Bilder werden im Internet immer stärker zur Informationsübermittlung eingesetzt. Man braucht nur die Beliebtheit, der sich die Hypertextoberfläche des World Wide Web erfreut, zu betrachten. Auch in Theaterbereichen, die auf visuelle Informationsübermittlung aufbauen, versuchte man in multimedialen Projekten Bilder und Ton einer Theateraufführung online über das Netz in die ganze Welt zu übertragen.
Im April 1996 fanden in Virginia Tech drei Aufführungen von The Renaissance Man. online Videoconferencing by J. Matthew Saunders statt. Es war das die erste Phase eines work in progress, in die J. Matthew Saunders virtuelle Schauspieler und virtuelles Publikum in eine reale Theateraufführung integrierte.
Es gab also neben realen Schauspielern und dem realen Publikum, eine Darstellerin, die über einen high-speed-video-link des Internet in den Theaterraum und den Cyberspace übertragen wurde. Das Publikum konnte also auch über das Internet der Vorstellung beiwohnen.
J. Matthew Saunders selbst bezeichnete diese Verbindungen als "world-wide tour in three days. "How can I speak through the technology, about technology?: Der junger Mann James ist erfüllt von dem Wunsch, etwas Kreatives zu schaffen. Im Keller seiner Mutter versteckt er sein Atelier vor der Gesellschaft, die sein Verhalten ächtet. Seine Mutter versucht ihn zu unterstützen, ist aber vom schlechten Gewissen geplagt. James wird von einer Muse, der Lady in Grey, angetrieben. Sie erscheint ihm in besonderen Momenten der Kreativität.
J. Matthew Saunders beschreibt in diesem Stück
die aktuellen, rapiden Veränderungen in Wissenschaft und
Kunst. Die Muse griff als "Virtual Performer, aus einer
irrealen Welt im Cyberspace ins Geschehen ein. Ihre Welt beschreibt
Saunders als die der Bildschirme, Videowände, Monitore und
Fernsehapparaten. Das Konzept verfolgte das Ziel, die Beziehungen
zwischen den verschiedenen Teilnehmern zu untersuchen. Diese Beziehungen
sind äußerst vielschichtig, da Zuschauer und Darsteller
ja sowohl real als auch virtuell vorhanden waren.
Die Zuschauer im Theaterraum in Virginia konnten die Handlungen auf einer Bühne, die in der traditionellen Guckkastenform aufgebaut war, verfolgen. Auf der Bühne befanden sich sowohl die reellen Schauspieler als auch eine Videowand, auf die die virtuelle Darstellerin projiziert wurde. Die realen Schauspieler interagierten mit dieser Darstellerin mittels Videowand.
Den Zuschauern, die via Cyberspace an einer der drei Aufführungen teilnahmen, bot sich folgendes Bild: Auf dem Monitor des Computers war ein etwa 8 x 8 cm großes Fenster, das Einblick auf den Bühnenraum in Virginia in der Zuschauerperspektive bot. Zog man das Fenster größer auf, büßte man an der Qualität der Auflösung etwas ein. Die bewegten Bilder wurden selten flüssig übertragen, der Anblick erinnerte eher an eine Reihe von Standbildern. Die Übertragung des Tons war besser, jedoch eilte dadurch der Ton meist dem Bild voraus. Der "Cyberspace Audience war es weiters auch nicht möglich, auf die Aufführung unmittelbar zu reagieren, denn der Kanal der Übertragung war nur in eine Richtung ausgerichtet. Das heißt, daß die Darsteller in Virginia und die Darstellerin im Cyberspace keine Reaktionen von dem Cyberspace - Publikum registrieren konnten.
Zwischen den drei Darstellern wurden innerhalb der Aufführung die von J. Matthew Saunders gewünschten Beziehungen hergestellt. Auch jene Person, die nur virtuell anwesend war, wurde voll in den Spielfluß integriert und damit wie ein körperlich vorhandener Mitspieler behandelt. Daß ihr Abbild nicht dreidimensional, sondern nur ein Videobild war, schien ihren Einfluß als Muse auf den jungen Mann noch zu verstärken. Dieses Erscheinungsbild mystifizierte ihre Person in einer der Rolle gemäßen Art. Ihre Anwesenheit erschien unmittelbar und nicht vorprogrammiert oder aufgezeichnet, wie man es bei einer Videoübertragung leicht vermuten könnte. Gerade durch die teilweise schlechte Übertragungsqualität zum realen Spielort wurde dem Publikum die zeitgleiche Anwesenheit der Schauspielerin an einem anderen Ort übermittelt, denn die Projektion ihres Bildes wirkte nicht aufgezeichnet. Genauso war der Dialog der Darsteller von einer fast überraschenden Nähe gekennzeichnet.
J. Matthew Saunders hatte sich eines sehr konservativen Mittels bedient, um eine virtuelle Darstellerin zu erzeugen. Das Abbild realer Körper als bewegte Bilder ist dem Zuschauer seit Entstehung des Kinos und des Fernsehens vertraut. Der Unterschied in dieser Produktion lag aber darin, daß die synchrone Bildübertragung über die Leitungen des Internet erfolgten, so daß sich scheinbar für die Zeit der Aufführung alle Darsteller in einem Raum, dem Bühnenraum, befanden. So konnte J. Matthew Saunders die Interaktionslinien, wie auf der Abbildung oben demonstriert, zwischen realem Publikum und Darsteller sowie zu der virtuellen Darstellerin ziehen.
Ein Problem stellten jedoch die Interaktionslinien zwischen dem Publikum aus dem Cyberspace und dem realen Bühnengeschehen dar. In dieser Phase seiner Arbeit ließ J. Matthew Saunders also keine Rückschlüsse auf ein Verhalten des virtuellen Auditoriums zu. Sein Projekt jedoch demonstriert eine mögliche Veränderung in der körperlichen Anwesenheit der Schauspieler.
©1997 Mohnstrudel. |