***************************************************************** * * Titel: Zur sog. Naturalisierung von Intentionalität Autor: Andreas Kemmerling Dateiname: 06-1-97.TXT Dateilänge: 52 KB Erschienen in: Wittgenstein Studies 1/97, Datei: 06-1-97.TXT; hrsg. von K.-O. Apel, N. Garver, B. McGuinness, P. Hacker, R. Haller, W. Lütterfelds, G. Meggle, C. Nyíri, K. Puhl, R. Raatzsch, T. Rentsch, J.G.F. Rothhaupt, J. Schulte, U. Steinvorth, P. Stekeler-Weithofer, W. Vossenkuhl, (3 1/2'' Diskette) ISSN 0943-5727. * * ***************************************************************** * * * (c) 1997 Deutsche Ludwig Wittgenstein Gesellschaft e.V. * * Alle Rechte vorbehalten / All Rights Reserved * * * * Kein Bestandteil dieser Datei darf ganz oder teilweise * * vervielfältigt, in einem Abfragesystem gespeichert, * * gesendet oder in irgendeine Sprache übersetzt werden in * * irgendeiner Form, sei es auf elektronische, mechanische, * * magnetische, optische, handschriftliche oder andere Art * * und Weise, ohne vorhergehende schriftliche Zustimmung * * der DEUTSCHEN LUDWIG WITTGENSTEIN GESELLSCHAFT e.V. * * Dateien und Auszüge, die der Benutzer für * * seine privaten wissenschaftlichen Zwecke benutzt, sind * * von dieser Regelung ausgenommen. * * * * No part of this file may be reproduced, stored * * in a retrieval system, transmitted or translated into * * any other language in whole or in part, in any form or * * by any means, whether it be in electronical, mechanical, * * magnetic, optical, manual or otherwise, without prior * * written consent of the DEUTSCHE LUDWIG WITTGENSTEIN * * GESELLSCHAFT e.V. Those articles and excerpts from * * articles which the subscriber wishes to use for his own * * private academic purposes are excluded from this * * restrictions. * * * ***************************************************************** Im Folgenden stelle ich ein paar Thesen auf und skizziere meine Gründe für sie. In den ersten sieben Thesen geht es mir vornehmlich darum, auf ein psychologistisches (insbesondere These [4]) und ein metaphysisches Mißverständnis (Thesen [5] - [7]) über die Natur intentionaler Zustände hinzuweisen. Anschließend geht es um die Frage, worin die in Philosophenkreisen vieldiskutierte "Naturalisierung" von Intentionalität -die Eingliederung intentionaler Phänomene in das naturwissenschaftliche Weltbild- sinnvollerweise bestehen möchte. In den Thesen [9] und [10] werden zwei Projekt-Ideen betrachtet, die ich für verfehlt halte; die erste beruht auf einer falschen Voraussetzung, die zweite ist faktisch undurchführbar. -- Auf die Nennung der zu nennenden Namen habe ich weitestgehend verzichtet, weil meine Darstellung nur über den Daumen gepeilt ist und den Subtilitäten einzelner Autoren nicht gerecht werden will. Insgesamt habe ich mir die Ausrede zurechtgelegt, hier ja auch für Leser zu schreiben, die keine Berufsphilosophen sind. Aber letztlich weiß ich es einfach nicht besser. Derzeit. [1] Wenn wir kognitive Leistungen erklären wollen, dann ist intentionales Vokabular im Spiel. Was ist eine kognitive Leistung? Typischerweise erfolgreiches (oder erfolgsträchtiges) Verhalten. Damit Verhalten erfolgreich ist, muß es zu Ergebnissen führen, die entweder (a) von dem betreffenden Organismus für vorteilhaft gehalten werden oder zumindest (b) für ihn tatsächlich vorteilhaft sind. Im ersten Falle liegt klarerweise Intentionalität vor ("x hält es für vorteilhaft, wenn y eintritt" ist eine intentionale Redeweise). Im zweiten Fall ist der Rekurs auf intentionale Zustände des Organismus nicht so offenkundig, aber dennoch vorhanden. Denn es muß sinnvoll sein, in einer nicht-metaphorischen Weise davon zu sprechen, daß ein gewisses Verhaltensergebnis für den Organismus vorteilhaft ist. Wo sich nicht-metaphorisch davon sprechen läßt, daß das Ergebnis E für O vorteilhaft ist, muß O irgendwelche konativen intentionalen Einstellungen haben können. Hier soll keine Definition dafür versucht werden, was eine kognitive Leistung ist. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß Kognition es mit erfolgsträchtigem Verhalten zu tun hat und daß von letzterem nur in solchen Fällen geredet werden kann, in denen auf den Organismus intentionales Vokabular anwendbar ist. Von Erklärung ist hier in einem theoretisch unbelasteten Sinn die Rede. Kein bestimmtes philosophisches Modell der Erklärung ist hier gemeint. Ich denke einfach an "weil"-Sätze, in deren Explanandum eine kognitive Leistung beschrieben wird und im Explanans intentionales Vokabular bemüht wird. (Beispiel: "Er rochierte, weil er sich davon einen Tempovorteil versprach".) Es soll damit nicht gesagt sein, daß irgendwelche Gesetze des Intentionalen bekannt sein müßten, auf die dann in einer derartigen Erklärung implizit verwiesen würde. (Ich halte es, nebenbei gesagt, für eine offene Frage, ob das "weil" in intentionalen Erklärungen wirklich eine kausale Verknüpfung ausdrückt. Wichtig für die Richtigkeit der These [1] ist nicht, daß intentionale Zustände Ursachen sind, sondern daß die Zuschreibung intentionaler Zustände erklärende Kraft hat; und letzteres mag ohne ersteres möglich sein.) Intentionales Vokabular umfaßt jedenfalls all die Redeweisen, mit denen über die sog. propositionalen Einstellungen geredet wird. Grundlegend in dieser Familie von Redeweisen sind dabei Prädikate wie "--- glaubt, daß es regnet" "--- wünscht, daß es schneit" "--- bemerkt, daß es taut". Nominalisierte Redeweisen wie "die Überzeugung, daß es regnet" "der Wunsch, es möge schneien" "die Wahrnehmung des Tauens" lassen sich besser auf die prädikativen Redeweisen zurückführen als umgekehrt. Intentionale Prädikate sind intern strukturiert. Ein Teil von ihnen spezifiziert einen intentionalen Modus ("glaubt", "wünscht", usw.), ein anderer Teil spezifiziert einen Inhalt ("daß es regnet", "daß es schneit", usw. - ich werde mich auf propositionale Inhalte beschränken). [2] Wenn intentionales Vokabular im Spiel ist, dann ist der Wahrheitsbegriff im Spiel. Denn intentionales Vokabular handelt gerade von Zuständen, die Wahrheitsbedingungen (oder andere Erfüllungsbedingungen) haben. Intentionale Zustände sind Zustände, die (oder soweit sie) auch durch ihren Inhalt charakterisiert sind. Die Überzeugung, daß Harvey siebzehn Bauchnäbel hat, ist dadurch charakterisiert, daß sie gerade dann wahr ist, wenn Harvey siebzehn Bauchnäbel hat. Der Inhalt dieses intentionalen Zustands ist seine Wahrheitsbedingung. Allgemein läßt sich bei allen propositionalen Einstellungen statt von ihrem "Inhalt" genauso gut von ihrer "Wahrheitsbedingung" sprechen, denn der Wunsch, es möge schneien, ist genau dann erfüllt, wenn die Wahrheitsbedingung des Satzes "Es schneit" erfüllt ist; die Wahrnehmung, daß es taut, trifft genau dann zu, wenn die Wahrheitsbedingung des Satzes "Es taut" erfüllt ist; und so weiter. Wir können also den Inhalt eines beliebigen (propositionalen) intentionalen Zustands mit der Wahrheitsbedingung des in seiner Beschreibung eingebetteten Satzes identifizieren. Es ist wichtig, dabei zu beachten, daß intentionales Vokabular zwar auf Inhalte verweist, aber nicht auf Inhaltsträger oder gar die Beschaffenheit von Inhaltsträgern. Wenn gesagt ist, daß jemand glaubt, Harvey habe siebzehn Bauchnäbel, dann ist damit nicht gesagt, daß dieser Jemand ein Bildchen (eines der unendlich vielen Bildchen) in sich hat, das Harveys Bauchdecke von Näbeln siebzehnfach besetzt zeigt. Und damit ist auch nicht gesagt, daß dieser Jemand einen Satz in sich hat (etwa den: "Die Anzahl von Harveys Bauchnäbeln ist identisch mit der siebten Primzahl"; oder den: "Harvey hat mehr als sechzehn, aber weniger als achtzehn Bauchnäbel"; oder den: "Harvey's got seventeen tummy-buttons"; oder den schlichten Satz "Effoniks"). Wenn gesagt wird, daß jemand das-und-das glaubt, will oder beabsichtigt, dann ist damit nur gesagt, was getan wird, und nichts darüber, wie es getan wird. Intentionales Vokabular ist ein Vokabular der Leistungen und Ergebnisse, nicht eines der eingespannten Mittel und begangenen Wege. [3] Und übrigens auch umgekehrt: wenn der Wahrheitsbegriff im Spiel ist, dann ist die Anwendbarkeit des intentionalistischen Idioms vorausgesetzt. Sie wird durch dieses (oder in diesem) Spiel vorausgesetzt, auch wenn es in diesem Spiel um etwas ganz anderes geht. (Beim Billard geht es um Punkte; Gravitation wird beim Spielen vorausgesetzt.) Mit einem Begriff wie "wahre physikalische Aussage" wird vorausgesetzt, daß Lebewesen Überzeugungen, Wünsche und dergleichen haben; das Spiel mit diesem Begriff handelt nicht von dergleichen. Anders gesagt: Damit der Ausdruck "wahre physikalische Aussage" nicht leer ist, muß es physikalische Aussagen geben; und die gibt es nur, wo es Lebewesen mit Überzeugungen, Wünschen und dergleichen gibt. Wäre die Welt besiedelt nur von geistlosen (also wunschlosen, überzeugungslosen usw.) Entitäten, gäbe es mithin in der Welt keine Überzeugungen, Wünsche und dergleichen, dann gäbe es in der Welt auch keine wahren physikalischen Aussagen. Obwohl natürlich über diese Welt immer noch gewisse physikalische Aussagen wahr wären. [4] Wird einem Subjekt ein intentionaler Zustand zugeschrieben, so erfährt man daraus nur wenig Bestimmtes über die innere Befindlichkeit des Subjekts; man erfährt daraus aber etwas völlig Bestimmtes über eine gewisse ("semantoide") Beziehung zwischen Subjekt und Welt. Nehmen wir als Beispiel den Fall, wo wir irgendeine Handlung u.a. damit erklären, daß der Handelnde glaubt, der ihm angebotene Wodka sei vergiftet. Es mag sein, daß der Handelnde in diesem Moment ein Bildchen von einem Glas mit einem dicken schwarzen Kreuz darüber vor seinem geistigen Auge hat; es mag sein, daß ihm ein bestimmter deutscher Satz durch den Kopf geht. Es mag sein, daß seine Überzeugung, der Wodka sei vergiftet, in ihm Brechreiz bewirkt, oder gewisse Erinnerungen hervorruft. Aber nichts dergleichen wird uns mitgeteilt, wenn man uns sagt, der Handelnde glaube, der ihm angebotene Wodka sei vergiftet. Die Feststellung "X glaubte zu t, daß der ihm angebotene Wodka vergiftet sei" besagt von sich aus nichts darüber, was sich zu diesem Zeitpunkt in X abspielte oder was X in diesem Moment fühlte oder erlebte. (Insofern ist sie kein psychologischer Bericht.) Diese Feststellung besagt aber sehr wohl etwas darüber, was sich zu diesem Zeitpunkt in der Welt hätte abspielen müssen, damit X sich mit der Welt in kognitivem Einklang befindet. Und zwar hätte sich genau dies abspielen müssen: daß der X angebotene Wodka vergiftet war. Eine überzeugungszuschreibende Feststellung -eine Aussage des Typs "X glaubt, daß p"- besagt etwas sehr Bestimmtes darüber: wie die Welt sein muß, damit X ein Wahr-Glauber ist. In dem Zusammenhang zwischen Glauben und Wahrglauben liegt eine wichtige Besonderheit des Glaubensbegriffs. Für ein Prädikat wie "... glaubt (zu t), daß p" gibt es nicht nur die Aufteilung des Gegenstandsbereichs in die Klasse derer, die glauben, daß p, und jener, die das nicht tun. Wesentlich ist dem Sinn solch eines Prädikats, daß es innerhalb der ersteren Klasse den weiteren Unterschied gibt zwischen den Wahrglaubern(-daß-p) und den Falschglaubern(-daß-p). Diese innere Bipolarität des Glaubensbegriffs ist wichtig. Erfolg mit dem, was getan und unterlassen wird, hängt -im Falle rationalen Handelns- normalerweise wesentlich davon ab, ob ein Wahrglauber oder ein Falschglauber am Werke ist. Wer rational ist, richtet sich im Handeln nach seinen Überzeugungen; und er richtet sich nach ihnen als ein Wahrglauber (und nicht als ein Optimist); ihm liegt daran, daß das, was er glaubt, wahr ist. Der rational Handelnde sieht sich als einen, der auf die Richtigkeit seiner Annahmen und nicht vornehmlich auf sein Glück vertraut. Wer glaubt, daß p, sieht sich selbst als einen, der wahrglaubt, daß p. Das ist banal und wichtig. Glauben, daß p, heißt nicht: wahrglauben, daß p; "ich glaube, daß p" heißt aber, für rationale Subjekte, "ich bin ein Wahrglauber, daß p". Eine kleine Ausmalung von Moores Paradox bezeugt das. Sei da jemand, der im Ernst zu sich selbst sagte: "Ich heiße Gustav Gans und glaube zwar, daß p, aber was solche Dinge wie p angeht, irre ich mich eigentlich immer. Andererseits habe ich bei diesen Dingen auch immer unverschämten Dusel, wenn ich mich an das halte, was ich ursprünglich glaube. Und zwar ist es so: Wenn ich in diesen Fällen etwas tue, das mir im Lichte der ursprünglichen Überzeugung (wie jetzt z.B. der, daß p) optimal erscheint, dann bewirke ich genau das, was für mich optimal ist, obwohl sich nachher immer herausstellt, daß diese ursprüngliche Überzeugung falsch war. Alles ist in Wirklichkeit ganz anders, fügt sich aber aufs Gedeihlichste für mich zusammen. Ich bin halt ein Glückspilz, was meine Überzeugungen über diese Dinge angeht. Ich bleibe für alle praktischen Verrichtungen dabei: ich glaube, daß p, und werde entsprechend handeln. Doch es wird sich wohl herausstellen, daß p nicht der Fall ist." Was ist dazu zu sagen? Nun, dieser Gustav Gans glaubt nicht, daß p - er glaubt nicht wahr, er glaubt nicht falsch- bestenfalls aberglaubt er, daß p. Solch ein Aberglaube läßt keinen Unterschied zwischen Wahr-Glauben und Falsch-Glauben zu, nicht einmal einen zwischen Wahr-Aberglauben und Falsch-Aberglauben. Glauben - echtes Glauben- ist etwas anderes. Zu ihm gehört wesentlich, daß Glauben und Wahrglauben aus der Perspektive des glaubenden Subjekts untrennbar sind. (Entsprechendes gilt für Beabsichtigen, daß p, und dem Vorteilhaft-Sein, daß p; und anderes mehr.) Eine Aussage des Typs "X glaubt, daß p" läßt offen, ob X -hinsichtlich der Frage, ob p oder nicht-p- ein Wahrglauber ist, und spezifiziert statt dessen, unter welcher Bedingung X ein Wahrglauber ist. (Sportlich gesprochen: Es wird mit einer derartigen Aussage nicht gesagt, ob X ein Gewinner oder ein Verlierer ist, es wird auch nicht gesagt, wie X das Spiel angeht; es wird nur angegeben, was der Fall sein muß, damit X gewinnt.) Insofern gleicht eine solche Feststellung einem semantischen Bericht des Typs "X hat (zu t) gesagt, daß p", der uns ja auch nichts über Xens Wortwahl, Satzbau und Betonung mitteilt, sondern nur, wie die Welt aussehen müßte, damit X etwas Wahres gesagt hat. (Dieser Ähnlichkeit wegen habe ich oben von semantoiden Beziehungen gesprochen. Mit semantischen Berichten wie dem gerade erwähnten wird nichts über die Beschaffenheit des sprachlichen Materials ausgesagt. Entsprechend wird mit Zuschreibungen intentionaler Zustände nichts über die Beschaffenheit des psychischen, geschweige denn des physiologischen Materials ausgesagt.) Meine These [4] trifft natürlich nicht auf alle intentionalen Zustände zu. Etwas fürchten, sich nach etwas verzehren, an etwas verzweifeln, sich über etwas amüsieren - all dies und vieles andere mehr sind intentionale Zustände, zu denen bestimmbare psychische Befindlicheiten gehören. Dies räume ich gerne ein. Es reicht mir, daß [4] auf alle grundlegenden intentionalen Zustände zutrifft, wenigstens aber auf das Glauben und das Wünschen (letzteres im blassen Sinn von "etwas (im Grade so-und-so) für wünschenswert halten"). Wittgenstein meint, wenn ich ihn recht verstehe, daß intentionale Zustände wie Erwartung und Eine-Ansicht-Haben nur grammatikalisch gesehen Zustände sind. Sobald wir Erwartungen und Überzeugungen von Subjekten thematisieren -und nicht die erwartenden und glaubenden Subjekte-, reden wir darüber wie über Zustände. Wir reden über das Erwarten und Glauben in einer Redeform, die typische Merkmale des Redens über Zustände aufweist. Und so denken wir auch. Daran gibt es, für sich genommen, nichts auszusetzen; irgendwie muß man ja über etwas reden, wenn man darüber (denken und) reden will. Woran etwas auszusetzen ist, das ist etwas anderes: Wenn eine Denk- und Redeform ohne weiteres für ontologisch bare Münze genommen wird. - Es ist zwar sprachrichtig, über Ottos Überzeugtsein, daß es regnet, wie über einen Zustand zu reden. Das heißt jedoch nicht, daß es irgendeinen Zustand in Otto geben muß, der sein Überzeugtsein ist. Es bleibt immer noch die Frage, "was hier grammatisch als Zustand behandelt wird". Wir reden von intentionalen Phänomenen wie Glauben und Wollen zwar als von Zuständen von Personen; dies ist ein Faktum der Sprachlogik intentionaler Terminologie. ("Man könnte auch von einer Tätigkeit der Butter reden, wenn sie im Preise steigt; und wenn dadurch keine Probleme erzeugt werden, so ist es harmlos.") Daraus zu schließen, in glaubenden und wollenden Personen müßten sich Glaubens- oder Wollenszustände finden lassen, ist etwa so zwingend, wie anzunehmen, die Butter tue etwas, wenn sie teurer wird. "Grammatikalisch" gesehen ist die Butter tätig, wenn sie im Preis steigt. Und nur so gesehen ist ein Mensch in einem intentionalen "Zustand", wenn er etwas glaubt oder will. Das, denke ich, ist Wittgensteins Idee. Und ich denke auch, daß sie richtig und wichtig ist. Es ist eines, ob etwas "grammatikalisch" gesehen ein Zustand ist; dazu reicht es, daß der entsprechende Begriff wie ein Zustandsbegriff funktioniert. Es ist ein anderes, ob es sich bei dem bezeichneten Phänomen um einen Zustand handelt. Wenn etwas ein Zustand (in einem nicht bloß "grammatikalischen" Sinn) ist, dann hat die Frage nach seiner konkreten Beschaffenheit einen guten Sinn. Ein Beispiel: Wird uns z.B. mitgeteilt, eine gewisse Kugel k sei halbvoll mit Wasser, dann ist es sinnvoll, die Frage zu stellen: Wie ist dieser Zustand des Halbvoll-Seins in k realisiert? Ist die untere Hälfte von k mit Wasser gefüllt? Oder die obere? Oder ist die innere Hälfte von k voll Wasser? Oder befindet sich das Wasser nur am Rand? Oder ist in k das Wasser ganz ungleichmäßig verteilt? Jedenfalls muß das Halbvoll-Sein auf irgendeine Weise in der Kugel konkret realisiert sein. Doch es gibt auch andere Zustände - Zustände, die keine Realisierung oder konkrete Beschaffenheit in den Zustandsträgern besitzen. Zustände, in denen sich ein Gegenstand befindet, insofern er eine bestimmte Bedeutung hat, sind oftmals von dieser Art. Nehmen wir zum Beispiel eine Mauer, die Kindern beim Fußballspielen als Tor dient. Für die Dauer des Spiels der Kinder befindet sich die Mauer im Zustand, ein Tor zu sein. (Diese Ausdrucksweise ist umständlich, aber ontologisch kaum bestreitbar.) Dieser Zustand des Tor-Seins ist in der Mauer nicht realisiert. Die innere Beschaffenheit der Mauer ist irrelevant. Man kann also unterscheiden zwischen Zuständen, die in ihren Trägern realisiert sein müssen, und anderen, für die dies nicht gilt. Im Folgenden werde ich die Auffassung vertreten, daß intentionale Zustände von dieser zweiten Art sind. [5] Es gibt keine "Vorkommnisse" intentionaler Zustände in Subjekten. Es gibt Zustände, bei denen es sinnvoll ist, davon zu sprechen, sie seien hier in dem-und-dem Vorkommnis realisiert und dort in einem andern Vorkommnis. Der Zustand, im Besitz von 100 Mark zu sein, kann bei dem einen sich darin realisieren, daß er fünfzig Zweimarkstücke in seinen Hosentaschen hat, und bei dem andern darin, daß er zwei Fünfzigmarkscheine in seiner Jackettasche hat. Ja, dieser Zustand kann sich auch zu zwei verschiedenen Malen auf die gleiche Weise realisieren, z.B. darin, daß zwei Fünfzigmarkscheine sich in Jackettaschen befinden. Es kann sich dabei sogar um dieselben (soll hier heißen: numerisch identischen) Scheine handeln, die zu verschiedenen Zeiten verschiedene Vorkommnisse des Besitzes von 100 Mark ausmachen. Diese Vorkommnisse sind dann zeitlich gegeneinander abgegrenzt -- und seien die Grenzen noch so vage. Das Vorkommnis des Zustands, im Besitz von 100 Mark zu sein, das in Ottos Tragen der beiden Fünfzigmarkscheine A und B bestand, begann etwa um 11.23h (als Otto die beiden Scheine aus dem Geldautomaten seiner Bank nahm und sie in die Brusttasche seines Jacketts steckte); dieses Vorkommnis endete etwa um 14.19h (als Otto die beiden Scheine aus seiner Brusttasche nahm und an Fritz übergab). Das Vorkommnis des Zustands, im Besitz von 100 Mark zu sein, das in Fritzens Tragen von A und B bestand, begann etwa um 14.19h (als Fritz die beiden Scheine in seine Jackettasche steckte) und endete .... So kann man reden, wenn man das für aufschlußreich oder gar ontologisch geboten hält. Diese Unterscheidung gehört zu einer Familie von Unterscheidungen. Als da zum Beispiel sind: (a) die zwischen "type" und "token" (Paradigma: der Buchstabe A als Element eines bestimmten Systems graphischer Einheiten/jeder Buchstabe A, insofern er von der Tafel gewischt werden kann), (b) die zwischen Eigenschaft und Einzelding-mit-dieser-Eigenschaft (das Doofsein/jeder Doofe), (c) die zwischen Menge und Element der Menge (die Menge der geraden Zahlen/die Zwei), (d) die zwischen Abstraktum und stellvertretendem Konkretum (die Eigenschaft des Doofseins/jedes Druckvorkommnis des Wortes "doof"; die Zahl Fünf/jedwede Fünf-Ziffer), (e) die zwischen Eigenschaft-als-Allgemeinding und Eigenschaft-als-Einzelding (die Eigenschaft, braunäugig zu sein/die unwiederholbare "Trope", die Harvey durch den Besitz seiner braunen Augen exemplifiziert), (f) die zwischen Eigenschaft und konkreter materieller Realisierung am Individuum, das diese Eigenschaft hat (die Eigenschaft braunäugig zu sein/diejenigen Teile von Harvey, die ausmachen, daß er braunäugig ist) (g) die zwischen abstraktem Einzelding und konkreter Manifestation (die Zahl Fünf/die Finger meiner linken Hand), (h) die zwischen Kontinuativum und dazugehörigem Abschnitt (Brot/jeder Laib Brot), Wer behauptet, ein gewisser Zustand erfreue sich der Unterscheidung zwischen Zustandstyp und Zustandsvorkommnis, sollte sagen, welches Mitglied aus der Familie (a)-(h) ihm dabei vorschwebt, oder, falls keine unter diesen Unterscheidungen, was sonst. Ich bestreite, daß sich für intentionale Zustände etwas Passendes findet. Die Unterschiede (a)-(h) passen nicht auf so einen Zustand wie den des Glaubens-daß-es-regnet. Eine Überzeugungszuschreibung wie Harvey glaubt, daß es regnet läßt sich nicht so analysieren: Es gibt etwas, das ein Überzeugungsvorkommnis von Harvey ist und das beinhaltet, daß es regnet. Solch eine Analyse wäre verfehlt, weil es keine Überzeugungsvorkommnisse gibt. Und es gibt sie nicht, weil eine passsende Unterscheidung fehlt. Der Überzeugungsbegriff erlaubt keine sinnvolle Zustand/Vorkommnis-Unterscheidung. EINWAND 1: Aber es gibt doch verschiedene Personen mit denselben Überzeugungen. Dieser Einwand soll besagen: Wenn Harvey glaubt, daß es regnet, und wenn Stephen glaubt, daß es regnet, dann gibt es einen Sinn, in dem die beiden dieselbe Überzeugung haben; es gibt dann aber auch einen andern Sinn, in dem zwei verschiedene Überzeugungen vorliegen (nämlich eine bei Harvey und die andere bei Stephen). Meine Erwiderung: Wenn Harveys Lieblingsmannschaft die Eintracht Frankfurt ist und wenn Stephens Lieblingsmannschaft ebenfalls die Eintracht Frankfurt ist, dann gibt es einen Sinn, in dem die beiden dieselbe Lieblingsmannschaft haben; dennoch gibt es dann keinen andern Sinn, in dem zwei verschiedene Lieblingsmannschaften vorliegen (die eine die von Harvey, die andere die von Stephen). EINWAND 2: Aber Überzeugungszustände sind doch bei einzelnen Personen zu verschiedenen Zeiten gegeben. Dieser Einwand soll besagen: Harveys Überzeugung, daß p, war ein Zustand, der vom Morgen bis zum Mittag reichte; Stephens Überzeugung, daß p, war ein Zustand, der am Abend begann und in der Nacht endete; also muß es doch einen Sinn geben, in dem die beiden Zustände verschieden sind; denn Zustände mit unterschiedlicher zeitlicher Erstreckung sind doch --zumindest in einem gewissen Sinn-- unterschiedliche Zustände. Meine Erwiderung: Es ist doch gerade der Witz der ganzen ontologischen Abteilung namens Zustand, daß derselbe Zustand bei verschiedenen Objekten zu verschiedenen Zeiten vorliegen kann. Alkibiades befand sich vor langer Zeit (und zeit seines Lebens) in dem Zustand, sich südlich vom Nordpol aufzuhalten; im selben Zustand (im selben!) befand sich Voltaire vor kürzerer Zeit (und Zeit seines Lebens). Es gibt keinen Sinn, in dem diese Zustände deshalb unterschiedlich wären oder gar sein müßten. Natürlich ist die Tatsache, daß Alkibiades sich zeit seines Lebens südlich des Nordpols aufgehalten hat, eine andere Tatsache als die, daß Voltaire dies getan hat; aber das ist unerheblich, weil Tatsachen viel feiner individuiert sind als Zustände: ein und derselbe Zustand kann in beliebig vielen verschiedenen Tatsachen eine Rolle spielen. Ein und dieselbe Überzeugung kann sehr wohl von verschiedenen Personen gehabt werden. Ein und dieselbe Überzeugung kann sehr wohl (von verschiedenen Personen) zu verschiedenen Zeitpunkten gehabt werden. Das ist unbestreitbar. Aber daraus folgt nichts, was eine Type/Token-Unterscheidung im Hinblick auf Überzeugungen erzwänge oder auch nur plausibel machte. EINWAND 3: Aber Überzeugungen sind doch kausal wirksam. Dieser Einwand soll besagen: Wenn etwas Ursache -oder Teil der Ursache- eines konkreten Geschehnis ist, dann muß es doch selbst ein raumzeitlich antreffbares Konkretum sein. Wenn also eine bestimmte Überzeugung (Teil der) Ursache dafür war, daß ein bestimmter Organismus sich zu einem Zeitpunkt in einer raumzeitlich bestimmten Weise bewegt hat, dann mußte die Überzeugung selbst in dem sich bewegenden Organismus anzutreffen gewesen sein. Wenn dieselbe Überzeugung ebenfalls (Teil einer) Ursache einer Körperbewegung eines andern Organismus ist, dann muß sie auch in diesem anzutreffen sein. In zwei verschiedenen Organismen ist aber nicht ein und dasselbe raumzeitliche Konkretum anzutreffen, das Körperbewegungen (mit-)verursacht. Diese verschiedenen Konkreta, die in den beiden Organismen anzutreffen sind, sind eben gerade die gesuchten Vorkommnisse desselben Überzeugungstyps. Meine Erwiderung: Wenn tatsächlich nur raumzeitliche Konkreta kausal wirksam sein können, dann sind Überzeugungen eben nicht kausal wirksam. Aber ihre kausale Impotenz verhindert ja nicht, daß sie einen nützlichen Beitrag zu gewissen Arten von Erklärungen leisten. [6] Genausowenig gibt es "Vorkommnisse" intentionaler Eigenschaften in Subjekten. Dies ist nur ein kleiner Zusatz zu These [5]. Er besagt: Es macht in diesem Zusammenhang keinen Unterschied, ob wir -wie in [5]- von intentionalen Zuständen oder -wie hier- von intentionalen Eigenschaften sprechen. Es ist zwar unbestritten, daß die Unterscheidung zwischen (a) der intentionalen Eigenschaft: zu glauben, daß es regnet, und (b) dem Organismus, der diese intentionale Eigenschaft hat, einen wirklichen Unterschied erfaßt. Gegen die Existenz intentionaler Eigenschaften habe ich nichts einzuwenden. Hingegen bestreite ich, daß die Unterscheidungen [5](e) und [5](f) auf intentionale Eigenschaften anwendbar ist. Anders gesagt, ich behaupte: Intentionale Eigenschaften gibt es nicht als Tropen, und es gibt keine materiellen Realisierungen intentionaler Eigenschaften in Subjekten. Dies leuchtet, was die materiellen Realisierungen angeht, unmittelbar ein, wenn man aus den anti-individualistischen Argumenten à la Wittgenstein, Putnam und Burge den Schluß zieht, daß intentionale Eigenschaften keine intrinsischen Eigenschaften sind. Intentionale Eigenschaften können -wie die berühmten Gedankenexperimente zeigen sollen- einem Subjekt abhanden kommen oder zuwachsen, ohne daß sich an ihm, für sich selbst genommen, sonst etwas ändern müßte. Jene Überlegungen von Wittgenstein, Putnam und Burge sind zwar nicht ohne Probleme. Aber ich unterstelle, daß Gedankenexperimente dieses Schlags sich (wenn auf sie ein wenig mehr Sorgfalt und Scharfsinn verwendet wird als bisher) so verbessern lassen, daß schließlich folgendes Ergebnis unanfechtbar sein wird: Es sind Situationen A und B ausmalbar, so daß gilt: Jeder materielle Teil oder Aspekt von Harvey wäre genau derselbe, gleichgültig ob Harvey sich in A oder in B befindet. In A würde Harvey glauben, daß p, und in B würde er nicht glauben, daß p. Kein Teil von Harvey realisert -diesem "Ergebnis" zufolge-, daß er glaubt, daß p. Wenn Harvey sich in A befindet, glaubt er zwar, daß p, aber es gibt dann nichts in ihm, das sein Glauben-daß-p realisiert. Verallgemeinernd gesagt: Dann gibt es im Subjekt keine konkrete Realisierung einer intentionalen Eigenschaft. Nun zur Behauptung, daß es intentionale Zustände auch nicht als Tropen gibt. Der Terminus "Trope" soll konkrete Einzeldinge bezeichnen, die nicht unabhängig existieren können. Ein Beispiel zur Erläuterung: Harvey hat braune Augen. Er exempliziert also die Eigenschaft (das Universale) der Braunäugigkeit, wie jeder andere, der braune Augen hat. Nun gibt es aber, meint der Tropentheoretiker, außer jener Braunäugigkeit-als-Universale auch noch die sozusagen partikulare Braunäugigkeit, die allein Harvey hat. Entsprechend gäbe es dann zu einem intentionalen Prädikat wie "---glaubt, daß es regnet", wenn es auf Harvey zutrifft, auch noch ein konkretes Einzelding, das ein Teil von Harvey ist: seine Glauben-daß-es-regnet-Trope. Gegen diese Auffassung darf man nicht einwenden, daß (z.B.) irgendein neuronales Muster Harveys allein schon deshalb nicht sein Glauben-daß-es-regnet sein kann, weil -um ein naheliegendes Beispiel zu nehmen- die "betreffenden" Neuronen sich doch (gottseidank nur im Prinzip) unter Erhaltung ihrer Verbindungen aus dem Hirn herauspräparieren lassen, das Herauspräparierte aber gewiß nichts Intentionales an sich hätte. Dieser Einwand zieht nicht, weil eine Glaubenstrope ja ein unselbständiges Einzelding wäre; sie kann ohne Harvey nicht existieren. Anders gesagt: Jeder Teil Harveys, den man ihm wegnehmen kann, so daß der Teil auch nach der Wegnahme erhalten bleibt, ist ipso facto keine von Harveys Tropen. - Aber es gibt andere Einwände, die gegen solche Tropen sprechen; zwei von ihnen seien genannt. Erstens ist in der sinnvollen Verwendung des umgangssprachlichen Überzeugungsbegriffs und des übrigen intentionalen Vokabulars nichts dergleichen angelegt; insofern ist diese ontologische Konstruktion unnatürlich. Zweitens gibt es aber auch keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse, auf die sich einer berufen könnte, der solche Tropen postuliert. [7] Entsprechend gibt es auch keine "types" bei Überzeugungen und andern intentionalen Zuständen. Wo Vorkommnisse einer Sache fehlen, gibt es von ihr auch keine "types"; dies gilt zumindest dann, wenn man die Existenz der Sache selbst nicht bestreitet. Sog. "types" sind Sammelstellen für sog. "tokens" (jedenfalls konkrete Einzeldinge). Wenn es keine konkreten Einzeldinge gibt, die naheliegenderweise als Überzeugungen oder Überzeugungs-(Habens-)Zustände betrachtet werden könnten, dann gibt es (trivialerweise) auch keine "types". [8] Es gibt Überzeugungen und andere intentionale Zustände. (Und das ist sogar unbestreitbar.) Es gibt die Überzeugung, daß es regnet, wenn es wenigstens eine Person gibt (gab oder geben wird), die glaubt, daß es regnet. Wer bestreiten wollte, daß es Überzeugungen gibt, müßte (u.a.) bestreiten, daß er selbst irgendetwas glaubt. Aber das geht nicht. Denn wer etwas bestreitet, muß glauben, daß er etwas bestreitet, oder wenigstens glauben, daß er etwas tut, oder zumindest glauben, daß es ihn gibt. Anders gesagt: Jeder, der das nicht täte, wäre in unsern Augen kein ernstzunehmender Bestreiter irgendwovon. Wer die Existenz von Überzeugungen bestreiten wollte, wäre in unsern Augen ipso facto nicht ernstzunehmen. Demnach gibt es Überzeugungen, unbestreitbar. (Unbestreitbar, wegen des "ipso facto".) Andere intentionale Zustände lassen sich auf ähnlichem Weg nachweisen. [9] Das Projekt der sog. Naturalisierung von Intentionalität ist von vornherein verfehlt, wenn es als die Suche nach (den "type"-konstitutiven) physischen Eigenschaften von "tokens" intentionaler Zustände begriffen wird. Anders gesagt: Gesucht wird eine rein naturwissenschaftliche Theorie Tauf, die folgendes ermöglicht: Gegeben sei eine Beschreibung eines Hirnzustandsvorkommnisses x, in der von xens Inhalt keine Rede ist; aus Tauf soll dann abzuleiten sein, welchem intentionalen Typ (z.B. Überzeugung-daß-p, Wunsch-daß-q usw.) x zuzuordnen ist. Es gibt keine Hirnzustände, die "tokens" intentionaler Zustände wären, mithin auch keine physischen Eigenschaften, die ihre "types" konstituieren. Mit dem Titel "Naturalisierung von Intentionalität" wird jedoch unter Philosophen manchmal genau dieses Projekt bezeichnet. Es wird von Naturalisateuren in spe dabei als gegeben angenommen, daß es "tokens" intentionaler Zustände geben müsse (falls es intentionale Zustände überhaupt "natürlich" gibt) und daß es sich bei ihnen vermutlich um irgendwelche Hirn- oder ZNS-Zustände handelt. Auf dem Hintergrund dieser Voraussetzung versuchen sie dann die Frage zu beantworten, welche (in physikalistisch akzeptabler Weise beschreibbaren) Eigenschaften eines konkreten Hirnzustands dafür ausschlaggebend sind, daß er unter einen bestimmten intentionalen "type" (etwa: Überzeugung-daß-der-angebotene-Wodka-vergiftet-ist) zu rechnen ist. Jederlei solches Projekt möchte ich eine (angestrebte) Aufwärts-Naturalisierung nennen, weil hier -zumindest in der Auffassung davon, was eigentlich das zu bewältigende Problem ist- von unten nach oben gedacht wird: von einer vermeintlichen "token"-Ebene der Intentionalität (die physikalische Basis, deshalb: unten) ausgehend versucht man, eine plausible physikalistische Konstruktion der "type"-konstitutiven Merkmale zu skizzieren. Aufwärts-Naturalisateure, die die Hoffnung auf die Durchführbarkeit ihres Projekts verloren haben, werden dann gerne zu Eliminativisten in puncto Intentionalität. Das halte ich für bezeichnend. Und für abwegig, aus den unter [8] angedeuteten Gründen. [10] Das Projekt der sog. Naturalisierung von Intentionalität ist auf absehbare Zeit hin jedenfalls vermessen, wenn es als die Suche nach exakt umrissenen physiologischen Träger-Zuständen eindeutiger intentionaler Zustände begriffen wird. Gesucht wird eine rein naturwissenschaftliche Theorie Tab, die einer beliebigen Person X, die zu t glaubt, daß p, diejenigen physiologischen Faktoren zuordnet, die ausmachen, daß X zu t glaubt, daß p. Abwärts-Naturalisierung wäre also das Projekt, von oben (von der als gegeben angenommenen Ebene intentionaler Zustände aus) nach unten (hinunter zur Ebene der physiologischen Zustände) aufschlußreiche Zuordnungen zu finden. Bei diesem Projekt müßte -in einem ersten rein explikativen Schritt-versucht werden, zunächst einmal Klarheit darüber zu gewinnen, welchen Faktoren es sich verdankt, daß gewisse Fälle paradigmatisch klare Fälle des Vorliegens bestimmter intentionaler Zustände sind. Ich denke z.B. an einen Fall wie den, wo jemand im Ernst sagt "This vodka is poisoned", und z.B. an solche Faktoren wie: Meisterung der in den Wahrheitsbedingungen auftretenden Begriffe, Beherrschung der zur Überzeugungsbekundung verwendeten Sprache, Ernsthaftigkeit, und dergleichen mehr. Diese Faktoren gehören zu denen, die manchen paradigmatisch klaren Fall der Zuschreibbarkeit der Überzeugung, daß der angebotene Wodka vergiftet ist, ausmachen. Dieser erste, rein explikative Schritt wäre erfolgreich ausgeführt, wenn wir für wenigstens einen Typus paradigmatisch klarer Fälle eine redundanzfreie Menge solcher Faktoren angeben könnten. In einem zweiten Schritt würde dann versucht, diesen Faktoren -soweit es sinnvoll ist, für sie ein sei's auch nur partielles physiologisches Korrelat anzunehmen- Aspekte der physiologischen Befindlichkeit des Subjekts zuzuordnen. Wenn dieser zweite Schritt erfolgreich ausgeführt wäre, dann könnten wir anschließend sagen: Physiologisch gesehen bestand das Faktum, daß sich X zum Zeitpunkt t im intentionalen Zustand so-und-so (z.B. Glauben-daß-der-angebotene-Wodka-vergiftet-ist) befand, darin, daß in Xs Organismus zu t die Neuro-Fakten 1,..., n gegeben waren. Oder besser: Die physiologischen Komponenten des Faktums, daß sich X zu t im intentionalen Zustand I befand, waren die Neuro-Fakten 1,..., n. Hätte man in dieser Weise die klaren Fälle -oder zumindest ein paar Typen klarer Fälle- im Griff, könnte man sich den weniger klaren zuwenden: insbesondere der reichhaltigen Familie von Fällen, wo bei der Zuschreibung intentionaler Zustände nicht auf sprachliche Äußerungen des Subjekts zurückgegriffen werden kann. Hier entstehen im wesentlichen zwei (m.E. weithin unterschätzte) miteinander verwobene Schwierigkeiten. 1. Das Problem mit der Spezifizität des intentionalen Gehalts: Intentionale Zustände haben einen spezifischen Inhalt. Die Überzeugung, daß der angebotene Wodka vergiftet ist, ist nicht dieselbe Überzeugung wie die, daß die Flüssigkeit im angebotenen Glas vergiftet ist, und auch nicht dieselbe wie die, daß der angebotene russische Schnaps vergiftet ist. Die intentionalen Inhalte können beliebig subtil differieren; solange sie nicht in allen möglichen Welten denselben Wahrheitswert festlegen, sind sie (nach herrschender Lehre) verschieden genug, um die Verschiedenheit ihrer intentionalen Zustände mit sich zu bringen. Und das Problem ist dies: Wir können immer spezifischer werden, wenn wir eine Überzeugung auf Grund außersprachlicher Anhaltspunkte zuschreiben. Was war die Überzeugung, die Herrn A.B. aus B. beim Verlassen der Wohnung noch einmal umkehren ließ, um einen Schirm mitzunehmen: -daß es regnen werde? -daß es im Verlauf seines heutigen Aufenthalts unter freiem Himmel regnen werde? -daß es im Verlauf seines heutigen Aufenthalts unter freiem Himmel in B. regnen werde? -daß es im Verlauf seines heutigen Aufenthalts unter freiem Himmel in B. in einem Grad an Heftigkeit regnen werde, der von ihm als unangenehm empfunden werden würde ? -daß es im Verlauf seines seines heutigen Aufenthalts unter freiem Himmel in B. in einem Grad an Heftigkeit regnen werde, der von ihm als dermaßen unangenehm empfunden werden würde, daß es ihn später reuen würde, nicht an der Türe umgekehrt zu sein und die Beschwernisse der Mitnahme eines Schirms auf sich genommen zu haben ? -und so weiter. Es ist nicht zu sehen, wie die guten Gründe aussehen sollten, aus solch einer offenen Liste möglicherweise vorliegender Überzeugungen gerade die so-und-sovielte und nicht die nächsthöhere oder die nächsttiefere Überzeugung als die zuzuschreibende auszuwählen. (Einmal ganz davon abgesehen, daß wir hier nur eine der unübersehbar vielen solcher Listen in Frage kommender Überzeugungen berücksichtigt haben.) Ein bißchen Willkür ist offenbar unvermeidlich, wenn wir Überzeugungen zuschreiben, die nicht sprachlich bekundet wurden. 2. Das Problem mit der bloß metaphorischen Zuschreibung: Die meisten Gelehrten sind sich einig: Wenn einem Thermostaten eine Überzeugung ("Es ist zu kalt; ich sollte etwas dafür tun, daß es wärmer wird") oder einem klingelnden Telephon ein Wunsch ("Jemand möge meinen Hörer von der Gabel nehmen") zugeschrieben wird, dann ist dies nicht ernstgemeint. Bei Computern, Viren, Pantoffeltierchen, Organen, Fröschen, Hunden, Katzen, Schimpansen, Säuglingen usw. nimmt der diesbezügliche Konsens ab. Wo genau verläuft eine mit guten Gründen vertretbare Trennlinie zwischen: X glaubt, daß p (und dies ist wörtlich zu nehmen) und Es ist in gewisser Hinsicht erhellend (bequem, ...) von X so zu reden, als glaube er/sie/es, daß p (aber dies ist mit ein wenig -oder sogar unbestimmt viel- Salz zu nehmen) ? Niemand weiß, wo genau so eine Trennlinie verläuft. (Wir wissen aber immerhin dies: Es gibt in dieser Hinsicht einen Unterschied zwischen normalen erwachsenen Sprechern einer natürlichen Sprache einerseits und Thermostaten andererseits.) Das Problem hier ist also folgendes: Viele Fälle, in denen Überzeugungen ohne direkten oder indirekten Rekurs auf ihre sprachliche Bekundung zugeschrieben werden, müßten zunächst einmal als solche ausgewiesen werden, in denen nicht bloß metaphorisch geredet wird. Und es ist schwer zu sehen, wie dies (derzeit) gelingen möchte. Ein Kriterium für echte -im Gegensatz zu bloß metaphorisierend zugeschriebener- Intentionalität zu entwickeln, ist ein so weitreichendes und philosophisch anspruchsvolles Unternehmen, daß man es umgehen sollte, falls dies möglich ist. Wenn man sich beim ersten Schritt zunächst einmal auf die klaren Fälle beschränkt, so hat dies zwei Vorteile: Man vermeidet ein abgründiges Problem, und man wendet sich Fällen zu, denen man sich ohnehin zuwenden muß. Dies läßt es in meinen Augen angeraten erscheinen, den ersten Schritt der Abwärts-Naturalisierung unbedingt zuerst zu versuchen. (Vorausgesetzt, man hält dieses Projekt überhaupt für aussichtsreich.) Denn wenn man einer Sache auf ihren naturalistischen Grund gehen will, empfiehlt es sich, sicher zu gehen, daß man es mit der Sache selbst zu tun hat - und nicht bloß mit einer metaphorischen Entsprechung der Sache. Aber dieses Projekt ist derzeit nicht aussichtsreich. Jede plausible Durchführung des ersten Schritts wird ergeben: Die paradigmatisch klaren Fälle intentionaler Zuschreibungen involvieren Faktoren (wie die Beherrschung einer natürlichen Sprache, Aufrichtigkeit, Ernsthaftigkeit und dergleichen), die weit jenseits dessen liegen, wofür wir uns in absehbarer Zeit die Durchführung des zweiten Schritts erwarten könnten: die Spezifizierung sei's auch nur partieller, aber exakt umrissener physiologischer Träger-Korrelate. Können wir die Neuro-Fakten des Glaubens-daß-p nicht auch isolieren, ohne zugleich die Neuro-Fakten der Sprachbeherrschung, Aufrichtigkeit usw. zu ergründen? Verlange ich hier nicht einfach zu viel von Tab: und zwar, daß diese Theorie nicht nur die Sache selbst (sprich: intentionale Zustände) erfassen, sondern auch zugleich sozusagen eine Theorie unserer Meßverfahren dieser Sache mitliefern soll? - Mag sein. Aber wenn der Abwärts-Naturalist die Faktoren beiseite läßt, dank denen die klarsten Fälle klar sind, dann hat er etwas nachzuliefern. Seine Identifikation der Neuro-Fakten in einem konkreten Einzelfall der klaren Art beruht ja immer noch auf der (in seinen Augen) unnaturalistischen Voraussetzung, daß in diesem Fall Sprachbeherrschung, Aufrichtigkeit usw. vorlagen. (Daß der Abwärts-Naturalist diese Voraussetzung machen muß, zeigt sich daran, durch was für Beobachtungen seine Identifikation angreifbar wäre; unter anderm nämlich durch den Nachweis, daß derjenige, der im Ernst gesagt hat "This vodka is poisened", weder das Wort "vodka" noch das Wort "to poisen" annähernd richtig versteht.) Das Problem wäre dann, wie man sich von dergleichen unnaturalistischen Voraussetzungen befreien könnte. Und es fällt schwer zu sehen, wie eine Lösung dieses Problems sich ausnehmen möchte. [11] Es gibt ein sehr viel bescheideneres Projekt der Naturalisierung von Intentionalität. Und zwar die Suche nach einer Erklärung für folgende Tatsache: daß es Lebewesen wie uns natürlich ist, gewisse Aspekte der einen, einzigen, natürlichen Welt mit intentionalem Vokabular zu beschreiben, vorherzusagen und zu erklären. Anders gesagt, lautet die Frage: Was am intentionalen Begriffsrahmen macht ihn für uns so besonders geeignet (und letztlich unersetzlich) für die Beschäftigung mit uns und unseresgleichen? Solch ein Projekt nimmt sich für manchen vielleicht so aus, als sei der gute alte Naturalismus mehrfach weichgespült worden. Was bleibt von ihm übrig? Erstens ein metaphysischer Global-Monismus: Es gibt nur eine wirkliche Welt, in der sich alles abspielt, was von kontingentermaßen wahren Sätzen beinhaltet wird. Beschreibbare der Welt beschrieben wären, dann wäre die Welt vollständig und eindeutig beschrieben - ein Demiurg, der dieser Beschreibung folgte, würde unweigerlich eine Welt schaffen, die alle Eigenschaften (nicht nur die physikalischen) der wirklichen Welt hat. Jedes Bild, das in unserer Welt schön ist, wäre auch in der nachgebauten Welt schön. Jede Tat, die in unserer Welt verwerflich ist, wäre auch dort verwerflich. Und genau dies unterscheidet die physikalische Beschreibung von jeder andern. Keine andere (in ihrem Rahmen vollständige) Weltbeschreibung wäre in diesem Sinne absolut vollständig. Ein Demiurg, dem alle intentionalen Tatsachen der Welt vorgegeben wären und sonst nichts, hätte "Gestaltungsspielraum". Er könnte eine physikalisch gesehen andere Welt schaffen als die wirkliche. Diese beiden Anmerkungen erläutern, was ich meine, wenn ich in [11] von der "einen, einzigen, natürlichen Welt" rede. Naturalismus in Hinsicht auf Intentionalität halte ich nur in diesem schwachen Sinn für vertretbar. (Allerdings auch für geboten.) Wer Naturalismus in einem stärkeren Sinn anstrebt, hängt vielleicht immer noch reduktionistischen Träumereien nach. Doch sollte er bedenken, daß der nicht-reduktionistische Physikalismus stark genug ist, um jeden metaphysischen Pluralismus abzuwehren. Und das ist sicherlich eines der wichtigsten Motive des Naturalismus. Zugleich gestattet es diese Position jedoch, die begriffliche Eigenständigkeit und Legitimität des intentionalen Idioms anzuerkennen. Es ist inzwischen einigermaßen unumstritten, daß der sog. "type"-Reduktionismus bei intentionalen Zuständen philosophisch blauäugig war. (Denn zu intentionalen Eigenschaften wie Glauben-daß-es-regnet werden sich vermutlich keine natürlichen Arten der Physiologie oder gar der Physik anfinden, auf die sie sich zurückführen lassen könnten. Was auch immer sich an Kandidaten für physiologische Komponenten intentionaler Eigenschaften anfinden wird, es ist kaum zu erwarten, daß dies bei jedem Organismus, der glaubt, daß es regnet, die gleichen physiologischen Eigenschaften sein werden.) Ein "token"-Reduktionismus im Hinblick auf intentionale Zustände kommt aus den in [5] genannten Gründen ohnehin nicht in Frage. Soviel zur Metaphysik dieses schwachen Naturalismus. Das Projekt der Naturalisierung von Intentionalität besteht, wenn es so aufgefaßt wird, darin, begreiflich zu machen, weshalb wir (wir homines sapientes) uns und alles, was wir als annähernd unsergleichen betrachten, so gerne und leidlich erfolgreich intentionalistisch beschreiben, vorhersagen und erklären. Das bescheidene Projekt, [11], wäre eigentlich eher eine Preisaufgabe für die Naturwissenschaften: Was macht intentionale Begrifflichkeit so nützlich für den Menschen? Natürlich ist dies ein enorm unklares und anspruchsvolles Projekt. Doch es ist viel bescheidener und weniger abwegig als die beiden andern skizzierten Projekte der sog. Naturalisierung von Intentionalität. Und es scheint -nebenbei bemerkt- noch am ehesten eines zu sein, zu dem ein Philosoph etwas beitragen könnte. Denn beim ersten und zweiten Projekt geht es, bei Lichte besehen, um Dinge, von denen ein Philosoph von Hause aus nichts versteht: um Hirnzustände (Neurowissenschaften) und ihre Zuordnung zu Geisteszuständen (Psychologie). Wenigstens vom Zuordnen mag der Philosoph sich einbilden, etwas zu verstehen - ganz besonders vom apriorischen. Doch was eigentlich? Was mehr, als ein Mathematiker oder Logiker? In dem Naturalisierungsprojekt à la [11] hingegen geht es ausdrücklich um Begriffliches - nicht um Hirn- und Geisteszustände. Damit sollte der Philosoph sich bescheiden. Zu seinem Berufsbild gehört das Aufspüren und vorläufige Umzingeln begrifflicher Probleme aller Art. In den Gärten allerdings, in denen die zarten Schößlinge des einzelwissenschaftlichen Fortschritts gehegt werden, ist der Philosoph in allem, was über das Begriffeln hinausgeht, bestenfalls ein wohlmeinender Bock. Durch nichts ist er -um ein Deut besser als jeder andere interessierte Laie- z.B. dazu befähigt, über die etwaigen psychischen oder neurobiologischen Mechanismen der Intentionalität zu spekulieren.