***************************************************************** * * Titel: Lebensformen. Übergänge und Abbrüche Autor: Josef Simon, Bonn - Deutschland Dateiname: 14-2-95.TXT Dateilänge: 55 KB Erschienen in: Wittgenstein Studies 2/95, Datei: 14-2-95.TXT; hrsg. von K.-O. Apel, N. Garver, B. McGuinness, P. Hacker, R. Haller, W. Lütterfelds, G. Meggle, C. Nyíri, K. Puhl, T. Rentsch, J.G.F. Rothhaupt, J. Schulte, U. Steinvorth, P. Stekeler-Weithofer, W. Vossenkuhl, (3 1/2'' Diskette) ISSN 0943-5727. * * ***************************************************************** * * * (c) 1995 Deutsche Ludwig Wittgenstein Gesellschaft e.V. * * Alle Rechte vorbehalten / All Rights Reserved * * * * Kein Bestandteil dieser Datei darf ganz oder teilweise * * vervielfältigt, in einem Abfragesystem gespeichert, * * gesendet oder in irgendeine Sprache übersetzt werden in * * irgendeiner Form, sei es auf elektronische, mechanische, * * magnetische, optische, handschriftliche oder andere Art * * und Weise, ohne vorhergehende schriftliche Zustimmung * * der DEUTSCHEN LUDWIG WITTGENSTEIN GESELLSCHAFT e.V. * * Dateien und Auszüge, die der Benutzer für * * seine privaten wissenschaftlichen Zwecke benutzt, sind * * von dieser Regelung ausgenommen. * * * * No part of this file may be reproduced, stored * * in a retrieval system, transmitted or translated into * * any other language in whole or in part, in any form or * * by any means, whether it be in electronical, mechanical, * * magnetic, optical, manual or otherwise, without prior * * written consent of the DEUTSCHE LUDWIG WITTGENSTEIN * * GESELLSCHAFT e.V. Those articles and excerpts from * * articles which the subscriber wishes to use for his own * * private academic purposes are excluded from this * * restrictions. * * * ***************************************************************** I Ein zentraler Satz des "Tractatus" Wittgensteins lautet: "Seine Form der Abbildung aber kann das Bild nicht abbilden; es weist sie auf."*1* Er gilt gewissermaßen auch noch für die "Philosophischen Untersuchungen". Im "Tractatus" will er sagen, daß wir keine extramundanen Wesen seien, die sich selbst zuschauen könnten, sondern daß wir uns im "Abbilden" der "Wirklichkeit" immer schon INNERHALB einer besonderen "Form der Abbildung" bewegten. Wir folgen Regeln, einer "Grammatik", einem "Schema", das wir, wie Nietzsche entsprechend sagt, "nicht abwerfen" können.*2* Wir folgen ihm auch dann noch, wenn wir versuchen, etwas "darüber" zu sagen. In den "Philosophischen Untersuchungen" geht Wittgenstein allerdings einen entscheidenden Schritt weiter: Die Rede des "Tractatus", daß wir die Wirklichkeit ABBILDETEN, wird nun selbst als ein "Bild" verstanden, das wir uns unserer "Lebensform" entsprechend machen, wenn wir unsere Beziehung zur Welt verstehen wollen. Mit der Verwendung des Bildes vom "Bild" oder vom "Abbilden" für unser "Verhältnis" zur Welt entsprechen wir bereits einer besonderen "Lebensform". Wir folgen damit einer quasi mythischen Vorgabe als einem Schema, von dem wir wohl wissen können, daß es eines ist, das wir deshalb aber noch nicht überwunden haben. Wir können, und davon geht auch Wittgenstein aus, erkennen, daß "ein BILD" uns gefangenhält.*3* Diese Feststellung markiert am besten den Unterschied zwischen dem "Tractatus" und den "Philosophischen Untersuchungen": Von dem späteren Standpunkt der "Philosophischen Untersuchungen" aus ist die frühere Rede vom "Abbilden" der Wirklichkeit und damit auch die von einer "Form der Abbildung" zu einer besonderen Redeweise relativiert. Schon der "Tractatus" kannte nicht nur EINE Form der Abbildung, nicht nur EINE Methode der "Projektion"*4* von einem "Standpunkt"*5* aus. "Die Grammophonplatte, der musikalische Gedanke, die Notenschrift, die Schallwellen" folgen verschiedenen "Formen" der Abbildung, aber sie gelten im "Tractatus" doch als Formen, die alle "dasselbe" abbilden sollen, d.h. auf "dasselbe" HINWEISEN, ohne daß dieses "Selbe" selbst abgebildet werden oder mit ins Bild kommen könnte. Es bleibt in jeder Abbildung rein als "dasselbe" vorausgesetzt. Die verschiedenen Formen der Abbildung stehen hier noch "alle in jener abbildenden internen Beziehung zu einander, die zwischen Sprache und Welt besteht"*6*. Wollte das Bild sich selbst abbilden, verlangte das einen ANDEREN Standpunkt als den, dem es sich selbst als Bild verdankt. Als Bild resultiert es in diesem Verständnis gerade daraus, daß es seine "Form der Abbildung" SELBST NICHT mitabbilden kann, weil das Abbilden in seiner Form auf "die Wirklichkeit" bezogen ist und nicht "zurück" auf das Bild. Man könnte auch sagen, dieser "Blindheit" verdanke es die Gewißheit, ein "Bild" DER "Wirklichkeit" zu sein. Wenn dann in den "Philosophischen Untersuchungen" gesagt wird, ein "Bild" habe uns "gefangengehalten", als wir noch vom "Abbilden" der Wirklichkeit redeten, wird von einem ANDEREN "Standpunkt" aus gesprochen als dem, dem sich das bestimmte Bild verdankte. DIESES Bild, nach dem wir unser Verhältnis zur Welt bildlich als "Abbilden" einer dabei VORAUSGESETZTEN Wirklichkeit verstehen, hält uns dann nicht mehr gefangen. Aus diesem Bild (vom Abbilden) konnten wir, vom späteren Standpunkt her gesehen, nicht "hinaus", weil es zu "unserer" Sprache gehörte, es zu verwenden, ohne uns seines metaphorischen Charakters ZUGLEICH bewußt zu sein. Daß es selbst (nur) ein "Bild" war, wird uns erst später, erst jetzt bewußt, und erst damit bewegen wir uns nicht mehr "in" diesem Bild. Vorher aber schien unsere Sprache "es uns nur unerbittlich zu wiederholen"*7*. So stellt sich die Frage nach dem Grund des AUFHÖRENS dieses Zwanges, das Bild vom Bild zu gebrauchen, als Frage nach der Veränderung der "Lebensform". Vor der Diskussion dieser Frage muß aber geklärt werden, wie solch ein Zwang zunächst entstanden sein könnte und wie er dann "später", in den "Philosophischen Untersuchungen", verstanden wird. Hier greift nun ein ANDERES Bild, aber doch auch wieder ein Bild, nämlich das Bild vom "Abrichten" als dem Lernen von Regeln, denen wir dann "blind" folgten. Wir sind damit wieder "in" einem Bild. Das "Bild" von der "Blindheit" hat eine philosophische Geschichte. Leibniz sprach von einer "cognitio caeca" und meinte damit ein Denken, das gewissen ZEICHENSEQUENZEN folge, ohne dabei "Vorstellungen" von der "Bedeutung" der Zeichen, sozusagen als "innere" Bilder, ständig zu realisieren. Das entspricht dem "normalen" Zeichenverstehen: Nach einer "Bedeutung" wird nur dann gefragt, wenn ein Zeichen unmittelbar, d.h. ohne "Erklärung seiner Bedeutung", nicht oder nicht mehr "hinreichend" verstanden wird. Nur dann wird ein Zeichen als Zeichen, im UNTERSCHIED zu "seiner" Bedeutung, bewußt, so daß sich die FRAGE nach seiner Bedeutung stellt. Dann wird versucht, "an die Stelle" des nicht oder in diesem Gebrauch nicht mehr hinreichend verstandenen Zeichens ein ANDERES Zeichen oder auch eine "explizierende" Zeichensequenz zu setzen, von der man annimmt, daß sie "besser" als das zunächst gegebene Zeichen verstanden werde.*8* So kommt es bei Wittgenstein zu der Aussage, die "Bedeutung des Wortes" sei das, "was die Erklärung der Bedeutung erklärt"*9*. Das Wort (und das Zeichen überhaupt) haben demnach nur dann eine von ihnen selbst verschiedene "Bedeutung", wenn eine "Erklärung der Bedeutung" notwendig wird. Die erklärenden Zeichen müssen zuletzt aber doch wieder ("blind") gebraucht werden können, ohne daß auch nach IHRER Bedeutung noch einmal gefragt wird. Wir können einen Sprachgebrauch, in dem bei bestimmten Zeichen nicht nach einer von ihnen VERSCHIEDENEN Bedeutung gefragt werden muß, mit Wittgenstein ein "Sprachspiel" nennen, dessen "eingespielten" Regeln wir "blind" folgen. Nur INNERHALB solch eines Sprachspiels können Fragen nach der Bedeutung bestimmter Zeichen überhaupt einen Sinn haben, denn nur IN ihm können sie eine Antwort in ANDEREN Zeichen finden, nach deren Bedeutung nicht noch einmal gefragt werden muß. Es liegt also in der Natur von Sprachspielen, daß wir sie, SOLANGE wir an ihnen teilhaben, in ihrer Besonderheit gerade nicht in den Blick bekommen. Wenn es in den "Philosophischen Untersuchungen" zunächst heißt, die "Bedeutung eines Wortes" sei "sein Gebrauch in der Sprache"*10*, ist hier schon gemeint, daß sich INNERHALB eines Sprachspiels, als einem Bereich der Möglichkeit des "blinden" Sprachgebrauchs, die Frage nach "Bedeutungen" bestimmter Wörter "in der Regel", also "normalerweise" gerade NICHT stellt. "IN" einem Sprachspiel bewegen wir uns ja nur, wenn wir in es eingeübt und dazu "abgerichtet" sind, DASS sich diese Frage zumindest für hinreichend viele Zeichen "tatsächlich" nicht stellt. Dadurch haben wir unsere jeweilige "Gewißheit" im Sprachgebrauch. "Es bricht kein Streit darüber aus ..., ob der Regel gemäß vorgegangen wurde oder nicht. Es kommt darüber z.B. nicht zu Tätlichkeiten. Das gehört zu dem Gerüst, von welchem aus unsere Sprache wirkt (z.B. eine Beschreibung gibt)."*11* Die "Beschreibung", als "Abbilden" verstanden, ist nun selbst zu einem bloßen BEISPIEL für einen eingeübten Sprachgebrauch geworden, zu dessen Besonderheit es gehört, daß wir die Metapher des "Bildes" für unser Weltverständnis "tatsächlich" ohne jede Frage hinnehmen. Damit erfüllt sie ihre Funktion innerhalb der besonderen "Lebensform", deren "Teil" dieses Sprachspiel ist. Schon 1914 notierte Wittgenstein: "Die Schwierigkeit vor meiner Theorie der logischen Abbildung war die, einen Zusammenhang zwischen den Zeichen auf Papier und einem Sachverhalt draußen in der Welt zu finden. Ich sagte immer, die Wahrheit ist eine Beziehung zwischen dem Satz und dem Sachverhalt, konnte aber niemals eine solche Beziehung ausfindig machen."*12* Der Satz sagt zwar "nur insoweit etwas aus, als er ein Bild ist",*13* d.h.: als er "eine Sachlage probeweise" zusammenstellt,*14* doch "ich kann eben nicht herausbringen, inwiefern der Satz das BILD des Sachverhaltes ist!"*15* Über diese "Schwierigkeit" soll die Metapher vom "Bild" hinübertragen. Wittgenstein nennt dies eine "unpersönliche Darstellung der Welt"*16*. Er sieht darin schon hier ein REDUZIERTES und in diesem Sinn "primitives" Weltverständnis und fragt, wie solch eine "unpersönlichen Darstellung" zustande komme. Die dafür notwendige VORAUSSETZUNG stand eigentlich, wie Wittgenstein selbst in der zitierten Tagebuchstelle bemerkt, schon im "Tractatus": "Der Satz ist ein Modell der Wirklichkeit, so wie wir sie uns denken. (S. 4.01.)" Nur wenn der Satz "UNSER" Modell (als Darstellung unserer jeweiligen Vorstellung), aber nicht "das" Modell ist, kann er wahr ODER falsch sein; dann ist auf der Basis VERSCHIEDENER Wahrheitswerte der Sätze Logik möglich. "Wir" als (verschiedene) "Personen" und "unser Standpunkt" der Abbildung kommen unter dieser besonderen Voraussetzung - d.h. solange wir uns INNERHALB dieses Sprachspiels bewegen und deshalb seine besondere "Form der Abbildung" selbst nicht abbilden können - nicht "in Betracht". Solange KOMMEN für uns auch keine "Personen", sondern nur "Sachverhalte" VOR, und nur ihnen gegenüber können wir dann fragen, ob das, was sie als "Sachverhalte" vorstellen, d.h. was in Sätzen "probeweise zusammengestellt" wird, "der Fall" oder "nicht der Fall" sei, d.h. ob die Sätze wahr ODER falsch seien. INNERHALB der Darstellungsmöglichkeit dieses Sprachspiels stellte dann auch die Rede von verschiedenen "Sichtweisen" verschiedener Personen nur wieder einen "Sachverhalt" vor. Ich nenne die "probeweise" Zusammenstellung einer "Sachlage" durch die Satzbildung, so wie im "Tractatus" von ihr die Rede ist, in Rücksicht auf den in den "Philosophischen Untersuchungen" vorherrschenden Terminus auch hier schon eine "Vorstellung". Der Satz ist die "Darstellung" des "Sachverhaltes", den ich mir vorstelle, wenn ich frage, ob "er" bestehe oder nicht bestehe, d.h. ob das, was ich mir vorstelle und im Satz "probeweise" oder "neu"*17* zusammenstelle, so wie ich es mir vorstelle, indem ich den Satz bilde bzw. verstehe, "der Fall" sei oder nicht der Fall sei. Eine "Tatsache" ist "das Bestehen von Sachverhalten"*18*, die ich mir vorstelle, wenn ich sie "im Satz" durch eine aktuelle Verknüpfung bestimmter Wörter "darstelle" und damit "probeweise" zusammenstelle. Die "Tatsache" hat keinen anderen INHALT als der (vorgestellte) "Sachverhalt", und der "Sachverhalt" stellt sich nur im "Satz" (sinnlich) dar. Die "Tatsache" unterscheidet sich vom "Sachverhalt" nur dadurch, daß genau das, was der Sachverhalt ("probeweise") zusammen- oder vorstellt und was der Satz als sein "Bild" darstellt, "der Fall ist". Wir "haben" nach Wittgenstein nicht zuerst die "Tatsachen", die wir dann noch abbildeten, womit sich die Frage stellte, warum wir das überhaupt tun sollten; wir "haben" vielmehr die "Sachverhalte", insofern wir sie uns - jeder für sich und nach seinen Möglichkeiten einschließlich der sprachlichen - VORSTELLEN, und als etwas Gemeinsames "haben" wir sie in ihrer (sinnlichen) DARSTELLUNG im Satzzeichen. So muß es sich der Absicht des "Tractatus logico-philosophicus" nach auch verhalten, denn "die Logik" geht von Sätzen aus, die entweder wahr ODER falsch sind (pWF, qWF). Entscheiden müßte darüber ein "Vergleich" mit der "Wirklichkeit". Wie immer man sich diesen Vergleich auch vorstellen sollte, für die Logik ist das belanglos. Zwar ist "die Welt" "alles, was der Fall ist"*19*, d.h. "ALLE Tatsachen"*20*, aber erst "der Satz KONSTRUIERT eine Welt mit Hilfe eines logischen Gerüstes und darum kann man am Satz auch sehen, wie sich alles Logische verhält, WENN er wahr ist"*21*. Nur am Satz als dem (äußeren) "Bild" eines ("probeweise" vorgestellten) "Sachverhaltes" kann man sehen, WAS der Fall ist, WENN er wahr ist, und man sieht es aus dem Gesichtskreis der "Lebensform", in die auch schon die Satzbildung verwoben war. Wittgenstein verwendet das Wort "Lebensform" im Singular und im Plural. Für seine Philosophie der Lebensformen ist das aber nicht von entscheidender Bedeutung. Wir können uns zwar, in einer vergegenständlichenden Sprachbetrachtung*22*, VORSTELLEN, daß unsere "Lebensformen" Auffächerungen einer umfassenden menschlichen Lebensform seien, so wie wir uns, etwa mit Chomsky, VORSTELLEN können, daß alle besonderen Sprachen differenzierende Weiterbildungen des einen menschlichen Sprachvermögens seien. Dabei kann uns die Vorstellung leiten, daß "die" Sprache als solche etwas sich den regionalen und historischen Bedürfnissen gemäß "Entwickelndes" sei. Wittgensteins philosophischer Begriff der "Lebensform" impliziert aber gerade, daß auch schon solche Vorstellungen aus dem Potential der besonderen Lebensform heraus "geformt" sind, in der wir jetzt leben. Eine Rückkehr zu Knotenpunkten einer solchen Auffächerungen oder gar zu einer noch undifferenzierten, der allgemeinen menschlichen Natur entsprechenden Lebensform wird dadurch nicht erreicht. "Die" Lebensform ist die jeweilige, "in" der wir JETZT leben, ohne sie zugleich "adäquat" vorstellen zu können. Die Frage nach einer "Identität" und damit auch nach der Vergleichbarkeit unserer "Vorstellungen" über den Unterschied der Personen hinweg wird im "Tractatus" dadurch vermieden, daß von der (sinnlichen) "Darstellung" von Sachverhalten im Satz, also in gemeinsamen Zeichen, AUSGEGANGEN wird. "Wir" (als Plural) "haben" die sinnlichen Sätze, und wir verstehen sie als Darstellung von Sachverhalten, die der "Fall sein" oder nicht "der Fall sein" könnten. Aber ein Satz "kann nicht das darstellen, was er mit der Wirklichkeit gemein haben muß, um sie darstellen zu können - die logische Form". Dazu müßten wir einen Standpunkt "außerhalb der Logik" und d.h. bei Wittgenstein "außerhalb der Welt"*23* haben. Wir leben aber "in" der Welt, die wir "im ganzen" gemäß UNSERER "Form der Abbildung" erleben, indem wir erleben, ob das, was wir uns als Sachverhalt und damit als mögliche Tatsache vorstellen und in Sätzen darstellen, "der Fall ist" oder nicht, und ohne die Gewißheit unserer besonderen Lebenswelt können wir auch nicht wissen, wie wir unsere Sätze mit der Wirklichkeit "vergleichen" sollen, um zu sehen, ob sie wahr und ob die Sachverhalte, die sie "probeweise" darstellen, "der Fall" oder "Tatsachen" sind. Ein Satz "teilt uns eine Sachlage mit" (und nicht "Tatsachen"). Also, so sagt Wittgenstein, "muß er WESENTLICH mit der Sachlage zusammenhängen".*24* Doch gerade dieses "Wesen" des Satzes bleibt "- UNS" "wesentlich" verborgen. Deshalb kann die Wirklichkeit durch den Satz nur "auf ja oder nein fixiert sein"*25*. Was überhaupt "der Fall" oder "Tatsache" sein KANN, wird durch die Satzbildung jedes Mal neu VORGEZEICHNET. Es liegt "im Wesen des Satzes", einen "NEUEN Sinn" mitzuteilen,*26* d.h. von "uns" aus dem Fundus der Wörter unserer Sprache neu gebildet und so, wie WIR ihn gebildet haben, auf die Wirklichkeit "projiziert" zu werden, als die Frage, ob das in ihm "Abgebildete" der Fall sei oder nicht. Daß Sätze hier wesentlich als NEU gebildete Sätze verstanden werden, rechtfertigt es auch zu sagen, daß "ICH" die Sätze (aus meiner Perspektive) bilde; ein anderer könnte die "Namen"*27* ANDERS als "ich" "probeweise" zusammenstellen. Wenn Wittgenstein sagt, der Satz sei ein Modell der Wirklichkeit, so wie "wir" sie uns denken, kann nicht ein absolutes Wir-Kollektiv gemeint sein, sondern nur "wir" als diejenigen, die einen Satz "tatsächlich" bilden oder verstehen, ob das nun nur einer ist oder ob es viele sind. Entsprechend kann dann später ein "Sprachspiel" sowohl die "Vorstellung" des besonderen Sprachgebrauchs einer Sprachgemeinschaft wie auch eines einzelnen sein, ja sogar eines einzelnen innerhalb einer bestimmten Zeit. Man kann sich ein "Sprachspiel" denkbar weit oder auch denkbar eng "vorstellen". Um eine "Privatsprache" handelt es sich dabei schon deshalb nicht, weil der (als solcher jeweils NEU gebildete) Satz wesentlich als SINNLICHE "Darstellung" einer "Vorstellung" gebildet wird und sich damit "probeweise" auch an das Verstehen anderer richtet, von dem ich mir auch nur wieder "probeweise" MEIN "Bild" machen kann. Obwohl im "Tractatus" vom logischen Zweck der Abhandlung her diese Dimension der VERSCHIEDENHEIT im Verstehen nicht explizit zur Sprache kommt und das "Persönliche" ausgeblendet bleiben muß, kann man rückblickend - aus der umfassenderen Sicht der "Philosophischen Untersuchungen" - doch auch hier schon die potentielle Verschiedenheit im "Abbilden" und damit einen möglichen "Konflikt" des Verstehens angelegt sehen. Den Satz selbst kann man "verstehen, ohne zu wissen, ob er wahr ist"*28*. Man hat ihn, wenn man ihn überhaupt ALS "Satz" versteht, schon so vernommen, daß man ihn versteht, auch wenn, wie es bereits im "Tractatus" heißt, die "stillschweigenden Abmachungen zum Verständnis der Umgangssprache ... enorm kompliziert" sind und die Sprache den Gedanken "verkleidet".*29* Es sind eben "stillschweigende Abmachungen"; sie kommen selbst nicht ins Bild. Wenn wir einen Satz (neu) bilden, können wir zwar den anderen "die Bedeutungen der einfachen Zeichen (der Wörter)" erklären, so wie sie auch "uns erklärt werden" müssen, wenn "wir" sie in ihrem jeweiligen Gebrauch nicht unmittelbar verstehen*30*. Aber den "NEUEN Sinn" des ganzen Satzes, der aus den Wörtern gebildet wird, müssen wir - oder die anderen - jeweils SELBST erfassen. Er ist ALS SATZ ein NEUER Satz. Es bleibt demnach wesentlich offen, was es heißt, das "Bild" mit der Wirklichkeit zu "vergleichen", "um zu erkennen", ob es "wahr oder falsch ist".*31* Der "Satz" ist der sinnlich wahrnehmbare Ausdruck des Gedankens*32*, der seinerseits "das logische Bild der Tatsachen" ist*33*, insofern er die "Möglichkeit der Sachlage, die er denkt", enthält. "Was denkbar ist, ist auch möglich."*34* Der Satz drückt also aus, daß das, was er darstellt, möglich sei, und als bejahender Satz behauptet er die "Wirklickkeit" dieser IM SATZ bestimmten Möglichkeit. "Es" KANN "der Fall sein", und ob "es" darüber hinaus auch "wirklich" ist, muß sich in einem "Vergleich" mit der Wirklichkeit ZEIGEN. In Sätzen läßt es sich nicht wiederum SAGEN, denn das Wirkliche fügt dem Möglichen inhaltlich nichts hinzu.*35* Nur "das" kommt als "Tatsache" in Betracht, was zuvor als "Sachverhalt" VORGESTELLT bzw. in einem Satz DARGESTELLT ist. Wie aber der Satz selbst möglich ist, d.h. wie er mit den Mitteln einer besonderen Sprache jeweils gebildet worden sein kann, bleibt im "Tractatus" außer Betracht. Es muß vom Zweck dieser Abhandlung her, der Begründung der Logik auf der Basis VERSCHIEDENER "Wahrheitswerte" von Sätzen, auch außer Betracht bleiben. Hier kommt es nur darauf an, daß ein Satz als sinnliches Zeichen der MÖGLICHKEIT gebildet wird, daß das, was er darstellt, "der Fall sein" könnte. Außerdem bleibt auch notwendig außer Betracht, WIE ein "Vergleich mit der Wirklichkeit" überhaupt ablaufen könnte. Es wird lediglich vorausgesetzt, DASS es ein entsprechendes "Verfahren" - man könnte auch hier schon sagen: "lebensweltlich" - gibt. Aber erst aus dem weiteren Blickwinkel der "Philosophischen Untersuchungen" kann man sagen, daß solch ein Verfahren irgendwie "eingespielt" sein müsse, als ein Verfahren, bestimmte Sätze, so wie sie einer "Lebensform" entsprechend gebildet werden können, "in" ihr mit der "Wirklichkeit" zu "vergleichen". Dieses "Verfahren" wäre dann der "Vergleich". Seine Praxis gäbe diesem Wort seine Bedeutung. Das Sprachspiel, das unter der "IN" ihm nicht "reflektierbaren" Voraussetzung abläuft, "der Satz" SEI "ein Modell der Wirklichkeit, so wie wir sie uns denken", spielt sich durch den AUSSCHLUSS VON PERSONEN ein und unter ihrem Ausschluß ab. "IN" ihm kommen keine Personen als solche "ins Bild", und auch unter einem "Gedanken" ist innerhalb DIESES Sprachgebrauchs nichts anderes zu verstehen als der von Personen und ihren Differenzen abgelöste "sinnvolle Satz"*36*. Das "Satzzeichen" hat seinen oder überhaupt EINEN "Sinn" nur INNERHALB einer bestimmten "Form der Abbildung". Es stellt als "seinen" Sinn "den Gedanken" dar, d.h. kein möglicher "Gedanke" führt aus dieser Immanenz einer "Form der Abbildung" HERAUS. Solange "wir" die kollektive Voraussetzung, DASS der Satz ein "Modell der Wirklichkeit" sei, TEILEN und also nicht hinzufügen, er sei ein Modell der Wirklichkeit, wie wir sie "uns" denken, stellt sich "uns" die Frage, ob "wir" die Wirklichkeit "richtig" oder "adäquat" denken, nicht. "Uns" stellt sich dann nicht einmal die Frage, ob "wir", wenn wir einen Satz hören oder lesen, "dabei" alle "dasselbe" denken. Diese Frage meint im Grunde nicht das "Denken", sondern die "Vorstellungen", die man sich "gelegentlich"*37* macht, während man Zeichensequenzen "im allgemeinen" "blind" folgt. Auf diese "Vorstellungen" kommt es aber, solange wir die genannte Voraussetzung gelten lassen, gar nicht an. Wittgensteins rhetorische Frage: "WIE VERGLEICHT man Vorstellungen?"*38* meint eigentlich nur, daß sich jeder, wenn er sich beim Denken (als dem Verfolgen eines Satzsinnes) "gelegentlich" Vorstellungen macht, immer nur SEINE macht. Das "gelegentliche" Fragen, was man sich bei seinen Zeichen "vorzustellen" habe, gehört nicht zur "Regel". Denn auch, "WAS VORSTELLUNG SEI", d.h. "was" man bei dem ZEICHEN "Vorstellung" verstehe, müßte man, wie schon Kant festhielt, "doch immer wiederum durch eine andere Vorstellung erklären"*39*, die wieder "persönlich" wäre, und wenn über "Vorstellungen" GEREDET werden soll, redet man in Zeichen und Zeichensequenzen, die jeder zuletzt wieder unmittelbar oder "blind", d.h. ohne Frage nach einer "Erklärung der Bedeutung" verstehen muß, wenn denn die FRAGE nach der Bedeutung beantwortbar sein soll. Nach Wittgenstein müßte ich sogar "ehe ich urteile, daß zwei meiner Vorstellungen gleich" seien, sie "als gleich erkennen". Ich müßte wissen, daß das Wort "gleich" meine Erkenntnis beschriebe und daß dieses Wort dafür "das richtige Wort" sei und WISSEN, ob auch "ein Anderer" dieses Wort so wie ich gebrauchte.*40* Aber "wie soll ich wissen, was er meint, ich sehe ja nur seine Zeichen", und "wie soll ER wissen, was er meint, er hat ja auch nur seine Zeichen"*41*, wenn er wissen will, WIE er ein Zeichen versteht und es, wenn es denn nötig werden sollte, in anderen Zeichen "umschreiben" würde. Abgesehen von den "gelegentlichen" Vorstellungen, die sich jemand im Zeichenverstehen für sich machen mag, "haben" wir, auch schon nach dem "Tractatus", zumindest "gemeinsam", weder "Tatsachen" noch "Vorstellungen", sondern "nur" die Zeichen (und nicht "intersubjektive" Bedeutungen). Auch "was" "Tatsache", "Vorstellung", ja auch "was" das Wort "Zeichen" BEDEUTEN soll, ist von den "tatsächlichen" Zeichenverbindungen her zu verstehen, wie sie jeweils in Sätzen zusammengestellt werden und dadurch selbst "Tatsachen" in der Welt sind. Die jeweilige Bedeutung kann "nur" in ANDEREN Zeichen angegeben werden. Insofern die Sprache OHNE Fragen nach "Bedeutungen" verstanden wird oder "in" ihr solche Fragen "tatsächlich" so beantwortet werden können, daß sie sich nicht immer wieder stellen, ist sie das gelingende Sprachspiel, in dem das "Gemeinsame" als das, was "die Regel" ist, gerade selbst nicht "zur Sprache" kommt. "Wenn wir sagen: _jedes Wort der Sprache bezeichnet etwas_ so ist damit vorerst noch GAR nichts gesagt."*42* Die Frage: "Was BEZEICHNEN nun die Wörter"*43* einer Sprache, stellt sich vielmehr nur dann, wenn man die Wörter im jeweiligen SATZZUSAMMENHANG nicht mehr hinreichend versteht und deshalb nach einer "Erklärung der Bedeutung" fragt. Im gelingenden Sprachspiel finden, wie Wittgenstein gleich im ersten Paragraphen der "Philosophischen Untersuchungen" sagt, die "Erklärungen ... irgendwo ein Ende"*44*. Sie werden "sinnvoll" ABGEBROCHEN. Aber wo EINE Person "blind" versteht, mag eine ANDERE noch Fragen haben. Erst wenn sie eine "Erklärung der Bedeutung" AKZEPTIERTE, wäre sie in das "Sprachspiel" zurückgeholt. Ob aber eine "Erklärung der Bedeutung" gelingt, muß sich jeweils ZEIGEN. Es "zeigt sich" darin, daß sich JETZT KEINE Fragen nach "Bedeutungen" mehr stellen.*45* "Zur Verständigung durch die Sprache" gehört demnach "nicht nur eine Übereinstimmung in den Definitionen, sondern (so seltsam dies klingen mag) eine Übereinstimmung in Urteilen"*46*. Erst wenn der Gebrauch der Wörter im Zusammenhang bestimmter Sätze KEINE Fragen nach ihrer "Bedeutung", verstanden als Beziehung auf ein Objekt*47*, mehr aufwirft, ist ein "Urteil" (über Objekte) möglich. DANN erst, in der "tatsächlichen" Übereinstimmung der URTEILE, "zeigt sich", daß, über die "persönlichen" Unterschiede im Verstehen hinaus, auch "tatsächlich" VORAUSGESETZT wird, daß die Wörter "objektive Bedeutungen" haben. Erst die Übereinstimmung in "Urteilen" BESTÄTIGT einen gemeinsamen Sprachgebrauch. Im "Tractatus" wurde generell davon AUSGEGANGEN, daß "die Wahrheit" eine "Beziehung zwischen dem Satz und dem Sachverhalt" sei, ohne daß "eine solche Beziehung" jemals "ausfindig" zu machen wäre*48*, WENN sie denn bezweifelt werden sollte. Solch ein Zweifel würde die immanente Gewißheit der "Lebensform" zerstören, zu der das gelingende "Sprachspiel" gehört. Es ist deshalb auch problematisch zu sagen, man würde sich eine "Sprache" (mit intern "geregelter" Semantik) in ihrer ganzen Komplexheit, in der sie mit einer "Lebensform" verwoben ist, "vorstellen" können. Wittgenstein spricht zwar davon, daß man sich "eine Sprache" VORSTELLEN könne; aber dann ist es eine Sprache, die "primitiver" ist als "unsere", die Sprache der gerade sprechenden "Person" einbeziehende Sprache. So kann man sich z.B. "leicht eine Sprache vorstellen, die nur aus Befehlen und Meldungen" besteht, oder "eine Sprache, die nur aus Fragen besteht und einem Ausdruck der Bejahung und der Verneinung. Und unzählige Andere"*49*. - "Die" Sprache, von der im "Tractatus" DIE REDE war, enthält z.B. die hier genannten Satzarten gerade nicht, sondern nur "Aussagesätze", die "etwas darstellen" sollen. Damit ist sie aber selbst auch EINE von den "unzähligen anderen" Sprachen, die wir uns "vorstellen können", weil es "primitivere Sprachen" sind als UNSERE Sprache und weil "UNSERE SPRACHE die Möglichkeit dieser andern Sätze enthält"*50*. Sich eine Sprache "vorstellen" heißt daher: sich eine Sprache vorstellen, die primitiver ist als "unsere", "in" der wir die VORGESTELLTEN Sprachen beschreiben oder "abbilden" wollen. Deshalb kann man sich auch die je eigene in ihrer besonderen Sprachkraft selbst nicht "vorstellen". - "Und eine Sprache vorstellen heißt, sich eine Lebensform vorstellen."*51* Auch sie ist dann "primitiver" als "unsere", in der wir tatsächlich leben und aus der heraus wir uns andere "vorstellen" können. Wir stellen uns dann auch vor, daß die "primitiveren" Sprachen die Grundlage der komplizierteren seien. Nur in der "Vorstellung" können wir Sprachen identifizieren und daraufhin VERGLEICHEN. Aber wir könnten uns doch auch VORSTELLEN, daß primitivere Sprachen Verarmungen von reichhaltigeren seien, und wir müssen doch wohl DENKEN, daß beschriebene Sprachen ärmer sein müssen als die Sprachen ihrer jeweiligen Beschreibung. Sie müssen, neben anderem, auch die Mittel der Beschreibung enthalten. Wenn wir uns eine bestimmte Lebensform "vorstellen", kann das also nicht "unsere" sein, "in" der wir gerade leben und "in" deren Zusammenhang wir "die" Sprache gebrauchen. Nur in einer Sprache, die primitiver ist als die je eigene, kann man Wörtern FESTE Bedeutungen VOR dem Gebrauch zuschreiben und z.B. festlegen, "was" ein "Sachverhalt", "was" eine "Tatsache", ein "Gegenstand", ein "Satz", "was" "Vorstellung", "was" "Bedeutung", "was" "Sprache" oder sogar "was" "Wahrheit" SEI. Mit solchen Festlegungen von "Bedeutungen" bestimmen wir eine "Lebensform" aus der Sicht "unserer Sprache", die wir dabei, weil es "unsere" ist, selbst nicht im Blick haben, und was für die Bestimmung einiger Wörter gilt, gilt in diesem Zusammenhang für alle, auch und gerade für die "Grundwörter" der Lebensorientierung, die wir als solche auszeichnen, um uns dadurch eine "Lebensform" in ihrer Besonderheit "vorstellen" zu können. Wir müssen hier auch festhalten, daß Wittgenstein "von einer primitiven Sprache" als von einem Sprachspiel nur "manchmal" sprechen will.*52* Denn nicht immer muß das Wort "Sprachspiel" gerade DIESE Bedeutung haben, so wie selbst das Wort "Bedeutung" nicht immer "dieselbe" Bedeutung, d.h dieselbe Umschreibung in ANDEREN Wörtern finden muß. Wir geraten auf schwankenden Boden, wenn wir uns statt der Logik dem Leben zuwenden: Vorgestellte oder vergegenständlichte Sprachspiele sind in DIESER Sicht "primitive" Sprachspiele, also nicht "unsere". "Unsere" sind die, deren Regeln wir "blind" folgen. Mit der "gelegentlichen" Frage nach "Bedeutungen" der Wörter riskieren wir schon den Ausschluß aus dem "blind" eingespielten "Spiel". Aber im Akzeptieren einer Antwort ohne WEITERE Fragen finden wir wieder in es hinein. Das betrifft auch das, "was Logiker über den Bau der Sprache gesagt haben. (Und auch der Verfasser der LOGISCH-PHILOSOPHISCHEN ABHANDLUNG.)" Weil sie im Interesse der Logikbegründung etwas über den Bau "der" Sprache gesagt haben, haben sie etwas über eine Sprache gesagt, die sie sich als für ihren Zweck zweckmäßig VORSTELLTEN und die daher primitiver sein mußte als ihre eigene, "in" der sich diese Vorstellung darstellen ließ. Wenn die Logik als die "Grundlage" der Philosophie angesehen wird, DANN muß auch die Sprache der Philosophie "primitiver" sein als die gebräuchliche Sprache der jeweiligen Lebensform. Eine selbst darauf hinweisende und damit darüber hinausweisende Philosophie kann dann nur noch versuchen, auch aus den sprachlichen FESTLEGUNGEN, "was" etwas "sei", hinauszuweisen. Sie kann nur noch negativ-metaphysikkritisch verfahren. Damit zeigt sie die "Metaphysik" im Ganzen, gegen ihr traditionelles Selbstverständnis, als eine besondere, zeitbedingte, gewesene "Lebensform" auf. Sie WAR eine "Lebensform" oder doch ihr wesentlicher "Teil", solange sie sich nicht selbst als solche "vorstellte". II Der Begriff der "Lebensformen" ist insofern ein metaphysikkritischer Begriff. Er kommt zunächst*53* im Zusammenhang mit der "Vorstellung" einer "primitiven Sprache" vor, genauer im Zusammenhang damit, daß sich Fragen nach der "Bedeutung" des Wortes "Sprache" gestellt hatten, wie z.B. für die "Logiker". Für den Sprechenden schlechthin ergeben sich solche Probleme nicht; er spricht "seine" Sprache "in der Regel" problemlos. Es ist bezeichnend, daß Wittgenstein den Begriff der Lebensform dann gegen Ende der "Philosophischen Untersuchungen" doch wieder im Zusammenhang mit der Wahrheitsfrage aufgreift, genauer im Zusammenhang mit der Frage der wahren DARSTELLUNG. Inwiefern hängt die Wahrheit davon ab, daß man sie im Wandel der nicht feststellbaren und deshalb auch nicht festzuhaltenden "Lebensformen" behalten, festhalten oder aufschreiben*54* kann? Will man z.B. sagen, "die Sicherheit der Mathematik beruhe auf der Zuverlässigkeit von Tinte und Papier? NEIN. (Das wäre ein Circulus vitiosus.)"*55* Es war schon davon die Rede, daß gelingende Sprachspiele "Tätlichkeiten" - und wir können hinzufügen: auch Entscheidungsansprüche - im Streit um den Sprachgebrauch ausschließen. Solange sie gelingen, läßt sich ein abweichender Sprachgebrauch wieder integrieren oder doch "verstehen". Insofern verweist die Theorie der Sprachspiele auf eine SPRACHETHIK als Teil einer Lebensform. Daß es unter den Mathematikern nicht zum Streit kommt, beruht sicher nicht nur auf der Zuverlässigkeit der Schreibmaterialien, sondern auch auf der Voraussetzung DERSELBEN, sich DURCHHALTENDEN Bedeutung VERSCHIEDENER Zeichen. Doch auf "gewissen Arten von Papier" und mit "gewissen Arten von Tinte könnte man nicht rechnen", wenn sie nämlich "gewissen seltsamen Änderungen unterworfen wären". Man könnte dann keine Zeichen festhalten, um sagen zu können, sie BEHIELTEN DIESELBE Bedeutung. Das Papier könnte "vermodern"*55*, bevor man es (im doppelten Wortsinn) "beschrieben" haben könnte, oder die Tinte könnte auf dem Papier verlöschen. Es könnten sich alle denkbaren Veränderungen an den (sinnlichen) Zeichen ergeben, die doch schon im "Tractatus" dasjenige waren, das "wir" (gemeinsam) "haben". Zum "Festhalten" der Zeichen bliebe dann nur das Gedächtnis, schon um die Veränderung der Schrift auf dem Papier oder die der "Rechenmittel" zu bemerken. Aber gerade wegen der Begrenztheit des Gedächtnisses hatte man ja "schriftlich" rechnen wollen. Wie vergleicht man hier und "wie prüft man" solche Rechenmittel? Der "Circulus vitiosus" ist offenbar unvermeidlich. Im "Tractatus" deutete er sich dadurch an, daß das "Bild" selbst als "Tatsache"*57* bezeichnet wurde, d.h. als etwas, was "der Fall ist", WENN ein bestimmter Satz - hier der Satz, DASS etwas "tatsächlich" ein "Bild" sei - "wahr" ist, den wir aber wiederum nur nach einem "in" einer Lebensform anerkannten Verifikationsverfahren mit der Wirklichkeit "vergleichen" können. Wittgenstein löst in den "Philosophischen Untersuchungen" diese Frage letztlich durch den bloßen HINWEIS auf die "Lebensformen": "Das Hinzunehmende, Gegebene - könnte man sagen - seien LEBENSFORMEN"*58*, "in" denen "Bilder" oder generell Zeichen nur dann "Tatsachen" sind, wenn sie ALS Zeichen verstanden werden. Das ist immer nur innerhalb einer besonderen Lebensform der Fall. Nur innerhalb einer Lebensform stellen sich bestimmte Fragen und andere nicht und manche erscheinen "seltsam", wie z.B. die Frage nach der Beständigkeit der Zeichenmaterie. Sie stellen sich erst, wenn eine Lebensform brüchig geworden ist. Das "Seltsame" ist eigentlich, daß wir solche Fragen überhaupt stellen KÖNNEN. Sie reichen an die "technischen" Fundamente "unserer" Lebensform: "Gäbe es die volle Übereinstimmung nicht, so würden die Menschen auch nicht die Technik lernen, die wir lernen. Sie wäre von der unseren mehr oder weniger verschieden, auch bis zur Unkenntlichkeit." Nun scheint aber doch die mathematische Wahrheit unabhängig davon zu sein, "ob die Menschen sie erkennen oder nicht", unabhängig von der Technik der verfügbaren Rechenmittel und ihrer Beständigkeit. Wir stellen hier "in der Regel" keine Fragen. Wittgenstein denkt offenbar daran, daß auch das Sprechen, das Urteilbilden usw. eingeübte Techniken sind und daß die Mathematik nur "in einem Sinne ... eine Lehre" ist, in einem anderen Sinn "aber doch auch ein TUN"*59*, und zum Tun bedarf es der geeigneten technischen Mittel, so wie sie sich in den Zweckzusammenhängen der besonderen Lebensformen jeweils entwikelt haben. Das Irritierende ist hierbei die Vorstellung FREMDER Lebensformen mit ganz anderen "Techniken". Es ist zugleich die beängstigende Vorstellung des Verlustes der eigenen, gerade weil wir sie uns nicht vorstellen und sie deshalb auch nicht bewußt festhalten können; wir müssen sie einfach "hinnehmen". Wenn wir uns Lebenformen VORSTELLEN, kann es sich, wie gesagt, nur um Lebensformen handeln, die nicht "unsere", also für uns "fremde" sind, die wir aber nur in UNSERER Technik "beschreiben" könnten. Die Zeichen der "Beschreibung" müßten "unsere" Zeichen sein, nach deren "Bedeutung" WIR "in der Regel" nicht zu fragen brauchen. Wenn also von einem "Konflikt" VERSCHIEDENER Lebensformen die Rede ist, muß es sich um Lebensformen handeln, die dadurch in ihrer Befremdlichkeit erfahren werden, daß aus der je eigenen heraus für ihre adäquate Beschreibung keine geeigneten Mittel gefunden werden, weil DAFÜR keine Technik entwickelt worden ist. Mit der Erfahrung dieses MANGELS oder der "Grenzen meiner Sprache" als der "Grenzen meiner Welt" wird die eigene Sprache, Welt oder Lebensform, von der man keine positive "Vorstellung" haben kann, als auch nur eine BESONDERE und insofern selbst "befremdliche" erfahren. Die Fremdheit der Lebensform wird in der ERFAHRUNG DER PRIMITIVITÄT und damit der Unzulänglichkeit jeder "Vorstellung" deutlich, die man sich von ihr und von ihrer Sprache zu machen sucht, wenn man sie als ein bestimmtes "Sprachspiel" glaubt "verstehen" zu können. In dieser Negativität zeigt sich, daß sie NICHT die allgemeine, den anderen übergeordnete "Form der Abbildung" ist, die in sich das übergreifende, allgemein "logische" Beschreibungspotential für alle anderen Formen der Abbildung enthielte. III Ein KONFLIKT von "Lebensformen" ergibt sich demnach gerade aus der Absicht, die fremde aus der Perspektive der eigenen zu "verstehen" und zu "erklären" und auf dieser Grundlage, die nur "innerhalb" der eigenen Lebensform fraglos verständlich ist, zu handeln, um dadurch an der fremden teilzunehmen. Es muß sich immer wieder ZEIGEN, ob das gelingt, und es kann sich niemals endgültig zeigen. Das gilt nicht nur für das Verstehen exotischer Kulturen, sondern "im Prinzip" auch schon für das interindividuelle Verstehen verschiedener PERSONEN: "Verstehen" ist "Vergleichen", und "Vergleichen" setzt "vorstellende", vereinfachende Identifizierungen aus der jeweils eigenen Sicht voraus. Es ist nicht anders als beim "Sehen" überhaupt. "Wir sehen" etwas so, wie wir es "deuten", einmal als das eine, ein anderes Mal als ein anderes "Ding". Nur beim ÜBERGANG von dem einen Aspekt zum anderen machen wir eine "Erfahrung", die Wittgenstein "das Bemerken eines Aspekts" nennt.*60* Die Trivialität der Wittgensteinschen Beispiele dafür darf uns nicht den Blick für die grundsätzliche Bedeutung des Bemerkens eines Aspektes verstellen: Da ist "uns" nicht zuerst etwas "gegeben", das "wir" dann ALS dies oder ALS das deuten würden, z.B. zuerst bestimmte sinnlose Striche auf dem Papier, die wir dann willkürlich als Zeichnung eines Hasen- oder eines Entenkopfes ansehen könnten.*61* Wenn da zunächst "etwas" als etwas "Unbestimmtes" ist, ist das vielmehr selbst schon eine Deutung. Es ist etwas "zu Bestimmendes", das für eine PRAXIS "von Bedeutung" ist. "Was" dieses-da "sei", fragen wir nur, wenn wir es nicht oder nicht mehr ohne weiteres verstehen und insofern schon einen Aspekt "daran" bemerken. Im "Bemerken eines Aspekts" drückt sich eine Unsicherheit aus, die mit der Frage nach der "Bedeutung" wieder "Gewißheit" zu erlangen sucht. Man "sieht" dem Gegenstand an, daß man ihn auch anders sehen kann, d.h. man verliert die unangefochtene Sicherheit der eigenen Sicht, und das berührt auch die eigene "Lebensform", der eine Sicht in ihrer orientierenden Selbstgewißheit "entspricht". Wir verlieren die Sicherheit im SEHEN, "was" etwas sei, und versuchen, in diese "unmittelbare" Gewißheit zurückzufinden. Indem wir einen Aspekt am "Gegenstand" bemerken, erfahren wir zugleich die lebensweltliche Gebundenheit unseres Sehens und unserer "Erklärungen". Mit dem "Bermerken eines Aspekts" AN einem Gegenstand tritt das fremde Verstehen anderer "Personen" in unseren Gesichtskreis. Das verweist vor allem auf "ästhetische Erfahrungen".*62* Die "Urteilskraft" verliert sich, um es in Anlehung an Kants Unterscheidung auszudrücken, als "bestimmende Urteilskraft", die den "Begriff" für das Phänomen aus der Gewißheit ihrer Lebensform schon "hat", in die Ungewißheit einer "reflektierenden Urteilskraft", die "angesichts" der Phänomene den "Begriff" erst noch sucht. Die Zeichen, die wir unmittelbar so GEBRAUCHEN, daß sich daraus FRAGLOG ein Sinn ergibt*63*, BLEIBEN durch und durch mit der Technik unserer Lebenswelt verwoben. Im "Tractatus" hieß es schon, "die Projektionsmethode" sei "das Denken des Satz-Sinnes"*64*. Nun ist eingesehen, daß wir "in" eine "Projektionsmethode" nur "innerhalb" unserer, von uns selbst nicht zur VORSTELLUNG zu bringenden "Lebensform" hineinfinden, und daß sich nur "innerhalb" einer Lebensform überhaupt Sinn ergibt. Sie ist wesentlich komplizierter als jede Vorstellung von ihr, auch als jede philosophische, die mit ihrer Beschreibung zumindest "im wesentlichen" zu Ende kommen will. Im "Tractatus" hieß es zwar auch schon, "das Bild" sei selbst "eine Tatsache"*65*. Es hieß dann aber weiter, die "Tatsache" müsse, "um Bild zu sein, etwas mit dem Abgebildeten gemeinsam haben"*66*. Das blieb hier notwendig ein gnoseologisches POSTULAT, weil wir ja nicht über das Bild hinaus zugleich "die Wirklichkeit" "dahinter" sehen, mit der wir das Bild "vergleichen" könnten, um zu erkennen, ob es wahr sei.*67* Insofern blieb auch die Rede vom Bild als einer "Tatsache" ein Postulat. Es hatte seinen Ort in derselben Lebenswelt wie die SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT der Metapher vom "Abbilden" der Wirklichkeit. Nun ist begriffen, daß im Zusammenspiel mit der Entwicklung der lebensweltlichen "Technik" immer schon ein (Verifikations-)Verfahren entwickelt worden sein muß, das in diesem Zusammenspiel ALS "Vergleich mit der Wirklichkeit" GILT. Man kann sich von "Lebensformen" kein "Bild" machen, ohne selbst in einer "Lebensform" befangen zu sein, und also auch nicht ein Befangensein in der eigenen "in Rechnung" stellen, wenn man über andere Lebensformen spricht und sich ein "Bild" davon machen möchte. Man weiß nicht, in welcher komplizierten Weise das, was wir "Erkennen" nennen, mit den "Techniken" verwoben ist, die wir seit langem entwickelt haben, z.B. schon um "reine" Mathematik betreiben zu können. Daher weiß man auch nicht, "worauf" man sich im Erkennen fraglos verläßt. Ein "Konflikt" zwischen verschiedenen Lebensformen entsteht, wenn die eine die "Grundlagen" des Verstehens "in" einer anderen von sich aus verstehen will und DANACH handelt, obwohl sie nicht einmal die ihres eigenen Verstehens verstehen kann. So gesehen können verschiedene Lebensformen "sich" weder angemessen verstehen noch mißverstehen, sondern nur als "fremde Vernunft"*68* ANERKENNEN. Diese "fremde Vernunft" ist damit als ein Drittes zwischen nachvollziebarer Rationalität und Irrationalität anerkannt. Gerade die Versuche, "sich" wechselseitig zu verstehen, führen zum "Konflikt", wenn sie sich ihres unaufhebbaren Versuchscharakters nicht bewußt bleiben, denn auch die Absicht ZU VERSTEHEN ist eine (zweckgerichtete, perspektivische) Ab- Sicht. Sie nimmt die anderen, deren eigene Absichten sie nicht kennt, zum bloßen Mittel ihres Gebrauchs. Nur soweit sie denkt, sie verstanden zu haben, kann sie sie "berechnen" und das "Persönliche" aus dem Spiel lassen. Es kommt dann insoweit eine Art objektiver, mathematisierender Wissenschaft zustande, weil man denkt, sich in den Horizont anderer versetzen und damit die DIFFERENZ der Horizonte von sich aus aufheben zu können, obwohl man "den Horizont Anderer nicht nach dem seinigen messen, und nicht das für unnütz halten" soll, "was UNS zu nichts nützt", so daß es "verwegen" wäre, "den Horizont Anderer bestimmen zu wollen".*69* Diese Anerkennung fremder, unverstandener und aus der eigenen Lebensform heraus auch unverstehbarer Lebensformen - zu denen nicht einmal der Gebrauch "unserer" philosophischen Grundbegriffe, wie z.B. "Vernunft" oder "Wahrheit" in der "uns" geläufigen, von uns nicht in Frage gestellten Bedeutung gehören muß, so daß wir uns ein Leben in diesen Lebensformen von uns aus nicht VORSTELLEN können - bedeutet die Einübung in einen Umgang mit dem Fremden, der nur noch rein FORMALEN Regeln folgt. Das impliziert, daß man sich der Beschränktheit aller Versuche, das Fremde aus der eigenen Lebensform heraus zu verstehen, bewußt bleibt und es als Fremdes, in seiner eigenen Lebensform mit ihren eigenen Handlungsmaximen, "unverstanden" anerkennt. Die ERFAHRUNG der Fremdheit bedeutet in sich diese Anerkennung, die zugleich die eigene "Beschränkung"*70* im Verstehen erkennt: Es ist anerkannt, daß INHALTLICHE Maximen überhaupt nur INNERHALB von (besonderen) Lebensformen Gültigkeit haben können, in denen sie unmittelbar PRAKTISCH verstanden werden.*71* Allerdings haben wir ja auch von unserer eigenen Lebensform immer nur eine pragmatisch "abgebrochene" Vorstellung, d.h. eine Vorstellung, die wir uns "von" ihr "in" ihr, in einer für die "in" ihr jeweils anstehenden Zwecke hinreichenden Deutlichkeit, machen können und die uns insofern "in" ihr genügt. Wir verstehen z.B. nicht die Einbettung unserer Grundbegriffe "Vernunft" oder "Wahrheit" in unsere BESONDERE Lebensform mit ihren besonderen Techniken, und so wissen wir auch nicht, "was" wir TUN, wenn wir diese Begriffe auch anderen Lebensformen in der UNS geläufigen, fraglosen Bedeutung als "wesentlich" für "den Menschen" unterstellen. Wir unterstellen damit unser wesentlich "abgebrochenes", pragmatisch bestimmtes, und d.h. auch zeitlich begrenztes Verständnis vom "Menschen" als das wesentliche Verständnis. In der Anerkennung der fremden Lebensform ist zugleich erkannt, daß es unsere Besonderheit ist, diese Begriffe als "Grundbegriffe" der Lebensorientierung auszuzeichenen. Diese Auszeichnung gehört zum dem Schema, das WIR nicht abwerfen, aber in der Erfahrung des fremden Verstehens doch als Schema erkennen können. "Übergänge" von einer Lebensform in eine andere sind, solange die Lebensform trägt und deshalb gerade nicht "vorgestellt" wird, unmerkbar. Sie sind ebensowenig IDENTIFIZIERBAR wie die Bestimmheit einer Lebensform überhaupt. Man kann wohl sagen: "Wenn sich die Sprachspiele ändern, ändern sich die Begriffe, und mit den Begriffen die Bedeutungen der Wörter."*72* Aber auch deren Änderung wird nicht zum "Gegenstand". Zum "Gegenstand" werden nur "feste" Bedeutungen; denn sie werden durch ihre Vergegenständlichung "fest" und vom "Gebrauch" abgelöst. Im "Leben" sind sie es nicht. "Lebensformen" (und damit auch die "Bedeutungen" der Wörter) erhalten ihre Identität gerade mit dem (lebensdienlichen) ABBRUCH ihrer erklärenden Beschreibung, durch den sie in bestimmten Lebenszusammenhängen auf einen Begriff gebracht und "als bestimmt angesehen" werden. Die (Art der) Identifizierung von "Lebensformen" ist selbst Teil einer Lebensform, die sich NICHT ZUGLEICH identifizieren läßt. Es handelt sich bei allem "Erklären" - und damit auch beim Erklären von "Lebensformen" - um individuelle Akte*73* des Ansehens ALS (hinreichend) bestimmt aus einer Lebensform heraus, die im selben Akt selbst nicht durch ihre "Erklärung" zum Gegenstand werden kann. Sie enthält vielmehr, ebenso wie die grammatischen Muster für solche urteilsbildenden Abbrüche des Bestimmens, die Möglichkeit, alle objektivierenden "Bestimmungen", in welcher Lebensform "wir selbst" oder "andere" lebten, IMMER WIEDER NEU aufzunehmen, im PRINZIP "bis ins Unendliche", im LEBEN aber doch immer nur solange, bis man sich ohne Frage praktisch "hinreichend" versteht, und es muß sich jeweils zeigen, ob dies "tatsächlich" GELINGT. FUSSNOTEN: *1* Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus (T) 2.172. *2* Nietzsche, Nachlaß VIII 5 [22], Kritische Studienausgabe 12, 194. *3* Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen (PU), 115. *4* Vgl. T 3.13 ff. *5* T 2.173. *6* T 4.014. *7* PU 115. *8* Vgl. J. Simon, Philosophie des Zeichens, Berlin/New York 1989. *9* PU 560. *10* PU 43. *11* PU 240. *12* Wittgenstein, Tagebücher, 27.10.1914. *13* T 4.03. *14* T 4.031. *15* Tagebücher, 15.4.1915. *16* Tagebücher, 27.10.1914. *17* Vgl. T 4.027. *18* T 2. *19* T 1. *20* T 1.11. *21* T 4.023. Erste Hervorhebung vom Vf. *22* Vgl. vom Vf.: Philosophie und linguistische Theorie, Berlin/New York 1971. *23* T 4.12. *24* T 4.03. *25* T 4.023. *26* T 4.027. *27* Vgl. T 4.0311. *28* T 4.024. *29* T 4.002. *30* T 4.026. *31* T 2.223. *32* T 3.1. *33* T 3. *34* T 3.02. *35* Vgl. die Kantische Doktrin, "sein" sei kein "reales Prädikat". *36* T 4. *37* Vgl. Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, Akademie-Ausgabe (AA) VII, 191: In der diskursiven Erkenntnis "begleitet" "das Zeichen (charakter) den Begriff nur als Wächter (custos) ..., um ihn gelegentlich zu reproduciren". *38* PU 376. *39* Kant, Logik, ed. Jäsche, AA IX, 34. *40* PU 378. *41* PU 504. *42* PU 13. *43* PU 10. *44* PU 1. *45* Quine spricht hier von einem "ontological commitment" durch die jeweilige Sprache; es ist "ontologisch", weil es die fraglose Grundlage allen besonderen Sprachgebrauchs bildet. *46* PU 242. *47* Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 300. *48* Vgl. Wittgenstein, Tagebücher, 27.10.1914. *49* PU 19. *50* PU 20. *51* PU 19. *52* PU 7. *53* PU 19. *54* Vgl. hierzu Hegel, Phänomenologie des Geistes, ed. Hoffmeister, 81: "... eine Wahrheit kann durch Aufschreiben nicht verlieren". *55* PU XI, Wittgenstein, Schriften, I, Frankfurt a.M.1963, S. 538. *56* Vgl. Hegel, Phänomenologie des Geistes, 88. *57* T 2.141. *58* PU XI, a.a.O. S. 539. *59* Ebd. *60* PU XI, a.a.O. S. 503. *61* Vgl. PU XI, a.a.O. S. 504. *62* "Dasjenige an einem Gegenstande der Sinne, was selbst nicht Erscheinung ist", d.h. das AN ihm, was wir NICHT verstehen, wenn wir ihn von uns aus als bestimmt ansehen, nennt Kant "INTELLIGIBEL" (Kritik der reinen Vernunft, B 566). *63* Vgl. T 3.328. *64* T 3.11. *65* T 2.141. *66* T 2.16. *67* T 2.223. *68* Zu diesem Kantischen Terminus vgl. AA II, 349; AA III, 532, 541; AA VII, 200, 202; AA VIII, 182; AA IX, 22, 441. *69* Kant, Logik, AA IX, 43. *70* Vgl. Kant, Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie, AA VIII, 400, Anm.: "Denken" ist "ohne BESCHRÄNKUNG des Subjects" nicht möglich. *71* Auch Kants "kategorischer Imperativ" fordert nicht, daß alle Menschen nach denselben inhaltlichen Maximen handeln sollen, sondern nach solchen Maximen der EIGENEN "Lebensform", die so, wie sie in dieser Lebensform verstanden werden, "zugleich" als allgemeine Gesetze gedacht bzw. gewollt sein könnten. Er fordert, die eigenen Maximen und damit die eigene Moral nicht ohne diese FORMALE Überlegung "zugleich" als für alle gültig anzusehen. Das hat zur Folge, daß eine kritische Ethik überhaupt nur bis zu den MAXIMEN reichen kann, wie man selbst sie versteht, aber nicht bis zu den HANDLUNGEN, in denen sich erst "zeigt", wie die Maximen PRAKTISCH verstanden werden. Das verweist auf die Notwendigkeit des Rechts im Verhältnis zum fremden Verstehen (vgl. Kant, Die Metaphysik der Sitten, Einleitung in die Tugendlehre VI, AA VI, 388f.). - Die "Anerkennung" fremder Lebensformen kann hier also nicht als moralische Forderung verstanden werden. Sie muß GEGEBEN sein, wenn es in der Begegnung verschiedener Lebensformen nicht zu "Tätlichkeiten" kommen und eine "geistige" Beziehung möglich sein soll. Um eine moralische Forderung kann es sich schon deshalb nicht handeln, weil es sich um die Anerkennung des Fremden handelt, das man "von sich aus" gerade NICHT versteht, so daß auch nicht vorausgesetzt werden kann, "was" (inhaltlich) anzuerkennen sei. *72* Wittgenstein, Über Gewißheit, § 65. *73* Vgl. W.v. Humboldt, "Die Wirksamkeit des Einzelnen ist immer eine abgebrochene", Akademie-Ausgabe VII, 32.