Kapitel 1

THEATERSZENE

Die Theaterszene im Internet entwickelte sich aus Treffpunkten im Netz, die sich Theatertheoretiker und -künstler geschaffen hatten, um Erfahrungen auszutauschen und Projekte zu entwickeln. Zentrum dieser Treffpunkte bilden Diskussionslisten. Die von Princeton aus geleitet "THEATRE” - Liste ist vielleicht die allgemeinste, auf ihr werden theater-theoretische und -praktische Fragen ausgetauscht, weiters Jobangebote oder Publikationen angekündigt. Weiters gibt es eine Reihe von Listen, die sich auf Spezialgebiete wie Oper, Kostüm, Theatertechnik oder ähnliches konzentrieren.

COLLAB-L

Ich möchte hier besonders auf jene Liste eingehen, die am unmittelbarsten mit Theaterproduktionen im Internet zu tun hat. Die Liste "COLLAB-L" wurde von Steve Schrum, einem Dozenten der Theater Arts an der Penn State University, ins Leben gerufen. Sie stellte bereits einen sehr nährreichen Boden für Theaterproduktionen dar. Wie der Name vermuten läßt, ist das Ziel dieser Liste eine Möglichkeit zur Zusammenarbeit zu bieten:

COLLAB-L is dedicated to bringing artists together to create collaborative works.

Dort können gemeinsame Produktionen entstehen; die kreativen Teilnehmer treffen sich über alle Grenzen hinweg im virtuellen Raum. Dieser Kontakt ist die Grundlage einer dezentralen Schaffung von Theater. Die gesamte Konzeption und Teile der Inszenierung können über email erarbeitet werden, ohne daß sich die einzelnen Leute je im realen Raum getroffen hätten.

Im Juni 1994 gegründet, zählten zur COLLAB-L nach einem Monat bereits mehr als 60 Subskribenten der verschiedensten Länder. Inzwischen sind es bereits weit über 300, wobei die meisten der Mitglieder in den Vereinigten Staaten beheimatet sind. Zu den teilnehmenden Ländern gehören aber unter anderem auch Brasilien, Australien, Kanada, England, Österreich, Neu Seeland, Taiwan und Israel.

Aus dieser Liste sind auch Projekte, die das Internet als Medium in ihrem Konzept benutzen, entstanden, wie zum Beispiel MetaMOOphosis (eine Adaption von Kafkas Verwandlung durch Rick Sacks), oder die Aufführung von Steve Schrums NetSeduction.

ATHEMOO

An der Universität von Hawaii in Manoa wurde im Juni 1995 von Dr. Juli Burk ein virtueller Raum erstellt, der Theaterschaffenden und -wissenschaftlern die Möglichkeit zu synchronen Treffen eröffnet. Juli Burk ist außerordentliche Professorin am Institut für Theater und Tanz an der University of Hawaii. Sie konstruierte und administrierte das ATHEMOO, das online für Diskussion und Interaktion zu Verfügung steht. Das MOO besteht aus Seminar- und Unterrichtsräumen, Büros für registrierte Teilnehmer, dem Aphra Behn Theatre Complex sowie diversen Cafés und Bars:

ATHEMOO is a virtual space existing on-line for real time discussion and interaction among those logged in at any given moment. Organized as a "real" physical environment, ATHEMOO features meeting rooms, private offices for registered participants, classrooms, an auditorium, the Aphra Behn Theatre Complex housing a scene shop, green room, and an Improv Room, and places just to relax including the Dancers Barre and Grille and the Whine and Cheese Balcony. Commands are called verbs and provide the mechanism to navigate between and within the different spaces.

ASSOCIATION FOR THEATRE IN HIGHER EDUCATION

Das ATHEMOO wird neben der University of Hawaii at Manoa von der ATHE (Association of Theatre in Higher Education) unterstützt, die ihm auch seinen Namen gab. Diese Gesellschaft sieht ihre Aufgabe darin, Theater und Erziehung im Theaterbereich zu unterstützen und Zusammenarbeit zu fördern.

ATHE actively supports scholarship through teaching, research and practice and serves as a collective voice for its mission through its publications, conferences, advocacy, projects, and through collaborative efforts with other organizations.

Die über 2000 Mitglieder von ATHE sind Studenten und Lehrende aus dem Theaterbereich, aber auch Künstler aus den verschiedensten Sparten von Theater. Weiters haben sich auch Institute und Theaterhäuser selbst der Organisation angeschlossen. Der Verbands ist in Focus Groups eingeteilt:

These 24 interest groups provide each member with an opportunity to meet and communicate with other members who share similar interests in specific discipline areas,(Acting, Movement, Design and Tech, Directing, Dramaturgy, Playwriting, History, Theory and Criticism, Voice and Speech), academic roles (e.g., Chairs and Deans, Professional Artist and Management Exchange, Two-Year Colleges), areas of theatre (e.g., American Theatre and Drama, Asian Drama, Brecht, Music Theatre, Senior Theatre), or concerns which involve the field as a whole (e.g., Black Theatre Association, Lesbian and Gay Theatre, Performance Studies, Religion and Theatre, Theatre and Social Change, Theatre as a Liberal Art, and the Women's Theatre Program).

Die Focus Groups haben ihre eigenen Publikationen und email - Diskussionslisten sowie regelmäßige Treffen oder Symposien. Sie bieten die Gelegenheit, als Gruppen oder Verbände in einem Netzwerk zusammenzuarbeiten.

Ab 1997 wird es eine neue Focus Group geben, die sich mit Elektronischer Technologie in Unterricht und Aufführung beschäftigt.

Technology cuts across, and often breaks down, traditional boundaries between theory and practice, pedagogy and performance, and scholars and practitioners. This focus group will provide an open forum for ATHE members to network ideas, share resources, and benefit from the work of others, rather than re-invent wheels.

Die Bildung dieser Gruppe fördert die Zusammenarbeit jener Künstler, die auf diesem relativ neuen Gebiet tätig sind. Nur so kann das Internet nicht zu Parallelentwicklungen sondern zur Kollaboration und Gemeinschaftsprojekten führen.

DAS LEBEN IM ATHEMOO

Nicht nur für Mitglieder der Association of Theatre in Higher Education ist das ATHEMOO offen. Jeder Lehrende, Student und Künstler, der im Theaterbereich tätig ist, bekommt von Juli Burk einen Charakter zugeteilt. Dieser Charakter besteht aus dem Vornamen und dem ersten Buchstaben des Nachnamens. Dadurch und durch die für den Charakter vom Benutzer definierten Beschreibungen ist es möglich, die teilnehmenden Personen zu identifizieren. Diese Beschreibung ist für die anderen durch den einfachen Befehl look jederzeit abrufbar.


look georgL

--------------------------------------------------------------------

GeorgL

A tall guy with long, dark hair - hes gotta play in some rock band, you guess,

He is awake and looks alert.

Das ATHEMOO ist ein dynamischer Raum, der sich in stetigem Wachstum befindet. Jedem neuen Teilnehmer steht die Möglichkeit offen, sich sein eigenes Büro und andere neue Räume zu bauen. So wird das MOO "besiedelt" und erweitert.

Übersichtsplan des ATHEMOO

Besonders die Konferenzräume dienten schon mehrmals für Seminare, Kurse und Gruppendiskussionen. Diese Räume sind realen Seminarräumen nachempfunden, mit Konferenztischen, Aufnahmegeräten, Hilfsmitteln für Präsentationen (z.B. Tafeln) und immer reichlich Kaffee. Kaffee oder Champagner kann man auch in den Kaffeehäusern des MOO zu sich nehmen. Jene eignen sich hervorragend zum Kennenlernen und Plaudern und um in einer entspannten Atmosphäre neue Ideen zu kreieren.

Seit einiger Zeit finden nun auch Theateraufführungen im ATHEMOO statt, einige Beispiele möchte ich hier noch beschreiben. In der Entwicklung von Theateraufführungen, die mit dem Medium Internet experimentierten, ist es aber auch wichtig, daß genau an jenem beschriebenen virtuellen Ort, dem MOO, die Möglichkeiten, Grenzen und Erfolge reflektiert werden. Diese Nachbereitung ist im momentanen Status der Nutzung der Bühne eine grundlegende Voraussetzung für eine Weiterentwicklung der Erforschung neuer Theaterräume.

©1997 Mohnstrudel. vor