1.
Der griechische Ursprung
Der Ursprung des heutigen digitalen Weltentwurfs liegt wohl in der abendländischen
Metaphysik. Wir sollten zunächst bedenken, inwiefern die Kategorie
des Signals zum Seienden selbst im metaphysischen Sinne gehört oder
ob sie aus einem Handelnden (einem Göttlichen oder einem Menschlichen
oder einem ‘bloß’ Lebenden) zu verstehen ist. Mir scheint, dass die
antike Philosophie eher den ersten Sinn betont, während der zweite
seit der Neuzeit aufgrund der Trennung von Subjekt und Objekt vorherrschend
wird. Das moderne Verstehen von 0 und 1 hat auch eine andere Bewandtnis
im Rahmen einer Theorie der Signalübertragung als zum Beispiel im
Rahmen einer kabbalistischen Überlegung über die Bedeutung dieser
Zeichen. Letzteres würden wir dann eher als Symbol kennzeichnen. In
der Neuzeit wird die Unterscheidung zwischen Signal und Symbol teilweise
eingeebnet. Genau genommen werden aber keine Reihen von Nullen und Einsen
gesendet, sondern elektromagnetische Strömungen, die wir dann als
1 und 0 interpretieren. Der Code 0/1 ist also unser Anteil am ontologischen
Entwurf.
Wir nehmen aber die Signalübertragung als ein Ganzes wahr. Das
Gehirn braucht dazu Zeit. Aber phänomenal gesehen, entsteht in der
Tat der Ein-Druck der Ganzheit, oder, anders ausgedrückt, die
Tätigkeit des Gehirns (nur des Gehirns?) ist auf Ganzheit hin orientiert.
Schon wieder ist eine metaphysische Kategorie ('to holon' to\
o(/lon) impliziert. Es ist eine beliebte Metapher, die gegliederte
Auflösung in 0/1 im digitalen Bereich mit der Auflösung im neuronalen
Netz unseres Gehirns zu ver-gleichen. Wir müßten dabei
eine metaphysische Unterscheidung ('diairesis' diai/resij)))
der Unterscheidung vornehmen. Zahl und Logos hängen in der Sprache
der Metaphysik (Platon) so zusammen, dass die Zahl einen höheren Seinswert
(Freisein vom materiellen Substrat) hat als der Logos. Insofern erfaßt
die Zahl das 'eidos' (ei)/doj)
der Dinge, während der Logos die Möglichkeit hat, näher
am Wahrnehmbaren zu sein.
Als Ausgangspunkt für diese Überlegungen kann die folgende
Passage aus Heideggers Sophistes-Vorlesung im Wintersemester 1924/25
in Marburg dienen:
"Dabei ist zu beachten, daß für Aristoteles die primäre
Bestimmung der Zahl, sofern sie auf die 'monás' mona/j
als die 'arché' a)rxh/
zurückgeht, einen noch viel ursprünglicheren Zusammenhang mit
der Konstitution des Seienden selbst hat, sofern zur Seinsbestimmung jedes
Seienden ebenso gehört, daß es ‘ist’, wie daß es ‘eines’
ist; jedes 'on' o)/n ist
ein 'hen' e(/n. Damit bekommt
der 'artithmós' a)riqmo/j
im weitesten Sinne — der 'arithmós' a)riqmo/j
steht hier für das 'hen' e(/n
— für die Struktur des Seienden überhaupt eine grundsätzlichere
Bedeutung als ontologische Bestimmung. Zugleich tritt er in einen Zusammenhang
mit dem 'lógos' lo/goj,
sofern das Seiende in seinen letzten Bestimmungen nur zugänglich wird
in einem ausgezeichneten 'lógos' lo/goj,
in der 'nóesis' no/hsij,
während die geometrischen Strukturen allein in der 'aisthesis' ai)/sqhsij
gesehen werden. Die 'aisthesis' ai)/sqhsij
ist das, wo das geometrische Betrachten halt machen muß, 'stesetai'
sth/setai, einen Stand
hat. In der Arithmetik dagegen ist der 'lógos' lo/goj,
das 'noein' noei=n, am
Werk, das von jeder 'thesis' qe/sij,
von jeder anschaulichen Dimension und Orientierung, absieht." (GA19:117)
(1)
Das Trennen ('chorizein' xori/zein),
so Heidegger, ist der Grundakt der Mathematik für Aristoteles (Trennen,
aber kein Getrenntes). Die 'mathematiká' maqhmatika/
sind ein Herausgenommenes aus den natürlichen Dingen ( 'physei onta'
fu/sei o)/nta). Der Mathematiker
bringt etwas von seinem Platz ('chora' xw/ra)
weg. Es gibt für Aristoteles keinen himmlischen Ort ('topos ouranós'
to/poj ou)rano/j) für
die Zahlen. Der Unterschied zwischen Geometrie und Arithmetik besteht zunächst
darin, dass die 'monas' nicht gesetzt wird ('ousia áthetos' ou)si/a
a)/qetoj), der Punkt ('stigme' sti/gmh)
aber doch. Die 'monas' mona/j
ist das, was schlechthin bleibt. Punkte muß man setzen. Orte gehören
zum Seienden: Jedes Seiende hat seinen Ort: das Feuer oben ('ano' a)/nw),
die Erde unten ('kato' ka/tw)
etc. Diese Bestimmungen gelten für Aristoteles teilweise absolut,
dann aber auch für uns ( 'pros hemas' pro\j
h(ma=j)), d.h. je nachdem, wo wir uns befinden. Der Ort ist
schwer zu fassen. Erst z.B. beim Bewegenden, d.h. beim Ortswechsel, werden
wir uns des Ortes bewußter. Der Ort ist die Grenze des 'periechon'
(perie/xon), also dessen,
was einen Körper umgrenzt, was an seine Grenzen stößt.
Die Welt ist für Aristoteles absolut orientiert, es gibt ausgezeichnete
Orte (ein absolutes Oben etc.). Heideggers Fazit lautet: Der Ort hat eine
'dynamis' (du/namij), er
ist die Möglichkeit der rechten Hingehörigkeit eines Seienden,
er gehört zum Seienden als sein Anwesendseinkönnen, sein Dortseinskönnen.
Es ist, wenn es da ist.
Heidegger entwickelt anschließend die Genesis von Geometrie und
Arithmetik im Ausgang vom 'topos' to/poj.
Wenn man vom 'topos' to/poj
absieht und nur die möglichen Lagen und Orientierungsmomente behält,
dann sind wir bei der Geometrie. Das Geometrische ist nicht mehr an seinem
Ort. Die 'pérata' pe/rata
sind nicht mehr als die Grenzen des physischen Körpers verstanden,
sondern sie erhalten durch die 'thesis' qe/sij
eine eigentümliche Eigenständigkeit. Es ist aber nicht so, dass
die höheren Gebilde aus solchen Grenzen (Punkte usw.) einfach zusammengesetzt
sind. Linien entstehen nicht aus Punkten, Körper nicht aus Flächen,
denn zwischen zwei Punkten gibt es immer eine Linie ('grammé' grammh/).
Aristoteles und Platon sind hier "in der schärfsten Opposition" (GA19:111).
"Zwar sind die Punkte die 'archai' a)rxai/
des Geometrischen, aber doch nicht so, daß aus ihrer Summierung die
höheren geometrischen Gebilde aufgebaut werden könnten." (ebd.)
Eine "bestimmte Zusammenhangsart" ist darüber hinaus erforderlich.
Ähnlich im Bereich des Arithmetischen ist die 'monás' mona/j
noch keine Zahl. Die erste Zahl ist die zwei. Weil die 'monás' (mona/j)
im Unterschied zu den Elementen der Geometrie keine 'thesis' (qe/sij)
in sich trägt, ist die Zusammenhangsart eines arithmetischen Ganzen
anders als bei Punkten. Beide Formen von Mannigfaltigkeit (Faltung)
sind verschieden oder, wie wir auch sagen könnten: Beide Formen der
Vernetzung sind verschieden. Zahlen sind anders vernetzt
als Punkte usw. Wie aber? Antwort: Es gibt mehrere Formen, wie Dinge miteinander
(vernetzt) sind — Heidegger bezieht sich dabei (GA 19:113-116) auf
Aristoteles Physik V, 3 — , nämlich:
-
a(/ma (hama) = zugleich;
wenn Dinge an einem Ort sind
-
xw/rij (choris) = getrennt;
was an einem anderen Ort ist
-
a(/ptesqai (haptesthai)
= sich berühren (an einem Ort)
-
metacu/ (metaxy) = dazwischen
(oder das Medium: wie z.B. der Fluß, in dem sich ein Schiff bewegt)
-
e)fech=j (epheches) = das
Darauffolgende; da gibt es zwischen dem, was vorher ist, und dem, was folgt,
kein Zwischen vom selben genus (Seinsabkunft) wie das Vernetzte.
So stehen die Häuser einer Straße in einer Reihe, aber in einem
Medium, was kein Haus ist. Das ist die Art der Vernetzung der 'monades'
mona/dej, wobei bei ihnen
nichts dazwischen steht. Sie berühren sich aber nicht wie bei der
'syneches' sunexh=j
-
e)xome/non (echomenon)
= was sich hält, ein Nacheinander, was sich zusammenhält und
sich berührt, die Enden stoßen zusammen an einem Ort (wie etwa
bei Kabel und Steckdose)
-
sunexh=j (syneches) = continuum.
Hier gibt es kein Zwischen. Es ist ein 'echomenon' (e)xome/non)
aber ohne Zwischen, also ein ursprüngliches 'echomenon' (e)xome/non).
Beispiel: Die Grenzen des einen Hauses sind identisch mit denen der anderen.
Das ist die Vernetzungsart der Punkte, die eine Linie bilden.
Jedes Seiende ('on' o)/n)
ist ein 'hen' (e(/n). In
der Geometrie ist die Wahrnehmung ('aisthesis' ai)/sqhsij)
am Werk, während in der Arithmetik der 'logos' (lo/goj)
von jeder Setzung ('thesis' qe/sij)
und jeder Anschauung absieht. Die Dinge, sofern ('he' $()
sie eins sind, gehören zusammen oder sind vernetzt in der Weise der
'epheches' e)fech=j, d.h.
sie müssen sich nicht berühren und es muß nicht immer etwas
dazwischen sein.
Sodann analysiert Heidegger: Aristoteles: Kategorien, Kap. 6:
Über die Quantität ('poson', po/son)
(GA19:116). Die Quantität ist teils diskret ('diorismenon' diorisme/non)
teils kontinuierlich ('syneches sunexh=j)
oder indiskret. Nach Metaphysik V, 13 heißt 'quantitativ',
was in Bestandteile zerlegbar ist. Was quantitativ zählbar ist, ist
Menge. Was meßbar ist, ist Größe. Menge zerfällt
potentiell in Größe und umgekehrt. Es gibt eine Quantität
von Teilen, die eine Lage 'ek thesin' (e)k
qe/sin) zueinander haben und aus Teilen, die keine Lage haben.
Zahl und Rede sind diskret. Linie, Fläche und Körper sowie 'chronos'
xro/noj und 'topos' to/poj
kontinuierlich. Das Diskrete besteht aus Teilen, die nicht
gesetzt sind, das continuum aus Teilen, die gesetzt sind. Deshalb
ist die Weise ihrer Vernetzung oder Einheit verschieden. Die Teile bei
den Zahlen haben keinen gemeinsamen 'horos' o/(roj
oder Begrenzung. Bei 10 zum Beispiel gibt es bei den Teilen 5 und 5 keine
gemeinsamen Grenzen, jeder ist für sich, ('diorisménon' diorisme/non),
jeder ist etwas anderes, so auch bei 7 und 3. Die Teile ( 'moria' mo/ria)
können nicht zusammengenommen werden, denn es gibt kein Allgemeines
('koinon' koino/n), mit
Bezug auf welches jede Zahl ein Fall wäre. Eine Generalisierung ist
nicht möglich. Wie ist aber dann der Zusammenhalt möglich?
Aristoteles erläutert dies am Beispiel des 'logos' (lo/goj):
Er ist Verlautbarung ('meta phone gignomenos' meta/
fwnh=j gigno/menoj). Diese ist artikuliert durch einzelne
Silben als ihre Elemente ('stocheia' stoxei=a).
Es gibt also eine eigentümliche Einheit des nicht stetigen Mannigfaltigen,
wo jeder Teil eigenständig ist. Die Silben sind eigenständig.
Es gibt keine Silbe überhaupt und keine Zahl überhaupt. Dagegen
ist ein Punkt wie alle Punkte. Die Linie hat eine andere Weise der Einheit.
Man kann aus ihr etwas herausnehmen und im gleichen Sinne ansprechen wie
bei jedem anderen Teil. Die Punkte sind alle gleich. Aber eine Linie ist
mehr als eine Mannigfaltigkeit von Punkten, sie ist eine Setzung ('thesis'
qe/sij). Diese fehlt bei
der Zahlenreihe, die ja nur durch Nacheinander ('epheches' e)fech=j)
bestimmt ist, wo das, was sie verbindet, nichts mit ihnen zu tun hat und
durchaus auch gänzlich fehlen kann. Deshalb ist diese Voraussetzung
ontologisch früher als die der Punkte und des continuum. Sie
ist sozusagen genereller und kann auch ohne Wahrnehmung ('aisthesis' ai)/sqhsij)
also nur mit der Vernunft ( 'nous' nou=j)
vernommen werden. Dennoch ist für Aristoteles die Arithmetik
nicht die ursprünglichste Wissenschaft vom Seienden in seinem Sein,
denn der Ursprung ('arche' arxh/)
der Zahl, die Einheit, ist selbst keine Zahl und muß deshalb in der
Metaphysik aufgeklärt werden.
So wie die Griechen die Mathematik aus dem ‘nützlichen’ Zusammenhang
mit den natürlich Seienden ('physis' (fu/sij)
lösten, so lösen wir sie heute aus ihrem gedanklichen
Zusammenhang mit dem menschlichen Geist ('nous' nou=j)
und dem menschlichen Leib und verlagern sie nicht mehr in einen theo-logischen,
sondern in einen techno-logischen Ort. Was zunächst aber rätselhaft
erscheint, ist die Möglichkeit eines Zugangs zum Sein ohne den Logos.
Ich denke an Gadamers Satz: "Sein, das verstanden werden kann,
ist Sprache" (2). Gadamer schreibt anschließend:
"Das hermeneutische Phänomen wirft hier gleichsam seine eigene
Universalität auf die Seinsverfassung des Verstandenen zurück,
indem es dieselbe in einem universellen Sinne als Sprache bestimmt
und seinen eigenen Bezug auf das Seiende als Interpretation. So reden wir
ja nicht nur von einer Sprache der Kunst, sondern auch von einer Sprache
der Natur, ja überhaupt, von einer Sprache, die die Dinge führen."
(ebd.)
Kehren wir zu Heidegger (GA19:632) zurück. Sofern wir es sind,
die das Sein auslegen, ist immer die Zeit im Spiel, denn wir sind
zeitlich. Offenbar stellt Heidegger hier die Möglichkeit, das Sein
des Daseins vom Sein der Welt auszulegen oder umgekehrt, zur Entscheidung
und entscheidet sich für das Umgekehrte. Der Grund? Weil das Zeitlichsein
des Daseins eine eigene (eigentliche) Zeitlichkeit besitzt, die nicht identisch
ist mit der Zeitlichkeit der Welt (und somit mit den Seinskategorien der
Welt). "Der nächste Sinn von Sein" (GA 19:633) ist nämlich der
Sinn vom Sein (der Welt) als das Gegenwärtige. Für uns ist aber
Vergangenheit und Zukunft eine Weise zu sein, die dem Sein der Welt in
seinem Begegnen nicht entsprechen. Welt ist nur da in der Weise der Anwesenheit.
"Das Sein der Welt ist Anwesenheit." (ebd.)
Die Aneignung des Seienden in logischen und digitalen Zusammenhängen
wird der Interpretation des Seins des Daseins nicht gerecht. Umgekehrt
aber gilt, dass durch die zureichende Interpretation des Seins des Daseins
"der nächste Sinn von Sein", die Anwesenheit nämlich, die auch
das Sein der logischen und digitalen Zusammenhänge ausmacht, positiv
aufgeklärt werden kann. Es ist schon etwas merkwürdig, dass Aristoteles
von Herauslösen spricht, wo man in der Regel meint, der Denker des
Loslösung ('horismos' o(rismo/j)
sei ja Platon.
Ich fasse zusammen: Punkte haben einen Ort und dadurch lassen
sie sich voneinander differenzieren. Zahlen sind zwar ortlos, aber in sich
selbst differenziert. Beide, sowohl Punkte als auch Zahlen, werden aus
den natürlich Seienden ('physis' fu/sij)
herausgelöst, also sie bestehen zunächst nicht für sich
wie Platon meint. Das digital Seiende, oder das Seiende, sofern es digital
ist, oder die aus dem natürlich Seienden herausgelöste Zahl-Struktur,
löst die Seienden zugleich aus ihrem natürlichen Ort heraus.
Die digitalisierten Seienden oder die Seienden in ihrem Digitalisiert-sein
sind ortlos, weil sie als Zahl aufgefaßt werden. Das ist die Bedingung
der Möglichkeit für die Einrichtung einer Technik, die genau
den Gesichtspunkt des Ortes wegläßt im Gegensatz etwa zu einer
Bibliothek, die auf die Materie ('hyle' u(/lh)
der Bücher baut. Zugleich aber schafft die Schrift auch eine Ortlosigkeit,
denn Bücher können woanders sein, als dort, wo sie hergestellt
wurden. Die Ortlosigkeit des Logos ist eine merkwürdige Eigenschaft,
die vielleicht den Unterschied zwischen Platon/Sokrates und den Sophisten
ausmacht. Denn Platon legt immer großen Wert auf die situationelle
Gebundenheit des Logos gegenüber der Schrift, wie er dies im Phaidros
in Zusammenhang mit dem Mythos der Erfindung der Schrift darlegt. Die Sophisten
scheinen den Logos von der strengen ‘dia-lektischen’ Situation zu lösen,
um die so losgelösten ‘Erkenntnisse’ überall zu vermarkten. Der
sophistische mündliche Logos wäre also, von Platon aus gesehen,
nicht weniger losgelöst als der schriftlich fixierte Logos. Aristoteles
knüpft an die Einsicht der Sophisten an, ohne aber deren Praxis zu
teilen.
Mit Bezug auf die Ortlosigkeit des Logos lösen die 'techne' (te/xnh)
und die 'poiesis' (poi/hsij)
das natürlich Seiende mit seiner 'hyle' (u(/lh)
aus seinem angestammten Ort heraus. Die Frage ist aber, ob durch die Vernetzung
den Zahlen doch ein wechselbarer Ort zugewiesen wird: Sie sind immer irgendwo,
aber nicht ausschließlich an einem Ort. Sie sind also an der
technischen Schnittstelle zwischen 'hyle' (u(/lh),
Punkt und Logos angesiedelt. Wie steht es aber mit der von Heidegger
hervorgehobenen Unterscheidung zwischen 'monas' (mona/j)
und 'hen' (e(/n)? Wenn
das 'hen' (e(/n) zu dem
natürlich Seienden gehört, dann sind das ens et unum convertuntur
der Scholastik (Griechisch: 'on kai hen' o)/n
kai e(/n) sowie das 'Ein und Alles' ('hen kai pan' (e(/n
kai\ pa=n) von hier aus zu verstehen. So wie sich also das
Seiende gegen das Nicht-Seiende abhebt, so hebt sich die 'monas'
(mona/j) gegen die 0 ab.
Zunächst haben wir also die natürliche Welt und dann durch Herauslösung,
das Ort- und Weltlose ('atopos' a)/topoj).
Wir haben also folgende Abstufung der Abstraktion oder der Herauslösung
aus den natürlich Seienden:
-
das natürlich Seiende ('physei onta' fu/sei
o)/nta): bestimmt durch Einheit, Ort und Setzung ('hen',
'topos', 'thetos' e(/n, to/poj,
qeto/j)
-
der Punkt ('stigme' sti/gmh):
bestimmt durch Ortlosigkeit und Setzung ('topos', 'thetos'
a)/topoj, qeto/j)
und Berührung ('syneches' sunexe/j,
continuum)
-
die Einheit ('monas' mona/j):
bestimmt durch Ortlosigkeit und Ungesetztheit ('atopos' 'athetos'
a)/topoj, a)/qetoj)
Diese Herauslösung ist heute gekoppelt mit der technischen Einprägung
oder Her-Stellung von Zahl und Punkt im elektromagnetischen
Medium. Die Frage, die wir uns angesichts der Entwicklung von der Formung
durch den Schöpfer über den Golem bis hin zum Computer stellen,
ist dann die unseres möglichen Aufenthaltes in dieser so erschlossenen
Welt.
Die Griechen — weniger pauschal: Platon und Aristoteles
— orientierten sich am Logos und entwickelten demnach eine Ontologie.
Der Logos behält die Kontrolle auf verschiedenen Stufen, letztlich
auch als Logos, der den Ursprung der mona/j
d.h. das e(/n erkennt.
In GA19 geht Heidegger auf die Diskussion des o)/n
als e(/n (Parmenides) ein. Der Satz: 'Alles,
was ist, ist Eins’(e(/n o)/n
to\ pa=n) stellt eine verwickelte Geschichte
über die Deckung oder Nicht-Deckung dieser Begriffe mit der wohlgerundeten
Kugel des Parmenides dar. Ein wichtiger Unterschied ist der zwischen der
Einheit im Sinne der Ganzheit von Teilen und der Einheit, die dieser Ganzheit
vorausgeht (GA19:457). Griechisch ausgedrückt: e(/n
als pa/qoj e)pi\ toi=j me/resi oder sunexe/j
e)k pollw=n meron on und e(/n a)lhqw=j,
das letztlich aufgedeckte Eins. Das hat zur Folge, dass das o)/n
als ein e(/n (a)lhqw=j)
nicht gleich dem o(/lon als Ganzheit von Teilen
ist. Wenn das o(/lon aus dem o)/n
als solchem herausfällt, dann fallen auch ge/nesij
und ou)si/a heraus, weil das Werden in einem
gewordenen Ganzen im Sinne eines fertigen, ganzen Seienden sich vollendet.
Wenn es aber kein Werden und kein Sein gibt, dann ist das o)/n
nicht. Der Satz des Parmenides führt also, wie Heidegger Platons Überlegungen
nachzeichnet, in einen Selbstwiderspruch.
Da Platon im Horizont des e(/n argumentiert
und dem mh\ o(/n eine entsprechende "Stelle"
im Ganzen zuweist, wäre die Frage, wie das mh\
o(/n im Horizont des Digitalen zu denken ist: Was ist aber
eine ‘digitale Spur’? Sie verweist auf das Gewesene (mh\
o(/n) des Digitalen. Es scheint mir so zu sein, dass wir in einer
digitalen Ontologie mit einem umgekehrten Parmenides zu tun haben: Während
bei Parmenides das o(/lon — also die Ganzheit
im Sinne von Ganzheit von Teilen — aus dem o/)n
herausfällt, und es somit keine ge/nesij
und keine ou)si/a gibt, so fällt bei der
digitalen Ganzheit das e(/n aus dem o/)n
heraus, so dass wir nur ge/nesij und ou)si/a
aber nicht ‘Sein’ und ‘Totalität’ (pa=n)
haben. Die Frage ist dann, ob in der digitalen Ontologie lediglich die
mona/j und nicht das e(/n
gesehen werden kann.
2.
Digitale Ontologie und Angeletik
Durch die Computertechnik und die Vernetzung haben wir aber eine andere
Möglichkeit für die Ortlosigkeit der Zahlen: sie sind zwar ortlos,
aber sie können an allen möglichen Orten sein, oder besser gesagt,
sie sind zunächst technisch an einem Ort, aber an diesen Ort nicht
von Natur aus gebunden, also zugleich ortsgebunden und ortlos. Wenn jetzt
nicht nur Raum und Zeit, sondern sogar ein elektromagnetisches Medium hinzukommt,
dann haben wir es wohl hier mit der Konstitution des "digital Seienden"
zu tun. Und wie steht es mit der Frage nach der Vernetzung? Mir scheint,
dass wir heute den Begriff Netz oder Vernetzung sehr inflationär gebrauchen.
Welches neue Phänomen wird dadurch konstituiert?
Die digitale Welt ist eine Welt und doch keine, sie ist lokal und doch
global und umgekehrt. So hat der Mensch nicht nur die Möglichkeit
zuweilen beim Immerseienden zu ver-weilen, sondern auch bei einer Art von
Seiendem, das von der 'techne monas' (te/xnh
mona/j) hervorgebracht wird. Was passiert, wenn wir den 'logos'
(lo/goj) mit der Welt der
technisierten Arithmetik verbinden? Dass der 'logos' (lo/goj)
sich vom natürlich Seienden und somit von der Stimme ('phone' fwnh/)
trennen läßt, das zeigt die Auseinandersetzung von Sokrates/Platon
mit den Sophisten und Platons Kratylos in der physei/thesei-Debatte
(fu/sei/qe/sei).
Wir sprechen in der Informationswissenschaft von information retrieval,
d.h. vom Ab- bzw. Rückruf von Information. Wie unterscheiden sich
der ‘logische’ und der ‘mathematische’ Ab- bzw. Anruf des Seienden? Um
was für einen Vorgang handelt es sich hier? Dass die natürlichen
Dinge sich uns ‘zusprechen’, mag einsichtig sein, aber wie können
uns Dinge ansprechen, die wir erst konstruieren müssen? Für Platon
lag hier ein höherer Zuspruch wohl vor, dem wir entsprechen, wenn
wir die Ideen nachahmen. Die Platonische Lösung dessen, was wir Kreativität
nennen, sind die Ideen als Vorbilder für die künstliche Herstellung
von Seiendem. Für Aristoteles bleibt das natürlich Seiende das
Leitende, wovon sich die 'logoi' (lo/goi)
abheben. Zahl und Logos lassen Seiendes anders sein als es von sich aus,
d.h. natürlich ist, und sie lassen auch deshalb Seiendes anders werden,
d.h. Seiendes vom Logos oder von der Zahl her entstehen, 'techne on' (te/xn$
o)/n), onto- und monado- oder arithmo-logisch. Die Verbindung
ergibt das onto-arithmo-logisch Seiende. Dadurch werden nicht
nur die natürlich Seienden ('physei onta' fu/sei
o)/nta) anders vergegenwärtigt, sondern es wird Seiendes
in seinem Sein anders vernommen. Mit anderen Worten, die onto-arithmo-logische
Technik läßt Seiendes anders sein als eben die 'physis' fu/sij
und die bisher bekannten Formen der Herauslösung (Punkt, Zahl). Wie
sind also onto-arithmo-techno-logische Seiende zusammen? Antwort: Indem
sie zugleich an einem Ort, aber nicht an ihm gebunden sind.
Die Ontologie orientiert sich am 'logos' (lo/goj)
oder am 'on legomenon' (o)/n lego/menon)
am Seienden, wie es vorliegt als das Worüber eines Sagens. Hier liegt
ein Unterschied zu uns: Wir orientieren uns an der 'monas' (mona/j)
oder an den 'mathematika' (maqhmatika/)
aber nicht schlechthin, sondern sofern diese — die 'monades' mona/dej
oder Einheiten — techno-logisch eingebunden sind. Die Bezeichnung digitale
Ontologie ist, von hier aus gesehen, ein Oxymoron. Eher könnten
wir von digitaler Ontoarithmetik sprechen.
Die Ursprünge der griechischen Mathematik liegen, so Van der Waerden
in seinem klassischen Werk "Erwachende Wissenschaft" (3),
in Ägypten. Der Grund für die Entwicklung der Mathematik in Ägypten
lag für Aristoteles darin, dass die ägyptische Priesterkaste
die nötige Muße ('scholazein' sxola/zein)
dafür hatte, nachdem die notwendigen und angenehmen Dinge des Lebens
geordnet waren (Met. A 1, 981 b 15 ff). Für Van der Waerden hat aber
Herodot recht, der den Ursprung darin sieht, dass die Ägypter dabei
einen Sinn für das Praktische hatten:
"Wenn der Nil ein Stück seines Ackers weggeschwemmt hatte,
so musste wegen der Steuer festgesetzt werden, wieviel an Fläche verlorengegangen
war "und dies war, wie mir scheint, der Anfang der Geometrie, die dann
nach Griechenland kam" (Herodot II, 109). Und Demokritos schreibt:
"Im Konstruieren von Linien mit Beweisen übertrifft mich keiner, selbst
nicht die sogenannten Seilspanner der Ägypter." Die Seilspanner (Harpedonapten),
die Demokritos hier meint, sind wahrscheinlich die Landesvermesser,
deren wichtigstes Messinstrument überall das gespannte Seil ist."
(ebd. S. 25)
Die Mathematik und die Geometrie entwickeln sich also, zumindest in Ägypten,
aus den Bedürfnissen der Lebenswelt, der 'prágmata' ((pra/gmata)
wie die Griechen sagen würden, heraus und auf sie hin. Die Griechen
lösen dann Punkte und Zahlen aus den 'natürlichen Seienden' heraus
und projizieren, wie Aristoteles, ihre Sicht auf die Ägypter zurück!
Für Aristoteles wird das 'hypokeimenon' (u(pokei/menon)
als das schon Vorliegende im Hinblick auf das 'legein' (le/gein),
also als etwas, was vor dem Sprechen schon da ist, verstanden. Wie
aber, wenn der Grundcharakter des Seins nicht aus dem 'logos' (lo/goj),
sondern aus dem 'arithmos' (a)riqmo/j)
gewonnen wird? Und wie, wenn dieser 'arithmos' (a)riqmo/j)
techno-logisch aufgefaßt wird? Welches ist dann die formale Bestimmung
von etwas, was überhaupt ist? Was liegt vor dem Zählen? Was macht
das Zählen möglich? Die 'monas' (mona/j),
die ja ungesetzt ('athetos' a)/qetoj)
ist. In Met. V, 1016b18 sagt Aristoteles, daß das e/(n
das Prinzip für etwas ist, was wir dann unter dem Gesichtspunkt des
Zählens ('arithmos' a)riqmo/j)
auffassen können. Das e/(n
ist aber ein Metaprädikat, denn, was wir jeweils als e/(n
betrachten, ist je nach Seiendem unterschieden. Wenn das, was wir zählen,
von der Art des Unteilbaren ('adiaireton' a)diai/reton)
und Ungesetzten ('atheton' a)/qeton)
ist, dann ist die Einheit, die 'monas' mona/j,
etwas Unteilbares. Eine Linie ist dann in eine Richtung teilbar etc. Aristoteles
trifft hier eine weitere Unterscheidung: Das 'hen'-sein (e/(n)
läßt sich der Zahl nach oder dem Eidos oder der Analogie nach
unterscheiden:
-
Das 'hen' e/(n der Zahl
nach hat mit der 'hyle' u(/lh
zu tun
-
Dem 'eidos' (eidoj)
nach mit dem 'logos' lo/goj
oder dem 'schema tes kategorias' (sxh=ma
th=j kathgori/aj)
-
Der Analogie nach, wie das Verhältnis des Einen zum Anderen.
Aristoteles sagt, dass das Verhältnis dieser drei Ebenen so ist, dass
die erste Ebene, die der Zahl, die grundlegende ist. Was also der Zahl
nach eins ist, hat auch ein Eidos (aber nicht umgekehrt). Die 'monas'
(mona/j) ist also eine
Form (unter anderen) von Einheit (e/(n).
Aristoteles sagt wenig später, dass die Einheit in der Zahl Ursprung
und Maßstab ist ('en tou arithmou arche kai metron' e/(n
tou= ariqmou= a)rxh\ kai\ me/tron). Gemeint ist wohl, dass
das 'hen' (e/(n) als 'monas'
(mona/j) oder besser gesagt,
dass das 'hen' (e/(n) 'arché
(a)rxh/) der 'monas' (mona/j)
ist und dass die 'monas' (mona/j)
wiederum Ursprung des Zählens ('arithmos' a)riqmo/j)
ist.
Kehren wir aber zu Heidegger zurück. Was ist ontologisch entscheidend:
die 'monas' (mona/j) oder
das 'hen' (e/(n)? Jedes
'on' (o)/n) ist zwar ein
'hen' (e/(n), aber das
e/(n-sein des Seienden
ist ja nicht einerlei und nicht mit der 'monas' (mona/j)
und dem 'artihmos' (a)riqmo/j)
gleich. Dennoch ist das e/(n
der Zahl nach grundlegend für das Einssein von Eidos und Analogie.
Die Zahl ('arithmos' a)riqmo/j)
ist also dem 'logos' (lo/goj)
vor-gesetzt, denn sie ist nicht gesetzt, 'athetos' a)/qetoj.
Heidegger schreibt (GA19:121), daß deshalb die Zahl für Platon
grundlegender ist als der 'logos' (lo/goj)
im Hinblick auf die ontologische Besinnung, weil sie weniger braucht als
der Punkt, wobei aber das 'hen' (e/(n
"nicht mehr selbst Zahl ist" (ebd.).
Heidegger schreibt mit Bezug auf die Zahl: "Dasselbe ist durchgeführt
am Beispiel des lo/goj" (GA19:120)
Zahlen und Silben sind eigenständig. Es gibt keine Silbe überhaupt,
während ein Punkt wie alle Punkte ist. Das elektromagnetische Medium
ist z.B. im Falle einer CD auch eine Prägemasse, und die Digitalisierung
der Hardware, wie z.B. Schaltbretter, ist ebenfalls ein Prägen. In
beiden Fällen, oder noch allgemeiner gesagt im Vorgang der Verschriftlichung
des 'logos' lo/goj findet,
so scheint es, eine Herauslösung des Mitgeteilten aus dem Zusammenhang
und somit aus dem Ort statt, was ja Platon in seiner Schriftkritik klar
erkennt. Aber schon der gesprochene 'logos' ist eine Herauslösung
aus der Seele des Sprechenden, wodurch dann die Praxis der Sophisten, sofern
sie die 'logoi' aus ihrem ursprünglichen 'dialektischen' oder Wahrheitssuchenden
Zusammenhang entreißen und für beliebige Zwecke verwenden, möglich
wird.
Die Zahlen sind, wenn sie an der technischen Schnittstelle zwischen
Materie ('hyle' u(/lh), Punkt und Logos angesiedelt
werden, nicht schlechthin ortlos, aber auch nicht an einen Ort gebunden
Das ist erstaunlicherweise auch eine Form von Im-Ort-Sein, die Thomas von
Aquin den (von der Materie) 'getrennten Intelligenzen' (intelligentiae
separatae) zuweist. Die oft lächerlich gemachten scholastischen
Überlegungen zur Seinsweise der intelligentiae separatae, also
dessen, was theologisch 'Engel' genannt wird, könnte als ein sehr
interessantes Gedankenexperiment in Zusammenhang mit der Seinsweise digitaler
Virtualität ausgelegt werden. Es waren aber zuvor die arabischen Philosophen
des Mittelalters, die in Anschluss an die antike Kosmologie diesen philosophischen
Begriff prägten. Diese 'getrennten Intelligenzen' sollten zum Beispiel
dazu dienen, die Sterne und Planeten ewig zu bewegen. Sie waren also als
motores gedacht. Diese himmlische Mechanik wurde in der Neuzeit
durch natürliche Kräfte ersetzt, woraus sich dann auch eine sehr
praktische Industrie der Maschinenherstellung entwickeln konnte.
Am Ende dieser Entwicklung werden die Maschinen wieder abstrakt und
wir kommen zurück zu einer Art von 'Intelligenz', die sich durch ihre
Virtualität auszeichnet, die aber nicht von einem göttlichen,
sondern von einem menschlichen Erbauer hergestellt wird. Die reine universelle
Zahlenmaschine vermischt sich aber im Laufe des 20. Jahrhunderts mit dem
'logos'. Um aber dem universellen Charakter der Zahlen und Punkte zu entsprechen,
muß der 'logos' künstlich berechenbar werden. Gehört aber
zu diesem 'logos' eine besondere Form von 'Verstehen'? Ergibt sich daraus
nicht so etwas wie eine artifizielle oder digitale Hermeneutik?
Kommen wir dem Sein dadurch, paradoxerweise, (anders) näher als durch
die natürliche Sprache? Ist das "aisthetische Sichzeigen" nicht
bereits ebenfalls eine Loslösung des Seienden zum ‘Anderen’ hin? Denn
nach Aristoteles bildet sich "in der Seele" ein Bild ('phantasmata' fantasmata)
der sichtbaren Dinge, was aber nicht wie eine Verdoppelung der Dinge im
Bewußtsein zu interpretieren ist, sondern eher so, dass die Wahrnehmung
auf die Dinge je mit dem jeweiligen Sinnesorgan zugeht und dabei das ‘Eigene’
— Aristoteles nennt das die 'idia' i)/dia
— ‘wahr-nimmt’. So nimmt das Ohr zum Beispiel sein ‘Eigenes’, also die
Laute wahr.
Ist es aber nicht so, dass die metaphysische Vorstellung vom Ort des
Logos in der Seele (psyche yuxh/)
und vom Ort des Denkens als einem Dialog der Seele mit sich selbst (Platon)
die eigentliche Herauslösung des Logos aus dem existentiellen Zwischen
bedeutet, was Heidegger in "Sein und Zeit" (§ 33-34) mit dem Vorrang
der Rede und mit ihr des "hermeneutischen Als" vor dem "apophantischen
Als" bezeugt? Gilt die Unwahrheit bzw. Verstellung nur für den
'logos' oder auch für die Zahlen? Wo liegt der Unterschied in der
Art der Entbergung zwischen den Zahlen und dem 'logos'? Wie gehören
diese beiden Formen der Entbergung zusammen? Gibt es nur diese zwei oder
auch andere? Und wenn nicht, warum nur diese zwei?
Für uns ist nicht die 'sophia' (sofi/a)
als Wissenschaft vom e/(n,
sondern die Wissenschaft und Technik von der 'monas' (mona/j)
und dem 'arithmos' (a)riqmo/j)
grundlegend. Wenn wir also den 'arithmos' (a)riqmo/j)
als grundlegend für die Struktur aller Seienden nehmen, dann
bedeutet dies, dass wir uns zwar in den Fußstapfen der griechischen
Ontologie bewegen, aber ohne das e/(n
und die 'sophia' (sofi/a).
Das bedeutet auch, dass wir dem Gegenwärtigen den Primat auch bei
der Auslegung des Daseins geben. Heute besitzen wir eine ausgebildete Mathematik
und Logik, ja sogar eine mathematische Logik, aber keine Ontologie im Sinne
einer Wissenschaft vom Einen. Geblieben ist lediglich das Eine als logische
Kategorie. Eine Wissenschaft vom "Einzigen" scheint heute nur im Bereich
der Religion, öfter in dem der Esoterik, möglich. Zugleich aber
entwickelt sich eine digitale Ontologie, deren Herrschaft mir nicht kleiner
erscheint als die des Materialismus im vorigen Jahrhundert.
Aber diese minimalistische digitale Ontologie is not the whole story.
Ich meine, daß wir hier eine ontologische Spannung brauchen,
nicht um das menschliche Dasein als Krone der Schöpfung hervorzuheben,
sondern um zu zeigen, wie verschiedene Ontologien aufeinanderstoßen
und sich dabei verändern, vorausgesetzt, sie werden irgendwie thematisiert,
sonst bleibt alles in den gewohnten Bahnen. Wie wirkt sich aber der Sinn
vom Sein des Daseins auf den "nächsten Sinn vom Sein" und zwar auf
den der Präsenz in der Form der arithmetischen Weltvernetzung aus?
Und umgekehrt?
Damit sind wir wieder beim Phänomen des An- und Abrufens. Sollen
wir dieses Phänomen des Abrufens des Seienden vom Menschen aus oder
umgekehrt als eine ‘Verfallsform’ eines ‘eigentlichen’ An- und Abrufens
verstehens? Oder ist jede Art des An- und Abrufens an sich eine abgeleitete
Form eines ursprünglichen Angerufenseins? Heidegger hat die Frage:
Was heißt denken? im Sinne von: Was heißt uns denken? gefragt,
wobei er im ‘heißen’ nicht das Fordern, sondern das "Gelangenlassen"
hervorhebt. Durch das Nennen von etwas versehen wir die Dinge nicht mit
einem Etikett, sondern wir lassen etwas in ein Anwesen ankommen (4).
Beim Phänomen des Rufens kann es um den ‘Ruf’ eines blühenden
Baumes gehen, der sich uns vorstellt (M. Heidegger, Was heisst Denken?,
S. 16). So kehrt Heidegger das Rufen oder Denken der modernen Subjektivität,
die ihren Gegenstand so anruft, dass sie ihn vor-stellt, um.
Wir achten nicht auf den Ruf des Mediums selbst, weil wir nur Ohren
für messages haben und dabei immer das Ereignis des messengers
überhören. Boten sind demnach etwas Akzidentelles, was mit dem
Sinn der Botschaft nichts zu tun hat. So wird schließlich auch jedes
Medium als Botschaft wahr-genommen. Medien lassen sich nach McLuhan
deshalb nicht bloß instrumentell verstehen, weil sie unser Sein verändern
(5). Aber nicht das, was ein Medium ‘verkündet’,
sondern dass er es tut, bleibt bei McLuhan ungedacht. Ungedacht
bleibt auch dementsprechend die Dimension des Angerufen-werden-könnens.
Das ist aber, wenn ich recht sehe, genau die Seinsweise, die dem Dasein
eigen ist, wenn dieses in allem, was sich ihm vorstellt, dem Ruf des Seins
ausgesetzt bleibt.
Avital Ronell hat in einem in Form eines Telefonbuchs gedruckten Buch
mit dem Titel "The Telephone Book" dieses Thema vor allem aus psychoanalytischer
Sicht thematisiert (6). Ronell schreibt:
"Maintaining and joining, the telephone line holds together what it
separates. It creates a space of asignifying breaks and is tuned by the
emergency feminine on the maternal cord reissued. The telephone was borne
up by the invaginated structures of a mother's deaf ear." (Avital Ronell,
The Telephone Book, a.a.O. S. 4)
Gemeint sind die Mutter und die Ehefrau von Alexander Graham Bell: beide
nämlich waren taub. Ronell schreibt, dass die ersten aufgeregten Abnehmer
von Telefonanrufen die Schizophrenen waren. Wenn ein Schizophrener glaubt,
alle Anrufe seien für ihn bestimmt, dann glaubt der Neurotiker, so
könnten wir hinzufügen, er hat eine Botschaft, die er an alle
verkünden muß. Mir scheint, dass durch die digitale Vernetzung
die Lage sich verschärft hat und zwar in dem Sinne, dass wir mit viel
komplexeren Formen des technischen Anrufens zu tun haben als die Dualität
von Massenmedien und Individualmedien, die die Gesellschaft des 20. Jahrhunderts
jeweils als Massenmediengesellschaft und atomisierte Individualität
prägten.
Ronell beginnt ihre Auslegung des "Rufens" in Heideggers: "Was heisst
Denken?" mit dem Beispiel der Mutter, die nach ihrem Buben ruft, "der nicht
nach Hause will", und ihn zum Hören und "Gehorchen" zwingen muß
(Ronell a.a.O. S. 28). Heidegger schreibt:
"Was heißt Denken? Hüten wir uns vor der blinden
Gier, die für diese Frage eine Antwort in der Form einer formel erraffen
möchte. Bleiben wir bei der Frage. Achten wir auf die Weise, in der
sie frägt: "Was heißt Denken?"
'Warte, ich werde dich lehren, was gehorchen heißt' - ruft die
Mutter ihrem Buben nach, der nicht nach Hause will. Verspricht die Mutter
ihrem Sohn eine Definition über den Gehorsam? Nein. Aber vielleicht
gibt sie ihm eine Lektion? Auch nicht, falls sie eine rechte Mutter ist.
Sie wird vielmehr dem Sohn das Gehorchen beibringen. Oder noch besser und
umgekehrt: sie wird den Sohn in das Gehorchen bringen. Das glückt
um so nachhaltiger, je seltener sie schilt. Es glückt um so einfacher,
je unmittelbarer die Mutter den Sohn ins Hören bringt. Nicht erst
so, daß er sich dazu nur bequemt, sondern so, daß er vom Hörenwollen
nicht mehr lassen kann. Weshalb nicht? Weil er hörend geworden ist
für das, wohin sein Wesen gehört. Das Lernen läßt
sich darum durch kein Schelten bewirken. Und dennoch muß einer beim
Lehren bisweilen laut werden. Er muß sogar schreien und schreien,
selbst wenn es sich darum handelt, eine so stille Sache wie das Denken
lernen zu lassen. Nietzsche, der einer der stillsten und scheuesten Menschen
war, wußte von dieser Notwendigkeit. Er durchlitt die Qual, schreien
zu müssen. In einem Jahrzehnt, als die Weltöffetnlichkeit noch
nichts von Weltkriegen wußte, als der Glaube an den "Fortschritt"
fast die Religion der zivilisierten Völker und Staaten wurde,
hat es Nietzsche hinausgeschrieen: "Die Wüste wächst..." Er hat
dabei die Mitmenschen und vor allem sich selber gefragt: "Muß man
ihnen erst die Ohren zerschlagen, daß sie lernen, mit den Augen zu
hören? Muß man rasseln gleich Pauken und Bußpredigern?"
(Also sprach Zarathustra, Vorrede n. 5). Aber Rätsel über Rätsel!
Was einmal Schrei war: "Die Wüste wächst..." , droht zum Geschwätz
zu werden. Das Drohende dieser Verkehrung gehört zu dem, was uns zu
denken gibt." (M. Heidegger, Was heisst Denken?, a.a.O. S. 19)
Ronell verbindet das Rufen der Mutter (und später des Gewissens)
mit der Telefon-Metapher und — sie übergeht den vorangehenden entscheidenden
Absatz, in dem es um den 'Ruf' eines blühenden Baumes geht, der "sich
uns vorstellt", uns also unmerklich in seinen Bereich einläßt,
so dass wir uns als diejenigen verstehen können, die in der Möglichkeit
des Hörens oder Nicht-Hörens sind (M. Heidegger, Was heisst
Denken? a.a.O. S. 142). Für Ronell spielt das Medium Telefon
als Metapher des Anrufens insofern eine entscheidende Rolle, als es zeigt,
dass wir in der Lage sind, einen Anruf nicht anzunehmen. Das bedeutet,
dass Rufen nicht die Struktur des Befehlens und Gehorchens hat, was Heidegger
in Anschluß an eine Auslegung der Stelle im Neuen Testament ("Und
da Jesus viel Volks um sich sah, hieß er hinüber jenseit des
Meeres fahren" Matth. VIII, 18) folgendermaßen auf den Punkt bringt:
"Daß im alten Wort "heißen" nicht das Fordern vorwaltet,
sondern das Gelangenlasen, daß somit im "Heißen" das Moment
des Helfens und Entgegenkommens anklingt, wird dadurch bezeugt, daß
das selbe Wort im Sanskrit noch so viel wie "einladen" bedeutet." (M.Heidegger,
Was heisst Denken? a.a.O. S. 82).
Die digitale Ontologie bedenkt ein Medium, nämlich die digitale Weltvernetzung
, in dem unser Sein sich der Weise eines vielfältigen Rufens und Angerufenwerdens
abspielt, wo also die Grenzen zwischen der One-to-many-Struktur
der Massenmedien und der One-to-one-Struktur der Individualmedien
beim Telefon, im Hegelschen Sinne "aufgehoben" werden. Wenn wir uns des
griechischen Wortes für message, nämlich aggelia,
erinnern, dann können wir sagen, dass wir eine neue 'angeletische'
Situation vor uns haben, deren Struktur eine digitale Ontologie thematisieren
kann. Ich nenne die entsprechende Wissenschaft, die sich mit dem Phänomen
der Botschaft befaßt, Angeletik. Während sich die Hermeneutik
um die Frage des Verstehens von (textuellen) Botschaften (!) kümmert,
setzt sie stillschweigend das Phänomen des Verkündens selbst
voraus.
3.
Digitale Information und Daseinsanalytik
Wie und wo sind wir, wenn wir im Netz sind? Was für ein Zwischen ist
(erlaubt) das Netz? Es gibt hier eine Architektonik, die nicht nur durch
die Ortlosigkeit der Geometrie und die Ungesetztheit der Zahlen, sondern
auch durch die Seinsweise des Daseins zustande kommt. Das elektromagnetische
Medium ist wie das Papier für ein Buch auch eine Prägemasse.
'To ekmageion' (to\ e)kmagei=on)
ist die Masse, worin man etwas abdrückt, Wachs, Gips, und 'to ekmagma'
(to\ e)kma/gma) ist das
Aus- oder Abgedruckte in Wachs, Gips, daher ein getreues Abbild, Ebenbild.
Dieses Wort entspricht dem Lateinischen informatio. Mageia bedeutet
Zauberei. Das 'ekmageion' kommt bei Platon in der berühmten Stelle
über das Aufnehmende ('chora' xw/ra)
im Timaios in der es geht um das Aufnehmende für alles
Seiende, um die "Amme des Werdens" (Tim. 52b) geht, die selber "von allen
Sichtbarkeiten ('eidon' ei)dw=n)
frei sei" und "alle Herkünfte ('gene' ge/nh)
in sich aufnehmen, empfangen soll." (Tim. 50e). Platon behauptet, "dasjenige
aber, das weder auf Erden noch irgendwo am Himmel sei, das sei nicht" (Tim.
52b). Übersetzt heißt dies, dass jedes Seiende eines Mediums
bedarf.
Das elektromagnetische Medium ist eine Prägemasse, die das digital
Seiende aufzunehmen vermag. Das digital Seiende kann sich aber auch frei
durch dieses Medium bewegen und Platz darin einnehmen. Insofern ist das
elektromagnetische Medium wie die 'chora' (xw/ra)
ein Raum zum Aufnehmen von digital, d.h. arithmologisch, zergliederten
Seienden. Damit verdient das elektromagnetische Medium als Dimension den
Namen Cyberspace, den es nun genauer zu untersuchen gilt. Die Behandlung
vom Raum in Sein und Zeit kann uns dazu als Leitfaden dienen.
Heidegger schreibt: "Aber weder steht die je vorgängig entdeckte
Gegend, noch überhaupt die jeweilige Räumlichkeit ausdrücklich
im Blick." (SuZ:111, § 24). Das Erkennen des Raumes als Raum findet
also auf der Basis eines unauffälligen Einräumens statt. Ein
solches Einräumen ist, so Heidegger im vorausgehenden Paragraphen,
ein Ent-fernen. Eigentlich müßte er das Da-sein Dort-sein nennen,
wenn er z.B. schreibt: "Das Dasein ist gemäß seiner Räumlichkeit
zunächst nie hier, sondern dort, aus welchem Dort es auf sein Hier
zurückkommt und das wiederum nur in der Weise, daß es sein besorgendes
Sein zu... aus dem Dort-zuhandenen her auslegt." (SuZ:107f § 23) Heidegger
unterscheidet zwischen:
i) der Angabe einer Stelle, an der ein Körperding ist,
ii) dem "Platzeinnehmen" von dem Zuhandenen an einem Platz aus einer
Gegend her,
iii) dem Räumlich-sein des Daseins in der Weise des Ent-fernens
(ebd.).
Bei diesem Ent-fernen kommen wir aber nicht dazu, die Abstände
zu durchqueren, wie wenn wir eine Straße durchqueren, so dass der
Abstand dann verschwinden würde: Kaum sind wir da, stellen wir fest,
dass wir eigentlich immer zugleich dort sein können! Wir nehmen das
Dort-sein sozusagen immer mit. Das ist etwas für Alice in Wonderland,
aber Heidegger schreibt wörtlich: "Seine Ent-fernung hat das Dasein
so wenig durchkreuzt, dass es sie vielmehr mitgenommen hat und ständig
mitnimmt, weil es wesenhaft Ent–fernung, das heißt räumlich
ist." (ebd. S. 108)
Wenn also zwei Dinge voneinander getrennt sind, sprechen wir vom Abstand
und sagen, dass das eine Ding den Platz einnehmen kann, den das andere
in einem gewissen Abstand befindliche Ding einnimmt. Wenn wir aber ein
Buch, das dort im Regal ist, zu uns holen und so den Abstand zwischen Buch
und Auge verringern, dann ist das Dort-sein-können keineswegs verschwunden.
Heidegger spricht von einem "Umkreis von Ent-fernungen", in dem wir nicht
"umherwandern", sondern den wir "immer nur verändern" können
(ebd. S. 108). Die Vorstellung, wir können im Umkreis unserer "Ent-fernungen"
"umherwandern", bedeutet, daß wir gewissermaßen ortlos zu den
verschiedenen Orten gehen könnten. Wenn wir uns ent-fernen, ist es
nicht so, wie wenn wir wandern, dass wir an Orte kommen, wo wir nicht schon
gewesen sind, sondern das Wandern ist ein Ent-fernen. Wir können mit
anderen Worten nicht an einem Ort und nicht zugleich an einem anderen Ort
sein. Wenn wir da sind, sind wir auch immer schon dort. Wie aber verändern
wir die Ent-fernungen? Zunächst indem wir uns leiblich bewegen, aber
auch durch Rede und Schrift.
Weil wir in der Weise des Ent-fernens sind, oder weil wir immer schon
in der Möglichkeit des Dort-seins sind, können wir auch solche
Technologien entwickeln und sie auch benutzen. In der ursprünglichen
Fassung von Sein und Zeit heißt es: "Mit dem ‘Rundfunk’ zum
Beispiel vollzieht das Dasein heute eine in ihrem Daseinssinn noch nicht
übersehbare Ent-fernung der ‘Welt’ auf dem Wege einer Erweiterung
der alltäglichen Umwelt." (SuZ:105) Der Zusatz "und Zerstörung"
ist eine spätere Randbemerkung, die auf die Auswirkung der Medien
Bezug nimmt. In diesem phänomenologischen d.h. ‘neutralen’ Sinne schreibt
Heidegger auch: "Auf seinen Wegen durchmißt das Dasein nicht als
vorhandenes Körperding eine Raumstrecke, es ‘frißt nicht Kilometer’,
die Näherung und Ent-fernung ist je besorgendes Sein zum Genäherten
und Ent-fernten." (SuZ:106) Hier ist es sogar so, daß das Ent-fernen
im direkten Bezug zum Besorgen gesehen wird. Es wäre m.E. verkehrt,
die leibliche Erfahrung des Ent-fernens in der "alltäglichen Welt"
dem Ent-fernen im digitalen Medium gegenüber zu stellen und hieraus
noch ‘kulturkritische’ oder sogar technikfeindliche Schlußfolgerungen
zu ziehen. Die tatsächliche Zerstörung der alltäglichen
Umwelt hat im Prinzip nichts damit zu tun, daß das Dasein "eine wesenhaft
Tendenz zur Nähe" (SuZ:105) hat und deshalb Techniken entwickelt,
um "alle Arten der Steigerung der Geschwindigkeit" (SuZ:105) ermöglichen.
Was sich zunächst verändert hat, ist die Reichweite unserer "alltäglichen
Umwelt". Allerdings betont Heidegger, daß "die objektiven Abstände
vorhandener Dinge" sich nicht "mit Entferntheit und Nähe des innerweltlich
Zuhandenen" decken (SuZ:106). Entscheidend für das Phänomen des
Ent-fernens ist der Blickpunkt des Besorgens gegenüber dem des Messens.
Die Verräumlichung des Daseins in seiner Leiblichkeit ist, wie Heidegger
an dieser Stelle bemerkt (SuZ:108), eine besondere Problematik.
Kehren wir aber zum Thema der Ortlosigkeit des Logos und des digital
Seienden zurück. Die Beliebigkeit des Ortes betrifft im Grunde jedes
Seiende unter dem Gesichtspunkt des Vorhandenseins. Die Bindung der Dinge
an einen Ort hat, wenn wir Heideggers Phänomenologie folgen, mit unserem
Umgang mit ihnen zu tun (Zuhandensein), während Aristoteles diese
Bindung von der fu/sij,
von ihrem natürlichen Ort also, her denkt. Wenn wir aber die Möglichkeit
und die Seinsweise des Ent-fernens immer mit uns tragen oder sie uns trägt,
dann besteht ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Dort- und Dasein
und der Ortlosigkeit des Netzes. Der Logos kann über die Vergegenwärtigung
der Seienden zwar beliebig verfügen, dann aber ohne Anspruch auf Entbergung
(a)lhqeu/ein). Das
Einräumen des Daseins steht vordergründig gesehen in einem schroffen
Gegensatz zur Ortlosigkeit des Digitalen, wo also jede Ent-fernung genau
das Gegenteil bedeutet und beinhaltet als das daseinsmäßige
Ent-fernen. Letzteres impliziert ja, dass ein Da-sein ein immer schon Weg-
oder Dort-sein-können bedeutet. Die leibliche Bewegung des Daseins
(oder: im Da-sein) besagt, dass beim Gehen von hier nach dort, zwar eine
andere Stelle im Raum-Zeit-Kontinuum eingenommen wird, daß dies aber
nur die Sichtweise des Vorhandenen ist. Ich meine aber, dass unser Hier-und-dort-sein-können
— gleichgültig ob wir dies leiblich vollziehen oder nicht — eine Bedingung
der Möglichkeit darstellt, dass wir solche leiblosen (und auch die
leiblichen!) Techniken des Fort-seins entwickeln. Wären wir nicht
von dieser Art in unserem Im-Raum- und In-der-Zeit-sein, könnten wir
niemals ein Auto oder das WWW erfinden.
Was heißt 'Ent-fernen'? Es heißt nicht, so Heidegger, etwas
"in den geringsten Abstand von irgendeinem Punkt des Körpers bringen."
(SuZ:107), wie wenn wir zum Beispiel eine Brille tragen. Dazu schreibt
Heidegger: "Dieses Zeug hat so wenig Nähe, daß es oft zunächst
gar nicht auffindbar wird." (SuZ:107) Vielmehr: beim Durchqueren eines
Abstandes nimmt das Dasein seine Ent-fernung ständig mit, "weil
es wesenhaft Ent-fernung, das heißt räumlich ist." (SuZ:108)
Wir hören nicht in der Weise des besorgenden Seins-zu... auf zu sein,
wenn wir im digitalen Medium die Dinge anders ent-fernen. Wenn wir ein
digital Seiendes abrufen, das dann auf dem Bildschirm flackert und uns
sehr nah oder sehr fern "vorkommen" kann, ist dieses Vorkommen nicht bloß
‘virtuell’ oder gar ‘subjektiv’, sondern: "In solchem ‘Vorkommen’ aber
ist die jeweilige Welt erst eigentlich zuhanden." (SuZ:106)
Heidegger schreibt, daß wir — nach Platon — zwei Möglichkeiten
haben, uns Seiendes anzueignen, nämlich im 'logos' (lo/goj)
oder aber in der 'praxis' (pra=cij)
(GA19:274). Beim 'legein' (le/gein)
wird der Gegenstand nicht verändert ('ouden demiourgei' ou)de\n
dhmiourgei=). Er wird auch nicht an einen anderen Ort, z.B.
ins Bewußtsein, transponiert, sondern er bleibt, "wo er ist" (GA19:276).
Während der 'topos' (to/poj)
zum natürlich Seienden ('physei onta' fu/sei
o)/nta)) gehört, trennt Aristoteles
davon die arithmetischen und geometrischen Gegenstände, also die Einheit
('monas' mona/j) und den
Punkt ('stigme' stigmh/),
die ortlos ('atopoi' a)/topoi)
sind. So wie die natürlich Seienden aber an einem Ort gesetzt ('thetos'
qeto/j) sind, so sind die
geometrischen Gegenstände auch gesetzt, aber, da sie aus der 'physis'
(fu/sij) herausgenommen
wurden, haben sie "gegenüber dem physischen Körper eine Eigenständigkeit".
(GA19:110) Heidegger schreibt: "Die geometrischen Gegenstände sind
zwar nicht an einem Ort; gleichwohl kann ich an ihnen das Oben und Unten,
das Rechts und Links bestimmen; an einem Quadrat z.B. kann ich die Seiten
bestimmen: oben, unten, rechts, links." (ebd.). Das ist bei den Zahlen
dann nicht mehr möglich. Ihre Ordnung ist lediglich die des "Darauffolgenden"
('ephexes' e)fech=j). "Der
Mathematiker trennt" ('ho mathematikos chorizei' o(
maqhmatiko/j xwri/zei), so Aristoteles (Phys. II,2 193b31ff).
Offenbar ist 'chora' (xw/ra),
der Platz oder Raum, nicht dasselbe wie 'topos' (to/poj),
der Ort, obwohl Heidegger das terminologisch nicht so sauber trennt. Der
Sache nach ist es aber so, daß Zahlen und Punkte zwar ortlos, aber
zugleich getrennt (vom natürlichen Seienden) sind. Sie haben also
eine xw/ra d.h. sie sind
als 'choristá' (xwrista/)
bestimmt.
Zu Beginn der Sophistes-Vorlesung (GA 19:18) erwähnt Heidegger
zwei griechische Definitionen des Menschen, nämlich 'to zoon logon
echon' (to\ z%=on lo/gon e)/xon) und das rechnend-berechnende
Seiende ('arithmein' a)riqmei=n) oder 'zoon
arithmon echon' (z%=on a)riqmo/n e)/xon)
wie wir sagen könnten. Durch den 'logos' (lo/goj)
können wir etwas über die Welt sagen d.h. zu- oder absprechen
('kataphasis' kata/fasij und 'apophasis' a)po/fasij),
wenngleich diese Wahrheits-Funktion des 'logos' (lo/goj)
nicht die einzige ist. Die Bitte z.B., wie Aristoteles in Peri hermeneias
(17a) bemerkt, ist eine Form des Aufweisens, die aber nicht auf Wahrheit
oder Falschheit ausgerichtet ist, wie die hinweisende auf Übereinkunft
beruhende Verlautbarung ('phone semantike kata syntheke' fwnh\
shmantikh\ kata\ sunqh/kh). Heidegger schreibt: "Nicht jeder Satz
ist ein theoretischer Satz, eine Aussage über etwas, sondern irgendein
Ausruf, eine Bitte, ein Wunsch, ein Gebet ist kein 'logos apophantikos'
(lo/goj a)pofantiko/j),
in dem etwas mitgeteilt wird, wohl aber 'semantikos' (shmantiko/j),
er bedeutet etwas, wobei das Bedeuten aber nicht den Sinn des theoretischen
Erfassens von etwas hat." (M. Heidegger: Prolegomena zur Geschichte
des Zeitbegriffs, GA20:116). Der 'logos apophantikos' (lo/goj
a)pofantiko/j) ist also der "sacherfassende
und mitteilende Logos", wobei wir nach Aristoteles uns das Seiende sowohl
hinsichtlich seiner spezifischen Seinsstrukturen, wozu zum Beispiel die
Zahl ('arithmos' a)riqmo/j) oder die Bewegung
gehören als auch hinsichtlich dessen, was dem Seienden als Seiendes
gehört. Zum Letzteren gehört zum Beispiel das Eine ('hen'
e/(n), so Heidegger (GA19:212).
Was tut nun der 'logos apophantikos' (lo/goj
a)pofantiko/j)? Antwort: Er deckt auf ( 'aletheuei'
a)lhqeu/ei) und zwar nach Aristoteles auf fünf
unterschiedliche Weisen: 'episteme', 'techne, 'phronesis', 'sophia 'nous'
(e)pisth/mh, te/xnh,
fro/nhsij, sofi/a,
nou=j), die Heidegger im einleitenden Teil und
vor der Erörterung der Mathematik und der Geometrie darstellt (ebd.
S. 21ff). Wie verhalten sich aber aufdecken ('aletheuein' a)lhqeu/ein)
und abtrennen ('chorizein' xwri/zein)? Durch
Abtrennen ('chorizein' xwri/zein) können
die Ur-Sachen ('archai' a)rxai) der Seienden
nicht bestimmt werden, so Aristoteles gegen Platon. Die Anhänger der
Ideen trennen aber die 'physika' (fusika)),
d.h. sie wenden eine unzulässige oder unsachgemässe Art des 'logos'
(lo/goj) diesem Seienden gegenüber an.
Dadurch entsteht (der Schein) einer anderen Sache. Trivial gesagt: wir
können nicht die Sonne von ihr selbst trennen und als die wahre Sonne,
oder als Idee der Sonne in einem getrennten Ort setzen oder sie dort entdecken
wollen.
Hier müßen wir über die "Ortlosigkeit des Logos" nachdenken.
Wie ist das Aufdecken ('aletheuein' a)lhqeu/ein)
durch den zu- und absprechenden Logos? Wichtig scheint mir hier der Gedanke,
daß für Aristoteles der 'logos apophantikos' (lo/goj
a)pofantiko/j) an die 'aisthesis'
(ai/)sqhsij) sowie an die
'phantasia' (fantasi/a)
gebunden bleibt. Das drückte Thomas von Aquin mit dem von Karl
Rahner ausführlich analysierten Grundsatz der "conversio ad phantasmata"
aus, d.h. der Rückkehr der trennenden Abstraktion zu den sinnlich
wahrnehmbaren Dingen, so wie sie uns erscheinen (7).
Was tun wir aber, indem wir Punkte und Zahlen in das elektromagnetische
Medium setzen? Eigentlich setzen können wir ja nur Punkte und von
hier aus die geometrischen Figuren, also so etwas wie ein Netz konstruieren.
Die Ordnung der Zahlen wird ja nicht durch das Netzchaos berührt!
Auf die Zahlen können wir uns nicht nur rechnend, sondern auch berechnend
einlassen. Die globale Vernetzung ist also ortlos, aber gesetzt.
Mit Hinblick auf das vorher Gesagte sollten wir auch anmerken, dass
im Cyberspace das Dasein nicht weniger, wenngleich anders, ‘besorgend’
umgehen kann als in der ‘natürlichen’ Umwelt. Ein digital Seiendes
hat keinen Ort, wo es natürlich hingehört. Es ist aber hier die
Frage, ob wir nicht anders als Aristoteles und auch anders als Platon vorgehen.
Denn wir blicken auf das Seiende weder von einem übersinnlichen Topos
noch von der 'physis' (fu/sij),
sondern umgekehrt, vom Mathematischen und Geometrischen her, von wo aus
dann auch die 'physei onta' (fu/sei o)/nta)
als Konstrukte erscheinen.
Die Frage ist nur, ob all die sinnlich-leiblichen Dimensionen in ihrem
Sein nur dann zugelassen und das heißt als seiend zugelassen werden,
wenn sie sich von der Digitalisierung her erschließen lassen. Die
digitale Ontologie erhebt, wie jeder andere Seinsentwurf, einen Totalitätsanspruch,
der aber nicht mit Hinweis auf ontische Begebenheiten relativiert werden
kann. Meines Erachtens ist eine solche Relativierung nur dadurch möglich,
daß der ‘Anruf’ anderer Seinsentwürfe ‘wieder-holt’ und wachgehalten
wird. Der dadurch entstandene Wettstreit der Seinsentwürfe läßt
die 'gigantomachia peri tes ousias' (gigantomaxi/a
peri\ th=j ou)si/aj) (Platon), die Seinsfrage also, wieder
offen. Um dies mit anderen Worten zu sagen: Wenn wir alles als Materie
oder als Geist oder als Leben etc. erschließen, besteht gerade die
Arbeit des Denkens darin, diese Seinsentwürfe als solche zu thematisieren.
Dies führt letztlich zu der von Heidegger gestellten Frage nach dem
‘Ort’, wo die Seinsfrage sich stellt, zum ‘Da-sein’ also, sowie zu der
Einsicht, daß das Dasein grundsätzlich auf das Sichmelden des
Seins (im Seienden) offen ist.
Diese Daseinsweise wird scheinbar durch die Seinsart der Mittel durchkreuzt,
wenn also kein leibliches Ent-fernen stattfindet. Aber das Nahebringen
von z.B. Bildern, Tönen (oder: eines Vogels, eines Fisches etc.) ist
nur möglich, wenn die Möglichkeit des Dort-sein-könnens
eingeräumt ist. Das ist ja in gewisser Weise bei allen Lebewesen der
Fall, sofern sie nämlich an der Offenheit teilnehmen. Bei uns ist
aber diese Erfahrung ‘umsichtig’ und ‘ent-fernend’. Wo liegt das besondere
des digitalen Ent-fernens und seiner heutigen Instrumentalisierung? Wie
und wo sind wir, wenn wir im Netz sind? Was für ein Zwischen ist (erlaubt)
das Netz? Es gibt hier eine Architektonik, die nicht nur durch die Ortlosigkeit
der Geometrie und die Ungesetztheit der Zahlen, sondern auch durch die
Seinsweise des Daseins zustande kommt.
Vielleicht sollten wir bedenken, dass wir bei aller Geisterhaftigkeit
unserer Erfahrung des Im-Netz-seins, wir doch dabei immer 'aisthetisch'
sind (8). Alles, was sich am Bildschirm zeigt, zeigt
sich uns in der Weise der Anwesenheit und somit dessen, was wir zu Beginn
bezüglich des Ausdrucks "Der nächste Sinn von Sein" sagten. In
der digital vorgestellen Welt erfüllt sich der Sinn des Satzes: "Das
Sein der Welt ist Anwesenheit." (GA19:633). Wenn aber der Logos selbst
informierend wäre, ohne Weltverweis, wäre das auch eine Weise
des Her-vor-bringens oder somit auch des Künstlich-seins. Die Unterscheidung
zwischen der 'techne poietike' (te/xnh
poihtikh/) und der 'techne ktetike' (te/xnh
kthtikh/), d.h. der herstellenden und der aneignenden Technik
wird aufgehoben. Dies war die sophistische Ent-deckung des Logos.
Auch im Zustand des Traumes befinden wir uns in einem Medium, in dem
einige der merkwürdigen Eigenschaften des Cyberspace vorkommen so
z.B. die plötzliche Beziehung auf räumlich Entferntes oder das
Überspringen der kosmischen Zeit. Eigentlich ist das Klicken mit den
Fingern nur ein Mittel, wodurch wir uns "in diesem Raum bewegen", was auch
für Augenlider oder Gehirntätigkeit gilt. Diese körperlichen
Bewegungen setzen etwas in Bewegung, nämlich die Lichtsignale, wodurch
dann die Daten zu uns kommen. Es findet eine digitale Auslagerung oder
"ein outsourcing des 'nous' (nou=j)"
(M. Eldred) statt. Die Computerprogramme objektivieren — etwa auf einer
Festplatte — das Verstehen von Welt und machen die Auslegung dieses Verstehens
vom Prozessor berechenbar. Ich habe früher ein solches Phänomen
ein ‘verobjektiviertes Vorverständnis’ genannt und zwar in bezug auf
die ausdrücklichen Horizonte, die wir zum Beispiel einer Datenbank
zugrunde legen, wenn wir in/aus ihr etwas finden wollen. Dergleichen sind
Klassifikationen oder Thesauri, d.h. alphabetisch geordnete Sammlungen
von Fachtermini, die dann für eine gezielte Suche (information
retrieval) verwendet werden (9).
Was sich also zwischen dem Dasein und der elektromagnetischen Dimension
bewegt sind die Licht– bzw. elektromagnetischen Signale. Zugleich aber,
wie beim Telefon oder beim Fernsehen, sind wir in einer bestimmten
Weise bei den entfernten Dingen selbst. Das bedeutet, daß wir die
Möglichkeit haben, über Entfernungen, die unsere gewöhnlichen
körperlichen Möglichkeiten übersteigen, zu agieren. Ich
nenne das actio digitalis in distans (10). Unsere
Möglichkeit der digitalen Ent-fernung ist eine ausgezeichnete Weise
des In-der-Welt-seins.
Wir sind inzwischen über die Vorstellung einer Synthese von mechanischen
und menschlichen Elementen hinaus, das Paradigma der Mechanik ist von dem
der Digitalisierung abgelöst worden. Das bedeutet m.E. nicht nur,
daß wir uns in einem universellen Bereich der Zahlen und Buchstaben
bewegen, sondern daß wir sie in ein bestimmtes elektromagnetisches
'ekmageion' (e)kmagei=on)
einprägen, (wobei der Platonische Ausdruck hier nur teilweise richtig
ist, denn das 'ekmageion' (e)kmagei=on)
ist ja gänzlich formlos, während das elektromagnetische Medium
schon eine Form hat), um von hier aus alles Seiende in seinem Sein als
digital-seiend aufzufassen und zu formen, oder, um es Heideggerianisch
auszudrücken, um unser Sein-bei umsichtig (digital) zu besorgen. Da
wir aber im Netz auch ‘mit’ den Anderen sind, sind auch alle Möglichkeiten
des Ent-fernens von Dasein zu Dasein und somit auch alle (Verfalls-)Formen
der "Fürsorge" — von der "einspringend-beherrschenden" bis zur "vorspringenden-befreienden"
— innerhalb der Möglichkeiten dieses Mediums gegeben. Das bedeutet,
dass wir uns zugleich in unterschiedlichen Seinsentwürfen bewegen,
auch wenn wir sie nicht als solche wahrnehmen. Das elektromagnetisch und
mathematisch in-formierte 'ekmageion' (e)kmagei=on)
wird also zum Aufnehmenden. Es ist die 'chora' (xw/ra),
in die dann die 'topoi' (to/poi
eingeschrieben werden. Platonisch gedacht vermittelt dieser Raum zwischen
dem Sinnlichen und dem Übersinnlichen (dem Mathematischen).
4.
Was ist Information?
Wir sprechen von digitaler Information. Was ist aber Information? Vor
etwa zwanzig Jahren untersuchte ich diese Frage dem etymologischen Wink
folgend, den Carl-Friedrich von Weizsäcker gab:
"Man beginnt sich daher heute daran zu gewöhnen, daß Information
als eine dritte, von Materie und Bewusstsein verschiedene Sache aufgefasst
werden muß. Was man aber damit entdeckt hat, ist an neuem Ort eine
alte Wahrheit. Es ist das platonische Eidos, die aristotelische Form, so
eingekleidet, daß auch ein Mensch des 20. Jahrhunderts etwas von
ihnen ahnen lernt." (11)
Dieser Text stammt aus einem Vortrag "Sprache als Information", den Weizsäcker
im Rahmen der Votragsreihe "Die Sprache" hielt, die vom 19.-23. Januar
1959 in der Aula der Universität München, sowie vom 26.-30. Januar
im Ernst-Reuter-Haus in Berlin stattfand. Sie wurde von der Bayerischen
Akademie der Schönen Künste und der Akademie der Künste
zu Berlin veranstaltet. An dieser Vortragsreihe nahm auch Heidegger mit
dem Vortrag "Der Weg zur Sprache" teil (12). Heidegger
spricht von einem "Geflecht von Beziehungen, darein wir selber schon einbezogen
sind", wenn wir versuchen "die Sprache als die Sprache zur Sprache zu bringen".
"Ein Geflecht", so Heidegger, "drängt zusammen, verengt
und verwehrt die gerade Durchsicht im Verflochtenen. Zugleich aber ist
das Geflecht, das die Wegformel nennt, die eigene Sprache der Sprache.
Darum dürfen wir von diesem Geflecht, das dem Anschein nach alles
ins Unentwirrbare zusammendrängt, nicht wegsehen. Die Formel muß
unser Nachdenken eher bedrängen, damit es versuche, das Geflecht zwar
nicht zu beseitigen, aber so zu lösen, daß es den Blick in das
freie Zusammengehören der durch die Formel genannten Bezüge gewährt.
Vielleicht ist das Geflecht von einem Band durchzogen, das auf eine stets
befremdende Weise die Sprache in ihr Eigentümliches entbindet. Es
gilt, im Geflecht der Sprache das entbindende Band zu erfahren. Der Vortrag,
der die Sprache als Information bedenkt und dabei die Information als Sprache
denken muß, nennt dieses in sich zurücklaufende Verhältnis
einen Zirkel und zwar einen unvermeidlichen, zugleich aber sinnvollen.
Der Zirkel ist ein besonderer Fall des genannten Geflechtes." (ebd.)
Nach Heidegger sprechen nicht primär wir, sondern die Sprache 'spricht'
oder eher sollten wir sagen 'zeigt', was Heidegger die 'Sage' nennt, und
die uns das Sprechen gewährt. "Die Bewegung der Sage zur Sprache ist",
so Heidegger, "das entbindende Band, das verbindet, indem es er-eignet."
(ebd.). Heidegger kontrastiert das Ent-sprechen der Sage oder, wie wir
auch sagen könnten: das Ent-sprechen der natürlichen Sprache,
mit dem Entsprechen der Dinge in ihrer Bestellbarkeit, dem Ge-Stell
also: "Das so gestellte Sprechen wird zur Information" (ebd.). Von hier
aus wird die "natürliche" Sprache als die "noch nicht formalisierte"
Sprache aufgefaßt, das "Unbestellbare des Ereignisses" ist nicht
mehr im Blick. Eine Umkehr würde sich dann ereignen, "wenn das Ereignis
durch seine Einkehr jegliches Anwesende der bloßen Bestellbarkeit
entzöge und es in sein Eigenes zurückbrächte." (ebd.) Heidegger
sagt wohl der "bloßen" Bestellbarkeit, denn auch wenn die Seienden
aus dem Blick des Unbestellbaren, also des von sich Ereignenden, erblickt
werden, lassen sie sich ja auch (!) bestellen, so wie umgekehrt auch, sonst
wäre keine "Einkehr" möglich. Ich habe dieses Geflecht einmal
folgendermaßen zur Sprache gebracht:
"Die Sprache meldet sich zwar in der Information, sie kommt
aber wesentlich zu Wort in der Dichtung" wobei ich dann, Heidegger folgend,
unter "Dichtung" nicht das Machen von Gedichten verstehen, sondern die
dichterisch-denkerischen Erfahrung der (von der) Sprache verstehe, also
das Sich-sagen-lassen, das uns immer schon eingeholt hat, auch und gerade,
wenn wir Sprache als Instrument (also Sprache als Information) gebrauchen."
(13)
Genau dieser Zirkel zwischen Sprache als Sprache und Sprache als Information
ist das, was Weizsäcker im Blick hat wenn er von Information als (sprachliche)
Mitteilung und von Information im Sinne von Struktur (oder Form)
eines Gegestandes auffaßt. Mit dieser doppelten Sichtweise von Information
hat sich Weizsäcker öfter auseinandergesetzt. Ich habe diesen
Weg woanders zusammengefaßt (14). Hier nur so
viel: Information zielt auf Eindeutigkeit (und Genauigkeit) und befindet
sich dabei in einem Geflecht mit der natürlichen Sprache. Was sie
zum Ausdruck bringt, ist eben die Form eines Gegenstandes, wobei Weizsäcker
in diesem (frühen) Vortrag die Frage offen läßt, inwiefern
wir von Information jenseits der (menschlichen) Sprache sprechen können.
Dies wird in den späteren Schriften vertieft und zwar im Sinne der
bedeutungsschweren griechischen Begriffe: 'eidos' (ei)/doj),
idea (idea), 'typos' (tupoj)
und 'morphe' (morfh). Dabei hängen beide
Informationsbegriffe zusammen in einem Geflecht, sozusagen, wobei dann
alles auf die Frage nach dem "lösenden Band" ankommt: Die gewußte
Form ist zugleich die Form des Gegenstandes, das subjektive Wissen ist
zugleich "objektivierte Semantik". Daraus leitet Weizsäcker zwei grundlegende
Thesen, auf die er immer wieder zurückkommen wird, ab, nämlich:"Information
ist nur, was verstanden wird." und "Information ist nur, was Information
erzeugt." Die erste These ist so gemeint, dass auch von einem Organismus,
der die DNS-Information in Proteingestalten umsetzt, gesagt werden kann,
dass dieser die Information "versteht". Information und Verstehen sind
also Phänomene des Lebendigen. Daraus wird die zweite These abgeleitet.
Der Informationsbegriff wird hier auf den Prozeß der organischen
Formung bezogen.
Im Begriff der Information, so Heidegger im zusammen mit Eugen Fink
veranstalteten Heraklit-Seminar vom Wintersemester 1966/67, liegt eine
Zweideutigkeit vor, zum einen "die informations-theoretische Interpretation
des Biologischen und zum anderen den darauf gegründeten Versuch, aktiv
zu steuern":
"Die Gene", so Fink, "zeigen eine bestimmte Geprägtheit und haben
daher den Charakter von Langspeichern. Der Mensch lebt durch die genetische
Bedingtheit sein Leben, das er scheinbar als freies Wesen hinbringt. Hier
ist jeder der Bedingte der Vorfahren. Man spricht auch von der Lernfähigkeit
der Gene, die wie die Komputer lernen können.
Heidegger: Wie aber steht es mit der Information?
Fink: Unter Information versteht man einmal das informare, die Prägung,
das Formeinpressen und zum anderen die Nachrichtentechnik.
Heidegger: Wenn die Gene das menschliche Verhalten bestimmen, entfalten
sie dann die in ihnen liegenden Nachrichten?
Fink: Gewissermaßen. Bei den Nachrichten handelt es sich hier
nicht um die, die der Mensch aufnimmt. Gemeint ist, daß er sich so
verhält, wie wenn er einen Befehl aus dem Genespeicher bekäme.
Von hier aus gesehen wird die Freiheit zur geplanten Freiheit.
Heidegger: Information besagt also einmal das Prägen und zum anderen
das Nachricht-Geben, auf das der Benachrichtete reagiert. Durch die kybernetische
Biologie werden die menschlichen Verhaltensweisen formalisiert und die
gesamte Kausalität wird verwandelt. Wir brauchen keine Naturphilosophie,
sondern es genügt, wenn wir uns darüber klar werden, woher die
Kybernetik kommt und wohin sie führt." (15)
Das Problem des Informationsbegriffs liegt für Heidegger nicht darin,
dass er im Sinne von Prägen gebraucht wird, sondern in der damit verbundenen
(kybernetischen) Vorstellung, eines Nachricht-gebens. Bei dieser zweiten
Bedeutung übertragen wir aber eine Dimension des menschlichen Seins
auf die Ebene der Gene und begehen wir eine metabasis eis allo genos.
Dies kann in vieler Hinsicht nützlich sein, aber wenn diese Vorstellung
sich absolut setzt, dann ist es natürlich mit dem offenen Menschsein
dahin. Dieses Problem hat Weizsäcker Zeit seines Lebens beschäftigt.
Er drückt das mehrfach im Sinne der oben genannten "objektivierten
Semantik" aus. "Wieviel Information enthält die objektivierte Semantik
einer gegebenen Informationsmenge? Wieviel bits braucht man, um ein bit
zu verstehen?" ( Zwei Antworten sind, so Weizsäcker, möglich:
Wir können z.B. die Anzahl der genetischen Information auf 2 n
bits festlegen. Mit dem n drücken wir die Formmenge eines bestimmten
Individuums einer Spezies aus. Wir können aber auch die Formmenge
eines Organismus etwa so erfassen: DNS-Buchstaben x Anzahl der Eiweißmoleküle
x Anzahl der Zellen ... eine sehr große Zahl also, die Information
über die DNS-Kette des Kerns einer beliebigen Zelle eines beliebigen
Organismus dieser Spezies. Die erste Zahl artikuliert die Form oder das
Eidos aber nicht die Informationserzeugung, die zweite umgekehrt. Beide
Aspekte gehören aber im Informationsbegriff zusammen (Weizsäcker
a.a.O.).
Die Sprache ermöglicht uns, so Weizsäcker in einer späteren
Schrift (16), in einem Feld von Möglichkeiten/Formen
zu handeln. Begriffe sind kein Abbild der Welt, sondern Möglichkeiten
unseres Handelns. Information ist für uns wissbare Form über
die Gestaltenfülle der Dinge. Da wir in einem Selbstformungsprozeß
des Universums einbettetet sind, ohne dass wir das Ganze zu erfassen vermögen,
hat unsere Begrifflichkeit oder unsere In-formation —
also die Art und Weise wie wir in-formiert werden und wie wir die Dinge
(wissend) in-formieren) — eine besondere Unschärfe, die sich nicht
aufheben läßt. Wir können die Dinge, Kantisch gesprochen,
nicht so fassen, wie sie "an sich" sind. Oder, Heideggerianisch gesagt,
die Sage übersteigt immer unser Sprechen, und wenn wir die Sprache
als Sprache zur Sprache bringen, dann bewegen wir uns in Richtung auf diese
Gestaltenfülle, die wir durch das Setzen von Sprache als Information
notwendigerweise reduzieren und somit reduzieren wir auch die Dimension
der möglichen Gestaltenfülle oder des Seinsdessen, was ist.
Information meint also genau diese Spannung zwischen Formgebung oder
Bestimmung der Form (genitivus subjectivus) also den Prozeß
der Erzeugung von In-forma-tionen und Bestimmung der Form (genitivus
objectivus), also den Prozeß wodurch wir eine Form sprachlich
bestimmen, das Seiende also eidetisch/sprachlich fest-halten. Dieses können
wir auch in bezug auf die Sprache selbst tun, worauf sich Heidegger ebenfalls
im Vortrag bezog. Wo ist aber im Geflecht der Sprache mit sich selbst und
im Geflecht der Sprache mit der Welt das "entbindende Band"? Genau in der
Bewegung der "Sage" zur "Sprache", d.h. in einer Bewegung die ent-bindet,
oder ent-läßt oder er-eignet, also Möglichkeiten eröffnet,
anstatt sie fest-zu-schreiben. Das gilt, meine ich, auch für das Geflecht
zwischen Sprache und Welt, sofern nämlich hier die Bewegung von der
Welt her in die Sprache ent-lassen wird, so dass wir der Gestaltenfülle
in unserem Sprechen von der Welt und in unserem Handeln 'in' ihr so sind,
dass wir uns auf das Möglich-sein der Dinge einlassen, sie also von
unseren Be-griffen ent-binden, nachdem wir sie so und so auf-gefaßt
haben. Es handelt sich also um eine doppelte Bewegung, deren Band auch
unsere Wissenschaft und Technik ent-läßt und uns selbst
in das Frei-sein des Möglichen ein-läßt.
5.
Dasein, Dawesen und Tod
Der Philosoph und Mathematiker Oskar Becker (1889-1964), der bei Edmund
Husserl habilitierte und Mitherausgeber des "Jahrbuchs für Philosophie
und Phänomenologische Forschung" war, in dem Sein und Zeit
zuerst erschien, suchte in seinem Spätwerk eine Synthese zwischen
dem mathematischen und dem "existentiellen" Denken. Er sprach von einer
"paraexistentiellen" Naturverbundenheit oder "Dawesen" des Menschen — komplementär
zum "Dasein" — aus der heraus er Mathematik betreibt. Er schreibt:
"Denn das mathematische Denken verbindet höchste Rationalität
mit - im Prinzip - völligem Mangel an geschichtlichem Bewußtsein.
Also nicht aus den Kräften heraus, die ihn zum geschichtsbewußten,
'existentiellen' Wesen aufsteigen ließen, treibt der Mensch Mathematik,
sondern aus seiner unzerstörbaren, 'paraexistentiellen' Naturverbundenheit
erwächst ihm die Macht, die Natur, da wo sie unverstehbar ist, und
gerade da, durch mathematisches Denken zu enträtseln, das heißt
sie in dem ihr allein eigentümlichen 'kristallenen' Licht leuchten
zu lassen. So ermöglicht uns die Abwägung der Seins-Gewichte
von Geschichte und Mathematik einen tiefen Einblick in die Doppelgestaltetheit
des Menschen, in sein 'Dasein' und 'Dawesen'".(17)
Becker stellt fest, dass "die philosophische Frage nach der Grenze der
mathematischen Denkweise" erst in der Neuzeit auftaucht, auch wenn sie
in der Antike präfiguriert war und zwar im Gegensatz zwischen Platon
und Aristoteles bzw. zwischen dem "platonischen Realismus" und dem "Nominalismus"
oder "Konzeptualismus". Becker erläutert die Entstehung der mathematischen
Gebilde bei Aristoteles durch "Abstraktion" (aphairesis) und sieht hier
"einen ersten Ansatzpunkt" für das Problem der Grenze des Mathematischen
(ebd. S. 152). An einer anderen Stelle erläutert er die Entstehung
des Mathematischen bei Aristoteles wie folgt:
"Aristoteles ist der philosophische Theoretiker des Unendlichen, dessen
Wesen er im unbegrenzt fortsetzbaren Prozeß erblickt, so daß
es nach ihm bloß in der Form der Möglichkeit, 'der Potenz nach',
sein Sein hat. Den Grund des Seins des Mathematischen überhaupt -
das ist seine zweite fundamentale These - sieht der Stagirit im Gegensatz
zu Platon in der Abstraktion. Das heißt: er faßt die mathematischen
Gebilde nicht als in sich selbst und aus sich selbst bestehende Wesenheiten
('Substanzen') auf, sondern erklärt sie für durch 'Weglassung'
(Aphairesis) aus den konkreten physischen Dingen entstandene Objekte,
d.h. für Gedankendinge, Produkte des menschlichen (und vielleicht
auch des göttlichen) Geistes. In einem eigenartigen Zusammenhang damit
erfaßt er das Wesen der 'allgemeinen' mathematischen Gegenstände,
wie z.B. die Proportionen im Sinne der Eudoxischen Theorie, durch eine
höhere Stufe der Abstraktion von nicht generalisierender, sondern
formalisierender Art.
Hieran und an gewisse spätantike Weiterbildungen knüpft im
17. Jahrhundert die neue abendländische Mathematik an, die in ihrer
Idee einer Mathesis universalis, auf der Buchstabenrechnung Vières,
der analytischen Geometrie des Descartes und endlich auf den Leibnizschen
kühnen Entwürfen universaler Kalküle fußend, sich
im Laufe der drei folgenden Jahrhunderte zu einer gewaltigen, weitverzweigten
Wissenschaft von immer formaler werdendem Charakter entfaltet. Allein,
dieser unaufhaltsame Drang nach vorwärts, wie ihn besonders die Analysis
des 18. Jahrhunderts zeigt, führt zu Unbesonnenheiten, die Widersprüche
zur Folge haben." (ebd. S. 98-99)
Dadurch ergibt sich für Becker die Frage nach der Grenze des mathematischen
Denkens, die aber "weder Descartes noch Leibniz kennen". Für sie war
die Zahl "eine metaphysische Grundgestalt, welche die Struktur des Universums
wesentlich mitbestimmt." Erst mit Kant aber tritt ein "höchstbemerkenswerter
Rückschlag" ein (ebda. S. 153). Der Mensch ist nicht mehr, wie für
Leibniz, ein schaffender Spiegel des Universums, eine Ebenbild Gottes,
sondern er ist auf Anschauungen angewiesen und somit begrenzt. Geometrie
und Arithmetik sind nicht rein verstandesmäßig, sondern bedürfen
des Schemas der Zeitreihe. Hier liegt für Kant die Grenze des mathematischen
Denkens, denn Zeit, als Form des inneren Sinnes, ist etwas spezifisch Menschliches,
"das nicht jedem Vernunftwesen zukommt." (ebd. S. 154). Ob und wie aber
etwa göttliche oder andere nicht menschliche Wesen zählen, darüber
wissen wir nichts. Wie wirkt sich diese Grenze für Kant aus? Im Falle
der theoretischen Physik gelten die Gesetze der euklidischen Geometrie
soweit sie in die Sinne fällt, was aber die Möglichkeit
der modernen Physik offen läßt, so Becker, wenn diese andere
Strukturgesetze der Natur entdeckt. In bezug auf die reine Mathematik scheint
es so zu sein, dass Kant ihre Anwendung auf Dinge an sich ablehnen würde.
Becker sieht einen tieferen Grundsatz bei Kant, nämlich den von der
"Endlichkeit des Menschen". Hier trifft er sich mit Heideggers Existenzialanalytik.
Er schreibt:
"Die Zeit ist nicht nur die Form des inneren Sinnes, sondern die Grundstruktur
des menschlichen Daseins überhaupt. Wir sind als Menschen wesentlich
zeitlich; unsere Existenz selbst ist keine bloße Form, die uns umgibt,
sondern ganz und gar unser Sein und Wesen.
Das zeigt sich auch - so oft es auch verkannt wird - an der Mathematik.
Es ist nicht so, daß das mathematische Denken durch die Zeitlichkeit
und die damit aufs engste zusammenhängende Endlichkeit des Menschen
eingeschränkt oder gehemmt würde; sondern im Gegenteil wird es
allererst durch sie ermöglicht. Wir können und müssen nur
deshalb zählen und rechnen, weil wir zeitliche Wesen und endliche
Wesen sind. Ein ewiges unendliches Wesen zählt nicht. Es braucht nicht
zu zählen, ja es kann gar nicht zählen. Die Tätigkeit des
Zählens und Rechnens hätte für es gar keinen Sinn." (ebd.
S. 158).
Das steht im Gegensatz zu Leibniz ("Deum Deus calculat... , fit mundus"),
aber auch zum Geometrietreibenden Gott des Platon. Fazit: Nur ein endliches
Wesen stellt sich das mathematische Problem nach der Beherrschung des Unendlichen.
Auch ein unendlich lebender Mathematiker käme mit dem Zählen
an ein Ende. Dies weist wiederum auf den Aristotelischen Begriff der potentiellen
Unendlichkeit. "Weder Gott noch Tier können Mathematik betreiben,
das kann nur das Zwischenwesen Mensch." (ebd. S. 161)
Schließlich zitiert Becker Heideggers Wort, dass "Mathematik nicht
strenger, sondern nur enger als Geschichte oder Philosophie ist". Damit
wird Mathematik "an den Rand des Gebiets des Erkennbaren gedrängt".
Das, worauf es ankommt, ist ganz un-mathematisch:
"Die mathematische Betrachtungsweise verlegt sich ganz auf den "Bezugssinn"
einer Erscheinung, ist gleichgültig gegen ihren Gehalt (den sie als
bloßen Stoff ansieht) und vernachlässigt den Vollzugssinn —
soweit wie möglich. Daß ihr das nicht völlig gelingt, daran
ist, wie wir sahen, die unzerstörbare Verknüpftheit auch des
mathematischen Operierens mit der Endlichkeit des Menschen schuld. Seine
vornehme Zurückgezogenheit auf den Bezugssinn, seine "Neutralität",
muß der Mathematiker freilich mit der Verarmung seiner "Existenz"
bezahlen. Er ist dem lebendigen Dasein entfremdet." (ebd. S. 161-162)
Damit knüpft Becker an eine Überlegung zum Problem Verstehen/Erklären
an: Weder kann die Mathematik die Phänomene verstehen wie dies
die interpretierenden Geisteswissenschaften tun, noch kann sie immer alles
erklären. Sie kann aber ein Erscheinungsgebiet "beherrschen"
und hier sind ihr "keine Grenzen gesetzt" (ebd. S. 168).
Mit anderen Worten, die Grenzen des Mathematischen sind die, wo die
Interpretation der historischen Phänomene ansetzt und umgekehrt, die
Grenze des hermeneutischen Denkens zumindest die der anorganischen Natur.
Somit erweist sich diese Schranke als eine Grenze, die nicht die ihre ist,
sondern, paradox gesagt, die des historischen Verstehens:
"Was also eigentlich beschränkt wird, ist der universale Anspruch
des historisch-hermeneutischen "Geistes", alles verstehen zu können.
Von hier aus gesehen, erfährt die früher angeführte Äußerung
Heideggers über die "Enge" der Mathematik im Vergleich zur Geschichte
eine eigentümliche Beleuchtung. Nicht die Mathematik, sondern die
"Geschichte" erscheint jetzt als "eng", d.h. beschränkt in ihrem möglichen
Ziel und ihres allumfassenden Anspruchs beraubt. Die Gebiete der Mathematik
und Geschichte schränken sich gegenseitig ein; in diesem Punkte besteht
eine symmetrische Gleichberechtigung von beiden. Aber in anderer Hinsicht
ist ein Unterschied zwischen ihnen. Das mathematische Denken macht von
vornherein nicht den Anspruch, allumfassend zu sein." (ebd. S. 170).
Das scheint mir das 'Vor-Urteil' von Oskar Becker gegenüber dem Universalitätsanspruch
der Hermeneutik zu bestätigen. Wenn aber Heidegger einen anderen nicht-sprachlichen
Zugang zum Sein sucht, dann denkt er wohl weder mathematisch, noch 'logisch',
noch hermeneutisch. Könnte es sein, dass Heidegger hier nach den Grenzen
des Logos sucht, und diese im Sein erblickt? Hätten wir aber dann
nicht eine ähnliche Situation wie Kant gegenüber dem "Ding an
sich", d.h. etwas worüber er eigentlich nicht sprechen — was er nicht
begreifen — kann, das er aber dennoch benennt? Was für einen Sinn
hat die Rede von 'Grenze', worauf Becker hinweist?
Ich denke in diesem Zusammenhang an Jacques Derridas Apories . Mourir
— s'attendre aux 'limites de la vérité' (18).
Wir sprachen ja auch von den Grenzen von Punkten und Linien. Wir haben
dabei stets mit Raum und Zeit zu tun. Heidegger nennt sogar das Mensch-sein
von seiner Grenze her als "Sein-zum-Tode". Wird da der Tod 'verstanden',
indem er zur Sprache gebracht wird? Derrida thematisiert auch in diesem
Zusammenhang die Frage des Wartens und Erwartens, der "Sorge" also, ein
klassisches jüdisch-christliches Thema (ebd. S. 139).
Wir sprechen auch vom 'Zeitpunkt' des Todes, was juristisch und medizinisch
zum Beispiel in Zusammenhang mit Spenderorganen wichtig ist. Für Heidegger
gehört die Vorstellung von Zeitpunkten, die 'Jetztzeit', zum 'vulgären'
Zeitbegriff von dem sich die ursprüngliche Zeitigung des Existierens
abhebt. Letztere bezieht sich auf das Zusammengehören der drei "Zeitekstasen"
(Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft). Der späte Heidegger bedenkt
sogar dieses Zusammengehören im Sinne einer vierten Dimension der
Zeit. Daraus läßt sich schließen, dass die 'eigentliche'
Zeit einen Raumcharakter hat oder, anders ausgedrückt, dass die 'Zeitpunkte'
zwar abstrakt oder 'gesetzt' sind, aber durch diese Setzung den ursprünglichen
'Ort', das Dasein, nicht mehr erblickt wird. Dadurch können wir sie
zählen und zum Beispiel Uhren bauen. Die Uhren zählen dann die
Zeit und bringen den Tod, wie in antiken Uhren sichtbar, mit einem Punkt
zusammen. Die Grenze des Todes wird dadurch nicht begriffen aber berechenbar.
Mit dem Zählen der Zeit werden die Zahlen auf einen Ort (in einer
Uhr) festgelegt. Daraus entsteht ein neues Gefüge zwischen Zeit, Punkt,
Zahl und Ort, in dem die Punkte verzeitlicht und die Zahlen verortet werden.
Mir scheint dieses Gefüge wesentlich für die Konstruktion von
Maschinen — zunächst Uhren, dann Computer —, die nach diesem Prinzip
funktionieren. Dem Geviert von Zeit-Ort-Punkt-Zahl entspricht das Geviert
Tod-Leben-Logos-Eidos und immer bedenken wir dabei ihr eigenes 'Sein':
Tod-sein, Am-Leben-sein, So-und-so-sein und So-und-so-verstanden-sein.
Zum Todesbegriff (eigentlich ist das ein Oxymoron!) gehört dann auch
'Materie', so wie zu Leben auch 'lebendige Materie' gehört. Aber das
sind ja metaphysische Begriffe: Sie kennzeichnen nur ein Problem. Wir können
aus der jeweiligen Perspektive die anderen Seinsweisen erblicken aber dadurch
verzerren wir sie auch aufgrund der Perspektive.
6.
Digitale Weltvernetzung und Kapital
Zu Beginn des Kapital im ersten Kapitel "Die Ware" schreibt Marx:
"Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen die kapitalistische Produktionsweise
herrscht, erscheint als eine ungeheure Warensammlung, die einzelne
Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der
Analyse der Ware." (19) Jetzt müssen wir diesen
Satz folgendermaßen umformulieren: "Der Reichtum der Gesellschaften,
in welchen die digitale Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ungeheure
Informationssammlung, die einzelne Information als seine Elementarform.
Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Information." Die
Information ist aber — ich ändere den folgenden Text von Marx — kein
äußerer Gegenstand, kein Ding, das durch seine Eigenschaften
menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt, sondern Information
ist ein Prädikat zweiter Ordnung. Menschliche Informationsbedürfnisse
werden nicht durch die Eigenschaft eines äußeren Dinges genannt
Information befriedigt, sondern ein Ding mit Eigenschaften tritt erst in
ein Informationsverhältnis ein, wenn es in einem (digitalen) Wertzusammenhang
erfaßt wird.
Das Eigentümliche dieses Verhältnisses liegt darin, dass auch
wir prima facie sagen, dass ein ‘objektiver’ Informationsbedarf
oder ein subjektives Informationsbedürfnis befriedigt wird, in Wahrheit
dieser Bedarf/dieses Bedürfnis ins Unermeßliche steigt, denn
wir können nie genug/ausreichend informiert (und in-formiert)
sein. Warum nicht? Weil die Situationen, in denen wir die Dinge in ein
Informationsverhältnis bringen können (oder in denen sie erscheinen
können), im wahrsten Sinne des Wortes un-endlich sind. Lediglich der
Tod stellt eine (für uns) nicht überschreitbare Grenze der In-formation
dar. Das Wertsein läßt sich nicht allein und ausschließlich
durch den Bezug auf seine Herstellbarkeit durch den Menschen ausmessen,
sondern hat eine Eigendynamik, weil wir, in der Sprache der Systemtheorie
ausgedrückt, keine Beobachterstelle außerhalb des Systems besitzen:
Jede Beobachtung ist eine Bewertung, die im selben Augenblick (wie bei
der Quantenmechanik) den Wert des Beobachteten ändert. Wenn dies auch
von anderen Beobachtern/Bewertern getan wird, dann ist es buchstäblich
unmöglich, mich überall bei mir und bei den anderen zu befinden.
Einen absoluten Beobachter der alle Werte in sich vereint, scheint es nicht
zu geben. Die Dinge haben also letztlich einen un-faßbaren
Wert. Unter einer eingeschränkten ökonomischen Perspektive und
bezogen auf das Wissen gilt aber insofern die Marxsche Analyse als nur
jenes Wissen wertvoll ist, dass zur Steigerung des Kapitals beiträgt
und somit gewinn-bringend ist, der Maßstab des Wissens ist nicht
die Wahrheit, sondern der Gewinn, dies nicht kulturkritisch gemeint, sondern
im Sinne dessen, was Wissen aus der Perspektive des Wertes ist,
damit geht ineins die Veränderung der Wissensinstitutionen, -vermittlungen
etc.etc. Der gierige Mensch ist deshalb gierig, weil er sich dem un-endlichen
Drang der Mittel aussetzt und er tut dies, weil er ein unbegrenztes Verlangen
nach Leben, Genuß und eben auch nach Wissen ist.
Wenn die Digitalisierung zu einem Entbergungsmodus des Seienden im Ganzen
wird und wir dann mit Recht von einer ‘digitalen Ontologie’ sprechen können,
dann erscheinen alle ‘Regionen’ oder ‘Sphären’ des Seienden als digital-seiend.
So sprechen wir jetzt von E-Commerce und E-conomy, aber auch von virtuellen
Hochschulen, virtuellen Gemeinschaften, Internet-Demokratie, digitalen
Bibliotheken, usw. Wie ist das Verhältnis zwischen den Zahlen und
dem Kapital? Wodurch wird das Kapital konstituiert? Bedarf das Kapital
auch eines homogenen Mediums wie die Zahlen?
Dazu gehört die schon angesprochene Qualität der Verselbständigung
bei technischen Produkten. Die digitale Weltvernetzung ist aber eine hybride
Erscheinung, die zugleich selbständig und unselbständig ist.
Das macht sie auch so schillernd, menschenfreundlich oder -ähnlich
und fetischartig zugleich. "Fetischismus" kommt vermutlich vom Portugiesischen
‘feitiço’, was, laut Duden, so viel bedeutet wie "Zaubermittel",
wörtlich "Nachgemachtes, künstlich Zurechtgemachtes" sowie dann
"mit magischer Kraft erfüllter Gegenstand, Götzenbild". Eigentlich
gehört Eigenleben dem Natürlichen, der 'physis' fu/sij
also.
Eine Kategorie wie Warenbesitzer ist nicht eins zu eins übertragbar
auf Informationsbesitzer. Der Austausch von Informationen und der Austausch
von Waren sind nicht gleichwertig. Die Zirkulation von Information und
die Warenzirkulation schaffen nicht dieselbe Art von Wert, weil sie ja
nicht menschliche Bedürfnisse im selben Maße ‘befriedigen’.
Geldfetisch und Warenfetisch entstehen dadurch, daß Dinge außer
Kontrolle des "gesellschaftlichen Produktionsprozesses" geraten (Marx Kapital
a.a.O. Band 1, 1. Kap.). Ausgerechnet das abstrakte Medium Geld ist "nur
das sichtbar gewordene, die Augen blendende Rätsel des Warenfetischs."
(ebd.) Menschliche Arbeit ist aber nur eine (mögliche) Form von In-Formation
und sie wird heute im Rahmen des Digitalen vollzogen. Das verändert
aber die ganze Marxsche Analyse von Grund auf. Marx schreibt, daß
der Fetischcharakter der Waren dadurch entsteht, daß diese als selbständig
(also als Waren) erscheinen, obwohl sie (bloß) ein Produkt gesellschaftlicher
Arbeit sind. "Es ist nur das bestimmte gesellschaftliche Verhältnis
der Menschen selbst, welches hier für sie die phantasmagorische Form
eines Verhältnisses von Dingen annimmt." Nicht nur die In-formationsprozesse
der (natürlichen) Dinge untereinander (die Evolution also), sondern
ebensosehr die menschlichen und ganz besonders die digitalisierten Informationsprozesse
setzen in der Tat unabsehbare ‘phantasmagorische’ Prozesse in Gang, welche
aus der Sicht der Warenwelt im Sinne von materiellen Arbeitsprodukten nur
geahnt werden können, oder, "um eine Analogie zu finden, müssen
wir in die Nebelregion der religiösen Welt flüchten." (ebd.)
Die Nebelregion ist jetzt die der materiellen Welt, und die Warenform im
Sinne des Wertverhältnisses der Arbeitsprodukte ist bloß ein
Derivat der In-formation. Wir müssen, mit anderen Worten, Marx und
das Kapital auf die Füsse der Information stellen. Der Ansammlung
von Geld im Kapital folgt heute die Vernetzung von Information.
Für Massimo Negrotti gehört zur Künstlichkeit die Nachahmung
eines Originals — das auch wiederum etwas Künstliches sein
kann — wenn in seinen Funktionen und/oder im Substrat etwas verändert
wird (20). Laut Negrotti müssen wir immer bestimmte
Perspektiven gegenüber dem Original einnehmen, d.h. wir können
nicht gleichzeitig das Original insgesamt wiedergeben. Dadurch
verursachen wir einen Unterschied, der die Künstlichkeit des Hergestellten
gegenüber dem Original ausmacht. Die Nachahmung kann sich entweder
auf die natürliche Wiedergabe des Originals oder auch auf einer abstrakten
oder instrumentellen Ebene abspielen, ja letztere kann rein rational enstehen,
wenn bestimmte Funktionen durch Maschinen ausgeführt werden sollen.
Außer der "künstlichen Technologie" sind wir aber auch in der
Lage "konventionelle Technologie" herzustellen, deren Ursprung nicht in
der Nachahmung eines Originals, sondern in der persönlichen Welt bzw.
im Vorverständnis oder im "taciten" Wissen (M. Polanyi) des Autors/Herstellers
liegt.
Dementsprechend unterscheidet Negrotti zwischen "Naturoiden" und "Technoiden"
und entwirft eine kulturgeschichtliche Entwicklung zwischen diesen beiden
Polen. So wäre zum Beispiel in der Antike die Nachahmung ('mimesis'
mimesij) an die Natur orientiert,
während zur Zeit des Rationalismus bestimmte Maschinen nach bloßen
zweckrationalen oder instrumentellen Kriterien entwickelt wurden. In diesem
Fall spricht Negrotti von "konventioneller Technologie". Künstliche
Maschinen sind aufgrund ihres naturoiden Charakters naturgemäß
benutzerfreundlicher. Auch eine rein rationale Technik wie die Computertechnik
sucht nach freundlichen Benutzerschnittstellen. Die Welt des Digitalen
entspringt zunächst dem rein Rationalen und ist keine künstliche
Technik im Sinne Negrottis. Erst wenn sie in Zusammenhang mit einem Original
gebraucht wird, wird sie zu einer Technologie des Künstlichen. Wenn
aber die gesamte Realität in all ihren Dimensionen, das Seiende im
Ganzen also, als Original anvisiert wird, dann haben wir als Ergebnis eine
digitale Ontologie, oder, genauer gesagt, eine Ontologie des Künstlichen.
So gesehen hängen Fetischisierung und Künstlichkeit nicht
zusammen, wie die Wortherkunft es andeutet. Auch die Verselbständigung
eines künstlich Hergestellten gegenüber dem Hersteller ist eine
bestimmte Form von Künstlichkeit. Für Negrotti haben nur natürliche
Gegenstände und Maschinen der konventionellen Technologie einen autonomen
Status, denn sie bestimmen sich nicht durch ihren Bezug auf ein anderes.
Das ist aber bei künstlichen Maschinen wesentlich. Fetischisierung
hängt mit der Selbständigkeit der konventionellen Technik zusammen.
Man könnte lediglich sagen, dass die Arten der Selbständigkeit
bei natürlichen Gegenständen und bei konventionellen Maschinen
unterschiedlich ist und dass dieser Unterschied in der Fähigkeit der
Fortpflanzung besteht. Wenn also konventionelle Technologie — wodurch auch
immer — eine Eigendynamik der Fortpflanzung erhält, die zu nicht-vorhergesehenen
Zielen und Nebenwirkungen führt, dann hätten wir mit einer nicht-beabsichtigten
Entwicklung zu tun, die dem Wesen der konventionellen Technik widerspricht.
Beim Künstlichen wäre aber eine solche Erscheinungsweise durchaus
'natürlich', d.h. beabsichtigt.
Negrotti sieht das so:
"In this sense we can easily understand, without approving of all
their views, the sceptical of (sic!) negative reactions that bring together
many philosophical traditions which are very different from each other.
These include such authors as Hegel, Whitehead, Heidegger and Habermas.
Despite such a good premise, one of the worst consequences of these traditions
has been to prevent a part of mankind from understanding not only the interest
and beauty of conventional technology as such, that is to say a genuine
creation of reason, but also of understanding the deep difference between
conventional technology and the technology of the artificial, and man's
likewise different and illuminating connections with human nature." (Negrotti,
a.a.O. S. 34)
Die erste Phase der Globalisierung war, in Negrottis Terminologie, durch
eine nachahmenden Technik bestimmt. Die Globalisierung war insofern eine
künstliche, als sie die natürlichen Formen der Globalisierung
und ihre 'Instrumente' nachahmte. So also zum Beispiel ein Segelschiff,
das die Erdumrundung von Fischen oder Vögeln 'kunstvoll' als techne-haft
nachahmt. Die zweite Phase in Europa ist die der konventionellen Technik,
aus der sich die Entwicklung des Computers herleitet. Diese mündet
aber in eine Form, die die 'natürlichen' Gespräche zwischen den
Menschen nachahmt. Das tat zwar schon die Schrift und später der Buchdruck
in unterschiedlicher Weise, jetzt aber dient dazu das digitale Medium.
Wir hätten also zunächst mit einer künstlichen Globalisierung,
dann mit einer technischen und jetzt mit einer künstlichen-technischen
zu tun.
Es ist dieser Entfernungen abschaffende, Zeitdifferenz einebnende Seinsentwurf,
der durch die digitale Technik die Welt als ein einheitlicher Globus erst
ermöglicht. In der Ent-sprechung zum digitalen Entwurf werden wir,
die Menschen, gezwungen, mit der neuen Weltöffnung mitzulaufen. Zugleich
sind wir aber wir selbst, die diese Entwicklung herbeischaffen, auch wenn
wir dann uns den Gesetzmäßigkeiten des Geschaffenen unterstellen
müssen. Dazu gehört die schon angesprochene Qualität der
Verselbständigung bei technischen Produkten. Die digitale Weltvernetzung
ist aber, wie gesagt, eine hybride Erscheinung, die zugleich künstlich
und technisch, also selbständig und unselbständig ist. Das macht
sie auch schillernd, menschenfreundlich oder menschenähnlich und fetisch-artig
zugleich. Dieser arithmologische Entwurf hat also eine doppelte Herkunft:
Auf der einen Seite ist er, sofern er rein mathematisch ist, eine rein
technische Produktion des menschlichen Geistes, ohne Bezug zu etwas Vorhergehendem
oder zu einem Original, auf der anderen Seite aber stellen wir künstliche
Zusammenhänge zu einzelnen Seienden, ja zum Seienden im Ganzen her
so dass die Digitalisierung einen ontologischen Rang erhält. Wir leben
dann mitten in einer digitalen Welt, die zugleich arithmetisch oder "technologisch"
und "künstlich" ist, in Negrottis Terminologie.
Negrotti sieht die verschiedenen Phasen der Technikentwicklung, eine
nachahmende oder "künstliche" Technik in der Antike, eine "konventionelle
Technik" in der Neuzeit, eine gemischte Form von Technik heute, als weder
geplante noch planbare Entwicklung. Kreativität liegt für Negrotti
darin, dass implizites Wissen sich allmählich den Weg in die gemeinsame
Welt bahnt, also 'ent-borgen' und so mit anderen geteilt wird. Negrotti
schreibt:
"In fact, personal meanings, or, on a different level, tacit or personal
knowledge (Polanyi, 1966) are the original objects that belong to the subjective
context and, therefore, can be reproduced in a sharable way only if their
bearer succeeds in making them visible as if they were, so to say, objects
of the external world. This explains the frequent, though often illusory,
use of the analogy by which someone who does not know the object at the
centre of someone else's discourse tries to build a reliable representation
of the matter.
The aim of this book is to put forward a theory of what it means to
build an artificial object or machine when human beings are not intentionally
looking for radically new realities but are, on the contrary, trying to
reproduce something which potentially everybody sees, or something they
perceive in their own internal 'landscape', which they wish to share with
other people." (Negrotti, a.a.O. S. 17)
In diesem Sinne sehen die Wirtschaftswissenschaftler Nonaka und Takeuchi
den Prozess der Schaffung neuen Wissens in einem Unternehmen wesentlich
durch Metaphern und Analogien sowie durch das Explizitmachen ' impliziten
Wissens' ('tacit knowledge') ermöglicht (21).
Warum also die negative Kritik im Hinblick auf die Verselbständigung?
Liegt nicht hier bei Marx implizit der Gedanke des Verlusts menschlicher
Kontrolle, also die Gefahr des Inhumanen in bezug auf ein menschliches
Produkt, das Kapital, das rein zweckrationalen Charakters ist? Wenn aber
das Kapital nicht zu den künstlichen, sondern zu den konventionellen
Technologien gehört, ist diese Verselbständigung 'natürlich'.
Es besteht das Problem, dass die so beschaffene Technik, 'übers Ziel
hinaus' geht und sich in diesem Sinne (!) 'verselbständigt', d.h.
die rational vorgesehene Teleologie verläßt. Sie wird so zu
einem merkwürdigen Gebilde: Es ist rational gedacht, verhält
sich aber wie die Naturprozesse, die zwar teleologisch erscheinen, ohne
aber den Sinn ihres Daseins preiszugeben. Diese Lage ist nur dann paradox,
wenn wir diejenigen sind, die eine solche Erscheinung hervorbringen und
dabei zugleich die Kontrolle über sie verlieren. Das Ding wird dann
zum - Fetisch, oder sollen wir vielleicht sagen: zum Geschick?
Dieses Geschick ist nichts Schicksalhaftes im Sinne einer fremden Macht,
die über unsere Geschicke entscheiden würde, sondern wohl der
von uns nie völlig durchschaubare und steuerbare, zuweilen sprunghafte
Verlauf, keine behagliche Ent-Wicklung also, unserer Entbergung von Welt,
d.h. der verschiedenen Weisen, wie wir den Phänomenen begegnen können
und sie ansprechen bzw. wie wir uns von ihnen ansprechen lassen können.
Selbstbewegung ist das, was die moderne Biologie mit dem Begriff der Selbstorganisation
teilweise meint. Es handelt sich nicht um eine Quasisubjektivität,
sondern es sind die vielfältigen Möglichkeiten der Wechselwirkung
der Teile, die die Bewegung des Ganzen ('holon' o/(lon)
unberechenbar machen. Dabei nützt wenig, dass im Grunde die Komplexität
dieser Wechselwirkung nur auf z.B. zwei Bausteinen (0/1) beruht.
In seiner Arbeit zum Wertbegriff bei Heidegger erläutert Carlos
Gutiérrez den Unterschied zwischen der englischen (Adam Smith) und
der deutschen Werttradition (22). Während die englische
Schule Wert in einem objektiven Sinne, als "Quantität der Arbeit"
bestimmt, geht die von Kant beeinflußte Denktradition von Wertsetzung
durch das autonome Subjekt, das wiederum einen absoluten Wert bzw. Würde
besitzt, was aber im gewissen Sinne eine zirkelhafte Argumentation darstellt
und in der Ethik zur Absolutsetzung dieses einen Wertes führt. Sowohl
der frühe Hegel als auch Heidegger haben sich deshalb um eine Rückführung
der Ethik auf das frühgriechische 'ethos' (eqoj
= Gewohnheit bzw. vqoj = Charakter) bemüht.
Dadurch werden Handlungen nicht mit einem absoluten Ideal im Rahmen intersubjektiver
Verständigung verglichen, sondern in ihrer eigenen Finalität
gesehen (Gutiérrez, a.a.O. S. 34). Das Kantische Reich der Endzwecke
wird dann bei Rickert zum Reich der Werte, die Erkenntnistheorie wird zur
Wertlehre. Die Kälte der Kantischen Philosophie wird im Laufe
des 19. Jahrhunderts — zum Beispiel bei H. Lotze mit dessen Werk Heidegger
vertraut war —, durch den Bezug auf das Gefühl kompensiert.
Heideggers frühe Schriften zeugen von dieser Herkunft, so zum Beispiel
seine Überlegungen zum Geltungsbegriff. Erst mit dem Durchbruch in
Sein und Zeit stellt sich die Wertfrage ganz anders, nämlich
in bezug auf den praktischen Umgang mit den Dingen. Der "Wert" der Dinge
hängt mit dem praktischen Gebrauch, den wir von ihnen machen, zusammen.
Die Geschichte der Metaphysik ist die Geschichte der Verselbständigung
von Sein als Anwesenheit, dessen Anfang die platonische Ideenlehre darstellt.
Heideggers Kritik des Wertbegriffs ist also metaphysisch und zielt auf
die Infragestellung dieser Verselbständigung, die dem zeitlichen und
endlichen Charakter menschlichen Lebens, des "Daseins" also, nicht entspricht.
Wir können von einer Fetischisierung des Sollens sprechen, so wie
sie Marx in bezug auf das Kapital ankreidet. Die Schaffung einer Sphäre
der absoluten Werte entsteht aber nicht aus der Nachahmung eines 'Originals',
sondern sie wird rein rational postuliert, hat also eher den Charakter
eines Kunstwerkes. Die rationale Begründung einer solchen Sphäre
kann sich somit letztlich nur 'im Kreise drehen', denn sobald sie das In-der-Welt-sein
berührt, verliert sich ihre Aura und wird zum 'ethos' (vqoj).
Darin liegt also eigentlich Heideggers Kritik.
Wenn bei Rickert Kants "kopernikanische Wendung" so verstanden wird,
dass das menschliche Leben sich nicht um die Realität, sondern um
Werte dreht, dreht sich für Heidegger dieses Denken letztlich um den
Willen der wertsetzenden Subjektivität, wie sie Nietzsche postuliert
(C. Gutiérrez, a.a.O. S. 108 ff.). Menschliches Leben ist aber für
Heidegger primärweltentwerfend und nicht wertsetzend. Erst aus den
so oder so ausgerichteten Weltbezügen können wir die Offenheit
und Vorläufigkeit des Lebens 'wahr-nehmen'. Das Gegenteil ist aber
der Fall, wenn wir uns hinter den Werten verschanzen und in deren "trüben
Gewässern" fischen, wie Heidegger 1935 in einer berühmt-berüchtigten
Passage seiner "Einführung in die Metaphsysik" (S. 152) in bezug auf
die "nationalsozialistische Philosophie" bemerkte. Daraus ergibt sich freilich
das Problem, sich für eine Sache zu engagieren, deren Entwicklungsmöglichkeiten
offen, die aber nicht dadurch weniger "trübe" sind. Natürlich
widerlegt der "Fall Heidegger" keineswegs die Spannung menschlichen Lebens,
das sich zwar mit Hilfe von Werten schützen kann, letztlich aber das
Leben selbst unter das Diktat der Ökonomie und der Vergleichbarkeit
aller Werte stellt. Der ethische Konsequentialismus zieht daraus alle Konsequenzen,
die durch den Wegfall der metaphysischen Wertlehre möglich sind. Der
Ruf nach einem stabilen Wertekanon wird dann bald laut und wir sind dort
angekommen, von wo aus wir gestartet sind.
Wir könnten aber weniger von der Unübersichtlichkeit als von
der Unberechenbarkeit der binären Differenz sprechen. Komplexität
und Einfachheit widersprechen sich nicht. Die Seinsfrage ist damit nicht
direkt gestellt, aber wir können sie zumindest teilweise in die Sprache
der Wissenschaft über-setzen (auf die Gefahr hin, sie zu verfälschen).
Natürlich sind Komplexität und System Seinsweisen oder Weisen
wie das, was ist, sich zeigt.
Die Zirkulation des Kapitals ist aber auch denkbar einfach. Sie beruht
nämlich auf dem wertenden Entwurf des Seins, der zwar seine Ursprünge
in der griechischen Metaphysik hat, aber erst in Europa im 19. Jh. voll
zur vollen Entfaltung kommt. Das verschaffte damals nicht weniger Unruhe
als heute die digitale Ontologie. Beunruhigend sind also nicht die Seinsentwürfe
selbst und ihre Unberechenbarkeit, sondern daß wir immer noch nicht
gelernt haben, mit ihnen umzugehen, also zu denken. Hier liegt die Falle
des Humanismus: Nicht dass der Mensch tot wäre, oder dass wir keine
Moral mehr hätten (stimmt ja teilweise), sondern dass die Antwort
auf die Ontologie der Bestellbarkeit kaum aus der Metaphysik des Humanismus
kommen kann, denn diese ist wiederum eine Antwort auf einen ganz anderen
Seinsentwurf und Seinsruf. Bei Heidegger klingt das zum Teil kulturkritisch,
aber es klingt nur so, solange wir nicht lernen, der Sache gewachsen zu
sein. Dies wird aber wiederum nur verstanden mit Rückgriff auf die
vergangenen Antworten auf vergangene Seinsentwürfe. Seinsentwürfe
laufen immer auf nichts hinaus, denn es gibt nichts außer
dem Seienden, das Sein ist ja nichts außer dem Sich-geben selbst.
Dass es aber ein Sichgeben gibt, läßt sich nicht wiederum vom
Seienden her denken. Der Wille zum Willen bedeutet die Bewegtheit um der
Bewegtheit willen, ohne Warum und ohne Ziel. Diese Form des Seins ist uns
offenbar un-heimlich und deshalb suchen wir nach einem Prinzip, anstatt
sie sein zu lassen, als was sie ist.
Die Rede von der Verselbständigung der Kapital- und Informationszirkulation
kann ins Metaphysische ('hypokeimenon' u(pokei/menon)
abdriften. Gemeint ist aber nicht eine uns gegenüberliegende oder
zugrundeliegende Substanz, welcher Art auch immer, sondern gerade die Infragestellung
von sub-stantiellen Verhältnissen. Das Bleibende, um es paradox
zu sagen, sind nicht die Sub-jekte, sondern die nicht voraussagbaren unberechenbaren
Ereignisse und ihr Anrufcharakter. Vielleicht ist die Verselbständigung
so zu verstehen, daß uns gewisse Phänomene, die von uns her-gestellt
werden, einen eigenen Anrufcharakter bekommen. Wir glauben dann, sie wären
etwas Selbständiges und/oder versuchen sie zu entzaubern, bis wir
aber endlich entdecken, dass dies keine Entfremdung bedeutet, sondern dass
alles, was ist, uns als solches anzusprechen vermag. Wir aber tendieren
dazu, zumindest verstärkt seit der Neuzeit, uns selbst diese Möglichkeit
des Anrufens allein zuzubilligen. Wir sind aber als Dasein ein angeletisches
Medium. Dass wir Sein als Botschaft vernehmen, ist wohl die
Bedingung der Möglichkeit dafür, dass wir auf mögliche Vor-würfe
des Seins mit unseren Ent-würfen antworten. Vielleicht liegt
hier auch das Problem des Ansprechens und Angesprochenwerdens von Kreisläufen.
Ich denke dabei an den ‘hermeneutischen Zirkel’ und frage mich, ob dieses
Modell nicht auch auf den Kreislauf des Kapitals angewandt werden kann.
Anders ausgedrückt: Ob die Wirtschaftswissenschaften versuchen, den
Kreislauf des Kapitals von außen oder ‘objektiv’ zu erfassen, während:
"Das Entscheidende ist nicht, aus dem Zirkel heraus-, sondern in ihn nach
der rechten Weise hineinzukommen." (Heidegger, Sein und Zeit a.a.O. S.153)
Die "rechte Weise" meint wohl eine, die den Fetischcharakter eines eigenständigen
Kreislaufs nicht dadurch entzaubert, dass ein Subjekt sich als Grundlage
dieses Phänomens auslegt und den Kreislauf auf sich zurückführt,
sondern dass ein Kreislauf als ein Angebot von Sinn- (und Un-Sinn-)Möglichkeiten
‘wahr-genommen’ wird, so daß es zu einer Bewegung von Verstehen,
Auslegung und Bildung eines (neuen) Vorverständnisses kommt. Übersetzt
in ökonomische Kreisläufe heißt das, dass der Wert einer
Ware nicht auf eine letzte ‘Aussage’ (z.B. an der Börse, am Wochenmarkt)
zurückgeführt werden kann, sondern daß eine solche Prädikation
und ihre Mitteilung das Ergebnis einer Aneignung ist, die immer auf unentfalteten
Möglichkeiten (ich meine ‘Anrufsmöglichkeiten’) der Waren beruht.
Es ist für die Ökonomie schwer, den Wert von Waren unter dem
Blickpunkt eines abgründigen Spiels aufzufassen. Unser ökonomisches
Denken ist vorwiegend darauf ausgerichtet, (gute) Gründe für
den Wert von Waren anzugeben. Dennoch staunen wir ständig darüber,
wieviel Psychologie in der Ökonomie steckt. Wenn wir also den Wertbegriff
in diesem abgründigen Sinnhorizont bedenken, betreten wir Grenzland.
Heidegger spricht in Sein und Zeit über die Wissenschaft von
der Wirtschaft im Zusammenhang mit dem Umschlagen von Zuhandenheit in Vorhandenheit:
"Überdies kann doch auch Zuhandenes zum Thema wissenschaftlicher
Untersuchung und Bestimmung gemacht werden, zum Beispiel bei der Erforschung
einer Umwelt, des Milieus im Zusammenhang einer historischen Biographie.
Der alltäglich zuhandene Zeugzusammenhang, seine geschichtliche Entstehung,
Verwertung, seine faktische Rolle im Dasein ist Gegenstand der Wissenschaft
von der Wirtschaft. Das Zuhandene braucht seinen Zeugcharakter nicht zu
verlieren, um ‘Objekt’ einer Wissenschaft werden zu können. Die Modifikation
des Seinsverständnisses scheint nicht notwendig konstitutiv zu sein
für die Genesis des theoretischen Verhaltens ‘zu den Dingen’. Gewiß
— wenn Modifikation besagen soll: Wechsel der im Verstehen verstandenen
Seinsart des vorliegenden Seienden. (Heidegger, Sein und Zeit, a.a.O. S.361).
Nicht also die Seinsart des vorliegenden Seienden wird durch das Umschlagen
verändert, sondern die Seinsart des Daseins. Also auch die Wissenschaft
von der Wirtschaft setzt ein Umschlagen der Seinsart des Daseins voraus
(andere Wissenschaften, wie z.B. die Physik, modifizieren auch die Seinsart
ihrer Objekte). So ist also die Wirtschaftswissenschaft in ihrem (bisherigen)
Entwurf auf das Zuhandensein der Dinge angewiesen bzw. diese vorgängig
erschlossen.
Heidegger erörtert die Frage nach dem Wert im Zusammenhang mit
seiner Nietzsche-Auslegung. Es wäre aber jetzt die Frage, ob dieser
vorgängige Entwurf durch die Digitalisierung der Wirtschaft nicht
grundlegend verändert wird, ähnlich der Veränderung der
newtonschen Physik gegenüber der, sagen wir, aristotelischen Physik.
So wird also jetzt das Seiende der Wirtschaft im vorgängigen Entwurf
der digitalen Seinsverfassung entworfen.
7.
Geld und Gier
Was ist Geld? Ich meine diese Frage nicht in einem essentialistischen Sinne,
oder etwa im Sinne einer "Philosophie des Geldes" (G. Simmel), sondern
in bezug auf die wechselnde Seinsweise wie Geld entworfen wird.
Marx betonte den Bezug des Geldes zur menschlichen Arbeit, und die Entfremdung
der Arbeit (des Arbeiters) durch die Nicht-Rückführung der verdinglichten
Arbeit an den lebendig tätigen Arbeiter. Dies scheint sich jetzt nicht
nur zu verschärfen, sondern sich in eine ganz andere Seinsweise zu
verdrehen, denn auch wenn Geld in Form des Kapitals einen Bezug zur Arbeit
hat, scheint mir, dass diese Begriffe (und damit meine ich die Sachen selbst)
nicht weniger einer Verwandlung unterzogen sind, als dies auch schon in
der Geschichte des Geldes der Fall gewesen ist. Die Seinsgeschichte ist
so in gewisser Weise eine Geldgeschichte, und das Geld ist die Masche,
worunter wir alles betrachten, was ist oder wodurch wir etwas sein lassen.
Ich fasse den Tausch nicht in Zusammenhang mit dem Marxschen Tauschwert,
sondern im Sinne eines formalen Prozesses, also prozedural, auf.
Bedeutet die Betrachtungsweise von allem unter dem seinlassenden Blickpunkt
des Geldes, dass die Digitalisierung des Geldes bzw. das Digitale als Geld
so etwas wie ein allgemeines Medium ist, wo Sein sich anders ent-birgt?
Denn auch wenn wir z.B. einen Satelliten ins All schicken oder Beobachtungen
von entfernten Galaxien etc. machen, oder die subatomare Welt erforschen,
werden wir von der Form des Digitalen, ‘in-Form’ des Geldes geleitet, oder
anders ausgedrückt, Geld ist das Medium, worin wir unsere Möglichkeiten
und Grenzen er-messen. Unterscheidet uns also Geld etwa von den sonstigen
Möglichkeiten des Tierseins? Sind wir businessmen in einem
ontologischen Sinne?
Wir könnten den Grund-Satz einer digitalen Ökonomie auch so
formulieren: Nihil est sine fortuna - Nichts ist wertlos, in Anklang
an das Leibnizsche principium grande: Nihil est sine ratione
- Nichts ist ohne Grund. Dies bedeutet auf den ersten Blick, daß
alles (s)einen Wert hat, aber auch, daß Werte ohne Grund sind, denn
ein solcher (letzter) Grund wäre wieder ein Wert, der wiederum nach
einem Grund verlangen würde usw. Das Geld-haben ist in der Tat eine
Dimension unseres Möglich-seins. Ähnlich wie mit der Technik
hat alles den Schein, als ob es sich dabei um ein Instrument handeln würde,
aber diese instrumentalistische Sicht des Geldes verbirgt die eigentliche
ontologische Herausforderung. Wir sind als Menschheit dem Horizont des
Geldes (noch) nicht gewachsen. Wenn wir dann auch noch bedenken, daß
die Form des Geldes mit der Form des Wissens (und somit mit der In-Formation)
in Wechselwirkung steht, dann wird die Sache immer spannender, denn, dass
wir ein 'zoon logon echon' (z%=on lo/gon
e)/xon) sind, das wissen wir schon lange, aber dass der 'logos'
lo/goj uns jetzt in der
Form der digitalen Ökonomie hat (und nicht umgekehrt), das dämmert
erst allmählich, jenseits einer kurzsichtigen ‘Moral’.
Wenn wir genauer überlegen, dann zeigt sich, dass unsere Begierde
(nach Geld) nur die Kehrseite dessen sein kann, was von sich aus un-ermeßlich
ist. Geld ist ein Ausdruck für dieses Unermeßliche in dem Sinne,
daß es ein Horizont für alles Messen ist, wonach die Dinge über
ihre qualitativen (wesensmäßigen) Unterschiede hinaus gleich
sind. Geld ist also das uns zugängliche, grund-lose Wert-Maß
für alles, was ist, wenn wir die Dinge (die natürlichen und die
künstlichen, hergestellten = die Waren) außerhalb der Zusammenhänge
sehen, in denen sie sind. Es ist also kein Wunder, dass ausgerechnet,
wenn alle Dinge aus dem Blickpunkt ihres natürlichen Standortes herausfallen
und im allgemeinen elektronisch-digitalen Medium zum Erscheinen oder ins
Sein kommen, dass sie dann nicht nur unter dem abstrakten wert-losen Gesichtspunkt
des 'arithmos' (a)riqmo/j)
oder genauer der 'monas' (mona/j)
gezählt werden können, sondern dass dieses zugleich zum Wert-Maß
wird.
Damit treten die Waren endgültig aus dem ausschließlichen
Horizont der menschlichen Arbeit (Marx) heraus oder besser gesagt: menschliche
Arbeit ist nicht (mehr) der allein preis/wert-gebende Horizont, von wo
aus die Dinge in ihrem Sein/Wert gemessen werden können. Wird aber
dadurch die Selbständigkeit des Geldes aufgehoben? Oder handelt es
sich um unser Verhältnis zum Selbständigen? Und gilt dann ein
solches Verhältnis generell gegenüber allem Selbständigen?
Und schließlich, wie soll sich dieser Schritt im globalen
und lokalen Handeln vollziehen?
Unsere Gier ist eine bestimmte Art und Weise wie wir uns im Kreis
oder im hermeneutischen Zirkel eines Selbstverständnisses bewegen.
Auch die Neugier gehört dazu. Ich meine, dass wir diese Begriffe (oder
besser: diese Verhaltensweisen) nicht vorschnell mit moralischen Kategorien
verwechseln oder behaften sollten. Die Moral versucht bestimmte Aussagen
dingfest zu machen, den Kreislauf also vorläufig anzuhalten. Dieser
Mechanismus ist zwar notwendig, denn er erlaubt uns, ähnlich wie in
der Wissenschaft, innerhalb eines ausdrücklichen Entwurfs von Regeln
und Normen zu leben. Zugleich aber verdeckt jede Moral den anhaltenden
‘Anruf’ der Dinge in ihren wechselnden und nicht offenbarten Bezügen
und Potentialitäten. So gesehen ist unsere Gier eine Entsprechung
gegenüber der Maßlosigkeit des Seins selbst. Wir aber sind in
der Weise, die eine solche Maßlosigkeit nur bedingt, d.h. durch die
Dinge hindurch, ‘wahr-nehmen’, so daß der ethische Maßstab
so lauten könnte, dass wir uns gegen unbedingte Ansprüche
zu wehren haben, seien diese politischer, ökonomischer, künstlerischer...
Art. Um es in einer konventionellen Sprache auszudrücken: Unsere "Würde"
besteht darin, daß wir das Unbedingte nur im Bedingten ‘wahr-nehmen’
können. Wir können uns auf die verschiedenen Kreisläufe
nur so einlassen, dass in diesen von uns nie völlig durchschaubaren
und steuerbaren Entbergungweisen die Phänomene begegnen und wir uns
von ihnen ansprechen lassen und somit auch kreativ sein können. Die
angeletische Dimension in der Ökonomie ist die Werbung. Diese Dimension
ist wesentlich für das Zustandekommen der Waren-, Kapital- und Informationszirkulation.
Wir können durch eine Wertethik das "gierige Menschenwesen" nicht
einschränken. Sowohl die Gier als auch die Dinge sind ambivalent und
nur in ihrem Zusammenspiel zeichnet sich eine Grenze ab, die sowohl der
Unermeßlichkeit der Gier als auch der Festlegung einer bedingten
Aussage gerecht werden kann. Mit anderen Worten, ohne den Drang zum Unermeßlichen,
aber auch ohne die Wahrnehmung der Dinge und unserer Be-dingtheit
durch sie verlieren wir das Maß für das, was uns jeweils und
überhaupt wert-voll sein kann.
Offenbar handeln wir aufgrund unserer Seinsbedürftigkeit, was Thomas
von Aquin "agere propter indigentiam" nennt (Summa Theologica I 44, 4,
ad 1) Für Thomas ist Gott das Ziel unseres "desiderium naturale".
Gott ist aber unendlich. An einer anderen Stelle (Summa Theologica II,
2, 77, 4) unterscheidet er zwischen zwei Formen des Tausches ("commutatio"),
eine, die er natürlich und notwendig nennt, den Tausch Ding gegen
Ding ("commutatio rei ad rem") und eine andere: Geld gegen Geld ("denariorum
ad denarios"), die den Profit ("lucrum") anstrebt. Diese dient der Profitgier
("servit cupiditati lucri") und diese kennt kein Ende, sondern strebt zur
Unendlichkeit ("quae terminum nescit, sed in infinitum tendit"). Letztere
kennt zwar weder einen "finem honestum" noch einen "vitiosum". Sie kann
zum Guten gelenkt werden. Thomas bezieht sich dabei auf Aristoteles (Pol.
1256 a 40), der zwischen einer naturgemäßen Erwerbskunst ('ktekike
kata physin' ktetike kata fusin) (für die
Hausverwalter und die Staatsmänner) und einer Kunst des Gelderwerbs
('chremastike' xremastike) unterscheidet. Erstere
ist auf die Autarkie eines guten Lebens ('agathen zoen' agaqhn
zoen) gerichtet und ist nicht unbegrenzt ('apeiron' apeiron).
Mit den Informationen ist es wie mit dem Geld, sie sind Mittel, die
aber, wenn sie als Ziel anvisiert werden, un-endlich sind. Ihr Wesen haben
aber Information im Wissen im Sinne des Kontextes, wovon sie abstrahiert
sind. Informationen sind Wissen-als-Ware und somit Wissen-als-Geld. Sie
haben keinen Wert an sich, sondern ihr Wert hängt vom Markt ab. Wie
ist aber der Umsatz von Informationen zu verstehen? Dadurch dass sie irgendwann
nützlich sind, also einen Gebrauchswert als Wissen-für haben.
Der gierige Mensch ist deshalb gierig, weil er sich dem un-endlichen
Drang der Mittel aussetzt und er tut dies, weil er ein unbegrenztes Verlangen
nach Leben und Genuss 'ist', aber auch nach Wissen. Was ist aber das Telos
des Wissens? Von der Wissensgier sagt Aristoteles, daß wir sie 'physei'
(fu/sei), d.h. von Natur, haben. Die Frage ist
aber wohl nach einem "freien Verhältnis" (Heidegger) zu diesen Entbergungsweisen,
was sich wohl nur aus dem Bezug zur Verborgenheit ('lethe' lh/qh)
d.h. also zum Nicht-Wissen ergibt. Für die sogenannte Informations-
und Wissensgesellschaft ist das Verhältnis zum Nicht-Wissen zentral.
Die Frage ist dann, wie können wir dem Sokratischen Nicht-Wissen in
der digitalisierten Welt entsprechen? Und wie unterscheidet sich dieses
Nicht-Wissen von allen Formen der Ignoranz und der Desinformation?
8.
Digitale Hermeneutik
Es bleibt also die Frage nach dem 'eidos' (ei)=doj)
in einer digitalen Ontologie virulent, sofern nämlich hier die 'monas'
(mona/j) und nicht der
'logos' (lo/goj) den Leitfaden
für die Verständigung liefert oder zu liefern beansprucht. In
Wirklichkeit sieht es aber eher so aus, als ob der Aufenthalt und somit
auch der Halt im elektronischen Netz nicht nur numerisch und geometrisch,
sondern auch logisch wäre. Ist dann das elektromagnetische Medium,
das durch die Zahlen in-formiert wird, zugleich das 'ekmageion'
für den 'logos'? Das müssen wir weiter präzisieren, denn
der Sinn des Ganzen ist, wie der Fremde im Sophistes sagt, das Mitteilen
im Sinne des Sichverständigens (Sophistes 246e3). Ist das digitale
Netz ein globales Verständigungsnetz, d.h. ein moralisches Medium
auf der Basis von Zahlen und geometrischen Formen?
Die instrumentelle Sicht banalisiert die (Informations-)Technik und
bringt sie auf eine Ebene, wo wir für die Gesetzmäßigkeiten
oder für das Sein dieser Sachverhalte blind sind. Vielleicht ist hier
die Rede eines "Twisting" (M. Eldred) (23) angebracht:
Wir winden uns und ver-winden so die Verhältnisse. Es wäre aber
fatal, bei den oben angegebenen Beschreibungen den Eindruck von moralischer
Verwerflichkeit herauszulesen. Nach welchem Maßstab oder Gesetz bewegt
sich das digital Seiende? Ein leeres Prinzip ist nicht gleich wie
ein Prinzip Leerheit.Wir stecken in der Rede von Prinzipien erneut in der
Metaphysik. Das Worumwillen dieses Seinsentwurfs ist schwer auszumachen.
Verkauft wird aber die Sache unter humanistischen Prämissen, wobei
die Rede von Verständigung am schillerndsten ist, denn wir können
uns kaum vor-stellen, wie etwa 6 Milliarden (und demnächst 10 oder
12 Milliarden) Menschen sich im digitalen Raum verständigen sollen.
Hier sind die Grenzen der "Theorie des kommunikativen Handelns" und die
der "Diskursethik" (J. Habermas) klar erkennbar. Sie antwortet auf
eine andere Sendung, die auch noch da ist, aber immer mehr an Antwortqualität
verliert. Denn es ist so, dass das Worumwillen ('hou heneka' ou(=
e(/neka) einer Sendung sich nur relativ im Zwischen
er-gibt.
Wir sind mittlerweile gewohnt, nach dem Zusammenbruch der großen
wissenschaftlichen Systeme, die Objektivität der Wissenschaft in Frage
zu stellen. Das ist aber nur die halbe Miete. Denn natürlich gibt
es wissenschaftliche Resultate verschiedener Qualität (und Sicherheit),
aber es geht darum, auf welche Sachverhalte und Traditionen wir wann und
wo antworten. Wir leben weniger in systematischen als in (sozusagen) postalischen
oder angeletischen Verhältnissen. Ordnung und Sicherung sind
Begriffe, die im Zusammenhang mit der globalen Vernetzung eine wichtige
Rolle spielen. Es ist nur die Frage, ob sie metaphysisch oder ‘grund-los’
verstanden und umgesetzt werden. Es scheint so zu sein, als ob das Internet
mehr freien Raum für Unberechenbarkeit offenläßt als es
einigen (vielen?) lieb ist. Das Informations-Gestell, wie ich es
nenne, hat also einige Eigenschaften, die eine andere Aus-sicht erlauben,
nämlich die von Heidegger angesprochene des "photographischen Negativs
des Ereignisses" (in den Seminaren von Le-Thor).
Wir leben zunächst und zumeist in der Welt der digitalen Information,
die nicht weniger wahr ist als die Bücherwelt des modernen Bürgertums
oder die Manuskriptwelt des Mittelalters. Obwohl wir mit einer globalen
Vernetzung zu tun haben, und global also auf Kreis hinweist, frage
ich mich, ob wir hier von einem Kreislauf sprechen können, denn die
Art dieses Informationsflusses ist ganz eigenartig. Wir sprechen schon
seit langem vom free flow of information, aber vielleicht ist das
eine übernommene und überkommene Sicht, die zu sehr im Blick
des Blutkreislaufs oder des merkantilen Kapitals verhaftet bleibt.
Vermutlich ist die postalische oder angeletische Sicht hierfür
besser geeignet: Senden und Empfangen und Senden... aber nicht unbedingt
in der Form eines Kreislaufs, denn das setzt voraus, daß immer alle
Sendungen empfangen und beantwortet werden. Um dem Stellen und dem Bestellen
ontologisch gewachsen zu sein, brauchen wir, so Heidegger, ein "freies
Verhältnis" zum (Be-)Stellen. Dafür müssen wir wiederum
die Seinsfrage stellen — so würden wir sagen, und dabei würden
wir wieder die Sache verfehlen, denn wir stellen ja Fragen, die
Seinsfrage ist aber von der Art, dass sie sich uns unverfügbar
vor-stellt. Wir müssen uns also zuerst in einer Haltung ein-finden,
wo wir uns in (die) Frage stellen lassen.
Warten hieße in diesem Zusammenhang, ant-worten, also die Sendung
als eine solche bestätigen, sich als Adressat erkennen und nach einer
Ant-Wort suchen. Das ist leichter gesagt als getan. Denn, was sind Antworten
auf Sendungen?
Solange wir jedoch im digitalen Entwurf frag-los ‘eingebettet’
bleiben, zeigt sich alles als bit. Wie kann sich alles als bit zeigen?
Mir scheint, dass gerade diese Sicht des Ganzen ('holon' o(/lon),
dass wir alles, was ist, nur dann in seinem Sein zulassen und verstehen,
wenn wir es im Horizont des Digitalen anschauen, die Kernthese einer digitalen
Ontologie darstellt. Das bedeutet nicht, dass wir, sagen wir, die Atome
auf bits reduzieren, wohl aber, dass wir erst dann ein Verständnis
des Seins der Atome haben, wenn wir diese digital berechenbar machen. Wir
sollten aber eine solche Berechenbarkeit nicht mit irgendeiner Form von
Determinismus verwechseln.
Unseren heutigen Zugang zur Realität bezeichne ich in Abwandlung
des Satzes von George Berkeley: "Das Sein der Dinge ist ihr Wahrgenommensein"
("Their esse is percipi") mit dem Satz: "esse est computari".
Das bedeutet keineswegs, alles sei bloß virtuell oder die Dinge bestünden
aus bits, sondern es bedeutet, dass wir meinen, etwas in seinem Sein erklärt
und verstanden zu haben, wenn wir es auf der Basis von Zahlen und Punkten
im elektromagnetischen Medium erfassen. Dieser Grund-Satz der digitalen
Ontologie besagt also, daß unser Seinsverständnis von dieser
Art ist. Es wäre auch möglich diesen Satz so zu formulieren:
"esse est informari", wobei der In-formationsprozeß im Sinne
eines im elektromagnetischen Medium stattfindenden Formungsprozesses zu
verstehen ist. Die globale Vernetzung ist die Art und Weise, wie wir heute
jene Totalität erfahren und gestalten, die die Metaphysik das Seiende
im Ganzen nannte.
Mit anderen Worten, die digitale Ontologie ist ein Seinsentwuf,
so wie die Newtonsche Physik auf einer anderen Vorauslegung beruht. Ich
denke an Heideggers Deutung der mathematischen Physik in Sein und Zeit
(§ 69 b): "Und so besteht denn auch das Vorbildliche der mathematischen
Naturwissenschaft nicht in ihrer spezifischen Exaktheit und Verbindlichkeit
für "Jedermann", sondern darin, daß in ihr das thematische Seiende
so entdeckt ist, wie Seiendes einzig entdeckt werden kann: im vorgängigen
Entwurf seiner Seinsverfassung." Und er fügt hinzu: "Mit der grundbegrifflichen
Ausarbeitung des führenden Seinsverständnisses determinieren
sich die Leitfäden der Methoden, die Struktur der Begrifflichkeit,
die zugehörige Möglichkeit von Wahrheit und Gewißheit,
die Begründungs- und Beweisart, der Modus der Verbindlichkeit und
die Art der Mitteilung. Das Ganze dieser Momente konstituiert den vollen
existenzialen Begriff der Wissenschaft." Die Frage ist also, wie die von
Heidegger angesprochenen Momente einer auf dem digitalen Entwurf des Seins
basierenden Wissenschaft sich konstituieren.
Vielleicht können wir das Wort Ge-Wissen im Anklang zum
Heideggerschen Ge-Stell als die Sammlung aller Weisen des
Her-Stellens von Wissen verwenden, wobei die Nähe zum moralischen
Gewissen durchaus erwünscht ist! Was unser Verhältnis zum Ge-Wissen
betrifft, kann dieses nicht nur die Form des begründenden und vorhersagbaren
Wissens haben, sondern vielleicht die der flüchtigen 'angeliai' (a)ggeli/ai),
der messages, ein angeletisches Verhältnis zum Seienden im
Ganzen läßt auch das Wissen als message zum Zweck des
Gewinns und des Ge-Wissens sein, ohne aber alle messages
durch das Sieb des begründenden Wissens ('episteme' e)pisth/mh)
zu sortieren. Während die Massenmedien das digitale Medium zur Botschaft
selbst machen, gemäß der Devise "The medium is the message"
(M. McLuhan), gilt es jetzt auf der Basis der digitalen Weltvernetzung
das Verhältnis von Medium und Botschaft zeitlich und räumlich
zu entkoppeln.
Das bedeutet zunächst soviel wie Einkehr in ein angeletisches Verhältnis,
d.h. in die Freiheit, eine Botschaft zu senden oder zu empfangen oder nicht.
Die Sprache ermöglicht uns, in einem Feld von Möglichkeiten/Formen
zu handeln. Begriffe sind kein Abbild der Welt, sondern Möglichkeiten
unseres Handelns. Information ist für uns wißbare Form über
die Gestaltenfülle der Dinge. Da wir in einen Selbstformungsprozeß
des Universums eingebettet sind, ohne dass wir das Ganze zu erfassen vermögen,
hat unsere Begrifflichkeit — unsere In-formation: also die Art und Weise,
wie wir in-formiert werden und wie wir Dinge wissend in-formieren
— eine eigentümliche Unschärfe, die sich nicht aufheben läßt.
Wir können die Dinge — Kantisch gesprochen — nicht so fassen, wie
sie ‘an sich’ sind. Oder — Heideggerisch gesagt — die Sage übersteigt
immer unser Sprechen, und wenn wir die Sprache als Sprache zur Sprache
bringen, dann be-wegen wir uns, d.h. machen den Weg, in Richtung
auf diese Gestaltenfülle, die wir durch das Setzen von Sprache als
Information notwendigerweise reduzieren und somit auch die Dimension der
möglichen Gestaltenfülle oder des Seins dessen reduzieren, was
ist. Ich verstehe also unter Information genau diese Spannung zwischen
Formgebung oder Bestimmung der Form (genitivus subjectivus), also
den Prozeß der Erzeugung von In-forma-tionen im Sinne einer Gestaltenfülle
einerseits, und andererseits die Bestimmung der Form (genitivus objectivus),
also den Prozeß, wodurch wir eine Form sprachlich bestimmen, das
Seiende also eidetisch-sprachlich fest-halten (24).
Dieses können wir auch in Bezug auf die Sprache selbst tun, worauf
sich Heidegger in seinem Vortrag "Der Weg zur Sprache" bezieht. Wo ist
aber im Geflecht der Sprache mit sich selbst und im Geflecht der Sprache
mit der Welt das "entbindende Band" (a.a.O. S. 243)? Genau in der Bewegung
der "Sage" zur "Sprache", d.h. in einer Bewegung, die ent-bindet, oder
ent-läßt oder er-eignet, also Möglichkeiten eröffnet,
anstatt sie fest-zu-schreiben. Das gilt, meine ich, auch für das Geflecht
zwischen Sprache und Welt, sofern nämlich hier die Bewegung von der
Welt her in die Sprache ent-lassen wird, so dass wir der Gestaltenfülle
in unserem Sprechen von der Welt und in unserem Handeln 'in' ihr so sind,
daß wir uns auf das Möglich-sein der Dinge einlassen, sie also
von unseren Be-griffen ent-binden, nachdem wir sie so und so auf-gefaßt
haben. Es handelt sich also um eine doppelte Bewegung, deren Band auch
unsere Wissenschaft und Technik entläßt und uns selbst in das
Freisein des Möglichen einläßt. Wir sind zugleich
Sender und Empfänger. Über diese botmäßige Struktur
des Da-seins spricht Heidegger in seinen letzten Schriften "von" (nicht
"über") der Sprache, besonders im Gespräch mit einem Japaner
(25).
Es besteht dann die Möglichkeit, dass wir uns nach diesen Vor-gaben
— auch im Heideggerschen Sinne der Vor-Struktur des Versehens in Sein
und Zeit: Vorhabe, Vorsicht, Vorgriff — richten. Wenn ‘man’ das tut,
dann haben wir sogar auf sozialer Ebene die Verobjektivierung oder digitale
Auslagerung des ‘Man’ ins digitale Medium. Entscheidend ist aber, dass
diese verobjektivierten Vorverständnisse die Weltoffenheit selbst
nicht wahrnehmen können, dass sie also — auch wenn wir sie lernfähig
machen und durch den Input des Fragenden/Suchenden dynamisieren —
für das Vorverständnis der Offenheit selbst, für die Unbestimmtheit
als solche, verschlossen bleiben, denn Unbestimmtheit zu programmieren
ist ein Widerspruch in sich. Wir können lediglich fuzzy Systeme
programmieren, aber das ist wieder etwas anderes. Schließlich sollten
wir nicht das Vernehmen der Weltoffenheit mit dieser selbst verwechseln.
Sie ist nicht allein unser Werk.
Exkurs 1: Über die Entstehung der Zahl
0
Sind dann 1 und 0 Zahlen oder das, was das Zählen und somit die
Zahlen ermöglicht? Wo kommt die 0 her? Van der Waerden berichtet,
dass sie in Indien zur Zeit des Buddhismus (ca. 600 v.Chr.) entstand, als
die Buddhisten anfingen sich für sehr große Zahlen zu interessieren.
Dazu erzählt er folgende Geschichte:
"Im Buch Lalitavistara kommt folgende Szene vor (Siehe etwa
B. Datta und A. N. Singh, History of Hindu Mathematics, Part. I (Lahore
1935)). Prinz Gautama (Buddha) hält beim Fürsten Dandapani
um die Hand seiner Tochter Gopa an. Er muss sich nun zuerst mit fünf
anderen Freiern im Schreiben, Fechten, Bogenschiessen, Laufen, Schwimmen
und Rechnen messen. Er siegt natürlich mit Glanz. Dann stellt der
grosse Mathematiker Arjina ihm Fragen:
"Oh Jüngling, weißt du, wie die Zahlen weitergehen in Hunderten
oberhalb koti?"
"Ich weiss es."
"Wie gehen die Zahlen weiter oberhalb koti in Hundertern?"
"Hundert koti heissen ayuta, hundert ayutas niyuta, hundert
niyutas kankara, hundert hankaras vivara..."
So fährt Buddha fort, durch 23 Stufen hindurch. Nach einem
Rechenbuch ist koti hundert mal hunderttausend (sata sata sahassa).
Die höchste Zahl, die Buddha nennt, ist also 10 zur 7. Potenz
. 10 zur 46. Potenz = 10 zur 53. Potenz. Aber in den meisten Rechenbüchern
haben die Wörter ayuta und niyuta andere Zahlenwerte, nämlich
10 zur 4. Potenz und 10 zur 5. Potenz.
Buddha ist noch nicht fertig: Dies ist erst die erste Reihe,
sagt er. Darüber kommen noch acht andere Reihen.
Es ist klar, dass diese Zahlwörter nie zum wirklichen Zählen
und Rechnen gebraucht wurden. Es sind reine Spekulationen, wie indische
Türme, die in Stufen zu schwindelerregenden Höhe aufgebaut werden."
(Van der Waerden, a.a.O. S. 85-86)
Offenbar hängt in Indien die Erfindung der 0 mit der Buddhistischen
Leere zusammen. Van der Waerden berichtet aber, dass die griechischen Astronomen
sich des Zeichens 0 bedienten. Es scheint so zu sein, dass in der Zeit
zwischen 200 und 600 v.Chr. die Inder die griechische Astronomie und mit
ihr das Sexagesimalsystem und die Null kennenlernten und beide Systeme
verschmolzen. Das indische Zahlensystem wurde durch die Araber im Mittelalter
übernommen. Wie dem auch historisch gewesen sei, was dabei interessant
ist, ist die Tatsache, dass die 0 ein Unterscheidungszeichen ist, nämlich
für die Unterscheidung von 1 und 60 im Sexagesimalsystem. Dazu nochmals
Van der Waerden:
"Die wichtigste Ziffer ist die Null. Es ist eine geniale Idee, sich
das Nichts zunutze zu machen, indem man ihm einen Namen gibt, ein Symbol
dafür erfindet. "It is like coining the Nirvana into dynamos", sagt
Halsted. Das babylonische Sexagesimalsystem war unvollkommen, weil
die Null fehlte: Zwischen 60 und 1 oder 1/60 war kein Unterschied. Es gab
in späteren Zeiten ein Zeichen für eine fehlende Zahl inmitten
einer Zahl, aber nicht an ihrem Ende." (Van der Waerden, a.a.O. S. 91)
So gesehen ist die Null eigentlich keine Zahl, sondern ein Unterschied,
oder eine Information wie wir heute sagen würden, "a difference that
makes a difference", wie Gregory Batesons Definition von Information lautet.
Dieser Indikator scheint aber in der abendländischen Metaphysik, die
um das Eine und die Einheit handelt, keine Rolle zu spielen, im Gegensatz
zum Buddhismus. Heraklit huldigt ihm und Parmenides setzt sich mit aller
Kraft zur Wehr gegenüber dem Nichts, jenem Nichts also, das Unterschiede
hervorbringt.
Exkurs 2: Husserl und Rickert über die
Zahlen
Auf zwei Denkpfade im Umkreis Heideggers zu Beginn des 20. Jahrhunderts
möchte ich noch kurz eingehen. Zum einen handelt es sich um die Kontroverse
zwischen Husserl und Frege bezüglich der Frage, ob 0 und 1 Zahlen
sind oder nicht bzw. ob es einen Artunterschied zwischen 0 und 1 und den
sonstigen Zahlen besteht. Für Frege besteht kein Artunterschied. Auf
die Frage: Wieviel Monde hat dieser Planet? Kann man mit der Zahl 0 oder
1 genauso gut antworten wie 2 oder 3. Für Husserl dagegen antworten
Zahlen auf die Frage "wieviel". Genausowenig wie die Antworten "nirgendwo"
und "niemals" zu Orten oder Zeiten gehören, gehören also 1 oder
0 zu den Zahlen. Gleichwohl sieht Husserl auch "gute Gründe" warum
wir sie, wenn nicht logisch so doch sprachlich und wissenschaftlich zu
den Zahlen zählen. So gibt es also für Husserl einen Zahlbegriff
im engeren und einen im weiteren Sinne. Er spricht von einer "Übertragung"
des Zahlbegriffs auf 0 und 1, wodurch dann, wie mir scheint, das Problem
der Analogie entsteht (26).
Zum anderen denke ich an Heinrich Rickerts "Das Eine, die Einheit und
die Eins" (27). Dort unterscheidet Rickert zwischen
drei Sphären, nämlich die der "psychophysischen Wirklichkeit",
die des Logischen und die des Mathematischen. Der Begriff des 'Einen' und
der Begriff der 'Identität' gehören zum "rein Logischen". Ferner
auch der Begriff der 'Andersheit'. Denn so wie die Form ihr anderes, den
Inhalt, "fordert", so fordert, allgemein gesagt, das Eine das Andere. "Das
Eine und das Andere" können aber nicht 'gezählt' werden, sondern
gehören zusammen: "Einen Satz der Identität gibt es daher streng
genommen in völlig adäquater Formulierung nicht." (Rickert, Das
Eine, a.a.O. S. 19). Die Tautologie ist im Wahrheit eine "Heterologie".
Die Einheit des Einen "und" des Anderen sind als eine Einheit des Mannigfaltigen
zu denken. Somit hätten wir die Begriffe "das Eine" und "die Einheit"
bestimmt.
Wesentlich ist aber für Rickert der Unterschied zwischen der logischen
und der mathematischen Mannigfaltigkeit. Logische Mannigfaltigkeit hat
nichts mit Zahlen zu tun: "Der Sache nach gibt es beim rein logischen Gegenstand
allein das Eine und das Andere, und damit ist seine Mannigfaltigkeit vollkommen
erschöpft." (Rickert, Das Eine, a.a.O. S. 35). Das Eine, ebensowenig
wie das Andere, ist keine Zahl und hat auch keine "Stelle" wie die Zahl.
Das Eine und das Andere lassen sich nicht vergleichen: "Identität
schließt deshalb Andersheit aus, während Gleichheit sie fordert."
(ebda. S. 36) Und er zitiert dabei Thomas von Aquin ("aequalitas diversorum
est") und Meister Eckhart ("Gleichheit steht in Unterschied"). Nicht nur
physische und psychische Objekte, sondern auch Zahlen sind nur partiell
identisch und fallen deshalb unter "denselben" Begriff, auch wenn sie nicht
identisch sind. Das mathematische Gleichheitszeichen beim Satz der Identität
(A = A) verwischt diesen Unterschied. Diese Formel ist, so Rickert, nicht
tautologisch, sondern "heterologisch" und ist deshalb zur Darstellung eines
rein logischen Faktors ungeeignet.
Wie aber läßt sich dann das Eine vom Anderen unterscheiden?
Mit Hilfe eines "Mediums" oder einer "Stelle", wobei im Falle der logischen
Stellen diese "vollständig mit dem Einen und dem Anderen zusammen(fallen),
so daß das Eine nicht an der einen Stelle, das Andere nicht
an der anderen Stelle ist, sondern die eine und die andere Stelle
selbst bildet." (ebd. S. 38) Dieses eigentümliche Verhältnis
wird durch das Wort "und" ausgedrückt.
Im Gegensatz zu einem solchen heterogenen Medium (das verbindende und
trennende "und") (H. Rickert),
das die logische "Einheit des Mannigfaltigen" ermöglicht, haben wir
bei der Zahl und insbesondere mit der Eins mit einem Gegenstand in einem
"homogenen Medium" zu tun. Rickert erläutert dieses Medium zunächst
am Beispiel von Gegenständen, die in der Zeit und im Raum verschiedene
"Stellen" einnehmen können und dabei, obwohl gleich, sich voneinander
unterscheiden können. Er hebt aber die Homogeneität überhaupt
hervor: Wir haben bei den Zahlen bloß mit einem "noch" einer weiteren
Stelle zu tun. Dadurch verlassen wir die Sphäre des rein Logischen:
"Wir drehen uns nicht mehr im Kreise" (ebd. S. 61). Raum und Zeit sind
zwar noch nicht da, aber die "Reihe". Dieses erste "alogische Element"
erlaubt uns keine Ordnung, sondern nur eine "Fülle" oder "Menge" von
Elementen. Das zweite "alogische Element" zur Bestimmung der Zahl ist für
Rickert "das Quantum", das er als "eine Art von Qualität" definiert.
Zahlen sind also raum- und zeitfrei, bedürfen aber eines "homogenen
Mediums".
Rickert erwähnt zwar "das Problem der Null", aber er läßt
die Frage offen, ob die Null "eine Zahl, wie die Eins, oder nur eine Zahlstelle
ist." (ebda. S. 69). Er unterscheidet zwischen dem Begriff der Eins oder
den Zahlbegriffen überhaupt, den Zahlstellen und den Zahlen selbst.
Zahlstellen und Zahlbegriffe lassen sich nicht zählen. Jeder Begriff
ist mit sich selbst identisch. Es gibt aber die Exemplare der Eins. Gäbe
es sie nicht, hätte der Satz 1 = 1 keinen Sinn. Zusammenfassend schreibt
er:
"Die erste und die zweite Stelle kann man nicht so addieren, daß
sie zusammen irgendeiner Stelle gleichen, sondern man kann nur sagen, daß
eine Stelle und noch eine Stelle zusammen so viel wie zwei Stellen
sind. Auch daß die zweite Stelle größer als die erste,
die dritte größer als die zweite ist, gibt keinen Sinn. Die
Zahl darf niemals als bloßes Stellenzeichen definiert werden, jedenfalls
die Zahl nicht, mit der man rechnen kann. (...) Hier war nur zu zeigen,
daß die Zahl ist etwas anderes ist, als ihr Begriff und als die Stelle
des homogenen Mediums, an der sie sich befindet, und die durch sie geordnet
wird." (ebda. S. 70-71)
Schließlich geht Rickert kurz auf den Begriff des "Einzigen" im Sinne
der "Gegensatzlosigkeit" ein, jenseits also von der mathematischen (durch
"Stelle" und "Quantum" bestimmten) und logischen (durch "und" bestimmten)
Einheit. Das All-Eine hätte keine Stelle und auch kein Quantum und
nichts könnte ihm entgegengesetzt werden:
"Als reine "Identitätsphilosophie", die überlogisch sich
gestalten müßte, hätte der Monismus die Aufgabe, in einem
philosophischen System das ewig Andere aus der Welt zu schaffen, jenes
Andere, auf dem wie wir gesehen haben, alles gegenständliche Denken
überhaupt, also auch alle Wissenschaft beruht." (eda. S. 74)
Man sieht hier nicht nur die Grenze des Logischen, sondern auch die Grenzen
des Mathematischen in bezug nämlich auf das "qualitativ bestimmte
Reale", das sich als ein "heterogenes Kontinuum" darstellt (ebda. S. 79).
Konsequenterweise lehnt Rickert den Gedanken "einer universalen
Mathematik als Logik" ab (ebda.). Die Abhandlung schließt mit dem
Unterschied zwischen dem "Sein des Logischen" und dem des "Existierens",
"das entweder ein ideales oder ein reales Existieren ist."
(ebda. S. 80). Womit wir bei Heideggers Frage nach den unterschiedlichen
Seinsweisen und nach der Seinsfrage überhaupt angekommen wären.
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