Christian Swertz

Webdidaktik. Effiziente Inhaltsproduktion für netzbasierte Trainings.

Netzbasierte Trainings (WBTs) ermöglichen es Unternehmen, die Beschleunigung des Wissenswandels und die Integration des Internets in Weiterbildungskonzepte umzusetzen. Die Webdidaktik als Konzept für WBTs unterstützt die nachhaltige und effiziente Produktion von Lernumgebungen und ermöglicht individualisierte Lernprozesse. Inhalte und Lernplattformen sind auf dem Markt verfügbar.

Wissenswandel und Internet

Am Weiterbildungsprozess sind als Stakeholder Lernende, (Tele-)Dozenten, Betriebe, Broker und Weiterbildungsträger beteiligt. Alle Stakeholder im Weiterbildungsprozess sind vom schnellen Wissenswandel betroffen. Die Halbwertzeiten des beruflich relevanten Wissens liegen nach Angaben der Firma IBM bei ca. 20 Jahren für Schulwissen, ca. 10 Jahren für Hochschulwissen, ca. 5 Jahren für berufliches Fachwissen, ca. 3 Jahren für Technologie-Wissen und ca. einem Jahr für EDV-Wissen. Damit wird Lebenslanges Lernen als sich abwechselnde Lern- und Arbeitsphasen zum kennzeichnenden Merkmal beruflicher Tätigkeit in der Wissensgesellschaft.

Bei der Konzeption der Internetnutzung im Weiterbildungsbereich müssen die Stakeholder berücksichtigt und in ein integriertes Servicekonzept für die Weiterbildung eingebunden werden. Für ein integriertes Servicekonzept wird eine nach didaktischen Kriterien konzipierte Plattform benötigt, deren technische Architektur das Potential des Internet erschließt. Die flexible Wiederverwendbarkeit erstellter Inhalte in unterschiedlichen Kontexten muss garantiert und die Aktualisierung der Inhalte unterstützt werden. Mit einer didaktisch konzipierten Plattform bieten intra- oder internetbasierte Trainings entscheidende Vorteile:

Um diese Vorteile von WBTs realisieren zu können, ist ein didaktisches Konzept für die Produktion und Organisation von Lerninhalten erforderlich. Mit dem didaktischen Konzept werden die Inhalte verschiedener Autorinnen und Autoren in einer Lernumgebung integriert und zu Kursen für verschiedene Zielgruppen kombiniert. Ein solches didaktisches Konzept liegt mit der Webdidaktik vor.

Webdidaktik

Mit der Webdidaktik nach Prof. Meder wird die Bereitstellung und Verteilung multimedialen Materials im Intra- oder Internet (WBT) gesteuert. In WBTs müssen Inhalte bildschirmgerecht präsentiert werden. In welcher Reihenfolge die Bildschirmseiten (Wissenseinheiten) abgerufen werden, entscheiden die Lernerinnen und Lerner. Damit eine individuelle Navigation (polylineare Struktur) möglich ist, sind in sich geschlossene Bildschirmseiten erforderlich, die in eine didaktisch strukturierte Wissensbasis eingebunden werden.

Die Webdidaktik liefert die geeignete didaktische Struktur. Ansatzpunkt ist eine Standardisierung der Inhaltsproduktion auf der Grundlage eines Metadatensystems im Rahmen des LOM-Standards (domänenspezifische Ontologie). Das Metadatensystem integriert alle WBT-Komponenten: Rezeptive Seiten zur Präsentation von Wissen durch Texte, Grafiken, Animationen etc.; interaktive Seiten mit Simulationen oder automatischen Tests und kooperative Seiten zur Kommunikation zwischen Lernerinnen und Lernern oder mit Tutorinnen und Tutoren. Eine Übersicht über das Metadatensystem bietet die folgene Tabelle:



Rezeptive Wissenseinheiten

Interaktive Wissenseinheiten

Kooperative Wissenseinheiten

Sachdimension

Drei- oder mehrstufiger Thesaurus

Kompetenz-dimension

Tätigkeits- oder Rollenbeschreibung

Mediale Dimension

Darstellungs-medien

Interaktive Medien

Kommunikations-medien

Wissensdimension

Wissensart

Antwort auf Fragen

Aufgabentypen

Ausfüllen von Leerstellen

Kooperationsformen

(Wissenskommuni-kation)

Relationale Dimension

Sachrelation

Einbindung in Lerneinheiten mit didaktischen. Relationen (didaktisch vor, gehört zu)

Sachrelationen in Beziehung auf die Themen der Kooperation

Das Metadatensystem ist für jede der grau hinterlegten Formen spezifiziert. Z.B. werden Wissensarten in

unterschieden. Handlungswissen wird weiter in Checklisten, Bedienungsanleitungen etc. differenziert. Die Typisierung einer HTML-Seite mit einer schriftlichen Definition von "Lochsäge" sähe z.B. so aus: In der Sachdimension gehört die Wissenseinheit zum Thema "Lochsäge". Die Kompetenz ist "Nennen der Definition", die mediale Präsentationsform ist "Text" und die Wissensart ist "Definition".

Die zu einem Thema gehörenden Wissenseinheiten werden zu Lerneinheiten mit jeweils 5-10 Bildschirmseiten zusammengestellt. Die Lerneinheiten werden mit Links verbunden. Dabei wird jeweils angegeben, um was für eine Art Link es sich handelt; ob der Link also zu einem allgemeineren Thema führt oder zu einem speziellen; ob der Link zu einer Bewertung führt etc. (Intertextualität der Hypertextbasis). Benötigtes Wissen kann damit in einem großen Wissensbestand schnell identifiziert werden. In einer so strukturierten Wissensbasis nehmen die Benutzerinnen und Benutzer verschiedene Rollen ein.

Rollenbasiertes Arbeiten

Abbildung 1: Janus-Inlearn

In der Webdidaktik werden als Rollen Autor, Dozent, Lektor, Lerner, Tutor und Administrator unterschieden. Autorinnen und Autoren produzieren einen Wissensraum, in dem gelernt werden kann. Lektorinnen und Lektoren sichern die Qualität der produzierten Inhalte und stellen die Integrierbarkeit der Inhalte sicher. Dozentinnen und Dozenten ergänzen den Wissensraum um Lernempfehlungen in Form von Guided Tours und führen Leistungsmessungen durch. Lernerinnen und Lerner definieren ihren Wissensbedarf und eignen sich erforderliche Kompetenzen an. Tutorinnen und Tutoren unterstützen die Lernerinnen und Lerner im Lernprozess. Administratorinnen und Administratoren stellen die technische Verfügbarkeit sicher und verwalten die Benutzerrechte. Dabei kann eine Person verschiedene Rollen einnehmen. Besondere Vorteile bietet die Webdidaktik für die Autoren- und die Lernerrolle.

Durch die standardisierte Struktur wird der Produktionsaufwand für Autorinnen und Autoren verringert. Insbesondere können einzelne Seiten schnell hergestellt und bearbeitet werden. Zugleich sinkt der Wartungsaufwand, weil einzelne Seiten schnell und - je nach Präsentationsmedium - ohne technische Kenntnisse aktualisiert werden können. Eine hohe Wiederverwendbarkeit wird durch die insich geschlossenen Wisseneinheiten sichergestellt. Die Arbeit von Autorenteams wird unterstützt. Die kurze Einarbeitungszeit und verfügbare Tools ermöglichen die innerbetriebliche Inhaltsproduktion und die Integration von Lehren und Lernen am Arbeitsplatz. Die Webdidaktik unterstützt zugleich die die Qualitätssicherung durch Lektoren.

Abbildung 2: SAP-L3

Lernerinnen und Lerner können Wissen aus der Wissensbasis (Information Retrieval) oder in individuell angepaßten didaktischen Lernverläufen (selbstorganisiertes Lernen) abfragen. Eine klar strukturierte Lernumgebungen mit Navigationsmitteln (Gliederung, Index, Wissenslandkarten, Volltextsuche, Guided Tour) ermöglicht die gezielte Aneignung benötigter Kompetenzen.

Anwendungen

Das Konzept der Webdidaktik wird unter der Federführung der SAP AG im Rahmen des BMB+F-Leitprojektes "L3 - Lebenslanges Lernen als Grundbedürfnis" in ein integriertes Servicekonzept umgesetzt. An diesem Projekt sind Inhalteanbieter, Lernzentren und Softwareproduzenten beteiligt. Dadurch sind die erforderlichen Servicedienstleistungen für einen erfolgreichen Einsatz der Webdidaktik im Unternehmen auf dem Markt verfügbar. Softwaretools (Abbildung 1 und 2) werden von der SAP-AG (http://www.sap-ag.de) und der ILT GmbH (http://www.ilt-training.de) vertrieben.

Dr. Christian Swertz, Informatik im Bildungs- und Sozialwesen, Fakultät für Pädagogik, Universität Bielefeld, Postfach 100131, 33501 Bielefeld
T +49-521-106-3299 (-3300), F +49-521-106-6028, christian@swertz.de, www.swertz.de