Ethische Argumente bei der Beurteilung von Tierversuchen*
Tjard de Cock Buning, Robert Heeger und Henk Verhoog
Medizinische Fakultät der Universität Leiden
Zusammenfassung
Tierexperimente sind zu einem fundamentalen Bestandteil der wissenschaftlichen Vorgehensweise beim Studium der belebten Natur geworden. Erkennt man jedoch an, daß Tiere einen Eigenwert besitzen, können Tierversuche von einem ethischen Standpunkt aus nicht ohne weiteres gerechtfertigt werden. Forscher müssen sich nicht nur um Alternativmethoden bemühen, sondern sich auch mit der Frage auseinandersetzen, ob ihre Forschungsergebnisse die benutzten Methoden rechtfertigen. Sie müssen die Fähigkeit zum ethischen Dialog haben, der in Ethikkommissionen geführt werden soll. Die Diskussion muß bestimmten Anforderungen hinsichtlich Niveau und Inhalt genügen, nur so kann der Forscher seine Arbeit "mit guten Gründen" im ethischen Sinn weiterführen. Die Kenntnis der Hindemisse und möglicher Trugschlüsse bei der ethischen Beweisführung ist dabei unumgänglich. Die Öffentlichkeit der Diskussion gewährleistet, daß in der Gesellschaft das Bewußtsein um den Eigenwert der Tiere wachgehalten wird.
Summary
Animal experimentation has become a fundamental part of scientific procedures in the study of living nature. But with the acknowledgement, that animals possess a value of their own, animal experimentation is no longer regarded as self-evidently justified from an ethical point of view. In addition to having at least to make attempts to find alternatives, researchers will also have to embark upon the question of whether the methods used will be compensated by the results of their research. This requires an ability to engage in an ethical dialogue, which should be conducted by ethics committees. Such ethical reasoning may be required to meet certain standards, both with respect to form and content, in order for researchers to be able to maintain that there are "good reasons" in the ethical sense to pursue their lines of research. Awareness of fallacies (logical pitfalls in ethical argumentation) is important in this dialogue. Public accessibility provides a safeguard for society against neglect of the acknowledgement that animals possess a value of their own.
ethical aspects, animal experimentation, moral relevance of animals, fallacies, pitfalls in ethical argumentation
* Dieser Artikel erschien in deutscher Sprache in ALTEX (Alternativen zu Tierexperimenten) des Spektrum Verlag in 1995, 12(1)
S. 3 -12. Die wissenschaftliche Uberarbeitung wurde von Gotthard M. Teutsch, die redaktionelle Überarbeitung von lrène Hagmann und Franz P. Gruber besorgt. Die Übersetzung erfolgte mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Elsevier-Verlages durch Barbara.. Derman, Konstanz.Der Artikel ist in seiner englischen Version "Ethical aspects of animal experimentation" im Buch, "Principles of laboratory animal science", L. F. M. van Zutphen, V. Baumans und A. C. Beynen (Hrsg.) zu finden.
Einführung
Seit Peter Singers "Animal Liberation" im Jahre 1975 gibt es ständig neue Bücher und Aufsätze, die ethische Aspekte von Tierversuchen zum Inhalt haben. Singers Hauptargument ist, daß die unterschiedliche Behandlung empfindungsfähiger nichtmenschlicher (höherer) Wirbeltiere, verglichen mit der Behandlung (bestimmter Gruppen) von Menschen, nicht consistent begründet werden kann. Für Singer bedeutet die Anerkennung des Ansatzes, wonach Tiere für Versuche benutzt werden können, die an Menschen nicht zulässig sind, eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung. Er nannte diese Art von Diskriminierung "Speziesismus" in Analogie zu Rassismus und Sexismus, die ebenfalls auf moralisch irrelevanten Grundlagen beruhen. Singers Ansichten sind auf beträchtlichen Widerstand traditioneller Ethiker gestoßen. Diese argumentieren, daß umittelbare Verpflichtungen nur gegenüber Wesen bestehen können, die sich selbst ihrer Pflichten und Verpflichtungen bewußt sind und demzufolge zur Erwiderung fähig sind. Alle menschlichen Wesen werden als potentiell gleich angesehen und sollten deshalb auf gleiche Art behandelt werden. Im Gegensatz dazu seien Tiere keine moralisch bewußten Wesen und müßten demgemäß bei moralischen Betrachtungen nicht als gleichwertig angesehen werden.
Diese Art der Kritik regte Tom Regan zu seinem Buch "The Case for Animal Rights" (1984) an. Er vertritt den Standpunkt, daß wir höheren Wirbeltieren gegenüber die unmittelbare Verpflichtung haben, ihr Wohlbefinden nicht zu beeinträchtigen, und zwar in der gleichen Weise wie gegenüber geistig Behinderten, Alten und Kindern. Alle diese Lebewesen haben einen Eigenwert, der nach Regan das wichtigste moralische Argument für die Gleichbehandlung sowohl von Menschen als auch von (höheren) nichtmenschlichen Wirbeltieren ist.
Es wird an dieser Stelle darauf verzichtet, die Verdienste oder Unzulänglichkeiten moralischer Entschuldigung oder Verurteilung der Forschung an Tieren zu diskutieren. Stattdessen soll das Augenmerk auf die Probleme und Vorgehensweisen gerichtet werden, die aus der vorherrschenden Auffassung der aus moralischen Gründen begrenzten Verwendung von Tieren in der wissenschaftlichen Forschung resultieren. Forscher, die mit lebenden Tieren arbeiten, müssen ihre Versuche ethisch bewerten. Im folgenden soll herausgearbeitet werden, wie eine solche Bewertung erfolgen kann und welche Fehlbeurteilungen dabei möglich sind.
Die moralische Bedeutung von Tieren
Tiere werden häufig als bloßes Mittel zur Losung eines Problems betrachtet. Tieren wird kein Eigenwert zugemessen. In wissenschaftlichen Veröffentlichungen erscheinen Tiere gemeinhin in Abschnitten, die "Material und Methoden" abhandeln, und im Forschungslabor sind Tiere nichts weiter als Versuchsobjekte: Sie werden als lebende Instrumente betrachtet, deren einziger Wert in ihrer Fähigkeit besteht, die Zuverlässigkeit und Stichhaltigkeit wissenschaftlicher Experimente zu maximieren.
In der Ethik wird der Ansatz, den Wert von Tieren über die Abhängigkeit von menschlichen Zielsetzungen zu definieren, als anthropozentrisch bezeichnet. Das Tier erscheint hier auf seine Zweckdienlichkeit reduziert. Im Lauf des letzten Jahrzehnts ist der anthropozentrische Ansatz jedoch auf zunehmende Kritik gestoßen. In der Literatur zur Berufsethik hat eine Grundsatzdiskussion über den moralischen Status der Tiere in Relation zum moralischen Status der Menschen eingesetzt. Nach der vorherrschenden öffentlichen Meinung in der westlichen Zivilisation sind nur Menschen moralisch relevant. Begründet wird dies damit, daß nur Menschen fähig sind zur Selbsterkenntnis, zur Verantwortung für ihre Handlungen, zur Rechtfertigung ihrer Entscheidungen und zum Abgeben von Versprechen. Auch wenn diese Eigenschaften typisch für moralisch handelnde Wesen sein mögen, umfaßt die Ethik einen größeren Bereich. Denn auch Lebewesen, die selbst nicht moralisch handeln, bedürfen unserer moralischen Berücksichtigung. Als Beispiel hierfür wären Menschen zu nennen, die die angesprochenen Eigenschaften in geringerem Maß besitzen, etwa geistig Behinderte, die selbstverständlich dennoch als moralisch relevant betrachtet werden. Wenn es um Versuche an Menschen geht, erwartet man gerade für solch wehrlose Menschen besondere Schutzmaßnahmen. Für Menschen, die eine unabhängige, voll bewußte Entscheidung über ihre Teilnahme als Testobjekte in der wissenschaftlichen Forschung treffen können, mögen diese nicht nötig sein. Versuche an Patienten und alten Menschen, die möglicherweise ähnlich abhängig sind wie geistig Behinderte, sind demnach stärkerer Kritik und genaueren Prüfungen ausgesetzt, als dies sonst der Fall wäre.
Jede ernsthafte Beurteilung des moralischen Stellenwerts von Tieren bedarf einer ausführlichen Analyse der Frage, welche Ähnlichkeiten und welche Unterschiede zwischen Tieren und Menschen als moralisch relevant betrachtet werden. Wer die These vertritt, daß Tiere moralisch irrelevant seien, weil sie die für moralisch Handelnde typischen Kriterien nicht besäßen, muß konsequenterweise die moralische Unterscheidung bei der Behandiung der Gruppe von Menschen rechtfertigen, denen die entscheidenden Merkmale für moralische Handiungsfähigkeit in ähnlicher Weise fehlen. Eine Unterscheidung, die Konsequenzen für das Wohlergehen und die Gesundheit der Tiere haben muß.
Das Problem des moralischen Status der Tiere kann auch am Beispiel der Menschenrechtserklärung gezeigt werden. Einige der grundlegenden Menschenrechte gelten für jedes menschliche Wesen, unabhängig von Rasse, Geschlecht, Kultur usw. Mit anderen Worten, diese grundlegenden Menschenrechte machen es unmöglich, eine ungleiche Behandlung von Männern und Frauen oder von farbigen und weißen Menschen zu rechtfertigen: Diese Unterschiede sind in Bezug auf die Grundrechte der Menschen moralisch irrelevant.
Gleichermaßen ist es bei der Debatte über den moralischen Status der Tiere entscheidend, ob es zwischen Menschen und Tieren moralisch relevante Unterschiede gibt, die eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Damit eng verwandt ist die Frage, ob es bestimmte allgemeine Rechte geben kann, die sowohl für Menschen als auch für Tiere gelten. Denn diese könnten eine Gleichbehandlung im Prinzip rechtfertigen. Die Formulierung "im Prinzip" beinhaltet, daß Gleichbehandlung dann angemessen ist, wenn keine diesen Rechten übergeordnete moralische Forderung besteht. Rechte werden gewöhnlich Wesen verliehen, die einen sogenannten Eigenwert besitzen. Die Anerkennung des Eigenwerts der Tiere wird von vielen als logisch notwendige Voraussetzung für die Diskussion über "Rechte" von Tieren angesehen. Andere haben mit der Anerkennung des Eigenwerts von Tieren keine Probleme, erheben aber Einspruch gegen die Vorstellung, "Rechte" auf Tiere auszudehnen. Sie gehen davon aus, daß für das Wohlergehen der Tiere die Anerkennung solcher Rechte nicht notwendig ist; sie halten es für ausreichend, daß wir Tieren gegenüber gewisse Verpflichtungen anerkennen.
Im Gegensatz zum biozentrischen Ansatz, bei dem alle Lebensformen einen Eigenwert besitzen, wird beim zoozentrischen Ansatz nur der Eigenwert von Tieren anerkannt. Tiere dürfen nicht als Mittel zu einem Zweck benutzt werden, im Gegenteil, sie sind zu schützen. Zur Begründung dieser Vorstellung bezieht man sich auf die Tatsache, daß Tiere ein beträchtliches Ausmaß an Selbstbestimmung besitzen. Sie sind Lebewesen mit arteigenen Bedürfnissen, für die es eine wesentliche Rolle spielt, ob diese Bedürfnisse erfüllt werden oder nicht. Diese arteigenen Bedürfnisse sind in besonderem Maß durch Menschen gefährdet.
Der Begriff des "Eigenwertes" der Tiere ist zwar vom Menschen verliehen, er wird aber im Gegensatz zum "zweckdienlichen Wert" nicht von menschlichen Interessen und Zielen abgeleitet. Die Formulierung "Anerkennung" des Eigenwerts der Tiere hebt deren besonderen Charakter hervor. Der Eigenwert der Tiere stellt eine notwendige Voraussetzung unserer Bewertung der Tiere dar. Es wäre ein Trugschluß, die Beweisführung umzukehren, indem ein Eigenwert als Konsequenz einer solchen Bewertung dargestellt würde.
Die Anerkennung des Eigenwerts der Tiere beinhaltet, daß wir Tieren gegenüber unmittelbare moralische Verpflichtungen haben, im Gegensatz zu den traditionellen mittelbaren Verpflichtungen (z.B. weil das Tier zufällig eigentum eines anderen ist, oder weil grausames Verhalten gegenüber Tieren die Gefühle anderer Menschen verletzen könnte). Diese Anerkennung eines eigenen Werts der Tiere geht in das Wertsystem einer zunehmenden Anzahl von Menschen ein und findet sich in Reformen und Zusatzartikeln zu zahlreichen Tierschutzgesetzen wieder.
Die Anerkennung des Eigenwerts der Tiere hat Konsequenzen für Wissenschaftler, über die bisher noch nicht eingehend nachgedacht worden ist. Einige dieser Konsequenzen werden im folgenden aufgezählt:
-Die wissenschaftliche Qualität eines Versuchs muß sichergestellt sein, bevor die ethische Bewertung erfolgt. Versuchsabläufe, die wissenschaftlich unhaltbar sind, müssen von vorneherein als ethisch inakzeptabel angesehen werden.
-Stehen Altemativmethoden zur Verfügung, die ohne Verwendung von Tieren auskommen, darf die Durchführung des Tierversuchs selbst dann nicht gestattet werden, wenn die Alternativmethoden teurer sind.
-Ist keine Alternative verfügbar und besteht ein Konflikt zwischen Interessen von Menschen und Tieren, müssen sie gegeneinander abgewogen werden. Es muß Einigkeit darüber herrschen, daß die Verletzung des Eigenwerts der Tiere nicht gerechtfertigt werden kann; sie kann jedoch toleriert werden, wenn die Folgen eines Verzichts auf den Versuch schwerwiegender sind als die nachteiligen Folgen für die Tiere.
-Bei Fällen, in denen die experimentelle Nutzung von Tieren als tolerierbar angesehen wird, ist es entscheidend, daß die betroffenen Tiere die Möglichkeit haben, sich vor, während und nach der Durchführung des Versuchs so weit wie möglich artgerecht zu verhalten. Tierexperimentatoren haben die moralische Verpflichtung, zum Erreichen ihrer wissenschaftlichen Ziele nach Alternativmethoden zu suchen.
Die Anerkennung des Eigenwerts der Tiere wird von einigen Ethikem als Prinzip der moralischen Gerechtigkeit interpretiert. Das bedeutet, daß Tierschutz nicht von menschlichem Mitgefühl oder Sympathie ahhängig sein darf. Es muß als unmittelbare moralische Verpflichtung angesehen werden, Tiere gemäß ihrem Eigenwert mit Achtung zu behandeln. Häufig wird der Begriff der Gerechtigkeit gegenüber Tieren als Forderung misverstanden, Tiere wie Menschen zu behandeln. Obwohl einige Tiere sicher ähnliche Eigenschaften und Bedürfnisse wie Menschen haben, sind sie doch auch in vieler Hinsicht anders. Gerechtigkeit aber bedeutet, daß sie unter gleichen Umständen die gleiche Behandlung erfahren sollen wie Menschen (weil sie zu Schmerzempfindung und Leiden in gleicher oder ähnlicher Weise wie wir fähig sind), daß sie aber bei ungleichen Gegebenheiten auch ungleich behandelt werden müssen.
Lange Zeit galt auch die Annahme, daß Tieren umso mehr Gerechtigkeit widerfährt, je mehr sie wie menschliche Wesen behandelt werden. Dies trifft jedoch nicht zu, weil Tiere keinen menschenwürdigen Lebensstandard "wünschen", sondern einen ihrer Art entsprechenden. Jedes Tier ist in seiner Weise ein in sich selbst vollkommenes Wesen und nicht, wie oft behauptet wird, lediglich eine Lebensform zwischen Einzellern und Menschen. Tiere anhand menschenähnlicher Verhaltensweisen zu beurteilen und ihnen spezifische menschliche Werte zuzuschreiben, würde lediglich eine neue Art anthropozentrischen Denkens bedeuten.
Dieser "Vermenschlichung" von Tieren treten auch Anwälte der "Tierrechte" entgegen mit dem Argument, Tiere "hätten das Recht, als solche behandelt zu werden". Diese Einstellung schützt Tiere gegen eine ausschließlich zweckorientierte, nur auf ihrer Nützlichkeit für menschliche Ziele beruhende Beurteilung. In gleicher Weise wird ja auch der Mensch durch seine Rechte vor der Einschätzung bewahrt, er sei nur zum sogenannten "Allgemeinwohl" da. Daraus folgt, daß bestimmte Handlungen, ungeachtet der erwarteten Vorteile für die Menschheit, als unstatthaft angesehen werden müssen. Die Anerkennung des Eigenwerts der Tiere kann auch beinhalten, daß Menschen und Tiere zumindest unter einigen relevanten Gesichtspunkten als gleichberechtigt angesehen werden sollten. Als Konsequenz dieser Einstellung wird eine medizinische Ethik, die Tierversuche als Vorstufe zu Versuchen an Menschen verlangt, fragwürdig. Man könnte auch argumentieren, daß die für Tierversuche geltende Kriterien bis zu einem bestimmten Ausmaß den Kriterien gleichen sollten, die für Versuche an Menschen relevant sind. Dazu gehören der wissenschaftliche Wert des Versuchs, die Auswahl der Versuchssubjekte und eine Kosten-Nutzen-Analyse. Allerdings sollte man in Betracht ziehen, daß bei Tierversuchen natürlich keine "aufgeklärte Zustimmung" vom Versuchssubjekt eingeholt werden kann. Man könnte ersatzweise einen "Tier-Rechtsbeistand" ernennen, um sicherzustellen, daß die wichtigsten Interessen des Tiers in vollem Umfang in Betracht gezogen werden.
Die Behandlung moralischer Probleme im ethischen Dialog
Wird von der Existenz eines Eigenwerts der Tiere ausgegangen, dann müssen Forscher gegenüber den Bedürfnissen der Tiere Zugeständnisse machen. Wenn zwischen Menschen und Tieren ein Interessenkonflikt entsteht, sind die moralisch Handelnden (diejenigen, die fähig sind, eine moralische Entscheidung zu treffen) für eine ethisch vertretbare Vorgehensweise verantwortlich. Angesichts der Frage, ob eine Entscheidung ethisch vertretbar bzw. gerechtfertigt ist oder nicht, sollten zwei Fragen geprüft und beantwortet werden. Erstens die Art und Weise, wie die Entscheidung zustande kam (auch wer daran beteiligt war), und zweitens der Inhalt der Entscheidung sowie die Validität der benutzten Argumente.
Der Ausgangspunkt normativer Ethik (im Gegensatz zu deskriptiver Ethik) ist das Individuum, der moralisch Handelnde, der zu freier Wahl zwischen verschiedenen Alternativen fähig ist. Dieser Wahl sollte eine nationale Betrachtung aller relevanten Fakten, Werte und normativen Grundsätze zugrundeliegen, und die Betrachtung sollte unparteiisch und uneigennützig erfolgen. Das heißt, daß es nicht genügt zu sagen "dies ist meine Wahl". Im Gegenteil, es wird davon ausgegangen, daß jeder andere moralisch Handelnde unter gleichen oder ähnlichen Umständen zu genau der gleichen Entscheidung gelangen würde. Darum heißt es gelegentlich, daß die normative Ethik eine Tendenz zur Universalisierung (d.h. zur allgemeinen Anwendbarkeit) zeigt, wenn sie verbindliche Bewertungen fordert.
Ethische Überlegungen und Entscheidungen sollen nicht nur für das jeweilige Individuum, sondern auch für jeden anderen unter ähnlichen Umständen als verbindlich angesehen werden. Daraus und aus der Achtung der Autonomie anderer folgt, daß die in einem Entscheidungsprozeß vorgebrachten Argumente auch durch andere moralisch Handelnde kritisch betrachtet werden müssen. Aus diesem Zusammenhang heraus sprechen wir gemeinhin davon, daß eine Person ihre Handlungen "rechtfertigen" oder "für sie einstehen" muß. Diese ethische Verantwortlichkeit impliziert keine Rechtfertigungsptlicht gegenüber höhergestellten Personen, Behörden oder Institutionen, was dann der Fall wäre, wenn die fragliche Verantwortlichkeit rechtlicher oder öffentlicher Natur wäre, entstanden aus der Stellung im sozialen Umfeld. Ethische Verantwortlichkeit beruht auf der Anerkennung der grundlegenden Gleichheit aller moralisch Handelnden, ungeachtet ihrer gesellschaftlichen Stellung. Wenn es um ethische Fragestellungen geht, sollte jeder moralisch Handelnde die grundsätzliche Freiheit haben, an Diskussionen und Entscheidungsfindungen teilzunehmen. Der Ethiker sollte also keine privilegierte Stellung im Entscheidungsprozeß aufgrund seiner Fachkenntnis in grundsätzlicher ethischer Beweisführung einnehmen.
Das Konzept der ethisch autonomen Person ist ein wichtiger Ausgangspunkt. Doch beinhalten die Definitionen und Zuordnungen im Rahmen der normativen Ethik offensichtlich auch ein starkes soziales Element. Deshalb kann die Entscheidung über ein ethisches Problem einerseits ein hochgradig persönlicher und individueller Prozeß sein, in dem Gewissen, Lebensphilosophie und moralische Eigenschaften ("Tugenden") eine wichtige Rolle spielen. Andererseits jedoch macht die Tendenz zur Allgemeingültigkeit normative Ethik zu einem sozialen Prozeß, in dem die rationalen Elemente individueller Betrachtungen im Dialog in Frage gestellt werden. Daraus folgt, daß der Dialog über Fragen der Ethik ein wesentliches
Element normativer Ethik darstellt. Tierexperimentelle Forschung wirft ohne Zweifel ethische Fragen auf, daher können es sich diese Forscher nicht leisten, auf die genannte Art von Dialogen zu verzachten. Sofern Forscher nicht darin ausgebildet sind, ihre Forschung unter ethischen Gesichtspunkten zu betrachten, setzt die Teilnahme an diesem Dialog einen Anpassungsprozeß voraus. Die objektive Sichtweise wissenschaftlicher Forschung kann leicht zur Vernachlässigung ethischer Fragestellungen oder zum Ausweichen vor ethischen Problemen führen. Bei Naturwissenschaftlern kommt diese Sichtweise in der Tendenz zum Ausdruck, die belebte Natur auf ein materielles "Objekt" zu reduzieren. Dies wird hei der Überbewertung des nicht-moralischen, zweckdienlichen Wertes von Tieren und in einer oft emotionalen Auffassung von Ethik offensichtlich. Mit dem Begriff "emotionale Auffassung von Ethik" soll eine Sichtweise gekennzeichnet werden, die wissenschaftliche Aussagen als objektiv, rational und allgemeingültig darstellt, während moralische Aussagen als das Gegenteil hingestellt werden: subjektiv, irrational und zufällig. Mit anderen Worten, es wird suggeriert, daß moralische Aussagen nichts weiter sind als der Ausdruck persönlicher Emotionen. Bei dieser Auffassung von Ethik werden Wissenschaft und Ethik zwangsläufig als zwei getrennte, diametral entgegengesetzte und darum schwierig miteinander zu verbindende Disziplinen aufgefaßt. Wenn Ethik jedoch auch auf Beweisführung beruht, wird die Vorstellung einer Einigung zur realistischen Möglichkeit. Daher kann ein von Argumenten getragener Dialog sehr wohl erfolgreich sein. Hingegen kann die Nichtbeachtung von Ethik seitens der Forscher eine "moralisierende" Haltung der Öffentlichkeit verursachen, die zu undifferenzierter Ablehnung von Tierversuchen und Abneigung gegen vorgebrachte Argumente führt. Anstelle eines Dialogs könnte ein antagonistischer Prozeß entstehen, in dem strategische Überlegungen die ethischen ersetzen.
Strategiedominierte Verhandlungen können von rhetorischer Gesprächsführung oder irreführender Argumentation geprägt sein, die darauf abzielen, so viel wie möglich aus einem Austauschprozeß herauszuholen. Der Abschluß dieses Prozesses wird ein Kompromiß sein, der beide Seiten nicht zufriedenstellt, weil ihre Meinungsunterschiede unverändert bestehen bleiben. Die unterlegene Partei wird auf dem Wunsch beharren, ihre gescheiterten Ziele trotzdem durchzusetzen. Sollte sie tatsächlich die Gelegenheit dazu erhalten, wird sie sicherlich davon Gebrauch machen. Wenn dagegen beide Gesprächspartner die Lösung ihres Konflikts wünschen, wird es notwendig, andere als strategische Maßnahmen zu ergreifen. Sie müssen eine Diskussion über den Inhalt des Konflikts, die Voraussetzungen und die Werte ihrer unterschiedlichen Standpunkte und Meinungen beginnen. Dies ist ein Vorgehen, das beiden Teilen einen Konsens darüber abverlangt, was als moralisch richtig oder falsch angesehen werden soll, ohne zu Drohungen oder Beleidigungen Zuflucht zu nehmen.
Ein Weg, auf dem Forscher auf der einen Seite und Gruppierungen außerhalb der wissenschaftlichen Forschung auf der anderen Seite zu einem ethischen Dialog gelangen können, ist die Gründung ethischer Kommissionen wie die "Animal Experimentation Committees" (AECS) oder die "Institutional Animal Care and Use Committees" (IACUCs). Mitglieder solcher Kommissionen brauchen einige Erfahrung im Führen ethischer Dialoge. Es ist entscheidend, daß örtliche Kommissionen sich über Vorgehensweisen und ethische Kriterien austauschen, um voneinander zu lernen und eine gewisse Übereinstimmung zu erreichen. Selbstverständlich sollten diese Ergebnisse, wie es der Natur des ethischen Dialogs entspricht, der Öffentlichkeit zugänglich sein.
Ein Modell ethischer Argumentation
Der ethische Dialog beschäftigt sich vor allem mit Argumenten. Der Dialog über die Zulässigkeit eines Tierversuchs muß sich an Argumente halten, die auf die Fragestellung, die zu dem Dialog geführt hat, Bezug haben. Nur so ist die ethische Argumentation eine Methode zur Konfliktlösung für Diskussionspartner, die unterschiedliche Meinungen vertreten.
Der hier behandelte Dialog gilt der Frage, ob ein geplanter Tierversuch aus ethischer Sicht zulässig oder unzulässig ist. Diese Frage beinhaltet mehr als die bloße Zustimmung oder Ablehnung einer willkürlichen Verhaltensweise. Sie beinhaltet eine Bewertung sorgfältig geplanter Handlungen, die immer vorsätzlich ausgeführt werden. Eine vorsätzlich handeinde Person hat Gründe für ihre Handlungen, die retrospektiv oder prospektiv sein können. Im ersten Fall kann man die Beweggründe des Forschers als seine "Motive", im zweiten Fall als seine "Ziele" bezeichnen. In einem Dialog sollten diese Beweggründe klar formuliert und daraufhin diskutiert werden, ob sie hinreichend für die Durchführung des geplanten Tierversuchs sind oder nicht. Diese Art der Erörterung ist gemeint, wenn von Argumenten gesprochen wird, die auf den Gegenstand Bezug haben.
Betrachten wir zum Beispiel den Fall, daß zwischen Forschern einerseits und Mitgliedem einer EthikKommission andererseits Uneinigkeit über einen geplanten Tierversuch besteht. Die Forscher rendieren zur Rechtfertigung des Versuchs, einige Kommissionsmitglieder haben ernsthafte Einwände. Im letzten Abschnitt wurde dargelegt, daß strategische Verhandlungen, die darauf abzielen, anderen eine bestimmte Meinung aufzuzwingen oder aufzudrängen, vom ethischen Standpunkt her nicht zufriedenstellend sind. Was in solchen Fällen fehlt, ist der aufrichtige Versuch, eine wesentliche Meinungsverschiedenheit aufzuklären und wenn möglich zu lösen. Wenn Forscher und Kommission sich auf einen Kampf um Überlegenheit einlassen, wird dabei die Grundlage für einen ethischen Dialog untergraben.
Warum sollten die Gründe der Forscher, ob sie hinreichend zur Durchführung eines geplanten sein Tierversuchs seien oder nicht, überhaupt Gegenstand einer Untersuchung, und warum sollten Anstrengungen gemacht werden, Unstimmigkeiten mit Hilfe von Argumenten aufzulösen? Diese Frage wird dadurch beantwortet, daß die Absicht besteht, zu einer verantwortungsvollen gemeinsamen Entscheidung zu gelangen. Die Entscheidung, um die es geht, d.h. "zulässig" oder "unzulässig", ist ein moralisches Urteil hinsichtlich der Vertretbarkeit von Handlungen. Ein häufig in diesem Zusammenhang verwendeter Ausdruck ist "normative Verhaltensrichtlinie". Die Fähigkeit, eine Entscheidung zu vertreten, setzt die Fähigkeit voraus, Gründe zu nennen, die für sie sprechen, Gründe, die zur Rechtfertigung der Entscheidung ausreichen. Es mag gute Gründe geben, zugunsten der Zulässigkeit zu entscheiden, aber ebenso ernsthafte, dagegen zu sein. Ein Beispiel: Der zur Diskussion stehende Versuch wird die Versuchstiere schwer belasten, und/oder der wissenschaftliche Wert des Versuchs ist von geringer oder mäßiger Bedeutung. In einem Dialog dürfen solche Kritikpunkte nicht einfach vernachlässigt werden. Die Gründe zugunsten des Versuchs und ihre Überlegenheit gegenüber den Gründen, die gegen den Versuch sprechen, sollten aufgezeigt werden, oder es sollte gezeigt werden, warum die Gründe dafür die Gründe dagegen entkräften. Zusammenfassend: es ist der Zweck eines Dialogs, vertretbare normative Verhaltensrichtlinien zu finden. Die Argumente, die schlußendlich tragen, sind solche, die gute Begründungen liefern, d.h. Begründungen, die hinreichen, um normative Verhaltensrichtlinien zu rechtfertigen.
Auch ethische Beweisführung kann in Bezug auf ihre Qualität bewertet werden. Eine gute Beweisführung und die Argumente, die eine solche Beweisführung und Schlußfolgerung stützen, sollten sowohl haltbar als auch relevant sein. Die Stichhaltigkeit ist eine von Argumenten und Schlußfolgerungen untrennbare Funktion. Prominente Ethiker sind sich nicht darüber einig, wie strikt eine solche Funktion sein sollte, aber es bedarf keiner Diskussion darüber, daß eine stichhaltige Beweisführung konsistent sein und hinreichende Gründe für die Annehmbarkeit der Schlußfolgerung liefern sollte. Akzeptabel und für die Streitfrage geeignet sind nur Argumente, die zu den Gegebenheiten und den anerkannten und vorausgesetzten Normen und Werten passen. Sie werden als relevant bezeichnet, wenn sie zur Entscheidung über die moralische Richtigkeit eines Verhaltens wesentlich beitragen können.
Um brauchbare Grundlagen für normative Verhaltensrichtlinien zu schaffen, empfiehlt es sich, die folgenden Punkte einzubeziehen:
-Ist geprüft worden, ob der geplante Tierversuch den Mindestanforderungen an die wissenschaftliche Qualität genügt?
-Ist vorauszusehen, daß die im Versuch gebrauchten Tiere nachteilige Wirkungen erleiden? Die Beurteilung sollte Schwere, Dauer und Häuflgkeit dieser nachteiligen Wirkungen beinhalten.
-Bestehen Möglichkeiten zum Ersatz oder zur Reduzierung des Tierversuchs oder zur Durchführung mit geringerer Belastung für die Tiere?
-Welche Bedeutung sollte dem Tierversuch beigemessen werden? Hat der Versuch hohe oder lediglich marginale Bedeutung, ist die Bedeutung konkret oder nur potentiell?
-Werden die von den Tieren erlittenen nachteiligen Wirkungen durch die Bedeutung des Versuchs aufgewogen?
Die letzte Frage dieser Aufzählung, die Güterabwägung, soll im folgenden noch etwas genauer untersucht werden. Zunächst muß deutlich gemacht werden, welche spontanen moralischen Urteile der geplante Versuch hervorruft. Daraus folgt die Suche nach den ethischen Grundsätzen, denen man verpflichtet ist und die in Beziehung zu dem zu beurteilenden Fall stehen. Schließlich muß versucht werden, zwischen diesen ethischen Grundsätzen einerseits und den intuitiven moralischen Urteilen andererseits einen Zusammenhang herzustellen. Daraus müssen dann gute Gründe für eine abschließende Entscheidung hergeleitet werden.
Folgendes Beispiel veranschaulicht dieses Vorgehen: Es geht darum, ob ein akuter Toxizitätstest zulässig ist oder nicht. Die zu testende Substanz ist ein Insektizid. Es wird davon ausgegangen, daß der Test zu schweren Belastungen der betroffenen Versuchstiere (Ratten) führen wird. Ein Privatuntemehmen hat den Test beantragt, weil das Insektizid bei der Zulassung bestimmten gesetzlichen Ansprüchen genügen muß.
Es muß klar gesagt werden, welche intuitiven moralischen Urteile dieser bestimmte Fall hervorruft, z.B. daß es richtig ist, eine Substanz auf Toxizität zu prüfen, bevor sie von Konsumenten benutzt wird. Solche spontanen Reaktionen präsentieren sich als selbstverständlich und nahezu unzweifelhaft; oft haben sie ihre Wurzeln in Erziehung und Erfahrung, und sie verdienen im Zusammenhang einer ethischen Beweisführung ernsthafte Beachtung. Spontane moralische Urteile sind jedoch keine hinreichende Grundlage für eine gerechtfertigte Entscheidung. Sie können, weil vielleicht nur das wahrgenommen wird, was man wahrnehmen will, unangebracht oder verzerrt sein. Außerdem können spontane moralische Urteile im Widerspruch zueinander stehen. Neben dem spontanen Urteil, daß es richtig ist, eine Substanz auf Toxizität zu testen, kann man zum Beispiel der Meinung sein, daß es falsch ist, Ratten leiden zu lassen. In einem solchen Fall sind spontane, intuitive Urteile nicht hinreichend für eine Entscheidung.
Es kann dann nötig sein, die spontanen moralischen Urteile kritisch zu untersuchen. In einem Dialog innerhalb einer Kommission können die spontanen moralischen Urteile und Gedankengänge auf ihre Kompatibilität mit den wissenschaftlichen untersucht werden. Es ist aber auch möglich, ethische Grundsätze zu finden, die auf den speziellen Fall Bezug haben. Beispiele wären hier der Grundsatz, daß die Gesundheit von Menschen erhalten werden sollte, der Grundsatz, Tiere vor Leiden zu schützen oder ihre Eigenständigkeit zu respektieren, der Grundsatz, "niemandem Schaden" aber "allen Gutes" zufügen zu wollen oder der Grundsatz der Gerechtigkeit. Diese ethischen Grundsätze können zur Untersuchung intuitiver moralischer Urteile kritisch genutzt werden, indem sie zu ihnen in Beziehung gesetzt werden. Dieser Denkprozeß wird in drei aufeinanderfolgenden Stufen vollzogen:
Erstens können spontane moralische Urteile kritisch bewertet werden, indem sie sowohl aus der Perspektive bestimmter ethischer Grundsätze betrachtet als auch moralisch relevanten Fakten gegenübergestellt werden. Zum Beispiel kann kritisch untersucht werden, ob die Meinung, daß es falsch ist, Ratten leiden zu lassen, angebracht ist oder nicht. Gibt es gute Gründe, die Ratten vor Schmerzen zu schützen, scheint diese Meinung nicht unangebracht zu sein. In der zweiten Phase können umgekehrt ethische Grundsätze auf der Grundlage von intuitiven moralischen Urteilen und anderen problemrelevanten Informationen kritisch bewertet werden. Ethische Grundsätze sollten nicht von den ihnen zugrundeliegenden Intuitionen und Erfahrungen isoliert werden. Eine Diskussion kann z.B. die Frage behandeln, ob der Gerechtigkeitsgrundsatz so ausgelegt werden kann, daß Tiere und Menschen gleich behandelt werden sollten, oder ob er lediglich beinhaltet, daß Ratten insoweit berücksichtigt werden sollten, als sie die Fähigkeit zur bewußten Leidenserfahrung haben. In letzterem Fall wäre eine verallgemeinerte Forderung nach der Gleichbehandlung von Tieren und Menschen keine korrekte Auslegung des Gerechtigkeitsgrundsatzes.
In der dritten Phase wird der Prozeß der Herstellung eines Zusammenhangs zwischen ethischen Grundsätzen und intuitiven moralischen Urteilen fortgesetzt, bis ein reflexives Gleichgewicht erreicht ist. Intuitive moralische Urteile werden so lange kritisch bewertet und ethische Grundsätze reziprok untersucht, bis eine gewisse Entsprechung zwischen annehmbaren intuitiven moralischen Urteilen einerseits und anerkannten ethischen Grundsätzen andererseits erreicht ist. In diesem Stadium werden intuitive moralische Urteile und Urteile, die auf ihre Verträglichkeit mit bestimmten ethischen Grundsätzen untersucht worden sind, als miteinander vereinbar betrachtet. In dem angeführten Beispiel kann man sich dem reflexiven Gleichgewicht folgendermaBen nähern. Die Richtigkeit des intuitiven moralischen Urteils würde bedeuten, daß es falsch ist, Ratten leiden zu lassen. Gleichzeitig muß aber anerkannt werden, daß es nicht annehmbar ist, diesem Urteil so grobe Bedeutung beizumessen, daß deswegen die Linderung möglichen menschlichen Leids unterbleibt. Also würde die Richtigkeit des Grundsatzes akzeptiert, daß die menschliche Gesundheit gefördert werden soll, aber nicht in dem Ausmaß, daß die von diesem Grundsatz abgeleiteten Verpflichtungen immer die Verpflichtung überwiegen, Ratten vor Leiden zu schützen. Ist hieraus also der Schluß zu ziehen, daß die Durchführung des Toxizitätstests erlaubt werden sollte? Das hängt davon ab, wie wichtig das Testergebnis für den Schutz menschlicher Gesundheit ist. Sieht man von der Durchführung des Tests ab, kann sich die offizielle Genehmigung des Insektizids um einige Monate verzögern,' d.h. so lange, bis andere Informationen zur Verfügung stehen, die eine Genehmigung ebenfalls ermöglichen. In diesem Fall kann das intuitive moralische Urteil so ausfallen, daß es zu diesem Zeitpunkt besser wäre, auf das Insektizid zu verzichten. Annehmbare intuitive moralische Urteile können zusammen mit maßgeblichen ethischen Grundsätzen hinreichende Gründe für eine ablehnende Entscheidung darstellen. Das bedeutet hier, daß der Toxizitätstest als ethisch unzulässig angesehen werden mu13. In der Realität ist die Situation im allgemeinen sehr viel komplexer. Das Insektizid könnte beispielsweise vergleichbaren Produkten beträchtlich überlegen sein, oder sein Marktzugang könnte für das wirtschaftliche Überleben des Herstellers von entscheidender Bedentung sein. Falls das zutrifft, kann auch der ethische Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit eine Rolle spielen, was dazu führen kann, daß das soeben genannte intuitive moralische Urteil neu überdacht werden muß.
Hindernisse und Trugschlüsse bei der ethiek Beweisführung
Der vorhergehende Abschnitt zeigt eine mögliche Argumentationskette auf, der zu folgen sinnvoll sein kann, wenn stichhaltige Gründe für eine bestimmte Entscheidung gesucht werden. Eine korrekte Argumentation ist ein wichtiger Bestandteil einer solchen Annäherung. In diesem Abschnitt werden einige der Hindernisse und Fehlschlüsse diskutiert, die einen konstruktiven ethischen Dialog erschweren können.
Eines der wichtigsten Hindernisse für den konstruktiven ethischen Dialog besteht in einer verärgerten Reaktion, wenn sakrosankt geglaubte Positionen in Frage gestellt werden ("warum überhaupt Tierversuche durchführen?"). Vom ethischen Dialog her betrachet ist eine ausweichende ("es gibt keine Alternativen") oder realitätsfremde Reaktion ("Laien ohne wissenschaftliche
Sachkenntnis in einer Kommission schaffen nur Probleme") unangemessen. In der Geschichte gibt es mehrere Beispiele von Forschungsmethoden, die von einer kleinen, involvierten Experten-Subkultur für unerläßlich gehalten wurden, die in den meisten zivilisierten Ländern jedoch nicht länger geduldet werden.
Ein anderes Hindernis bei der ethischen Beweisführung stellt die Unfähigkeit dar, Argumentationsketten zuzulassen, die außerhalb des eigenen konzeptionellen Rahmens steben. Jede soziale Gruppe hat ihre eigenen moralischen Gebote, dies gilt auch für Gruppen von Forschern. Die Normen und Werte, die den Mitgliedern einer Gruppe geläufig sind, werden solange nicht in Zweifel gezogen, bis sich eine Alternative bietet, oder bis Außenseiter (Familienmitglieder, Tierversuchsgegner oder Studenten) sie grundsätzlich in Frage stellen. Wenn die Teilnehmer eines ethischen Dialogs nicht aufrichtig bereit sind, ihre Normen und Werte in Frage stellen zu lassen, entstehen Kontroversen, die einen konstruktiven ethischen Dialog verhindem.
Es ist von entscheidender Bedeutung, ein korrektes Verhältnis zwischen der vorgeschlagenen Untersuchungsmethode und allen Beachtung verdienenden Alternativen herzustellen. Hier bestünde der Trugschiuss in der ethischen Argumentation darin, die Tatsache zu übersehen, daß die Wahl zwischen zwei Alternativen vier Aspekte nach sich zieht, die gegeneinander abzuwägen sind, nämlich die Argumente für und gegen beide Methoden. Häufig werden Argumente für eine Alternative mit Argumenten aufgerechnet, die gegen die andere Alternative sprechen, z.B. "ein Tierversuch hat den Vorteil, daß die Möglichkeit besteht, das gesamte physiologische System zu untersuchen, der Nachteil einer Zellkultur ist, daß im Lauf der Zeit charakteristische Zellfunktionen verschwinden". Tatsächlich wurde eine bestimmte Position bezogen, ohne der Tatsache Rechnung zu tragen, da8 es noch zwei andere Aspekte gibt, die betrachtet werden müssen: "Die Nachteile eines Tierversuchs sind die möglichen Leiden der benutzten Tiere, die Vorteile einer Zellkultur sind ihre Geschwindigkeit, ihre Reproduzierbarkeit und die große Anzahl der Tests, die innerhalb kurzer Zeit durchgeführt werden können."
Wahlmöglichkeiten können Dilemmas erzeugen. Sich in einer Wahlsituation zu befinden bedeutet, die Existenz guter Argumente sowohl für als auch gegen alternative Versuchsabläufe anzuerkennen, wobei weder die Argumente dafür noch die Argumente dagegen triftig genug sind, einander außer Kraft zu setzen. Z.B. kann eine Situation eintreten, bei der ein Versuch die Verwendung von zwanzig Ratten vorsieht, während bei einem anderen Test Resultate gleicher Validität hei der Verwendung von "nur" fünf Schimpansen erwartet werden. In diesem Beispiel geht es um die unterschiedliche Anzahl und die emotionele Distanz zu den Tieren, Aspekte, die schwierig zueinander in Beziehung zu setzen sind. Das Dilemma, dem man hier gegenübersteht, ist tatsächlich die Wahl zwischen zwei Übeln. Ein häufiges Dilemma ist auch, ob der Forscher einige Tiere mehrmals (z.B. 2, 10 oder 20 mal) verwender, oder ob er mehr Tiere nur einmal einsetzt. Die Reduzierung der Tierzahl muß gegen die Reduzierung des Leidens des einzelnen Tiers aufgewogen werden. Aus der Sicht des individuellen Tiers muß die Reduktion des Leidens vor der quantitativen Verminderung Vorrang haben. Dilemmas können also aufgelöst werden, indem auf grundsätzlichere Prinzipien zurückgegriffen wird. Alternativen dürfen nicht als Streitobjekte aufgefabt werden. Häufig beginnen die Parteien des vermeintlichen Streits einen Grabenkrieg, anstatt die Hintergründe des Dilemmas anzugehen und sie zum Gegenstand der Diskussion zu machen.
Für einen ethischen Dialog wäre es sehr hilfreich, eine verläßliche Einschätzung der Schwere des Leidens der betroffenen Tiere sowie der Bedeutung der von einem Tierversuch erwarteten Ergebnisse zur Verfügung zu haben. Hier kam der Trugschlub zustande, weil Argumenten von Autoritäten krtiklos Glauben geschenkt wurde. Dies gilt besonders dann, wenn die betreffenden Autoritäten zufällig selbst mit Versuchstieren arbeiten. Das bedeutet nicht, daß es falsch ist, die Fachkenntnis kompetenter und umfassend ausgebildeter Männer und Frauen anzuerkennen; es bedeutet aber wohl, daß die Annahme eines unüberprüften Arguments, nur weil es von einer Autorität geäußert wurde, jede weitere Diskussion überflüssig macht. Genau diese Diskussion über vorausgesetzte Normen und Werte ist das Fundament der Ethik. Die Beurteilung nachteiliger Wirkungen von Versuchen anhand eines vorab festgelegten Härteindex kann dazu führen, die tatsächlich zu betrachtenden Probleme zu vernachlässigen, was wiederum eine ernsthafte ethische Diskussion gefährdet.
Auf dem Weg zu einem Denkprozeß, bei dem das gewünschte Gleichgewicht auf zueinander in Beziehung stehende Faktoren gegründet sein soll, werden häufig Kosten und Nutzen als gegeneinander abzuwägende Größen gewählt. Der Trugschluß ist hier die "Reduktion" des Problems; anstelle einer Diskussion, die Fragen der Ethik behandelt, wird die Aufmerksamkeit ausschlieblich auf ökonomische Aspekte gerichter. Kosten, die z.B. durch Ankauf, Unterbringung und Pflege von Versuchstieren entstehen, können aufgewogen werden gegen Einsparungen im Gesundheitswesen, die z.B. durch die Einführung einer neuen Behandlungsmethode erzielt werden können. Obwohl dies eine wichtige und notwendige Überlegung im Rahmen einer effizienten Gesundsheitsvorsoge ist, handelt es sich nicht um eine ethische Betrachtung. Sie kann zu einer ethischen Betrachtung werden, aber nur dann, wenn die Gründe (Werte) hinter diesen ökonomischen Anstrengungen in Frage gestellt werden ("warum soll man sich bemühen, die Ausgaben für Versuchstiere zu minimieren und die Einsparungen bei der Medizintechnik zu maximieren?"). Wenn solche Fragen gestellt werden, wird die ökonomische Diskussion beendet und die ethische Diskussion begonnen. Eine mögliche Antwort auf diese Frage könnte Axiome des Utilitarismus einbeziehen, die die Minimierung des Leidens und die Maximierung des Glücks der gröbten Anzahl (moralisch relevanter Wesen: Subjekte, die zu Leiden und Wünschen fähig sind) einfordern.
Eine wichtige Fehlerkategorie bei ethischen Auseinandersetzungen stellen Fehlschlüsse dar. Fehlschlüsse sind Scheinargumente: auf den ersten Blick überzeugend, bei näherer Betrachtung aber falsch. Ihr auffälligstes und alarmierendstes Merkmal besteht darin, daß sie häufig (in irrelevanter Weise) mit menschlichen Gefühlen arbeiten. In der Folge können sie jedes Bemühen zunichte machen, einen auf nationale Argumente gegründeten Dialog zu führen. Klassische Fehlschlüsse sind die unechten Gegenargumente, die der Rhetorik entstammen. Diese Argumente sind dadurch gekennzeichnet, daß sie nicht auf das Argument des Gegners antworten, sondern einen anderen (irrelevanten) Aspekt kunstvoll ausführen. Beispiele dafür sind:
Appell an die Öffentlichkeit:
"Wenn AIDS-Forschungszentren nicht von der Importbeschränkung für Schimpansen ausgenommen werden, wird dieses Land das Heilmittel gegen die AIDS-Epidemie nicht hervorbringen können." Abgesehen von der fragwürdigen Annahme, daß Schimpansen wirklich für die AIDS-Forschung gebraucht werden, spricht dieses Argument implizit nationale Gefühle an, um die Zuhörer zu überzeugen.
Argumentum ad hominem (persönlicher Angriff):
"Wird dieser Mann von irgendeiner Tierschutzorganisation bezahlt?" Das Argument legt nahe, daß der betreffende Redner als verdächtig anzusehen ist; damit kann alles, was er vorgebracht hat, mühelos abgetan werden.
Ungerechtfertigter Appell ans Mitleid:
"So ein armes kleines Hündchen..." Ein Argument, das darauf abzielt, die natürlichen Sympathien zu versterken, die besonders junge Tiere wachrufen. Die Absicht besteht darin, einer wesentlichen Diskussion der anstehenden moralischen Grundlagen und Fakten auszuweichen.
Argument durch Autorität:
"Die Richtlinie des (britischen) Innenministeriums zur Durchführung der Tierforschungsverordnung von 1986 (oder das US-Tierschutzgesetz) fordert..." Auch die Autorität einer Persönlichkeit wie Albert Schweitzer kann als Mittel eingesetzt werden, Partner in einer Auseinandersetzung einzuschüchtern. Was zählen und darum diskutiert werden sollte, sind nicht die Namen dieser Autoritäten, sondern ihre Argumente.
Appell an die Betroffenheit:
"Auch in lhrer Familie könnte jemand herzkrank sein..." Ein Argument, das das Publikum dazu bringt, seine Meinung eher aufgrund seiner möglichen persönlichen Betroffenheit als aufgrund einer rationalen Beurteilung des anstehenden Problems zu bilden.
Eine zweite Gruppe von Scheinargumenten trügt nicht in dem Sinn, daß sie von relevanten Argumenten ablenkt, indem sie irrelevanterweise auf menschliche Gefühle abhebt. Sie blenden, weil mit ihnen logisch falsche Folgerungen aus den Prämissen gezogen werden. Diese Folgerungen können an sich durchaus relevant sein, aber die Schlüsse, zu denen man gelangt, sind einigermaben zweifelhaft. Beispiele aus dieser Gruppe sind:
Argument aus Unwissenheit:
"Tiere fühlen keinen Schmerz, weil nie verifiziert worden ist, daß sie Schmerz fühlen." Die nicht vorhandene Bestätigung eines Sachverhalts führt nicht zu dem Schluß, daß das Gegenteil wahr sein muß.
Kreisargument (die Sache von vomherein als erwiesen ansehen):
"Tierversuche werden immer notwendig sein. Schließlich garantieren Tierversuche die Sicherheit von Medikamenten für Menschen.
In Fällen, in denen Tierversuche nicht schlüssig sind oder sogar zu falschen Prognosen führen, sollten wir eigentlich die Anzahl der Tierversuche erhöhen." Der Gegenstand der Diskussion wird für wahr gehalten. Die logisch falsche Voraussetzung ist, daß es zu der betreffenden Möglichkeit überhaupt keine Altemativen gibt.
Argument durch Entsprechung:
"Mit Tierforschung wird es genauso gehen wie mit der ersten Dampfmaschine; nach einer Weile wird keiner mehr Probleme damit haben." Die logisch falsche Annahme hier ist, daß sich die Analogien in jeder Hinsicht entsprächen, während sie dies aber tatsächlich nur in einigen (unwichtigen) Aspekten tun.
Unzulässige Verallgemeinerung:
"Tierversuche lassen nicht immer verläßliche Rückschlüsse auf den Menschen zu; darum sollte man gar nicht erst mit Tierversuchen anfangen." Was sich in einigen Fällen als wahr erwiesen hat, wird für alle Fälle als wahr unterstellt.
Apriori Argumentation (Zufall):
"Nutzen für Menschen ist eine gute Sache. Gentherapie könnte für viele Menschen nützlich sein. Deswegen ist Gentherapie eine gute Sache." Was sehr wohl als eine unbestimmte, allgemeine Regel richtig sein mag, wird für einen bestimmten und sehr speziellen Fall als wahr gefolgert.
Post hoc ergo propter hoc (nach etwas, also wegen etwas):
"Wenn Tierforschung in der Vergangenheit nicht geduldet worden wäre, hätte es keine wissenschaftlichen Fortschritte gegeben." Sequenz wird mit Konsequenz verwechselt. Die Folgerung ist logisch falsch, weil sie, wie alle historischen Argumente, nicht falsifiziert werden kann.
Naturalistischer Fehlschluß (was ist soll sein):
"Es liegt in der natürlichen Ordnung der Dinge, daß Pflanzen, Tiere und Menschen nur auf Kosten anderer Lebensformen überleben können. So fügt sich die Nutzung von Tieren zum Vorteil der Menschheit in die natürliche Ordnung der Dinge." Von der Art, wie die Dinge sind, wird auf die Art geschlossen, wie sie sein sollen: Werte werden aus Fakten gefolgert. Das Argument ist insofern typisch konservativ, als es kurzerhand jede mögliche zukünftige Änderung ahlehnt.
Nicht konsequent sein:
"Gegen Tierversuche sein und trotzdem Medikamente für lhr krankes Kind akzeptieren, ist nicht konsequent." Obwohl es nicht konsequent ist, kann es schr wohl konsistent sein ("konsequent" bezieht sich auf Handlungen, während"konsistent" sich auf Grundsätze bezieht). Der Gegner unterstellt, daß man seine eigenen ethischen Grundsätze verrät. Anders ausgedrückt, man sei nicht "stark" genug, um an einer ernsthaften Diskussion teilzunehmen, was natürlich ein "argumentum ad hominem" ist. Der springende Punkt ist jedenfalls, daß der Grundsatz gleicher Behandlung unter gleichen Bedingungen falsch angewandt wird; es wurde übersehen, daß unterschiedliche Bedingungen eine unterschiedliche Behandlung erlauben (oder sogar erfordern). Der Unterschied hei diesem Beispiel besteht darin, daß die direkte moralische Verpflichtung gegenüber dem eigenen Kind schwerer wiegt als die allgemeine moralische Verpflichtung, sich um Tiere zu kümmern (nicht aber sie tilgt).
Wortverdrehung:
"Forscher haben die Pflicht, nachteilige Wirkungen ihrer Untersuchungen auf die benutzten Tiere zu minimieren." Unklare Bezeichnungen und Konzepte dienen dazu, einen Mangel an Übereinstimmung zu verschleiern. "Nachteilige Wirkungen" lassen verschiedene Interpretationen von Forschern einerseits und Repräsentanten von Tierschutzorganisationen oder Aktivistengruppen andererseits zu. Zum Beispiel ist für letztere die Laborhaltung an sich schon eine nicht annehmbare Belastung, während für die ersteren die Haltung unproblematisch ist, solange die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Was genau bedeutet hier die Pflicht zur "Minimierung"? Gilt sie auch dann noch, wenn ihre Erfüllung ökonomisch nicht mehr ratsam ist?
Schlußfolgerungen
Für tierexperimentell tätige Wissenschaftier ist die Erkenntnis wichtig, daß Tierversuche zu einem fundamentalen Bestandteil der wissenschaflichen Vorgehensweise beim Studium der belebten Natur geworden sind. Aus der Sicht der Experimentatoren ist die Brauchbarkeit der Tiere entscheidend für den Erfolg des Versuchs. Erkennt man jedoch an, daß zumindest Wirbeltiere einen Eigenwert besitzen, können Tierversuche von einem ethischen Standpunkt aus nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt werden. Forscher müssen sich, außer dem Bemühen um Alternativen zu Tierversuchen im Sinne der 3 R mit der Frage auseinandersetzen, ob die Forschungsergebnisse die benutzten Methoden rechtfertigen. Zur Beantwortung dieser Frage ist die Fähigkeit notwendig, ethisch zu argumentieren und die Vereinbarkeit eigener ethischer Argumente mit denen anderer zu prüfen. Dieser "ethische Dialog" sollte von Ethik-Kommissionen geführt werden. Eine solche ethische Beweisführung muß bestimmten Anforderungen hinsichtlich des Niveaus von Form und Inhalt genügen, damit Forscher ihre Arbeit mit "guten Gründen" im ethischen Sinn weiterführen können. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu guten Argumenten ist die Kenntnis von Fehlschlüssen (logischen Hindernissen in der ethischen Beweisführung). Wird die ethische Diskussion so weit als möglich öffentlich geführt, kann ein kollektiver Lernprozeß entstehen, an dessen Ende die Interessen von Menschen und Tieren mit gröberer Sorgfalt gegeneinander abgewogen werden.
Gleichzeitig gewährleistet die Öffentlichkeit, da8 die Gesellschaft das Bewußtsein vom Eigenwert der Tiere nicht vernachlässigt. Für den Tierexperimentator kann das Wissen beruhigend sein, daß die positive Beurteilung eines Tierversuchs durch eine Ethik-Kommission von Menschen getragen wird, die aus dem fraglichen Forschungsvorhaben keinen direkten Nutzen ziehen.
Weiterführende Literatur
-Clark, S. R. L. (1977). The moral status of animals. Oxford: Claredon Press.
-Linzey, A. (1 987). Christianity and the rightv of animals. London: SPCK, Holy Trinity Church.
-Regan, T. (1 984). The case for animal rights. London: Routledge.
-Rollin, B. E. (1 98 l). Animal rights and human morality. New York: Prometheus Books.
-Schweitzer, A. (1955). Civilization and ethics. 3rd cd. London: Adam&Charles Black.
-Singer, P. (1975). Animal liberation. A new ethics for our treatment of animals. New York: Avon Books. Smith, J. A. und K. M. Boyd (Hrsg.)
1991). Lives in the balance: The ethics of using animals in biomedical research. Oxford: University Press.
Kontaktadresse
Tjard de Cock Buning
Departement "Dierproefvraagstukken"
Faculty of Medicine
University of Leiden
P.O. Box 2083
NL-2301 CB Leiden
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