*SPRACHEBENEN UND SPRACHLICHE EINHEITEN IN LUDWIG WITTGENSTEINS TRACTATUS LOGICO-PHILOSOPHICUS* G.T. *Reifarth* Friedrich-Schiller-Universitaet Jena, Deutschland ABSTRACT Meine Arbeit fragt: Was ist, nach WITTGENSTEINS TRACTATUS LOGICO- PHILOSOPHICUS, Sprache und wie setzt sie sich zusammen? Diese Frage wird unter semantischen und pragmatischen Gesichtspunkten zu beantworten versucht. Im Mittelpunkt steht das Verhaeltnis zweier Sprachebenen, der Zeichensprache und der Umgangssprache, das am Ende als ein Doppelverhaeltnis - ein Verhaeltnis von Analyse und Generierung - klassifiziert wird, von dem allerdings nur eine Seite funktionstuechtig ist: die analytische Seite. Zu dieser Erkenntnis fuehrt die Analyse der Einheiten der beiden Systeme "Zeichensprache" und "Umgangssprache". Die atomare Ebene der Zeichensprache und ihr ontologisches Gegenstueck erweisen sich bei dieser Analyse als fuer Sprachbetrachtung untaugliche logische Konstrukte. Die Sprachdarstellung des TRACTATUS wird weitgehend verworfen, da sie meiner pragmatisch-semantisch angelegten Pruefung nicht standhalten kann. *Abstract Translation* In my paper I raise the question: What is language, and what does it consist of, according to WITTGENSTEIN'S TRACTATUS LOGICO- PHILOSOPHICUS? For an answer a semantic and pragmatic point of view is taken. My focus is on the relationship between two stages of language: "sign-language" and "ordinary language". I will classify this relationship as a double relationship - a relationship of analysis and of construction - , only one side of which actually functions: the analytic side. I am led to this conclusion after having analyzed the entities of both "sign-language" and "ordinary language". The basic (atomic) level of sign-language and its ontological counterpart turn out to be logically constructed entities which are of no value for examining actual language. The Tractarian view of language is rejected as it fails to hold if it is semantically and pragmatically examined. Motto Now you see the truth is just a little bit closer Closer than you ever guessed Now you feel the proof is just a little bit closer With every single breath Aus "The paths of perfection"; The Cro-Mags 1992 Gliederung *Vorbemerkungen* *Abstrakt* *Abstract Translation* 1. *Einleitung: Von Leitern und Interpretationswiderspruechen* A: *Leitern* B: *Interpretationen und Widersprueche* 2. *Arten von "Sprache" im TRACTATUS - verschiedene Sprachtypen?* 2.1. *Ueberblick zu "Sprache" im TRACTATUS* 2.2. *Einzelne Arten von "Sprache"* A: *"(Die) Sprache"* B: *"Meine Sprache"* C: *"Umgangssprache"* D: *"Zeichensprache"* E: *Weitere Sprachen* 2.3. *Erste Angaben zum Verhaeltnis der Arten von "Sprache"* 3. *Ueberblick: Einheiten der Zeichensprache, der Umgangssprache, der Realitaet* 4. *Einheiten der Zeichensprache* A: *Namen* A 1: *Was sind Namen?* A 2: *Was entsteht aus Namen?* A 3: *Gibt es Namen?* A 4: *Zusammenfassung* B: *Elementarsaetze* B 1: *Was sind Elementarsaetze?* B 2: *Was entsteht aus Elementarsaetzen?* B 3: *Gibt es Elementarsaetze?* B 4: *Zusammenfassung* C: *Ausdruecke* D: *Weitere Einheiten?* 5. *Einheiten der Umgangssprache* A: *Woerter* B: *Saetze* B 1: *"Normales" Satzkonzept: Saetze der Umgangssprache* B 2: *Formales Satzkonzept* 6. *Das Doppelverhaeltnis von Zeichensprache und Umgangssprache* A: *Analyseverhaeltnis* B: *Generierungsverhaeltnis* 7. *Ontologie des TRACTATUS* A: *Gegenstaende* A 1: *Was sind Gegenstaende und was entsteht aus ihnen?* A 2: *Wie werden Gegenstaende versprachlicht?* B: *Sachverhalte* C: *WITTGENSTEINS Wirklichkeitsbegriff* 8. Schluss: *Reales, Noetiges und Ueberfluessiges in der Spracharstellung des TRACTATUS* 9. *Anmerkungen* 10. *Konsultierte und zitierte Literatur* *Vorbemerkungen* Meine Arbeit beschaeftigt sich mit WITTGENSTEINS TRACTATUS LOGICO- PHILOSOPHICUS. Zu diesem Buch gibt es bereits eine kaum zu ueberblickende Fuelle erlaeuternder Literatur, so dass zu fragen ist, warum ich dieser Fuelle noch einen weiteren Bestandteil hin zufuegen moechte. Die Sekundaerliteratur zum TRACTATUS besteht vor allem a) aus Gesamtinterpretationen, die den fortlaufenden Text WITTGENSTEINS erlaeutern und b) aus Darstellung bestimmter Teile des Textes unter speziellen Gesichtspunkten. Beide Formen setzen den Text fast immer zu anderen Schriften WITTGENSTEINS und/oder zu Schriften anderer Autoren in Beziehung. All dies oder etwas davon zu wiederholen, ist nicht meine Absicht. Zum einen liefere ich keine Gesamtdarstellung und ist der von mir gewaehlte Blickwinkel kein spezieller, sondern der all gemeinste, aus dem man Sprachphilosophie betrachten kann: der der Sprache selbst. Zum anderen bleibt meine Arbeit "binnen-traktatisch", denn es soll weder die Sprachauffassung WITTGENSTEINS als solche herausgearbeitet werden (sondern eben die des TRACTATUS), noch will ich z.B. WITTGENSTEINS Tagebuecher oder Schriften von Russell und Frege heranziehen (Querbezuege dieser Art herzustellen, scheint mir in manchen Interpretationen eher verwirrend als hilfreich zu sein). Ich werde die Sprachauffassung des TRACTATUS darstellen, kommentieren und werten. Dabei wird Sprache weniger vom philosophischen, als vom linguistischen (semantischen, pragmatischen) Gesichtspunkt aus gesehen. Zahlenangaben in meinem Text beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf die Satznummern des TRACTATUS, aus dem ich nach der Kritischen Edition zitiere. 1. *VON LEITERN UND INTERPRETATIONSWIDERSPRUeCHEN* A: *Leitern* a) Das Wort LEITER bezeichnet ein "Geraet aus Holz oder Leichtme- tall, das aus zwei durch mehrere Sprossen verbundenen Laengs- stangen besteht und zum Hinaufsteigen dient"*1*. Ein solches Geraet ist eine Erfindung von Menschen und ist ihnen dort eine Hilfe, wo ihre Koerpergroesse fuer bestimmte praktische Zwecke nicht ausreicht. Die Handhabung einer Lei- ter ist leicht verstaendlich, problemlos erlernbar. Das Geraet Leiter ist im Alltag eine blosse Hilfskonstruktion, gleichsam ein Trick, mit dem man die begrenzten koerperlichen Moeglich- keiten der Menschen erweitert; man kann es nach Beendigung der Arbeit in die Ecke verbannen, es gehoert also nicht zum Ergebnis der Arbeit - beispielsweise ist das Haengen eines Bildes an einem mittels einer Leiter in einer bestimmten Hoehe angebrachten Nagel das Ergebnis einer Taetigkeit, das Hilfs- mittel Leiter bleibt von ihm ausgeschlossen. Eine Leiter ist zu verschiedenen Zwecken benutzbar und zu vielfacher Verwen- dung gedacht; bricht eine Sprosse oder ist die Leiter in an- derer Weise abgenutzt, kauft oder baut man sich eine neue. b) LUDWIG WITTGENSTEIN bezeichnet die Saetze seines "TRACTATUS LOGICO-PHILOSOPHICUS"*2* (1921) in einer der zum Aphorismus gewordenen Formulierungen des Buches als eine Leiter fuer seine Leser, die sie auf die Hoehen klarer philosophischer Einsicht fuehrt und die nach Gebrauch ueberfluessig ist (vgl. 6.54). WITTGENSTEINS Saetze weisen den Weg zu philosophischer Einsicht, sind die Beschreibung dieses Weges, nicht aber sein Bestandteil. Mehr noch, das leiterartige Hilfsmittel der Saetze ist eigentlich unzulaessig, weil darin - so WITTGENSTEIN - etwas zu sagen versucht wird, was ueberhaupt nicht sprachex- plizit sagbar ist, sondern nur sprachimplizit gezeigt werden kann (vgl. 4.121 und 4.1212). In 6.54 wird deutlich: fuer die philosophische Leiter ist ein bloss einmaliger Gebrauch vorge- sehen - ein einmaliger Aufstieg jedes Lesers genuegt zum Er- langen der korrekten Weltsicht; dieser Aufstieg ist der ein- zige Verwendungszweck der philosophischen Leiter. Da alles, was im Buch gesagt wird, klar gesagt wird (vgl. TRACTATUS- Vorwort), ist es nicht moeglich, dass eine Sprosse der Leiter bricht. Die Frage, ob das unter b) zu WITTGENSTEINS Auffassung seiner Saetze als Leiter Formulierte sich mit dem unter a) dargestellten Alltagsverstaendnis deckt, kann auch so gefasst werden: Inwieweit ist WITTGENSTEINS Leitergleichnis adaequat? Als Ausgangspunkt fuer eine Antwort stelle ich ich a) und b) tabellenartig gegenueber. a) b) Geraet Leiter im Alltag: Philosophische Saetze als Leiter: 1| Erfindung von Menschen Erfindung eines Philosophen | ------------------------------------------------------------- 2| regelmaessiger, ueber- WITTGENSTEIN zufolge klare, | schaubarer Bau (glei- regelmaessige Anordnung*3* | cher Abstand der (das wuerde sicheres Fort- | Sprossen, der siche- schreiten der Gedanken er- | res Steigen ermoeg- moeglichen) | licht) ABER: Das stimmt nicht! ------------------------------------------------------------- 3| Hilfsmittel zur Aus- Hilfsmittel zum Ersteigen | fuehrung von Arbeiten der Hoehe philosophischer | in gewisser Hoehe Einsicht ------------------------------------------------------------- 4| normalerweise Unmoeg- Unsagbares wird zu sagen, zu | liches wird moeglich erklaeren versucht ------------------------------------------------------------- 5| Gebrauch nicht Teil wegwerfbar, nicht Teil des | des Ergebnisses Ergebnisses ------------------------------------------------------------- 6| Gebrauch einfach, WITTGENSTEIN zufolge*4* | leicht erklaer- und er- klar gesagte, also auch ohne | lernbar weiteres verstehbare*5* | Loesung der Probleme | ABER: Das stimmt nicht! ------------------------------------------------------------- 7| zu vielen Zwecken ge- hat nur einen Zweck, jeder | eignet, vielfach ver- Nutzer soll sie nur einmal | wendbar gebrauchen Parallelen zwischen a) und b) sind unter 1, 3, 4 und 5 zu finden. Die dort suggerierte Adaequatheit der Wittgensteinschen Leitermetapher verliert allerdings durch den wichtigen Unterschied unter 7 und die unter b2 und b6 mit "ABER" gekennzeichneten Einwaende gegen Ansichten WITTGENSTEINS ihre Gueltigkeit. Diese Einwaende beduerfen der Erlaeuterung. Der Einwand unter b2 richtet sich gegen WITTGENSTEINS Auffassung, dass die Satznummerierung des TRACTATUS eine klare Gliederung des Buches garantiert, wie das die Wittgensteinsche Anmerkung zum ersten Satz des TRACTATUS versichert: "Die Decimalzahlen als Nummern der einzelnen Saetze deuten das logische Gewicht der Saetze an, den Nachdruck, der auf ihnen in meiner Darstellung liegt. Die Saetze n.1, n.3, n.3, etc., sind Bemerkungen zum Satze No.n; die Saetze n.m 1, n.m 2, etc. Bemerkungen zum Satze No.n.m; und so weiter." Tatsaechlich aber ist die Nummerierung weit davon entfernt, Klarheit und Regelmaessigkeit in die Gedankengaenge des TRACTATUS zu bringen. FAVRHOLDT nennt die Numerierungsweise des Buches "misleading"*6* und schreibt dem Dezimalsystem "little importance"*7* zu. Weiter bemerkt er, dass WITTGENSTEIN dieses System verletzt "by placing some of the most important statements as comments to others which, as far as can be seen, are less important...we must be aware that an interpretation of the Tractatus which strictly obeys the decimal system will lead us to serious misunderstandings of the book"*8*. STENIUS formuliert vorsichtiger und fragt, ob "Wittgensteins Nummerierungsprinzip wirklich seinen Zweck erfuellt"*9*. Eine weitere Schwierigkeit: Zum Verstaendnis des TRACTATUS sind staendige Rueckbezuege zu frueheren Nummern des Buches und Vorgriffe auf spaetere notwendig; ebenso sind Bemerkungen zu einem bestimmten Thema oder Begriff ueber das gesamte Buch verstreut.*10* Die Gliederung des TRACTATUS laesst also kein schrittweises Erklimmen philosophischer Hoehe zu. Gedankliches Bewegen auf den Saetzen des Buches als leiterhaftes Emporklimmen ist nicht moeglich. Den Einwand unter b6 stuetzt die Existenz Hunderter von Veroeffentlichungen, die waehrend der letzten 70 Jahre zum TRACTATUS erschienen sind. Deren Notwendigkeit ist jedem Leser des Buches einsichtig; der TRACTATUS ist ein philosophisches Werk, dessen Rezipienten erlaeuternder Hilfe beduerfen. Mit den Saetzen des TRACTATUS allein gelangt man also nicht auf philosophische Hoehe, die eine klare Weltsicht gestattet. Die Sprossen der Wittgensteinschen Leiter sind weder dicht genug an den Laengsstangen angebracht, noch reicht ihre Stabilitaet aus. Der Text kann nicht als Leiter dienen, sondern an ihn muessen interpretative Leitern angelegt werden. ROED weist darauf hin, dass das Leitergleichnis eine weitere Unstimmigkeit enthaelt: Jemand, der mit Hilfe einer Leiter einen hoeheren Standpunkt erreicht hat, kann dort verbleiben, auch wenn er nachtraeglich die Leiter umstuerzt. Hingegen koenne nicht an den Ergebnissen einer Argumentation festgehalten werden, wenn man die Voraussetzungen, die sie gestuetzt hatten, umstoesst*11*. Eine Bemerkung noch zu b5. Niemand wird, nachdem er eine Leiter gebraucht hat, diese wegwerfen (oder besser: umstossen). Es gibt keinen Grund, dies zu tun. WITTGENSTEIN aber sagt in 6.54: Der Leser "muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist". Eine absonderliche Aufforderung fuerwahr. Denn nachdem man zu der klaren Einsicht aufgestiegen ist, dass sich Philosophie auf die logische Klaerung von Gedanken beschraenken muss (vgl. 4.112), soll man auf dieser hoechst aermlichen Hoehe bleiben muessen, da man sich durch das Wegwerfen der Leiter den Rueckzug versperrt hat. Man ist vom umgangssprachlichen Alltag auf philosophische Hoehe gestiegen und erkennt, dass alles, was man dort oben tun kann, mit unseren Lebensproblemen nicht einmal in Ansaetzen etwas zu tun hat (vgl. 6.52). Auch WITTGENSTEIN sieht, wie wenig also mit der Loesung philosophischer Probleme getan ist (vgl. TRACTATUS-Vorwort). Man muss also auf den Boden der Lebensprobleme zurueck - und ohne die Leiter stuerzt man sich gewiss zu Tode. Nach WITTGENSTEIN koennen Philosophie und Logik diese Lebensprobleme nicht loesen. Trotzdem muessen wir uns ihnen stellen, denn die Lebensprobleme sind es, die uns Menschen wichtig sind - und wir finden sie nicht auf windiger Hoehe, sondern auf festem Boden. B: *Interpretationen und Widersprueche* Noch einmal: Nach WITTGENSTEINS Vorwort zum TRACTATUS ist jede Interpretation des Buches voellig ueberfluessig, weil die Problemloesungen des Buches, wenn sie so klar sind, wie ihr Verfasser das annimmt, keiner Erlaeuterungen beduerfen. Diese Ansicht fuehren unzaehlige darstellende, interpretatorische, kritische Arbeiten der Sekundaerliteratur radikal ad absurdum. Wie steht es mit diesen Arbeiten - sind sie wenigstens so beschaffen, dass sie WITTGENSTEINS Gedanken in klarem Licht erscheinen lassen? Nein. Man stelle sich vor, jemand wuerde versuchen, aus saemtlichen Texten, die sich mit dem TRACTATUS befassen, eine gueltige, in sich widerspruchsfreie Interpretation der Fruehphilosophie WITTGENSTEINS zu konstruieren. Man muesste diesem Jemand dringlichst von einem solchen Vorhaben abraten, denn es ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Warum? Nicht nur, dass die Interpretationen des TRACTATUS alles andere als deckungsgleich sind; vielmehr ergeben sich aus ihnen statt Verstaendnishilfen sogar unvereinbar widerspruechliche Auslegungen, die - eine logische Unmoeglichkeit - allesamt durch den TRACTATUS-Text fundiert sein sollen und die auch meist anhand des Textes zu begruenden versucht werden. Die auffaelligsten solcher sich diametral gegenueberstehenden Auslegungen moechte ich aufzaehlen. Zwei davon (c, e) haben mit dem Problem der Sprache zu tun haben, dessen Klaerung ich in dieser Arbeit versuchen moechte. Gegensaetzliche Auslegungen beziehen sich auf Fragen wie: a) Was ist wertvoller - die Fruehphilosophie WITTGENSTEINS im TRACTATUS*12* oder seine Spaetphilosophie in den PHILOSOPHISCHEN UNTERSUCHUNGEN*13*? b) Bestimmt die Ontologie des TRACTATUS seine Sprachauffassung*14* - oder verhaelt es sich umgekehrt*15*? c) Befasst sich der TRACTATUS mit einer idealen Zeichensprache*16* oder mit unserer Umgangssprache*17*? d) Sind die mit dem Begriff "Gegenstand" bezeichneten Entitaeten des TRACTATUS nur Individuen (Einzeldinge, Partikularien)*18* - oder fallen auch Universalien wie Relationen und Eigenschaften (also vor allem von Verben und Adjektiven Bezeichnetes) unter diesen Begriff*19*? e) Sind die mit dem Begriff "Namen" bezeichneten Entitaeten des TRACTATUS mit den Woertern unserer Alltagssprache vergleichbar*20* - oder sind sie streng von den Woertern zu unterscheiden*21*? Um die Existenz solcher widerspruechlichen Deutungen wie die unter b), c), d) und e) genannten erklaeren zu koennen, muss entweder - im TRACTATUS das, was angeblich klar gesagt wird, derart verwirrend sein, dass Missverstaendnisse und damit auch widerspruechliche Auslegungen moeglich sind oder - den Interpretatoren die Faehigkeit abgehen, den Text des TRACTATUS angemessen zu lesen bzw. das Ergebnis ihrer Lektuere angemessen darzustellen oder - den einzelnen Interpretationen eine von vornherein feststehende Auffassung zugrundeliegen, der die Auslegung angepasst wird. Der erste Grund gibt WITTGENSTEIN die Schuld am Misslingen der Auslegungen, bei den beiden letzten bleibt sie an den Interpretatoren haengen. Es ist wohl so, dass alle drei Gruende in die interpretatorischen Missstaende hineinspielen; im Einzelfall einer jeden Deutung in verschiedener Staerke. Und die Unausraeumbarkeit zumindest der beiden ersten Gruende laesst vermuten, dass es auch in Zukunft nicht gelingen wird, "die" gueltige Interpretation des TRACTATUS zu formulieren. 2. *ARTEN VON "SPRACHE" IM TRACTATUS - VERSCHIEDENE SPRACHTYPEN?* 2.1. *Ueberblick zu "Sprache" im TRACTATUS* In insgesamt 22 Nummern des TRACTATUS ist von "Sprache" in folgenden fuenf Zusammenhaengen die Rede: A B C D E "(die) "meine "Umgangs- "Zeichen- Sonstiges Sprache" Sprache" sprache" sprache" 3.032 3.323 3.325 3.343 3.343 --------------------------------------------------------- 4.001 4.002 4.002 4.011*22* 4.011 4.014 4.0141 4.025 4.1121 4.121 4.1213 4.5 --------------------------------------------------------- 5.4731 5.535 5.5563 5.6 5.62 5.62*23* ------------------------------------------------------- 6.12 6.233 6.43 2.2. *Einzelne Arten von "Sprache"* A: *"(Die) Sprache"* In 4.001 definiert WITTGENSTEIN: "Die Gesamtheit der Saetze ist die Sprache.". Der Wittgensteinsche Begriff "Satz" wird unten in Abschnitt 5 B besprochen. In 4.121 ist zu lesen: "Was sich in der Sprache spiegelt, kann sie nicht darstellen. Was SICH in der Sprache ausdrueckt, koennen WIR nicht durch sie ausdruecken.". Bestimmte interne Charakteristika der Sprache lassen sich nach WITTGENSTEIN nicht in der Sprache selbst sagen, kommentieren; sie zeigen sich in der Sprache und sind somit lediglich aufzaehlbar, nennbar. 3.032 sagt, dass etwas der Logik Widersprechendes in der Sprache nicht darstellbar ist. Die Logik und ihre Gesetze begrenzen also das in der Sprache Sagbare. "Der Mensch besitzt die Faehigkeit Sprachen zu bauen, womit sich jeder Sinn ausdruecken laesst, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie und was jedes Wort bedeutet." heisst es in 4.002. Entscheidend ist hier die Beobachtung WITTGENSTEINS, dass unsere Umgangssprachen (der Vorgriff auf C ist hier noetig, da WITTGENSTEIN zwar "Sprachen" schreibt, aber "Umgangssprachen" meint) den Anforderungen einer strengen Sprachlogik nicht genuegen, aber dennoch zur sinnvollen Kommunikation geeignet sind. B: *"Meine Sprache"* Nummer 5.6 lautet: "DIE GRENZEN MEINER SPRACHE bedeuten die Grenzen meiner Welt." Der Ausdruck "meine Sprache" wird in 5.62 spezifiziert als die "Sprache, die allein ich verstehe". Jeder Mensch beherrscht nur einen Ausschnitt aus der Gesamtheit sowohl seiner Muttersprache als auch der Gesamtheit der sprachlichen Realitaet ueberhaupt.*24* Diese Begrenzung legt fest, welche Weltkenntnis jeder Einzelne ueberhaupt haben kann - denn Welterkenntnis ist fuer WITTGENSTEIN (vgl. 5.6) stets eine durch Sprache vermittelte. Mit dem Ausdruck "meine Sprache" meint WITTGENSTEIN genauer "meine UMGANGSsprache". Auf ihn treffen also die unter C dargestellten Charakteristika zu. C: *"Umgangssprache"* Das schon unter A erwaehnte Versagen der Umgangssprache vor den Gesetzen der Sprachlogik wird in 3.323 naeher erlaeutert: "In der Umgangssprache kommt es ungemein haeufig vor, dass dasselbe Wort auf verschiedene Art und Weise bezeichnet - also verschiedenen Symbolen angehoert -, oder, dass zwei Woerter, die auf verschiedene Art und Weise bezeichnen, aeusserlich in der gleichen Weise im Satze angewandt werden.". Es geht also um nicht eindeutige Zuordnungen von Symbolen und ihren sinnlich wahrnehmbaren (vgl. 3.32), "aeusserlichen" Zeichen. a) Zum einen bezeichnet "dasselbe Wort auf verschiedene Art und Weise" - gehoert also "verschiedenen Symbolen" an. Es gibt also eine Mehrdeutigkeit, die eindeutig SEMANTISCHER Natur ist - ein Zeichen kann fuer verschiedene Symbole stehen (Homonymie). Allerdings folgt daraus auch, dass solch ein Wort in beiden Faellen der Bezeichnung derselben Wortklasse angehoert und deshalb auch den gleichen syntaktischen Regeln gehorcht (so wird "Bank" nach den syntaktischen Regeln der Wortklasse Substantiv behandelt - unabhaengig davon, ob es nun ein Geldinstitut oder eine Sitzgelegenheit bezeichnet). WITTGENSTEIN spricht von der verschiedenen Bezeichnungsweise eines Wortes als der Zugehoerigkeit eines Zeichens zu verschiedenen Symbolen (vgl. 3.323 und auch 3.321 und 5.4733); ich verstehe seine Terminologie so: Ein Zeichen referiert auf zwei verschiedene mentale Konzepte, die jeweils ein Symbol darstellen, also auf zwei verschiedene "Dinge" aus der Realitaet, die in unserem Denken als Symbole existieren (vgl. 3.326).*25* WITTGENSTEINS Beispiel aus 3.323: Das Wort "ist" erscheint aeusserlich als dasselbe Wort, kann jedoch auf drei verschiedene Weisen bezeichnen: als Kopula, als Gleichheitszeichen und als Ausdruck der Existenz. Das Wort ist ein Homonym. b) Die andere von WITTGENSTEIN angefuehrte Mehrdeutigkeit - "dass zwei Woerter, die auf verschiedene Art und Weise bezeichnen, aeusserlich in der gleichen Weise im Satze angewandt werden - ist auf zwei Wegen betrachtbar. 1. Man interpretiert die Stelle rein SYNTAKTISCH. Aeusserlich gleiche Anwendung heisst dann: Alle Mitglieder einer Wortklasse haben im Satz die gleiche syntaktische (funktionale) Verwendungsweise. Verschiedene Bezeichnungsweise muss dann bedeuten: Woerter, die verschiedenen syntaktisch bestimmen Wortklassen angehoeren, bezeichnen auf unterschiedliche Art (z.B. Verben anders als Substantive). 2. Man interpretiert GRAPHISCH-SEMANTISCH bzw. PHONOLOGISCH- SEMANTISCH. Die Rede von aeusserlich gleicher Anwendung bezieht sich dann auf die schriftbildliche Gestalt (gleiche Buchstabenfolge) bzw. auf die phonologische Gestalt (gleiche Lautfolge). Verschiedene Bezeichnungsweise zweier Woerter bedeutet hier: Sie bezeichnen verschiedene Dinge. Wie sieht nun WITTGENSTEIN die so unterschiedlich interpretierbaren baren Ausdruecke von aeusserlich gleicher Anwendung einerseits und verschiedener Bezeichnungsweise andererseits? - Aeusserlich gleiche Anwendung ist wohl SYNTAKTISCH zu verstehen, da WITTGENSTEIN bei der graphischen bzw. phonologischen Variante von aeusserlich gleicher GESTALT reden muesste (diese aeusserliche Gestalt meint er in a) und schreibt dafuer verkuerzt "dasselbe Wort"). - Verschiedene Bezeichnungsweise wird unter a) paraphrasiert als Zugehoerigkeit zu verschiedenen Symbolen. Das bedeutet in der Terminologie WITTGENSTEINS (wie unter a) schon erwaehnt): es wird auf unterschiedliche KONZEPTE bzw. DINGE referiert. Also steht der SEMANTISCHE Aspekt im Vordergrund. Demnach ist weder die rein syntaktische Interpretation unter 1. noch die sprachaeusserlich-semantische unter 2. aufrechtzuerhalten. Die angemessene Deutung fuer b) waere nun: In unserer Umgangssprache gibt es sehr haeufig Woerter, die derselben Wortklasse angehoeren und deswegen aeusserlich auf die gleiche syntaktische Weise verwendet werden - obwohl sie doch verschiedene Dinge bezeichnen. Das trifft nun im Prinzip auf jedes Wort der Umgangssprache zu. WITTGENSTEIN muesste zur Korrektur dieser Art von Mehrdeutigkeit fordern, dass jedes ein Ding bezeichnendes Wort eine eigene, exklusive Syntax haben soll. Das ist alles andere als stimmig (im Gegensatz zu dem, was sich aus einer "reinen" Interpretation nach 1. oder nach 2. ergibt), ist aber offensichtlich das, was herauskommt, wenn man WITTGENSTEINS Sicht der Ausdruecke "gleiche aeusserliche Anwendung" und "verschiedene Bezeichnungsweise" nachvollzieht. Eine Moeglichkeit zur Klaerung dieser Unstimmigkeit sehe ich nicht. WITTGENSTEINS Beispiel ist: "Gruen ist gruen".*26* Allerdings traegt es nicht zur Klaerung der aufgeworfenen Interpretationsprobleme bei. "Gruen ist gruen" enthaelt einen Personennamen und ein Eigenschaftswort. Heisst "verschiedene Bezeichnungsweise" hier, dass die Woerter auf verschiedene Dinge referieren (auf eine Person und eine Eigenschaft), oder dass sie unterschiedlichen Wortklassen angehoeren (Substantiv, Adjektiv)? Die beiden Woerter bezeichnen auf verschiedene Art und werden aeusserlich in der gleichen Weise angewandt. Bedeutet nun "gleiche aeusserliche Anwendung" gleiche Buchstabenfolge oder den Fall gleicher syntaktischer Verwendbarkeit der Woerter in diesem Satz (weil ja auch "Gruen ist Gruen", wo das Eigenschaftswort an erster Stelle steht, moeglich ist)? Sollte die gleiche Buchstabenfolge gemeint sein, gehoert das Beispiel zu a): das Zeichen aus den Buchstaben "g-r-ue-n" bezeichnet zwei verschiedene Symbole.*27* Verwirrend. Wie auch immer, unexakt sind nach WITTGENSTEIN jedenfalls die mehrdeutigen Bezeichnungen in der Oberflaechenstruktur der Sprache, die wir sinnlich wahrnehmen. Unser Denken arbeitet mit Symbolen (vgl. Anmerkung 25). Diese Symbole, und mit ihnen also die Vorgaenge unseres Denkens, sind nicht Gegenstand Wittgensteinscher Kritik - die Tiefenstruktur der Sprache ist fuer WITTGENSTEIN voellig in Ordnung.*28* 4.002 sagt: "Die Umgangssprache ist Teil des menschlichen Organismus und nicht weniger kompliziert als dieser. Es ist menschenunmoeglich, die Sprachlogik aus ihr unmittelbar zu entnehmen. Die Sprache (lies: "Umgangssprache" - G.T.R.) verkleidet den Gedanken. Und zwar so, dass man nach der aeusseren Form des Kleides, nicht auf die Form des bekleideten Gedankens schliessen kann; weil die aeussere Form des Kleides nach ganz anderen Zwecken gebildet ist als danach, die Form des Koerpers erkennen zu lassen. Die stillschweigenden Abmachungen zum Verstaendnis der Umangssprache sind enorm kompliziert.". Kompliziertheit (und auch Komplexitaet) der Umgangssprache hindert sie also daran, ihre Sprachlogik zu offenbaren: mehr noch, diese Logik wird durch umgangssprachliche "Verkleidungen" sogar unkenntlich gemacht. Wie ein Kleid den Koerper verhuellt, so verdeckt die Umgangssprache die Sprachlogik. WITTGENSTEIN meint, diese Verhuellung sei eine absichtliche und wohlgeplante (denn ein Kleid wird ja fuer bestimmte Zwecken konzipiert - und zwar "nach ganz anderen Zwecken...als danach, die Form des Koerpers erkennen zu lassen"*29*). Warum allerdings Menschen ihre Umgangssprachen derart gebaut*30* bzw. die Sprachlogik in ihr VERbaut haben, sagt WITTGENSTEIN nicht. Seine Einbeziehung der Umgangssprache in den menschlichen Organismus (in 4.002) suggeriert eine Art natuerlicher Automatik der Sprachvorgaenge, die, wie andere organische Vorgaenge auch, praktischen Lebenszwecken dienen und nicht staendig Gegenstand des Nachdenkens, der intellektuellen Reflexion sind. Daraus folgt: Die Beschaffenheit der Umgangssprache ist, wie sie ist, weil wir mit einer streng logischen Sprache die allererste Sprachhandlung - Alltagskommunikation - nicht betreiben koennten. Die Umgangssprache dagegen erfuellt diesen Zweck perfekt. Die Konventionen, durch welche die Umgangssprache funktioniert, sind nicht nur "enorm kompliziert" (4.002), sondern auch von ihr verdeckt, so dass man sich ausdruecklich auf sie besinnen muss, um sie ueberhaupt aufzuspueren (aehnlich wie man spricht, ohne ueber Lautbildung Bescheid zu wissen - vgl. 4.002*31*). Demnach sind einzelne dieser Konventionen bei entsprechendem Bemuehen aus der Umgangssprache ersichtlich, ihre Gesamtheit aber, der auch die gesamte tiefenstrukturelle Sprachlogik angehoert, koennen Menschen nicht direkt aus ihr entnehmen. Jedoch: dies ist MENSCHLICHES Unvermoegen - etwas in der Umgangssprache Vorhandenes koennen WIR nicht aus ihr entnehmen. Es ist wohl legitim zu sagen, dass WITTGENSTEIN die Sprachlogik als in der Tiefenstruktur der Umgangssprache angesiedelt betrachtet; in deren Oberflaechenstruktur ist die Sprachlogik weitgehend unkenntlich. 5.5563 besagt: "Alle Saetze unserer Umgangssprache sind tatsaechlich, so wie sie sind, logisch vollkommen geordnet.". Hieraus spricht zum einen die Ueberzeugung, dass trotz unseres Unvermoegens, sie zu erkennen, die Sprachlogik in der Umgangssprache vorhanden ist, ihr zugrundeliegt; zum andern die schon erwaehnte Zuversicht, dass die Umgangssprache ihre alltaeglichen Aufgaben perfekt meistert.*32* D: *"Zeichensprache"* Die Verhuellung der Sprachlogik in der Umgangssprache macht die Verwendung einer Zeichensprache notwendig. In 3.325 heisst es dazu: "Um diesen Irrtuemern (denen der Umgangssprache - G.T.R.) zu entgehen, muessen wir eine Zeichensprache verwenden, welche sie ausschliesst, indem sie nicht das gleiche Zeichen in verschiedenen Symbolen, und Zeichen, welche auf verschiedene Art bezeichen, nicht aeusserlich auf die gleiche Art verwendet. Eine Zeichensprache also, die der LOGISCHEN Grammatik - der logischen Syntax - gehorcht." (vgl. auch 5.47321: "Zeichen, die EINEN Zweck erfuellen, sind logisch aequivalent"). Dies sagt WITTGENSTEIN in direkter Reaktion auf die beiden in 3.323 aufgefuehrten (und von mir unter C besprochenen) Ungenauigkeiten der Umgangssprache. Eine Zeichensprache, die von einer logischen Syntax regiert wird, kann aber niemals die Umgangssprache ersetzen*33* und wird auch bei deren Hauptfunktion, der Alltagskommunikation, keineswegs als streng logisches Korrektiv benoetigt.*34* Fuer unsere umgangssprachliche Aktivitaet ist "das Gefuehl: dass wir im Besitze einer richtigen logischen Auffassung seien, wenn nur einmal alles in unserer Zeichensprache stimmt" (in 4.1213) nicht von Bedeutung. Wozu dann also eine Zeichensprache, die die in 3.201 und 3.25 erwaehnte "vollstaendige Analyse der Saetze" unserer Umgangssprache ausfuehrt (da sie ja die fuer diese Analyse geforderten eindeutigen Zuordnungen auf einfacher Ebene aufweist)? Solch eine bis ins kleinste atomare Detail gehende Analyse benoetigt man, wenn man wissen will, wie unsere Umgangssprache eigentlich funktioniert, wie ihre verdeckten logischen Mechanismen ihr Funktionieren ermoeglichen.*35* Dies will nur ein kleiner Teil der Nutzer der Umgangssprache, meist sind es Sprachwissenschaftler. Analyse bedeutet in diesem Sinne EINSICHTIGMACHEN. Eine zeichensprachliche Analyse gibt weiterhin die Moeglichkeit, Scheinsaetze und unsinnige Saetze zu entlarven, die auf falscher Anwendung der Umgangssprache beruhen. Von den alltagssprachlichen Ungenauigkeiten sei, so sagt WITTGENSTEIN in 3.324*36*, die ganze bisherige (metaphysisch orientierte) Philosophie voll, da sie die Umgangssprache zu "hoeheren" Zwecken missbraucht, fuer die sie nicht geschaffen ist. Um der Philosophie nach diesem vernichtenden Urteil ueberhaupt wieder eine Berechtigung zusprechen zu koennen, definiert er ihre Aufgabe neu (in 4.112): "Der Zweck der Philosophie ist die logische Klaerung der Gedanken. Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Taetigkeit. (...) Das Resultat der Philosophie sind nicht 'philosophische Saetze', sondern das Klarwerden von Saetzen.*37* Die Philosophie soll die Gedanken, die sonst, gleichsam, truebe und verschwommen sind, klar machen und scharf abgrenzen.*38*" (vgl. auch 6.211). Der Einschraenkung gemaess, dass zeichensprachliche Korrekturen der Umgangssprache nicht notwendig sind, trifft die logische Klaerung von Gedanken wesentlich die traditionelle Philosophie - ihre sprachlichen Ungenauigkeiten sind mit Hilfe einer Zeichensprache richtigzustellen. SCHEIER betont WITTGENSTEINS Auffassung von der Zeichensprache "als der unabdingbaren Voraussetzung der einzig streng richtigen Methode der Philosophie"*39*, die in 6.53 beschrieben wird. Analyse bedeutet in diesem Sinne KORRIGIERENDE KLARSTELLUNG. Fuer Zeichensprachen fordert WITTGENSTEIN in 3.325 (aehnlich in 3.334 und 3.344) eine logische SYNTAX. Das klingt, als ob es die VERKNUePFUNGEN von Zeichen sind, die der Korrektur beduerfen. Wie in Abschnitt C bemerkt, sind es jedoch die umgangssprachlichen BEZEICHNUNGEN der Symbole, die WITTGENSTEIN wegen ihrer Mehrdeutigkeit kritisiert (in 3.323). Bezeichnungen aber sind Gegenstand der SEMANTIK*40*. Muesste also WITTGENSTEIN nicht (zumindest AUCH) eine "LOGISCHE SEMANTIK" fordern? Denn was soll eine logische Syntax ausrichten, die ja - vgl. 3.33 - gaenzlich ohne die Zeichenbedeutungen aufgestellt wird, wo es doch aber gerade die diesen Bedeutungen zugrundeliegenden Bezeichnungsweisen sind, die nach WITTGENSTEIN (3.323) ungenau sind? Aus 3.343 stammt der Satz: "Jede richtige Zeichensprache muss sich in jede andere (...) uebersetzen lassen: DIES ist, was sie alle gemeinsam haben.". Zweierlei wird hier deutlich. Zum einen, dass es MEHRERE Zeichensprachen gibt/geben kann, also auch die Erfindung neuer Zeichensprachen zulaessig ist. Zum anderen, dass jede Zeichensprache in ihrer Gesamtheit richtig oder falsch sein kann. Ausserdem deutet sich in 3.343 schon an, dass WITTGENSTEIN die Bezeichnung "Zeichensprache" nicht konsequent gebraucht, also wie in 3.325 als Terminus technicus. Denn die "Uebersetzbarkeit" in 3.343 kann sich auch (wie in 4.025) auf natuerliche Sprachen beziehen, die selbstverstaendlich aus Zeichen bestehen (dies weicht aber von der technischen Verwendung von "Zeichen" und "Zeichensprache" ab). Voellig verschieden vom seinem Gebrauch in 3.325 wird der Begriff "Zeichensprache" dann in 4.011 verwendet. Dort ist nicht mehr von einer logisch-syntaktischen Konstruktion die Rede, sondern die Notenschrift, unsere Lautzeichen- und unsere Buchstabenschrift werden als "Zeichensprachen" betrachtet. Dies weist nur darauf hin, dass solche Systeme aus Zeichen bestehen und hat mit dem Terminus technicus fuer ein logisch-syntaktisches System nicht das Geringste zu tun, erhaelt aber dieselbe Bezeichnung. Es liegt ein terminologischer Lapsus WITTGENSTEINS vor (nicht der einzige im TRACTATUS!*41*), eine von ihm selbst in 3.323 kritisierte Ungenauigkeit der Umgangssprache, bei der "dasselbe Wort auf verschiedene Art und Weise bezeichnet". Obwohl in diesem Falle die Eindeutigkeit der Bezeichnungen leicht moeglich waere, tappt WITTGENSTEIN hier in die Falle seiner eigenen Kritik. Im folgendes meine ich mit "Zeichensprache" immer den Wittgen steinschen Terminus technicus aus 3.325. E: *Weitere Sprachen* In 4.0141 wird die "Notensprache" erwaehnt, die nach bestimmten Regeln in die "Sprache der Grammophonplatte" uebersetzt werden kann. Hinzuweisen ist hier auf den sehr weiten Sprachbegriff WITTGENSTEINS, in dem auch die "Sprache der Grammophonplatte" als ein Zeichensystem betrachtet wird.*42* 2.3. *Erste Angaben zum Verhaeltnis der Arten von "Sprache"* Gibt es also Sprachtypen im TRACTATUS? Oder handelt es sich lediglich um verschiedene Ebenen EINES Sprachtyps bzw. DER SPRACHE? "Sprachtyp" wird definiert als Klasse von Sprachen, die auf Grund struktureller Uebereinstimmungen, in heutiger Forschung vor allem hinsichtlich ihrer Syntax, zusammengestellt wird.*43* Wenn man "Syntax" hier im Sinne WITTGENSTEINS als sprachlogisch- grammatische Regeln betrachtet (vgl. 3.325), scheint eine sprachtypologische Unterscheidung zwischen Umgangssprache einerseits und Zeichensprache andererseits nicht gerechtfertigt zu sein, da WITTGENSTEIN ja den streng logischen Aufbau einer Zeichensprache auch fuer die Umgangssprache annimmt, die ihn lediglich verdeckt - die strukturellen/syntaktischen Uebereinstimmungen jedoch existieren. Also: "Umgangssprache" und "Zeichensprache" des TRACTATUS sind zwei Ebenen EINES Sprachtyps (naemlich einfach DER SPRACHE), der in seiner unanalysierten Version taeglich von uns benutzt wird, jedoch auch eine analysierte Spielart hat. Die im TRACTATUS geforderte Zeichensprache soll ein EXPLIZITMACHEN DER TIEFENSTRUKTUR DER UMGANGSSPRACHE darstellen, nicht etwas, das die Umgangssprache an ihren mehrdeutigen Stellen ERSETZEN soll.*44* Durch die Oberflaechenstruktur der Umgangssprache hindurch sieht die Zeichensprache direkt auf das sprachlogische Grundgeruest. Eine Zeichensprache ist also weder eine unmittelbare empirische Sprachbeschreibung oder -beobachtung*45*, noch ist sie rein von sich aus konstruierbar. Vielmehr ist sie zunaechst aus der Umgangssprache ABZULEITEN*46* und kann erst DANN als ein System konstruiert werden. Ein Apriori besteht nur insofern, als WITTGENSTEIN sagt, dass es eine einfache Ebene der Analyse geben MUSS (wegen der Einsicht, dass die Umgangssprache tieferliegende Strukturen hat) - und diese ORIENTIERT sich (als ein Aposteriori) an der tatsaechlichen Beschaffenheit unserer Sprache. Der Aufbau von Analysesystemen muss bestimmten apriorisch festliegenden Regeln folgen (z.B. eindeutige Bezeichnungsweise der Grundeinheiten); die jeweils konkrete Ausfuehrung eines solchen Aufbaus (z.B. bei WITTGENSTEIN aus Namen und Elementarsaetzen) ist jedoch Sache logischer Konstruktion, die einerseits den apriorischen Regeln folgen muss, andererseits der Umgangssprache als Analyse-Input gerechtzuwerden hat. BOGEN sagt: "Ordinary language CONTAINS the symbols which can be exhibited by a Tractarian analysis"*47* (Hervorhebung von mir - G.T.R.). Dabei allerdings ist die Zuhilfenahme logischer Konstrukte unabdingbar; es ist gerade NICHT so, wie LORENZ meint, "dass die Mittel der Gebrauchssprache selbst bereits ausreichen, um ihre logische Syntax zu entwickeln."*48* Zeichensprachliche Analyse im Sinne WITTGENSTEINS heisst also: Bestimmtmachen des Bezuges der unbestimmten (mehrdeutigen) Wendungen der Umgangssprache bis hin zum Konkretum aus der Realitaet (egal ob diese rein ontologisch ist oder gedanklich oder sprachlich vermittelt), das diese Wendungen jeweils bezeichnen*49*. Den Wirklichkeitsbegriff WITTGENSTEINS diskutiere ich in Abschnitt 7 C. BLACK hat also recht, wenn er von der Zeichensprache als einer "lingua abscondita"*50* spricht (sie ist eine "in der Sprache versteckte Sprache"). Wenn sie allerdings an gleicher Stelle als eine "never-never language" bezeichnet wird, so ist dies zu relativieren, da die Aussage nur fuer eine Teilfunktion der Zeichensprache gilt; ebenso wie MUNDLES Rede davon, Thema des TRACTATUS sein nicht die Sprache, sondern ein "logical vacuum"*51*. Erklaeren werde ich das in Abschnitt 6, wo ich auch auf die Wendungen von BLACK und MUNDLE zurueckkomme. Es gilt, was FANN sagt: WITTGENSTEIN "was looking for the A PRIORI conditions for language to WORK"*52*, um so den "transzendentalen Charakter von Sprache"*53* deutlich zu machen. Die Zeichensprache, so GRIFFIN, "makes clear features which are obscure in ordinary language, but the features that are being made clear, one should note, are the features of ordinary language."*54*. Aehnlich formuliert es URMSON: "Wittgenstein held that the artificial language of truth-functions (entspricht der "Zeichensprache" - G.T.R.) was the skeleton of the language of ordinary discourse, though the true logical structure of language was often concealed by the AD HOC grammatical conventions we employ."*55*. Als erste Zusammenfassung sei nochmals GRIFFIN zitiert. Er sagt: "...logical syntax is the syntax of any language; it is not meant as the specification of the conditions which must be satisfied by an ideal language. We derive the rules of logical syntax, Wittgenstein says, from observing of how signs signify (3.334), from considering their use when they have sense (3.326). The signs of ordinary language signify in a certain way and have significant uses; so they obey a logical syntax. The only difference in this respect between an ideal and ordinary language is that with the latter it is hard to see the logical syntax, with the former it is hard not to see it."*56*. Naeheres zum Verhaeltnis von Umgangssprache und Zeichensprache sage ich weiter unten in Abschnitt 6. Dort wird deutlich werden, wie wichtig die Einsicht ist, dass dieses Verhaeltnis ein DOPPELVERHAELTNIS ist. In Abschnitt 6 wird es vor allem um eine Pruefung der Leistungen gehen, die WITTGENSTEIN der Zeichensprache in Bezug auf die Umgangssprache zuerkennt. Vorher aber moechte ich in den Abschnitten 4 und 5 die Einheiten der beiden Sprachebenen besprechen. 3. *UEBERBLICK: EINHEITEN DER ZEICHENSPRACHE, DER UMGANGSSPRACHE, DER WIRKLICHKEIT* Die folgende Tabelle stellt die drei zentralen Systeme von Entitaeten des TRACTATUS so nebeneinander, dass die Querverbindungen von Einheiten verschiedener Systeme ablesbar sind. Die Einheiten, auf die sich das jeweilige System aufbaut, stehen unten. Hervorgehoben habe ich diejenigen Entitaeten, die logische Konstrukte WITTGENSTEINS sind. Zeichensprache Umgangssprache Wirklichkeit Gesamtheit der Saetze Welt Texte, Diskurse ((Saetze)) Saetze und Satzzeichen Sachlagen Woerter ELEMENTARSAETZE: Sachverhalte: komplex? komplex (AUSDRUECKE) NAMEN: GEGENSTAENDE: einfach einfach Daraus ergeben sich erste Anhaltspunkte: - Die Einheiten, die das logische Geruest der Zeichensprache und der Realitaet fundieren, sind Konstrukte. Einmal bilden Bezeichnungen das Fundament, die wegen ihrer ab absoluten Einfachheit empirisch nicht aufweisbar sind. Zum anderen werden die Dinge unserer Umgebung in absolut einfache, uns unzugaengliche Bestandteile zerlegt. - Die Zeichensprache besteht, von einer doppelt eingeklammerten Einheit abgesehen, ausschliesslich aus Konstrukten. - Namen und Elementarsaetzen der Zeichensprache entspricht in der Umgangssprache nichts. - Namen sind Konstrukte und haben ein KONSTRUIERTES ontologisches Gegenstueck (Gegenstaende). Elemementarsaetze sind Konstrukte und haben ein REAL EXISTIERENDES ontologisches Gegenstueck (Sachverhalte). - Die Umgangssprache setzt dort ein, wo die analytischen Kategorien gorien der Zeichensprache (Namen und Elementarsaetze) enden. - Die Kategorie "Wort" der Umgangssprache erscheint recht verschwommen, da sich nicht genau angeben laesst, ob sie einer Kategorie der Zeichensprache und welcher Kategorie der Realitaet sie entspricht. Ich moechte die drei Systeme in den Abschnitten 4, 5 und 7 eingehend betrachten. 4. *EINHEITEN DER ZEICHENSPRACHE* A: *Namen* Der Begriff "Name" taucht an folgenden 23 Stellen des TRACTATUS auf*57*: - 3.142; 3.143; 3.144; 3.202; 3.203; 3.22; 3.26; 3.261; 3.3; 3.3411; - 4.0311; 4.126; 4.22; 4.221; 4.23; 4.24; 4.243; 4.5; - 5.02; 5.526; 5.535; 5.55; - 6.124. A 1: *Was sind Namen?* "Die im Satze angewandten einfachen Zeichen heissen Namen." (3.202). Namen sind also Zeichen, und sie sind einfach. Durch ihre Anwendung wird ein Satz "vollstaendig analysiert" (vgl. 3.201), d.h. Namen werden verwendet, um eine solche Satzanalyse herbeizufuehren. Namen sind auch als einfache Symbole betrachtbar (vgl. 4.24), d.h. WITTGENSTEIN legt sie nicht nur der sinnlich wahrnehmbaren Seite der Zeichensprache zugrunde, sondern auch ihrer gedanklichen Seite. Dieser Zusammenhang wird in 3.3411 ausgedrueckt: "Der eigentliche Name (d.h. der Name als Zeichen - G.T.R.) ist das, was alle Symbole, die den Gegenstand bezeichnen, gemeinsam haben.". Namen haben eine SEMANTIK. "Der Name bedeutet den Gegenstand. Der Gegenstand ist seine Bedeutung." (3.203). Namentraeger und Namenbedeutung sind identisch. Dies ist das Prinzip der denotativen Bedeutungstheorie, das in seiner strengen Fassung fuer alle sprachlichen Gebilde gelten soll. Doch obwohl WITTGENSTEIN diese Theorie vorbehaltlos zu uebernehmen scheint, disqualifiziert er ihren semantisch-prototypischen Charakter und reduziert ihren Geltungsbereich auf ein Minimum: Sie gilt nur fuer die Namen.*58* WITTGENSTEIN reserviert den Bedeutungsbegriff fuer Namen*59*; deren Bedeutung ist EINDEUTIG BESTIMMT*60*. "Der Name vertritt im Satz den Gegenstand." (3.22). Die Rolle von Namen im Satz wird spezifiziert: Er steht fuer einen Gegenstand, macht seine Bedeutung geltend. "Der Name ist durch keine Definition weiter zu zergliedern: er ist ein Urzeichen." (3.26). "Namen KANN man nicht durch Definitionen auseinanderlegen." (3.261). Namen sind atomar, ihre Aufloesung in Bestandteile ist nicht moeglich - sie haben keine solchen Bestandteile, sie sind einfach.*61* 3.3 besagt: "nur im Zusammenhang des Satzes hat ein Name Bedeutung". Namen koennen nicht unabhaengig von anderen sprachlichen Einheiten auftreten. Ihre Abstraktheit, Einfachheit, verlangt nach einem Kontext.*62* Allerdings ist in 3.3 statt "im Zusammenhang des Satzes" zu lesen "im Zusammenhang des ELEMENTARSATZES" (das fordern 4.22 und 4.23). A 2: *Was entsteht aus Namen?* "Der Elementarsatz besteht aus Namen. Er ist eine Zusammenhang, eine Verkettung, von Namen." (4.22). Elementarsaetze sind "Namen in unmittelbarer Verbindung" (4.221). Namen sind demnach die konstitutiven Grundbausteine fuer alle Elementarsaetze. Elementarsaetze sind Funktionen von Namen, Namen sind Argumente der Elementarsaetze (vgl. 4.24; dort sind Namen durch einzelne Buchstaben, z.B. "x" gekennzeichnet, Elementarsaetze durch "fx"); das ist der SYNTAKTISCHE Aspekt der Namen. "Der Name kommt im Satz nur im Zusammenhange des Elementarsatzes vor." (4.23). Hier wird 3.202 revidiert: Was man im Satz vorfindet, BESTEHT aus Namen, aber es SIND nicht unmittelbar die Namen selbst. Man wendet nicht Namen unmittelbar an, sondern ausschliesslich in ihrem Minimalkontext, den Elementarsaetzen (auch 3.3 ist so zu lesen, vgl. oben in Abschnitt A 1). "Namen gleichen Punkten, Saetze Pfeilen" (3.144); ein solcher ausdehnungsloser Punkt allein weist in keine Richtung; um Inhalte zu transportieren, muessen sich erst mehrere dieser Punkte zu Pfeilen verbinden. A 3: *Gibt es Namen?* "Man kann die Welt vollstaendig durch vollkommen verallgemeinerte Saetze (d.h. Saetze der Umgangssprache - G.T.R.) beschreiben, das heisst also, ohne irgendeinen Namen von vornherein einem bestimmten Gegenstand zuzuordnen." (5.526). Das bedeutet: Unsere Umgangssprache benoetigt keine Namen, ihre darstellende Reflexion der Realitaet kommt gaenzlich ohne sie aus. In 5.55 wird gesagt: Formen der Elementarsaetze, die ja aus Namen gebaut sind, sind nicht a priori angebbar (vgl. auch 5.5571), "da wir (...) die Anzahl der Namen von verschiedener Bedeutung nicht angeben koennen". Hier sollte auch vermerkt sein: Nicht nur die Anzahl der Namen ist nicht angebbar, es ist ebenso unmoeglich, die Namen selbst irgendwie anzugeben. Die Umgangssprache enthaelt nichts, was den Namen der Zeichensprache aehnlich ist. Es gibt niemanden, der absolut einfachen Wittgensteinschen Gegenstaenden absolut einfache Wittgensteinsche Namen zuordnen kann*63* - dies koennten nur Angehoerige einer absolut einfachen Wittgensteinschen Spezies; Menschen hingegen haben stets den von ihnen erfassten Komplexen der Realitaetsebenen (der ontologischen, der gedanklichen, der gefuehlshaften etc.) WOERTER zugeordnet. Diese sind die sprachlichen Einheiten der Umgangssprache, sie haben keine so eindeutig fixierte Bedeutung wie WITTGENSTEIN sie fuer Namen annimmt*64*, die (vgl. 3.203) ausschliesslich konkrete Einzeldinge bedeuten, waehrend Woerter der Umgangssprache offenlassen, welches konkrete Element der von ihnen bezeichneten Klasse sie meinen*65*. WITTGENSTEIN sagt in 4.026: "Die Bedeutungen der einfachen Zeichen (der Woerter) muessen uns erklaert werden, dass wir sie verstehen.". Die Klammeremerkung sollte man einfach streichen, da sie eine Gleichsetzung von einfachen Zeichen (d.h. Namen) mit Woertern ins Spiel bringt - und eine solche ist schlichtweg falsch und widerspricht allem, was WITTGENSTEIN sonst ueber Namen sagt. Der Satz aus 2.0122: "Es ist unmoeglich, dass Worte in zwei verschiedenen Weisen auftreten, allein und im Satz." darf nicht als Parallele zu einer aehnlichen Bemerkung ueber die Namen (3.3) gelesen werden (dort muss es - siehe Abschnitt A 1 - heissen: "im Zusammenhang des ELEMENTARSATZES"). In 2.0122 muss der kommunikative Aspekt der Umgangssprache gemeint sein: Wir verstaendigen uns mit Saetzen, nicht mit Woertern (vgl. 4.026). Dennoch: Woerter treten z.B. in Woerterbuechern auch ausserhalb eines Satzverbandes auf. WITTGENSTEIN verdeutlicht die Unterscheidung von Namen und Woertern, wenn er (in 4.24) Namen durch Buchstaben wie "x" andeutet (wohlgemerkt: anDEUTET; anGEBEN kann er sie aber nicht!), denn es ist klar, dass in der Umgangssprache solchen Buchstaben nichts entspricht, was eine fest fixierte Bedeutung hat. Fuer unser an der Alltagssprache geschultes Verstaendnis sind es zunaechst blosse graphische Zeichen; das neue, zeichensprachliche Verstaendnis muss WITTGENSTEIN uns erst erlaeutern (und in manchen Faellen werden die Erlaeuterungen missverstanden, z.B. wenn man Woerter als Wittgensteinsche Namen betrachtet - vgl. Anmerkung 20). Ausserdem: Die Wendung aus 3.3. "nur im Zusammenhang des Satzes (des Elementarsatzes - G.T.R.) hat ein Name Bedeutung" waere falsch, wenn die ontologischen Gegenstuecke der Namen, die einfachen Gegenstaende, tatsaechlich existieren wuerden. Denn eine Name haette dann auch ausserhalb des Satzes Bedeutung - diese Bedeutung IST ja der bezeichnete Gegenstand, und WENN der existiert, HAT der Name IMMER seine Bedeutung. Aber: die ontologische Kategorie "Gegenstand" ist ein Konstrukt (siehe Abschnitt 7 A), also ist die sprachliche Repraesentation dieser Kategorie ebenfalls ein Konstrukt. Dieses soll der Satzanalyse einen Endpunkt ermoeglichen, um die Zerlegung von Bedeutungen nicht ad infinitum betreiben zu muessen, sondern KONSTRUIERT auf atomarer Ebene einen Beruehrungspunkt von Sprache mit der Welt, der das Stellen der Wahrheitsfrage von Saetzen gestattet*66*. Die Rede vom Endpunkt der Analyse und dem direkten Uebergriff auf die ontologische Realitaet an diesem Endpunkt wird in den Abschnitten 6 A und 6 B kritisch betrachtet. A 4: *Zusammenfassung* Namen sind einfache, atomare Zeichen; ihre Bedeutung ist der einfache Gegenstand, den sie bezeichnen. Diese Bedeutung koennen sie nur in einem ZUSAMMENHANG geltend machen - wenn jeweils mehrere Namen zu Elementarsaetzen verkettet werden. BUCHHEISTER bezeichnet einen Namen als "Traeger semantischer Rollen"*67*, insofern bedeutet er auch den Raum seiner Konfigurationsmoeglichkeiten*68*, der durch diese Rollen a priori bestimmt wird. Namen gibt es nicht wirklich. Man darf sie keinesfalls mit den Woertern unserer Umgangssprache gleichsetzen, denn das hat nach DIETRICH in der Interpretation des TRACTATUS zu Missverstaendnissen gefuehrt, "zu einer argen Vermischung von Saetzen ueber Umgangssprache und eindeutige Zeichensprache"*69*. Es zeugt also von wenig Verstaendnis, wenn SCHEIER schreibt: "Die Woerter sind, falls einfache Zeichen, Namen"*70*. Ein Wort, das ein einfaches Zeichen ist, gibt es nicht - Woerter bezeichnen Komplexe (siehe auch Abschnitt 5 A). Die Namen dagegen "are obtained A PRIORI, or from theoretical requirement, and not from the actual analysis of ordinary sentences"*71*. Sie kommen also nicht durch Analyse zutage, sondern werden zum Zweck der Analyse konstruiert. Sie sind nicht durch die Sinne wahrnehmbar, sondern nur eine gedankliche Vorgabe.*72* Nochmals hinweisen moechte ich darauf, dass "a priori" hier so zu verstehen ist (vgl. auch oben Abschnitt 2.3.): Eine Analyseebene MUSS als Apriori existieren, fuer ihre konkreten Einheiten liegen bestimmte Eigenschaften a priori fest (Atomizitaet, direkte Art der Bezeichnung, Atomizitaet des Bezeichneten - im Sinne eines "semantischen Atomismus"*73*). Die konkrete Ausfuehrung des Aufbaus eines Analysesystems dagegen ist nicht apriorisch: Eine Vorschrift, die nur ein System aus Einheiten erlaubt, die "Namen" und "Elementarsaetze" heissen, gibt es nicht.*74* B: *Elementarsaetze* Der Begriff "Elementarsatz" kommt im TRACTATUS an 45 Stellen vor*75*: - 4.21; 4.211; 4.22; 4.221; 4.23; 4.24; 4.243; 4.25; 4.26; 4.28; 4.3; 4.31; 4.4; 4.41; 4.411; 4.42; 4.431; 4.45; 4.46; 4.51; 4.52; - 5; 5.01; 5.101; 5.134; 5.152; 5.234; 5.3; 5.31; 5.32; 5.41; 5.47; 5.5; 5.524; 5.5262; 5.55; 5.555; 5.556; 5.5561; 5.5562; 5.557; 5.5571; - 6.001; 6.124; 6.3751. B 1: *Was sind Elementarsaetze?* Wie schon bemerkt, ist ein Elementarsatz eine Verkettung, eine unmittelbare Verbindung von Namen (vgl. 4.22 und 4.221). Elementarsaetze sind als Funktionen von Namen darstellbar, z.B. "f(x,y)" (vgl. 4.24). Deutlicher wuerde die Unmittelbarkeit der Verbindung von Namen, wenn man einen Elementarsatz z.B. durch "xy" oder "x-y" darstellen wuerde. Der Elementarssatz ist "der einfachste Satz" (4.21). Elementarsaetze fallen also unter den Oberbegriff "Satz", sind die unterste Klasse von Saetzen. Elementarsaetze haben eine SEMANTIK: Ein Elementarsatz "behauptet das Bestehen eines Sachverhalts" (4.21). Ein Sachverhalt "ist eine Verbindung von Gegenstaenden" (2.01), "eine Konfiguration der Gegenstaende" (2.0272). Im Elementarsatz wird demzufolge ein Ausschnitt der Welt abzubilden versucht, ein bestimmter Zusammenhang atomarer Gegenstaende. "Ein Zeichen (besser: Merkmal, da der Begriff des Zeichens im TRACTATUS schon anders besetzt ist - G.T.R.) des Elementarsatzes ist es, dass kein Elementarsatz mit ihm im Widerspruch stehen kann." (4.211). Elementarsaetze sind also logisch unabhaengig voneinander; Uebergriffe eines Elementarsatzes auf andere Elementarsaetzen gibt es nicht: "Aus einem Elementarsatz laesst sich kein anderer folgern." (5.134). Also: "Auf keine Weise kann aus dem Bestehen irgendeiner Sachlage auf das Bestehen einer, von ihr gaenzlich verschiedenen Sachlage geschlossen werden." (5.135). "Die Ereignisse der Zukunft KOENNEN wir nicht aus den gegenwaertigen erschliessen. Der Glaube an den Kausalnexus ist der ABERGLAUBE." (5.1362).*76* "Ist der Elementarsatz wahr, so besteht der Sachverhalt; ist der Elementarsatz falsch, so besteht der Sachverhalt nicht." (4.25). "Die Wahrheitsmoeglichkeiten der Elementarsaetze bedeuten die Moeglichkeiten des Bestehens und Nichtbestehens der Sachverhalte." (4.3). Die in einem Elementarsatz aufgestellte Behauptung des Bestehens eines Sachverhalts kann zutreffen oder nicht; dessen Bestehen oder Nichtbestehen bestimmt die Wahrheit oder Falschheit des Elementarsatzes. B 2: *Was entsteht aus Elementarsaetzen?* "Es ist offenbar, dass wir bei der Analyse der Saetze auf Elementarsaetze kommen muessen" (4.221). So kommt "der Satzverband zustande" (ebd.). "Es ist von vornherein wahrscheinlich, dass die Einfuehrung der Elementarsaetze fuer das Verstaendnis aller anderen Satzarten grundlegend ist. Ja, das Verstaendnis der allgemeinen Saetze haengt FUeHLBAR von dem der Elementarsaetze ab." (4.411). "Verstaendnis" kann sich hier nicht darauf beziehen, wie wir die allgemeinen Saetze der Alltagskommunikation verstehen (denn das funktioniert gaenzlich OHNE Elementarsaetze). Eher ist logischanalytisches Verstehen gemeint: Um die sprachlogische Tiefenstruktur von Sprache zu begreifen, ist deren Zerlegung in Elementarsaetze unerlaesslich; erst dadurch stellt sich das Gefuehl ein, dass die Analyse erfolgreich sein kann (so ist wohl WITTGENSTEINS "fuehlbar" aus 4.411 zu verstehen, vgl. auch 4.1213). "Die Angabe aller wahren Elementarsaetze beschreibt die Welt vollstaendig. Die Welt ist vollstaendig beschrieben durch die Anwendung aller Elementarsaetze plus der Angabe, welche von ihnen wahr und welche falsch sind." (4.26). Denn die Gesamtheit der Elementarsaetze enthaelt ja die Gesamtheit der Namen; diese wiederum geben alle Gegenstaende der Welt an, also alles, was Realitaet ist. Durch diese WITTGENSTEIN folgenden Gedanken kommt DIETRICH dazu zu sagen, die Elementarsaetze haetten "die entscheidende Position als Bindeglied zwischen Wirklichkeit und Sprache"*77*. Allerdings stehen sowohl der Gedankengang WITTGENSTEINS als auch DIETRICHS Folgerung im Widerspruch zu 5.526, wo Weltbeschreibung den vollkommen verallgemeinerten Saetzen unserer Umgangssprache zugeschrieben wird - und dazu sind Namen ausdruecklich unnoetig (und damit das aus Namen Zusammengesetzte, die Elementarsaetze, gleichfalls!). Trotzdem sollen nach 4.26 die Elementarsaetze weltbeschreibende Funktion haben. Dass dem nicht so ist, werde ich unten in den Abschnitten 5 B2 und 6 B zu zeigen versuchen. Elementarsaetze haben neben ihrer Semantik auch eine SYNTAX. "Der Satz ist eine Wahrheitsfunktion der Elementarsaetze." (5). "Die Elementarsaetze sind die Wahrheitsargumente des Satzes." (5.01). "Die Wahrheitsfunktionen der Elementarsaetze sind Resultate von Operationen, die die Elementarsaetze als Basen haben." (5.234). "Der Satz ist der Ausdruck der Uebereinstimmung und Nichtuebereinstimmung mit den Wahrheitsmoeglichkeiten der Elementarsaetze." (4.4). "Die Wahrheitsmoeglichkeiten der Elementarsaetze sind die Bedingungen der Wahrheit und Falschheit der Saetze." (4.41). "Der Ausdruck der Uebereinstimmung und Nichtuebereinstimmung mit den Wahrheitsmoeglichkeiten der Elementarsaetze drueckt die Wahrheitsbedingungen der Saetze aus. Der Satz ist der Ausdruck seiner Wahrheitsbedingungen." (4.431). "Unter den moeglichen Gruppen von Wahrheitsbedingungen gibt es zwei extreme Faelle. In dem einen Fall ist der Satz fuer saemtliche Wahrheitsmoeglichkeiten der Elementarsaetze wahr. Wir sagen, die Wahrheitsbedingungen sind TAUTOLOGISCH. Im zweiten Fall ist der Satz fuer saemtliche Wahrheitsmoeglichkeiten falsch: Die Wahrheitsbedingungen sind KONTRADIKTORISCH. Im ersten Fall nennen wir den Satz eine Tautologie, im zweiten Fall eine Kontradiktion." (4.46). Die Beschreibung der Welt durch Saetze ist also nach WITTGENSTEIN unabtrennbar funktional gebunden an die Wahrheitsmoeglichkeiten der Elementarsaetze. Diese Annahme, so PITCHER, beweist WITTGENSTEIN nicht, sondern setzt sie voraus*78*. Alle unsere Saetze folgen durch logische Operationen (z.B. Verneinung, logische Addition, logische Multiplikation - vgl. 5.2341) direkt aus den Elementarsaetzen (vgl. auch 5.3 und 5.32), deren Wahrheit und Falschheit die Wahrheit und Falschheit der aus ihnen folgenden Saetze bestimmt. "Angenommen, mir waeren ALLE Elementarsaetze gegeben: Dann laesst sich einfach fragen: welche Saetze kann ich aus ihnen bilden. Und das sind ALLE Saetze und SO sind sie begrenzt." (4.51). Nach WITTGENSTEIN waere die Sprache also ein GESCHLOSSENES System, das begrenzt ist durch die Gesamtheit der Elementarsaetze.*79* Zu diesem Ergebnis kommt WITTGENSTEIN durch den formalen, funktionalen Begriff des Satzes, den ich unten in Abschnitt 5 B2 kritisch betrachten werde. Sprache ist kein geschlossenes System, sondern, im Gegenteil, ein offenes. B 3: *Gibt es Elementarsaetze?* Die Elemente der Elementarsaetze, die Namen, sind nicht angebbar (vgl. 5.55), und "so koennen wir auch nicht die Zusammensetzung des Elementarsatzes angeben." (ebd.). Es ist fuer WITTGENSTEIN lediglich klar: "wir haben vom Elementarsatz einen Begriff" (5.555); wir wissen "aus rein logischen Gruenden, dass es Elementarsaetze geben muss" (5.5562, vgl. auch 4.221), um einerseits eine vollstaendige Satzanalyse zu ermoeglichen (vgl. 4.221) und um andererseits die Konstruktion der Saetze unserer Sprache vollziehen zu koennen (vgl. 4.51 und 4.52). Der erste (theoretische) Teil dieser Forderung ist berechtigt, da die Elementarsaetze hier als unabdingbar fuer den Aufbau einer funktionierenden Zeichensprache betrachtet werden. Mit dem zweiten (praktischen) Teil der Forderung verhaelt es sich anders, denn es ist keineswegs so, dass die Saetze unserer Umgangssprache aus Elementarsaetzen ZUSAMMENGESETZT werden. Saetze unserer Sprache bestehen aus WOeRTERN. Sie und ihre Bedeutungen sind es, die fuer die Umgangssprache die Voraussetzung bilden. Elementarsaetze sind also ein theoretisches Erfordernis, nicht aber ein sprachpraktisches - und schon gar nicht ein Stueck der sprachpraktischen Wirklichkeit*80* (hierzu siehe genauer Abschnitt in 6). Unsere Sprache enthaelt keine so abstrakten Einheiten wie etwa "f(x,y)". Nicht Wissen a priori (vgl. 5.5571) oder Aufweis in der Realitaet, sondern erst die "Anwendung der Logik (lies: der sprachlogischen Analyse - G.T.R.) entscheidet darueber, welche Elementarsaetze es gibt." (5.557). Wie die Namen sind auch Elementarsaetze ein sprachanalytisches Konstrukt.*81* Anders als Namen sollen sich Elementarsaetze nicht auf ein Gegenstueck beziehen, das ein ontologisches Konstrukt ist (Namen - einfache Gegenstaende), sondern auf Sachverhalte, deren Existenz in der Wirklichkeit aufweisbar ist (siehe unten in Abschnitt 6 B). B 4: *Zusammenfassung* Elementarsaetze stehen nach WITTGENSTEIN zwischen der Kategorie der Namen (aus denen sie zusammengesetzt sind) und der Kategorie der Saetze (deren einfachste Art sie sind und die alle aus ihnen folgen). Elementarsaetze koennen wahr und falsch sein. Elementarsaetze sind wie Namen ein logisches Konstrukt zum Zwecke der Analyse von allgemeinen Saetzen. Dennoch verleiht WITTGENSTEIN ihnen zusaetzlich die Faehigkeit, die Welt abzubilden. Das ist absurd (Naeheres in Abschnitt 6). C: *Ausdruecke* Der Begriff "Ausdruck" ist im TRACTATUS alles andere als ausgearbeitet, er hat keine eindeutige Verwendung (auch von der in Anmerkung 41 erwaehnten rein umgangssprachlichen Verwendungsweise abgesehen). 3.314 lautet: "Der Ausdruck hat nur im Satz Bedeutung." und laesst darauf schliessen , dass man "Ausdruck" synonym fuer "Name" verwenden kann (3.314 ist dann als Parallele zu 3.3 zu lesen). "Ausdruck" als Synonym fuer "Wort" zu betrachten, ist hingegen nicht moeglich, da WITTGENSTEIN in 3.311 Ausdruecken eine formale Bestimmtheit zuspricht (die Woerter unserer Umgangssprache jedoch allesamt unbestimmt sind): "Der Ausdruck setzt die Formen aller Saetze voraus, in welchen er vorkommen kann. Er ist das gemeinsame charakteristische Merkmal einer Klasse von Saetzen." Das deutet auf den synonymen Gebrauch von "Ausdruck" und "Name" hin, allerdings nur, wenn "Saetze" hier als "Elementarsaetze" gelesen wird*82* (denn ein Name gibt ja durch seine Form vor, in welchen Elementarsaetzen er auftreten kann, da er nach 3.22 im Satz den Gegenstand vertritt und dieser nach 2.014 und 2.0141 mittels seiner internen Eigenschaften festlegt, in welchen Konfigurationen er vorkommen kann). 3.313 lautet: "Der Ausdruck wird durch also eine Variable dargestellt, deren Werte die Saetze sind, die den Ausdruck enthalten. (...) Ich nenne eine solche Variable 'Satzvariable'.". So wie der Elementarsatz eine Funktion von Namen ist (laut 4.24), so wird hier der Satz betrachtet als eine Funktion der in ihm enthaltenen Ausdruecke (so steht es in 3.318 ausdruecklich). Saetze sind ja Funktionen der in ihnen enthaltenen Elementarsaetze (vgl. 5), so dass "Ausdruecke" in 3.313 und 3.318 auch synonym fuer "Elementarsaetze" lesbar ist. Fuer 4.03: "Ein Satz muss mit alten Ausdruecken einen neuen Sinn mitteilen." sind beide Lesarten (also "Ausdruck" einmal als "Name", zum anderen als "Elementarsatz") moeglich. Denn: Die Anzahl der einfachen Gegenstaende ist begrenzt (denn sie sind nach 2.027 f. "das Bestehende", also das zeitlich Dauerhafte), dadurch auch die Anzahl der sie bezeichnenden Namen; hiermit wiederum ist sowohl die Anzahl aller moeglichen Sachverhalte (vgl. 2.0123; 2.014) als auch die Anzahl der Elementarsaetze festgelegt (vgl. 4.51); Saetze also muessen mit diesem begrenzten Instrumentarium von Namen bzw. Elementarsaetzen Neues mitteilen. Die formale Kategorie "Ausdruck" ist also unscharf und steht auf seltsame Weise "zwischen" den Kategorien "Name" und "Elementarsatz". Zusaetzlich zu diesen Gebrauchsweisen nennt WITTGENSTEIN in 4.122 "interne Eigenschaft" und "interne Relation", in 4.126 "formaler Begriff", in 4.1272 "1 ist eine Zahl" und "es gibt nur Eine Null" allesamt einfach "Ausdruecke". Laut 5.525 schliesslich kann "ein Ausdruck eine Tautologie, ein sinnvoller Satz, oder eine Kontradiktion" sein. Dies trifft nach 4.46 gleichermassen auf Saetze zu - also ist "Ausdruck" in diesem Falle austauschbar durch "Satz" (vgl. auch 3.31: "Der Satz selbst ist ein Ausdruck."). Wie gross hier die begriffliche Verwirrung ist, zeigt sich, wenn ich diesen Austausch in 4.03 vollziehe. Die Stelle lautet dann: "Ein Satz muss mit alten Saetzen einen neuen Sinn mitteilen.". Kein Kommentar. D: *Weitere Einheiten?* Namen und Elementarsaetze sind die beiden Kategorien einer sprachanalytischen Zeichensprache. Oberhalb dieser Kategorien geht die Zeichensprache ueber in die Umgangssprache (zu dieser Schnittstelle siehe Abschnitt 6). Nach WITTGENSTEIN bilden diese Kategorien das Fundament der Sprachlogik, d.h. die Tiefenstruktur der Sprache. Alles andere ist Oberflaechenstruktur, sind die Saetze, mit denen wir uns verstaendigen (vgl. 4.026); diese sollen mittels wahrheitsfunktionaler Operationen aus den Elementarsaetzen ableitbar sein (vgl. 4.52; 5; 5.21; 5.234). Was die Zeichensprache leistet, ist also die Fortsetzung der Aufspaltung der sprachlichen Einheiten der Umgangssprache bis auf eine atomare Ebene. Dazu sind nur die besprochenen beiden Einheiten noetig. Die Kategorie "Satz" moechte ich aus der Zeichensprache ausschliessen (Gruende dafuer unten in Abschnitt 5 B2). 5. *EINHEITEN DER UMGANGSSPRACHE* A: *Woerter* Der Begriff "Wort" findet sich in folgenden 16 Nummern des TRACTATUS*83*: - 2.0122; - 3.14; 3.141; 3.143; 3.323; - 4.002; 4.025; 4.026; 4.123; 4.1272; 4.243; - 5.452; 5.4733; 5.525; - 6.111; 6.211. WITTGENSTEINS Ansichten zu diesem Begriff sind laengst nicht so ausgearbeitet wie zu den Kategorien der Zeichensprache und zum Begriff des Satzes und der Sprache allgemein. Es scheint sogar rechtens, von einer stiefmuetterlichen Behandlung der Wortkategorie im TRACTATUS zu sprechen. Ausserdem ist WITTGENSTEINS Gebrauch des Begriffs "Wort" keineswegs einheitlich. "Das Satzzeichen besteht darin, dass sich seine Elemente, die Woerter, in ihm auf bestimmte Art und Weise zueinander verhalten." (3.14). "Der Satz ist kein Woertergemisch (...) Der Satz ist artikuliert." (3.141). Das Satzzeichen, d.h. die materielle Repraesentation von Saetzen, besteht also aus Woertern, die akustisch oder visuell wahrnehmbar sind. Die Anordnung der Woerter im Satz folgt bestimmten syntaktischen Regeln, die ein chaotisches Gemisch von Woertern nicht zulassen, sondern nur ein artikuliertes, d.h. strukturiertes, sprachliches Gebilde. WITTGENSTEINS Bemerkung aus 3.143: "im gedruckten Satz z.B. sieht das Satzzeichen nicht wesentlich verschieden aus vom Wort" ist insofern ueberfluessig, als ja in 3.14 schon gesagt wurde, dass ein Satzzeichen aus Woertern besteht. Was 3.143 noch ergaenzt, ist lediglich verwirrend und ungenau. Denn warum ist hier nur noch ein Ein-Wort-Satz gemeint? Und: was soll heissen, das Satzzeichen saehe "nicht wesentlich verschieden aus vom Wort", wo Woerter doch nach 3.14 Elemente des Satzzeichens SIND? In 3.323 werden die Mehrdeutigkeiten der Woerter unserer Umgangssprache erlaeutert (siehe oben Abschnitt 2.2.C). 6.211 fuegt hinzu: "In der Philosophie fuehrt die Frage 'wozu gebrauchen wir eigentlich jenes Wort, jenen Satz' immer wieder zu wertvollen Einsichten.". Falsch und irrefuehrend ist 4.026, wo WITTGENSTEIN Woerter als einfache Zeichen betrachtet (dazu oben in Abschnitt 4 A3). Dass dies Unsinn ist, wird auch dadurch deutlich, dass man beruecksichtigt, dass WITTGENSTEIN in 4.123, 4.1272, 5.4733 und 6.111 von Woertern wie "Gegenstand", "Eigenschaft", "identisch" und "wahr" spricht - diese muessten nach 4.026 einfache Zeichen sein. Absurd. Woerter der Umgangssprache bezeichnen Komplexes*84*. Wenn WITTGENSTEIN sagt, nur der Satz habe Sinn (3.3), und dieser Sinn sei der vom Satz abgebildete Sachverhalt (vgl. 4.021), und wenn Sachverhalte solche Komplexe sind (Naeheres dazu unten in Abschnitt 7 B), dann haben auch die Woerter einen Sinn. Wenn auch manchmal meinem Kommunikationspartner nicht sofort klar ist, was ich mit einem Wort in einer bestimmten Situation konkret meine, so habe ICH doch etwas Konkretes im Kopf, wenn ich Woerter benutze.*85* Und weitere Kommunikation kann diesen konkreten Sinn des Wortes auch meinem Gegenueber vermitteln. "Wort" wird hier verstanden als eine geistige bzw. materielle Buendelung der mit dem Benannten verbundenen Bewusstseinsinhalte, die die Eigenschaften des Benannten zu reflektieren versuchen.*86* Insofern leisten Woerter auf der Ebene der Umgangssprache INHALTLICH das, was Elementarsaetze auf zeichensprachlicher Ebene leisten: sie fassen zu einem Ganzen zusammen. Dies verfuehrt DERWORT dazu, anzunehmen, komplexe Dinge (z.B. Stuehle) seien durch Elementarsaetze zu beschreiben*87* - als ob die Woerter unserer Umgangssprache Elementarsaetze waeren! Die FORMALEN Kriterien WITTGENSTEINS fuer Elementarsaetze (vor allem die, die mit der Theorie der Wahrheitsfunktionen zu tun haben, vgl. dazu oben Abschnitt 4 B2) erfuellen die Woerter nicht. B: *Saetze* Im Tractatus sind zwei Konzepte von "Satz" zu unterscheiden: Zum einen das des Satzes als Bestandteil der Umgangssprache, zum anderen das des Satzes als formale Kategorie. Diese Konzepte sind streng zu trennen. B 1: "Normales" Satzkonzept: Saetze der Umgangssprache "Mit den Saetzen aber verstaendigen wir uns" steht in 4.026. Hier werden Saetze eindeutig als Einheiten umgangssprachlicher Kommunikation gesehen. "Im Satz drueckt sich der Gedanke sinnlich wahrnehmbar aus." (3.1). "Das Zeichen, durch welches wir den Gedanken ausdruecken, nenne ich das Satzzeichen. Und der Satz ist das Satzzeichen in seiner projektiven Beziehung zur Welt." (3.12). Satzzeichen sind das konkret benutzte sprachliche Material*88*, mit dem wir unsere umgangssprachliche Kommunikation gestalten. Das belegt auch 3.14, wo von Woertern als den Elementen des Satzzeichens die Rede ist (und Woerter gehoeren eindeutig zur Umgangssprache): "Das Satzzeichen besteht darin, dass sich seine Elemente, die Woerter, in ihm auf bestimmte Art und Weise zueinander verhalten.". Saetze sind also geordnete Gebilde: "Der Satz ist kein Woertergemisch. (...) Der Satz ist artikuliert." (3.141; vgl auch 3.251), deswegen sind auch die "Saetze unserer Umgangssprache...,so wie sie sind, logisch vollkommen geordnet" (5.5563). "Im Satze kann der Gedanke so ausgedrueckt werden, dass den Gegenstaenden des Gedankens Elemente des Satzzeichens entsprechen." (3.2). Hier ist wohl FAVRHOLDT zu folgen, der "Gegenstaende" an dieser Stelle nicht als den Begriff fuer die einfachste ontologische Kategorie liest, sondern als die umgangssprachliche Wendung wie etwa in "der Gegenstand unserer Unterredung"*89*. Denn ansonsten muessten nach 3.2 den Elementen des Satzzeichens, den Woertern, die einfachen Gegenstaende entsprechen (noch dazu nicht auf ontologischer, sondern mit einer ontologischen Kategorie auf GEDANKLICHER Ebene!) - Woerter aber bezeichnen Komplexes und sind streng von den Namen zu unterscheiden. Elemente der Satzzeichen sind die Woerter - dies wird bekraeftigt in 3.24: "Dass ein Satzelement einen Komplex bezeichnet, kann man aus seiner Unbestimmtheit in den Saetzen sehen, worin es vorkommt." Genau diese Unbestimmtheit trifft auf die Woerter unserer Umgangssprache zu"*90*. Ausserdem waehlt WITTGENSTEIN das eindeutige "dass" am Beginn von 3.24, nicht das einschraenkende "wenn". Demnach bezeichnen Satzelemente IMMER Komplexe, es sind IMMER Woerter. B 2: *Formales Satzkonzept* WITTGENSTEIN sagt in 3.202: "Die im Satze angewandten einfachen Zeichen heissen Namen.".*91* Da dies nach dem gerade Gesagten nicht bedeuten kann, dass sich Saetze unmittelbar aus Namen zusammensetzen, ist hier die formale Lesart von "Satz" zu waehlen. 3.202 bezieht sich also darauf, dass Saetze operationale Ableitungen aus Elementarsaetzen sind (vgl. 5.3), letztere wiederum aus Namen bestehen, Saetze demzufolge letztlich auch die Namen enthalten, was sich in einer logischen Satzanalyse erweist. Saetze beziehen sich auf die Realitaet. "Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit. Der Satz ist ein Modell der Wirklichkeit, so wie wir sie uns denken." (4.01). "Der Satz stellt das Bestehen und Nichtbestehen der Sachverhalte dar."*92* (4.1). "Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit: Denn ich kenne die von ihm dargestellte Sachlage, wenn ich den Satz verstehe." (4.021). "Die Wirklichkeit muss durch den Satz auf ja oder nein fixiert sein" (4.023). "Im Satz wird gleichsam eine Sachlage probeweise zusammengestellt." (4.031). "Der Sinn des Satzes ist seine Uebereinstimmung, und Nichtuebereinstimmung mit den Moeglichkeiten des Bestehens und Nichtbestehens der Sachverhalte." (4.2). "Die Wirklichkeit wird mit dem Satz verglichen." (4.05). Diese Theorie der Abbildung bzw. Darstellung der Realitaet durch Sprache scheint auf den ersten Blick das gesamte Spektrum der Sprache abzudecken, auch auf die Umgangssprache zuzutreffen. Bei genauerer Betrachtung erweist sich aber, dass sich die Theorie nur auf den formalen Satzbegriff bezieht. Denn: "Am Satz muss gerade soviel zu unterscheiden sein, als an der Sachlage die er darstellt. Die beiden muessen die gleiche logische (mathematische) Mannigfaltigkeit besitzen." (4.04). Und: "Der Satz bestimmt einen Ort im logischen Raum." (3.4). "Das Satzzeichen und die logischen Koordinaten: Das ist der logische Ort." (3.41).*93* Die Saetze unserer Umgangssprache aber haben keine genaue logische Bestimmtheit, sie sind keineswegs nach Abbildungsregeln im Verhaeltnis 1:1 gebaut - der formale Bauplan trifft auf das, was wir aeussern, nicht zu.*94* Was das formale Satzkonzept ueberhaupt meint, ist unklar, da nach diesem Konzept generierte Saetze die Wirklichkeit in einem 1:1 Verhaeltnis abbilden muessten, wir aber keinen Zugang zu dieser Wirklichkeit haben als den sprachlich vermittelten und eine solche direkte Abbildung nicht stattfinden kann oder zumindest zufaellig waere. WITTGENSTEIN erweckt den Eindruck, als waere uns die Realitaet nur als Modell ueber Bilder gegeben, also gedanklich bzw. sprachlich vermittelt. Wir haben keinen direkten Zugriff auf die Wirklichkeit. WITTGENSTEIN spricht zwar davon, DASS ein Vergleich von Bildern (2.223) bzw. Saetzen (4.05; Saetze sind eine Untergruppe der Bilder) mit der Wirklichkeit zu vollziehen ist, sagt aber nicht, WIE das vonstatten gehen soll (hier ist also WITTGENSTEINS Wirklichkeitsbegriff zu pruefen, siehe unten in den Abschnitten 6 und 7). Waehrend die meisten Kommentatoren WITTGENSTEIN folgen, also nur das "Dass", nicht aber das "Wie" des Vergleichs angeben, bezeichnet LORENZ die Rede vom Vergleich des Bildes mit der Wirklichkeit als "irrefuehrend, weil das Bild mit den eigenen, vorher selbst getroffenen Vereinbarungen darueber, welche Gegenstaende im Bild durch Namen vertreten sind, verglichen wird"*95*. DERWORT bemerkt, der Tractatus enthielte keinen Hinweis darauf, wie die Zuordnung von Bild und Wirklichkeit zu bewerkstelligen sei*96*. Nach dem formalen Satzkonzept erstellte Saetze enthaelt unsere Sprache nicht. Dies ist auch deshalb so, weil sich unsere Saetze dann aus nicht real existierenden Bestandteilen (Namen und Elementarsaetzen) zusammensetzen muessten. Aber: "One cannot get a single something from even many nothings."*97*! Das formale Satzkonzept ist daher als unbrauchbar zu verwerfen. Zu den bereits genannten Gruenden kommt hinzu, dass das Verhaeltnis von Zeichensprache und Umgangssprache, das auf dem formalen Satzkonzept aufbaut, nicht funktionstuechtig ist (dazu Abschnitt 6 B). Das "normale" Satzkonzept ist im TRACTATUS in den Hintergrund gedraengt; weil es aber das REALE Konzept ist, kann WITTGENSTEIN seine totale Verdraengung durch das (wahrheits-) funktionale Konzept nicht erreichen. 6. *DAS DOPPELVERHAELTNIS VON ZEICHENSPRACHE UND UMGANGSSPRACHE* Zeichensprache und Umgangssprache stehen im TRACTATUS in einem doppelten Verhaeltnis. Seine beiden Seiten sind streng zu trennen, da nur eine Seite Gueltigkeit hat und diese nur dann weiterbestehen kann, wenn sie von der unhaltbaren Seite abgeloest ist. A: *Analyseverhaeltnis* Umgangssprachliches wird im Rahmen logischer Analyse in Zeichensprachliches umgewandelt. Die Analyse erfolgt so, dass umgangssprachliches Material schrittweise in immer kleinere Einheiten ZERLEGT wird - es ist ein "Von-oben-nach-unten- Verhaeltnis". Zunaechst werden Texte der Umgangssprache in Saetze zerlegt, diese in Wortgruppen und Woerter. Dann, an der Schnittstelle zwischen Umgangssprache und Zeichensprache, werden Einheiten der natuerlichen Sprache in konstruierte, kuenstliche Entitaeten zerlegt: in Elementarsaetze. Diese Elementarsaetze werden nun rein "binnenzeichensprachlich" in ihre Bestandteile, die Namen, aufgespalten. Bei diesen absolut einfaches Entitaeten endet die Analyse. Sie bringt den exakten sprachlogischen Bau der analysierten Saetze zutage, indem das von seinen Wendungen konkret Bezeichnete ermittelt wird. Die Analyse funktioniert ueber die den zeichensprachlichen Einheiten zugeschriebene SEMANTIK. Fuer WITTGENSTEIN gibt es keinen Zweifel daran, dass die Analyse so ablaufen muss: "Es ist offenbar, dass wir bei der Analyse der Saetze (der Saetze der Umgangssprache aus Abschnitt 5 B1, denn nur zum Zwecke ihrer Analyse fordert ja WITTGENSTEIN in 3.325 eine Zeichensprache - G.T.R.) auf Elementarsaetze kommen muessen, die aus Namen in unmittelbarer Verbindung bestehen." (4.221). Wir wissen "aus rein logischen Gruenden, dass es Elementarsaetze geben muss" (5.5562). Die Betonung liegt hier auf der entscheidenden Position der Elementarsaetze im System der Analyse, da sich ja mit ihnen der Uebergang von der Umgangssprache in die Zeichensprache vollzieht. Verbreitet ist die Ansicht, WITTGENSTEIN muesse die Existenz von Namen annehmen, um der logischen Analyse einen Endpunkt zu geben, um einen unmittelbaren Bezug zur Wirklichkeit zu schaffen (den des absolut einfachen Namens zu seiner Bedeutung, dem absolut einfachen Gegenstand) und die Sprache von ihrer regresshaften Selbstbezueglichkeit zu befreien.*98* Dem ist nicht so. Denn die Saetze unserer Umgangssprache haben VON SICH AUS einen Bezug zur Wirklichkeit (auch wenn er oft logisch unbestimmt ist, vgl. 3.323), der durch die zeichensprachliche Analyse lediglich OFFENGELEGT und eindeutig gemacht wird. Hierin liegt der Zweck der Wittgensteinschen Annahme von Namen. Das Analyseverhaeltnis besteht tatsaechlich; Umgangssprache laesst sich mit Hilfe einer Zeichensprache analysieren, die fuer diese Analyse mit logischen Konstrukten arbeitet. Fraglich hingegen ist, ob die Analyse IMMER bis auf die atomare Ebene der Namen gehen muss, um den Bezug des Analysierten eindeutig zu machen. Denn das wuerde voraussetzen, dass die Ungenauigkeiten der Umgangssprache stets bis hinunter auf die gleiche letzte Ebene reichen - die sprachliche Wirklichkeit aber ist doch wohl mannigfaltiger: Manchmal reicht eine einstufige Analyse aus (z.B. fuer "Das ist meine Uhr", wenn sich zwei Uhren im Raum befinden; es muss nur zwischen diesen beiden entschieden werden, welche mir gehoert, dann ist der sprachliche Bezug eindeutig), in anderen Faellen ist das Durchlaufen mehrerer Analysestufen notwendig (z.B. "Ihren freien Tag verbrachte Christiane neulich auf einer Bank", wo die Wendungen Schritt fuer Schritt zu spezifizieren sind und es dauert, bis das jeweils bezeichnete Konkretum ermittelt ist). B: *Generierungsverhaeltnis* Umgangssprache soll aus der Zeichensprache generierbar sein, indem die Einheiten der letzteren die Bausteine fuer die Umgangssprache bilden. Dieses Verhaeltnis ist ein "Von-unten-nach-oben- Verhaeltnis". WITTGENSTEIN meint, "dass ALLE Saetze Verallgemeinerungen der Elementarsaetze sind" (4.52). Fuer den Fall, dass alle Elementarsaetze gegeben sind, nimmt er an: "Dann laesst sich einfach fragen: welche Saetze kann ich aus ihnen bilden. Und das sind ALLE Saetze und SO sind sie begrenzt." (4.51). Nach dem oben im Abschnitt 5 B1 besprochenen "normalen" Konzept des Satzes muessten aus logischen Konstrukten reale umgangssprachliche Saetze entstehen - dies ist unmoeglich. 4.51 und 4.52 waeren also nur nach dem formalen Satzkonzept verstaendlich, das ich aber in Abschnitt 5 B2 verworfen habe. Deshalb ist auch das Generierungsverhaeltnis von Zeichensprache und Umgangssprache nicht haltbar. Die SYNTAX der zeichensprachlichen Einheiten (also das Konzept der Namen als Argumente der Elementarsaetze und das der Elementarsaetze als Argumente der Saetze) funktioniert nicht, SIE HABEN KEINE SOLCHE SYNTAX! BLACKS Rede von der Zeichensprache als einer "never-never language"*99* ist korrekt, wenn sein Ausdruck auf die Generierungsfunktion der Zeichensprache bezogen wird.*100* MUNDLES Klassifizierung der Sprachbetrachtung des Tractatus als ein "logical vacuum" ist ebenso nur halb zutreffend, denn die logisch analytische Funktion der Zeichensprache (via Semantik ihrer Einheiten) besteht ja; es ist lediglich so, dass aus der Zeichensprache nichts, d.h. wenn man so will ein Vakuum, entsteht. Halbwahr ist auch GRIFFINS Bemerkung: "...elementary sentences are what ordinary sentences can be analyzed into (stimmt! - G.T.R.); elementary sentences build up into the sentences of ordinary language (falsch! - G.T.R.)"*101*. PITCHER schreibt zu den Saetzen der Umgangssprache: "Die Behauptung ist hoechst unplausibel, dass all dies als Wahrheitsfunktion elementarer Aussagen ausgedrueckt werden koennte. Allerwenigstens waere sehr viel gedankliche Arbeit noetig, um zu zeigen, wie man das tun koennte; und davon gibt es im Tractatus nichts."*102*. Diese Skepsis in Bezug auf den Bau der Umgangssprache aus Elementarsaetzen ist zu verstaerken: Er ist nicht nur unplausibel oder muehevoll aufweisbar, sondern es gibt ihn nicht. Zum Vergleich Wittgensteinscher Einheiten mit den Universalien der Generativen Grammatik ist festzustellen: Man muss annehmen, das hier keine Entsprechung vorliegt, da die Universalien ja SPRACHKONSTITUIEREND sein sollen, diese Funktion aber den Namen und Elementarsaetzen gerade abgesprochen werden musste (und das gilt sowohl fuer die Zeichenseite dieser Einheiten als auch fuer ihre Symbolseite). Im Generierungsverhaeltnis wuerde unsere Sprache ihren Bezug zur Wirklichkeit erst durch ihre zeichensprachlichen Bausteine erhalten. Dem entspricht die schon unter A erwaehnte Ansicht, durch den Bezug der absolut einfachen Namen zu seinen Bedeutungen, den absolut einfachen Gegenstaenden, erhielte die Sprache ihren Realitaetsbezug. So sieht das NIEDERMAIR und formuliert: "...der Name ist dafuer verantwortlich, dass der Satz sich ueberhaupt auf etwas bezieht"*103*. Aber so verhaelt es sich nicht. Namen existieren nicht real, sondern ausschliesslich als Konstrukte der Sprachanalyse. Ihr Bezug zu den einfachen Gegenstaenden ist ein kuenstlicher, ein Bezug von einem logischen Konstrukt zu einem anderen, der keine natuerliche Sprache generieren kann. Die Gegenstaende als ontologische Einheiten sind selbst Konstrukte (siehe Abschnitt 7 A). Konstrukte bzw. Verbindungen zweier Arten von Konstrukten koennen der Sprache keinen Realitaetsbezug ermoeglichen. Entweder sie HAT ihn von sich aus (und dann waere er durch Analyse aufweisbar), oder sie besitzt ihn NICHT. Folgender Widerspruch entsteht: Nach WITTGENSTEIN kommt dieser Realitaetsbezug nur auf der atomaren Ebene von Gegenstaenden und Namen in die Sprache. Ohne diese Ebene koennte sich Sprache nicht auf Wirklichkeit beziehen. Da sie das aber offenbar tut, muss diese Ebene auch die ihr von WITTGENSTEIN zugesprochene Funktion haben. Nun habe ich oben behauptet, Namen und Gegenstaende haetten diese bezugherstellende Funktion nicht! Wie ist dieser Widerspruch zu loesen? Ich glaube, der Widerspruch ist loesbar, wenn man WITTGENSTEINS Wirklichkeitsbegriff untersucht und ihn dabei nicht als einen bloss (gemaess 1 bis 2.063) ontologisch-materiellen versteht. 7. *ONTOLOGIE DES TRACTATUS* In den Nummern 1 bis 2.063 des TRACTATUS beschaeftigt sich WITTGENSTEIN mit dem Aufbau dessen, was er "Welt" nennt (in 1; 1.1; 1.11; 1.2; 2.021; 2.0211; 2.0212; 2.022; 2.0231; 2.026; 2.063), spaeter auch "Wirklichkeit" (in 2.063). Erst in 5.5561 taucht der Begriff "empirische Realitaet" auf. A: *Gegenstaende* A 1: Was sind Gegenstaende und was entsteht aus ihnen? Die Kategorie "Gegenstand" ist die Grundeinheit der Wittgensteinschen Ontologie. "Der Gegenstand ist einfach." (2.02). "Die Gegenstaende bilden die Substanz der Welt. Darum koennen sie nicht zusammengesetzt sein." (2.021). "Die Konfiguration der Gegenstaende bildet den Sachverhalt." (2.0272). "Der Gegenstand ist das Feste, Bestehende; die Konfiguration ist das Wechselnde, Unbestaendige" (2.0271). "Im Sachverhalt haengen die Gegenstaende ineinander, wie die Glieder einer Kette." (2.03). "Wenn das Ding (= der Gegenstand - G.T.R.) im Sachverhalt vorkommen KANN, so muss die Moeglichkeit des Sachverhalts im Ding bereits praejudiziert sein." (2.012). "Wenn ich den Gegenstand kenne, so kenne ich auch saemtliche Moeglichkeiten seines Vorkommens in Sachverhalten. (Jede solche Moeglichkeit muss in der Natur des Gegenstandes liegen.) Es kann nicht nachtraeglich eine neue Moeglichkeit gefunden werden." (2.0123). "Die Gegenstaende enthalten die Moeglichkeit aller Sachlagen." (2.014). "Die Moeglichkeit seiner Vorkommens in Sachverhalten ist die Form des Gegenstandes." (2.0141). Die Angaben zur Gegenstandskategorie des TRACTATUS in der Sekundaerliteratur sind verschiedene Ausdruecke fuer eine Angabe: Gegenstaende kann es fuer uns nicht wirklich geben. Sie werden bezeichnet als "nicht vorstellbare Urelemente"*104*, als "nicht handgreiflich"*105*, als "Zweckkonzept"*106*; als "postulated as theoretical, ideal constructs"*107*. Wittgensteinsche Gegenstaende "gleichen keinen extensional individuierbaren Dingen in der empirischen Welt - und seien diese Dinge noch so einfach"*108*, sie "haben die Eigenart, dass sie sich jeder naeheren Bestimmung entziehen"*109*. Alles, was wir sinnlich erfassen koennen, sind Verkettungen von Gegenstaenden*110*, also Sachverhalte, Komplexe. Die Rede von Gegenstaenden ist fuer uns nicht sinnvoll*111*, das zeigt sich auch daran, dass die vollstaendige Aufspaltung der von uns identifizierbaren Komplexe letztlich immer bei den jeweils kleinsten aufweisbaren Teilchen enden wuerde, die die physikalische Forschung ans Licht gebracht hat*112* - und inzwischen sind das nicht mehr Protonen und Neutronen. JEDE Analyse muesste bei derselben (der absoluten Einfachheit zu einem bestimmten Zeitpunkt am meisten angenaeherten) Art von Entitaeten enden, was den Sinn solcher Analysen negiert, da man das Resultat ja bereits vorher kennt. Und: Solche Entitaeten geben einer auf sie referierenden Sprache keineswegs einen sinnvollen Bezug zur Wirklichkeit, da wir es sind, die Sprache verwenden, wir aber nur Komplexe erfassen koennen und deshalb mit einer "Sprache", die atomare Entitaeten benennt, nichts anzufangen wuessten.*113* "Die empirische Realitaet ist begrenzt durch die Gesamtheit der Gegenstaende." (5.5561) koennte einmal bedeuten - es gibt fuer uns keine empirische Realitaet (wenn man annimmt, Wittgensteinsche Gegenstaende seien nicht nur fuer uns nicht sinnvoll, sondern existierten auch real nicht) oder - der Satz heisst soviel wie "Alles Existierende ist begrenzt durch die Anzahl atomarer Teilchen im Universum"; und da man nicht weiss, ob das Universum endlich ist oder unendlich und ob, falls es endlich ist, es jemals von Menschen in seiner Gesamtheit erfassbar ist, ist die Aussage WITTGENSTEINS vollkommen unnuetz. "Beilaeufig gesprochen: Die Gegenstaende sind farblos." (2.0232). Dies ist alles andere als eine beilaeufige Bemerkung (weshalb man den ersten Teil von 2.0232 streichen sollte), sondern die - etwas merkwuerdig formulierte - Ansicht, Gegenstaende haetten von sich aus keinerlei materielle Eigenschaften; die entstehen erst durch Konfigurationen mit anderen Gegenstaenden.*114* A 2: *Wie werden Gegenstaende versprachlicht?* "Der Name bedeutet den Gegenstand. Der Gegenstand ist sein Bedeutung." (3.203). "Der Name vertritt im Satz den Gegenstand." (3.22). "Die Gegenstaende kann ich nur NENNEN. Zeichen vertreten sie. Ich kann nur VON ihnen sprechen; SIE AUSSPRECHEN KANN ICH NICHT. Ein Satz kann nur sagen, wie ein Ding ist, nicht was es ist." (3.221). Was so simpel aussieht (und in Abschnitt 4 A1 auch unproblematisch beleuchtbar schien) - die Anwendung der denotativen Bedeutungstheorie - erscheint nun, da die Problematik der Kategorien "Name" und "Wort" erwiesen ist, in einem verdaechtigen Zwielicht. PITCHER sagt richtigerweise, dass die Zuordnung von Namen zu Gegenstaenden nur dann moeglich ist, wenn Gegenstaende beobachtbar sind*115* (und, muss man ergaenzen, wenn die Namen Woerter waeren); er bemerkt ebenso richtigerweise, dass wir aber nur Komplexe beobachten.*116* Die von WITTGENSTEIN angenommene Zuordnung von Namen zu Gegenstaenden kann es demnach nicht geben. DIETRICH redet davon, dass die Gegenstaende den einfachen Zeichen zugeordnet wuerden, da die Gegenstaende fuer uns nicht vorstellbar sind, das Verhaeltnis des Namen zu seiner Bedeutung, dem Gegenstand, aber im Satz untersuchbar ist*117* (das stimmt nicht!). Diese Umkehrung des Zuordnungsverhaeltnisses impliziert, dass wir ein Arsenal von einfachen Zeichen mit uns herumtruegen und fuer die, die noch keinen Gegenstand bezeichnen, Bedeutungen suchen wuerden. Das ist beinahe grotesk. B: *Sachverhalte* Mit Sachverhalten haben wir staendig zu tun; sie sind die komplexen Objekte, die wir Tag fuer Tag wahrnehmen. Meist sind diese Sachverhalte Tatsachen, d.h. EXISTIERENDE Sachverhalte; aber auch nicht existierende Sachverhalte gehen uns durch den Kopf. WITTGENSTEIN betrachtet Sachverhalte als Konfigurationen von Gegenstaenden (vgl. 2.0272; 2.01), wobei letztere ineinanderhaengen "wie die Glieder einer Kette" (2.03). Sachverhalte sind keine konstanten Groessen der Realitaet, sondern "das Wechselnde, Unbestaendige" (2.0271). Der Schritt von Gegenstaenden zu Sachverhalten erscheint im TRACTATUS harmlos, leicht verstaendlich. Aber tatsaechlich ist dieser Schritt ein sehr weiter, denn es muessen alle uns umgebenden komplexen Objekte aus dem gleichen atomaren Material gebaut sein. WITTGENSTEIN ueberspringt die Zwischenstufen dieses Aufbaus und sagt lediglich: Jede atomare Einheit hat eine be- stimmte Potenz zu Konfigurationen, die, wenn sie genutzt wird, bestimmte Objekte hervorbringen kann. Der Bau der Welt wird als nach einem simplen Baukastenprinzip ablaufend dargestellt. Ausserdem ist die Wittgensteinsche Realitaet hier eine bloss materielle: Atomare Gegenstaende erzeugen in Konfigurationen unsere gegenstaendliche Welt. C: *WITTGENSTEINS Wirklichkeitsbegriff* Dieser enge, materielle Begriff von Wirklichkeit laesst nicht zu, dass Sprache einen Bezug zur Realitaet erhaelt. Denn diese Bezugsgebung, zum wiederholten Male sei es gesagt, muesste dann auf atomarer Ebene stattfinden, die aber aus der Zuordnung von konstruierten Entitaeten besteht, aus denen ein realer Bezug nicht entstehen kann. HELLERER meint, dass alles, was WITTGENSTEIN ueber die Realitaet sagt (also ueber Gegenstaende, Sachverhalte, Tatsachen) "nichts anderes als eine Beschreibung dessen, wie Sprache in unserem Bewusstsein Welt konstituiert"*118* ist. Dies ist abzulehnen - um dieses Thema geht es in den TRACTATUS-Abschnitten zur Abbildtheorie der Sprache (siehe unten), nicht jedoch in den Abschnitten zur Ontologie. WITTGENSTEIN erweitert den engen, materiellen Wirklichkeitsbegriff entscheidend, wenn er auch Bildern (in 2.141), Gedanken (vgl. 3) und Saetzen (in 3.14)*119* - also: dem Denken und der Sprache - einen Platz in der Wirklichkeit zuschreibt. Dieser erweiterte Wirklichkeitsbegriff gestattet der Sprache auf folgende Weise einen Bezug zur Wirklichkeit: Die Sprache bezieht sich auf unser perzeptiv wahrgenommenes und gedanklich verarbeitetes BILD der Wirklichkeit. Dies geschieht nicht auf der atomaren Ebene der Gegenstaende und Namen, sondern auf der komplexen Ebene von Bildern, Gedanken und Woertern. Sprachlicher Wirklichkeitsbezug ist stets durch Gedanken und Bilder vermittelt.*120* DIETRICH schreibt in diesem Zusammenhang: "Die Bild-Theorie beweist eindeutig, dass die Welt als Gesamtheit der Tatsachen oder Sachverhalte eine Welt unserer Gedanken ist und keine irgendwie vorgegebene Welt. (...) Die Welt unserer Gedanken ist die Welt, wie sie in der Sprache beschrieben wird, da uns die Gedanken nur in der Sprache sinnlich wahrnehmbar gegeben sind. Da die Gedanken aber im Satz wahrnehmbar sind, koennen die Elemente der Gedanken dieselbe Beziehung zur Wirklichkeit haben wie die Woerter. Wittgenstein nimmt die Wirklichkeit doppelt: Es gibt die Wirklichkeit (W) und die Wirklichkeit, die wir denken (Wd). Die Wirklichkeit (Wd) ist "das logische Bild" der Wirklichkeit (W)."*121*. Fuer die Sinnhaftigkeit der Sprache ist die atomare Ebene unnoetig (WITTGENSTEIN sieht das anders, vgl. 3.23). Einen direkten Bezug der Sprache zur Wirklichkeit kann es nicht geben, also sollte man ihn auch nicht, wie WITTGENSTEIN das tut, zu schaffen, herzustellen versuchen. Auch die Wahrheitsfrage von Sprache ist nicht direkt auf die Wirklichkeit beziehbar (deswegen kann Wittgenstein auch nicht angeben, wie der Vergleich von Bildern mit der Wirklichkeit ablaufen soll - siehe dazu oben in Abschnitt 5 B2), sondern ist gebunden an unser Denken, also indirekt. Wie die Verbindung der Welt mit unserem Denken zustandekommt, ist, wie DIETRICH betont, eine Frage, die WITTGENSTEIN ihrer psychologischen Natur wegen nicht interessiert.*122* Also: "Wittgenstein spricht im Tractatus nur von der Wirklichkeit, die in der Sprache wahrnehmbar ist"*123*, also von unserer gedanklich-sprachlichen Rezeption und Verarbeitung der Realitaet. Es ist "die Sprache allein, die Welt konstituiert"*124*; es ist klar, "dass Wittgenstein eine subjektive Welt der Sprache meint, wenn er von Welt spricht"*125*. 8. *SCHLUSS: REALES, NOETIGES UND UEBERFLUESSIGES IN DER DARSTELLUNG VON "SPRACHE" IM TRACTATUS* Pragmatisch gesprochen: Die Umgangssprache kann fuer sich selber sorgen. Man kann in ihr selbst, wenn noetig, ihre Ungenauigkeiten ausgleichen, beispielsweise durch spezifizierte Wortwahl und erlaeuternde Nebensaetze (indem ich, wenn noetig, statt "Bank" eben "Sparkasse" sage oder indem ich, wenn noetig, statt einfach nur "Christiane" vielleicht sage "die Christiane, die Katzen liebt"). Die Umgangssprache benoetigt zur Erfuellung ihrer Pflichten weder ein logisches Korrektiv, noch die Offenlegung ihrer Funktionsmechanismen. Semantisch gesprochen: Die Bezeichnungsbezuege der Umgangssprache sind nicht spezifiziert; sie verwendet fuer ihre konkret auf spezifische Situationen bezogenen Saetze allgemeine Ausdruecke, von denen deshalb jeder ein riesiges Spektrum von konkreten Anwendungen hat. Das semantische Potential dieser Ausdruecke (also die durch ihre Bedeutung determinierten Verwendungsmoeglichkeiten) ist ungeheuer gross und oft unuebersichtlich. Hier setzt WITTGENSTEINS Forderung einer 1:1-Beziehung von Zeichen und Bezeichnetem an, die auf eine konstruierte atomare Ebene projiziert wird. Diese Ebene der Namen und Gegenstaende liegt jedoch zu weit unterhalb des tatsaechlichen sprachlichen Geschehens, als dass die beabsichtigte Klarstellung umgangssprachlicher semantischer Verwirrungen auf ihr stattfinden koennte. Sprachanalytisch gesprochen: Will man wissen, wie Sprache funktioniert, ist eine logische Analyse hilfreich. Sie soll das logische Grundgeruest der Sprache einsichtig machen. In Einzelfaellen ist die Analyse auch notwendig, um die Verstehbarkeit von Sprache zu erleichtern (z.B. im Falle philosophischer Texte) und sprachliche Missverstaendnisse aufzudecken. Trotzdem ist zu beruecksichtigen: Eine gruendliche sprachlogische Analyse vervielfacht den Umfang ihres Inputs, der einfachen Saetze der Umgangssprache, erheblich, so dass die Ueberschaubarkeit der Analyse fraglich ist. Fast die gesamte Sprachdarstellung WITTGENSTEINS ist zweifelhaft geworden, sein Konzept von Zeichensprache wurde nur zu analytischen Zwecken fuer tauglich befunden, die atomare Ebene seines Systems wurde disqualifiziert - macht all das den Tractatus nicht ueberfluessig? Haette also WITTGENSTEIN seiner eigenen Maxime - "Wovon man nicht sprechen kann,darueber muss man schweigen." (7) - folgen sollen? Nein. Denn ein Sprichwort sagt: "Wo Pflicht ist zu sprechen, ist Schweigen Verbrechen". Der TRACTATUS, ob man sein System nun akzeptiert oder nicht, gewaehrt wertvolle Einsichten linguistischer und philosophischer Art und regt zum Nach- und Umdenken seines Inhalts an. Mehr kann ein Buch kaum leisten. Nach der Lektuere des TRACTATUS fuehlt man durchaus etwas wie das im Motto meiner Arbeit Beschriebene. WITTGENSTEIN schreibt in 3.02: "Was denkbar ist, ist auch moeglich.". Ich wage eine etwas "futuristische" (und damit wahrscheinlich von WITTGENSTEIN ziemlich weit entfernte) Interpretation dieser Stelle: Was menschliche Wissenschaft in der Theorie ausarbeitet, was menschliche Phantasie ertraeumt, ist nicht dazu verurteilt, Theorie oder Traum zu bleiben, sondern kann Praxis, kann Wirklichkeit werden. 9. *ANMERKUNGEN* *1* Woerterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Bd. 3. Berlin 1969, S. 2351 *2* Im folgenden immer verkuerzt und ohne Anfuehrungszeichen: TRACTATUS *3* vgl. WITTGENSTEINS Fussnote zum ersten Satz des TRACTATUS *4* "Was sich ueberhaupt sagen laesst, laesst sich klar sagen" (TRACTATUS-Vorwort). *5* Aus dem Satz "Was sich ueberhaupt sagen laesst, laesst sich klar sagen" (TRACTATUS-Vorwort) folgt auch die klare Verstehbarkeit der Wittgensteinschen Saetze. *6* FAVRHOLDT, S. 117 *7* ebd., S. 222 *8* ebd., S. 221; GRIFFIN z.B. (vgl. S. 30) nimmt die Nummerierung ernst *9* STENIUS, S. 17 *10* Deutlich wird das, wenn man unter Stichworten wie "Sprache" oder "Name" im Index von BORGIS nachschlaegt. *11* vgl. ROED, S. 89 *12* so BERGMANN 2, S. 25; WOLNIEWICZ, S. 75 *13* so FAVRHOLDT, S. 7 und S. 217 f.; MUNDLE, S. 186; WARNOCK, S. 73 f. *14* so BURKHARDT, S. 13; KLEMKE, S. 104 f.); KUTSCHERA (zit. in DIETRICH, S. 2) *15* so BUCHHEISTER, S. 32, 35; DERWORT, S. 110; DIETRICH, S. 1 f.; FANN, S. 7; HELLERER, S. 469; HUeLSER, S. 63; MASLOW, S. 16, 23, 26, 28; NIEDERMAIR, S. 76; PITCHER, S. 35 f. und 54 *16* so COPI; FREY, S. 105; KUeNG, S. 68; LORENZ, S. 67; MASLOW, S. 71 f.; RUSSELL (Introduction) *17* so BUCHHEISTER, S. 63 f.; FANN, S. 9 *18* so ANSCOMBE, S. 109; BURKHARDT, S. 29; COPI (nach HUELSER, S. 115, die "Standardauffassung); GRIFFIN, S. 53; HEIL, S. 126; KUENG, S. 66; PITCHER, S. 138 und 162; SELLARS, S. 78; VOLK, S. 115 f. *19* so BERGMANN 2, S. 6 und BERGMANN 3, S. 58; DAITZ; HINTIKKA, S. 429; STENIUS, S. 63; THIELE; S. 113; WEDIN 1, S. 107 *20* so FAVRHOLDT, S. 32; HEAWOOD, S. 130; HINTIKKA 1, S. 433; McGUINNESS 2, S. 32 und 42; NESHER 2, S. 105 et al.; PITCHER, S. 49 f.; STEINVORTH, S. 101; bei WITTGENSTEIN selbst angedeutet (in BEMERKUNGEN UEBER LOGISCHE FORM, S. 20 f.) Eine solche Gleichsetzung fuehrt zu Fehlinterpretationen! *21* so DIETRICH, S. 74 und 138 *22* hier als "unsere Lautsprache" *23* hier als "Sprache, die allein ich verstehe" *24* vgl. DIETRICH, S. 139; PITCHER, S. 172 *25* 3.32: das sinnlich Wahrnehmbare am Symbol ist da Zeichen; 3.326: der aeusserliche Zeichengebrauch laesst das dem Zeichen zugrundeliegende Symbol erkennen; 3.1: sinnlich wahrnehmbarer Ausdruck der Gedanken sind Saetze; Das ergibt: Das Denken benutzt Symbole, die Sprache deren sinnlich wahrnehmbare Ausdruecke, die Zeichen. *26* Wenigstens betrachte ich dies als Beispiel fuer b), da 3.323 von ZWEI Ungenauigkeiten der Umgangssprache redet und danach ZWEI Beispiele gibt und deren erstes a) zugeordnet ist. *27* so sieht das DIETRICH, vgl. S. 85 Allerdings sollte dann "Gruen ist Gruen" (mit dem Eigenschaftswort an erster Stelle) stehen, da sonst die Anfangsbuchstaben nicht identisch sind. *28* weitere Bezuege des TRACTATUS zur Generativen Grammatik siehe bei KRIPKE (zit. in VOLK, S. 25); MEYER, S. 64 und 95; NAUMANN, S. 69; VOLK, S. 119; Anklaenge bei APEL, S. 11 Eine ausfuehrliche Darstellung dieser Bezuege scheint es aber nicht zu geben. Ich hielte sie fuer sehr wichtig. *29* Es sei erlaubt zu bemerken: Heute gilt das nur noch eingeschraenkt, denn so manche von Frauen getragene stoffliche Huelle dient GERADE dazu, koerperliche Formen erkennen zu lassen! *30* vgl. 4.002: "Der Mensch besitzt die Faehigkeit Sprachen zu BAUEN..." (Hervorhebung von mir). *31* Die Lautbildung aber ist wissenschaftlich erforschbar. Der Vergleich suggeriert diese Erforschbarkeit auch fuer die logische Tiefenstruktur. *32* Nach VOLK, S. 119, IST die Umgangssprache fuer die Zwecke der Verstaendigung bereits "ideal". *33* Die Wendung aus 3.325 "welche sie ausschliesst" darf nicht so gemeint sein, dass eine Ersetzung angestrebt wird; es sollte also stehen "welche sie verdeutlicht, logisch erklaert". Wenn doch auf Ersetzung gezielt wird (das steht bei WITTGENSTEIN in BEMERKUNGEN UEBER LOGISCHE FORM, S. 21), dann funktioniert die Sache nicht, da die Zeichensprache die ihr zugeschriebene Generierungsfunktion nicht erfuellen kann (dazu in Abschnitt 6 B). *34* Nach KUENG, S. 70, waere die Zeichensprache in der Praxis nicht sehr nuetzlich. Ausserdem sind die umgangssprachlichen Saetze auch WITTGENSTEIN selbst zufolge logisch vollkommen geordnet (vgl. 5.5563). *35* Nach DIETRICH, S. 139, ist die Umgangssprache mit einer eindeutigen Zeichensprache ERFORSCHBAR. Ebenso ist ja auch der menschliche Organismus erforschbar. *36* Wichtig wird das auch deshalb, weil 3.324 genau ZWISCHEN der Kritik an der Umgangssprache und der Forderung einer Zeichensprache steht. *37* Manchmal ist WITTGENSTEIN sprachlich nicht ganz auf der Hoehe. Z.B. ergibt sich in 4.112: "Das Resultat der Philosophie sind (...) das Klarwerden von Saetzen.". *38* Obwohl Gedanken eigentlich nach WITTGENSTEIN gar nicht truebe sein KOENNEN: "Was sich ueberhaupt sagen laesst, laesst sich klar sagen" (TRACTATUS-Vorwort). Und was fuer die sinnlich wahrnehmbare Seite der Gedanken, die Sprache, gilt, sollte doch erst recht fuer die Seite der gedanklichen Symbole gelten. *39* SCHEIER, S. 100 *40* Denn nach CONRAD, S. 209, umfasst die Semantik u.a. die Beziehungen der Bedeutungen sprachlicher Einheiten zu den Zeichenkoerpern. LEWANDOWSKI, S. 935, erwaehnt als Arbeiten zu diesem Thema die der strukturellen lexikalischen Semantik (z.B. von deSAUSSURE und HJELMSLEV). Den Begriff "Semantik" gibt es seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts (vgl. LEWANDOWSKI, S. 934), so dass er fuer WITTGENSTEIN durchaus greifbar war. Wahrscheinlich haette er auf die Frage, warum er den Begriff nicht verwendet hat, geantwortet, er verstehe sich eben als Logiker, nicht als Linguist, weshalb ihm der Begriff "Syntax" wichtiger ist. *41* "Ausdruck" wird z.B. haeufig als formaler Begriff verwendet (vgl. Abschnitt 4 C), aber auch umgangssprachlich (in 3.262; 3.323; 5.22; 5.24; 5.242; 5.476; 5.503). *42* MUNDLE, S. 180, bemerkt, dass die "Sprache einer Grammophonplatte" keine Sprache ist. Es werden nicht (wie in einer Partitur) Klaenge REPRAeSENTIERT, sondern es handelt sich um einen Mechanismus zur PRODUKTION solcher Klaenge. *43* CONRAD, S. 223 *44* Das sagt LORENZ, S. 65. Auch WITTGENSTEIN sieht es so in BEMERKUNGEN UeBER LOGISCHE FORM, S. 21. *45* vgl. WARNOCK, S. 66 *46* vgl. auch BUCHHEISTER, S. 63 f.; MARCONI, S. 80 f. *47* BOGEN, S. 60 *48* LORENZ, S. 94 *49* Hier sei einmal gegen mein in den Vorbemerkungen geaeussertes Prinzip verstossen, keine anderen Werke WITTGENSTEINS heranziehen zu wollen (um diesen Verstoss ein wenig zu vertuschen, habe ich ihn in eine Anmerkung verbannt). In den PHILOSOPHISCHEN BEMERKUNGEN (geschrieben 1929/30) heisst es: "Wie seltsam, wenn sich die Logik mit einer 'idealen' Sprache befasste, und nicht mit UNSERER. Denn was sollte die ideale Sprache ausdruecken? Doch wohl das, was wir jetzt in unserer gewoehnlichen Sprache ausdruecken; dann muss die Logik also diese untersuchen. (...) Die logische Analyse ist die Analyse von etwas, was wir haben, nicht von etwas, was wir nicht haben. Sie ist also die Analyse der Saetze WIE SIE SIND. (Es waere seltsam, wenn die menschliche Gesellschaft bis jetzt gesprochen haette, ohne einen richtigen Satz zusammenzubringen.)" (Werkausgabe, Bd. 2, S. 52) *50* BLACK, S. 11 *51* MUNDLE, S. 186 *52* FANN, S. 9; vgl. auch GRIFFIN, S. 29; MEYER, S. 60 und 67 *53* LORENZ, S. 83 *54* GRIFFIN, S. 140 *55* URMSON, S. 12 *56* GRIFFIN, S. 138 *57* Singular- und Pluralformen; obwohl - wie bei anderen Begriffen auch - meist nicht einsichtig ist, warum WITTGENSTEIN den Begriff an bestimmten Stellen im Singular mit bestimmtem Artikel, an anderen mit unbestimmtem, an wieder anderen im Plural verwendet. *58* vgl. HUELSER, S. 24 ff. *59* vgl. ebd., S. 30 *60* PITCHER, S. 52, spricht davon, dass unsere Ausdruecke fuer Komplexe unbestimmt sind - d.h. es ist offen, welches Einzelding konkret gemeint ist. *61* Es ist NICHT so, wie SELLARS, S. 79, behauptet: "a name consists (in various ways) of related parts". *62* vgl. MASLOW, S. 41 *63* Dazu sagt HEIL, S. 127: "The activity of attaching names to their DENOTATES is, after all, mysterious". *64* vgl. DIETRICH, S. 138 *65* vgl. PITCHER, S. 52 f.; auf S. 116 allerdings behauptet er mit Bezug auf 4.026, Woerter seien einfache Zeichen. *66* vgl. HUeLSER, S. 92 und PITCHER, S. 49 f. *67* BUCHHEISTER, S. 35 *68* vgl. NIEDERMAIR, S. 49 *69* DIETRICH, S. 138 (aber er verstoesst selbst dagegen, vgl. S. 75 und 85) *70* SCHEIER, S. 88 *71* LIU, S. 464 *72* vgl. ebd., S. 466 *73* BURKHARDT, S. 130 *74* Auch andere Bezeichnungen wie "semantische Merkmale" oder "Sememe" sind moeglich, ebenso eine andere Aufteilung der Analyseebenen. *75* Singular- und Pluralformen *76* Interessant zu sehen, wie hier aus sprachlogischen Betrachtungen, dem Postulat der Unabhaengigkeit von Elementarsaetzen, die Negierung des Kausalnexus folgt. *77* DIETRICH, S. 98. Es muss allerdings, da auf "ElementarSAETZE" bezogen, heissen: "BindeGLIEDER". *78* vgl. PITCHER, S. 77 *79* PITCHER, S. 169, folgert fuer die Wirklichkeit: Nach dem TRACTATUS sei das, was wir von der Welt wissen und reden koennen, erheblich eingeschraenkt. *80* Also ist es falsch, wenn PITCHER, S. 116, sagt, nach 3.14 bestuenden elementare Satzzeichen aus elementaren Zeichen, den Woertern. *81* vgl. LIU, S. 464; FANN, S. 11; MEYER, S. 74 *82* In den Abschnitten 4 A1 und 4 A3 habe ich diese Lesart fuer 3.3 postuliert; da sich 3.314 auf diesen Satz bezieht, folgt sie auch fuer 3.314. *83* Singular- und Pluralformen *84* vgl. NAUMANN, S. 66 *85* Ich bin also nicht der Meinung von FAVRHOLDT, der sagt (S. 32): " a word...does not mean anything definite when considered separately. It may cause associations in the mind of a person who hears it, but it cannot be seen from the word itself, to what it should refer. The word does not have any relation to anything different from itself". Aber zum einen wird ein Wort im Sprachgebrauch nie iso- liert betrachtet und verwendet ("considered separately"); zum anderen hat ein Wort in MEINEM Kopf IMMER einen konkreten Bezugspunkt "different from itself". *86* Die WORTSEMANTIK verhindert Fehlbildungen wie "Christianes Katze ist Strassenbahnschaffner"oder "Andreas grunzt einem grinsenden Teekessel in die Wange"; die Postulierung einer "logischen Form" ist dafuer nicht notwendig. *87* vgl. DERWORT, S. 49 *88* vgl. HUeLSER, S. 133; MASLOW, S. 86; PITCHER, S. 45 Ein Beispiel zum Verhaeltnis Satz/Satzzeichen: Das Satzzeichen "Nein" wird tagtaeglich von Hunderten von Leuten als sinnlich wahrnehmbarer Ausdruck fuer verschiedene Saetze gebraucht. Die Projektion, die dasselbe Satzzeichen ausdrueckt, ist fuer jeden Satz verschieden. *89* vgl. FAVRHOLDT, S. 38; dort wird diese Deutung auch fuer 4.123 angenommen - dies aber scheint mir auf jeden Fall unzutreffend; fuer 5.1511 hingegen koennte man diese Deutung verwenden *90* vgl. PITCHER, S. 52 *91* WITTGENSTEIN schreibt: die einfachen Zeichen "HEISSEN Namen", nicht "SIND Namen". *92* Es muesste heissen "das Bestehen VON SACHVERHALTEN", denn "das Bestehen der Sachverhalte" deutet auf "ALLE Sachverhalte" - und die kann "der Satz" nicht beschreiben. hoechstens "die Sprache". *93* zum Vergleich von Satz und Koordinatensystem siehe NIEDERMAIR, S. 102 *94* vgl. WARNOCK, S. 66; *95* LORENZ, S. 81 f.; aehnlich WIPLINGER, S. 532, der das Offenbleiben dieser Frage als "voellig naiv" bezeichnet *96* vgl. DERWORT, S. 126 *97* WEDIN 1, S. 111, allerdings (leider) in einem anderen Zusammenhang *98* z.B. bei PITCHER, S. 49 f. *99* BLACK, S. 11 *100* Einmal "never" (fuer die Generierungsfunktion) geht in Ordnung, das zweite (fuer die Analyseseite) allerdings nicht. Also sollte man nur von einer "never language" sprechen. *101* GRIFFIN, S. 140 *102* PITCHER, S. 84 *103* NIEDERMAIR, S. 57 *104* DIETRICH, S. 75 *105* BUCHHEISTER, S. 51 *106* NIEDERMAIR, S. 76 *107* RISKA, S. 126 *108* ISHIGURO, S. 134 *109* DERWORT, S. 63 *110* vgl. McGUINNESS (in HALLER), S. 33 *111* BLACK, S. 11, haelt aufgrund der Nichtangebbarkeit von Gegenstaenden die Diskussion, ob diese nun Partikularien oder Universalien sind (vgl. Anmerkungen 18 und 19), fuer zwecklos. Recht hat er. *112* Angedeutet ist das in 6.3431, wo WITTGENSTEIN sagt, es "sprechen die physikalischen Gesetze doch von den Gegenstaenden der Welt". *113* Insofern ist die Aussage von KUeNG, S. 69, dass eine Sprache "wo jedes einzelne Atom seinen Eigennamen (am besten eine Nummer) haette" das "unerreichbare Ideal einer adaequaten Beschreibung" waere, schlicht und einfach schwachsinnig. *114* vgl. z.B. KLEMKE, S. 114; PITCHER, S. 139 *115* vgl. PITCHER, S. 159 *116* vgl. ebd., S. 160 *117* vgl. DIETRICH, S. 75 *118* HELLERER, S. 469 *119* Bilder (dazu gehoeren nach 3 auch Gedanken) und Saetze werden von WITTGENSTEIN als Tatsachen bezeichnet, und deren Gesamtheit ist nach 1.1 die Welt, die Wirklichkeit. *120* Dies ist nicht weit vom Begriff der "geistigen Zwischenwelt" der an WEISGERBER orientierten Sprachinhaltsforschung entfernt. *121* DIETRICH, S. 88; aehnlich NESHER 2, S. 88 *122* vgl. DIETRICH, S. 88 *123* ebd., S. 104. DIETRICH scheint sich hier selbst zu widersprechen, denn auf S. 2 heisst es bei ihm, WITTGENSTEIN verwende den Begriff "Wirklichkeit" ausschliesslich als Begriff der Ontologie, wie auch den Begriff "Gegenstand". "Wirklichkeit" hat aber eben nicht nur eine ontologische, sondern auch eine geistige Seite. *124* HELLERER, S. 469 *125* ebd. 10. *KONSULTIERTE UND ZITIERTE LITERATUR* Hinweis: Die Tagungsbaende der Wittgenstein-Symposien stehen am Ende der Bibliographie. ANSCOMBE, G.E.M. : An Introduction to Wittgenstein's Tractatus. 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