Erratum und Memorandum zu meinem Buch über Friedrich Kainz.


von Gerhard GELBMANN


In meinem unlängst publizierten Buch

Sprachphilosophie und Sprachpsychologie. Der sprachkritische Ansatz von Friedrich Kainz.
Europäische Hochschulschriften: Reihe 20, Philosophie, Bd. 681. Frankfurt am Main 2004: Peter Lang
sind mir trotz mehrmaliger Überarbeitungen nicht nur einige lästige Tippfehler unterlaufen, sondern auch eine andere, gewissermaßen wissenschaftliche Unterlassung passiert, die es zu korrigieren gilt. Dazu bleibt mir im Moment keine andere Möglichkeit als die hier gewählte, doch wird, so das Buch eine solche erlebt, die zweite Auflage eine entsprechende, angemessene Korrektur beinhalten.

Auf den Fehler aufmerksam gemacht worden zu sein, verdanke ich Prof. Dr. Franz Martin Wimmer, der mich am 4. Dezember 2004 auf mein Buch ansprach und darauf hinwies, daß die von mir behandelte Frage des Verhältnisses von Friedrich Kainz zur NSDAP auch den Fall Erich Heintel berührt (lange Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien). Die entsprechende Publikation hätte mir längst bekannt sein müssen, in ihr und in schon vorausgegangenen Veranstaltungen öffentlicher Natur war bereits zu meiner Studentenzeit der "Fall" Heintel diskutiert worden. Wimmer gab gemeinsam mit Kurt Rudolf Fischer verdienstvoller Weise eben jenes von mir leider übergangene Werk heraus, welches eine Reihe von Beiträgen sammelt, die jetzt nicht alle gewürdigt werden können:

Kurt R. Fischer, Franz M. Wimmer (Hg.):
Der geistige Anschluß. Philosophie und Politik an der Universität Wien 1930-1950.
Wien: WUV-Universitätsverlag 1993
Bei Heintel habe Wimmer selbst nach Anfragen am Bundesarchiv Berlin dessen Mitgliedschaft bei der NSDAP dokumentieren können (cf. Fischer & Wimmer 1993: 8). Dies ist insofern für mein kurzes Kapitel in meinem Buch bezüglich der politischen Seite von Kainz' Leben während der Nazi-Zeit von Bedeutung, als Heintel ja durchaus Karriere während der Nazi-Herrschaft und nachher machte und offenbar seinem Antrag auf Parteimitgliedschaft in der NSDAP stattgegeben wurde, indes Kainz' Antrag trotz mehrmaliger Erneuerung beim bloßen Äußern des Beitrittswunsches verblieb (wobei nicht verschwiegen sei, daß auch Kainz Karriere machte).

Nun hat Prof. Hans-Dieter Klein in seinem "Bericht über Erich Heintel" (Fischer & Wimmer 1993: 270-281) meines Erachtens mit Recht bestritten, daß Heintel "ein dem Nationalsozialismus ergebener Philosoph gewesen" wäre (op. cit. 270). Auch wenn sich Klein dahingehend geirrt hat, daß Heintel kein Mitglied der NSDAP war, wie er dezidiert behauptet (op. cit. 272), so ist dies kein Beweis dafür, daß Heintel gesinnungsgemäßer Nationalsozialist war oder gar Verbrechen beging oder guthieß. Es ist wohl aber ein Zeichen für einen ehrenwerten Verteidigungsversuch von Seiten Kleins, in dem er von Heintel getäuscht worden sein mochte oder aber einer Verdrängung Heintels zum Opfer fiel, etc. (hier gibt es viele mögliche Hypothesen, das Verschweigen und Beschönigen dieser Mitgliedschaft Heintels zu erklären, wovon einige offenbar besonders für institutspolitisches Kleingeld geeignet sind, andere wiederum gerne übergangen, weil nicht den eigenen Interessen nützlich zu machen sind). Klein legt in seinem Bericht ferner dar, welche Gründe Heintel bewogen haben, die Aufnahme in die NSDAP zu beantragen (Klein bestreitet also keineswegs, daß Heintel die Mitgliedschaft in der NSDAP anstrebte): Es ging Heintel um seine eigene Sicherheit, weil Heintel befürchtete, durch Hilfestellungen für Verfolgte aufgefallen und gefährdet zu sein. Als Parteimitglied konnte er solche Tätigkeiten des Widerstands gegen das Regime besser tarnen. In diesem Punkt scheinen sich also das Schicksal von Kainz und Heintel zu berühren, denn auch Kainz fürchtete die Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime und entzog sich dieser wahrscheinlich durch die Versuche, Parteimitglied zu werden. Es ist also trotz des Irrtums von Klein keineswegs aus der durch Wimmer bewiesenen Mitgliedschaft Heintels in der NSDAP irgendeine nationalsozialistische Gesinnung bei Heintel begründeter Weise zu erschließen; die Schriften Heintels sind beredtes Zeugnis, worin ich mich der Argumentation Kleins anschließe.

In meinem Buch über Kainz (i.e. erste Auflage vom Herbst 2004) habe ich diesem Aspekt des Lebens von Heintel und der Diskussion um Kleins Versuch, Heintels Reputation zu retten, und der ganzen Diskussion um den "geistigen Anschluß Österreichs", keine Beachtung geschenkt, was ich hiermit nachhole. Es ist sowohl der Versuch der Rettung des Rufes Heintels durch Klein zu achten, als auch der bereits verstorbene Heintel vor unbewiesenen Anschuldigungen in Schutz zu nehmen, alleine schon aus den genannten Gründen und jedenfalls aus dem Gerechtigkeitsprinzip heraus, im Zweifel für den Angeklagten zu sein (so Heintel überhaupt angeklagt ist, doch manche Züge der damaligen institutspolitischen Diskussion erinnern an ein Tribunal). Ich halte diesen hier eingefügten Absatz in dieser Stellungnahme für eminent wichtig, weil dadurch nicht nur meine Wertschätzung für Heintel, Klein und Wimmer (und Fischer) Ausdruck findet, sondern weil ich auch spät auf eine seinerzeitige Institutsdebatte reagieren kann, die aus meiner Sicht äußerst unglücklich verlief und um die ich damals, als sie stattfand, nicht wußte und mich auch nicht für sie interessierte.

In unserem Gespräch vom Dez. 2004 wies mich Wimmer ferner darauf hin, daß 1938 nach dem sog. Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich Hitlers kurzfristig ein Aufnahmestopp von der NSDAP verhängt worden sein dürfte, was ein (weiterer) Grund dafür gewesen sein könnte, daß Kainz' Gesuch immer wieder abschlägig beschieden bzw. aufgeschoben wurde. Die Obrigkeitsorientiertheit, so möchte ich kommentieren, die sich unter den gegebenen Umständen in Österreich breitmachte, war den Nazis zwar recht, doch galt es offenbar, die Partei der Nazis von Mitläufertum rein zu halten für ideologisch Linientreue. Aus der Tatsache jedoch, daß die Partei mehr auf Linientreue getrimmt wurde, folgt nicht, daß jeder, der einen Antrag auf Aufnahme stellte, ein Linientreuer war, oder auch daß jedes Parteimitglied linientreu war, oder daß jedes Parteimitglied gesinnungsmäßiger Nazi war. In Diktaturen ist die Gesinnung mit geringerer Gewißheit als unter demokratischen Verhältnissen an Mitgliedschaften abzulesen (aus nichtvorhandener Parteimitgliedschaft ist freilich weder in Diktaturen noch in Demokratien eine antidemokratische Einstellung abzulesen, noch ist die Möglichkeit auszuschließen, daß nichtvorhandene Parteimitgliedschaft Ausdruck einer demokratischen Gesinnung ist)!

Daß ich Kainz Opportunismus vorhalte, steht in meinem Buch (daß Heintels Opportunismus, so er überhaupt statthatte, dem Selbstschutz gegolten haben dürfte, wodurch er wohl kaum jemanden schadete, habe ich bereits dargetan); daß Kainz aber trotz dieser politischen Anbiederungen an eine abscheuliche Ideologie als Denker und Philosoph ernst zu nehmen ist, darin hat mir Wimmer beigepflichtet (und ich zweifle diesbezüglich auch nicht an Kleins Einstellung). Welche Gründe Kainz für seine Anträge auf Aufnahme in die NSDAP hatte, hat er später zu rechtfertigen versucht, was nun eine Beschönigung gewesen sein kann oder auch nicht, unserer heutigen Beurteilung meiner Ansicht nach aber entzogen ist. Daß Heintel später über seine Parteimitgliedschaft gelogen haben dürfte (vorausgesetzt, daß er um sie wußte bzw. diesen Umstand nicht aus Scham verdrängt hatte und darum nicht mehr der abrufbaren Erinnerung für ein Geständnis zur Verfügung hatte), ist bedauerlich, aber auch menschlich; dieser Umstand alleine macht Heintel keineswegs zum (gesinnungsmäßigen) Nazi. Ich glaube nicht, daß Kainz oder Heintel eine nationalsozialistische Gesinnung hatten oder sich an den Verbrechen dieser Diktatur beteiligten; eine Parteimitgliedschaft alleine ist noch kein Verbrechen, wenngleich gewiß keine Ehrentat oder etwas, das mit Recht Stolz verursachte und dessen man sich rühmen dürfte (gleichgültig, welcher politischen Partei man angehört).

Wimmer und Klein, aber auch der Mitherausgeber K. R. Fischer sind nun nicht nur für ihr feines Sensorium zu schätzen, das sie bewiesen haben, sondern auch für das Beispiel an gänzlichem Mangel an Opportunismus, der unter zeitgenössischen Philosophen und deren politischer Verquickung keineswegs immer in jenem Maße fehlt, in dem man es sich wünschen würde und der Verfasser es sich wünscht. Die Auseinandersetzung, in die sie damals verstrickt waren und die mit dem Namen Heintels verbunden war, ist aus meiner Sicht beendet; diese Auseinandersetzung hinterließ bei vielen Wunden und hat Komplikationen erfahren, mit denen keiner rechnete und die auch nicht beabsichtigt waren. Meinen Anteil daran bedaure ich zutiefst, und mein Anteil ist insbesondere ein unglücklicher, als ich damals überhaupt nicht um die Diskussion wußte, aber sie vielleicht doch äußerst ungünstig und schädlich durch einen sehr dummen und mich bis heute beschämenden Umstand beeinflußte. Dieser Umstand, der großteils in meiner Naivität begründet lag, machte es möglich, mir die ärgsten Absichten zu unterstellen und den Umstand selbst auszunutzen, wahrscheinlich auch in institutspolitischer Weise, was ich eine ungeheuerliche Intrige finde, die zu ersinnen eine Abgefeimtheit sondergleichen voraussetzt.

Ich bin Franz Martin Wimmer für seinen Hinweis und Hans-Dieter Klein sowie Wimmer für ihre Haltung sehr verbunden. Dieser Dankesschuld werde ich gerne im Falle einer weiteren Auflage meines bereits ausgelieferten Buches auch durch öffentliche und durable Dokumentation nachkommen.

Zu meiner Entschuldigung kann ich diesbezüglich nur anführen, daß ich damals, als die Debatte über Heintel und die Nazi-Zeit lief, als Student mich für ganz andere Themen interessierte, nicht aber für den Diskurs über Politik und Philosophie, der am Institut lief und gewiß nicht nur historische Aspekte hatte. Ich hatte niemals die Absicht, Franz Martin Wimmer zu übergehen oder ihm zu schaden, dasselbe gilt in Bezug auf Hans-Dieter Klein oder Erich Heintel. Wimmers Kritik war konstruktiv, vollkommen berechtigt und von wissenschaftlichem Geiste getragen; Kleins Beitrag zeugt von demselben Geist, selbst wenn die beiden einander mitunter widersprachen. Übrigens kannte ich Prof. Wimmer damals, als er sein Buch herausgab, kaum, d.h. bloß dem Namen nach als einer von vielen Institutsangehörigen (ich belegte nie eine Lehrveranstaltung bei Prof. Wimmer, ein Umstand, dem an einem so vielfältigen Institut mit so großem Angebot keine besondere Bedeutung zukommt). Ich hatte auch niemals die Absicht, mich am institutspolitischen Diskurs zu beteiligen, und die letzten Jahre über war ich ohnehin meist im Ausland tätig, so mir überhaupt philosophische Tätigkeit beschieden war, indes ich als Student mit meinen Studien und praktischen Problemen des Gelderwerbs zu ausgelastet war, um für anderes Zeit zu haben. Damit soll nicht gesagt sein, daß die damalige Diskussion irrelevant war, zugleich muß aber deutlich gemacht werden, daß es in erster Linie der POLITISCHE Anschluß Österreichs war, von dem die Diktatur und die Verbrechen ausgingen, nicht der vermutete geistige Anschluß. Die Kirche ist im Dorf zu lassen, gerade wenn das Dorf bereits brennt, wenn ich diesen bekannten Spruch variieren darf.

Daß ich in meinem Kainz-Buch nicht mehr über Heintel sage, tut dem Buch und seinem Thema kaum Abtrag, da es sich ja hauptsächlich mit dem Zugang zur Sprache befaßt, der sich bei Kainz entfaltet hat. Bloß in einem knapp gehaltenen Kapitel im ersten Drittel meines Buches wird die Nazi-Zeit und Kainz' Verhältnis zur NSDAP thematisiert -- und dort hätte ein Hinweis auf das von Wimmer und Fischer herausgegebene Buch von mir erwähnt werden müssen.---


created by G.G. in Dec. 2004, revised in Febr. 2005
last update by G.G. on March 22nd 2005



© Gerhard Gelbmann / Gerhard.Gelbmann@gmx.net
Erratum und Memorandum zu meinem Buch über Friedrich Kainz.

Erratum und Memorandum zu meinem Buch über Friedrich Kainz.


von Gerhard GELBMANN


In meinem unlängst publizierten Buch

Sprachphilosophie und Sprachpsychologie. Der sprachkritische Ansatz von Friedrich Kainz.
Europäische Hochschulschriften: Reihe 20, Philosophie, Bd. 681. Frankfurt am Main 2004: Peter Lang
sind mir trotz mehrmaliger Überarbeitungen nicht nur einige lästige Tippfehler unterlaufen, sondern auch eine andere, gewissermaßen wissenschaftliche Unterlassung passiert, die es zu korrigieren gilt. Dazu bleibt mir im Moment keine andere Möglichkeit als die hier gewählte, doch wird, so das Buch eine solche erlebt, die zweite Auflage eine entsprechende, angemessene Korrektur beinhalten.

Auf den Fehler aufmerksam gemacht worden zu sein, verdanke ich Prof. Dr. Franz Martin Wimmer, der mich am 4. Dezember 2004 auf mein Buch ansprach und darauf hinwies, daß die von mir behandelte Frage des Verhältnisses von Friedrich Kainz zur NSDAP auch den Fall Erich Heintel berührt (lange Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien). Die entsprechende Publikation hätte mir längst bekannt sein müssen, in ihr und in schon vorausgegangenen Veranstaltungen öffentlicher Natur war bereits zu meiner Studentenzeit der "Fall" Heintel diskutiert worden. Wimmer gab gemeinsam mit Kurt Rudolf Fischer verdienstvoller Weise eben jenes von mir leider übergangene Werk heraus, welches eine Reihe von Beiträgen sammelt, die jetzt nicht alle gewürdigt werden können:

Kurt R. Fischer, Franz M. Wimmer (Hg.):
Der geistige Anschluß. Philosophie und Politik an der Universität Wien 1930-1950.
Wien: WUV-Universitätsverlag 1993
Bei Heintel habe Wimmer selbst nach Anfragen am Bundesarchiv Berlin dessen Mitgliedschaft bei der NSDAP dokumentieren können (cf. Fischer & Wimmer 1993: 8). Dies ist insofern für mein kurzes Kapitel in meinem Buch bezüglich der politischen Seite von Kainz' Leben während der Nazi-Zeit von Bedeutung, als Heintel ja durchaus Karriere während der Nazi-Herrschaft und nachher machte und offenbar seinem Antrag auf Parteimitgliedschaft in der NSDAP stattgegeben wurde, indes Kainz' Antrag trotz mehrmaliger Erneuerung beim bloßen Äußern des Beitrittswunsches verblieb (wobei nicht verschwiegen sei, daß auch Kainz Karriere machte).

Nun hat Prof. Hans-Dieter Klein in seinem "Bericht über Erich Heintel" (Fischer & Wimmer 1993: 270-281) meines Erachtens mit Recht bestritten, daß Heintel "ein dem Nationalsozialismus ergebener Philosoph gewesen" wäre (op. cit. 270). Auch wenn sich Klein dahingehend geirrt hat, daß Heintel kein Mitglied der NSDAP war, wie er dezidiert behauptet (op. cit. 272), so ist dies kein Beweis dafür, daß Heintel gesinnungsgemäßer Nationalsozialist war oder gar Verbrechen beging oder guthieß. Es ist wohl aber ein Zeichen für einen ehrenwerten Verteidigungsversuch von Seiten Kleins, in dem er von Heintel getäuscht worden sein mochte oder aber einer Verdrängung Heintels zum Opfer fiel, etc. (hier gibt es viele mögliche Hypothesen, das Verschweigen und Beschönigen dieser Mitgliedschaft Heintels zu erklären, wovon einige offenbar besonders für institutspolitisches Kleingeld geeignet sind, andere wiederum gerne übergangen, weil nicht den eigenen Interessen nützlich zu machen sind). Klein legt in seinem Bericht ferner dar, welche Gründe Heintel bewogen haben, die Aufnahme in die NSDAP zu beantragen (Klein bestreitet also keineswegs, daß Heintel die Mitgliedschaft in der NSDAP anstrebte): Es ging Heintel um seine eigene Sicherheit, weil Heintel befürchtete, durch Hilfestellungen für Verfolgte aufgefallen und gefährdet zu sein. Als Parteimitglied konnte er solche Tätigkeiten des Widerstands gegen das Regime besser tarnen. In diesem Punkt scheinen sich also das Schicksal von Kainz und Heintel zu berühren, denn auch Kainz fürchtete die Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime und entzog sich dieser wahrscheinlich durch die Versuche, Parteimitglied zu werden. Es ist also trotz des Irrtums von Klein keineswegs aus der durch Wimmer bewiesenen Mitgliedschaft Heintels in der NSDAP irgendeine nationalsozialistische Gesinnung bei Heintel begründeter Weise zu erschließen; die Schriften Heintels sind beredtes Zeugnis, worin ich mich der Argumentation Kleins anschließe.

In meinem Buch über Kainz (i.e. erste Auflage vom Herbst 2004) habe ich diesem Aspekt des Lebens von Heintel und der Diskussion um Kleins Versuch, Heintels Reputation zu retten, und der ganzen Diskussion um den "geistigen Anschluß Österreichs", keine Beachtung geschenkt, was ich hiermit nachhole. Es ist sowohl der Versuch der Rettung des Rufes Heintels durch Klein zu achten, als auch der bereits verstorbene Heintel vor unbewiesenen Anschuldigungen in Schutz zu nehmen, alleine schon aus den genannten Gründen und jedenfalls aus dem Gerechtigkeitsprinzip heraus, im Zweifel für den Angeklagten zu sein (so Heintel überhaupt angeklagt ist, doch manche Züge der damaligen institutspolitischen Diskussion erinnern an ein Tribunal). Ich halte diesen hier eingefügten Absatz in dieser Stellungnahme für eminent wichtig, weil dadurch nicht nur meine Wertschätzung für Heintel, Klein und Wimmer (und Fischer) Ausdruck findet, sondern weil ich auch spät auf eine seinerzeitige Institutsdebatte reagieren kann, die aus meiner Sicht äußerst unglücklich verlief und um die ich damals, als sie stattfand, nicht wußte und mich auch nicht für sie interessierte.

In unserem Gespräch vom Dez. 2004 wies mich Wimmer ferner darauf hin, daß 1938 nach dem sog. Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich Hitlers kurzfristig ein Aufnahmestopp von der NSDAP verhängt worden sein dürfte, was ein (weiterer) Grund dafür gewesen sein könnte, daß Kainz' Gesuch immer wieder abschlägig beschieden bzw. aufgeschoben wurde. Die Obrigkeitsorientiertheit, so möchte ich kommentieren, die sich unter den gegebenen Umständen in Österreich breitmachte, war den Nazis zwar recht, doch galt es offenbar, die Partei der Nazis von Mitläufertum rein zu halten für ideologisch Linientreue. Aus der Tatsache jedoch, daß die Partei mehr auf Linientreue getrimmt wurde, folgt nicht, daß jeder, der einen Antrag auf Aufnahme stellte, ein Linientreuer war, oder auch daß jedes Parteimitglied linientreu war, oder daß jedes Parteimitglied gesinnungsmäßiger Nazi war. In Diktaturen ist die Gesinnung mit geringerer Gewißheit als unter demokratischen Verhältnissen an Mitgliedschaften abzulesen (aus nichtvorhandener Parteimitgliedschaft ist freilich weder in Diktaturen noch in Demokratien eine antidemokratische Einstellung abzulesen, noch ist die Möglichkeit auszuschließen, daß nichtvorhandene Parteimitgliedschaft Ausdruck einer demokratischen Gesinnung ist)!

Daß ich Kainz Opportunismus vorhalte, steht in meinem Buch (daß Heintels Opportunismus, so er überhaupt statthatte, dem Selbstschutz gegolten haben dürfte, wodurch er wohl kaum jemanden schadete, habe ich bereits dargetan); daß Kainz aber trotz dieser politischen Anbiederungen an eine abscheuliche Ideologie als Denker und Philosoph ernst zu nehmen ist, darin hat mir Wimmer beigepflichtet (und ich zweifle diesbezüglich auch nicht an Kleins Einstellung). Welche Gründe Kainz für seine Anträge auf Aufnahme in die NSDAP hatte, hat er später zu rechtfertigen versucht, was nun eine Beschönigung gewesen sein kann oder auch nicht, unserer heutigen Beurteilung meiner Ansicht nach aber entzogen ist. Daß Heintel später über seine Parteimitgliedschaft gelogen haben dürfte (vorausgesetzt, daß er um sie wußte bzw. diesen Umstand nicht aus Scham verdrängt hatte und darum nicht mehr der abrufbaren Erinnerung für ein Geständnis zur Verfügung hatte), ist bedauerlich, aber auch menschlich; dieser Umstand alleine macht Heintel keineswegs zum (gesinnungsmäßigen) Nazi. Ich glaube nicht, daß Kainz oder Heintel eine nationalsozialistische Gesinnung hatten oder sich an den Verbrechen dieser Diktatur beteiligten; eine Parteimitgliedschaft alleine ist noch kein Verbrechen, wenngleich gewiß keine Ehrentat oder etwas, das mit Recht Stolz verursachte und dessen man sich rühmen dürfte (gleichgültig, welcher politischen Partei man angehört).

Wimmer und Klein, aber auch der Mitherausgeber K. R. Fischer sind nun nicht nur für ihr feines Sensorium zu schätzen, das sie bewiesen haben, sondern auch für das Beispiel an gänzlichem Mangel an Opportunismus, der unter zeitgenössischen Philosophen und deren politischer Verquickung keineswegs immer in jenem Maße fehlt, in dem man es sich wünschen würde und der Verfasser es sich wünscht. Die Auseinandersetzung, in die sie damals verstrickt waren und die mit dem Namen Heintels verbunden war, ist aus meiner Sicht beendet; diese Auseinandersetzung hinterließ bei vielen Wunden und hat Komplikationen erfahren, mit denen keiner rechnete und die auch nicht beabsichtigt waren. Meinen Anteil daran bedaure ich zutiefst, und mein Anteil ist insbesondere ein unglücklicher, als ich damals überhaupt nicht um die Diskussion wußte, aber sie vielleicht doch äußerst ungünstig und schädlich durch einen sehr dummen und mich bis heute beschämenden Umstand beeinflußte. Dieser Umstand, der großteils in meiner Naivität begründet lag, machte es möglich, mir die ärgsten Absichten zu unterstellen und den Umstand selbst auszunutzen, wahrscheinlich auch in institutspolitischer Weise, was ich eine ungeheuerliche Intrige finde, die zu ersinnen eine Abgefeimtheit sondergleichen voraussetzt.

Ich bin Franz Martin Wimmer für seinen Hinweis und Hans-Dieter Klein sowie Wimmer für ihre Haltung sehr verbunden. Dieser Dankesschuld werde ich gerne im Falle einer weiteren Auflage meines bereits ausgelieferten Buches auch durch öffentliche und durable Dokumentation nachkommen.

Zu meiner Entschuldigung kann ich diesbezüglich nur anführen, daß ich damals, als die Debatte über Heintel und die Nazi-Zeit lief, als Student mich für ganz andere Themen interessierte, nicht aber für den Diskurs über Politik und Philosophie, der am Institut lief und gewiß nicht nur historische Aspekte hatte. Ich hatte niemals die Absicht, Franz Martin Wimmer zu übergehen oder ihm zu schaden, dasselbe gilt in Bezug auf Hans-Dieter Klein oder Erich Heintel. Wimmers Kritik war konstruktiv, vollkommen berechtigt und von wissenschaftlichem Geiste getragen; Kleins Beitrag zeugt von demselben Geist, selbst wenn die beiden einander mitunter widersprachen. Übrigens kannte ich Prof. Wimmer damals, als er sein Buch herausgab, kaum, d.h. bloß dem Namen nach als einer von vielen Institutsangehörigen (ich belegte nie eine Lehrveranstaltung bei Prof. Wimmer, ein Umstand, dem an einem so vielfältigen Institut mit so großem Angebot keine besondere Bedeutung zukommt). Ich hatte auch niemals die Absicht, mich am institutspolitischen Diskurs zu beteiligen, und die letzten Jahre über war ich ohnehin meist im Ausland tätig, so mir überhaupt philosophische Tätigkeit beschieden war, indes ich als Student mit meinen Studien und praktischen Problemen des Gelderwerbs zu ausgelastet war, um für anderes Zeit zu haben. Damit soll nicht gesagt sein, daß die damalige Diskussion irrelevant war, zugleich muß aber deutlich gemacht werden, daß es in erster Linie der POLITISCHE Anschluß Österreichs war, von dem die Diktatur und die Verbrechen ausgingen, nicht der vermutete geistige Anschluß. Die Kirche ist im Dorf zu lassen, gerade wenn das Dorf bereits brennt, wenn ich diesen bekannten Spruch variieren darf.

Daß ich in meinem Kainz-Buch nicht mehr über Heintel sage, tut dem Buch und seinem Thema kaum Abtrag, da es sich ja hauptsächlich mit dem Zugang zur Sprache befaßt, der sich bei Kainz entfaltet hat. Bloß in einem knapp gehaltenen Kapitel im ersten Drittel meines Buches wird die Nazi-Zeit und Kainz' Verhältnis zur NSDAP thematisiert -- und dort hätte ein Hinweis auf das von Wimmer und Fischer herausgegebene Buch von mir erwähnt werden müssen.---


created by G.G. in Dec. 2004, revised in Febr. 2005
last update by G.G. on March 22nd 2005



© Gerhard Gelbmann / Gerhard.Gelbmann@gmx.net