Kernbegriffe für die Kommunikation zwischen Ethik und Tierversuchswissenschaft.

Von Prof. Dr. Tj. De Cock Buning und Drs. H. Proeme, Abteilung Versuchstierfragen, Medizinische Fakultät, Universität Leiden, Postfach 2083, NL-2301 CB Leiden, Niederlande

 

Die Kommunikation zwischen Ethikern und Wissenschaftlern über die Frage, ob Tierversuche wünschenswert sind, verläuft nicht immer optimal. Daher sollte noch einiges in der Argumentation von Ethikern aufgehellt werden, die das Tierleben schützen wollen. Die Wissenschaftler hätten gern mehr Klarheit im Gebrauch einer ethisch gefärbten Terminologie. Denn ohne diese Klarheit werden die Darlegungen der Tierschützer wahrscheinlich nicht allgemein akzeptiert.

Bei dieser möglichen Meinungsverschiedenheit ist die Frage, ob es sich um eine wesentliche Differenz oder um eine Sprachverwirrung handelt. Im letzteren Fall ist es sinnvoll, diese zu klären und im ersten Fall, zu versuchen, die Trennung zu überbrücken. Die gegenseitigen Aussagen stoßen auf Unverständnis; es ist nicht ganz deutlich, was die unterschiedlichen Standpunkte in der Sprache des Opponenten bedeuten. Es besteht ein Bedürfnis an einer kohärenten Diskussion.

Meines Erachtens kann eine Tafel mit Kernbegriffen die Kommunikation verbessern, da mit deren Bedeutungen die Standpunkte sachlich klarer und einsehbarer werden. Dieser Ansatz ist mit einer Reihe von Argumenten zu begründen, wie Deutlichkeit, vernünftige Argumentation, gegenseitiges Verständnis usw. Die Kernbegriffe werden eine vermittelnde Rolle zu erfüllen haben. Möglicherweise sind die unterschiedlichen Meinungen zunächst in einer Bestandsaufnahme erfaßbar und sind technische Auffassungen zu übersetzen. Danach lassen sich gemeinschaftliche oder akzeptable Punkte ermitteln. Auch sollte man seine Auffassungen begründen, dann wird ersichtlich, welchen Wert die unterschiedlichen Argumente im Vergleich haben.

Wo möglich, wurde eine neutrale Definition der Kernbegriffe gewählt. Es ist auch meine Absicht, die Abwägung der verschiedenen Interessen mit Hilfe der Kernbegriffe zueinander in Beziehung zu setzen. In manchen Tierversuchen stehen beispielsweise die Belange der Volksgesundheit den Belangen der Tiere gegenüber. Der Wert wissenschaftlicher Forschung durch Tierversuche wird schließlich dem inneren Wert von Tieren gegenübergestellt. Dieses Dilemma erfordert eine Vorgehensweise, die gegensätzliche Interessen berücksichtigt. Man sollte in seinen beliebigen Standpunkt alle Interessen mit einbeziehen. Danach kann man sagen, weshalb dem einen Interesse ein größerer Wert als einem anderen zugesprochen wird. Wie würden Sie eine Entscheidung zwischen Affen, Katzen oder Ratten für Tierversuche begründen?

Es gibt seit etwa dreißig Jahren eine ausführliche Diskussion, ob Tieren Rechte zuerkannt werden sollen oder nicht. Es ist nicht meine Absicht, eine bestimmte Auffassung hierüber vorzubringen, sondern die Diskussion zu erleichtern. Ebensowenig geht es darum, eine der Parteien eher zu Konzessionen zu veranlassen, sondern dies soll dazu beitragen anhand der gegebenen Definitionen die Diskussion sachlich verlaufen zu lassen.

 

Erläuterung zur Tafel der Kernbegriffe:

Die wichtigsten Begriffe in der Diskussion über die Ethik in bezug auf Tierversuche sind in einer Tafel zusammengefaßt. Diese Tafel enthält Kurzdefinitionen. Daneben steht eine Spalte mit dem Titel „Gebrauchswert", aus der hervorgeht, in welche Domänen man sich durch die Verwendung des Kernbegriffs begibt.

Danach folgt eine Erläuterung mit erweiterten Definitionen; hiermit soll ein Ausgangspunkt angegeben werden, um mit den Kernbegriffen ein ausgewogenes Urteil zu fällen. Eine ethische Argumentation setzt mehrere Begriffe zu einander in Bezug, und in der Erläuterung wird soviel wie möglich der Zusammenhang verwandter Begriffe erklärt.

KERNBEGRIFF

DEFINITION

GEBRAUCHSWERT

Innerer Wert

Wert, den das Tier für sich selbst darstellt, im Gegensatz zum Wert für den Menschen.

Die Möglichkeit, den Eigenwert von Tieren anzuerkennen. Verwendet im niederl. Gesetz.

Wert

Positive (ideelle) Qualität oder sinngebende Bedeutung.

Universelle u. zentrale Bezeichnung, vielseitig verwendbar.

Integrität

Unversehrtheit eines Organismus bei ungestörtem Verhalten und Leben (Verschonung).

Gibt den Belangen des Tieres Raum, unterstellt jedoch ethische und bio-logisch Voraussetzungen.

Lebensform

Organismus in seiner natürlichen oder normalen Lebensweise in Interaktion mit seiner Umwelt.

Sehr neutrale Bezeichnung, die einen Organismus anhand von Umwelt, Verhalten, genetischer Anlage, Physiologie beschreibt.

Ungemach

Gestörtes Wohlergehen, Verhalten oder Gesundheit (Schmerz).

Angemessen neutrale Bezeichnung bei Bestimmung der Lebensqualität.

Autonomie

Fähigkeit, selbstständig (aus eigenem Antrieb) das Leben als Lebensform zu entfalten.

Bezeichnung für die Möglichkeiten, die das Tier erhält, sein eigenes Leben zu führen (als Versuchstier).

Lebensqualität

Angemessene Erfüllung der Voraussetzungen für die Gesamtheit von Lebens-werten (von Tieren).

Abstrakte Kennzeichnung mit verschiedenen ethischen Gegebenheiten.

Wohlergehen

Zustand des Wohlbefinden ohne Ungemach und mit aktivem „sozialen" und artspezifischem Verhalten.

Terminus, der zur Wertbe-stimmung verschiedener Faktoren geeignet ist, die eine Rolle spielen.

Natürliche Anlage

Biologisch gegebenes ererbtes Bestimmtsein mit artspezifischem Verhalten.

Genereller Terminus, wissenschaftlich definierbar.

Freie Wahl

(des Menschen)

Unabhängige Position mit Verfügungsgewalt über die Möglichkeiten für selbst-ständige Beschlüsse.

Voraussetzung für einen aufrichtigen Dialog unter seinesgleichen.

Moralische Kosten

Folgen menschlichen Handelns in Hinsicht auf ethisch relevante Interessen.

Neutrale Bezeichnung zur Gewichtung moralischer und vernünftiger Erwägungen.

Ethische Belange

Wichtigkeit einer möglichen Befürwortung in einer moralischen Begründung.

Bezeichnung konkreter Angelegenheiten in einem ethischen Zusammenhang.

Verantwortung

Rechenschaftspflicht und Gediegenheit des menschlichen Handelns.

Gesetzlich =Haftung; im allgemeinen bei Normen und Werten gebräuchlich.

Moralische Sorge

Bemühungen oder Hand-lungen, um nach (geltenden) Normen und Werten das Gute für den anderen zu bewirken.

Ausdruck, der aus der auf der Ethik gründenden Verantwortung für den anderen/Gruppe stammt.

Innerer Wert: ist der Wert, den das Tier für sich selbst darstellt. Das Tier hat einen eigenen natürlichen Zweck (Telos) in seinem Leben. Ausgangspunkt ist der vom Menschen unabhängige Eigenwert des Tieres. Im Gegensatz zum inneren Wert steht der instrumentelle Wert. Dieser instrumentelle Wert ergibt sich aus den Vorteilen des Gebrauchs von Tieren für den Menschen.

Der innere Wert wird im niederländischen Gesetz über Tierversuche und im Gesundheitsgesetz über das Wohl von Tieren verwendet; in der Erläuterung zum Gesetz steht eine Definition. Das niederländische Gesetz ist weltweit das einzige, das diesen Begriff anwendet.

Beispiel: Man könnte eine transgene Virusresistenz von Hühnern als eine Erhöhung des Eigenwertes betrachten, wir lassen dabei ein Urteil über die agrar-industrielle Geflügelzucht außer acht, für die diese Resistenz gemeint ist. Die genetische Manipulation von Hühnern - mit der Absicht, zwei Eileiter statt eines sich entwickeln zu lassen - ist als schädlich für den inneren Wert zu betrachten. Im letzteren Fall wird das Huhn gegen seine eigene Natur noch mehr zu einer „Eierlegemaschine" als schon zuvor; darum spricht man in diesem Fall von einem instrumentellen Wert.

Wert: ist die positive Qualität oder die sinngebende Bedeutung in einem ideellen Kontext. Der Wert leitet sich von der Bedeutung her, die die positive (negative) Qualität (Eigenschaften) einer Idee, des Lebendigen, einer Verhaltensregel, von Erkenntnissen usw. verkörpert. Der Wert ist in ethische Bedingungen eingebettet, die anzeigen, was und warum etwas wichtig ist.

Der Wert ist ein Begriff, den wir vielleicht lieber umgehen möchten, anstatt ihn wegen der ihm anhaftenden (philosophischen) Schwierigkeiten sofort zu verwenden. Kann es wertfreie Wissenschaft überhaupt geben; ist dies nicht nur ein unerreichbares Ideal?

Eine ethische Diskussion läuft oftmals auf eine Interpretation der Werte hinaus. Und auch in der Liste mit den Kernbegriffen greifen die Definitionen zurück auf die des „Wertes". Wenn man eine ethische Begründung seiner Wahl und seines Standpunktes beabsichtigt, dann ist Wert der zentrale Begriff zum Vergleich unterschiedlicher Standpunkte, wenn beispielsweise der „Allgemeinnutzen" zum Brennpunkt der Diskussion wird.

Beispiel einer Argumentation: Das Tier hat einen Eigenwert für sich selbst und einen Wert für uns; das menschliche Dasein bereichert sich durch den Wert, die Tiere für uns haben, weil sie uns den Sinn, der in der Natur liegt, vergegenwärtigen und verstehen lassen. Man respektiert das Tier und läßt ihm seinen Wert (Würde). (Die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Wissenschaften (SAW) kennzeichnen die „Würdigkeit des Tieres" als Ausgangspunkt.) Beispiel aus der Praxis: Stress des Tieres ist ein störender Faktor und setzt den Wert eines Tierversuches herab.

Integrität: ist die Unversehrtheit des Organismus, der als solcher ein ungestörtes, natürliches Verhalten aufweist und unverletzt an Leib und Gliedern lebt.

Integrität steht etwas stärker zur Diskussion als innerer Wert. In einigen Definitionen geht man vom natürlichen Funktionieren des Tieres aus, aber diese Definitionen vernachlässigen die Verschonung.

Wenn man zum Beispiel Schwänze oder Flügel eines lebenden Tieres stutzt, kann das Tier immer noch funktionieren, aber die Integrität wird doch als beeinträchtigt zu gelten haben. Gemeint ist, daß ein Tier auf eine vollständige und natürliche Art und Weise verschont leben kann. Es scheint so, als ginge man von einem Ideal des Tieres aus, aber es ist dabei die Frage, ob Integrität zu begreifen sei als natürliche Gegebenheit mit den natürlichen Variationen oder als ethische Richtlinie (oder im idealen Fall beides). Integrität ist mehr oder weniger ein ethischer Leitbegriff für menschliches Handeln und sollte eigentlich auf Respekt für Natur und Tiere gründen. Ein weiteres Beispiel: Ein künstliches Ohr auf dem Rücken einer Maus beeinträchtigt die Lebensform Maus nach ästhetischen Kriterien.

Lebensform: ist ein Organismus in seiner natürlichen oder normalen Lebensweise und im Wechselbezug zu seiner Umgebung. Zum vollständigen Verständnis des Lebens müssen Umgebungsfaktoren in das Funktionieren mit einbezogen werden.

„Lebensform" stammt als Begriff aus der Philosophie von Ludwig Wittgenstein und deckt bei ihm gerade den Menschen und die menschliche Sprache und Kultur. Ich möchte den Bereich dieser Bezeichnung von dem Menschen auf Tiere (und Pflanzen) ausweiten. Mit dem Ausdruck Lebensform müssen wir nicht unbedingt zurückkehren zu einer belasteten metaphysischen Tradition oder Terminologie, wie „Telos" und „Wesen", wenngleich dies durchaus statthaft ist. Eine natürliche Lebensform benötigt Interaktion mit seiner Umgebung, um ein vielseitiges Verhalten zu entwickeln.

Beispiele: Ein Nest ist die natürliche Lebensform für Mäuse, die Gruppe für Affen. Wir kennen in der Biologie als Lebensform Organismen von Würmern bis Elefanten.

Autonomie: ist die Fähigkeit, selbstständig (aus eigenem Antrieb) das Leben nach seinen natürlichen Vorlieben und Anlagen als Lebensform zu entfalten. Diese Definition ist dem Tierleben angepaßt. Beim Menschen versteht man unter Autonomie die Verfügungsgewalt über das eigene Handeln in Übereinstimmung mit Verlangen, Wissen und Willensbestimmung.

Unter dem Begriff der Autonomie kann man beim Versuchstier nachprüfen, in welchem Maße das Tier durch Experimente und deren Umstände behindert wird. Die Frage stellt sich, inwieweit das Tier sein Leben selbst regulieren und steuern kann.

Beispiel: Suchtexperimente mit Tieren setzen ihre Autonomie herab.

Ungemach: wird durch Störungen in Wohlbefinden, Verhalten oder Gesundheit (in verschiedenen Stufen) verursacht. Dieses Ungemach kann eine Folge von Tierversuchen sein, und man unterscheidet im niederländischen Gesetz die Stufen gering, mäßig, ernst und sehr ernst.

Sehr ernstes Ungemach ist ein Grund, die Genehmigung für einen Tierversuch zu verweigern. In der Wissenschaftspolitik und der Bioethik ist Ungemach die Bezeichnung für die Zersetzung des inneren Wertes, des Wohlergehens usw. Die Bezeichnung ist in direkten Bezug zur Lebensqualität zu setzen.

Beispiel: Ernstes Ungemach ist der Fall bei toxikologischen LD-50 Tests (= bei welcher Dosis stirbt die halbe Population der Versuchstiere?).

Lebensqualität: ist die angemessene Erfüllung der charakteristischen gesamten Werte im Leben von Tieren und Menschen. Zusätzlich zum Wohlergehen können Werte erfüllt werden wie Freiheit, die Wahl seines natürlichen Habitats, Möglichkeiten, die eigene Komplexität in (sozialem) Verhalten und Interaktion zu gestalten. Für uns ist Lebensqualität ein Kriterium, um zu beurteilen, ob ein Tier seinen Lebenszweck erfüllt.

Die Lebensqualität von Mensch und Tier kann bei Bestandsaufnahmen und Auswertungen von Tierversuchen oder gar des Menschen- oder Tierlebens dazu dienen, zu bestimmen, wie gut die Fähigkeiten und die Lebensfunktionen zur Geltung kommen. Alles zusammen genommen bilden Gesundheit, Wohlergehen, sozialer Wechselbezug - und nach der Meinung einiger der Rang auf der Evolutionsleiter - die Voraussetzungen für die Wahrung einer guten Lebensqualität. Manche Ethiker unterscheiden Lebensqualitäten auf Grund der Komplexität des Organismus; sie erachten qualitative Unterschiede zwischen Tiere als maßgeblich.

Beispiel: Ein Orang-Utan verfügt über mehr und bessere Möglichkeiten einer hohen Lebensqualität als eine Ratte.

Wohlergehen: ist ein Zustand des Wohlbefindens ohne Ungemach und mit einem aktiven „sozialen" und artspezifischen Verhalten. In der Definition steht das natürliche Funktionieren des Tieres zentral.

Das Wohlergehen wird als Bezeichnung in Analogie zum Menschen verwendet. Eine gute Gesundheit, soziale Interaktion, nur wenig Ungemach usw. sind die Bedingungen für das Wohlergehen. Bei Tierversuchen erhöht die Verfeinerung (3 R's, reduction, refinement & replacement) das Wohlergehen der Tiere. Man versucht, Wohlergehen objektiv mit ethologischen (artspezifisches Verhalten) und physiologischen (u. a. Fehlen von Stress) Kriterien festzustellen.

Ein Beispiel ist die Beendigung von transgenen Experimenten mit dem Epo-Gen in Tieren. In diesen Tieren wurden rote Blutzellen aus der Blutbahn in die Gewebe gepreßt. Jetzt wird Epo mit Hilfe von Bakterien produziert.

Natürliche Anlage: ist das biologisch gegebene und angeborene Bestimmtsein mit artspeziefischem Verhalten. Eine Lebensform besitzt angeborene Eigenschaften für körperliche Funktionen, für das Verhalten und im besonderen für Lernfunktionen.

Die natürliche Anlage, unter die die genetische Disposition fällt, steht für die Eigenschaften die Tiere von sich aus haben. Die natürliche Anlage steht an der Basis der Diskussion über den inneren Wert und bildet dazu eine Brücke zwischen verschiedenen Disziplinen, von der Molekularbiologie bis zur Ethik. Der Begriff wird verwendet, um die ethische Diskussion um den inneren Wert im Bereich der Transgenese schärfer zu umreißen.

Beispiel: Tiere werden in der Transgeneseforschung als Modell für ein Krankheitsbild benutzt. In einer Anzahl von Fällen sind jedoch die natürlichen Anlagen von Mensch und Tier sehr unterschiedlich, d. h., die natürliche Anlage eines Tieres hat nicht immer die gleichen Möglichkeiten wie die des Menschen zur Entwicklung eines Krankheitsbildes. Das Tiermodell ist nicht immer ein fruchtbares Modell.

Freie Wahl: ist eine unabhängige Position mit der Verfügung über die Möglichkeiten, eine selbstständige Entscheidung zu treffen. Freie Wahl ist für einen wohlüberlegten Beschluß unerläßlich.

Freie Wahl soll eine unabhängige Abwägung von Tierversuchen ermöglichen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, Alternativen zu wählen, wie beispielsweise bei den LD-50 Tests (= bei welcher Dosis eines (Gift)stoffes stirbt die halbe Versuchstierpopulation?). Man sollte darauf achten, daß bestimmte Konventionen einer größeren Wahlfreiheit im Wege stehen. Nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Thema mag man Tierversuchen kritisch gegenüberstehen oder überzeugter Befürworter sein, man sollte einander die Freiheit eines abweichenden Urteils gönnen.

Beispiel: Die Richtlinien für Toxizitätstests lassen nur wenig Raum für eine freie Wahl, eine alternative Methode anzuwenden.

 

Moralische Kosten: sind die Folgen, die durch menschliche Eingriffe hervorgerufen werden, und eine Verletzung ethisch schutzwürdiger Belange, also von Normen und Werten, darstellen.

Moralische Kosten spielen eine Rolle in dem neutralen Ansatz, Vergleiche in ethischer Hinsicht anstellen zu können. Nach Einnahme einer ethischen Position oder Philosophie lassen sich die Folgen menschlichen Handelns (Eingriffe) als moralische Kosten formulieren. Der Begriff ist für das gesamte Spektrum des menschlichen Handelns gemeint. Man bezieht dabei nicht unbedingt eine festgelegte philosophische Position wie eine Ethik, die „den Allgemeinnutzen" hervorhebt.

Beispiel: Nach Ablauf von Tierversuchen werden 93% der Tiere getötet, weil sie erwartungsgemäß nicht mehr genutzt werden können (außer zur Sektion). Dies erhöht die moralischen Kosten des Versuchstiereinsatzes, da deren Lebensziel ohne deren inneren Lebenszweck beendet wird: Es ist zu unwirtschaftlich, die Tiere am Leben zu erhalten.

Ethische Belange: ist das „Gewicht" oder die Importanz moralischer Argumente in einer möglichen Begründung. In moralischer Hinsicht sind die ethischen Belange ein Wert mit einem umfassenden Sinn; die Bedeutung der Belange geht aus den Erwägungen hervor, die einer Sache ein bestimmtes moralisches Gewicht beilegen, nämlich dann, wenn hierzu moralische Kriterien erfüllt würden.

Die Interessenten können Menschen und Tiere sein, jedoch ist die Ethik hierbei, das Werturteil, eine menschliche Angelegenheit. Das Dafür und Dawider braucht eine Vergleichsgrundlage. Aus dem ethischen Interesse können moralische Kosten hervorgehen. Im Interesse des Menschen ergeben sich Kosten durch das Ausbleiben eines Impfstoffes gegen AIDS, oder andererseits für das Tier durch das Ausbleiben von Alternativen für toxikologische Tests. Es gibt eine Diskussion über das ethische Interesse und den Wert der tierischen Lebensformen, nämlich, ob daraus Rechte für Tiere zu folgen haben: Einerseits sagt man in der Diskussion, „keine Pflichten, keine Rechte für Tiere"; andererseits sagt man, daß aus Respekt vor der Natur oder aus Verantwortung für Mitgeschöpfe eine Schutzpflicht des Menschen folgt.

Beispiel: Man kann folgendermaßen argumentieren: Der Wert von Tieren im ganzen der Natur beinhaltet, daß die Integrität von Tieren für uns von ethischem Interesse ist.

Verantwortung: ist die Rechenschaftspflicht über die Gediegenheit des menschlichen Handelns. Wenn es in der Wissenschaftspolitik eine Entscheidung zu treffen gilt, so steht die Verantwortung zur Diskussion.

Für die Folgen seines Handelns wird der Mensch zur Verantwortung gerufen: Wurde genügend Sorgfalt betrachtet? Einerseits ist die Verantwortung eine Art von Haftung, aber andererseits erhalten Menschen mit einer bestimmten Verantwortung die zugehörigen Rechte, d. h. Verfügungsgewalt, in Angelegenheiten zu entscheiden. Die Verantwortung erstreckt sich auf Mensch, Tier, Umwelt usw. Das deutsche Gesetz nennt ausdrücklich im einschlägigen Grundsatz „die Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf" als Zweck der Gesetzesregelung.

Beispiel: Ein Wissenschaftler, der die Verantwortung übernimmt, um die Heilung einer (Human)krankheit voranzubringen, sollte auch die Sorgfalt betrachten, unter Umständen Mängel in seinen Tiermodellen einzusehen, denn nicht alle Modelle haben sich als gleichermaßen erfolgreich herausgestellt.

Moralische Sorge: ist die Anstrengung oder Aktivität, nach (geltenden) Normen und Werten, das Gute für den anderen zu bewirken. Moralische Sorge hat eine andere Basis als Verantwortung, es gibt dazu eine Glaubens- oder Grundüberzeugung oder gar eine „Berufung", (Be)sorg(niss)e statt eines eher gesetzlich bestimmten Kontextes zu erfahren.

Moralische Sorge vergegenwärtigt eine Zuwendung des Menschen zu Mensch und Tier. Diese Verbundenheit äußert sich in Tätigkeit und Fürsorge für den anderen. Die Sorge kann regulativ für das menschliche Handeln sein und dabei von ethischen Erwägungen geleitet werden.

Beispiel: Ein Tierschützer kann eine moralische Sorge für Tiere in tierexperimentellen Untersuchungen empfinden oder erfahren, aber er ist selbst nicht der Direktverantwortliche. Er beruft sich in seiner Sorge auf eine allgemeine Verantwortlichkeit des Menschen für das Tier.