesetze für ihre Erhaltung verlangen“. (Kant, I., Zum
ewigen Frieden, B61, A60, in: ders., Schriften zur Anthropologie,
Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 1) Noch deutlicher wird der
Rückgriff auf die Übereinstimmung der Staatsbürger im Wunsch für ihre
„Selbsterhaltung zu sorgen“ bei der Hobbe’schen Staatsbegründung. (Vgl.: Hobbes, T., Leviathan, S.
131) Gerade in letzter Zeit wurde uns aber drastisch vor Augen geführt,
dass dies unter Menschen gar kein so selbstverständlicher „Wertekonsens“ ist.
Demonstrieren doch Selbstmordanschläge, wie manche Menschen durchaus keine
Gesetze für ihre „Erhaltung“ suchen und damit wahrscheinlich die drastischste
Form der Infragestellung der gesellschaftlichen Ordnung wählen können.
[493] Wobei Hegel selbst meines Erachtens nicht von einem Akt der Verfassungsgebung ausgeht, sondern von einem historischen Prozess, in dessen Verlauf sich die politischen und sozialen Regeln einer Gemeinschaft erst zur „Verfassung“ ausdifferenzieren.
[494] Natürlich verweisen alle Befürworter eines Gottesbezuges in einer Verfassung in der derzeitigen Debatte darauf, dass die entscheidenden Werte dieser Verfassung auch für nichtgläubige Menschen stringent begründet sein müssten. Allerdings müssen solche Argumentationen meines Erachtens mit dem Frage leben, ob sie nicht ihrem Glauben einen schlechten Dienst erweisen, wenn sie erklären, Verantwortung müsse letztlich gegenüber Gott getragen werden und gleichzeitig ein verantwortliches Handeln auch auf anderem Weg begründen wollen. Würden sie nicht damit nicht gerade ihrer eigenen Überzeugung widersprechen und den Glauben an Gott zu etwas eigentlich Irrelevantem, weil ohnehin Ersetzbarem machen?
[495] Vgl.: IV.I. Die Religion als „Grundlage“ des Staates?
[496] Vgl.: IV.IV. Selbsterkenntnis des Menschen in Gott
[497] Vgl.: IV.V. Die differenten Formen von Religion und Staat
[498] Vgl.: GPR, § 270 Z, S. 431
[499] Wobei auch gesagt werden muss, dass Hegel auf einer anderen Ebene gerade jene Balance zwischen differenten „Gesinnungen“ sucht, die er im Bereich des Religiösen nicht in Betracht zieht. Es handelt sich dabei um die Sphäre der „Stände“. (Dazu vgl.: Siep, L., „Gesinnung“ und „Verfassung“. Bemerkungen zu einem nicht nur Hegelschen Problem, in: ders., Praktische Philosophie im Deutschen Idealismus, S. 270-284)
[500] Vgl.: Habermas, J., Die Einbeziehung des Anderen, S. 163
[501] An dieser Stelle muss ich mich zunächst von der eigentlichen Kernfrage der Arbeit, der nach dem Verhältnis von Religion und Staat, abwenden, da es sich hier um eine grundsätzliche Überlegung zur Aktualität der Hegel’schen Staatsphilosophie handelt. Ich werde aber in der zweiten Hälfte dieses Kapitels wieder auf das Thema „Religion“ zurückkommen.
[502] Vgl.: GPR, § 279, S. 445
[503] Vgl.: IV.IV. Selbsterkenntnis des Menschen in Gott
[504] Vgl.: III.II. Der Volksgeist
[505] Als Pars pro Toto möchte ich hier nur die Frage nach der Todesstrafe nennen.
[506] Vgl.: GPR, Vorrede, S.24
[507] Einige Literaturhinweise zur enorm umfangreichen Debatte darüber wie weit Hegels politische Theorie normativ zu verstehen ist finden sich u. a. bei Hösle (Vgl.: Hösle, V., Hegels System 2; S.417-423) und Schnädelbach (Vgl.: Schnädelbach, H., Hegels Praktische Philosophie; S.347-453).
[508] Vgl.: VPG, S. 71
[509] Vgl.: Hösle, V., Ethische Prinzipien der Friedenssicherung, S. 100, in: ders., Philosophie und Öffentlichkeit, S. 85-102
[510] Vgl.: GPR, § 270 Z, S. 431
[511] Vgl.: ebd., § 268, S. 413
[512] Vgl.: VPG, S. 73
[513] Vgl.: EPW III, § 552, S. 360
[514] Vgl.: Jaeschke, W., Vernunft in der Religion, S. 294 f.
[515] In einem Zusatz zu den GPR verweist
Hegel auf das Scheitern der von Napoleon in Spanien erwirkten neuen Verfassung
(erlassen im Jahr 1808), die den Spaniern ein „Fremdes“ war. (Vgl.: GPR, § 274
Z, S. 440)
[516] EPW, § 573 A, S. 379
[517] Vgl.: VPRs II, S. 274
[518] Vgl.: VPG, S. 68 f.
[519] Bei sehr freiem Umgang mit den
Hegel’schen Texten könnte allerdings betont werden, dass für Hegel, wie er in §
554 der EPW schreibt, „im allgemeinen” die ganze Sphäre des absoluten Geistes,
als „Religion“ bezeichnet werden kann und demzufolge alle Abhandlungen über die
Religion als auch politisch relevantem Bewusstsein über die Vereinigung von
Subjektivität und Objektivität auch als Aussagen über die Bedeutung von Kunst
und Philosophie betrachtet werden können. Da die betreffende Stelle der EPW
meines Wissens aber die einzige ist, die diese Gleichsetzung vornimmt, scheint
mir eine solche Interpretation kaum haltbar. (Vgl.: EPW, § 554, S. 366)
[520] Vgl.: GPR, § 268, S. 413, Vgl.: I.IV. Gesinnung, Gewissen und Patriotismus
[521] Vgl.: GPR, § 151, S. 301
[522] Vgl.: VPRm III, S. 258
[523] Vgl.: GPR, Vorrede, S. 26
[524] Vgl.: Habermas, J., Theorie und Praxis, S. 154 f.
[525] Hier liegt meines Erachtens eines der größten Probleme des Hegel’schen Philosophiebegriffs. Scheint Hegel doch letztlich nur, um es mit kantischen Ausdrücken zu sagen, an den „Schulbegriff“ der Philosophie zu denken und den „Weltbegriff“ zu vernachlässigen, d. h. jene Form des philosophischen Wissens zu übersehen, welche die Antwortversuche für jene Fragen inkludiert, die „jedermann notwendig interessieren“. (Vgl.: Kant, I., Kritik der reinen Vernunft; B868, S. 701)
[526] Vgl.: II.III. „Begriff“ und „Form“ der Religion
[527] Vgl.: VPRs II, S. 343 f.
[528] Vgl.: Wagner, F., Religion zwischen
Rechtfertigung und Aufhebung, S. 135