øøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøø ø ø ø File: 08-2-94.TXT - 37 KB ø ø ø øøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøø ø ø ø H. Wilhelm Krüger, Bielefeld - Deutschland ø ø ø øøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøø ø ø ø *Ähnlichkeiten und Analogien - Diachronische Bemerkungen ø ø zur Entstehung des Wittgensteinschen Begriffs der ø ø Familienähnlichkeit* ø ø ø øøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøø ø ø ø Krüger, H. Wilhelm (1994) Ähnlichkeiten und Analogien - ø ø Diachronische Bemerkungen zur Entstehung des Wittgensteinschen ø ø Begriffs der Familienähnlichkeit; in: Wittgenstein Studies ø ø 2/94, File: 08-2-94; hrsg. von K.-O. Apel, F. Börncke, ø ø N. Garver, P. Hacker, R. Haller, G. Meggle, K. Puhl, ø ø Th. Rentsch, A. Roser, J.G.F. Rothhaupt, J. Schulte, U. ø ø Steinvorth, P. Stekeler-Weithofer, W. Vossenkuhl (3 1/2'' ø ø Diskette), ISBN 3-211-82655-6, ISSN 0943-5727 ø ø ø øøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøøø EINLEITUNG Wittgenstein weist durch seinen Gedanken, daß wir die Begriffe unserer Umgangssprache nicht aufgrund von Eigenschaften, die den Gegenständen, die unter die Begriffe fallen, gemeinsam sind, sondern aufgrund von Ähnlichkeiten und Analogien verwenden, die Vorstellung von einer ideal geregelten Sprache in dreifacher Weise zurück.: 1. Die Bedeutung solcher Begriffe ist nicht einheitlich. 2. Die Bedeutung solcher Begriffe ist nicht beliebig abzugrenzen. 3. Die Bedeutung solcher Begriffe ist nicht fest. Ich werde in diesem Aufsatz Wittgensteins Konzept von der Familienähnlichkeit, wie wir es in den PHILOSOPHISCHEN UNTERSUCHUNGEN (PU) in PU 65 bis PU 71 und Umgebung finden,*2* darstellen und zu den Quellen zurückverfolgen und einige Spekulationen darüber anstellen, welche Rolle die Familienähnlichkeit bei Wittgensteins Wechsel vom Philosophen der idealen Sprache zum Philosophen der normalen Sprache gespielt hat. Aufgrund seines diachronischen Charakters teilt sich der Aufsatz in drei Zeitabschnitte: I.1929 bis 1930. II.1930 /31 bis 1932/ 33. III.1933 bis 1937/38. I. (1929 bis 1930) Keinen Platz für Familienähnlichkeiten gibt es in Wittgensteins TRACTATUS LOGICO-PHILOSOPHICUS (TLP). Auf der Suche nach den apriorischen Bedingungen für das Funktionieren einer Sprache forderte er - wie ich es hier einmal nennen will - ein zweifaches Ideal: Erstens das Ideal der Bestimmtheit des Sinnes umgangssprachlicher Sätze. Im Tractat ist dieses Ideal u.a. dadurch garantiert, daß jedes Zeichen über Zeichen bezeichnet, durch die es definiert ist (vgl. TLP 3. 261), daß es "nur eine vollständige Analyse des [umgangssprachlichen] Satzes" (TLP 3.25) gibt und daß diese Analyse auf einfache Zeichen hinausläuft, die einfache Gegenstände bedeuten und dadurch einen bestimmten Sinn des Satzes garantieren (vgl. TLP 3.23). Zweitens sind hier Wittgensteins Aussagen zum Wesen der Welt, der Sprache und des Satzes zu nennen. Danach muß jeder Satz eine Aussage über einen Sachverhalt beinhalten (vgl. TLP 4.1), eine ganz bestimmte allgemeine Form besitzen (vgl. TLP 4. 5) und ein Bild der Sachlage sein, die er behauptet (vgl. TLP 4. 011). Deutlicher als im TLP finden wir in Kommentaren Wittgensteins, in denen er sich auf diese Philosophie bezieht, das Idealsprachenkonzept ausgedrückt. So schreibt er z.B. im Taschennotizbuch (TNB) 157a, aus dem Jahr 1937: "Die Sprache scheint [...] eine Art idealer Ordnung besitzen zu müssen. Eine ideal geregelte Grammatik. Und wir sind so geneigt z.B. von allen Regeln, der Gesamtheit der Regeln zu sprechen, die die Verwendung eines Wortes bestimmt, ohne zu fragen, wie diese Gesamtheit aussieht. [...] So fragen wir uns auch, was das EIGENTLICHE Wort, der eigentliche Satz unserer Sprache sei, denn die geschriebenen + gedruckten Wörter + Sätze besitzen in ihrem Wesen nicht die Klarheit, die die sublime Sprache erfordert." (TNB 157a, S. 105f.) Und an anderer Stelle in dem Buch bemerkt er: "So schien es, wir müssten das WESEN der Sprache kennen lernen. (Das Wesen des Satzes, des Folgerns, der Grammatik.) Und in der Antwort der Frage nach diesem Wesen, schien es, liege das, was sich über das 'Wesen der Welt' sagen ließe + die Antwort auf unsere Fragen. Und es war wesentlich, daß sich jene Antwort EIN FÜR ALLE MAL, also unabhängig von zukünftiger Erfahrung geben lassen müsse. Und es dürfte also in dieser Antwort nicht heißen: Es gibt 13 Arten von ... . Und morgen finden wir also vielleicht eine 14 te. Es durfte also überhaupt nicht von ARTEN die Rede gewesen sein." (TNB 157a, S.95f.) Wir postulieren, so Wittgenstein, angesichts der Unklarheit der geschriebenen und gedruckten Wörter und Sätze eine Gesamtheit von Regeln, die die Verwendung unserer Worte bestimmt, ohne uns im geringsten darüber klar zu sein, wie diese Gesamtheit aussieht. Je genauer wir die tatsächliche Sprache betrachten, desto stärker wird aber der Widerstreit zwischen ihr und unserer Forderung (vgl. PU 107). Wir werden "nun mit dem unzufrieden, was man im gewöhnlichen Leben 'Satz', 'Wort', 'Zeichen' nennt" (PU 105) und machen uns auf die Suche nach den eigentlichen Ausdrücken. Das Ideal der Umgangssprache wird also dadurch erreicht, daß wir das Wesen der Sprache kennenlernen. Ohne Wesen kein Ideal, ohne Ideal keine Bestimmtheit des Sinnes, ohne Bestimmtheit des Sinnes gar kein Sinn; also auch keine Möglichkeit Aussagen über die Welt zu machen. Diese Position vertritt Wittgenstein mit wenigen Abstrichen auch noch in seinem Aufsatz SOME REMARKS ON LOGICAL FORM (RLF).*3* Schwieriger erscheint eine diesbezügliche Beurteilung mit Bezug auf seine Thesen zu Beginn der dreißiger Jahre im TS 209 und TS 210. In beiden Typoskripten finden sich alte und neue Gedanken noch unvermittelt nebeneinander. Wittgenstein macht auch im TS 209*4* noch eine Reihe von Aussagen zur Tractatphilosophie und zum Wesen der Sprache, jedoch nicht ohne darauf hinzuweisen, daß der Elementarsatz für ihn jetzt seine frühere Bedeutung verliert (vgl. PB, S. 111). Wittgenstein stellt in vielen Bemerkungen der Umgangssprache eine primäre oder wie er auch sagt phänomenologische Sprache, die sich auf unmittelbare Sinnesdaten ohne hypothetische Zutaten beziehen soll (vgl. TS 213, S. 245), gegenüber, jedoch auch hier nicht, ohne klar zu machen, daß ihm diese Sprache jetzt nicht mehr als Ziel vorschwebt (vgl. PB, S. 51). - Die Umgangssprache wird zu dieser Zeit mehr und mehr zu seinem eigentlichen Untersuchungsgegenstand. Angesichts der Tatsache, daß Wittgenstein zu dieser Zeit die Sprache als Kalkül bezeichnet und sie in Verbindung mit Schachspielen und mathematischen Systemen erörtert, stellt sich die Frage, ob er nach seiner Tractatphilosophie - sozusagen übergangsweise*5* - davon ausging, daß die Umgangssprache kalkülartig im Sinne expliziter Regeln und fester Begriffe verfaßt ist. Nach dieser Auffassung hängt die Bedeutung eines Zeichens von expliziten Regeln ab, insofern sie sich erst dann konstituiert, wenn diese Regeln explizit vorhanden sind und vermittelt werden. Die Vertreter dieser These verweisen in diesem Zusammenhang auf Äußerungen wie: "Ein Name hat Bedeutung, ein Satz hat Sinn im Kalkül, welchem er angehört. [...] Die Bedeutung ist die Rolle, die das Wort im Kalkül spielt" (PG, S. 193).*6* "Die Sprache ist für uns ein Kalkül, sie ist durch Sprechhandlungen charakterisiert" (PG, S. 193).*7* "Es besteht nämlich zwischen der Verwendung unserer Sprache und einem Kalkül nicht etwa eine bloße Analogie, sondern ich kann tatsächlich den Begriff des Kalküls so fassen, daß die Anwendung der Worte darunter fällt" (WWK, S. 168). Bezeichnenderweise stammen diese Äußerungen aus einer Zeit, zu der Wittgenstein bereits an anderer Stelle klarmacht, daß die Sprache für ihn gerade kein "prinzipiell rekonstruierbares Gesamtsystem"*8* darstellt.*9* Und das ist kein Widerspruch, insofern festzustellen ist, daß Wittgenstein ab 1930 explizit unter dem Motto "In der Sprache wird alles ausgetragen" (Ms 108. II, S. 195) darauf hinweist, daß alle Erklärungen innerhalb eines Sprachsystems stattfinden. Eine Erklärung ist für ihn nichts weiter als die Ersetzung eines Zeichens durch ein anderes. Die Bedeutung der Wörter liegt nicht außerhalb, sondern innerhalb der Sprache, und wird "restlos angegeben bzw. bestimmt, wenn man die Sprache bzw. ihre Regeln beschreibt"*10*. "Die Bedeutung ist das", so Wittgenstein im Ms 109, S. 140, "was wir in der Erklärung der Bedeutung eines Wortes erklären". Aus dieser Konzeption gewinnt Wittgenstein ausschließlich Argumente gegen eine metalogische bzw. psychologische Auffassung vom Meinen und Verstehen.*11* Denn "wenn man sich immer in einem Sprachsystem ausdrückt und also, was ein Satz meint, nur durch Sätze dieses Systems erklärt, so fällt am Schluß die Meinung ganz aus der Sprache, also aus der Betrachtung heraus, und es bleibt die Sprache das einzige, was wir betrachten können" (Ms 108. II, S. 277). Daß diese Vorstellung von Sprache bedingt, daß alle Regeln explizierbar und die Begriffe fest umrissen sein müssen, ist weder einzusehen noch zu belegen und um so unwahrscheinlicher, als Wittgenstein an dieser Bedeutungstheorie über 1933 hinaus festhält. Hinzu kommt, daß Wittgenstein bereits 1929 an mehreren Stellen auf die vagen Begriffe unserer Umgangssprache hinweist.*12* II. (1930 bis 1932/33) In den Mss 109 und 110 wird deutlich, wo Wittgenstein zuerst die Problematik, die mit dem Namen "Familienähnlichkeit" verbunden ist, ausmacht. Es sind zunächst nicht etwa die alltäglichen Begriffe, die er daraufhin untersucht, ob den Gegenständen, die unter sie fallen, etwas gemeinsam ist. Im Gegenteil, es sind die aus dem TLP bekannten philosophischen Ausdrücke "Gegenstand", "Komplex", "Welt", "Satz", "Sprache", die er diesbezüglich hinterfragt und deren metaphysische Verwendung im TLP er mit Bezug auf die Umgangssprache kritisiert. Getreu der Warnung "Frage dich immer: 'wird denn dieses Wort in der Sprache, die es geschaffen hat // für die es geschaffen ist //, je tatsächlich so gebraucht'" aus Ms 109 (S.246)*13*, stellt Wittgenstein im folgenden Ms eine "Unbestimmtheit im Begriff 'Sprache'" (Ms 110, S. 99) fest und bemerkt dort folgerichtig, daß "der allgemeine Begriff der Sprache sozusagen zerfließt" (Ms 110, S. 206). In eben dieser Folge entstehen 1931 schließlich auch die Bemerkungen Wittgensteins, in denen er seine Ausführungen zur Familienähnlichkeit aus PU I (vgl. PU 65 bis 71) vorwegnimmt. Es ist nämlich die methodologische Frage, ob die für eine Sprachuntersuchung unabdingbaren Begriffe wie 'Regel', 'Kalkül' und 'Spiel' definiert werden müssen, um mit ihnen arbeiten zu können, die Wittgenstein dazu bringt, unser Thema - dann allerdings an umgangssprachlichen Beispielen - zu diskutieren. Er stellt im Ms 111 ganz explizit zu den Begriffen unserer Umgangssprache fest: 1. Viele Begriffe unserer Sprache haben keine festen Grenzen. "Es verhält sich doch mit dem Begriff 'Pflanze' ", so Wittgenstein hier, "so ähnlich wie mit dem Begriff der Eiförmigkeit [...]. Die Grenzen dieses Begriffs sind nicht scharf bestimmt, und wir würden z.B. ein Osterei von dieser Form O nicht als solches gelten lassen und auch nicht sagen können, bei welchem Verhältnis der Länge und der Breite etwas anfängt, ein Osterei zu sein." (Ms 111, S. 89) Und auch wenn jemand eine Definition festlegen würde, so könnte sie nicht als die richtige Begrenzung dieses Begriffs anerkannt werden, denn den, so Wittgenstein, "gibt es in unserem Kalkül nicht und wer einen Grenzfall einführt, der führt einen anderen Kalkül ein" (Ms 111, S. 89). 2. Begriffe brauchen, um verständlich zu sein, keine festen Grenzen. Die Bedeutung eines Ausdrucks ist in den Fällen, in denen Grenzfälle nicht berührt werden, auch nicht verschwommen. Für solche Fälle können dann problemlos Regelverzeichnisse aufgestellt werden. Wittgenstein verdeutlicht das wiederum an einem Beispiel: Wenn etwa beim Preisschießen für gewisse Grenzfälle keine Bestimmung getroffen wäre, ob ein Schuß noch als Treffer ins Schwarze gelten soll (oder nicht). Nimmt man nun an, daß ein solcher Schuß bei dem Preisschießen gar nicht vorkommt, so ist es selbstverständlich unsinnig zu sagen, die ganze Preisverteilung gilt nichts, weil für diesen Fall nicht vorgesorgt war. (Vgl. Ms 111, S. 84) 3. Feste Grenzen für umgangssprachliche Begriffe sind oft schädlich. Eine Definition, die einem umgangssprachlichen Begriff feste Grenzen geben würde, würde nach Wittgenstein gerade nicht dazu führen, daß wir diesen Ausdruck besser verstehen. Wittgenstein schreibt dazu: "Ja es scheint sogar in gewissem Sinne schlechter, weil gerade das undefinierte in diesem Fall zu unserer Sprache zu gehören scheint" (Ms 111, S.81). 4. Die Begriffe unserer Sprache können keine festen Grenzen haben. Wir können nach Wittgenstein nicht auf alle Fragen der Verwendung eines Wortes vorbereitet sein. Denn es lassen sich ja beliebig viele Grenzfälle konstruieren, für die die Entscheidung, ob etwas z.B. unter den Begriff 'Pflanze' fällt, noch zu treffen ist. Wittgenstein verweist in diesem Zusammenhang auf ein Lebewesen, daß halb maschinell und halb auf organischem Wege gezeugt worden ist (vgl. Ms 111, S. 84). Auch das Dilemma, das dadurch entsteht, daß es zumeist kein Charakteristikum gibt, das allem, was unter einen bestimmten Begriff fällt, gemeinsam ist, wir aber auch nicht sagen wollen, das Begriffswort habe mehrere unabhängige Bedeutungen, löst Wittgenstein bereits im Ms 111. Er weist wie in PU 65 auf Analogien und Ähnlichkeiten hin, die zwischen den Gegenständen, die unter einen Begriff fallen, bestehen und durch die derselbe Wortgebrauch zu rechtfertigen ist . So sind für ihn z.B. die Spiele "die Spiele, von denen wir gehört haben, die wir aufzählen können, und etwa noch einige nach Analogie anderer neu gebildete. [...] Und gefragt: Was ist denn das Gemeinsame aller dieser Dinge, weshalb du sie zusammenfaßt, könnte [man] sagen: Ich weiß es nicht in einem Satz anzugeben, aber du siehst ja viele Analogien. [...] Ich nenne daher "Spiele" das, was auf dieser Liste steht, wie auch, was diesen Spielen bis zu einem gewissen (von mir nicht näher bestimmten) Grade ähnlich ist. (Ms 111, S. 80)" Wenn wir, was eine Pflanze ist nicht, definieren können, nicht explizit sagen können, was alles unter den Begriff 'Pflanze' fällt, dann stellt sich nicht nur die Frage, was den einheitlichen Wortgebrauch bei uneinheitlicher Bedeutung rechtfertigt, sondern auch die Frage, wie solche Begriffe zu erklären und zu verstehen sind. Auch diesbezüglich äußert Wittgenstein im Ms 111 Gedanken, die mit denen in PU I (vgl. PU 72 bis 74) übereinstimmen. Entgegen der Annahme, daß das Verstehen eines Begriffs darin besteht, ein Bild des Erklärten im Geiste zu besitzen, stellt Wittgenstein im Ms 111 klar: 1. Wir gebrauchen bei der Verwendung unserer Begriffe keine Vorstellungsbilder. Er schreibt dazu: "Wenn wir eine Anwendung des Begriffs 'Pflanze'machen, so schwebt uns gewiß nicht vorher ein allgemeines Bild vor, oder beim Hören des Wortes 'Pflanze' das Bild des bestimmten Gegenstandes, den ich als eine Pflanze bezeichne" (Ms 111, S. 95) Und dies gilt nach Wittgenstein nicht nur in den Fällen, in denen wir eine spontane Anwendung eines Begriffs machen, sondern auch dann, wenn wir im Zweifel darüber sind, wie etwas zu benennen ist. Aber auch dann, wenn jemandem tatsächlich ein Bild vorschwebt, geht aus diesem nicht hervor, "daß auch die herbeigebrachte Blume noch zulässig ist" (Ms 111, S.95), sondern er wendet eben dieses Bild an. "Und diese Anwendung war nicht antizipiert." (111, S. 95) 2. Auch der, der die Beispiele, an denen ihm der Begriff erklärt wird, auf bestimmte Weise sieht, sieht dadurch nicht den Begriff. Wittgenstein macht im MS darauf aufmerksam, daß bestimmte Begriffe an Beispielen gelernt werden. Daß derjenige, der einen Begriff auf solche Weise lehrt "auf das Gemeinsame [z.B. aller Pflanzen] aufmerksam" (Ms 111, S. 93) macht, ohne daß es ein Merkmal gibt, daß alle Gegenstände, die wir so nennen, besitzen, schließt Wittgenstein dabei nicht aus. Wittgenstein schließt auch nicht aus, daß der, der auf so etwas aufmerksam macht, jemanden dazu bringt, die Beispiele in besonderer Weise zu sehen. (Vgl. Ms 111, S. 93) "Aber dieses Sehen ist nicht das Verstehen des Begriffs. Denn wir sehen nicht etwas mit einer leeren Argumentstelle". (Ms 111, S. 93) Und es ist auch nicht so, daß 'das Gemeinsame' allein im Vordergrund bleibt und das übrige in den Hintergrund tritt, also gleichsam blasser wird oder sogar ganz verschwindet, sodaß der, der z.B. das Wesentliche des Zahlbegriffs sieht, 2 und 3 nicht mehr voneinander unterscheiden kann. (Vgl. Ms 111, S. 93) 3. Kein Bild kann uns zur Verwendung eines Beispiels in bestimmter Weise berechtigen. Es ist nicht nur so, daß wir von einem Bild de facto keinen Gebrauch machen und daß das, was wir in den Fällen sehen, in denen wir die Beispiele in besonderer Weise sehen, kein Begriffssehen ist, sondern letztendlich auch so, daß, was immer wir in diesen Beispielen sehen, uns nicht zu einer bestimmten Verwendung der Beispiele berechtigt. Auch unter der phantastischen Annahme, daß jemandem ein Trank gegeben wird, "durch den es verursacht wird, daß er die Beispiele in der bestimmten Weise sieht" (Ms 111, S. 92), würde das, was er sieht, ihn nicht zu der Verwendung der Beispiele berechtigen. Angesichts dieser Thesen wird deutlich, daß Wittgenstein bereits hier zu einer behaviouristischen Auffassung vom Erklären und Verstehen neigt, insofern er behauptet, daß derjenige den Begriff 'Pflanze' beherrscht, weiß, was das Begriffswort bedeutet, der nach Beispielen, die ihm zur Erklärung gegeben werden, in exakter Weise handelt. Bei der Erklärung eines Begriffs kommt es nach Wittgenstein ausschließlich auf das System von Regeln an, die von seinen Beispielen gelten. Eine Verschwommenheit in den Regeln tritt keineswegs dadurch auf, daß ein uneinheitlicher, nicht beliebig abgrenzbarer und für zukünftige Fälle offener Begriff ohne explizite Definitionen nur an Beispielen zu lernen ist. Abgesehen davon, daß Wittgenstein im Ms 112 das für Eigennamen diskutiert*13* , was er in Ms 111 für allgemeine Begriffe erörtert, bieten die nachfolgenden Mss bis Ms 114 I zum Thema "Familienähnlichkeit" keine über Ms 111 hinausgehenden Informationen. Im BIG TYPESCRIPT (Ts 213) von 1932/33, das Wittgenstein aus ausgewählten Bemerkungen aus Ts 208 bis 212 zusammensetzt, fällt auf, daß die Frage, ob wir unsere Begriffe aufgrund von Gemeinsamkeiten verwenden, dort an verschiedenen Stellen diskutiert wird.*14* Zum einen unter dem Haupttitel "Satz. Sinn des Satzes" im Unterkapitel "'Satz und 'Sprache' verschwimmende Begriffe" (Ts 213, S.248) Zum anderen unter dem Hauptkapitel "Grammatik" im Unterkapitel "Die strikten grammatischen Spielregeln und der schwankende Sprachgebrauch" (Ts 213, S. 248). Offensichtlich ist auch hier, daß Wittgenstein unser Thema im ersten Hauptkapitel unter Berücksichtigung bzw. Abwicklung seiner Tractatphilosophie bearbeitet, während er im anderen Kapitel mehr den allgemeinen Sprachgebrauch im Auge hat.*16* Eigene Äußerungen Wittgensteins (vgl. Ts 213, S. 64) und weitere Unterkapitel (vgl. "Ähnlichkeit von Satz und Bild", Ts 213, S. 83; "Elementarsatz", Ts 213, S. 100) verstärken diesen Eindruck. Das Ergebnis ist erwartungsgemäß an beiden Stellen das gleiche, sodaß Wittgenstein 1933 im Ts 213 handschriftlich resümieren kann: "Der Gebrauch der Worte "Spiel", "Satz", "Sprache" etc. hat die Verschwommenheit des normalen Gebrauchs aller Begriffswörter unserer Sprache. Zu sagen sie wären darum unbrauchbar oder doch nicht ideal ihrem Zweck entsprechend, wäre als wollte man sagen "das Licht meiner Lampe ist unbrauchbar, weil man nicht weiß, wo es anfängt und wo es aufhört". (Ts 213, S. 70) III. (1933 bis 1937/38) Das Ts 220 aus dem Jahr 1937/38, dessen direktes Ms (142) ein Band mit dem Namen "Philosophische Untersuchungen", verschollen ist,*17* enthält bereits die Aussagen zum Thema "Familienähnlichkeit", wie wir sie aus den PU kennen. Wittgenstein hat dieses Thema ab 1933 immer wieder in seine Mss aufgenommen. Es liegt an der Funktion der Schriften Ms 114 II, Ms 140 und Ms 115 I, die 1933/34 infolge einer Überarbeitung des (als Buchprojekt geplanten) BIG TYPESCRIPT entstehen, daß hier Wittgensteins Bemerkungen zur Familienähnlichkeit zumeist wiederholt, umgestellt und nur geringfügig ergänzt werden. Auch wenn Wittgenstein im Ms 140 - einer Überarbeitung der ersten 56 Seiten des Ms 114 II - erstmals explizit macht, daß auch in den Fällen, in denen Gegenstände, die unter einen Begriff fallen, gemeinsame Eigenschaften haben, es nicht diese Eigenschaften sein müssen, die den Begriff definieren, ist dies wohl kaum als eine neue Erkenntnis zu werten. Man sollte hinsichtlich dieser Schriften eher von einer Präzisierung in bezug auf den Ausdruck, als in bezug auf die Sache sprechen. So rückt Wittgenstein in Ms 140 lediglich durch seine Terminologie näher an PU 65 bis 71, wenn er jetzt schreibt: "Was das Begriffswort anzeigt, ist [...] eine Verwandtschaft der Gegenstände, aber diese Verwandtschaft muß keine Gemeinsamkeit einer Eigenschaft oder eines Bestandteiles sein. Sie kann die Glieder kettenartig verbinden, so daß eines mit einem anderen DURCH ZWISCHENGLIEDER verwandt ist; + zwei einander nahe Glieder können gemeinsame Züge haben, einander ÄHNLICH sein, während entferntere nichts mehr mit einander gemein haben + doch zu der gleichen Familie gehören." (Ms 140, S. 32) Während Wittgenstein den Ausdruck "Verwandtschaft" zwar nicht für die Beziehung zwischen Gegenständen, wohl aber zwischen Wörtern bereits in seinem WÖRTERBUCH FÜR VOLKSSCHULEN von 1925 benutzt,*18* ist davon auszugehen, daß er bei dem Gebrauch des Ausdrucks "Familie" und auch des Ausdrucks "Familienähnlichkeit" von Spengler beeinflußt wurde, auf den er im Ms 111 ausdrücklich hinweist.*19* Die Bezeichnung "family likenesses" für die Beziehung zwischen Gegenständen verwendet Wittgenstein im BLUE BOOK (BlB) *20*, das er im akademischen Jahr 1933/34 in englischer Sprache diktiert. Wittgenstein macht hier darauf aufmerksam, daß die Anwendung von Allgemeinbegriffen aufgrund von solchen Ähnlichkeiten gerechtfertigt ist. (Vgl. BlB; S. 17) Und an anderer Stelle im BlB heißt es wieder: "We are unable clearly to circumscribe the concepts we use; not because we don't know their real definition, but because there is no real 'definition' to them". (BlB, S. 25). Deutlicher als in früheren Schriften äußert sich Wittgenstein im BlB auch zu der Tendenz "to think that the man who has learnt to understand a general term, say, the term 'leaf', has thereby come to possess a kind of general picture of a leaf, as opposed to pictures of particular leaves " (BLB, S. 18). Er bezeichnet sie jetzt als eine von jenen philosophischen Verwirrungen, die die Untersuchung des Sprachgebrauchs erschweren, weil sie das Streben nach Allgemeinheit fördern (vgl. BlB, S. 17). Diese Ausführungen werden von Wittgenstein im BROWN BOOK (BrB)*21* u. a. durch Angaben zur Erklärung von Farbwörtern mit Hilfe von Mustern ergänzt. Insbesondere weist er hier daraufhin, daß der Ausdruck "das Gemeinsame sehen" nicht nur in den Fällen gebraucht wird, in denen gemeinsame Farben vorliegen, sondern auch unter anderen Umständen. So könnte jemand, dem die Bedeutung eines Zeichens erklärt werden soll, davon ausgehen "Oh, it's 'red' he means, for all these objects had something red about them" (BrB, S. 131), obwohl auf verschiedene Gegenstände in unterschiedlichen Rottönen hingewiesen wurde.*22* Wittgensteins Ausführungen im BlB und im BrB - und das gilt teilweise auch für die Mss und Tss, die in der PHILOSOPHISCHEN GRAMMATIK (PG) veröffentlicht wurden - ist deutlich anzumerken, daß der Begriff der Familienähnlichkeit nicht weiter entwickelt wird, sondern für eine Analyse des Wortgebrauchs unter Verwendung einfacher Sprachspiele lediglich benutzt wird. Die Begriffe, die er hier untersucht, fallen dementsprechend aus. Neben den Begriffen 'Blatt'und 'Pflanze' geht es (z.B.) um 'Erwarten', 'Vergleichen', 'Erkennen', 'etwas tun können', 'geführt werden', 'blau', Fälle von Spannung und Entspannung, 'ähnlich' etc.. Folgerichtig - und an einem weiterentwickelten Begriff der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke ausgerichtet - sind es nun nicht mehr nur die Gegenstände, die einander ähnlich genannt werden, sondern auch die Bedeutungen der Worte, die zu einer großen Familie gehören (vgl. BrB, S. 133) und die Arten des Wortgebrauchs, die miteinander verwandt sind . Das TNB 157 und das große Notizbuch (GNB) 152 sind die letzten Schriften vor Zusammenstellung der ersten 188 Bemerkungen aus PU I im Ts 220, die uns zur Verfügung stehen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß das TNB 157 aus dem Jahr 1934 und 1937 sich durch die autobiographische Kritik Wittgensteins an einer Philosophie auszeichnet, die auf der Suche nach dem Wesen der Welt, des Denkens, der Sprache und des Satzes war. (Vgl. TNB 157a, S. 85ff.)*23* Der Begriff 'Sprache', so Wittgenstein jetzt, "ist zwar eine Familie, aber auch wenn er es nicht wäre" (TNB 157a, S. 97), würde das nicht auf eine Philosophie des TLP hinauslaufen. Das GNB 152 enthält unter anderem die Bemerkungen PU 65 bis PU 71 aus PU I; zwar nicht in derselben Reihenfolge und nicht immer wortwörtlich, aber mit dem seit 1931 (MS 111) bekannten Resultat in der Sache. "Statt zu sagen, was allem, was wir Sprache nennen gemeinsam ist", sagt Wittgenstein, "es ist ihnen gar nicht Eines gemeinsam, weswegen wir auf alle das gleiche Wort anwenden, sondern sie sind mit einander auf verschiedene Arten + Weisen verwandt." (GNB 152, S. 66). VI. Abschließende Betrachtung Aufgrund der untersuchten Mss und Tss stellt sich der Begriff der Familienähnlichkeit folgendermaßen dar: Wittgenstein nennt die Ähnlichkeit einer Gruppe von Gegenständen genau dann Familienähnlichkeiten, wenn (1.) von jedem Gegenstand zu jedem Gegenstand eine mittelbare Verbindung durch eine Kette von unmittelbaren Gemeinsamkeiten besteht und (2.) innerhalb dieser Gruppe mindestens einige Gegenstände in besonderer Weise ausgezeichnet sind; sozusagen als paradigmatische Fälle des Begriffs, dem die Gegenstände ihren Namen verdanken. Dadurch ist erstens dafür gesorgt, daß zwischen allen Gegenständen, die unter einen Begriff fallen, eine Verbindung besteht. Wittgenstein spricht in bezug auf diese Fälle auch von direkten und indirekten Verwandtschaften. Zweitens ist dafür gesorgt, daß diese Verwandtschaften nicht endlos ausarten. Hierdurch ist sichergestellt, daß ein Begriffswort, obwohl es keine einheitliche Bedeutung hat - es bezieht sich ja auf sehr Verschiedenes -, dennoch nicht mehrere Bedeutungen hat. 'Familienähnlichkeit' ist damit aber auch ein relativer Begriff. Nicht nur erfordert er bei Wittgenstein mehr als zwei Familienmitglieder, er scheint auch mindestens ein Familienoberhaupt, an dem sich die anderen zu messen haben, zu erfordern. Denn nicht alle Gegenstände, die (noch) unter (z.B.) den Begriff 'Spiel' fallen, sind in gleicher Weise dazu zu gebrauchen, unseren Begriff 'Spiel' zu erklären. Eine Definition des Begriffswortes wird nicht dadurch unmöglich, daß die Beispiele, auf die verweisbar ist, keine Eigenschaften haben, die allen gemeinsam ist - eine Definition wäre ja als Konjunktion der Merkmale denkbar (vgl. PU 68) -, sondern dadurch, daß das Erfordernis besteht, durch den Verweis auf ähnliches in UNBESTIMMTER WEISE über die gegebenen Beispiele hinauszugehen. "In diesem Sinne [...] haben viele Wörter keine strenge Bedeutung. Aber das ist kein Mangel." (BLB, S. 52) Denn wir benötigen in vielen Fällen Begriffe mit verschwommenen Rändern und können sehr oft Begriffe, die fest umrissen sind, nicht gebrauchen. Daß viele Begriffe nicht überall von Grenzen umgeben sind, heißt nach Wittgenstein nicht, daß wir nicht auch Regeln angeben können, wie diese Begriffe verwendet werden, und es heißt schon gar nicht, daß wir nicht wissen und nicht erklären können, was so ein Wort bedeutet. Es gibt gute Gründe, um anzunehmen, daß Wittgenstein mit den hier vorgetragenen Thesen zur Familienähnlichkeit ausschließlich gegen seine Traktatphilosophie zu Felde zog und nicht auch noch gegen eine zweite ideale Auffassung von der Umgangssprache. Die Beispiele, die er diskutiert, die Aussagen, die er zur gewöhnlichen Sprache macht, und die Selbstkritik, die er übt, weisen in diese Richtung. Hinzu kommt, daß Wittgenstein ja bereits 1925, wie wir gesehen haben, in seinem Wörterbuch für Volksschulen (in Ottertal) das praktiziert, was er circa sechs Jahre später unter dem Begriff 'Familienähnlichkeit' ausführt. Mit der Auffassung von Familienähnlichkeiten innerhalb der Sprache geht bei Wittgenstein eine andere Methode und eine andere Auffassung von Philosophie einher. An die Stelle des logisch- philosophischen "Schau nicht auf die unbestimmt erscheinende Umgangssprache, sondern denk an das eigentliche Wort, den eigentlichen Satz, durch den die Bestimmtheit des Sinnes zu erklären ist!" (vgl. PU 92) tritt das "Denk nicht, sondern schau!" wie wir es aus PU 66 kennen. Und auch wenn aufgrund der Tatsache, daß nicht allem, was wir Sprache nennen, etwas gemeinsam ist, der allgemeine Begriff der Sprache sozusagen zerfließt, zerfließt damit nicht auch die Philosophie , denn, so Wittgenstein im MS 114 II, S. 103., "die Aufgabe der Philosophie ist es nicht, eine neue, ideale Sprache zu schaffen, sondern den Sprachgebrauch unserer Sprache - der bestehenden - zu klären."*24* Wenn diese Überlegungen richtig sind, dann stand der Gedanke der Familienähnlichkeit, wie wir ihn in den PU finden, spätestens 1931 fest. Das ist einigermaßen überraschend, da wesentliche Teile der Wittgensteinschen Sprachphilosophie zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig waren. - So experimentierte Wittgenstein ab 1930 noch mit verschiedenen Vorstellungen von Bedeutung. Zu nennen sind hier die Verifikationstheorie der Bedeutung, die Bedeutung als das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt, die Bedeutung als der Ort des Wortes in der Sprache, die Bedeutung eines Wortes als die Regeln, die den Gebrauch eines Wortes vorschreiben. Ab 1933 geht Wittgenstein mehr und mehr dazu über, die Bedeutung eines Ausdruckes im sprachspielabhängigen Gebrauch zu suchen. Ferner werden seine Überlegungen zum impliziten Regelfolgen, wie wir sie in PU 198 bis PU 242 finden, von Wittgenstein zu dieser Zeit erst problematisiert. Gerade hierin liegt nun aber, wie ich glaube, der Wert der Wittgensteinschen Entdeckung der Familienähnlichkeiten. Denn seine Thesen zur Ähnlichkeit erweisen sich einerseits als flexibel genug, um von unterschiedlichen Bedeutungsvorstellungen ausgefüllt zu werden; denn nicht nur von den Ähnlichkeiten von Gegenständen, die unter Begriffe fallen, sondern auch von den Gebrauchsarten eines Wortes kann man sagen, daß sie eine Familie bilden. Andererseits scheint dieser Begriff eine Vorstellung von einer Umgangssprache, die sich nicht auf Regelverzeichnisse und feste Definitionen, sondern auf "Gepflogenheiten" (PU 199) stützt, geradezu herauszufordern, ja sogar schon vorwegzunehmen. - In diesem Sinne ist es wahrscheinlich, daß die Thesen von der Familienähnlichkeit für Wittgenstein nicht nur ein Ergebnis seiner Auseinandersetzung mit seiner alten Philosophie waren, sondern ihm auch als leitendes Prinzip bei der Entwicklung seiner neuen Philosophie gedient haben. FUSSNOTEN *1* Diese Arbeit ist eine erweiterte Fassung eines Beitrages zum 16. Internationalen Wittgenstein Symposium in Kirchberg 1993. Vgl. H.W. Krüger: Über Familienähnlichkeiten. In: R. Casati, G. White (Hg.) PHILOSOPHIE UND DIE KOGNITIVEN WISSENSCHAFTEN. Kirchberg a. Wechsel 1993, S. 261-264. *2* Die Schriften Wittgensteins zitieren wir im allgemeinen nach der im Suhrkampverlag erschienenen Werkausgabe (stw). In den Fällen, in denen Wittgenstein seinen Text nach Bemerkungen durchnumeriert, geben wir die Nummern der Bemerkungen an. Die übrigen Angaben verweisen auf die Seiten der genannten Schrift. Manuskriptstellen und Typoskriptstellen werden nach dem von Wrightschen Verzeichnis (vgl. G. H. von Wright: WITTGENSTEIN. Blackwell, Oxford 1982, S. 42 bis 49) angegeben. Dort, wo Wittgenstein keine Seitenzahlen angibt, folgen wir unserer eigenen Paginierung. Alle Angaben zum unveröffentlichten Nachlaß sind mit Bezug auf den Mikrofilm "The Wittgenstein papers"[Ithaca (N.Y.) 1967] gemacht. *3* Wittgensteins Gedanken in RLF unterscheiden sich von denen im TLP vor allem durch die Aufgabe der Idee von der Unabhängigkeit der Elementarsätze. Vgl. L. Wittgenstein: "Some Remarks on Logical Form". In: ARISTOTELIAN SOCIETY SUPPLEMENTARY VOLUME 9 (1929), S. 162-171. *4 Das TS 209 aus dem Jahre 1930 wurde von den Herausgebern unter dem Titel PHILOSOPHISCHE BEMERKUNGEN 1964 veröffentlicht. Vgl. stw 502, S.315f. (Anmerkungen der Herausgeber). *5 Baker und Hacker nennen hier den Zeitraum von 1930/31. Vgl. G.P. Baker & P.M.S. Hacker: An Analytical Commentary on the "Philosophical Investigations", Vol. I: Wittgenstein, Understanding and Meaning, Blackwell, Oxford 1980, S. 38. *6* Auf diese Sätze verweisen Baker & Hacker ! Vgl. Baker & Hacker 1980, S. 38. *7* Vgl. J. Schulte: WITTGENSTEIN. Reclam 1989, S.144. *8* Vgl. Schulte 1989, S. 114. *9* So stammen z.B. die Quellen der Bemerkungen 66, 70, 75, 77, 81, 82, 83, aus denen das ohne Zweifel hervorgeht, aus dem Zeitraum Juli bis November 1931 (Vgl. Mss 111, 112. *10* L. W.: "Vorlesungen 1930 - 1935. 1984 (dt.)", S.85. *11* Vgl. S. St. Hilmy: "The Later Wittgenstein". 1987, S. 99. *12* Vgl. z.B. Ms 107, S. 168 (Okt. 1929); WITTGENSTEIN UND DER WIENER KREIS, stw 503, S. 47f. (Dez. 1929). *13* Wir finden an dieser Stelle eine der Quellen von PU 116. *14* Wittgenstein fragt im Ms 112 inwieweit der Name "Moses" nach festen Kriterien verwendet wird. Vgl. Ms 112, S.186f.. Siehe dazu auch Pu 79 und PU 87. *15* Zur Zusammenstellung des BIG TYPESCRIPT vgl. H.W. Krüger: DIE ENTSTEHUNG DES BIG TYPESCRIPT. In: WITTGENSTEINS PHILOSOPHIE DER MATHEMATIK. Akten des 15. Internationalen Wittgenstein Symposiums, Bd. II. K. Puhl (Hrsg.), Wien 1993, S. 303 - 312. *16* Diese Aufteilung des Themas hält Wittgenstein bis in die PU hinein durch. Vgl. PU 65 bis 71 und PU 89 bis 133. *17* Vgl. v. Wright 1982, S. 53. *18* Wittgenstein spricht dort von der "Zusammenziehung verwandter [und eng verwandter] Wörter". Vgl. L. Wittgenstein: WÖRTERBUCH FÜR VOLKSSCHULEN. Hersg.: A. Hübner , W. u. E. Leinfellner. Wien 1977, S. XXVIIIf. (Geleitwort). *19* Er schreibt dort mit Bezug auf O. Spenglers DER UNTERGANG DES ABENDLANDES: "So könnte Spengler besser verstanden werden, wenn er sagte: '[...] innerhalb der Familie gibt es Familienähnlichkeiten [...]'." (Ms 111, S. 119) *20* L. Wittgenstein: THE BLUE BOOK. In: THE BLUE AND BROWN BOOKS. Blackwell, Oxford 1969, S. 1 - 74. *21* Vgl. L. Wittgenstein: The Brown Book. In: THE BLUE AND BROWN BOOKS. Blackwell, Oxford 1969, S. 75 - 185. *22* Ähnliche Äußerungen finden wir auch im Ms 115 II, das aus dem BROWN BOOK entsteht, in den Bemerkungen 99, 100, 101 und 102. *23* Vgl. Umgebung *2*-*3*. *24* Wittgensteins Feststellung, daß es unserer Grammatik vor allem an Übersichtlichkeit fehlt in PU 122 steht bereits in den PB (S. 52) und gehört zu den ältesten Bemerkungen in PU I.