Vorwort
Ich habe heute nachmittag in praller Sonne eine junge Frau gesehen, die in Begleitung ihres Körpers auf die Straßenbahn wartete.
R. Magritte
Wenn Vertrautes anfängt, seltsam zu erscheinen, kann Philosophie beginnen. Was könnte vertrauter sein, als die Tatsache, selbstbewusst zu sein und einen Körper zu haben? Ich weiß doch, dass ich ich bin, und nicht eine andere Person. Welche Rolle spielt dabei mein Körper? Gewiss habe ich einen. Und ich habe ihn mir nicht ausgesucht, wie die Kleidung, die ich trage. Meinen Körper trage und habe ich sicherlich nicht auf diese Weise – wenn überhaupt! Vielleicht legt uns manchmal die Sprache nahe, zu sagen "Ich habe einen Körper". Es wird ja auch davon gesprochen, einen Geist oder eine Seele zu haben. Ein anderes Mal könnten Erklärungsversuche zu verwunderlichen Redeweisen drängen, sich in Begleitung eines Körpers zu betrachten. Aber wer wäre ich, der zu seinem Körper in behauptetem Besitzverhältnis stünde; was könnte ich Wesentliches sein, das den Körper zu einer bloßen "Begleiterscheinung" machen würde – ein rein denkendes Subjekt, ein Ich, ein "geflügelter Engelskopf ohne Leib", wie Schopenhauer spitz bemerkte?
Wir stehen nicht vor der Wahl, uns entweder als "Ich" oder als "Stück Lava im Monde" zu verstehen, wie Fichte gegen unverständige Zeitgenossen polemisierte. "Wo unsere Sprache uns einen Körper vermuten läßt, und kein Körper ist, dort, möchten wir sagen, sei ein Geist." Vielleicht stimmt ja die Umkehrung: Wo wir vermuten, uns stets mit dem Geist, dem reinen Subjekt herumzuschlagen, lauert in der Tat der Körper. Nicht nur als "mächtiger Gebieter" und "unbekannter Weiser", zu dem ihn Nietzsche im Zarathustra stilisierte; nicht nur als ständiger Begleiter. Ich bin als Subjekt meiner mannigfaltigen Erfahrungen dieser Körper, und kann mir dessen unmittelbar bewusst sein. Von diesem körperlichen Selbstbewusstsein sollen die folgenden Untersuchungen handeln.
Danksagung
Ich danke Prof. Richard Heinrich für die hilfreiche und freundliche Betreuung meiner Arbeit und für seine inspirierenden Kommentare bezüglich vieler Themen, die weit darüber hinausgehen. Danken möchte ich auch Frau Dr. Gabriele Mras und Dr. Arno Böhler, die mich ebenfalls in zahlreichen Diskussionen und Gesprächen erfahren ließen, wie faszinierend und vielseitig Philosophie sein kann.
Mein besonderer Dank gilt meiner Familie und allen FreundInnen, die mich – nicht nur – während meiner Studienzeit auf so vielfältige wie wunderbare Weise begleitet und unterstützt haben – inspiration beyond words!
Das zentrale Vorhaben der vorliegenden Arbeit ist es dafür zu argumentieren, dass es eine notwendige Bedingung für Selbstbewusstsein ist, ein Bewusstsein von sich selbst als körperlichem Subjekt zu haben. Nur unter dieser Voraussetzung sollte es einsichtig sein, wie sich Subjekte Erfahrungen selbstzuschreiben und selbstbewusste Gedanken haben können. Ich spreche von körperlichem Selbstbewusstsein, von unmittelbarem Bewusstsein vom körperlichen Subjekt; davon, dass sich Subjekte essentiell als körperliche Wesen erfahren müssen. Wenn es entscheidend ist, unter Selbstbewusstsein das Bewusstsein eines individuellen Subjekts zu verstehen, sollte sich zeigen lassen, dass und wie man sich unmittelbar als ein und dasselbe Subjekt psychischer und körperlicher Eigenschaften und Zustände bewusst sein kann. Nur dann, wenn Körperbewusstsein kein vermitteltes Bewusstsein ist – nicht abhängig vom Bewusstsein von sich als psychischem Subjekt –, qualifiziert es sich auch zu körperlichem Selbstbewusstsein.
Die Perspektive der ersten Person ist nicht nur die eines denkenden, wahrnehmenden und empfindenden, kurz eines psychischen Subjekts, sondern zugleich die eines physischen, raum-zeitlich lokalisierten und handelnden Subjekts. Peter Strawson hat für diese Einsicht den Begriff der Person reserviert; den Begriff eines zweiseitigen Individuums im Gegensatz zu zwei miteinander verbundenen Einzeldingen ("one two-sided thing, not two one-sided things"):
Mit dem Begriff der Person meine ich den Begriff eines Typs von Entitäten derart, daß ein und demselben Individuum von diesem einen Typ sowohl Bewußtseinszustände als auch körperliche Eigenschaften, eine physikalische Situation etc. zugeschrieben werden können.
Und ein solches Individuum muss sich qua Subjekt psychische und körperliche Eigenschaften auch selbstzuschreiben können. Michael Ayers hat es pointiert formuliert:
[The physical or material self] is involved neither simply as the postulated subject of experience, nor simply as an ever-present object of experience, but as the presented subject of experience and action.
Sich qua Erfahrungs- und Handlungssubjekt als körperlich gegeben zu sein, markiert den wesentlichen Unterschied zur ontologischen Auffassung, dass wir als Subjekte, als Personen, nun einmal körperlich sind. Die Unterscheidung zwischen epistemologischer und ontologischer Fragestellung wird nach dem folgenden Kapitel-Überblick eine hilfreiche Präzisierung des Ausgangspunktes dieser Arbeit anbieten.
Das erste Kapitel wird den Begriff der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation etablieren. Das epistemische Charakteristikum von Selbstbewusstsein besteht in der Tatsache, dass ein selbstbewusster Gedanke ein Bewusstsein der Identität des Subjekts, das den Gedanken denkt, mit demjenigen, worüber es ihn denkt, einschließt. Ich bin mir unmittelbar bewusst, dass ich es bin und niemand anderer, der sich in einem bestimmten Zustand befindet, einen bestimmten Gedanken denkt, diese oder jene Erfahrung macht. Lässt sich das Faktum, sich unmittelbar, identifikationsfrei als Subjekt mentaler Zustände bewusst zu sein, mit der Erfahrung von einem körperlichen Subjekt vereinbaren? Unmittelbares Selbstbewusstsein drückt sich in Urteilen aus, die immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind. Dieser von Sydney Shoemaker geprägte Begriff geht auf Überlegungen Wittgensteins zurück. Diese werden ebenso vorgestellt, wie Aspekte und mögliche Konsequenzen der damit verbundenen semantischen Besonderheiten von "ich". Wittgensteins Gedanken und Bemerkungen werden immer wieder zur Sprache kommen, und wertvolle Orientierungshilfe leisten. Das gilt m.E. auch für Kant.
Das zweite Kapitel wird die dualistische Herausforderung bezüglich der Möglichkeit von körperlichem Selbstbewusstsein von verschiedenen Seiten behandeln. Im ersten Abschnitt geht es, metaphorisch gesprochen, um einen Dualismus von empirischem und metaphysischem Subjekt bzw. Selbstbewusstsein. Handelt es sich bei Kants Konzeption des transzendentalen Selbstbewusstseins und Thomas Nagels objective self um konkurrierende Entwürfe zur Konzeption eines individuellen empirischen Subjekts? Genießen sie Priorität, weil sie den wesentlichen Kern von Selbstbewusstsein enthüllen? Es sollte sich zeigen lassen, dass beide Entwürfe ihrerseits vom Verständnis eines empirischen Subjekts abhängen.
Ist aber dieses Verständnis ein dualistisches Selbstverständnis? Im zweiten und dritten Abschnitt stellt sich die Herausforderung der epistemischen Priorität des Psychischen gegenüber dem Körperlichen. Angeblich genießen nur Urteile psychischer Selbstzuschreibungen Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation, weshalb unmittelbares Selbstbewusstsein – Bewusstsein von sich qua Subjekt – kein Bewusstsein von sich als Objekt, als Körper sein könnte. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen Sydney Shoemaker und Manfred Frank als Proponenten der epistemischen Priorität des Psychischen. Die genaue Analyse der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation, die sich auf Gareth Evans’ wegweisende Argumentationen stützt, sollte jedoch eine angemessene Basis zur Entkräftung der epistemischen Priorität bieten.
Auch Urteile körperlicher Selbstzuschreibungen können immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sein. Solche Urteile beruhen auf den verschiedenen Formen des Körperbewusstseins, der so genannten somatischen Propriozeption. Im dritten Kapitel wird diese untersucht: die prinzipielle Möglichkeit der körperlichen Selbstvertrautheit als "Wissen, wie es ist, körperliches Subjekt zu sein", das unmittelbare Bewusstsein von den Körperbewegungen, sowie die Körperempfindungen, deren räumlicher Charakter eine einfache Variante des Raumbewusstseins darstellt. Bewusstsein von sich als räumlich lokalisierbarem Subjekt ist ein fundamentaler Aspekt körperlichen Selbstbewusstseins, der direkt mit der Fähigkeit zu handeln, sich absichtlich durch den Raum bewegen zu können, zusammenhängt.
Kapitel vier problematisiert Voraussetzungen, die im zweiten und dritten Kapitel unthematisiert geblieben sind. Den Ausgangspunkt bilden Michael Martins "neodualistische Bedenken". Propriozeption wäre zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für körperliches Selbstbewusstsein. Körperliche Unmittelbarkeit wird erneut infrage gestellt: Sind auf Propriozeption beruhende Urteile tatsächlich immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation? Ein Rekurs auf Argumentationen von Gareth Evans und Quassim Cassam sollte diese Frage klar bejahen. Die Herausforderung stellt sich jedoch auch als Infragestellen von Körperbewusstsein als notwendiger Bedingung für Selbstbewusstsein. Von Cassam als problem of misconception bezeichnet, gipfelt die Problematik in Elizabeth Anscombes Szenario der sensorischen Deprivation. Die Überlegungen, wie damit umzugehen ist, werden eine neue Perspektive auf die notwendigen Bedingungen körperlichen Selbstbewusstseins eröffnen. Deshalb wird im fünften Kapitel anhand von José Bermúdez’ Untersuchungen, der Möglichkeit vorsprachlichen, nichtbegrifflichen Selbstbewusstseins nachgegangen.
Gegenüber ontologischen Fragen wie "Was ist die Natur des Selbst?", "Ist das Subjekt ausschließlich physisch?", stelle ich epistemologische Fragen in den Mittelpunkt dieser Arbeit. Wird Selbstbewusstsein als erkenntnistheoretisches Phänomen behandelt, stellen sich Fragen nach Selbsterkenntnis und Wissen von sich selbst. Auch die phänomenologische Frage bezüglich des spezifisch subjektiven Erlebens – gerne formuliert als "Wie ist es, in diesem oder jenem Zustand zu sein?" – zählt dazu. Aber inwiefern muss ein Subjekt Bewusstsein von der Art des Subjekts haben, das es ist, um überhaupt Bewusstsein von sich selbst haben zu können, um überhaupt selbstbewusstes Subjekt sein zu können? Selbst wenn es ausgemacht sein sollte, dass wir physikalische Wesen sind – inwiefern erfordert Selbstbewusstsein die Erkenntnis unserer ontologischen Natur? Muss das Subjekt wissen, was es ist, um zu wissen, dass es ist? Die Verbindung von Selbstbewusstsein und Selbsterkenntnis ist alles andere als selbstverständlich. So meinte bekanntlich Kant, dass "das Bewußtsein seiner selbst [...] noch lange nicht ein[e] Erkenntnis seiner selbst [ist]".
Wenn sich ein Subjekt wahrerweise eine Eigenschaft zuschreibt, dann hat es Wissen von sich selbst, von dem es zugleich wissen muss, dass dieses Wissen ein Wissen von sich selbst ist. Diese Emphase – Wissen von sich selbst qua Wissen von sich selbst – ist keine überflüssige Verdopplung, wie sich bald herausstellen wird. Vielleicht muss ein selbstbewusstes Subjekt nicht unbedingt Wissen von sich selbst haben. Wissen von sich selbst kann nur haben, wer Überzeugungen – auch falsche – von sich selbst haben kann. Dies ist wiederum nur möglich, wenn man die Fähigkeit besitzt, überhaupt selbstbewusste Gedanken haben zu können. Vielleicht ist es ja möglich, dass ein Subjekt gänzlich falsche Überzeugungen hat, obwohl es selbstbewusst ist; einfach weil es sich in bestimmter Weise erfährt. Während die Ausdrücke Wissen, Meinung, Verstehen eine sprachlich-begriffliche Dimension implizieren, lässt sich mit dem umfassenderen Begriff der Erfahrung auch nicht- bzw. vorsprachliches, nichtbegriffliches Bewusstsein thematisieren. Ob sich unter den Formen vorsprachlichen Bewusstseins Kandidaten einfacher, rudimentärer Arten des Selbstbewusstseins finden lassen, spielt in der gegenwärtigen Diskussion eine prominente Rolle – so auch im letzten Kapitel dieser Arbeit.
Das epistemische Charakteristikum von Selbstbewusstsein, das all diesen Fällen gemeinsam ist, besteht in der Tatsache, dass ein selbstbewusster Gedanke ein Bewusstsein der Identität des Subjekts, das den Gedanken denkt, mit demjenigen, worüber es ihn denkt, einschließt. Ich bin mir unmittelbar bewusst, dass ich es bin und niemand anderer, der sich in einem bestimmten Zustand befindet oder einen bestimmten Gedanken denkt. Und ich kann mir unmittelbar bewusst sein, dass ich mich in diesem Zustand befinde oder diesen bestimmten Gedanken denke. Dazu ist keine besondere Identifikationsleistung nötig.
Ein Subjekt kann aber auch an jemanden denken, Überzeugungen und auch Wissen von einer Person haben, die es selbst tatsächlich ist, ohne sich im Klaren darüber zu sein, dass es etwas von sich selbst weiß. Dazu ein bereits "doppelt" klassisches Beispiel, da es in der Selbstbewusstseinsdebatte gerne zur Illustration verwendet wird: Ödipus dachte, dass der Mörder von Laios ein schreckliches Verbrechen begangen hatte und bestraft werden müsste. Aber er dachte dabei nicht an sich. Er hatte nicht den selbstbewussten Gedanken, dass er selbst jenen Mord begangen hatte. Wenn ich zwar de facto Person bin, mich aber nicht als Subjekt dementsprechend erfahre, dann bleibt eine entscheidende Lücke offen. Es wäre, als blickte ich in einen Spiegel, ohne mich dabei als mich selbst zu erkennen. Ich würde eine Person wahrnehmen, die ich tatsächlich bin – aber nicht selbstbewusst. Und genau darauf kommt es an. Ich muss einen Gedanken, dessen Inhalt von mir handelt, als Gedanken über mich verstehen; oder stärker: Wissen von mir selbst als Wissen von mir selbst haben. Deshalb ist es nicht hinreichend, für körperliches Selbstbewusstsein auf der Grundlage argumentieren zu wollen, dass wir doch de facto körperliche Subjekte sind; wie etwa Roderick Chisholm suggeriert: "If we are identical with our bodies and if, as all but sceptics hold, we do perceive our bodies, then, whether we realize it or not, we also perceive ourselves."
Zuweilen wird der Unterschied zwischen epistemischer und ontologischer Fragestellung auch anhand des Verhältnisses von "interner" Perspektive der ersten Person und "externer" Perspektive anderer Personen auf ein bestimmtes selbstbewusstes Subjekt dargestellt. Diese dichotomische Metaphorik ist solange unproblematisch, wie man bedenkt, dass die Unterscheidung zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven, dem "Internen" und dem "Externen", nicht entlang der Grenze zwischen Psychischem und Physischem zu verlaufen hat. Ist es nicht so, dass man von seinem Körper auf eine Art und Weise Erfahrung hat, wie man sie von keinem anderen Gegenstand hat, gewissermaßen aus der "Innenperspektive"? Normalerweise fühlen wir Empfindungen nur in bzw. auf unserem Körper und in keinem anderen. Wir bewegen unseren Körper – nichtdualistisch gesagt: wir bewegen uns als körperliche Subjekte –, wie wir keinen anderen Gegenstand bewegen; dasselbe gilt für die Fähigkeit zu handeln. Diese Tatsachen sind hinreichend für eine Unterscheidung unseres Körpers als besonderem Objekt von allen anderen Objekten. Die Unmittelbarkeit und "Selbstvertrautheit", in der uns unsere Bewusstseinszustände zugänglich sind, sollte sich ausweiten lassen auf bestimmte Arten, Wissen von unseren körperlichen Eigenschaften zu erlangen. Es wird sich zeigen, dass und wie somatische Propriozeption als Körperwahrnehmung zu verstehen ist, die uns unmittelbar Information von uns als körperlichen Subjekten liefert.
Die externe Perspektive sollte nicht mit einer theoretischen Einstellung gleichgesetzt werden; sie zeigt sich in einer solchen aber sehr deutlich. Theoretische Einstellungen, die selbstverständlich jedes Subjekt auch zu sich selbst einnehmen kann, kennzeichnet oftmals ihr ontologischer Charakter, der sich in Fragen wie "Was oder wer bin ich?", "Was ist die Natur des Subjekts?" manifestiert. So könnte wiederum die Frage auftauchen, ob nicht das ontologische Leib/Seele-Problem behandelt werden müsste, bevor man sich in Fragen des Selbstbewusstseins stürzt; weil es hinreichend wäre zu zeigen, dass Bewusstseinszustände etwas Physisches sind. Aus folgendem Grund glaube ich nicht, dass dem so ist.
Worauf es ankommt, ist zu untersuchen, ob und wenn ja, wie sich ein Subjekt seiner körperlichen Eigenschaften und Zustände auf unmittelbare Weise bewusst sein kann. Dabei handelt es sich um körperliche Eigenschaften und Zustände, die immer schon als solche eingestuft worden sind; z.B. von Descartes als Modi der Ausdehnung. Der Bereich des Physischen umfasst gewiss mehr als materielle Gegenstände auf makroskopischer Ebene, mehr als Körper mit ihren Eigenschaften und Bewegungen in Raum und Zeit. Aber die infrage stehenden unmittelbaren körperlichen Selbstzuschreibungen betreffen neuronale Vorgänge ebenso wenig wie Verdauungsprozesse (vielleicht aber das Ausscheiden ihrer Endprodukte). Ob sich hingegen auch die klassisch verstandenen psychischen Eigenschaften als physische erweisen, etwa weil sie auf letztere reduzierbar oder eliminierbar sein sollten, berührt meine Fragestellung höchstens indirekt. Zunächst geht es "bloß" darum, bestimmte – natürlich auch psychische – Prädikate zuzuschreiben. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass dieselben Prädikate besser durch Prädikate zu ersetzen sind, die ihnen in einem anderen – etwa dem physikalischen – Vokabular entsprechen, dann macht das die jetzige Zuschreibung in meinen Augen weder falsch noch unsinnig. In der Tat verfügen wir zum jetzigen Zeitpunkt über keine adäquateren Ausdrücke als "eine Meinung haben", "sich in einem Bewusstseinszustand befinden", "die Intention, den Wunsch haben", "etwas empfinden" usw. Und es sieht ganz danach aus, als müssten wir uns nicht so bald von diesen Ausdrücken verabschieden.
Die epistemologische Frage, inwiefern man sich als Subjekt körperlich erfahren muss, wie man sich als körperliches Subjekt unmittelbar gegeben ist, hilft natürlich, die ontologische Frage nach der Natur des Subjekts zu motivieren – und umgekehrt. Wenn es einsichtig gemacht werden kann, dass und wie wir uns unmittelbar als körperliche Subjekte erfahren, dann vermag das auch eine nichtdualistische Position des Selbst zu stärken. Umgekehrt schließt die Tatsache, ein denkendes Wesen zu sein, a priori nicht die Möglichkeit aus, qua denkendes Wesen körperlich zu sein. In der Tat erscheint diese Möglichkeit um nichts mysteriöser als die Tatsache, dass einige Körper Lebewesen sind und andere nicht: "Wenn wir für diesen Zusammenhang Descartes zurechtrücken wollten, dann könnten wir nicht nur sagen ‚Ich denke, also bin ich‘ und ‚Ich bin etwas Denkendes‘, sondern auch: Ich bin etwas Denkendes, also bin ich etwas Physisches." Ich gebe gerne zu, dass dies eine weit gehend unhinterfragte Prämisse dieser Arbeit bleiben wird.
Selbstbewusstsein ist häufig als ebenso faszinierendes wie rätselhaftes Phänomen eines ausgezeichneten Wissens charakterisiert worden; was wir von uns selbst wissen, wäre uns mit besonderer "Autorität", in prinzipiell anderer Weise zugänglich, als das, was wir von allem anderen, auch anderen Personen, wissen können. Und dieses Wissen sollte in erster Linie nicht unsere körperlichen Eigenschaften betreffen – so die Annahme –, sondern den Bereich des Mentalen. Gilbert Ryle bezeichnete diese "traditionelle Intuition" mit dem Schlagwort der "Doktrin des privilegierten Zugangs" – und kritisierte sie. Ryle sprach von einem bloß graduellen im Gegensatz zu einem prinzipiellen Unterschied zwischen dem Zugang der ersten Person zu ihren eigenen Bewusstseinszuständen und der Art und Weise, wie wir von den Bewusstseinszuständen anderer wissen können – indem wir beobachten, was wir sagen und wie wir handeln. "Das, was ich über mich selbst herausfinden kann, ist von derselben Art wie das, was ich über andere herausfinden kann, und die Methoden es herauszufinden, sind ungefähr dieselben."
Ryles erster Aussage sollte getrost zugestimmt werden. Selbstverständlich kann ich genauso gut herausfinden, wie es mir und wie es anderen Personen geht – aber auf dieselbe Weise? Ryles zweite "Beobachtung" trifft offenbar nicht zu. Bleiben wir bei einem Beispiel, dem der Charakter der Unmittelbarkeit anhaftet – den Empfindungen. Wenn ich Schmerzen habe, muss ich mich denn erst beobachten, auf mein Verhalten achten, um herauszufinden, in welchem Zustand ich mich befinde? Offenbar nicht; andere hingegen müssen das sehr wohl tun. Dabei handelt es sich nicht um eine beiläufige Kuriosität, sondern um einen charakteristischen Fall, an dem sich exemplifiziert, wie sich die Bedingungen Wissen von sich selbst zu erlangen, in spezifischer Weise von den Bedingungen des Wissenserwerbs in anderen Bereichen unterscheiden. Zwischen der Perspektive der ersten und den anderen Personen eröffnet sich eine epistemische Asymmetrie. Dass dieses Phänomen besteht, ist in der gegenwärtigen Diskussion unbestritten. Wir können es von der Subjekt- und von der Prädikatseite eines selbstbewussten Urteils betrachten.
Ebenso wenig, wie ich mich darin irren kann, wer Schmerzen hat, könnten Zweifel auftauchen, dass ich mich in diesem bestimmten Zustand befinde. Behaupte ich, braune Haare zu haben, und die Frage taucht auf, woher ich denn das wisse, dann könnte ich verschiedene Gründe anführen, z.B. weil ich mich im Spiegel betrachtet habe usw. Dasselbe gilt, wenn ich anderen eine Empfindung zuschreibe. Ich kann die Aussage "Sie hat Schmerzen" treffen, weil ich ihr Verhalten beobachte; und dabei kann ich mich natürlich irren. Wollte man aber von mir mit der Frage "Woher weißt du, dass du Schmerzen hast?" eine Verifikation verlangen, müsste man sich mit der Antwort zufrieden geben, dass ich es weiß, weil ich Schmerzen habe, bzw. weil ich es fühle. Vielleicht ließe sich die Aufrichtigkeit meiner Äußerung in Zweifel ziehen – ich könnte Schmerzverhalten vortäuschen –, aber nicht mein Wissen von diesem Zustand. Dieses Wissen ist unmittelbar, weil es nichtinferentiell ist; weder über eine Beobachtung meines Verhaltens noch über das Heranziehen anderer – vielleicht medizinischer – Belege, aus denen ich meinen Zustand erschließen müsste, vermittelt. Ein paradigmatischer Fall, bei dem die Merkmale "unmittelbar" und "unkorrigierbar" zusammen auftreten.
Trotzdem genießt die Prädikatseite selbstbewusster Gedanken und Urteile vermutlich eine viel beschränktere Autorität i.S.v. "Evidenz", "Infallibilität", "Unbezweifelbarkeit" oder "Unkorrigierbarkeit", als bisweilen angenommen worden ist. Wir haben unzählige intentionale Zustände – Überzeugungen, Wünsche, Hoffnungen usw. –, die uns keineswegs unmittelbar bewusst, evident sind. Bleibt man nicht stets dem Schmerz-Beispiel verhaftet, sondern betrachtet auch Empfindungen und Gefühle in ihren komplexen Variationen, ist der Anschein von Infallibilität schnell verflogen. Abgesehen von rein linguistischen Fehlern der Beschreibung, gibt es mindestens drei typische Fälle von falscher Selbsteinschätzung der eigenen geistigen Phänomene: Selbsttäuschung, Fehldeutung und Unaufmerksamkeit. So kann es vorkommen, dass man vielleicht denkt "Ich bin wütend", ändert aber schon bald seine Meinung und urteilt "Nein, ich bin nicht wütend; eigentlich hat es mehr mit Neid zu tun...". Oder handelt es sich etwa um eine brisante Mischung aus Neid, Eifersucht und Zorn? Manchmal verändert sich mit der Klassifikation auch der emotionelle Charakter der Zustände. Eine Fülle möglicher Selbsteinschätzungen, die natürlich auch fehlschlagen können, eröffnet sich.
Die "Autorität der Subjektseite" sollte sich dagegen als Immunität der ersten Person – ich kann mir unmittelbar, identifikationsfrei, nicht kriteriell vermittelt bewusst sein, dass ich es bin und keine andere Person, die F ist – auf den häufig als von Psychischem abhängig "veräußerten" Bereich des Körperlichen ausdehnen lassen. Um einsichtig zu machen, dass sich ein Subjekt nicht nur seiner psychischen, sondern ebenso seiner körperlichen Zustände unmittelbar bewusst sein kann, muss die Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation untersucht werden. Gehen wir an den Ursprung der Debatte zurück – zu Wittgenstein.
1.1 Wittgenstein: Subjekt- und Objektgebrauch von "ich"
Wittgenstein spricht in seinen als Blue Book herausgegebenen Diktaten von 1933/34 von zwei verschiedenen Arten das Pronomen "ich" bzw. "mein" zu gebrauchen – einem Objektgebrauch und einem Subjektgebrauch.
Es gibt zwei Gebräuche des Wortes "ich" (oder "mein"), die ich "Objektgebrauch" und "Subjektgebrauch" nennen könnte. Hier sind Beispiele von der ersten Art: "Mein Arm ist gebrochen", "Ich bin zehn Zentimeter gewachsen", "Ich habe eine Beule auf meiner Stirn", "Der Wind zerweht meine Haare". Und hier Beispiele von der zweiten Art: "Ich sehe so-und-so", "Ich höre so-und-so", "Ich versuche, meinen Arm zu heben", "Ich denke, daß es regnen wird", "Ich habe Zahnschmerzen". Man kann auf den Unterschied zwischen diesen beiden Kategorien hinweisen, indem man sagt: Die Fälle in der ersten Kategorie machen es erforderlich, daß man eine bestimmte Person erkennt, und in diesen Fällen besteht die Möglichkeit des Irrtums, – oder ich sollte besser sagen: Die Möglichkeit des Irrtums ist vorgesehen.
Die Art von Irrtum, die Wittgenstein an dieser Stelle anspricht, ist ein Irrtum durch Fehlidentifikation bezüglich "ich". Angenommen ich blicke in einen Spiegel und glaube, eine Beule auf meiner Stirn zu entdecken. In Wirklichkeit sehe ich aber die Beule auf der Stirn einer mir ähnlich sehenden Person. Was hier passiert, hat Sydney Shoemaker in Selfreference and Selfawareness folgenreich definiert:
[D]ie Aussage, eine Behauptung wie "a ist ? " unterliege einem Irrtum durch Fehlidentifizierung bezüglich des Terminus "a" [bedeutet], daß das folgende möglich ist: der Sprecher weiß, daß ein bestimmtes Ding ? ist, aber er behauptet fälschlicherweise, "a ist ? ", weil und nur weil er irrtümlich glaubt, das Ding, von dem er weiß, daß es ? ist, sei dasjenige, auf das sich "a" bezieht.
Genau dieser Fehler ist in den Fällen des Subjektgebrauchs von "ich" ausgeschlossen. Wittgensteins Auskunft, dass die Frage "Bist du sicher, dass du es bist, der Schmerzen hat?", doch unsinnig wäre, berührt den zentralen Punkt – und kann als einfaches Kriterium zur Ermittlung identifikationsfreier Aussagen festgehalten werden. Äußere ich z.B., dass ich (Zahn-)Schmerzen habe, dann muss ich mich offenbar nicht erst umschauen, um herauszufinden, wer es denn eigentlich ist, der da Schmerzen hat.
Die entscheidende Frage ist epistemisch; ob es für das Zustandekommen des Urteils erforderlich ist, "dass man eine bestimmte Person erkennt". Bei Urteilen wie "Ich habe eine Beule auf der Stirn" können es zwei Schritte sein: ein prädikativer "a ist F" und ein identifizierender "Ich bin a", die zum Resultat "Ich bin F" führen. Die Prädikation, die Selbstzuschreibung, ist über ein (implizites) Identitätsurteil vermittelt. Und bei der Identifikation kann prinzipiell ein Fehler unterlaufen. Ich kann mich fälschlicherweise mit der Person identifizieren, die eine Beule auf der Stirn hat. Diese Möglichkeit ist im so genannten Subjektgebrauch von "ich" ausgeschlossen. Solche Aussagen sind immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation. Ein selbstbewusster Gedanke (bzw. eine Aussage, die Selbstbewusstsein ausdrückt) schließt das Bewusstsein der Identität der Person, die den Gedanken denkt, mit derjenigen, worüber sie ihn denkt, ein. Ich bin mir unmittelbar bewusst, dass ich es bin und niemand anderer, der eine bestimmte Eigenschaft hat oder zumindest zu haben scheint.
There just does not appear to be a gap between the subject’s having information (or appearing to have information), in the appropriate way, that the property of being F is instantiated, and his having information (or appearing to have information), that he is F; for him to have, or to appear to have, the information that the property is instantiated just is for it to appear to him that he is F.
Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation wird zu dem entscheidenden Merkmal für das Verständnis und die Erklärung von Selbstbewusstsein, weil sich in derartigen Urteilen unmittelbares, nicht über Identifikation bzw. über ein Identitätsurteil vermitteltes, Selbstbewusstsein ausdrückt. Die Bedeutung der Immunität gegen Irrtum durch Felidentifikation besteht in ihrem Nachweis, dass es bestimmte Weisen gibt, sich unmittelbar und direkt als Subjekt der Selbstzuschreibung bewusst zu sein.
Was wäre aber der Fall, wenn alle Selbstzuschreibungen eine Identifikations-komponente enthielten? Fragen wir uns, wie man etwas als sich selbst identifizieren kann, so gibt es zwei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit wäre, den gegebenen Gegenstand als mich selbst anhand bestimmter Eigenschaften/Merkmale zu identifizieren; z.B. anhand meines Namens, meines Geburtsdatums. Dies impliziert aber bereits ein Wissen von bestimmten Eigenschaften, die ich habe oder zumindest glaube, zu haben. Die zweite Möglichkeit einen Gegenstand als mich selbst zu identifizieren, wäre herauszufinden, dass er in einer Relation zu mir steht, in der nur ich zu mir selbst stehen kann, z.B. sich an demselben Ort zu befinden. Auch diese Variante setzt schon voraus, dass ich wissen muss, dass ich es bin, der zu dem Gegenstand in dieser ausgezeichneten Relation steht. Und nichts liegt näher, als bei diesem Gegenstand an den eigenen Körper zu denken; wer nichtdualistische Absichten hegt, sollte besser an seine Kleidung denken.
Dieses vorausgesetzte Wissen von sich selbst muss schon unabhängig von der fraglichen Identifikationsleistung vorhanden sein. Und auch wenn jenes Wissen vielleicht seinerseits auf einer anderen Identifikation beruht, kann nicht alles Wissen von sich selbst auf einer Identifikation beruhen. Selbstbewusstsein kann nicht erst als Resultat einer Identifikationsleistung auftreten. Eine solche Annahme führt in einen unendlichen Regress, in dem sich das Subjekt nie zu fassen bekäme. Ryle hat diese Flüchtigkeit köstlich beschrieben:
Das Kind kann nur seine Rockschöße fassen; das "Ich" selbst ist immer und hartnäckig einen Schritt seinen Rockschößen voran. Wie der Schatten des eigenen Kopfes wartet es nicht, daß man darauf springen kann. Und doch ist es nie sehr weit voran; ja manchmal scheint es überhaupt nicht dem Verfolger voraus zu sein. Es weicht dem Einfangen dadurch aus, daß es sich innerhalb der Muskeln des Verfolgers selbst einquartiert. Es ist zu nahe, um in Reichweite des Arms zu sein.
Die Grundlage des Wissens von sich selbst kann nur in denjenigen Fällen von Selbstzuschreibungen zu suchen sein, die keine Identifikationskomponente beinhalten, die immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind; Selbstzuschreibungen, in denen "ich" laut Wittgenstein im Subjektgebrauch vorkommt. Epistemische Priorität genießen Urteile ohne Identifikationskomponente.
Ob es sich dabei nur um psychische Selbstzuschreibungen handeln kann, ist damit allerdings noch nicht entschieden. Wenn es prinzipiell möglich ist, sich eines gegebenen Objekts – (s)eines Körpers – auf bestimmte Weise als sich selbst, als Erfahrungssubjekt, bewusst zu sein, ohne dass dazu eine zusätzliche Identifikationsleistung erforderlich wäre, dann entfällt die Bedingung, Bewusstsein von sich selbst als Objekt erfordere stets eine Identifikation des gegebenen Objekts mit sich als Subjekt. Somit muss offen bleiben, ob Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation nur auf Aussagen psychischer Selbstzuschreibungen zutrifft. Das wird im Folgenden infrage gestellt werden. Zuvor sind die Besonderheiten der Referenz von "ich" zu erörtern.
1.2 Kennzeichnungen, Eigennamen, demonstrative Referenz und "ich"
Wittgenstein hat nun weiters konstatiert: "Das Wort ‚ich‘ bedeutet nicht dasselbe wie ‚L.W.‘, selbst wenn ich L.W. bin, noch bedeutet es dasselbe wie der Ausdruck ‚die Person, die jetzt spricht‘." Eine äußerst folgenreiche Einsicht für sprachanalytische Untersuchungen, die Einzigartigkeit des Pronomens "ich" im Gegensatz zu anderen deiktischen Ausdrücken, Kennzeichnungen und Eigennamen herauszustellen. Und es herrscht weitgehende Einigkeit darüber, warum sich "ich" von bestimmten Beschreibungen, Eigennamen und demonstrativen Ausdrücken unterscheidet. Dieser Unterschied lässt sich besonders deutlich anhand eines Beispiels der indirekten Rede erläutern. Vergleichen wir die drei folgenden Aussagen:
Die Aussagen (1) und (3) bzw. (2) und (3) haben nicht dieselbe Bedeutung. Denn Aussage (3) impliziert entweder Aussage (1) oder (2), während der umgekehrte Fall nicht zutrifft. Dies lässt sich folgendermaßen veranschaulichen. Shoemaker ist natürlich der Autor von Self-Reference and Self-Awareness; und angenommen, er ist tatsächlich der gewitzteste Dualist aus Boise, Idaho (wofür einiges spricht, wie wir noch sehen werden). Dessen ungeachtet besteht für ihn die Möglichkeit zu wissen, dass es sich bei dem gewitztesten Dualisten oder bei Shoemaker um einen bestimmten Autor handelt, ohne jedoch zu wissen, dass es sich dabei um ihn selbst handelt. Shoemaker könnte an plötzlichem Gedächtnisschwund leiden und infolge dessen seinen Namen und seine philosophischen Aktivitäten vergessen haben. Vielleicht würde er auch urteilen: "Äußerst gewitzt, wie dieser Herr Shoemaker es anstellt, seine dualistischen Präferenzen mit einem funktionalistischen Materialismus in Einklang zu bringen." Er wüsste aber immer noch nicht, dass er die ganze Zeit von sich selbst spricht oder an sich selbst denkt. Es erginge ihm wie dem bereits erwähnten Ödipus; wenn auch nicht mit denselben dramatischen Konsequenzen. Im Sinne der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation ist zu sagen: Shoemaker weiß von jemandem, dass dieser der Autor von Self-Reference and Self-Awareness etc. ist. Und schon bald könnte sich ihm die Frage stellen "Bin etwa ich der Autor von Self-Reference and Self-Awareness; bin ich derjenige, von dem behauptet wird, er hätte sein Gedächtnis verloren?" Und nun wird der identifikatorische Schritt "Ich bin a" mittels des entsprechenden Namens oder einer Beschreibung erforderlich.
Weder durch die Kennzeichnung in Aussage (1) noch durch den Eigennamen in Aussage (2) ist garantiert, dass wir Shoemaker de facto Wissen von sich selbst qua Wissen von sich selbst zuschreiben. Das können wir nur mit Aussage (3). Denn in (3) übernimmt das Reflexivpronomen "er selbst" die Rolle des selbstbewussten Indikators "ich" der direkten Rede, weshalb ein referentieller Fehlschlag des indirekt-reflexiven Selbstverweises ausgeschlossen ist. Weder der Indikator "ich" noch seine Pendants der indirekten Rede, "er/sie selbst", lassen sich salva veritate durch Kennzeichnungen oder Namen ersetzen. Aus diesen semantischen Einsichten ist die epistemische Lehre zu ziehen, dass nicht alle selbstreferentiellen Aussagen auch Selbstbewusstsein ausdrücken – "selbstbewusste Selbstreferenz" (man könnte auch von nichtakzidenteller Selbstreferenz sprechen) ist ebenso wenig pleonastisch wie die Rede von einem "selbstbewussten Subjekt".
Lässt sich "ich" weder durch die Kennzeichnung eines Geburtsdatums noch durch einen Eigennamen wie "P.K." ersetzen, dann müssen wir hinzufügen, dass es sich ebenso wenig durch demonstrative Wendugen wie "dieser Körper", "diese Person" oder durch "die Person hier" ersetzen lässt. Ich könnte beispielsweise in einer verspiegelten Tür eine Person wahrnehmen – ähnlich, wie es einst Ernst Mach in der Straßenbahn erging – und mir denken "Dieser Typ sieht aber miserabel aus!" Und wieder hätte ich nicht erkannt, dass ich es bin, der auf sein Äußeres besser achten sollte. Wenn ich es aber erkenne, dann kann sich das auch in meiner Fähigkeit zu handeln zeigen. Das illustriert John Perrys Beispiel von der Zuckerspur in einem Supermarkt. Perry wollte den Kunden mit dem zerrissenen Zuckerpäckchen ausfindig machen, der das Schlamassel angerichtet hatte. Dabei folgte er der immer breiter werdenden Zuckerspur so lange, bis er endlich erkannte, dass er selbst es war, aus dessen Einkaufswagen der Zucker rieselte. Erst die Selbstidentifikation "Ich bin ja diese/r Person/Kunde mit dem zerrissenen Zucker-päckchen!" konnte ihn dazu befähigen, nicht mehr der Spur zu folgen und das Päckchen in seinem Einkaufswagen anders hinzulegen.
Der Unterschied zwischen "ich" und demonstrativer Referenz lässt sich durch Thematisieren zweier Referenzfehler verdeutlichen – falsche Referenz, auf einen anderen als den intendierten Referenten; und die Möglichkeit leerer Referenz, wenn es überhaupt keinen existierenden Referenten gibt. Bei einem demonstrativen Urteil wie "Dies ist rot" besteht die Möglichkeit dieses Fehlschlags der Referenz – etwa wenn die Person halluziniert und es überhaupt kein rotes Ding gibt, worauf sie sich zu beziehen glaubt. Sehr anschaulich demonstriert das Elizabeth Anscombes hübsch makabres Beispiel von der leeren Urne.
Jemand kommt mit einer Büchse und sagt: "Das ist alles, was vom armen Jones übriggeblieben ist." Die Antwort auf "dieses was?" ist dann: "dieses Häufchen Asche". Aber was der Sprecher nicht weiß – die Büchse ist leer. Was "dieses" bei korrektem Gebrauch aufweisen muß, ist etwas, worauf es einschnappt ["something that it latches on to"], wie ich es ausdrücken will: In diesem Beispiel ist es die Büchse. [...] Der Referent und das, worauf "das" einschnappt, können zusammenfallen, wie wenn ich sage: "Dieser Brummton in meinen Ohren ist fürchterlich", oder, nachdem ich eine Rede gehört habe: "Das war glänzend!" Sie müssen jedoch nicht zusammenfallen.
Jede richtige Verwendung von "ich" verbürgt indessen die Existenz seines Referenten – Cogito, ergo sum in sprachanalytischem Gewand. Wir treffen auf Descartes’ Einsicht, "daß dieser Satz: ‚Ich bin, ich existiere‘, so oft ich ihn ausspreche oder in Gedanken fasse, notwendig wahr ist". Und diese Existenz-Garantie des Referenten von "ich" kann nicht so verstanden werden, dass es vielleicht irgendwo in der Umgebung einen Referenten gibt, den man erst anhand bestimmter Kriterien erkennen und identifizieren muss; wie in den geschilderten Fällen, in denen man sagen kann, ich wisse, dass jemandem eine bestimmte Eigenschaft zukommt, es aber fraglich sein mag, ob ich derjenige bin. Ich weiß unmittelbar, ohne Identifikation, dass das, was ich für den Referenten halte, auch tatsächlich der Referent ist – nämlich ich selbst. Diese Garantie gegen leere Referenz geht Hand in Hand mit der Garantie gegen Fehlreferenz; oder mit Anscombes trefflichen Worten gesagt: "Schon ‚Ich...‘ zu denken garantiert nicht allein die Existenz, sondern auch die Anwesenheit seines Referenten. Es garantiert die Existenz, weil es die Anwesenheit garantiert"
1.2.1 Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation und "ich"
Es erscheint mir wichtig, auf eine mögliche Verwechslung hinzuweisen. Auch wenn die referentiellen Besonderheiten des Pronomens "ich" und Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation engstens miteinander verbunden sind, dürfen sie nicht gleichgesetzt werden. Bei den Besonderheiten von "ich" handelt es sich um semantische Merkmale, Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation ist eine epistemische Besonderheit. Einerseits werden Urteile, die immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind, konventionell mit "ich" an der Subjektstelle ausgedrückt. Andererseits bleibt die Referenz-Garantie von "ich" auch in Aussagen erhalten, die nicht immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind; gleichgültig, ob "ich" im Subjekt- oder Objektgebrauch vorkommt. Der wesentliche Unterschied besteht allerdings darin, dass Aussagen mit "ich" im Objektgebrauch durch ein Identitätsurteil vermittelt zustande gekommen sind. Der Subjektgebrauch schließt dagegen aus, eine Aussage der Form "Ich bin F" als Resultat der beiden Operationen "a ist F" und "Ich bin a" zu analysieren. Die Identifikationskomponente ist auch in den Fällen des Objektgebrauchs von "ich" immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation.
Aber ist es eine Konsequenz der Nichtersetzbarkeit von "ich" durch Namen und Kennzeichnungen, dass Aussagen mit derartigen singulären Termini an der Subjektstelle nicht immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind? Laut Shoemakers Definition eines Identifikationsfehlers (bzw. der Immunität gegen derartigen Irrtum) kann für "a" auch ein Eigenname oder eine Kennzeichnung stehen. Und Shoemaker hat darauf hingewiesen, dass Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation auch Aussagen mit Eigennamen und bestimmten Beschreibungen zukommen kann. Betrachtet man Beispiele wie "Der große Eroberer Galliens ist zornig, da noch nicht ganz Gallien unterworfen ist" oder "Sun Ra presents you his Astro Intergalactic Infinity Arkestra", trifft das sicherlich zu, wenn die entsprechenden Personen intendieren, mit den jeweiligen Ausdrücken auf sich zu referieren. In vielen Fällen ist auch gar kein bestimmter sprachlicher Ausdruck für die erste Person nötig, wenn "ich" als bloßes "Hilfsmittel der Kommunikation" verwendet wird. Dennoch wird für andere Personen in den meisten Fällen ersichtlich sein, ob ein Ausdruck selbstbewusst verwendet wird oder nicht. Kinder verwenden bekanntlich ihren Eigennamen noch bevor sie den "ich"-Gebrauch beherrschen. Und um erneut ein Beispiel aus Anscombes viel diskutiertem Artikel zu verwenden, bietet sich die kurze Schilderung von "Baldy" an, die sie von William James übernimmt.
In half-stunned states self-consciousness may lapse. A friend writes me: "We were driving back from –– in a wagonette. The door flew open and X, alias ‘Baldy’, fell out on the road. We pulled up at once, and then he said, ‘Did anybody fall out?’ or ‘Who fell out?’ – I don’t exactly remember the words. When told that Baldy fell out, he said, ‘Did Baldy fall out? Poor Baldy!’ "
Baldy verwendete seinen Namen eben nicht selbstbewusst; nicht wie ein Bub, der (im zweifachen Sinn) selbstbewusst seinen Wunsch ausdrückt – "Peter will ein Eis!" – und nachdem ihm der Wunsch verwehrt worden ist, etwas resignierend meint "Armer Peter!" Trotzdem dürfte diese Art der Selbstreferenz nur dann gelingen, wenn identifizierende Gedanken vorausgesetzt werden können, die wir konventionell mithilfe von "ich" charakterisieren; etwa "Ich bin der große Eroberer Galliens", "Ich bin Baldy" oder "Ich bin Peter". Insofern können wir daran festhalten, dass selbstbewusste Gedanken am besten in Aussagen bzw. Urteilen mit "ich" an der Subjektstelle ausgedrückt werden.
1.2.2 Ontologische Konsequenzen
Hat man die Besonderheiten von "ich" einmal (an)erkannt, drängt sich die Frage, als wie existierend denn diese/r Sprecher/in zu verstehen ist, mit derselben Dringlichkeit auf, die schon Descartes empfunden haben muss, wenn er unmittelbar auf die Einsicht des "Cogito, ergo sum" konstatierte: "Noch erkenne ich aber nicht zur Genüge, wer ich denn bin, der ich jetzt notwendig bin [...]".
Impliziert "Sprecher/in" bereits notwendig "Person", oder spricht vielleicht "etwas durch den Körper"? "Ich" ist jedenfalls nicht nur eine unzureichende, sondern überhaupt keine Antwort auf die Frage, wer oder was ich bin. Wenn "ich" diese Rolle nicht übernehmen kann, dann erlauben die Besonderheiten des Ausdrucks "ich" allein noch nicht, auf einen besonders gearteten Referenten zu schließen. Ebenso wenig sollte von einem kontingenten Identitätsurteil wie "Ich bin P.K." auf die Kontingenz der Körperlichkeit des Referenten geschlossen werden. Dennoch vermag eine semantische Analyse der Referenz-Garantie von "ich", zusammen mit seiner Nichtersetzbarkeit durch Kennzeichnungen und Eigennamen, einer "nichtsubstantiellen", körperlosen Auffassung in die Hände zu arbeiten. Denn so scheint auch ein wichtiger Hinweis auf eine Trennung von Selbstbewusstsein, ausgedrückt durch die garantierte direkte Selbstreferenz von "ich", und bestimmtem deskriptiven Wissen von sich selbst, gegeben zu sein. Die Schwierigkeit bleibt, dass man offenbar kein Wissen von sich selbst als Person haben muss, und sich trotzdem auf sich selbst beziehen kann – "just as, according to Kant, self-consciousness does not require self-knowledge, so it now appears that self-reference does not require self-knowledge."
Allein durch das Merkmal der Garantie gegen beide Arten von Referenzfehlern kann nicht erwiesen werden, dass es sich bei dem/der Sprecher/in (bzw. dem/der Denker/in) nur um ein körperliches Subjekt handeln kann und nicht um ein Subjekt, das seinen Körper besitzt, durch den es spricht. Eine Berufung auf die direkte Referenz von "ich" allein stützt eine "substantielle" Personen-Konzeption – "a concept of ourselves and other people as beings who are both corporeal and conscious" – nicht so einfach, wie etwa Strawson in folgender Passage suggeriert:
I must repeat the point that the immunity of ‘I’ from reference-failure (of either kind) in the thought, or speech, of any human user of it, whatever his condition, is guaranteed by the role of the expression in the ordinary practice, well established among human beings, of reference to themselves and each other. Hence it follows that no case for the existence of any use of ‘I’ other than its use in reference to a human being (a thinking and corporeal language-user) is established simply by this feature. It does not follow that there neither is, nor could be, any other use of the expression; but if there is, or might be, such a use, the case for its existence or possibility will have to be argued on other grounds.
Dies erfordert auch für Strawson eine weitere Argumentation, die er an der oben zitierten Stelle für die Möglichkeit einfordert, von anderen "ich"-Gebräuchen zu sprechen (wie sich im nächsten Kapitel zeigen sollte). Strawson übergeht diesen Umstand, weil er "Sprecher" mit der körperlichen Selbstkonzeption "Person" gleichsetzt. Das macht sowohl alltagssprachlich als auch ontologisch Sinn. Aber die epistemische Frage, ob sich das Subjekt selbst so verstehen muss, wenn es fähig ist, entsprechend selbstbewusste Gedanken zu haben, ist damit noch nicht geklärt.
Ich möchte auf eine Analyse John McDowells verweisen, die durchaus in Strawsons Sinn ist, und die bisherigen Überlegungen dieses Abschnitts verdeutlicht. Das von ihm formulierte Prinzip der Selbstreferenz – "? denkt an ? " – ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für selbstbewusstes Denken. McDowell könnte an McDowell denken, ohne dabei an sich selbst zu denken. Wenn das Prinzip hinreichend ist, dann besagt es, dass das denkende Subjekt identisch ist mit dem Objekt seines Gedankens. Fragen wir uns, was der Gegenstand eines "ich"-Gedankens (bzw. eines selbstbewussten Urteils) ist, dann lautet die Antwort gemäß des Prinzips, dass das Objekt des "ich"-Gedankens eben sein Subjekt – das denkende (bzw. sprechende) Subjekt – ist. Einerseits wird auf diese Weise die Vorstellung, dass ich ein denkendes Ding bin, gestützt. Andererseits kann aber die Berufung auf das Prinzip der Selbstreferenz allein, nichts zur Beantwortung der Frage "Was bin ich?" beitragen.
The self-reference principle cannot by itself be regarded as an adequate general account of self-conscious thought. Perhaps it can enable us to generate the idea that I am the subject of my thoughts; but this is not an adequate answer to the question ‘What am I?’ – an adequate account of the Idea that a subject has of himself. For the notion of the subject of thought is a merely formal notion. It is a device for avoiding the circumlocution involved in this sort of formulation: in any thought on x’s part which he could express by ‘I... ’, the object of the thought is x. And such a principle cannot be used to determine what, in any instantiation, x is: for example whether x is bodily or not."
Inwiefern das Subjekt des Denkens als bloßer formaler Begriff vorgestellt werden kann, bei einem dementsprechend "formalen" Gebrauch von "ich", wird sich im nächsten Kapitel mit Kant zeigen. An dieser Stelle komme ich nochmals auf Wittgenstein zurück.
Wittgenstein legt einerseits nahe, dass "ich" in Aussagen des Subjektgebrauchs überhaupt nicht referiert, dass es sich auf "keinen Besitzer" bezieht: "Anstelle von ‚Ich denke‘ könnte man sagen ‚Es denkt‘ (wie ‚Es regnet‘) und anstelle von ‚Ich habe Schmerzen‘: ‚Es gibt Schmerzen‘." Müssen wir uns Lichtenbergs notorischem "Es denkt" anschließen? Andererseits weist Wittgenstein darauf hin, dass der Unterschied zwischen den Aussagen "Ich habe Schmerzen" und "Er hat Schmerzen" ein Unterschied zwischen einem Stöhnen und der Aussage darüber, dass jemand stöhnt, wäre; womit er "ich" im Subjektgebrauch rein expressiven Ausdrücken wie "Au!" angleicht.
Und nun bietet sich folgende Formulierung unseres Gedankens an: daß es ebenso unmöglich ist, in der Behauptung "Ich habe Zahnschmerzen" eine andere Person für mich selbst zu halten, wie vor Schmerzen zu stöhnen und dabei jemand anderen für mich selbst zu halten. Die Aussage "ich habe Schmerzen" ist ebensowenig eine Aussage über eine bestimmte Person, wie es ein Stöhnen ist.
Wenn "ich" tatsächlich ein nicht-referentieller Ausdruck sein sollte, dann kann das Pronomen in einigen Fällen durch unpersönliche Beschreibungen, in anderen durch expressive Ausdrücke ersetzt werden. Das ist eine triviale Folgerung. Damit wäre "ich" allerdings seiner wesentlichen indexikalischen Funktion beraubt, sich stets auf dasjenige Subjekt zu beziehen, das den Ausdruck gerade verwendet. Eine nicht-referentielle Analyse von "ich" ist zumindest kontraintuitiv, weil sie dieser Funktion der gewöhnlichen Verwendungsweise widerspricht. Diese rückt "ich" auf eine Seite mit den reinen Indexwörtern; Orts- und Zeitadverbien wie "hier" und "jetzt", die sich auf den jeweiligen Ort bzw. den jeweiligen, mehr oder minder ausgedehnten Zeitpunkt einer Äußerung beziehen. Außerdem ist zu bemerken, dass ein selbstbewusstes Subjekt auch umgekehrt, sowohl sein Stöhnen als auch die Feststellung "Das sind fürchterliche Schmerzen" in "Ich habe fürchterliche Schmerzen" transformieren kann.
Warum einer direktreferentiellen Analyse von "ich" – bei Anerkennung der referentiellen Besonderheitenheiten – gewissermaßen auch in Wittgensteins Sinn nichts im Wege stehen muss, kann plausibel gemacht werden. Wittgenstein schließt von der Unmittelbarkeit, der Immunität gegen Referenzfehler bei Aussagen mit "ich" im Subjektgebrauch, auf die Referenzlosigkeit von "ich" aus folgendem Grund: Er will vermeiden, dass "ich" auf eine cartesianische Substanz, ein unkörperliches Subjekt referiert, weil er bei Aussagen mit "ich" im Subjektgebrauch offenbar ausschließlich an die Zuschreibung psychischer Eigenschaften denkt.
Wir haben dann das Gefühl, daß wir in den Fällen, in denen "ich" als Subjekt gebraucht wird, es nicht gebrauchen, weil wir eine bestimmte Person an ihren körperlichen Merkmalen erkennen; und daraus entsteht die Täuschung, daß wir dieses Wort gebrauchen, um von etwas Körperlosem zu sprechen, das jedoch seinen Sitz in unserem Körper hat. In der Tat scheint dieses das eigentliche Ich zu sein, – das, von dem gesagt wurde "Cogito, ergo sum".
Andere PhilosophInnen sind dieser Täuschung jedoch erlegen – wenn auch weder aus leichtfertigen noch aus gänzlich unplausiblen Gründen. Worin diese Gründe bestehen und wie man sich gegen sie "immunisieren" kann, wird in den folgenden Kapiteln genauer untersucht werden. Bezüglich der Referenz von "ich" können wir – gewissermaßen mit Wittgenstein – über Wittgenstein hinausgehen; oder wie Tugendhat in seiner Wittgenstein-Interpretation gemeint hat, versuchen "nicht: aus dem, was mit ‚ich‘ bezeichnet wird, herauszukommen, sondern zu dem herauszukommen, was mit ‚ich‘ bezeichnet werden kann". Wir können Wittgensteins anticartesianische Motivation beibehalten, indem wir zeigen, dass sich der Subjektgebrauch von "ich" – also Aussagen, die immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind – auf unmittelbare körperliche Selbstzuschreibungen ausdehnen lässt. Wenden wir Wittgensteins Ad-hoc-Kriterium an, dann scheinen sich auch die folgenden Fragen als unsinnig herauszustellen: "Jemandes Beine sind übereinandergeschlagen, aber sind es meine Beine, die übereinandergeschlagen sind?"; "Jemand ist angerempelt worden, aber bin ich derjenige, der angerempelt worden ist?"; oder "Jemand bewegt beim Sprechen seinen Mund, aber bin ich es, der seinen Mund bewegt?" Das dürfte ein wirksames "anticartesianisches Gegengift" abgeben, wie wir mit Evans vermuten können:
It is highly important that our ‘I’-Ideas are such that judgements controlled by certain ways of gaining knowledge of ourselves as physical and spatial things are immune to error through misidentification: that the bearing of the relevant information on ‘I’-thoughts rests upon no argument, or identification, but is simply constitutive of our having an ‘I’-Idea. [...] The fact that these ways of gaining knowledge of ourselves must enter into the informational component [...] of what it is to think of oneself self-consciously – is the most powerful antidote to a Cartesian conception of the self.
2 Dualistische Herausforderungen
Es gibt ein Kriterium für "Dies ist meine Nase": Die Nase gehört zu dem Körper, an dem sie haftet. Man ist versucht zu behaupten, es gebe eine Seele, der der Körper gehört, und daß mein Körper derjenige ist, der mir gehört.
L. Wittgenstein
2.1 Metaphysische Alternativen
Selbstbewusstsein sollte wesentlich als Bewusstsein eines individuellen Subjekts verstanden werden; eines numerisch identischen Subjekts, das sich selbst unmittelbar dieser Identität bewusst sein kann. Es sollte sich zeigen lassen, dass und wie man sich unmittelbar als ein und dasselbe Subjekt körperlicher und psychischer Eigenschaften und Zustände bewusst sein kann. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass es unabhängig davon vielleicht Sinn macht, einen anderen Begriff von einem Subjekt zu postulieren – gerade dann, wenn wir philosophieren. Denken wir beispielsweise an Wittgensteins Feststellung im Tractatus: "Das philosophische Ich ist nicht der Mensch, nicht der menschliche Körper, oder die menschliche Seele [...], sondern das metaphysische Subjekt, die Grenze – nicht ein Teil – der Welt."
In diesem Abschnitt sollen zwei andere Konzeptionen behandelt werden: Kants "transzendentales Selbstbewusstsein" und Thomas Nagels "objective self". Es wird sich herausstellen, dass ein transzendentales bzw. metaphysisches Subjekt nichts zur Erhellung von Selbstbewusstsein beiträgt, wenn es von unserem Verständnis eines empirischen Subjekts abhängig ist. Dennoch sollten die folgenden Überlegungen nicht als endgültige Demonstrationen der Irrelevanz oder Inkohärenz dieser Begriffe missverstanden werden. Sie dürften jedoch manch prinzipiellen Zweifel an einem philosophischen Projekt zerstreuen, das sich ausdrücklich auf die Untersuchung "empirischen Selbstbewusstseins" beschränkt.
Daß der Mensch in seiner Vorstellung das Ich haben kann, erhebt ihn unendlich über alle andere auf Erden lebende Wesen. Dadurch ist er eine Person und, vermöge der Einheit des Bewußtseins, bei allen Veränderungen, die ihm zustoßen mögen, eine und dieselbe Person.
Strawson betont in seiner Kant-Interpretation überzeugend, dass Kant die "Wurzel der cartesianischen Illusion" aufgedeckt hätte: Von der kriterienlosen Selbstzuschreibbarkeit von Bewusstseinszuständen wird fälschlicherweise auf eine immaterielle Substanz geschlossen. Wir können auch sagen, es ist die Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation bei psychischen Selbstzuschreibungen bzw. "ich" im Subjektgebrauch als eigentümliches epistemisches Phänomen, das zu ontologischen Fehldeutungen verleiten kann.
Wenn wir versuchen [...], eine Art von Bezugnahme auf ein Subjekt zu erreichen, die völlig und adäquaterweise auf nichts als innere Erfahrung gegründet ist, dann ist, was wir wirklich tun, einfach dies: daß wir unseren Gebrauch von "ich" jeder bezugnehmenden Kraft überhaupt berauben. Es wird dann einfach, wie Kant sagen würde, "Bewußtsein überhaupt" ausdrücken. Wenn wir gleichwohl fortfahren zu glauben, daß das "ich" bezugnehmende Kraft hat, [...] dann wird es, weil wir faktisch nichts als die reine Form der Bezugnahme übrigbehalten haben, so aussehen, daß der Gegenstand dieser Bezugnahme ein Gegenstand einzigartiger Reinheit und Einfachheit sein muß – eine reine, individuelle, immaterielle Substanz.
Kants Rede von der "formalen" bzw. "logischen" Identität des Ich ist von der Einsicht motiviert, keine cartesianische Substanz postulieren zu dürfen, weil man es richtig verstanden nicht kann. Substantielle Fortdauer, Kontinuität des Ichs scheint für Kant entweder auf die Idee des cartesianischen Ego hinauszulaufen oder die empirische Person zu betreffen. Diese kommt für ihn als "wesentlicher Bewusstseinsträger" allerdings nicht in Frage. Denn transzendentales Bewusstsein ist Bedingung der Möglichkeit für individuelles empirisches Bewusstsein.
Der prinzipielle Fehler der rationalen Psychologie ist laut Kant, die rein logisch/formale Identität, Einheit und Einfachheit des transzendentalen Subjekts fälschlich für die dementsprechenden Bestimmungen eines Subjekts zu halten, das eine Seele, eine immaterielle Substanz wäre. Wissen von Gegenständen der Erfahrung verlangt für Kant Anschauung und Begriffe. Das cartesianische Ego wird als Gegenstand vorgestellt – als immaterielle Substanz. Diese kann aber kein Gegenstand der sinnlichen Anschauung sein, weshalb ihr eine Seite als Bedingung für Wissen fehlt. Die begrifflichen, die kategorialen Bestimmungen bleiben somit leer bzw. "formal".
Die Einfachheit aber der Vorstellung von einem Subjekt ist darum nicht Erkenntnis von der Einfachheit des Subjekts selbst, denn von dessen Eigenschaften wird gänzlich abstrahiert, wenn es lediglich durch den an Inhalt gänzlich leeren Ausdruck Ich (welchen ich auf jedes denkende Subjekt anwenden kann) bezeichnet wird. (A 355)
Transzendentales Selbstbewusstsein ist nicht gegenständlich zu verstehen – weder materiell noch immateriell. "Allein dieses Ich ist sowenig Anschauung, als Begriff von irgend einem Gegenstande, sondern die bloße Form des Bewußtseins" (A 382); und "so ist die Art, wie ich existiere, ob als Substanz oder als Akzidens, durch dieses einfache Selbstbewußtsein gar nicht zu bestimmen möglich" (B 420). Die Frage wer und was ich bin, kann erst (und stets unvollständig) durch das Vorhandensein eines Inhalts beantwortet werden, der auf sinnlicher Anschauung beruht. Betrachten wir folgende Charakterisierungen des transzendentalen Selbstbewusstseins:
Es ist also die Identität des Bewußtseins meiner selbst in verschiedenen Zeiten nur eine formale Bedingung meiner Gedanken und ihres Zusammenhanges, beweiset aber gar nicht die numerische Identität meines Subjekts, in welchem, ohnerachtet der logischen Identität des Ich, doch ein solcher Wechsel vorgegangen sein kann, der es nicht erlaubt, die Identität desselben beizubehalten. (A 363)
Wir sind uns a priori der durchgängigen Identität unserer selbst in Ansehung aller Vorstellungen, die zu unserem Erkenntnis jemals gehören können, bewußt, als einer notwendigen Bedingung der Möglichkeit aller Vorstellung. (A 116)
[...] aber diese Identität des Subjekts, deren ich mir in allen seinen Vorstellungen bewußt werden kann, betrifft nicht die Anschauung desselben, dadurch es als Objekt gegeben ist, kann also auch nicht die Identität der Person bedeuten, wodurch das Bewußtsein der Identität seiner eigenen Substanz, als denkenden Wesens, in allem Wechsel der Zustände verstanden wird (B 408)
Aus der immateriellen Substanz des reinen Denkens wird das transzendentale Subjekt, eine "an Inhalt gänzlich leere Vorstellung: Ich, von der man nicht einmal sagen kann, daß sie ein Begriff sei, sondern ein bloßes Bewußtsein, das alle Begriffe begleitet" (A 346/B 404). Daraus folgt, dass ich mich in dieser Existenzweise nicht von anderen Subjekten und Gegenständen unterscheiden kann; "weil das Bewußtsein an sich nicht sowohl eine Vorstellung ist, die ein besonderes Objekt unterscheidet, sondern eine Form derselben überhaupt, so fern sie Erkenntnis genannt werden soll" (A 346/B 404). Das lässt sich folgendermaßen veranschaulichen:
Stellt man einer Vorstellung einen Ausdruck voran, durch den kein bestimmtes Subjekt individuiert wird, dann wird mit Hilfe dieses Ausdrucks eine Vorstellung nicht einem bestimmten Subjekt im Unterschied zu einem anderen zugeschrieben. Angenommen p und q sind zwei Vorstellungen, die jeweils von einem "Ich denke" begleitet werden können – einem "Ich", das Kants Aussage zufolge weder eine Vorstellung noch ein Begriff ist. Durch dieses "Ich" wird deshalb kein Subjekt individuiert, kein Subjekt, das "Ich denke p" denkt, von einem anderen Subjekt, das "Ich denke q" denkt, numerisch unterschieden. Und umgekehrt geht daraus noch nicht hervor, ob man aus "Ich denke p" und "Ich denke q" auf "Ich denke p und q" schließen darf. Die Form des Bewusstseins – und ihre Identität – ist bei beiden Subjekten dieselbe. Man abstrahiert von der konkreten Referenz auf numerisch verschiedene Subjekte. Insofern ist diese Perspektive der transzendentalen Apperzeption unpersönlich, gewissermaßen eben "formal".
Beinahe könnte der Eindruck entstehen, dass Kants "transzendentales Unternehmen" gar nicht in Konkurrenz zu dem hier vertretenen Anliegen, der Etablierung körperlichen Selbstbewusstseins, das natürlich "empirisch" ist, stünde. Kants wiederholtes Insistieren, beide Bereiche säuberlich auseinander zu halten, scheint dafür zu sprechen. Ihm zufolge wäre es ein klarer Kategorienfehler, für das "Ich" der transzendentalen Apperzeption empirische Identitätskriterien verlangen zu wollen; auch wenn es für ihn außer Frage steht, dass solche Kriterien auf Personen als körperliche Subjekte natürlich anwendbar sein müssen. Kant warnt wiederholt vor der Verwechslung der reinen, der transzendentalen Apperzeption – dem Selbstbewusstsein der Reflexion – mit der empirischen Apperzeption, der Apprehension, dem Bewusstsein des inneren Sinns:
Das Ich der Reflexion hält kein Mannigfaltiges in sich, und ist in allen Urteilen immer ein und dasselbe, weil es bloß dies Förmliche des Bewußtseins, dagegen die innere Erfahrung das Materielle desselben und ein Mannigfaltiges der empirischen inneren Anschauung, das Ich der Apprehension (folglich eine empirische Apperzeption) enthält. Ich, als denkendes Wesen, bin zwar mit mir, als Sinnenwesen, ein und dasselbe Subjekt [!]; aber, als Objekt der inneren empirischen Anschauung, [...] erkenne ich mich doch nur, wie ich mir selbst erscheine, nicht als Ding an sich selbst.
Wenn Individualität eines Subjekts nur bei empirischem Selbstbewusstsein einsichtig wird, so bleibt dieses unser Explanandum. Der Hauptgrund dafür ist die plausible Annahme – sofern man hier überhaupt von einer "Annahme" sprechen kann –, dass Selbstbewusstsein wesentlich als Bewusstsein eines individuellen Subjekts, nicht als allgemeine "logische" Form zu verstehen ist. Dem könnte Kant zustimmen. Er selbst wollte ja diesen Sachverhalt aufklären; und nicht bloß Fleißaufgaben im "imaginären Fach der transzendentalen Psychologie" machen. Diese Auf- und Erklärung ist nicht eine Aufgabe neben einer anderen, bezüglich transzendentalen, "bloßen Bewusstseins". Kant würde allerdings hinzufügen, dass transzendentales Selbstbewusstsein eine notwendige Bedingung von empirischem Selbstbewusstsein ist; auch wenn es keine hinreichende Bedingung für individuelles Selbstbewusstsein ist, weil es gerade keine diskriminatorische Stärke hat, wie wir gesehen haben.
Wie steht es um die Seite der notwendigen Bedingung? Diese Frage ist ohne eingehender Kant-Interpretation nicht befriedigend zu beantworten. Trotzdem können wir uns für eine Annäherung, die für meine Absichten hinreichend ist, an Strawons Strategie orientieren, die sicherlich nur einen, im gegenwärtigen Zusammenhang aber den entscheidenden Aspekt darstellt, die Funktion von Kants transzendentalem Selbstbewusstsein verstehen zu können. Halten wir zunächst allgemein fest:
Das Interesse an einem metaphysischen Subjekt erklärt sich aus dem – falschen – Eindruck, es handle sich dabei um das "wahre Ich", um das eigentliche Erfahrungssubjekt Nun lässt sich folgendes, an Strawson angelehntes Dilemma formulieren: Entweder ist das metaphysische Subjekt das individuelle Subjekt; oder es ist nicht das individuelle Subjekt. Wenn es das individuelle Subjekt ist, dann muss es möglich sein, Kriterien der Singularität und Identität für dieses Subjekt anzugeben. Die cartesianische Position will schließlich neben der körperlichen, eine gleichberechtigte geistige Substanz etablieren. Denn eine Substanz bedarf keiner anderen Sache – außer m.E. Gott –, um zu existieren. Als Herausforderung an die cartesianische Position lässt sich die Frage stellen, wie sie es denn ausschließen könnte, dass mit einem Körper nicht jeweils eine Seele verbunden wäre, wie sie verständlicherweise annimmt, sondern dass es "vielleicht tausend Seelen gibt, die gleichzeitig die Gedanken denken, [...] qualitativ ununterscheidbare Erfahrungen haben" usw. Denn so, um es mit Kant zu sagen, "würde ich ein so vielfärbiges verschiedenes Selbst haben, als ich Vorstellungen habe, deren ich mir bewußt bin"
(B 134). Strawsons Pointe – die ganz im Sinne Kants wäre, wie er bemerkt – lautet, dass die geforderten Identitätskriterien für Seelen, für individuelles Bewusstsein von den Kriterien einer raum-zeitlich individuierbaren Person abgeleitet sind. CartesianerInnen können sich nur aufgrund ihrer Verbindung mit ihrem Körper identifizieren; und selbst die Identität des Körpers könnte nicht die Identität der mit ihm verbundenen Seelen garantieren:
Die Regel zur Ableitung der Kriterien, deren wir bedürfen, von den Kriterien, die wir haben, ist sehr einfach. Sie lautet: eine Person, ein Bewusstsein; dieselbe Person, dasselbe Bewusstsein. Die Annahme dieser Ableitungsregel ist jedoch der Selbstmord der rationalen Psychologie.
Aber nun zum zweiten Horn des Dilemmas, und damit zurück zu Kant. Wenn das metaphysische Subjekt nicht das individuelle Subjekt ist, dann verschiebt sich zunächst die Aufgabenstellung. Denken wir an transzendentales Selbstbewusstsein, dann soll es als notwendige Bedingung für individuelles Selbstbewusstsein wesentlich bleiben. Aus dem cartesianischen Dualismus von psychischer und physischer Substanz wird bei Kant ein Dualismus von empirischem und transzendentalem Selbstbewusstsein.
Kants Kritik der rationalen Psychologie erlaubt die cartesianische Illusion aufzudecken, von der kriterienlosen Selbstzuschreibbarkeit von Bewusstseinszuständen, der unmittelbaren inneren Erfahrung auf eine immaterielle Substanz zu schließen. Bezüglich der Konsequenz des Fehlschlusses, des Paralogismus, können wir Kant voll und ganz zustimmen. Wir haben es nur mehr mit der bezugslosen "Form des Bewusstseins" zu tun, nicht mehr mit einem individuellen Subjekt, einer Person. Aber das ist nur die eine Seite. Problematisch ist die Funktion, die Kant dieser Konsequenz zubilligt. Anstatt das formale Bewusstsein einfach als Abstraktion von empirischem Bewusstsein auf sich beruhen zu lassen, wird es seinerseits zur notwendigen Bedingung für dieses. Und das führt uns auf den Ursprung der Illusion, das Phänomen der Unmittelbarkeit, zurück. Einerseits möchte Kant genau dieses erstaunliche Phänomen aufklären: "Wir sind uns a priori der durchgängigen Identität unserer selbst in Ansehung aller Vorstellungen, die zu unserem Erkenntnis jemals gehören können, bewußt, als einer notwendigen Bedingung der Möglichkeit aller Vorstellung." (A 116) Andererseits glaubt er aber nicht, dass eine Erklärung auf empirischer Ebene möglich wäre. Und hier lässt sich die Erklärungsrichtung umkehren.
Wenn transzendentales Selbstbewusstsein seinerseits vom Verständnis der notwendigen Bedingung für Identität eines individuellen empirischen Subjekts abhängt, dann büßt es seinen Status ein, selbstbewusste Erfahrung einsichtig zu machen. Die formale Identität des transzendentalen Selbstbewusstseins wäre vom Verständnis der Kriterien eines raum-zeitlich individuierbaren Subjekts ebenso abhängig, wie das Verständnis eines cartesianischen Bewusstseins davon abhängig ist. Im "transzendentalen Fall" entstünde die Abhängigkeit – anders als die cartesianische –, wenn sich die infrage stehende unmittelbare "durchgängige Identität" auf andere Weise, auf empirischer Ebene erklären ließe. "Der Punkt ist aber, daß nichts in Kants Erklärung eine solche Ergänzung ausschließt und alles in ihr zu einer solchen Erklärung einlädt."
Ich denke, dass wir mit dem Begriff der "Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation" das entsprechende Instrumentarium zur Hand haben. Bevor es im nächsten Abschnitt auf seine Tauglichkeit geprüft werden kann, muss noch die Subjekt-Konzeption eines zeitgenössischen Autors behandelt werden.
2.1.2 Das Subjekt und sein Körper – ein Blick durchs Fenster?
Thomas Nagel untersucht die Vorstellung einer objektiven Konzeption der Welt. Auch diese Konzeption hat ein Subjekt – das objektive Selbst (objective self). Seine Ausführungen sind recht ambivalent; und ich beanspruche mit den folgenden Bemerkungen nicht, die Konzeption des objective self getreu Nagels Intentionen erfasst zu haben. Vielmehr möchte ich seine teils erstaunlichen Überlegungen bezüglich der Leitfrage betrachten, ob und inwiefern sie etwas zum Verständnis eines individuellen körperlichen Subjekts beitragen. Die Chancen stehen schlecht. Nicht zufällig vergleicht Nagel seine Subjekt-Konzeption mit Wittgensteins im Tractatus angesprochenen "metaphysischen Subjekt" und Husserls "transzendentalem Ego".
The idea of the objective self has something in common with the ‘metaphysical subject’ of Wittgenstein’s Tractatus 5.641, though I stop short of excluding it from the world entirely. The metaphysical subject is the logical limit that we reach if all the contents of the mind, including its objective thoughts, are thrown into the world as properties of TN. The objective self is the last stage of the detaching subject before it shrinks to an extensionless point.
Die Gründe für eine derartige Position sind z.T. in Nagels Dualismus zu suchen, wonach die Wirklichkeit eine subjektive und eine objektive Seite hat, die sich wechselseitig ausschließen. Nagel braucht das objektive Selbst zur Integration eines wesentlich subjektiven Aspekts in seine objektive Konzeption von Realität.
The objective self is the only significant aspect under which I can refer to myself subjectively that is supplied by the objective conception of the world alone – because it is the subject of that conception.
The fact that I seem able in imagination to detach this perspectiveless or objective self from TN does not show that it is a distinct thing, or that nothing else about TN belongs to me essentially. [...] It does show, however, that something essential about me has nothing to do with my perspective and position in the world.
What it reveals is [...] an aspect of what we are. The objective self functions independently enough to have a life of its own. It engages in various forms of detachment from and opposition to the rest of us, and is capable of autonomous development. [...] While it shouldn’t be given a metaphysical interpretation, this way of speaking is not altogether innocent.
Es heißt, Austin hätte einmal über typisch philosophisches Vorgehen gesagt: "Da ist die Stelle, an der der Philosoph es sagt, und dann kommt die Stelle, an der er es zurücknimmt." Die obige Stelle exemplifiziert ein derartiges Manöver. Einerseits soll das objektive Selbst ein "Eigenleben" haben, andererseits sollte dies nicht metaphysisch verstanden werden. Nagel ist offenbar zwischen einer epistemologischen und einer ontologischen Charakterisierung des objektiven Selbst hin- und hergerissen; was ihm selbst zwar nicht entgehen dürfte, eine Interpretation aber nicht gerade erleichtert. Auch die folgende Passage zeugt von einer ambivalenten Haltung bezüglich einer definitiven Positionierung:
The objective self that I find viewing the world through TN is not unique: each of you has one. Or perhaps I should say each of you is one, for the objective self is not [sic!] a distinct entity. Each of us, then, in addition to being an ordinary person, is a particular objective self, the subject of a perspectiveless conception of reality.
Wenn das objektive Selbst keine von der empirischen Person unterschiedene Entität ist, dann erscheint es in der Tat einleuchtend, es als einen bestimmten Aspekt zu betrachten, den jede Person neben vielen anderen Perspektiven einnehmen kann. Es ist die objektive Perspektive auf die Welt, die ich genauso gut wie jede/r andere einnehmen kann. Wenn ich sie einnehme, dann macht es vielleicht Sinn zu sagen, dass PK ein objektives Selbst ist, weil ich die Welt gerade unter dem objektiven Gesichtspunkt, dieser view from nowhere, betrachte.
As things are, the objective self is only part of the point of view of an ordinary person, and its objectivity is developed to different degrees in different persons and at different stages of life and civilization.
Es handelt sich um eine besondere Perspektive, weil sie von allen subjektiven Beimengungen und Besonderheiten am meisten abstrahiert. Alles was die besondere Biographie und das spezielle Erleben – eben das spezifisch Subjektive (worauf es Nagel andererseits so oft abgesehen hat) – einer bestimmten Person ausmacht, wird methodisch ausgeblendet. Problematisch wird das erst, wenn Nagel suggeriert, es handle sich dabei um eine Perspektive, die etwas Wesentliches darüber verrät, wie wir uns im Normalfall verstehen und erfahren.
The picture is this. Essentially I have no particular point of view at all, but apprehend the world as centerless. As it happens, I ordinarily view the world from a certain vantage point, using the eyes, the person, the daily life of TN as a kind of window.
Dieses Bild ist zutiefst irreführend. Sicherlich ist es nicht der "gewöhnliche" Fall, dass ich mich "eigentlich" als jemanden verstehe, der durch die Person als Fenster auf die Welt blickt. Ich bin die Person PK, so wie Nagel die Person TN ist – das hoffe ich zumindest. Ich kann mir vielleicht mit Anscombe vorstellen, wie es wäre, mit einer derartigen Selbstkonzeption konfrontiert zu werden: "Jemand steht vor mir und sagt: ‚Versuche, dies zu verstehen: Wenn ich ‚ich‘ sage, dann meint dies nicht dies menschliche Wesen, das dieses Geräusch von sich gibt. Ich bin jemand anderes, der dieses menschliche Wesen ausgeliehen hat, um dadurch zu sprechen.‘" Vielleicht sollte man Nagels Fenster-Bild nicht überbewerten. Es verweist aber auf eine ontologische Lesart des objektiven Selbst; und so ist es zumindest befremdlich, wenn sich zeitgenössische Proponenten von Dualismen (welcher Art auch immer) einer Metaphorik verschreiben, die einem Descartes wohl nie in den Sinn gekommen wäre.
Nagel spricht vom objektiven Selbst auch als Entität, die jede/r zusätzlich zur "gewöhnlichen Person" ist: "The objective self functions independently enough to have a life of its own". Wenn jede/r ein objektives Selbst hat bzw. ist, dann muss es sich bei diesem "eigentliche" Selbst (true self) auch um ein individuelles Subjekt handeln. Nagel gelangt zur postulierten Unabhängigkeit des bzw. eines objektiven Selbst allerdings mittels Abstraktion von einer Person. Er selbst stellt sich die Frage: "How do I abstract the objective self from the person TN?" Auf diese Weise bleibt jedoch eine wesentliche Abhängigkeit bestehen: die Relation zur jeweiligen Person, deren Perspektive sich das objektive Selbst "bedient" – "a self that views the world through the perspective of TN". Wenn dem aber so ist, dann kann das objektive Selbst auch nicht ein Eigenleben führen. So lässt sich ein bestimmtes objektives Selbst nicht unabhängig von der jeweiligen Person, deren objektives Selbst es ist, individuieren. Abstraktion erfordert Re-Identifikation – und führt so zu Identifikationsabhängigkeit vom individuellen Subjekt als Person, von dem abstrahiert worden ist. Wenn Nagel zum objektiven Selbst – zu seinem eigenen, um genau zu sein – nur auf diesem Weg gelangt, dann kommt auch er nicht umhin, das abstrahierte true self wieder mit dem, wovon es abstrahiert worden ist – der "full bloodied person" –, zu identifizieren. Nagel glaubt analog der Aussage "Ich bin TN" auch "Ich bin diese/r Person/Körper" sagen zu können. Insofern müsste ich meinen faktischen Körper als denjenigen beschreiben, von dem ich Information erhalte, durch den ich blicke usw. Ich identifiziere meinen Körper deskriptiv, ähnlich wie ich es anhand meines Eigennamens "P.K." tun kann. Das kann ich aber nur unter der Voraussetzung, dass ich bereits ein Bewusstsein davon habe, dass ich es bin, der sich anhand einer Beschreibung identifiziert. Dieses vorausgesetzte Selbstbewusstsein müsste das Bewusstsein von einem objektiven Selbst sein, wenn gezeigt werden soll, dass es ein wahres Selbst mit Eigenleben ist. Da dies aber auch für Nagel nicht möglich ist, kann an der gemäßigten epistemischen Lesart des objektiven Selbst – "What it reveals is [...] an aspect of what we are" – festgehalten werden.
Auch wer zum vermeintlich "eigentlichen" Ich vordringen will, muss von sich als innerweltlicher Person, vom empirischen individuellen Subjekt ausgehen – mag sein/ihr "Wesen" noch so losgelöst sein. Wir können uns aus verschiedensten Einstellungen und Perspektiven heraus betrachten; ebenso wie wir danach trachten können, uns gänzlich von unserem individuellen Bewusstsein zu lösen und somit Selbstbewusstsein aufzulösen. Aber diese Weisen des Selbst- bzw. Nicht-mehr-Selbstverständnisses, zu denen auch Nagels philosophische Meditationen über ein objektives Selbst zählen, werden stets nur Aspekte der Erfahrung von sich als konkreter Person bleiben. Ob bei dieser Erfahrung allerdings der psychische Aspekt eine epistemische Vorrangstellung gegenüber dem körperlichen genießt, wird im folgenden Abschnitt untersucht werden.
2.2 Epistemische Priorität und "verkehrter Cartesianismus"
Descartes hat an prominenter Stelle nicht nur seinen ontologischen Substanzendualismus entworfen, sondern auch die epistemische Vorrangstellung des Psychischen vor dem Physischen formuliert, die uns nötigt "einzusehen, daß wir unsern Geist nicht bloß früher und gewisser, sondern auch klarer als den Körper erkennen". In der Gegenwartsdebatte finden sich Argumentationen zugunsten des epistemischen Vorrangs des Psychischen sowohl bei analytischen Autoren wie Sydney Shoemaker als auch bei transzendental-philosophisch und idealistisch orientierten Autoren wie Manfred Frank. Die zu hinterfragende Position lautet: "Ich selbst bin ursprünglich mit meinen eigenen physischen Eigenschaften nur auf dem Umweg über psychische Erlebnisse bekannt." Dies kann als epistemische Priorität des Psychischen, des Mentalen gegenüber dem Physischen, Körperlichen bezeichnet werden. Und dagegen wende ich mich.
Sydney Shoemakers Kritik richtet sich entschieden gegen die Vorstellung, Bewusstsein von sich qua Subjekt könnte zugleich ein Bewusstein von sich qua Objekt, qua Körper sein. Der Grund dafür ist, dass Bewusstein von sich qua Objekt immer eine Identifikationsleistung, die auch fehlschlagen kann, erfordert. Insofern wären Urteile, die auf Gegenstands-, auf Körperbewusstsein beruhen, nicht immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation. Hat man unmittelbares – Shoemaker spricht von "introspektivem" – Selbstbewusstsein, "dann ist man sich selbst nicht als eine Person aus Fleisch und Blut gegeben, und man scheint sich überhaupt nicht selbst als ein Objekt gegeben zu sein." –man erfährt sich einfach als Subjekt; auch wenn man Person aus Fleisch und Blut ist, was Shoemaker keineswegs bestreiten will. Der in der Einleitung angesprochene Unterschied zwischen ontologischer und epistemologischer Fragestellung wird nun besonders wichtig. Betrachten wir Quassim Cassams Unterscheidung:
Es dürfte bereits klar geworden sein, dass es mir um die Etablierung des dritten Grades geht: "[The physical or material self] is involved neither simply as the postulated subject of experience, nor simply as an ever-present object of experience, but as the presented subject of experience and action", wie Michael Ayers formuliert hat. Dem ersten Grad, einer bloßen geometrischen, körperlosen Präsenz könnte Nagels objektives Selbst entsprechen: "the last stage of the detaching subject before it shrinks to an extensionless point." Da es sich aber um eine Abstraktionsstufe von einer "einfach innerweltlichen" Person handelt, muss sie uns hier nicht mehr weiter beschäftigen. Wobei ich nochmals bemerken möchte, dass keineswegs bestritten werden soll, dass man sich in einigen Fällen tatsächlich einfach als denkendes, ungegenständliches Subjekt erfahren kann; sei es, dass man sich in Meditationen und Reduktionen übt oder sich in philosophischen Reflexionen verfängt. Worauf es ankommt ist, dass sich paradigmatische Fälle unmittelbaren Selbstbewusstseins weder in reinem Denken erschöpfen noch von reinem Denken abhängen.
Brisant wird deshalb das Verhältnis zwischen dem zweiten und dem dritten Grad körperlicher Präsenz. Dass man sich alltäglich sehr wohl unmittelbar als körperliches Subjekt erlebt, hat auch Descartes in der Sechsten Meditation beschrieben; nämlich so,
daß ich nicht nur in der Weise meinem Körper gegenwärtig bin, wie der Schiffer seinem Fahrzeug, sondern daß ich aufs engste mit ihm verbunden und gleichsam vermischt bin, so daß ich mit ihm eine gewisse Einheit bilde.
Gemessen an den drei Graden, schwankt Descartes mit seiner wunderbaren Metapher zwischen dem zweiten Grad – ich wäre mit meinem Körper auf das Engste verbunden – und dem dritten Grad – der "vermischten Einheit". Sich qua erfahrendem und handelndem Subjekt als körperlich zu verstehen, markiert den wesentlichen Unterschied zur ontologischen Auffassung, dass wir als Subjekte, als Personen nun einmal körperlich sind. So erlaubt Descartes’ Position das Zugeständnis, dass man sich qua Subjekt als körperlich erfährt; während der substanzielle Unterschied von Körper und Geist erst auf philosophischer Ebene etabliert wird. Shoemaker hingegen hält als Materialist des 20. (und 21.) Jahrhunderts daran fest, dass wir als Personen physische Wesen sind, schließt aber aus, dass wir uns qua Subjekte zugleich als körperliche Objekte erfahren können. Diesen epistemischen Dualismus möchte ich deshalb als "verkehrten Cartesianismus" bezeichnen. Es wäre wünschenswert, gerade diese Variante nicht auf den Kopf oder – je nach Interpretation – wieder auf die Füße, sondern ein für allemal in die Ecke stellen zu können.
2.2.1 Wahrnehmung und Fehlidentifikation
Shoemaker präsentiert eine dezidierte Ablehnung der These, ich könnte mir in den Fällen identifikationsfreier Selbstzuschreibungen als Objekt gegeben sein. Wahrnehmung eines Objekts erfordert angeblich immer eine Identifikationsleistung; und die kann bekanntlich fehlschlagen. Häufig ist unter Wahrnehmung visuelle Wahrnehmung verstanden worden – noch dazu in der relativ "passiven" Variante der Beobachtung. Eine bemerkenswerte, wenn auch keinesfalls zufällige Verkürzung, bedenkt man die herausragende Rolle, die visuelle Wahrnehmung für menschliche Erkenntnis spielt. Auch das traditionelle Erklärungsmodell der Introspektion, das den unmittelbaren Zugang zu den eigenen Bewusstseinszuständen analog zur äußeren Sinneswahrnehmung mittels eines "inneren Sinns" erklären will, beschränkt(e) sich metaphorisch auf den Blick nach innen, auf das "innere Auge", mit dem ich meine Bewusstseinszustände beobachte. Niemand ist auf die Idee gekommen, er/sie könnte introspektiv Bewusstseinszustände hören, riechen, schmecken oder gar ertasten. Wer vermeintliche "Stimmen im Kopf hört", hört ja auch nicht das eigene Denken.
Das Wahrnehmungsmodell der Introspektion soll die Unmittelbarkeit, in der uns unsere Bewusstseinszustände gegeben sind, erklären. Es lässt sich aber zeigen, dass es eine Identifikationsleistung erfordert, weshalb es an dem prinzipiellen Dilemma scheitern muss, Selbstbewusstsein entweder voraussetzen zu müssen, oder in einem infiniten Regress niemals erreichen zu können. Denn Selbstbewusstsein kann nicht erst das Resultat einer identifikatorischen Erkenntnisleistung sein. Sollte man etwa meinen, die Frage einer Identifikation tauche erst gar nicht auf, weil ausgeschlossen ist, dass ein anderes Selbst die Eigenschaft haben kann, Gegenstand meines inneren Sinns zu sein – wie im Fall einer ausgezeichneten Relation –, dann stellt sich erneut die Frage, woher ich denn weiß, dass ich das Selbst mittels des inneren Sinns introspektiv beobachte. Dieses Wissen kann ich nicht aufgrund introspektiver Beobachtung allein gewonnen haben; weshalb das Wahrnehmungsmodell genau das identifikationsfreie Wissen von sich selbst voraussetzt, das es doch erklären sollte.
Auch das Wahrnehmungsmodell der Introspektion prägt entscheidend den Schein einer Referenz von "ich" auf ein inneres Objekt als immaterieller Substanz. Bemerkt man dagegen, dass man sich überhaupt nicht als inneres Objekt gegeben ist, orientiert sich aber an dem Wahrnehmungsmodell, dann ist man mit Hume bei dessen notorischer, nicht unironischer Auskunft angelangt:
Ich meines Teils kann, wenn ich mir das, was ich als "mich" bezeichne, so unmittelbar als irgend möglich vergegenwärtige, nicht umhin, jedesmal über die eine oder die andere bestimmte Perzeption zu stolpern, die Perzeption der Wärme oder Kälte, des Lichts oder Schattens, der Liebe oder des Hasses, der Lust oder Unlust. Niemals treffe ich mich ohne eine Perzeption an und niemals kann ich etwas anderes beobachten als eine Perzeption.
Man würde zwar stets "Perzeptionen" wahrnehmen, aber niemals einen Träger derselben. So lässt sich gerade an dieser Stelle Kants Einsicht hervorheben (der in diesem Punkt mit Hume übereinstimmt), nicht dem Schein zu erliegen, das unmittelbare Selbstbewusstsein fälschlicherweise für "eine wahrgenommene Einheit im Subjekte dieser Gedanken zu halten." Aber selbst wenn uns der metaphorische Blick nach innen nicht erlaubt, ein substanzielles Ich zu erkennen, warum sollte uns nicht der Blick nach außen die Erkenntnis eines dementsprechenden Gegenstandes gestatten – die Erkenntnis unseres Körpers? Shoemaker lehnt auch das aus denselben prinzipiellen Gründen ab:
Der Grund dafür, daß man sich selbst im Selbstbewußtsein nicht "als ein Objekt" gegeben ist, liegt darin, daß Selbstbewußtsein kein auf Wahrnehmung beruhendes Bewußtsein ist, d.h. nicht die Sorte von Bewußtsein, in der Objekte gegeben sind. Es handelt sich um ein Bewußtsein von Tatsachen, das nicht durch ein Bewußtsein von Objekten vermittelt ist. Aber man sollte festhalten, daß man in der Erklärung des Wissens von sich selbst nicht sehr weit kommt, wenn man sich seiner selbst als eines Objektes in solchen Fällen bewußt wäre (wie man sich ja tatsächlich seiner selbst als eines Objektes bewußt ist, wenn man sich im Spiegel sieht). Denn das Bewußtsein, daß das gegebene Objekt ? war, würde einem nicht mitteilen, daß man selbst ? war, es sei denn, man hätte das Objekt als sich selbst identifiziert, und dies könnte man nur dann, wenn man schon irgendein Wissen von sich selbst hat, nämlich das Wissen, daß man der alleinige Besitzer irgendeiner Reihe von Eigenschaften des gegebenen Objekts ist, das man herausgriff, um zu zeigen, daß man es selbst ist. Wissen von sich selbst, das auf Wahrnehmung beruht, setzt ein Wissen von sich selbst voraus, das nicht auf Wahrnehmung beruht, also kann nicht das gesamte Wissen von sich selbst auf Wahrnehmung beruhen.
Shoemakers offensichtliche Gleichsetzung von Wahrnehmungsbewusstsein mit der Forderung nach Identifikation muss verwundern. Es ist nicht ausgemacht, dass (Bewusstsein, Wissen, das auf) Wahrnehmung (beruht) stets Identifikation verlangt. Demonstrative Urteile geben wohl das prominenteste und zugleich auch unumstrittenste Beispiel dafür ab. Auch Shoemaker verweist auf die epistemische Tatsache, dass demonstrative Urteile, ebenso wie selbstbewusste Urteile, immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sein können:
If we focus only on present tense judgments, the assimilation of first-person judgments to demonstrative judgments may seem promising. It is characteristic of both sorts of judgments that they are ‘identification free’ and ‘immune to error through misidentification’. It is not the case that I say ‘I am angry’ because I find that someone is angry and identify that person as myself; and normally it is not the case that I say ‘This is red’ because I find that something is red and identify that thing as ‘this’.
Wodurch ein infiniter Regress oder Zirkel hervorgerufen wird, ist die Identifikationsleistung, aber nicht Wahrnehmung per se. Um Shoemakers richtige Einsicht zu verdeutlichen, substituiere ich im letzten Satz des vorletzten Zitates "Wahrnehmung" durch "Wissen, das eine Identifikationskomponente enthält", woraus folgt:
Epistemische Priorität kommt Urteilen ohne Identifikationskomponente, nicht psychischen Selbstzuschreibungen schlechthin zu. Bei welchen Erkenntnisarten Identifikation unumgänglich ist, ist dagegen eine andere Frage. Und es wird sich zeigen, dass und wie uns eine bestimmte Art der Wahrnehmung unmittelbare Information von uns als körperlichen Subjekten liefert – die körpereigene Wahrnehmung, die so genannte somatische Propriozeption.
2.2.2 Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation und (No-)Tracking
Für den Unterschied zwischen demonstrativen und selbstreferentiellen Urteilen ist das Merkmal der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation allein noch keine hinreichende Bedingung. Trifft das nur auf Urteile in der Gegenwart zu, oder auch auf Urteile in der Vergangenheit? Betrachten wir Selbstzuschreibungen von Erinnerungen.
Genau dann, wenn ein Urteil in der ersten Person im Präsens immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation ist, bleibt die Immunität auch in der Vergangenheitsform des Urteils erhalten. Ebenso wenig wie gegen Irrtum durch Fehlidentifikation immune Urteile in der Gegenwart – "Ich bin F" – Resultat der beiden Operationen "a ist F" und "Ich bin a" sind, beruhen identifikationsfreie Urteile in der Vergangenheit – "Ich war F" – auf einer Prädikationskomponente "a war F" und einer zusätzlichen Identifikations-komponente "Ich bin a". So drückt sich unmittelbares, nicht über Kriterien vermitteltes Bewusstsein von der eigenen numerischen Identität aus; das Bewusstsein, ein dauerhaftes, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umspannendes Subjekt zu sein.
Aber auch demonstrative Urteile in der Vergangenheit, wie "Dieses (Auto) war rot", können immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sein. Wenn das der Fall ist, dann ist es nicht in eine Prädikationskomponente "Jenes (Auto) war rot" und eine Identifikationskomponente "Dieses (Auto) ist jenes (Auto)" zerlegbar. Das ist allerdings nur dann möglich, wenn der Gegenstand demonstrativer Referenz im Auge behalten worden ist. Um wahrgenommene Gegenstände nicht reidentifizieren zu müssen, muss man sie im Auge behalten können.
Der entscheidende Unterschied zwischen selbstbewussten und demonstrativen Urteilen ist, dass man sich im Falle der ersten Person auch nicht im Auge behalten muss – No-Tracking! Die stets fallible Fähigkeit einen bestimmten Gegenstand über bestimmte Zeiträume hinweg im Auge zu behalten, muss im Fall der ersten Person keine Anwendung finden. Wären "ich"-Urteile wie demonstrative, bestünde diese Möglichkeit, wie im Fall eines roten Autos, das man verfolgt und kurz aus den Augen verliert. Wenig später glaubt man vielleicht, es wieder zu sehen, während in Wirklichkeit ein anderes rotes Auto desselben Typs aufgetaucht ist. Und dann käme natürlich eine Reidentifikation ins Spiel – "Dieses Auto ist/nicht jenes Auto". Ein solcher Fall ist bei selbstbewussten Urteilen ausgeschlossen. Die – hoffentlich tägliche – Erfahrung des Aufwachens exemplifiziert das hinreichend. Ich muss mich nicht erst reidentifizieren, ob ich es bin, der nach acht Stunden Schlaf wieder "zu sich kommt". Man muss sich überhaupt nicht erst im Auge behalten, um sich seiner numerischen Identität zu versichern; auch wenn die Tracking-Bedingung selbst für demonstrative Urteile eingeschränkt werden kann, wie Evans plausibel darlegt:
When a subject keeps track of a place as he moves (or does not move), or keeps track of an object as he or it moves (or not), I think we should regard the slightly varying forms of the judgements he is disposed to make as manifestations of a single persisting belief (a continuing acceptance of the same thought). Success here certainly depends upon a skill (the ability to keep track). But thinking a thought inevitably takes time, and this kind of skill must be seen as generally underlying demonstrative judgements. I cannot see the later members of a series of judgements "It’s ? here", It’s ? there", ..., made while one moves about, keeping track of the place at which one has ascertained that it is ? , as based upon an identification. Similarily with times, and series of judgements like "It is ? now", "It was ? a moment ago", "It was ? a while back", ...
Was Urteile der ersten Person von demonstrativen Urteilen unterscheidet, ist also nicht uneingeschränkt Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation, sondern der Ausschluss des "Trackings". Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für ein unmittelbar selbstbewusstes Urteil – in Kontrast zu anderen Urteilen. Wenn man sich jedoch im Bereich der selbstbewussten selbstreferentiellen Urteile aufhält, wie bei der Frage nach der Möglichkeit identifikationsloser Selbstzuschreibungen von körperlichen Zuständen und Eigenschaften, dann ist Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation nach wie vor auch eine hinreichende Bedingung.
Nun könnte man allerdings noch einen Schritt weitergehen und behaupten, man könne sich gerade wegen des No-Trackings, das ausschließlich für Subjekte gilt, nicht als Objekt, nicht als körperlich gegeben sein, weil es für Objekte wesentlich wäre, dass sie im Auge behalten werden müssen. Shoemaker dürfte es darauf abgesehen haben:
Perceived objects are candidates for several sorts of perceptually based identification. [...] in the most favorable case, where there has been continuous observation of a thing over a period of time [reidentification] will be grounded on a sort of perceptual ‘tracking’ [...] Now none of this seems to apply in the case of one’s introspective awareness of oneself.
Das sieht aber nach einem Ad-hoc-Zug aus, dessen einzige Grundlage die dogmatische Prämisse wäre, Subjekt und Objekt um jeden Preis als sich a priori ausschließend definieren zu wollen. Insofern wäre es eine triviale Konsequenz, der "größte Widerspruch", wie das Subjekt qua Subjekt jemals mit einem Objekt identisch sein könnte. Wenn es alles andere als mysteriös ist, dass auf Wahrnehmung beruhende demonstrative Urteile keine Identifikationsleistung erfordern, warum sollte es nicht genauso gut einen Modus der Wahrnehmung geben, der es auch nicht erforderlich macht, seinen Gegenstand im Auge zu behalten? Plausibel erscheint das prima facie dann, wenn diese Wahrnehmung im Gegensatz zu demonstrativem Bewusstsein nur einen einzigen Gegenstand hat – den jeweiligen Körper des Subjekts; und nicht das Subjekt als inneres Objekt introspektiver Beobachtung. Ich werde in Kapitel 3 darauf zurückkommen, dass Propriozeption genau das leistet. Die weitere Untersuchung der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation, die ich in den folgenden Abschnitten vornehmen werde, sollte zumindest indirekt demonstrieren, dass einer solchen Analyse des unmittelbaren Körperbewusstseins nichts im Wege steht.
2.2.3 Logische und de facto Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation
Shoemaker trifft zwei weitere Unterscheidungen; einerseits zwischen "logischer" und "de facto" Immunität, andererseits zwischen "absoluter" und "durch die Umstände bedingter" (circumstantial) Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation. Die zweite Unterscheidung werde ich im nächsten Abschnitt behandeln. Die erste Unterscheidung lässt sich – wieder einmal – anhand des Schmerz-Beispiels illustrieren.
Selbstzuschreibungen von Bewusstseinszuständen in der Gegenwart, etwa den Empfindungen, sind logisch immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation. Es ist nicht möglich, dass man sich irren könnte, welches Subjekt Schmerzen hat, wenn man sich selbst zuschreibt Schmerzen zu haben, weil man Schmerzen empfindet. Diese logische Immunität sollte auch für direkt erinnerte Bewusstseinszustände gelten, die ebenfalls immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind, wie der vorhergehende Abschitt gezeigt hat. Shoemaker meint allerdings, dass Urteile in der ersten Person in der Vergangenheit bloß de facto immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation wären. Wie ist das zu verstehen? Folgendes Szenario ist vorstellbar: Das Gehirn von Person A wird geteilt, und in zwei verschiedene – "hirnlose" – Körper transplantiert. Man stelle sich vor, dass sich die beiden daraus "resultierenden" Personen B und C jeweils für sich an die vergangenen Erfahrungen von A erinnern. Da keine der beiden Personen mit A identisch ist – ein umstrittener Punkt; für die momentane Darstellung (noch) nicht weiter problematisch –, sollte man nicht sagen, dass sie streng genommen eigene Erinnerungen besitzen, sondern vielmehr so genannte Quasi-Erinnerungen haben. Quasi-Erinnerungen sind "genau wie" normale Erinnerungen, die eine Subklasse von ersteren bilden, sie beschränken sich jedoch nicht auf die eigene Erfahrung.
Whereas someone’s claim to remember a past event implies that he himself was aware of the event at the time of its occurence, the claim to quasi-remember a past event implies only that someone or other was aware of it.
Wenn Quasi-Erinnerung demnach nur impliziert, dass irgendjemand zum damaligen Zeitpunkt eine bestimmte Erfahrung gemacht hat, dann kann sich auch die Frage stellen, ob ich derjenige war. Man könnte von "Hypermnesie" sprechen; überzähligen, exzessiven Erinnerungen, die man nicht mehr einordnen kann: "Das ist mir passiert? Wann war das?" Das hat zur Folge, dass auf Quasi-Erinnerung beruhende Urteile nicht immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind: "Quasi-memory, unlike memory, does not preserve immunity to error through misidentification relative to the first-person pronouns." Sollte das aber zutreffen, was wird dann aus der postulierten faktischen Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation?
If there can, logically, be [quasi-]remembering that is not remembering, then where one remembers an action from the inside one’s judgment that one did the action will not be logically immune to error through misidentification [...] though given the contingent fact that all [quasi-]remembering is remembering, such judgments can be said to have a de facto immunity to error through misidentification. [...] But a misidentification on this basis, while logically possibe, would be radically unlike the misidentifications that actually occur in the making of third-person reports.
Shoemaker räumt ein, dass Szenarien, wie das eben geschilderte brain-splitting faktisch, d.h. empirisch, ausgeschlossen werden können, auch wenn sie logisch vorstellbar sind. Diese Beruhigungsstrategie ist unbefriedigend. Wird nicht die Signifikanz der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation untergraben, wenn die prinzipielle Möglichkeit bestehen bleibt, sich irren zu können, ob man es selbst ist, der/die sich eine bestimmte Erfahrung zuschreibt? Beunruhigend erscheint v.a. die Möglichkeit einer Ausdehnung auf körperliche Selbstzuschreibungen. Wie eine derartige Infragestellung aussieht, werde ich in Kapitel 4 behandeln. An dieser Stelle möchte ich vorerst nur eine weitere Verwendungsweise des Ausdrucks "de facto Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation" betrachten.
Vielleicht möchte man meinen, dass auch Urteile de facto immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind, die auf einer Grundlage beruhen, die prinzipiell eine Identifikationsleistung erfordern kann, wenn sie einfach ohne entsprechender Identifikationsleistung zustande gekommen sind. Wenn ich mich allein in meinem unverspiegelten Zimmer aufhalte (und mich vielleicht in Russellscher Manier davon überzeugt habe, dass sich weder eine andere Person noch ein Elefant irgendwo versteckt hat), dann wird bei einem Urteil wie "Ich sehe, dass sich meine Hand bewegt" nicht die Frage auftauchen, ob ich derjenige bin, dessen Hand sich bewegt. Ich werde mich nicht nach einem Subjekt umschauen, das ich sein könnte. Ebenso ist mein Urteil "Ich bin am 28. Feber 1976 in Wien geboren" de facto ohne Identifikationsleistung zustande gekommen. Ich bin nicht erst alle behördlichen Unterlagen durchgegangen, weil ich zwar wusste, dass ein P.K. am 28. Feber 1976 in Wien geboren wurde, aber Zweifel bekommen hatte, ob ich denn tatsächlich dieser P.K. sei.
Nun kann aber bei solchen Urteilen prinzipiell die Frage auftauchen, ob ich mir sicher bin, dass ich derjenige bin, der am 28. Feber 1976 in Wien geboren wurde u.ä. Wenn Urteile de facto ohne explizites Identitätsurteil zustande gekommen sind, dann bedeutet das noch nicht, dass sie auch de facto immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind. Eine inflationäre Verwendung von "de facto Immunität" sollte besser vermieden werden, weil es auf die verschiedenen Grundlagen, die Weisen ankommt, aufgrund derer ein Urteil gefällt werden kann. Die Unterscheidung zwischen "absoluter" und "durch die Umstände bedingter" Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation wird diesen entscheidenen Aspekt verdeutlichen.
2.2.4 Absolute und bedingte Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation
Kommen wir zur zweiten Unterscheidung, zwischen "absoluter" und "durch die Umstände bedingter" Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation – und damit zu einem Herzstück der Aufgabenstellung, wie sich gleich zeigen wird. Denn die Unterscheidung zwischen absoluter und bedingter Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation markiert nicht den Unterschied zwischen psychischen und physischen Selbstzuschreibungen, sondern zwischen den verschiedenen Weisen, den verschiedenen Grundlagen, aufgrund derer man sich bestimmte Eigenschaften und Zustände zuschreiben kann.
Eine Aussage wie "Ich stehe vor einem Tisch" besitzt nicht [absolute] Immunität, denn wir können uns Umstände vorstellen, unter denen jemand diese Aussage deshalb aufstellt, weil er jemand anderen (z.B. die Person, die er im Spiegel sieht) fälschlicherweise für sich gehalten hat. Aber die Möglichkeit einer derartigen Fehlidentifizierung ist nicht gegeben, wenn man diese Aussage deshalb aufstellt, weil man auf die gewöhnliche Weise einen Tisch vor sich sieht (nicht mittels eines Spiegels usw.) Wir können also sagen, eine auf diese Weise aufgestellte Aussage besitze eine "durch die Umstände bedingte Immunität" gegen einen Irrtum durch Fehlidentifizierung bezüglich "ich".
Wenn man keine Weisen der Selbstzuschreibung bestimmter Eigenschaften kennt, die nicht zu Urteilen, die immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind, führen, dann sind diese Urteile absolut immun. Auf den ersten Blick scheint es sich dabei wieder um Selbstzuschreibungen von psychischen Zuständen wie den Empfindungen zu handeln. Insofern würden sich die Bereiche der Urteile, die "logisch" und "absolut" immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind, decken. Wenn man Arten der Selbstzuschreibung bestimmter Eigenschaften kennt, die sowohl zu Urteilen, die immun als auch zu Urteilen, die nicht immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind, führen, dann spricht man – im Falle der immunen Selbstzuschreibungen – von durch die Umstände bedingter Immunität. Ad hoc kommen dafür Selbstzuschreibungen von Körperbewegungen und Stellungen der Gliedmaßen infrage, die aufgrund der Propriozeption – der körpereigenen Wahrnehmung, die noch genauer behandelt wird – immun sind. Insofern die Selbstzuschreibungen aber auf äußerer, z.B. visueller Wahrnehmung beruhen und eine Identifikationskomponente enthalten, sind sie nicht immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation. Halten wir mit Evans fest:
[...] that the property of being immune to error through misidentification is not one which applies to propositions simpliciter, but one which applies only to judgements made upon this or that basis. Once we appreciate this relativity to a basis, which arguably must be taken into account in the case of mental self-ascription as well, the fact that there are cases involving the self-ascripition of physical predicates in which ‘the possibility of error has been provided for’ will be seen not to impugn the fact that there are cases in which it just as clearly has not.
Evans weist zurecht darauf hin, dass es nicht ausreicht, eine Kategorie von Aussagen allein mittels der darin enthaltenen Prädikate herauszugreifen, ohne die Frage zu berücksichtigen, wie man erkennt, dass solche Prädikate instantiiert sind. Das ist Shoemakers Fehler, der (auch) dazu beiträgt, zu glauben, bedingte auf absolute Immunität zurückführen zu müssen, wie wir noch sehen werden. Wenn jedoch ein Urteil prinzipiell auf verschiedene Weisen, aufgrund verschiedener epistemischer Grundlagen, zustande kommen kann, dann sind überhaupt keine Selbstzuschreibungen von Eigenschaften absolut immun. Denn einerseits können auch Empfindungen auf identifikationsabhängige Weisen selbstzugeschrieben werden; z.B. wenn ich anästhesiert bin und mir aufgrund ärztlicher Befunde einen bestimmten Zustand zuschreibe. Andererseits kommen bestimmte Eigenschaften, bevorzugt körperliche, physische, überhaupt nicht in Frage ("Ich habe braune Haare", "Ich wiege so-und-so-viel", usw.), da es offenbar keine identifikationsunabhängige Weise der Selbstzuschreibung gibt.
Strawson hat in Individuals eine grundlegende Klassifikation von Prädikaten vorgeschlagen, die in diesem Zusammenhang hilfreich ist: "M-Prädikate" (material predicates) und "P-Prädikate" (person predicates). M-Prädikate wären beispielsweise "5 Kilo wiegen" oder "sich im Wohnzimmer befinden"; Prädikate, die allen materiellen Dingen zukommen, "denen wir nicht im Traum Bewußtseinszustände zuschreiben würden". Fälle ihrer Selbstzuschreibung entsprechen demnach Wittgensteins Objektgebrauch von "ich". P-Prädikate kennzeichnet hingegen, dass sie alle "das Vorhandensein eines Bewußtseins bei dem Subjekt voraussetzen, dem sie zugeschrieben werden sollen". Strawson geht es zwar primär um das Problem der einheitlichen Bedeutung von Prädikaten, die auf zwei verschiedene Weisen zugeschrieben werden können – epistemische Asymmetrie bei semantischer Symmetrie; seine Klassifikation ist aber nützlich, weil er – im Gegensatz zu Shoemaker – nicht vergisst, auf die verschiedenen Grundlagen der Zuschreibungen hinzuweisen. Innerhalb der P-Prädikate können drei Klassen unterschieden werden:
Nicht zufällig hebt Strawson unter den P-Prädikaten, die auf verschiedene Weise in der ersten und dritten Person zugeschrieben werden, die zweite als zentrale Klasse hervor. An diesen Prädikaten sollte sich am deutlichsten zeigen, dass sie sinnvollerweise weder einem Geist noch einem bloßen Körper, sondern nur Personen – körperlichen Subjekten – zugeschrieben werden können; Prädikate, mit denen sich die Dichotomie von Psychischem und Physischem überspannen lässt: "Diese Prädikate befreien uns von der Idee, daß private Empfindungen die einzigen Dinge seien, von denen wir ohne Beobachtung und/oder indirektes Erschließen etwas wissen können." Strawson denkt im Allgemeinen an Handlungsprädikate wie "schreiben", "spazieren gehen", "spielen" oder auch "lächeln"; Prädikate, die Intentionen seitens der Person, der sie zugeschrieben werden, voraussetzen, die sich in beobachtbarem Verhalten ausdrücken können. Wer schreibt eine Dissertation und lächelt oder verzieht dabei das Gesicht – der Körper, der Geist? Ich bin es, ein körperliches Subjekt! Strawsons Untersuchung verweist auf einen fundamentalen Aspekt unseres Selbstverständnisses als selbstbewusste Wesen – auf die Tatsache, dass wir nicht nur denkende und wahrnehmende, sondern auch handelnde Wesen sind. Und das bedeutet zugleich, dass wir uns als Personen unter Personen verstehen, die in Beziehung aufeinander handeln.
Strawsons Unterscheidung zwischen korrigierbaren und unkorrigierbaren P-Prädikaten gibt Anlass, kurz das Verhältnis von Immunität und Unkorrigierbarkeit zu betrachten. Strawson folgend, weist auch Shoemaker darauf hin, dass Immunität gegen einen Irrtum durch Fehlidentifikation auch bei der Selbstzuschreibung korrigierbarer P-Prädikate vorliegt. Dagegen meint Colin McGinn, Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation könnte prinzipiell nur in unkorrigierbaren Aussagen vorkommen. Kandidaten dafür wären ausschließlich Selbstzuschreibungen subjektiver Zustände, etwa "Ich scheine einen Kanarienvogel zu sehen" oder "Ich versuche meinen Arm zu bewegen". Urteilen wie "Ich sehe einen Kanarienvogel" oder "Ich bewege meinen Arm" käme die Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation nur aufgrund der Verknüpfung mit solchen Fällen zu. Das dürfte wohl nicht zutreffen.
Eine alternative Präzisierung bietet sich mit Tugendhats Unterscheidung von unmittelbarem und direktem Wissen von sich selbst an, die mit Strawsons Klassifikation der P-Prädikate übereinstimmt. Aussagen über Bewusstseinszustände drücken unmittelbares Wissen aus. Selbstzuschreibungen, die immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation trotz Korrigierbarkeit sind, können hingegen als Aussagen bezeichnet werden, die direktes Wissen von sich ausdrücken. Es sind Aussagen über Wahrnehmungen, Erinnerungen, aber auch über Empfindungen, Körperbewegungen und Handlungen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie alle Urteile über physische, körperliche Sachverhalte implizieren; Strawsons zweite Klasse der P-Prädikate. So impliziert "Ich sehe, dass sich ein Finger bewegt", das Urteil "Der Finger bewegt sich" – und das kann sich selbstverständlich als falsch herausstellen. Sollte das der Fall sein, dann werde ich nicht nur mein Urteil über den objektiven Sachverhalt revidieren, sondern auch die Aussage "Ich sehe, dass" zurücknehmen. An deren Stelle kann eine Aussage der Form "Ich hatte den Eindruck, dass", "Ich glaubte zu sehen, dass", "Es scheint mir, dass" treten. Diese modifizierten Aussagen implizieren keinen objektiven Sachverhalt mehr, sondern drücken nur den eigenen Bewusstseinszustand aus, weshalb sie unkorrigierbar sind. Aber im Gegensatz zu den Aussagen, die unmittelbares Wissen ausdrücken, sind sie "erkenntnistheoretisch nicht Ausgangs-, sondern Endpunkte".
2.3 Verabschiedung der epistemischen Priorität
Bisher konnte gezeigt werden, dass prinzipiell nicht alle Urteile, die auf Wahrnehmung(sbewusstsein) beruhen, eine Identifikationskomponente enthalten. Unbestritten ist, dass auch demonstrative Urteile immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind. Der Ausdruck der "bedingten Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation" unterstreicht, dass es entscheidend ist, auf welche Weise ein Urteil zustande kommt; ob aufgrund einer Wahrnehmung, die eine Identifikationsleistung erfordern kann oder nicht. Wollen wir annehmen, dass unmittelbares Körperbewusstsein – die Propriozeption – eine Form der Wahrnehmung ist, deren Gegenstand der jeweilige Körper einer Person ist, dann besteht die Möglichkeit, dass es sich um eine Art der identifikationsfreien Wahrnehmung handelt. Um zu zeigen, dass Propriozeption als Grundlage von Urteilen, die immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind, überhaupt infrage kommt, muss zunächst die Priorität psychischer Selbstzuschreibungen verabschiedet werden. Diese wird von zwei Elementen gestützt: Einerseits werden bevorzugt Beispiele der äußeren Wahrnehmung diskutiert, bei denen es offensichtlich ist, dass sie eine Identifikationsleistung erfordern können – die Verallgemeinerung des Spiegelszenarios. Wenn andererseits unmittelbare Selbstzuschreibbarkeit körperlicher Zustände zur Kenntnis genommen wird, wird versucht, diese wegzuerklären. In den körperlichen Selbstzuschreibungen "verstecke" sich eine psychische Selbstzuschreibung; so wie in Urteilen mit "ich" im Objektgebrauch eine Identifikationkomponente steckt. Insofern wäre Körperbewusstsein prinzipiell nicht unmittelbar, sondern über das Bewusstsein von sich als psychischem Subjekt vermittelt. Dass sich aus epistemischen (Fehl-)Analysen auch bedenkliche ontologische Schlüsse ziehen lassen, mag dann freilich nicht mehr verwundern.
2.3.1 Bedingt absolute Immunität bedingte Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation?
Shoemaker erwähnt Propriozeption nicht ausdrücklich. Aber er bezeichnet eine Aussage wie "Ich schwenke meinen Arm hin und her", zurecht als immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation: "Zwar kann die Aussage ‚Mein Arm bewegt sich‘ einem Irrtum durch Fehlidentifizierung unterliegen, aber nicht die Aussage ‚Ich schwenke meinen Arm hin und her‘." Bemerkenswert ist allerdings, warum laut Shoemaker körperliche und räumliche Selbstzuschreibungen immun sind. Shoemakers These lautet, dass bedingte Immunität auf absoluter Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation beruht. Diese These ist eine dezidierte Variante der epistemischen Priorität von psychischen gegenüber körperlichen Selbstzuschreibungen, weshalb sie eine eingehende Betrachtung erfordert. Shoemaker führt aus:
Es scheint so, als sei eine Selbstzuschreibung immer dann aufgrund der Umstände gegen eine Fehlidentifizierung immun, wenn der Sprecher weiß oder meint, daß sie infolge irgendeiner anderen Selbstzuschreibung wahr ist, von der der Sprecher weiß oder berechtigt ist zu meinen, sie sei gegen einen Irrtum durch Fehlidentifizierung absolut immun; z.B. würde die Aussage "Ich stehe vor einem Tisch" in den gerade vorgestellten Umständen als eine Folge der Aussage "Ich sehe einen Tisch in der Mitte meines Gesichtsfeldes" gewußt oder geglaubt werden.
Selbst wenn körperliche und räumliche Eigenschaften und Relationen unmittelbar selbstzuschreibbar sind, sollte ihre Immunität gegen Fehlidentifikation von absoluten, d.h. psychischen Selbstzuschreibungen, beispielsweise von Wahrnehmungsprädikaten wie "sehen", abhängen. Wie ist das zu verstehen? Shoemaker übergeht das propriozeptive Urteil "Ich schwenke meinen Arm hin und her", und wählt stattdessen ein Beispiel der Selbstlokalisierung (ich gehe in Kapitel 3 auf Selbstlokalisierung ein). Nehmen wir an, er charakterisiert das Urteil korrekt als immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation. Er greift nun Strawsons Klassifikation auf und bezeichnet die zentrale Klasse als "P*-Prädikate". Korrekte Selbstzuschreibung von P*-Prädikaten ist eine notwendige Bedingung, um sich überhaupt Prädikate zuschreiben zu können, weil nur deren Selbstzuschreibung immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation ist. P- und M-Prädikate können nur meine sein, indem sie auf bestimmte Weise mit P*-Prädikaten verbunden sind, die ich mir zuschreibe. Das ist unproblematisch, solange P-Prädikate nicht einseitig als psychische Prädikate definiert werden. Gemäß Shoemakers folgender Definition stünde dem auch nichts im Wege:
?
ist ein P*-Prädikat, dann und nur dann, wenn es eine Weise w gibt, in der man weiß, daß ? exemplifiziert ist, derart, daß notwendig gilt, S weiß, daß ? auf die Weise w exemplifiziert ist, dann und nur dann, wenn S weiß, daß er selbst ? ist.Wenn ein P*-Prädikat auf eine Person zutrifft, dann ist es nicht notwendig der Fall, dass diese Person auch immer weiß, dass dieses Prädikat auf sie zutrifft; P*-Prädikate sind nicht evident, sie müssen auch nicht infallibel oder unkorrigierbar sein. Wenn die Person jedoch weiß, dass dieses Prädikat auf sie zutrifft, dann weiß sie auf unmittelbare Weise, dass es sich nur um sie selbst und um keine andere Person handeln kann.
Shoemaker fügt jedoch die unterschiedlichen Weisen, aufgrund derer man sich selbst etwas zuschreibt, irreführend zu einer Hierarchie, weil er P*-Prädikate – im Gegensatz zu Strawsons Definition von P-Prädikaten, was Shoemaker stillschweigend übergeht – ausschließlich als psychische Prädikate einstuft. Aber genau das müsste er gemäß seiner eigenen Definition, in der er die Weisen, und nicht simpliciter die Prädikate identifikationsfreier Selbstzuschreibungen hervorkehrt, nicht tun. Und meines Erachtens beruht dieser Fehler zu einem beträchtlichen Teil auf der Fehleinschätzung der wesentlichen Basis körperlichen Selbstbewusstseins – der Propriozeption.
Shoemaker orientiert sich an Wittgensteins Unterscheidung zwischen Subjekt- und Objektgebrauch von "ich" und dessen Formulierung, den Objektgebrauch anhand der Ersetzbarkeit von "ich" durch "mein Körper" zu charakterisieren. In diesen Fällen könnte ich anstatt "Ich ? " auch sagen "Mein Körper ist ? ". Besser, d.h. ontologisch und epistemologisch "neutraler" ist es, den Objektgebrauch anhand Wittgensteins Hinweis zu beschreiben, es sei erforderlich, "dass man eine bestimmte Person erkennt" – d.h. identifiziert; anhand der Möglichkeit, dass die Prädikation auf eine bestimmte Weise über ein Identitätsurteil vermittelt zustande kommen kann, sodass das Urteil eine Prädikations- und eine Identifikationskomponente enthält. Wittgenstein selbst warnt jedenfalls genau vor der dualistischen Täuschung, der Shoemaker offensichtlich erliegt, wenn er behauptet, die Bedeutung von "mein Körper" im Objektgebrauch ihrerseits durch Aussagen erklären zu müssen, in denen "ich" im Subjektgebrauch vorkommt:
Fragt man, was es heißt, daß ein Körper "mein Körper" genannt wird, könnte ich etwas von dieser Art antworten: "Mein Körper ist derjenige Körper, durch dessen Augen ich sehe, derjenige, dessen Mund Laute von sich gibt, wenn ich spreche, dessen Arm nach oben geht, wenn ich meinen Arm hebe, gegen den etwas drückt, wenn ich einen Druck fühle, usw."
Wir sollten antworten, dass es keine substanzielle Erklärung des so verstandenen "ich" im Subjektgebrauch mehr geben kann, und mit Wittgenstein die Redeweise von einem Subjekt, das seinen Körper "hat", "besitzt" oder sich "nur in Begleitung seines Körpers" versteht, entschieden zurückweisen:
Es gibt ein Kriterium für "Dies ist meine Nase": Die Nase gehört zu dem Körper, an dem sie haftet. Man ist versucht zu behaupten, es gebe eine Seele, der der Körper gehört, und daß mein Körper derjenige ist, der mir gehört.
Nicht das Subjekt schlechthin ist eine "tief eingewurzelte grammatikalische Illusion", sondern die Vorstellung eines rein psychischen Subjekts, das (s)einen Körper besitzt.
2.3.2 Frank: Dualistische Folgerungen und idealistische Ambitionen
Manfred Frank hat Shoemakers Ansichten bereitwillig rezipiert und mit seinen eigenen idealistischen Ambitionen verbunden. Die Herausforderung der epistemischen Priorität gestaltet sich bei Frank noch expliziter und aus einer etwas anderen Perspektive, als bei Shoemaker, der sich ja als ontologischer Materialist bezeichnet: "Ich selbst bin ursprünglich mit meinen eigenen physischen Eigenschaften nur auf dem Umweg über psychische Erlebnisse bekannt." Frank folgt Shoemaker gerade in dem Punkt, der besagt, dass Kenntnis von körperlichen Eigenschaften ausschließlich als auf Wahrnehmung beruhend zu verstehen sei – auf Wahrnehmung, die prinzipiell eine Identifikationsleistung erfordert. Frank zieht explizit – zunächst nur epistemische – dualistische Konsequenzen. Ich zitiere zwei längere Passagen, in denen er die epistemische Priorität des Psychischen gegenüber dem Physischen deutlich exponiert:
Wir können die Rede von der Meinigkeit dieses Körpers nicht unabhängig einführen von Wendungen wie ‚Dies Knie, dessen Bänderriß ich spüre‘ oder ‚dies Auge, das mir weh tut‘ oder ‚dies Herz, dessen Klopfen ich fühle‘ – und dabei haben wir jedesmal Bewußtseinsverben benutzt. Denen Vertrautheit zuzuschreiben war aber gerade unproblematisch. Wenn wir nun zeigen konnten, daß Körperliches mir als etwas Meiniges immer nur vertraut ist, sofern es durch Seelisches hindurch mir erschlossen ist, dann haben wir einen erneuten Beleg für die Einsichtigkeit der cartesianischen Intuition, daß uns unser Geist ‚bekannter‘ ist als unser Körper (oder daß uns der Körper als der unsrige gewiß nur ist in dem Maße, wie er selbst durch Seelisches hindurch an unserer Vertrautheit teilnimmt).
Wer sich ein mentales Prädikat zuschreibt, kennt sich insofern nicht als eine physische Entität (auch wenn er wirklich eine ist). Ferner stießen wir zu wiederholten Malen auf die Einsicht, daß wir uns in "ich"-Sätzen oft auch physische Eigenschaften zuschreiben. Aber das tun wir mit cartesianischer Gewißheit immer nur dann, wenn uns das Physische auch intern bekannt, und das heißt: durch ein mentales Prädikat hindurch erschlossen ist. (Daß mein Bein blutet, schreibe ich mir als gewiß zu, wenn ich das spüre; spüren aber ist ein Bewußtseinszustand; ich würde das Bein-dort überhaupt nicht sicher meines nennen, wäre die Meinigkeits-Unterstellung nicht durch einen cartesianischen Bewusstseinszustand – gleichsam eine epistemische Innervation – beglaubigt.)
Ich denke, dass man leicht in das Problem gerät, das, was wir erfahren, in der Art und Weise wie wir es erfahren, aufgehen zu lassen. Aus dem Faktum, dass Bewusstsein und sein Inhalt qua Bewusstseinsinhalt etwas Psychisches ist, dass ich etwas unweigerlich denken muss, damit es (meine) Erfahrung sein kann, zieht Frank den fraglichen Schluss, dass Körperliches nur vermittelt – "durch ein mentales Prädikat hindurch erschlossen" – erfahrbar wäre. Worauf es jedoch ankommt, ist das "Wovon" meiner Erfahrung. Es geht mir ja nicht darum, mich auf meine Wahrnehmung als Bewusstseinszustand zu beziehen; schon gar nicht nehme ich meinen Bewusstseinszustand wahr, was auch Frank entschieden zurückweisen würde. Es geht um den Bewusstseinsinhalt, um den Inhalt meiner Erfahrung, auf das, wovon mir Wahrnehmung Information liefert, auf das, was ich erfahre. Und das kann gleichermaßen etwas Psychisches und etwas Körperliches sein. Der Bewusstseinsinhalt eines Gedankens erster Stufe, der eben auch von Körperlichem handeln kann, darf nicht mit dem reflexiven Gedanken zweiter Stufe über den Inhalt des ersten Gedankens gleichgesetzt werden.
Those who reject [the] claim that we are reflexively aware of an immaterial, unitary self have nevertheless tended to accept the way in which the dualist has set up the question of knowledge of the self. They ask (as Locke and Hume asked) whether reflexive or second-order consciousness of first-order mental activity carries with it knowledge of the thing which thinks, the subject of the first-order mental activity. The content of the first-order activity has thus seemed more or less irrelevant to the question of the nature of the self.
Anhand der Unterscheidung zwischen epistemologischer und ontologischer Fragestellung ist festzuhalten: Während es für eine "realistische" Position nicht genügt, ausgehend von der ontologischen Prämisse, dass wir körperliche Subjekte sind, den epistemologischen Schluss zu ziehen, wir müssten uns deshalb qua Subjekte auch als körperlich verstehen, handelt es sich bei Frank um den umgekehrten Fall. Von der fragwürdigen epistemischen Prämisse ausgehend, man wäre sich in den zentralen Fällen als Subjekt und nicht als Objekt gegeben, wird versucht, zu dem ontologischen Schluss zu gelangen, dass man deshalb auch nur Subjekt und kein Objekt ist – eine ebenso ambitionierte wie problematische Folgerung. Aus Shoemakers Ausführungen ergeben sich diese Folgerungen jedenfalls keineswegs zwingend. Shoemaker vermeidet explizit – bona fide Materialist – diese Konsequenzen.
Freilich mag gerade diese Tendenz einer dualistischen oder idealistischen "Intuition" entsprechen, über das epistemische Phänomen, dass man sich in manchen Fällen "nur" als denkendes Subjekt erfährt, noch hinauszugehen und zu versuchen, selbst den ontologischen Status des selbstbewussten Subjekts als den eines ungegenständlichen Subjekts zu bestimmen. Frank, der selbst von einem Übergang vom erkenntnistheoretischen zum ontologischen Standpunkt spricht, "beantwortet" die Frage "Hat Selbstbewusstsein einen Gegenstand?" folgendermaßen:
Noch bleibt die Frage: welche Seinsart hat der Referent von selbstbewußtem "ich"-Gebrauch? Darauf können wir beim Stand der Dinge nur aporetisch antworten: nicht die Seinsweise eines Objekts in Raum und Zeit. Damit ist nicht gesagt, daß Subjekte körperfrei existieren; ihre Selbstgewahrung ist aber nicht durch Gewahrung von Körperlichem vermittelt.
Bleiben wir [...] dabei, daß "ich"-Gedanken nicht gegenstandslos sind, so legt sich die Vorstellung nahe, der Referent von "ich" könne eine ungegenständliche Entität sein: ein Seiendes, dessen Seinsart es wäre, nicht als Gegenstand (als res, als substantia), sondern als Subjekt zu existieren.
Aber ist, was nicht gegenständlich existiert, überhaupt eine Entität; ist es nicht vielmehr ein Unding? Allerdings (und so hatte es schon Friedrich Schlegel im Blick auf die Freiheit des Subjekts gesehen): "Sehr bedeutend ist der Ausdruck, die Freiheit sei ein Unding; sie ist auch das einzige Nicht und Gegending."
Es mag polemisch sein, eine metaphorische Bemerkung des Autors argumentativ gegen ihn zu wenden. Zur Illustration von Franks metaphysischen Ambitionen ist diese Stelle aber durchaus signifikant. Meiner Einschätzung nach schlittert er auf ähnliche Weise in das Problem, eine nur mehr paradox zu fassende Entität zu postulieren, wie es schon Kant (mit Strawson) bezüglich der cartesianischen Illusion konstatierte. Seltsame Eigenschaften eines Phänomens führen zu seltsamen Erklärungsversuchen. Und diese können auch metaphysisch "überhöht" sein. Der Rekurs aufs Paradoxe sollte immer der letzte Ausweg sein. Bei Frank klingt es allerdings eher nach triumphaler Einsicht. Und ich denke, dass an diesem Punkt besonders deutlich wird, wo die verschiedenen Positionen, ja Traditionen entscheidend divergieren; ob und wie man gewillt oder motiviert ist, eine "Dimension der Subjektivität" ontologisch zu überhöhen. Wenn wir uns auf besondere Weise erfahren, dann muss das nicht bedeuten, dass wir auch etwas Besonderes sind. Wer die wesentliche Rolle körperlichen Selbstbewusstseins übergeht oder vernachlässigt, läuft Gefahr, bei einem unbestimmten und deshalb nur mehr als mysteriös zu betrachtenden Subjekt zu landen.
Frank hat aber nicht nur diese gänzlich aporetische Antwort anzubieten. Wie charakterisiert er die Dimension der Subjektivität bzw. das darin aufgehende Subjekt? Frank greift Kants Unterscheidung von Selbstbewusstsein und Selbsterkenntnis auf. Aber im Gegensatz zu Kant betrifft seine Unterscheidung nicht die Trennung von transzendentalem und empirischem Subjekt. Wissen von sich selbst fällt für Frank bereits in den Bereich der Selbsterkenntnis, die eine primäre Dimension des Selbstbewusstseins eines empirischen Subjekts voraussetzt.
Unter "Selbstbewußtsein" verstehe ich die unmittelbare (nicht-gegenständliche, nicht-begriffliche und nicht-propositionale) Bekanntschaft von Subjekten mit sich. Als "Selbsterkenntnis" bezeichne ich die Reflexionsform von Selbstbewußtsein: also das explizite, begriffliche und in vergegenständlichender Perspektive unternommene Thematisieren des Bezugsgegenstandes von "ich" oder der Befunde des psychischen Lebens. Die These ist, daß Selbsterkenntnis kein ursprüngliches Phänomen ist, sondern Selbstbewußtsein voraussetzt.
Was immer mit "Subjekt" sonst noch gemeint sein mag: wir haben an einen Sachverhalt zu denken, der ursprünglich und wesentlich mit sich bekannt ist und erst kraft dieser Bekanntschaft in ein verstehendes und explizites Selbstverhältnis eintreten kann.
Ergänzend möchte ich auf eine Charakterisierung Dieter Henrichs zurückgreifen, die Frank vermutlich nicht ganz unbeeinflusst gelassen hat. Henrich begreift Bewusstsein als primäre Dimension, die dem Selbstbewusstsein vorausgeht: "Bewußtsein ist ein Sachverhalt, der allen zielgerichteten Leistungen vorangehen muß und der deshalb auch dem selbstbewußten Ich vorausliegt." Erst die Aktivität im Bewusstsein, die auch Akte der Reflexion vollzieht, kann als "Ich" bezeichnet werden. Selbstbewusstsein beschreibt Henrich als "Funktionszusammenhang von drei Elementen": "1. Bewußtsein als Dimension, 2. cognitive Kenntnis des Sachverhalts, daß die Dimension sich öffnet, 3. Aktivität des in der Dimension je schon bekannten Selbst".
Zwei Punkte erscheinen mir bedenkenswert. Erstens zielt Frank mit seiner Charakterisierung unmittelbarer Selbstvertrautheit bzw. Bekanntschaft auf die Ebene vorsprachlichen, nichtbegrifflichen Bewusstseins ab. Zweitens, so denke ich, kann diese Bekanntschaft eines Subjekts nur als notwendige, nicht als hinreichende Bedingung für Selbstbewusstsein verstanden werden. In der Tat gesteht sie Frank auch Tieren und Säuglingen zu. Das lässt sich mit Henrichs Element des "Bewusstseins als Dimension" charakterisieren. Beide Punkte schließen allerdings per se nicht aus, dass es sich bei der Bekanntschaft eines Subjekts mit sich selbst – sei es nur bewusst oder bereits selbstbewusst –, auch um ursprüngliche körperliche Selbstvertrautheit handeln kann.
In Kapitel 5 werde ich mit Bermúdez darauf zu sprechen kommen, dass es sich bei den einfachen vorsprachlichen Bewusstseinsformen, die notwendige, wenn auch teils noch nicht hinreichende Bedingungen für Selbstbewusstsein sind, wesentlich um Formen körperlichen (Selbst-)Bewusstseins dreht. Die Charakterisierung der Selbstvertrautheit, einer spezifisch subjektiven Erlebnisperspektive als "Wissen-wie", werde ich bereits im nächsten Kapitel erörtern.
3 Propriozeption und Raumbewusstsein
"Eine Hauptursache philosophischer Krankheiten – einseitige Diät: man nährt sein Denken mit nur einer Art von Beispielen."
Auch wenn noch nicht alle Bedenken gegen die "Symmetrie" des Bewusstseins von sich als körperlichem und psychischem Subjekt ausgeräumt werden konnten, halte ich es für angebracht, zu einer genaueren positiven Ausarbeitung der unterschiedlichen Weisen unmittelbaren körperlichen Selbstbewusstseins überzugehen. Natürlich sind davon weitere Einsichten zwecks Zerstreuung besagter Bedenken zu erwarten. Oftmals sind die verschiedenen und komplexen Weisen, in denen wir uns als körperliche Subjekte erfahren, verstehen, repräsentieren und handeln, philosophisch vernachlässigt worden, weil sie als epistemisch zweitrangig und abhängig vom "reinen Denken" betrachtet worden sind. Wittgensteins Diagnose einer "einseitigen Diät" trifft auf den Bereich körperlicher Selbstzuschreibungen wie auf kaum einen anderen zu. Es ist bedenklich, wie gerade auf Propriozeption beruhende Urteile in der Selbstbewusstseinsdebatte – ich möchte beinahe sagen systematisch – ausgeblendet oder falsch interpretiert worden sind.
Wir können davon ausgehen, dass jedes Subjekt ein einzigartiges Körperbewusstsein hat; ein Bewusstsein aus der Innenperspektive, wie man es von keinem anderen Körper haben kann. Ebenso wie mir unmittelbar meine psychischen Zustände zugänglich sind, und ich Information von meinen mentalen Eigenschaften habe, so liefert mir somatische Propriozeption unmittelbare Information von meinen physischen Eigenschaften. Und diese Unmittelbarkeit bedeutet, dass ich mich zugleich als Subjekt psychischer und physischer Eigenschaften erfahren kann. Körperliche Eigenschaften müssen als Eigenschaften von sich selbst wahrgenommen werden. Wenn somatische Propriozeption dementsprechend selbstbewusste Information liefern kann, dann handelt es sich nicht nur um Information von einem bestimmten Körper, sondern um Information von sich als körperlichem Subjekt. Körperbewusstsein aus der Innenperspektive haben wir einerseits von unseren Empfindungen, Gefühlen usw.; andererseits aber auch von den Bewegungen unseres Körpers und bestimmten Körperteilen im Raum aufgrund der kinästhetischen Propriozeption und ebenfalls aufgrund willentlicher Bewegung unseres Körpers. Kein anderer Körper lässt sich auf diese Weise bewegen; bzw. um die dualistische Versuchung auch in diesem Fall zu umgehen: Ich bewege nicht mich selbst, ich selbst bewege mich, wie ich keinen anderen Körper bewege.
Bewusstsein von sich als körperlichem Subjekt ist nicht nur auf sich, auf die Eigenschaften des eigenen Körpers gerichtet, sondern zugleich, metaphorisch gesagt, "nach außen", auf die Umwelt. Denn wenn ich weiß – noch dazu unmittelbar –, dass ich es bin, der beispielsweise seinen Mund beim Sprechen bewegt, dann habe ich mich zugleich von allen anderen Personen und Gegenständen unterschieden. Räumliche Orientierung aufgrund unserer Wahrnehmung, Position und Relation von uns als körperlichen Subjekten zu anderen Personen und Gegenständen in der Welt ist von zentraler Bedeutung. Strawson hat hervorgehoben, dass wir uns als Personen unter Personen verstehen müssen, dass Selbstbewusstsein und Bewusstsein von einer objektiven Welt wechselseitig voneinander abhängen; und Evans hat diesen Zusammenhang weiter ausgeführt.
The very idea of a perceivable, objective, spatial world brings with it the idea of the subject as being in the world, with the course of his perceptions due to his changing position in the world and to the more or less stable way the world is. The idea that there is an objective world and the idea that the subject is somewhere cannot be separated, and where he is is given by what he can perceive.
Aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeit von Körperbewusstsein und räumlicher Wahrnehmung, die es einem Subjekt erlaubt sich selbst zu lokalisieren, erweist sich das Wahrnehmungssubjekt nicht als "Grenze", sondern als innerweltliches Element der empirischen Welt, das sich sowohl handelnd als auch wahrnehmend versteht.
3.1 Weisen der somatischen Propriozeption
Wertvolle Aufschlüsse über grundlegende Formen von Körperbewusstsein und körperlichem Selbstbewusstsein lassen sich über Untersuchungen der somatischen Propriozeption gewinnen. Es sollte zwischen propriozeptiven Systemen, propriozeptiver Information und propriozeptivem Bewusstsein unterschieden werden. Zu den propriozeptiven Systemen zählen alle internen "Informationskanäle", deren Ursprung der Körper ist. Propriozeptoren und Propriorezeptoren sind Sinnesorgane, die im Körper entstehende Reize – so genannte propriozeptive Reize – verarbeiten und Bewegung, Druck oder Spannung von Organen kontrollieren. Die folgende Liste bietet eine Auswahl der propriozeptiven Information:
Für die folgenden Untersuchungen ist das propriozeptive Bewusstsein am wichtigsten; bewusste Erfahrung vom Körper "aus der Innenperspektive". Dieser Aspekt unterscheidet propriozeptives Bewusstsein von äußerer Wahrnehmung des eigenen Körpers – und bringt es somit in Analogie zur Unmittelbarkeit psychischer Zustände. Wenn im Folgenden von Propriozeption die Rede ist, dann ist (wenn nicht ausdrücklich angegeben) nur dieser dritte Aspekt gemeint – bewusste propriozeptive Erfahrung, die sich in Urteilen ausdrückt, die immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind.
Ein Grund dafür, dass Propriozeption zu oft epistemologisch unbeachtet geblieben ist, mag die Tatsache sein, dass es sich bei einem beträchtlichen Teil der propriozeptiven Information um unbewusste Information handelt. Und gewöhnlich schenken wir auch anderen Wahrnehmungsobjekten als unseren eigenen Gliedmaßen und anderen Körperteilen besondere Aufmerksamkeit; z.B. fällt es uns oft gar nicht auf, dass und wie wir beim Sprechen gestikulieren. Kinästhesie, zuweilen auch "Muskelsinn" genannt, bezeichnet die propriozeptive Information von den körperlichen Bewegungen, von Widerständen, Schwere und Lage, die von den Nervenendorganen in Muskeln, Sehnen und Gelenken vermittelt wird, und von großer Unterschiedsempfindlichkeit ist. Sie ermöglicht die Automatisierung ursprünglich bewusst erlernter Tätigkeiten und dient dementsprechend auch der unbewussten reflektorischen Kontrolle und Steuerung von Bewegungen – aber nicht ausschließlich. Lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf die Position eines Körperteils, z.B. des linken Arms, aber nicht, wie so oft, mittels visueller Wahrnehmung oder indem wir ihn mit der rechten Hand befühlen. Der linke Arm wird zum "Brennpunkt" der unmittelbaren propriozeptiven Aufmerksamkeit. Und unmittelbares propriozeptives Bewusstsein von Bewegung und Stellung meiner Gliedmaßen ist offenbar eine notwendige Bedingung, um überhaupt handeln zu können.
In Zusammenhang mit der Kinästhesie sind zwei Begriffe zu nennen, die an der "Schnittstelle" von un-/bewusster Information stehen, und in der jüngeren Debatte unterschieden werden: Körperschema (body schema) und Körperbild (body image). Beide Formen entstehen im Laufe der Entwicklung aufgrund der erfahrenen Kraft- und Bewegungserlebnisse, sowie der Berührungswahrnehmungen. Während aber das Körperschema unbewusst und nichtrepräsentational ist, ist das Körperbild die Gesamtheit der bewussten Repräsentationen der verschiedenen Aspekte der erlebten Raumgestalt des eigenen Körpers.
Ich habe bereits an einigen Stellen Propriozeption als körpereigene Wahrnehmung bezeichnet. Was qualifiziert Propriozeption als Wahrnehmung? Gemessen an Shoemakers Kriterien für äußere Wahrnehmung nicht viel:
Ordinary modes of perception admit of our perceiving, successively or simultaneously, a multiplicity of different objects [...] There is such a thing as singling out one from a multiplicity of perceived objects, distinguishing it from the others [...] by its perceived properties and its position in a space of perceived objects.
Perceived objects are candidates for several sorts of perceptually based identification. One can identify one of them, or misidentify it, as being of this or that sort – call this sortal identification. And one can identify one of them, or misidentify it, as being a certain particular thing – call this particular identification. [...] in the most favorable case, where there has been continuous observation of a thing over a period of time, [reidentification] will be grounded on a sort of perceptual ‘tracking’ [...]
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den äußeren Sinnen und der Propriozeption besteht offensichtlich im Bereich ihrer möglichen Objekte. Propriozeption kann nur den Körper bzw. Teile des einen Körpers des jeweiligen Wahrnehmungssubjekts als Gegenstand haben, während den äußeren Sinnen eine unendliche Anzahl möglicher Objekte offen steht. Aber allein das Faktum, dass äußeres Wahrnehmungsbewusstsein im Regelfall das Bewusstsein einer Vielzahl von Objekten einschließt, schließt nicht die Möglichkeit einer Single-Object-Perception aus.
One of the distinctive features of somatic proprioception is that it is subserved by information channels that do not yiel information about anybody’s bodily properties except my own (just as introspection does not yield information about anybody’s psychological properties except my own). It follows from the simple fact that I somatically proprioceive particular bodily properties and introspect particular psychological properties that those bodily and psychological properties are my own.
Wie sieht es mit der Identifikationskomponente bzw. der Fähigkeit, sich im Auge zu behalten, dem "Tracking" von Wahrnehmungsgegenständen aus? Wenn es alles andere als mysteriös ist, dass auf Wahrnehmung beruhende demonstrative Urteile keine Identifikationsleistung erfordern, warum sollte es nicht genauso gut einen Modus der Wahrnehmung geben, der es auch nicht erforderlich macht, seinen Gegenstand im Auge zu behalten? Plausibel erscheint das prima facie dann, wenn diese Wahrnehmung im Gegensatz zu demonstrativem Bewusstsein nur einen einzigen Gegenstand hat – den jeweiligen Körper des Subjekts. Das Faktum des "No-Trackings", dass man sich selbst im Gegensatz zu allen anderen Körpern und Gegenständen nicht im Auge behalten muss, um sich der eigenen Identität bewusst zu sein, lässt sich verdeutlichen. Sich selbst als körperliches Subjekt aus den Augen zu verlieren, bedeutet nicht, sich fälschlicherweise mit einem anderen Subjekt, einem anderen Körper, zu identifizieren. Fehlidentifikation ist zwar eine hinreichende, aber keine notwendige Bedingung für die Möglichkeit, sich aus den Augen zu verlieren. Verliere ich ein bzw. mich als Objekt dennoch einmal aus den Augen, so sieht es sprichwörtlich danach aus, als müsste wiederum eine Reidentifikationsleistung ins Spiel gebracht werden. Warum erfordert es keine Reidentifikation?
Das kann anhand der folgenden Frage erläutert werden: Liefert einem Körperbewusstsein zunächst Bewusstsein von distinkten Körperteilen, und erst dadurch vermittelt das Bewusstsein von sich selbst als körperlicher Einheit – oder ist umgekehrt das Bewusstsein der körperlichen Einheit grundlegender? Letztere Variante ist wahrscheinlicher. In der Tat nehme ich jedoch meine Gliedmaßen nicht wie die Beine eines Tisches oder die Antenne eines Radios wahr, die ich u.a. auch als bloße Holz- oder Metallstücke betrachten kann. Bewege ich meinen linken Arm, dann nehme ich ihn als Teil meines Körpers und nicht als distinkte, von mir getrennte Entität wahr. Indem man sich der eigenen Körperteile bewusst wird, wird man sich ihrer als Teile eines einzigen Objekts – des eigenen Körpers – bewusst. Und offenbar kann man nur dann unmittelbare Erfahrung von einem Körperteil haben, wenn dieser nicht vom Körper getrennt ist. Insofern lässt sich auf gänzlich unmysteriöse Weise erklären, dass es auch für die Propriozeption etwas Entsprechendes zu den verschiedenen Wahrnehmungsgegenständen der äußeren Wahrnehmung gibt. Die geforderte "Mannigfaltigkeit der Anschauung" wird durch verschiedene Körperteile gewährleistet, die jedoch immer als Teile einer einzigen Totalität erfahren werden. Ich erfahre mich als "integrated bodily totality". Hätte man zunächst nur ein Bewusstsein von verschiedenen Körperteilen, d.h. von verschiedenen Objekten, dann wäre damit auch kein identifikationsfreies "No-Tracking" des einen körperlichen Subjekts durch den Raum gewährleistet.
Vielleicht lässt sich an dieser Stelle der Einwand machen, dass diese Erörterung zwar notwendig, aber noch nicht hinreichend ist, um den jeweiligen Körper eines Subjekts als einzigen Gegenstand der Propriozeption zu etablieren. Der Vorwurf, dass die Annahme zugunsten der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation bzw. des No-Trackings propriozeptiver Selbstzuschreibungen erschlichen wäre, darf selbstverständlich nicht leichtfertig abgetan werden. Eine sorgfältige Prüfung des durchwegs dualistisch motivierten Einwandes werde ich jedoch erst im nächsten Kapitel unternehmen. Für die folgenden Untersuchungen ist der Ausgangspunkt, Propriozeption wäre eine Single-Object-Perception, unproblematisch.
3.1.1 Wie ist es, körperliches Subjekt zu sein?
Es gibt einen interessanten Aspekt, der gerne zur Charakterisierung unmittelbarer Selbstvertrautheit, Bekanntschaft mit sich, eines spezifisch subjektiven Erlebens dient, und als "Wissen-wie" bezeichnet wird. Beschränkt sich dieses "Wissen, wie es ist, in diesem oder jenem Zustand zu sein", auf das Wissen bzw. das Bewusstsein mentaler Zustände? Peter Bieri bringt eine exemplarische Vorgangsweise zum Ausdruck:
Man kann mit der Beobachtung beginnen, daß wir, wenn von mentalen Zuständen die Rede ist, manchmal eine Frage stellen, die wir nicht stellen, wenn von physischen Zuständen die Rede ist. Es ist die Frage: "Wie ist es, in diesem Zustand zu sein?" Man kann fragen: "Wie ist es, Halluzinationen zu haben", "Wie ist es, unter Amnesie zu leiden?", oder: "Wie ist es, in religiöse Ekstase zu geraten?" Man kann nicht fragen: "Wie ist es, Blutgruppe AB zu haben?", oder: "Wie ist es, grüne Augen zu haben?" Es ist irgendwie, Halluzinationen zu haben oder in Ekstase zu geraten. Es ist nicht irgendwie, Blutgruppe AB oder grüne Augen zu haben.
Erneut werden wir mit einer "einseitigen Diät" an Beispielen abgespeist. Denn es gibt Situationen, die selbstverständlich dieselbe Art von Antworten wie die Halluzinationen oder Ekstasen betreffenden Fragen verlangen. Eine Person mit seltener Blutgruppe könnte antworten, dass es manchmal beängstigend ist, diese Blutgruppe zu haben, weil sie befürchtet, dass in einer Notsituation keine Blutkonserven vorrätig sind. Und was könnte noch "subjektiver" sein, als das Selbstbewusstsein – diesmal im (volks-)psychologischen Sinn verstanden –, das grüne Augen verleihen, wenn man dadurch sprichwörtlich in den Augen der Partnerin oder des Partners besonders attraktiv erscheint?
Hier liegt der Einwand nahe, dass es erst wieder das Gefühl der Angst oder das Gefühl der positiven Selbsteinschätzung ist, das die genuine Selbstvertrautheit ausmacht. Aber was bliebe von diesem Gefühl bei anderer Blutgruppe oder ohne der grünen Augen übrig? Blutgruppe und Augenfarbe sind nicht bloß kausale Antezedenzien, sondern irreduzible Aspekte einer spezifisch körperlichen Selbstvertrautheit. Die spezifisch subjektiven Zustände gibt es nur als Begleiterscheinungen entsprechender Körpereigenschaften und Körperzustände. Sie setzen das Bewusstsein von diesen Eigenschaften und Zuständen voraus. Warum sollte man hier nicht vom "Blutgruppen-Gefühl" oder von einem "Grüne-Augen-Gefühl" sprechen können? Dass von einer epistemischen Rolle – i.S.v. aufgrund des Gefühls von meinen körperlichen Zuständen und Eigenschaften etwas wissen – nicht die Rede sein kann, wird im nächsten Abschnitt erläutert werden.
Während Aussagen über Körperliches wie Blutgruppe und grüne Augen vielleicht nicht in dem absoluten Sinn des "Wie es für jemanden ist" verstanden werden können, ist ein bedingter Sinn durchaus denkbar. Der Grund ist derselbe, wie bei körperlichen Selbstzuschreibungen, die auf verschiedener Grundlage vollzogen werden können, und deshalb das eine Mal immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind und ein anderes Mal nicht. Nur weil dem Bereich phänomenaler Zustände, etwa den Empfindungen, so etwas wie absolute Vertrautheit, i.S.v. allen Zuständen, zukommt, darf dieselbe Art von Vertrautheit, die körperliche Zustände bedingt genießen, nicht unberücksichtigt bleiben. Körperliche Eigenschaften und Zustände unter dem Aspekt ihres "bloßen" Körperseins – so wie Wittgenstein die Fälle des Objektgebrauchs von "ich" verstanden hat – zu betrachten, ist zwar nicht falsch, aber einseitig, wie sich schon mehrfach gezeigt hat. Und diese Einseitigkeit ist nicht harmlos, weil durch sie unnötigerweise der dualistische Schein einer Kluft zwischen Erfahrung von sich als körperlichem und von sich als psychischem Subjekt genährt wird. Die Grenze zwischen Subjektivem und Objektivem verläuft aber nicht entlang der Grenze zwischen Psychischem und Körperlichem. Und i.d.S. gibt es auch körperliche Selbstvertrautheit, die sich auf die Körperempfindungen ebenso erstreckt, wie auf Körperbewegungen und die damit verbundenen räumlichen Erfahrungen.
"Es gibt ein Wissen von mentalen Zuständen, das man nur haben kann, wenn man in ihnen ist oder einmal in ihnen gewesen ist." Dies trifft genauso auf körperliche Zustände zu; insbesonders auf alle Zustände, die zum – bewussten – Körperbild einer Person zählen. Sie genießen körperliche Vertrautheit mit sich selbst, auch wenn sie das nicht (schon) immer tun. In diesem Sinn lässt sich fragen: "Wie ist es, den linken Arm zu bewegen?", z.B. nach Entfernung eines Gipses. Oder, um ein anderes Beispiel zu wählen, werde ich nie wissen, wie es ist, 1,85 m zu sein. Und auf die Frage, wie es denn ist, deutlich kleiner zu sein, könnte ich antworten: "Nun, d.h. beispielsweise beim Basketball höher springen, bei den meisten Türstöcken hingegen sich nicht bücken zu müssen; d.h. nicht in den (zweifelhaften) Genuss zu kommen, ins Gardebataillon aufgenommen werden zu können usw." Durch undifferenzierte und einseitige Wahl der Beispiele bleibt auch der wesentlich räumliche Charakter unserer Körperempfindungen unberücksichtigt. Vergessen wir nicht zu fragen, wie es ist, Schmerzen im Rücken oder im Bauch zu haben; nicht bloß wie es ist, Schmerzen zu haben. Ebenfalls wird der weite Bereich räumlicher Erfahrung ausgeschlossen. Dabei finden wir darunter typische Fälle der Frage wie ist es, in diesem oder jenem Zustand zu sein: "Wie ist es, den Mt. Everest zu erklimmen?", "Wie ist es, in Berkeley zu leben?", "Wie ist es, einen Marathon zu laufen?"
Während wir uns philosophisch häufig gezwungen sehen, Präzisierungen und Differenzierungen vorzunehmen, bei denen die Gefahr besteht, in bloß terminologische Spitzfindigkeiten auszuarten, sehen wir uns hier mit dem umgekehrten Fall konfrontiert. Alltäglich vertraute Differenzierungen drohen durch ein Erklärungs-Konstrukt nivelliert zu werden.
3.1.2 Körperbewegungen und Körperempfindungen
Bei Wittgenstein findet sich eine Kritik an einer Position, die behauptet: "Meine kinästhetischen Empfindungen belehren mich über die Bewegungen und Lagen meiner Glieder."
Sehen wir einmal vom kinästhetischen Gefühl ab! – Ich will Einem ein Gefühl beschreiben, und sage ihm "Mach’s so, dann wirst du’s haben", dabei halte ich meinen Arm oder meinen Kopf in bestimmter Lage. Ist das nun eine Beschreibung eines Gefühls, und wann werde ich sagen, er habe verstanden, welches Gefühl ich gemeint habe? – Er wird daraufhin noch eine weitere Beschreibung des Gefühls geben müssen. Und welcher Art muß die sein?
Wenn ich vor dem Joggen bestimmte Dehnübungen mache, dann fühle ich ab einem gewissen Punkt ein typisches Ziehen in den Waden. Sollten andere besser trainiert sein, dann werden sie das Ziehen vielleicht nicht so schnell spüren. Es gelingt mir jedenfalls nicht, dasselbe Gefühl hervorzurufen, ohne die Wade(n) anzuspannen. Das wäre allerdings erforderlich, sollte das Wissen meiner Beinstellung auf einer re-/identifizierbaren Dehnungsempfindung beruhen. Was ich anderen mitteilen kann – Wittgensteins geforderte weitere Beschreibung des Gefühls –, ist zunächst die Beschreibung meiner Bewegung, etwa "Wenn du die Beine noch zwei Zentimeter weiter auseinander dehnst, dann wirst du spüren, was ich meine". Die bestimmte Empfindung kann meine Körperbewegung begleiten, sie muss es aber nicht. Zu wissen, wie sich ein Körperteil bewegt oder in welcher Position er sich gerade befindet, wird deshalb nicht erst über die Empfindung vermittelt gewusst. Vielmehr wird umgekehrt, durch eine bestimmte Bewegung, eine damit verbundene Empfindung zu einer für die Bewegung charakteristischen Empfindung als Begleiterscheinung.
Eine Empfindung kann uns über die Bewegung, oder die Lage eines Gliedes belehren. (Wer z.B. nicht, wie der Normale, wüßte, ob sein Arm gestreckt sei, den könnte ein stechender Schmerz im Ellbogen davon überzeugen.) – Und so kann auch der Charakter eines Schmerzes uns über den Sitz der Verletzung belehren. (Und die Vergilbtheit einer Photographie über ihr Alter.)
Und "der Normale" von dem Wittgenstein spricht, weiß es aufgrund der kinästhetischen Information. Wären propriozeptive körperliche Selbstzuschreibungen über Empfindungen vermittelt, wäre man gezwungen, eine Art "Phänomenalismus der eigenen Position" vertreten zu müssen.
In manchen Fällen lässt sich sagen: Je stärker die Empfindung, desto unschärfer die kinästhetische Information. Je heftiger ich einen Schmerz empfinde, desto stärker bin ich von der qualitativ-phänomenalen Komponente eingenommen. Diese ist zwar meistens mit einer räumlichen Komponente verbunden – ich fühle den Schmerz an einer bestimmten Körperstelle –, aber das ist etwas anderes, als eine vermittelte Information von meinen Körperbewegungen. Vielmehr ist der räumliche Charakter mit der Körperempfindung selbst wesentlich verbunden. Eine Empfindung taucht nicht einfach als rein phänomenaler, qualitativer Zustand auf, sondern meistens an einer bestimmten Körperstelle – z.B. als stechender Schmerz im Ellbogen. Wie Körperempfindungen an der "Schnittstelle" von psychischer und physischer Erfahrung das körperliche Subjekt als Träger psychischer Eigenschaften einsichtig machen, wird im nächsten Abschnitt behandelt werden. Hier können wir festhalten:
Empfindungen sind weder notwendige noch hinreichende Bedingungen für das Bewusstsein von Position und Bewegung der eigenen Gliedmaßen. Sie sind nicht notwendig, weil wir meistens in der Lage sind, die Position anzugeben, ohne eine bestimmte damit verbundene Empfindungen identifizieren zu können. Und sie sind auch nicht hinreichend, weil wir häufig ein viel genaueres Bewusstsein von den Bewegungen und Positionen unseres Körpers haben, als es Empfindungen vermitteln können. Korrekter ist deshalb eine Analyse der Körperempfindungen als Begleiterscheinungen von Körperbewegungen, die aber nicht als vermittelnd im epistemologisch relevanten Sinn – so wie es Identifikationsleistungen und mentale Selbstzuschreibungen sind – verstanden werden können.
So kann an dieser Stelle erneut Franks Analyse entkräftet werden, die behauptet, dass wir uns physische Eigenschaften mit Gewissheit nur dann zuschreiben, "wenn uns das Physische auch intern bekannt, und das heißt: durch ein mentales Prädikat hindurch erschlossen ist"; oder "auf dem Umweg über psychische Erlebnisse".
Daß mein Bein blutet, schreibe ich mir als gewiß zu, wenn ich das spüre; spüren aber ist ein Bewußtseinszustand; ich würde das Bein-dort überhaupt nicht sicher meines nennen, wäre die Meinigkeits-Unterstellung nicht durch einen cartesianischen Bewusstseinszustand – gleichsam eine epistemische Innervation – beglaubigt.
Propriozeption – als Körpergefühl – ist offenkundig ein mentaler, kein körperlicher Akt. [...] So wird Shoemakers These ins Recht gesetzt, daß ich von einem Körperding nur dann und nur dadurch wissen kann, daß es meines ist, indem es mir durch einen mentalen Akt hindurch erschlossen ist: und genau so verhält es sich mit der Propriozeption, die ein Bewußtsein von Eigenkörperlichem – sagen wir mit einer Metapher: von mental innerviertem Körperlichen – ist.
Dass Propriozeption keineswegs uneingeschränkt als Körpergefühl, sondern besser als Körperwahrnehmung zu charakterisieren ist, ist hier nicht einmal entscheidend. Wichtiger ist, dass der an jener Stelle angesprochene "mentale Akt" kein epistemisches Zwischenglied ist; ebenso wenig, wie es Empfindungen für Körperbewegungen sind. Bei Franks unterstellter "epistemischen Innervation" handelt es sich um ein epistemisches Konstrukt. Dass uns Physisches intern bekannt ist, wird niemand bestreiten wollen. Dadurch unterscheiden wir unseren eigenen Körper von allen anderen Körpern und Gegenständen. Diese wesentlich identifikationsfreie Selbstvertrautheit jedoch durch eine psychische Selbstzuschreibung oder ein psychisches Erlebnis vermittelt darzustellen, ist einfach falsch. Der Einwand liegt nahe, dass hier der unbewusste Akt der Körperwahrnehmung – die propriozeptive Information – mit dem propriozeptiven Bewusstsein, das sich in einem Wahrnehmungsurteil ausdrückt, verwechselt worden ist. Aber nicht dem Akt, sondern dem Urteil kommt Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation zu. Frank vertauscht das, worauf das Urteil beruht – die Propriozeption – mit dem, wovon das Urteil handelt; mit dem, was ich mir in einem Urteil aufgrund der Propriozeption zuschreibe – körperliche Eigenschaften, Position und Lage bestimmter Körperteile und Körperempfindungen. Darum geht es genauso, wie es im Urteil "Das Glas steht auf dem Tisch" um den entsprechenden Sachverhalt geht und nicht um meinen Wahrnehmungsakt. Und das ist der entscheidende Punkt. Ein Urteil wie "Ich schwenke meinen Arm", ist weder über ein infallibles Urteil, das sich nur auf den Bewusstseinsakt selbst bezieht – z.B. "Ich fühle meinen Arm zu schwenken" – noch über ein bewusstes psychisches Erlebnis, ein Gefühl "Wie es ist, den Arm zu schwenken", vermittelt.
3.1.3 Der räumliche Charakter der Körperempfindungen
Ich möchte diesen Abschnitt mit einem Zitat aus Descartes’ Sechster Meditation beginnen, in der er das Erleben der Einheit von Körper und Geist im Fall der Körperempfindungen in einer Klarheit (von Deutlichkeit darf wohl nicht die Rede sein) schildert, die manch zeitgenössischen MaterialistInnen seltsames, verworrenes Kopfzerbrechen bereitet.
Es lehrt mich ferner die Natur durch eine Empfindung des Schmerzes, Hungers, Durstes usw., daß ich nicht nur in der Weise meinem Körper gegenwärtig bin, wie der Schiffer seinem Fahrzeug, sondern daß ich aufs engste mit ihm verbunden und gleichsam vermischt bin, so daß ich mit ihm eine gewisse Einheit bilde. Denn sonst würde ich, der ich nur ein denkendes Ding bin, nicht, wenn mein Körper verletzt wird, darum Schmerz empfinden, sondern ich würde diese Verletzung nur durch bloßes Denken erfassen, wie der Schiffer durch das Gesicht wahrnimmt, wenn irgend etwas am Schiffe zerbricht [...] Denn es sind doch sicherlich diese Empfindungen des Hungers, Durstes, Schmerzes usw. nichts anderes als gewisse, aus der Vereinigung und gleichsam Vermischung des Geistes mit dem Körper entstandene Weisen des Bewußtseins.
Körperempfindungen haben gleichzeitig einen psychisch-qualitativen und einen körperlich-räumlichen Charakter. Deshalb stellen sie zentrale Kandidaten zur Überbrückung der beiden Aspekte eines selbstbewussten Subjekts dar. Der Körper ist nicht nur Träger psychischer Eigenschaften, sondern er präsentiert sich uns auch so.
The picture that emerges is one of the conscious self as a materially embodied organism, a subject of experience in which this realm of the psychological itself extends physically into the extremities of the animal body. The traditional idea of the true, mental self as an extensionless inner sanctum, a control center for the dispensable bodily machine, is an illusion, unsupported even by the nature of the psychological phenomena themselves. In particular, this idea fails to do full justice to the intrinsic first-person, spatial content of the bodily experience.
Der wesentliche Punkt lässt sich folgendermaßen verdeutlichen. Erinnern wir uns an die tautologisch anmutende Aussage: "Wer sich ein mentales Prädikat zuschreibt, kennt sich insofern nicht als eine physische Entität (auch wenn er wirklich eine ist)." Die Pointe kann in Strawsons Sinn verstanden werden, der ja, wie schon gezeigt, diejenigen Prädikate als zentrale Klasse bezeichnet, deren Verständnis eine einseitige Zuordnung zu einem psychischen oder einem physischen Referenten ausschließt. Es sollte sich zeigen lassen, dass wir in den Empfindungen unmittelbar die Untrennbarkeit von Psychischem und Physischem erfahren. Sowohl der psychische Aspekt des qualitativen Erlebens – das "Quale" – als auch der physisch-räumliche Aspekt sind intrinsisch subjektiv, für das Subjekt miteinander verbunden.
Mühelos lässt sich jedoch folgender Einwand zugunsten der epistemischen Priorität – und der Unabhängigkeit – des psychischen Aspekts vorstellen. Direkt, unmittelbar erfahren wir stets nur den reinen phänomenalen Gehalt – "something purely subjective prior to genuine perception". Mit der bestimmten räumlichen Lokalisierung der Empfindung sind wir hingegen erst indirekt, derivativ vertraut – eben vermittels des Quales. Eine besonders starke Variante könnte behaupten, um dem räumlichen Aspekt scheinbar Rechnung zu tragen, dass mit jeder Körperstelle ein bestimmtes Quale assoziiert wäre. Ein stechender "Rechtshändischer-Schmerz" wäre anders als ein stechender "Linkshändischer-Schmerz"; so wie Zahn- und Bauchschmerzen verschieden sind. Nur wäre die Konsequenz jener postulierten "Empfindungseinheiten" – im Gegensatz zu den alltagssprachlichen Ausdrücken – eine Auflösung des räumlichen im qualitativen Gehalt. Das erscheint absurd. Derartige Vorstellungen scheinen davon auszugehen, dass Körperempfindungen wie aus dem Nichts plötzlich auftreten, worauf sich die mehr oder weniger spezifische räumliche Komponente nur mehr aus der phänomenalen erschließen lassen könnte bzw. ganz von dieser "aufgesogen" wäre.
Viele qualitativ gleiche Empfindungen können an verschiedenen Stellen empfunden werden oder den Ort sukzessiv verändern. Ein warmes Brennen, das jemand beim Trinken eines Gläschen Schnaps verspürt, wandert die Kehle hinab in den Magen. Qualitativ gleiche unangenehme Schmerzen können in der linken oder rechten Hand verspürt werden oder gleichzeitig in verschiedenen Körperteilen. Bemerkenswert ist dabei die Parallele zu raumzeitlicher Lokalisierung von qualitativ identischen physischen Gegenständen. Aber selbstverständlich wird auch ein beträchtlicher Teil der Körperempfindungen nicht an allen, sondern nur an bestimmten Körperstellen gefühlt. Ein Hungergefühl wird wohl niemals im linken Bein oder am Rücken auftauchen.
Ebenfalls beachtenswert ist die unmittelbare Handlungsfähigkeit, die der Körperempfindung folgen kann. Wer ein Jucken am Hals oder einen Schmerz im linken Knie spürt, wird sich – wenn er handelt, was natürlich nicht notwendig ist – normalerweise nicht am Rücken kratzen oder das rechte Knie streicheln. Diese unmittelbaren Handlungen könnten sich jedenfalls nicht aus der phänomenalen Komponente allein ergeben. Und sie sollten weder als reflexartig automatisierte Reaktionen noch per definitionem als bestimmte Dispositionen eingestuft werden. Wer gelähmt ist, wird keine Disposition zum Kratzen seines Rückens haben, jemand mit stoischer Gesinnung muss seine Schmerzempfindung nicht ausdrücken. Es ist unplausibel, die räumliche Komponente von Empfindungen mittels des Verhaltens, für das sie Gründe liefern, wegerklären zu wollen. Qualitative und räumliche Komponente von Empfindung erklären Einstellung und Verhalten des Subjekts.
Aus diesen relativ einfachen Beobachtungen folgt, dass die unbestreitbare räumliche Komponente der meisten Körperempfindungen weder in der phänomenalen aufgelöst werden kann, noch aus dieser erst erschlossen oder konstruiert werden muss und sich ebenso wenig durch Dispositionen zu Handlungen ersetzen lässt. Dies lässt sich – so denke ich – verdeutlichen, indem eine Aussage wie "Ich habe Schmerzen" elliptisch bzw. als Abstraktion von der räumlichen Komponente verstanden wird. Auch alltagssprachlich drücken wir den räumlichen Aspekt aus; wir sprechen z.B. von Bauchschmerzen, Zahnschmerzen, Gelenksschmerzen. "Schmerzen haben" ist meistens kein einstelliges, sondern ein zweistelliges Prädikat, das die Frage impliziert "Wo hast du Schmerzen?".
Vielleicht ist die dualistische epistemische Asymmetrie auch im Fall der Körperempfindungen von einer falschen Forderung nach Infallibilität motiviert. Versteht man die Frage "Woher weißt du, dass du Schmerzen hast?" als unsinnig bezüglich des Prädikats, fällt der Unterschied zur Frage "Wo hast du Schmerzen?" auf. Letztere Frage erweckt nicht den Anschein von Infallibilität. Und vielleicht irre ich mich tatsächlich bezüglich der genauen Lokalisierung – wie z.B. bei Zahnschmerzen, die in Wirklichkeit Kieferschmerzen sind, die "ausstrahlen". Aber bestimmt irre ich mich nicht, dass die Stelle meiner Empfindung – i.d.S. ist es zulässig vom Objekt der Empfindung zu sprechen – innerhalb der Grenzen meines Körpers liegt; oder zumindest innerhalb dessen, was ich für die Grenzen meines Körpers halte.
In bodily awareness, one is aware of determinately spatially located properties of the body that are also necessarily properties of the basic subject of that very awareness. In contrast with external sense perception, a psychological property of oneself is physically located in or on the body, as a property of the body. Therefore, rather than any mere possession, the animal body is the conscious mental subject of bodily awareness.
Das Bewusstsein von der Grenze des eigenen Körpers kann im wahrsten Sinne "empfindlich" gestört sein. Bei Personen mit so genannten "Phantomgliedern" gehen die Grenzen des propriozeptiv wahrgenommenen Körpers über die tatsächlichen Grenzen des physischen Körpers hinaus. Bei dem umgekehrten Phänomen – der so genannten somatoparaphrenischen Illusion – werden die Grenzen des mittels Propriozeption wahrgenommenen Körpers enger als die des wirklichen physischen Körpers erlebt. Außer Frage steht aber, dass das Subjekt die Empfindungen innerhalb der Grenzen fühlt, die es für die Grenzen seines Körpers hält und nicht an anderen Stellen im Raum (oder innerhalb anderer Subjekte). Im Sinne definitiver Grenzen des eigenen Körpers entsteht die Erfahrung von sich als Objekt der Wahrnehmung, auch wenn man kein Bewusstsein von anderen Objekten aufgrund von Propriozeption und Körperempfindungen hat. Um welche körperliche Stelle, um welches Empfindungs-"Objekt" es sich auch handeln mag, das Objekt ist das Subjekt. Ein weiterer Punkt ist beachtenswert:
The basic "given" is, not just feeling, not just feeling-in-a-certain-body-part, but feeling-in-a-certain-body-part-at-a-position-in-body-relative-physical-space; and so, also, certain-body-part-at-a-position-in-body-relative-physical-space: the latter being disclosed along with and via the former and the former being disclosed along with and via the latter.
Die intrinsische Räumlichkeitskomponente der Körperempfindungen präsentiert nicht nur die Empfindung selbst an einer bestimmten Stelle des Körpers, sondern ebenso die Position des Körpers in Relation zum physischen Raum. Das ist ein wichtiger Anhaltspunkt dafür, dass die eigentümlich unmittelbare Weise, in der ich mir als körperliches Subjekt (aus der Innenperspektive) gegeben bin, nicht ausschließt, dass ich mir als innerweltliches Subjekt erscheine. Dieser folgenreiche Anspruch ist deshalb von einer Position zu unterscheiden, wie sie Sartre an prominenter Stelle vertritt. Er gesteht dem Körperbewusstsein eine essentielle Rolle zu, und meint darüber hinaus, dass sich mir mein Körper in der Wahrnehmung nicht nur auf besondere Art und Weise, sondern auch als (ontologisch) ausgezeichneter Körper präsentiert, wie er nur für mich sein kann:
Das Problem des Körpers und seiner Bezüge zum Bewußtsein wird oft dadurch verdunkelt, daß man zuerst den Körper als ein bestimmtes Ding setzt, das seine eigenen Gesetze hat und sich von außen her definieren läßt [...] Wenn ich nämlich, nachdem ich "mein" Bewußtsein in seiner absoluten Interiorität und durch eine Reihe reflexiver Akte erfaßt habe, es dann mit einem bestimmten lebenden Objekt zu vereinigen suche, das aus einem Nervensystem, einem Hirn, aus Drüsen, aus Verdauungs-, Atmungs- und Kreislauforganen besteht, deren Materie selbst chemisch als Wasserstoff-, Stickstoff-, Phosporatome usw. analysierbar ist, begegne ich unüberwindlichen Schwierigkeiten: aber diese Schwierigkeiten kommen daher, daß ich mein Bewußtsein nicht mit meinem Körper, sondern mit dem Körper der anderen zu vereinigen suche. Denn der Körper, dessen Beschreibung ich soeben skizziert habe, ist nicht mein Körper, so wie er für mich ist. [V]on den Erfahrungen ausgehen, die die Ärzte an meinem Körper machen konnten, heißt von meinem innerweltlichen Körper und wie er für Andere ist, ausgehen. Mein Körper, wie er für mich ist, erscheint mir nicht innerweltlich.
Es ist in der Tat entscheidend, wie sich das selbstbewusste Subjekt selbst erfahren muss – vom Standpunkt der ersten Person, aus der internen Perspektive; und nicht (nur), wie andere, aus der externen, der Fremdperspektive, das Subjekt und Selbstbewusstsein beschreiben; sei es als bloßer Körper, sei es als neurophysiologischer Vorgang. Aber das schließt nicht aus, dass sich die Standpunkte der ersten und der anderen Personen decken können. "Mein Körper, wie er für mich ist, erscheint mir nicht innerweltlich." – Das ist der problematische Teil an Sartres Ausführung. Einerseits erfahre ich mich als körperliches Subjekt auf eine ausgezeichnete, d.h. unmittelbare, identifikationsfreie Weise, wie ich keinen anderen Gegenstand erfahren kann. Art und Weise, wie ich mir als körperliches Subjekt gegeben bin, unterscheidet sich in den unmittelbaren Fällen prinzipiell von Art und Weise, wie sich andere auf mich beziehen. Andererseits ist das, wovon ich Erfahrung habe, kein ausgezeichnetes Ding im ontologischen Sinn – das Wie der Erfahrung ist eigentümlich, nicht das Wovon. Bin ich mir auf eben diese ausgezeichnete Weise als psychisches und körperliches Subjekt gegeben, dann bedeutet das nicht, dass der Körper, wie er sich mir präsentiert als ausgezeichnete Entität präsentiert, wie sie nur für mich sein kann. Manchmal ist das tatsächlich auch der Fall, aber eben nicht ausschließlich und nicht losgelöst von den Weisen, in denen ich mich als körperliches Subjekt, als innerweltlicher, raumzeitlich lokalisierbarer Körper erfahre. Schon der "Kern" der Subjektivität verweist aufgrund seiner Räumlichkeit über sich hinaus.
3.2 Wahrnehmen, Handeln und Selbstlokalisieren
Evans hat überzeugend ausgeführt, dass wir uns als Subjekte als raum-zeitlich lokalisierbar verstehen müssen. Räumliche Information ist nicht einfach monadisch ("rechts", "links", "oben", "unten" usw.), sondern relational ("rechts, links von mir", "zu meiner Rechten"). Wahrnehmungsgegenstände und wahrgenommene Orte, Plätze werden in räumlichen Relationen zum wahrnehmenden Subjekt erfahren. Der räumliche Inhalt der Erfahrung ist egozentrisch und dementsprechend selbstlokalisierend, weil er es dem Subjekt erlaubt, seine räumliche Position zu bestimmen.
Räumliche Selbstlokalisierung erlaubt die grundlegende Identifikation eines Subjekts als "Element der objektiven Welt". Dazu sind zwei Punkte erforderlich: Ich muss erstens wissen können, welches Subjekt ich bin. Evans bezeichnet diese Bedingung als Russell’s Principle –"a subject cannot make a judgement about something unless he knows which object his judgement is about.". Dazu muss ich mich zweitens von meiner Umwelt mitsamt den anderen Personen unterscheiden können. Dies ist wiederum nicht von der Fähigkeit zu trennen, dass selbstbewusste Gedanken nicht in Isolation, sondern in Zusammenhang mit Gedanken über andere Personen und Gegenstände auftreten. Diese verallgemeinerte Denkfähigkeit bezeichnet Evans als Generality Constraint: Ein Urteil der Form "a ist F" liegt auf dem Schnittpunkt von Subjekt- und Prädikat-Gedankenreihe. Man muss einerseits die Reihe a ist F, a ist G, a ist H usw., andererseits die Reihe a ist F, b ist F, c ist F usw. verstehen können. Man muss verstehen, dass verschiedene Prädikate ein und demselben Subjekt und ein und dasselbe Prädikat verschiedenen Subjekten zukommen kann. Das veranschaulicht Evans’ "kleine Wahrnehmungstheorie", die die Verbindung von zwei wesentlichen Aspekten hervorkehrt – zwischen dem, was ein Subjekt wahrnimmt und wahrgenommen hat und der selbstlokalisierenden Information darüber, wo es sich gerade befindet und wo es zuvor gewesen ist:
‘I perceive such-and-such, such-and-such holds at p; so (probably) I am at p’; ‘I perceive such-and-such, I am at p, so such-and-such holds at p’; ‘I am at p, such-and-such does not hold at p, so I can’t really be perceiving such-and-such, even though it appears that I am’; ‘I was at p a moment ago, so I can only have got as far as p´, so I should expect to perceive such-and-such’. These arguments exploit principles connecting the subject’s position, the course of his perceptions, and the speed and continuity of his movement through space; and the child must learn to trip round and round those principles, so that he comes to think effortlessly in these ways.
Diese Urteile sind immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation. Ein Urteil wie "Ich stehe vor der Wiener Oper" mag zwar falsch sein, aber nicht, weil es eine Fehlidentifikation des Subjekts beinhaltet. Das Subjekt mag sich darüber täuschen, wo es sich gerade befindet, z.B. weil es das Opfer einer Illusion geworden ist oder die Orientierung verloren hat. Aber es irrt sich nicht, dass es sich selbst bewegt. Und dazu zählt folgende Minimalbedingung:
Self-location cannot in general be a momentary thing. For one thing, places are not always immediately recognizable. For another, self-location crucially depends upon the axiom that the subject moves continuously through space; and that axiom can be brought to bear upon particular questions of location only if the subject has the capacity to retain information about his previous perceptions, and to use that information in making judgements about his past, and thereby his present, position. If we imagine a subject who cannot retain information for more than a few seconds [...], then we have imagined a subject who just does not have the practical capacity to locate himself in space.
Evans verweist zusätzlich auf den selbstlokalisierenden Charakter jeglicher (visueller) Wahrnehmung. Egozentrische Wahrnehmung kann aber nur dann auf ein körperliches Subjekt verweisen, nur dann die Grundlage für Urteile in der ersten Person sein, wenn bereits das Bewusstsein von sich vorliegt, genauso körperlich zu sein, wie es andere Personen oder Gegenstände sind.
[A] subject can know that he is in front of a house simply by perceiving a house. Certainly what he perceives comprises no element corresponding to ‘I’ in the judgement ‘I am in front of a house’: he is simply aware of a house. But if we are to interpret a judgement made upon this basis as having the content ‘I am in front of a house’, we must have reason to suppose that the subject regards himself as recognizing the existence of a state of affairs of precisely the same kind as obtains when, for instance, a car is in front of a house. So what he envisages, or judges, certainly comprises two elements spatially related, although what he sees does not. (This only goes to show that it is not a good idea, in attempting to determine the content of a person’s judgement, to examine nothing but the content of the perception which can legitimately give rise to it.)
Der räumliche Inhalt meiner Wahrnehmung allein garantiert nicht den Bezug auf mich als körperliches Subjekt – denn meine räumliche Wahrnehmung liefert mir keine Anschauung meiner selbst als körperliches Subjekt, das zugleich Person unter Personen wäre. Ich werde ja überhaupt nicht mitrepräsentiert. Inwiefern ist räumliche Wahrnehmung nicht nur egozentrisch, sondern verweist auf einen körperlichen Gesichtspunkt? Muss man sich tatsächlich als körperliches Subjekt verstehen, um sich als räumlich lokalisiert zu verstehen? Es mag hinreichend für die Selbstlokalisierung eines Subjekts sein, sich als Körper zu verstehen; aber ist das auch notwendig? Wir können von einem Problem der repräsentationalen Abwesenheit sprechen.
Würde das Subjekt gegenüber sich selbst einen Gesichtspunkt wie gegenüber anderen Körpern einnehmen, entstünde ein infiniter Regress. Es wäre wie der Blick in den Spiegel, der eine Identifikationsleistung verlangt oder voraussetzt. Denn dies würde erst wieder von einem nichtrepräsentationalen Gesichtspunkt aus geschehen, dem gegenüber das Subjekt erneut einen nichtrepräsentationalen Gesichtspunkt einnehmen könnte usw. ad infinitum. Perspektivität schließt aus, zugleich einen Gesichtspunkt einnehmen und Gegenstand dieses Gesichtspunktes sein zu können – "das Auge siehst du wirklich nicht." Das wirft jedoch Schatten auf die Möglichkeit, sich als körperlichen und nicht als geometrischen Gesichtspunkt zu verstehen. Die stärkste Herausforderung für die Etablierung des selbstlokalisierenden Subjekts als körperlichem Subjekt stellt die Vorstellung des Subjekts als bloß geometrischer Gesichtspunkt dar. Diese Auffasung vom körperlosen Ich ist eine bestimmte Art, dem metaphysischen Ich Sinn zu verleihen.
Since nothing which can become, as it were, the object of a given point of view can also present itself as its focal point, bodily self-awareness cannot be awareness of oneself qua subject. This point [...] leads inevitably to the conclusion that nothing which one is aware of as an object among others in the world can be the presented subject of experience; the self qua point of view shrinks to an extensionless point that is in the world only geometrically.
Selbst wenn es zutrifft, dass sich die Welt nur deshalb perspektivisch repräsentiert und auf ein körperliches Subjekt bezieht, weil das körperliche Subjekt nicht mitrepräsentiert wird, selbst wenn mir räumliche Wahrnehmung allein keine Anschauung meiner selbst als Körper unter Körpern geben sollte, so schließt sie doch mitnichten aus, dass zu implizitem Bewusstsein genau das gehört – sich nicht nur als geometrischen Gesichtspunkt zu verstehen, nicht nur als beobachtendes Auge, als freischwebende Kamera, sondern als körperliches Subjekt unter anderen Körpern bzw. anderen Personen. Warum kann also trotz repräsentationaler Abwesenheit des körperlichen Subjekts überhaupt ein solches vorausgesetzt werden? Die Lösung besteht in der Tatsache, dass der Wahrnehmungsraum für das Subjekt zugleich Bewegungs- und Handlungsraum ist. Der egozentrische Raum ist Wahrnehmungs-, Bewegungs- und Handlungsraum. Und dabei spielt Propriozeption eine wesentliche Rolle.
Nicht die Anschauung oder Erfahrung meiner selbst als körperlichem Subjekt, sondern umgekehrt der räumliche Inhalt der Wahrnehmung mit seinem unmittelbaren Bezug auf meine Bewegungs- und Handlungsmöglichkeiten garantiert, daß die Wahrnehmung auf mich als körperliches Subjekt und nicht bloß als ausdehnungsloser Punkt verweist. Man könnte diesen Verweis mit dem impliziten oder praktischen Bewußtsein, ein körperliches Subjekt zu sein, gleichsetzen: Ich nehme meinen Körper in jenen Hinweisen auf mich implizit wahr, die ich an den Dingen erkenne.
Gegen Irrtum durch Fehlidentifikation immune Urteile machen das implizite Bewusstsein von sich als körperlichem Subjekt explizit; z.B. "Ich befinde mich im Wohnzimmer und bin durstig. Deshalb werde ich in die Küche gehen und ein Glas Wasser trinken." Unbestritten ist, dass Subjekte auf etwas einwirken wollen, etwas zu ändern beabsichtigen, das sie wahrnehmen, demgegenüber sie bestimmte Einstellungen, Absichten, Wünsche etc. haben. Dazu ist es für das Subjekt erforderlich, zu wissen, wo es sich momentan befindet; z.B. wie weit es von der ersehnten Flasche Wasser entfernt ist; ob es nur den Arm auszustrecken braucht, ob es zum Kühlschrank oder zum nächsten Supermarkt gehen muss. Selbstlokalisierung hängt von der Beziehung zwischen den beabsichtigten Handlungen, z.B. sich an einen bestimmten Ort bewegen zu wollen, und der wahrgenommenen Umwelt ab – "the axiom that the subject moves continuously through space", wie Evans sagt. Wahrnehmung "kontrolliert" und informiert mich darüber, ob mein Handeln und meine Bewegungen den Absichten entsprechen oder nicht. Handeln und Selbstlokalisierung ist zwar nicht notwendig für bloße Wahrnehmung, aber weder Wahrnehmung noch die Handlungsfähigkeit allein ist hinreichend für die Selbstlokalisierung des Subjekts; wobei zum Handeln natürlich auch das absichtliche Bewegen zählt. Und das bedeutet, dass man sich keinesfalls als bloß geometrischer Gesichtspunkt versteht.
Bei Nagels objective self dürfte es sich um eine solche Konzeption eines Subjekts handeln, das nur erkennt. Aber eine derartig fundamentale Abstraktion versperrt sich automatisch den Weg, einen Zusammenhang von Selbstlokalisierung, Wahrnehmung und Handlung verstehen zu können.
Wenn unser Ausgangspunkt der ist, daß wir das Selbst so verstehen, als sei es nur in einem geometrischen Sinn in der Welt, wie wollen wir dann jemals dahin gelangen, das Selbst so zu begreifen, wie wir es tatsächlich begreifen, nämlich als eine körperliche Präsenz in der Welt?
Diese Frage muss auch an Frank gerichtet werden, wenn er behauptet: "Der aus anderen seinesgleichen ausgesonderte Körper ist vielmehr (in einem epistemisch relevanten Sinne) meiner nur kraft mentaler Selbstzuschreibungen." Dieses Bild suggeriert, es könnte ursprünglich eine fallible Entscheidung mittels Identifikation geben, welcher, "der aus anderen seinesgleichen ausgesonderte Körper", denn mein Körper wäre; als wäre ich ursprünglich qua denkendes, psychisches Subjekt ein geometrischer Punkt mit einer Perspektive auf die Welt, mit all ihren materiellen Gegenständen, aus denen ich dann auf wunderbare Weise einen bestimmten Körper herausgreife. McDowell kann die Frage stellen, wie ein Subjekt, das sich zunächst als "bloß formalen Bezugsgegenstand für das ‚Ich‘ [...] vorzustellen beginnt, wie kann es sich dann einen Körper anschaffen, um sich mit einem bestimmten lebendigen Ding zu identifizieren?"
Klar hebt McDowells Formulierung die seltsam irreführende Konsequenz hervor, die eine derartige Position mit sich bringt. Es ist gewiss nicht der Fall, dass ich erst allmählich auf die besondere Rolle aufmerksam werde, die ein bestimmter Körper im Verlauf meiner Entwicklung und Erfahrung spielt. Ein derartiges Bild wäre ein kruder Rückfall hinter Descartes und seine zutreffende Metapher, dass ich "nicht nur in der Weise meinem Körper gegenwärtig bin, wie der Schiffer seinem Fahrzeug". Es widerspräche entschieden unserer tatsächlichen Erfahrung. Halten wir an Evans’ Einsicht fest – "if our Ideas of ourselves were such as to leave room for such an identification component [...], then it is quite unclear how they could ever allow for the identification of the self as a physical thing at all."
Darauf wird im nächsten Kapitel erneut einzugehen sein. An dieser Stelle möchte ich noch etwas allgemeinere Überlegungen zum Zusammenspiel von Wahrnehmungs- und Handlungsvermögen und Propriozeption anbringen.
Kant macht in seiner Anthropologie eine interessante Bemerkung bezüglich des Tastsinns. Er bezeichnet ihn als einzigen Sinn "von unmittelbarer äußerer Wahrnehmung" und deshalb als wichtigsten, wenn auch gröbsten unserer fünf Sinne: "Ohne diesen Organsinn würden wir uns von einer körperlichen Gestalt gar keinen Begriff machen können". Ein wichtiger Hinweis auf eine bestimmte Art unmittelbarer körperlicher Wahrnehmung, die es uns erst ermöglicht, zu einem Begriff von Körpern, von physischen Objekten im Allgemeinen, zu kommen. Wie aber verhält sich der Tastsinn zur Propriozeption?
Brian O´Shaughnessy weist darauf hin, dass in jedem Fall taktiler Wahrnehmung das Bewusstsein vom eigenen Körper zwischen sich selbst und dem Bewusstsein vom be- oder ertasteten Gegenstand steht. Wenn ich einen Gegenstand berühre, bin ich mir auch der Stellung meiner Finger, meiner Hand- und Armbewegungen bewusst. Deshalb ist der Tastsinn von der Propriozeption abhängig, die auf eine Weise unmittelbar sein kann, wie es der Tastsinn als direktester der äußeren Sinne nicht ist. Taktile Wahrnehmung liefert uns auch Information von der eigenen Festigkeit, um sich selbst qua körperliches Subjekt als festen Gegenstand erfahren zu können. Die Festigkeit eines Gegenstandes durch Berühren wahrzunehmen, ein Bewusstsein von Widerständigkeit der berührten Gegenstände und des Bodens, der mich trägt, zu haben, erfordert aber Körperbewusstsein.
Es ist aufschlussreich, wie Propriozeption, Tastsinn und visuelle Wahrnehmung bei vielen Handlungen zusammenspielen; z.B. wenn es um das Bedienen diverser Geräte geht. Betrachten wir als eines unter vielen Beispielen einen DJ, der in einem Club hinter zwei Plattenspielern steht und gerade einen feinen Mix fabriziert. Geschickt bewegt er die Tonarme zu bestimmten Rillen der Vinylscheiben, schiebt die Regler hin und her, wendet und wechselt die Platten, "scratcht" vielleicht mit einer Hand mal über die eine oder andere Platte usw. Handlungen können nun auf verschiedene Weisen als intentional beschrieben werden. Will der DJ beispielweise einen neuen Track auf einer der gerade laufenden Platten abspielen, wird er den Tonarm des Plattenspielers zur entsprechenden Rille bewegen. Eine intentionale Beschreibung davon könnte lauten: "Ich wollte Track X spielen und habe deshalb den Tonarm verschoben". Diese Beschreibung lässt sich noch ergänzen: "Ich wollte Track X spielen und habe deshalb den Tonarm verschoben, indem ich meinen rechten Arm nach vorne bewegt habe". Das primäre Objekt der Aufmerksamkeit des DJs mag das sich drehende Stück Vinyl sein, das er vor sich sieht; wahrscheinlich in Verbindung mit der audiellen Information, die er über seine Kopfhörer empfängt. Dennoch sind die Wahrnehmungen der Arm-, Hand- und Fingerbewegungen eindeutig propriozeptive Akte, die dem DJ bewusst sein müssen. Dementsprechend ist propriozeptives Bewusstsein nicht nur ein Sinn unter anderen im Zusammenspiel von Wahrnehmung und Handlung, sondern die notwendige Bedingung für Handeln schlechthin.
Nachdem ich diese Dinge festgestellt hatte, glaubte ich, in den Hafen eingelaufen zu sein; sobald ich mich aber anschickte, über die Vereinigung der Seele mit dem Körper nachzudenken, wurde ich gleichsam aufs offene Meer zurückgeworfen.
G.W. Leibniz
Was konnte bisher erreicht werden? Zunächst konnte die epistemische Priorität des Psychischen gegenüber dem Körperlichen verabschiedet werden. Dies leistete eine genaue Analyse der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation. Mit dem Ausdruck der so genannten "bedingten Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation" ließ sich verdeutlichen, dass es entscheidend ist, auf welche Weise ein Urteil zustande kommt. Denn bei der Selbstzuschreibung körperlicher Eigenschaften gibt es sowohl Weisen, die zu Urteilen, die immun als auch zu Urteilen, die nicht immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind, führen. Es ist Evans zu verdanken, darauf eindringlich hingewiesen zu haben. Dadurch hat sich mehr als nur eine prima facie Evidenz für unmittelbares Körperbewusstsein ergeben, das zugleich ein Bewusstsein von sich als körperlichem Subjekt ist.
Identifikationsfreie körperliche Selbstzuschreibungen beruhen auf den verschiedenen Formen der somatischen Propriozeption. Die prinzipielle Möglichkeit der körperlichen Selbstvertrautheit als "Wissen, wie es ist, körperliches Subjekt zu sein", das unmittelbare Bewusstsein von den Körperbewegungen, sowie die Körperempfindungen, deren räumlicher Charakter eine einfache Variante des Raumbewusstseins darstellt, konnten untersucht werden. Bewusstsein von sich als räumlich lokalisierbarem Subjekt ist ein fundamentaler Aspekt körperlichen Selbstbewusstseins, der direkt mit der Fähigkeit zu handeln, sich absichtlich durch den Raum bewegen zu können, zusammenhängt. Das Problem repräsentativer Abwesenheit des körperlichen Subjekts in Fällen selbstlokalisierender Wahrnehmung konnte deshalb mit dem Verweis auf das Zusammenspiel der Handlungsfähigkeit mit den verschiedenen Sinnen, v.a. der Propriozeption, entkräftet werden. Egozentrische Wahrnehmung ist nicht zu trennen von der Erfahrung des Raumes als Bewegungs- und Handlungsraum.
Die weitere Herausforderung stellt sich folgendermaßen dar. Während aufgrund Shoemakers Argumentation und v.a. Franks Interpretation eine explizite epistemische Abhängigkeit des Körperbewusstseins vom psychischen Subjekt etabliert werden sollte, kann der gegenwärtige Fall als "symmetrische Dualität" von Körperbewusstsein und psychischem Selbstbewusstsein eingestuft werden. Auch wenn dem Körperbewusstsein eine bedeutende Rolle zugestanden wird, so wäre es doch nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Selbstbewusstsein.
4.1 Ausgezeichneter Körperbesitz?
So plausibel die bisherigen Erörterungen auch sein mögen, sie könnten noch immer ein wesentliches Defizit aufweisen. Ist tatsächlich schon erwiesen, dass Propriozeption eine Art der Selbst-Wahrnehmung ist? Unter Hinzunahme der Prämisse, dass wir de facto physische Wesen sind, die sich physische und psychische Eigenschaften zuschreiben können, erscheint die Antwort natürlich plausibel. Michael Martins "neodualistischen Bedenken" zufolge reicht das alles noch nicht aus. Sein Zirkularitätsvorwurf lautet, dass Autoren wie Ayers und Brewer die Selbsterfahrung der Identität von Subjekt als Selbst und Körper zu einfach voraussetzen. Martin kommt zu einem unwillkommenen Schluss:
The range of qualities that bodily awareness presents to us only marks the body out as special to our self-conception and concerns with the world, not as manifestly identical with the subject.
Zur besseren Einschätzung von Martins Position möchte ich an Cassams Unterscheidung zwischen drei Graden an "apparent presence in the world" erinnern, die ich bereits im Zusammenhang mit Shoemakers "verkehrtem Cartesianismus" erwähnt habe:
Während die von mir mit Cassam, sowie Ayers und Brewer geteilte Position versucht, den dritten Grad körperlicher Präsenz einsichtig zu machen, können wir Martin zufolge nur den zweiten Grad erreichen. Er erkennt die besondere Rolle an, die ein ganz bestimmter Körper in unserer Erfahrung spielt. Aber das Subjekt ist nicht qua Subjekt körperlich, sondern es steht in einer ausgezeichneten Beziehung zu (s)einem bestimmten Körper. Martin bezeichnet dieses einmalige Besitzverhältnis als "sense of ownership". Körperbewusstsein wäre demnach nicht Selbstbewusstsein, sondern Bewusstsein von einem ausgezeichneten Besitzverhältnis. Wie weit Martins ownership-Position Zugeständnisse an körperliches Selbstbewusstsein zu erlauben scheint, ist zunächst erstaunlich. Ich streiche drei seiner positiven Zugeständnisse heraus:
Betrachten wir zunächst den ersten Punkt: Wenn überhaupt ein Gegenstand herausgegriffen wird, dann kann es sich nur um einen bestimmten Gegenstand handeln – den Körper des Subjekts. Propriozeption liefert uns Information von einem ganz bestimmten Objekt, das de facto eben unser Körper ist. Für sich genommen ist diese Information aber nicht hinreichend für einen selbstbewussten Gedanken, für ein Urteil in der ersten Person. Für das Subjekt könnte es demnach fraglich bleiben, ob es Information von sich selbst hat.
Die im zweiten Punkt angesprochene Selbstkonzeption, sowie die damit verbundene Möglichkeit der gänzlichen Fehlkonzeption eines Subjekts, werde ich in Abschnitt 4.3 erörtern; und gehe hier zum dritten Punkt über. Laut Martin ist die zentrale Rolle des Körperbewusstseins zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für unmittelbare selbstbewusste Erfahrung – Körperbewusstsein ist nicht körperliches Selbstbewusstsein. Was wäre jedoch nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend, um den Gegenstand körperlicher Wahrnehmung als unmittelbar identisch mit dem Subjekt der Körperwahrnehmung zu präsentieren, und somit selbstbewusste Gedanken zu begründen? Nach all dem bisher Gesagten liegt die Antwort auf der Hand: Es ist hinreichend für Ich-Gedanken, wenn sie, bzw. die sie ausdrückenden Urteile, immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind. Und die Signifikanz der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation besteht darin, dass ich mir als zuschreibendes Subjekt unmittelbar meiner Identität mit dem Gegenstand der Selbstzuschreibung bewusst bin.
If it is at least open to the subject to wonder whether the object that she is presented in bodily [awareness] is not herself but rather only an object closely associated with herself, then that object cannot be presented to her as being the self, and hence bodily awareness cannot be a form of introspection.
Kann das von Martin gestellte Problem überhaupt in dieser Weise auftauchen? Gegen seine subtilen Zweifel lassen sich selbst Bedenken anmelden. Das Beharren auf der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation drückt sich natürlich so aus, dass sich die Frage, ob ich dieses bestimmte – propriozeptiv wahrgenommene – Objekt bin, für das Wahrnehmungssubjekt gerade nicht stellen kann. Das Subjekt wundert sich im Normalfall gerade nicht: "Jemandes Beine sind übereinander geschlagen – sind es meine Beine?", "Jemandes Zunge bewegt sich – bin ich es, der seine Zunge bewegt?" Oder: Ein Körper heißt P.K.; und ich weiß, dass die Information aufgrund der Propriozeption stets Information von P.K. ist. Trotzdem scheint die bekannte kognitive Lücke offen zu bleiben – bin ich (der Körper) P.K.? Ich müsste meinen Körper deskriptiv als denjenigen identifizieren, von dem ich propriozeptive Information habe.
Martin dürfte Folgendes vor Augen haben. Aus der Tatsache, dass ich mir auf ein und dieselbe unmittelbare Weise verschiedene Eigenschaften zuschreiben kann, folgt noch nicht per se, dass ich sie nicht zwei unterschiedlichen Substanzen zuschreibe, aus denen sich mein individuelles Ich – ich als Person – zusammensetzt. Wäre es nicht vorstellbar, dass ich ein ebenso ursprüngliches Körperbewusstsein hätte, wie ich mir als denkendes Subjekt bewusst bin – dass ich mich aber als Person als zusammengesetztes Subjekt zweier Substanzen verstehe? So könnte ich die besondere Rolle anerkennen, die ein ganz bestimmter – und ausschließlich dieser! – Körper in meiner Erfahrung spielt. Aber ich wäre nicht qua Subjekt körperlich, sondern stünde als Subjekt in einer ausgezeichneten und einmaligen Beziehung zu meinem bestimmten Körper. Ich muss gestehen, dass mir das nicht einleuchten will.
Es könnte symptomatisch für Martins Position sein, sich außerstande zu sehen, dualistische Konsequenzen ausschließen zu können, weil er Rolle und Bedeutung der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation unterschätzt. Oder ist es vielleicht symptomatisch für die von mir forcierte Argumentation, dass sie diese Rolle überschätzt?
For example, one might point to the familiar fact that we do simply make self-ascriptions on the basis of such awareness, as when I judge that my ankles are crossed. This response is insufficient in itself, since it is not clear what would be incoherent in the view that ankles count as mine only because they are genuine parts of the physical entity of which I have this distinctive kind of awareness, and not because they are genuinely parts of me. Of course, we may go on to insist that the two entities, the self and this physical body, are identical, and hence see no difference between the two glosses on the initial judgement. But what can show that this assumption is actually built into our first-person conception, rather than being a generally held belief among philosophers in the late twentieth century, or that it need be?
Meines Erachtens sollte unbedingt daran festgehalten werden, dass Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation eine hinreichende Bedingung für unmittelbares Selbstbewusstsein ist. Wenn ein Urteil immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation ist, dann ist es unsinnig, noch eine zusätzliche Identifikationsleistung – "Ich bin dieser Körper" – einschieben zu wollen. Natürlich ist das theoretisch denkbar, aber "theoretisch" wäre nicht nur eine dualistische, sondern eine pluralistische Analyse denkbar. Wenn ich meinen Körper mit mir als psychischem Subjekt identifiziere, vielleicht muss ich mich als psychisches Subjekt wiederum mit meinem "objektiven Selbst" identifizieren und dieses mit meinem "wahren Ich" usw. ad infinitum. Dieser Regress-Einwand sollte verdeutlichen, dass eine solche Analyse das Faktum ursprünglicher körperlicher Präsenz in der Welt nicht einmal in abgeleiteter Weise erklären könnte. Das Bild einer ursprünglichen Identifikation des eigenen Körpers ist als ebenso falsch zurückzuweisen wie die Vorstellung, ein Subjekt müsste sich im Auge behalten, um sich seiner Identität bewusst zu sein.
[I]f our Ideas of ourselves were such as to leave room for such an identification component – that is, if they did not have the legitimacy of this kind of physical self-ascription, without need for argument or identification, built in at the foundation – then it is quite unclear how they could ever [!] allow for the identification of the self as a physical thing at all.
Gewissermaßen trifft sich der Regress-Einwand auch mit Strawsons Karikatur einer "quasi-cartesianischen" Analyse an dem Satz "As I was walking home, I thought about the paper I was writing":
While that (‘my’) body was in pedestrian homeward motion, I was thinking about the matter, my thoughts about which were, or were about to be, codified through the manipulation of a pen by that body’s fingers.
Das kann man auch als methodologischen Einwand, als Appell an "explanatorische Sparsamkeit" betrachten. Derartige Analysen bleiben folgenlos, wenn das, was sie zu erklären vorgeben, viel einfacher zu erklären ist (so ähnlich verhält es sich bezüglich Kants transzendentalem Selbstbewusstsein). Der stärkere Einwand muss allerdings lauten, dass sie das zu erklärende Phänomen zum Verschwinden bringen – und das wäre die Identität und Einheit des Selbstbewusstseins. Einzelne Bewusstseinszustände, mit Inhalten von psychischen und körperlichen Eigenschaften, die ich als mir, ein und demselben Subjekt zugehörig erfahre und erlebe, werden isoliert betrachtet – die dualistische wird zu einer atomistischen Analyse.
Dualistisch motivierte Analysen lauerten bereits im Hintergrund der Charakterisierung der Körperempfindungen und der Trennung von Wahrnehmungs- und Handlungssubjekt. In all diesen Fällen handelt es sich jedoch um einseitige Abstraktionen von der für gewöhnlich erlebten Einheit und Identität eines Subjekts, das sich als ein und dasselbe seiner verschiedenen Zuschreibungen, Erfahrungen und Handlungen versteht.
For in ordinary self-awareness, one is aware of one’s thoughts, sensations, and perceptions as belonging to one and the same self. Indeed, such awareness is an important element of the ‘unity of consciousness’.
Halten wir für bestätigt: Wenn körperliche Selbstzuschreibungen immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind, dann ist es ausgeschlossen, dass noch eine zusätzliche Identifikationskomponente erforderlich ist, die das Subjekt mit seinem Körper identifiziert. Das Merkmal der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation ist eine hinreichende Bedingung für Urteile, die unmittelbares Selbstbewusstsein ausdrücken. Vielleicht sind jedoch einige der körperlichen Selbstzuschreibungen überhaupt nicht identifikationsfrei, wie bisher angenommen. Martins diesbezügliche Herausforderung muss angenommen werden.
4.2 Körperliche Unmittelbarkeit hinterfragt
Sind die Schlüsse zugunsten einer positiven Beantwortung der Frage nach der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation körperlicher Selbstzuschreibungen vielleicht zu voreilig gezogen worden? Dies gilt es nun näher zu untersuchen. Bisher habe ich uneingeschränkt vorausgesetzt, dass auf Propriozeption beruhende Selbstzuschreibungen immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind. Verschiedene Formen körperlichen Selbstbewusstseins, die in der räumlichen Wahrnehmung involviert sind, auf Propriozeption beruhende Selbstzuschreibungen der Körperbewegungen und der Positionen der Gliedmaßen, sollten sich als immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation erwiesen haben. Dieser Anspruch ist jedoch bei näherer Betrachtung durchaus hinterfragbar. Wie steht es um die Beziehung von unmittelbarer Erfahrung, von unmittelbarer körperlicher Präsenz, die sich in Urteilen, die immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind, ausdrückt und der körperlichen Einheit des Erfahrungssubjekts? Ist es nicht möglich, dass einem Subjekt ein Körperteil unmittelbar präsent erscheint, der in Wirklichkeit überhaupt nicht zum eigenen Körper gehört?
If it is at least open to the subject to wonder whether the object that she is presented in bodily [awareness] is not herself but rather only an object closely associated with herself, then that object cannot be presented to her as being the self, and hence bodily awareness cannot be a form of introspection.
Martins Einwand lässt sich so verstehen, dass das unmittelbare Objekt der Propriozeption nicht der Körper sein muss. Selbst wenn es ein einziges Objekt der körpereigenen Wahrnehmung gibt, kann unbestimmt bleiben, ob es sich dabei nur um den – eigenen – Körper handeln kann. Andere Kandidaten wären der Körper plus Prothesen oder der Körper ohne denjenigen Körperteilen, in denen das Subjekt etwas wahrnimmt bzw. empfindet.
Betrachten wir zunächst eine Variante, die als idealistische bzw. subjektivistische Darstellung des "Körperbesitzens" bezeichnet werden kann. Im Fall der Empfindungen trifft eine idealistische Position zu, wenn Schmerzen zu haben nicht mehr bedeutet als Schmerzen zu fühlen – das esse der Schmerzen ist ihr percipi. Nicht wenige haben eine dementsprechend idealistische Sichtweise ihrer Gesundheit – "Gesund bin ich, wenn ich mich gesund fühle!" Die Blutwerte mögen da Gegenteiliges verraten. Analog dazu verhält sich die Überzeugung, dass ein Körperteil dann meiner ist, wenn ich ihn als unmittelbar präsent erfahre. Erfahrung unmittelbarer Präsenz wäre sowohl notwendige als auch hinreichende Bedingung für den Besitz eines infrage stehenden Körperteils – eine typisch idealistische Verschränkung von epistemischer und ontologischer Komponente. Die Notwendigkeits-Bedingung muss allerdings sofort wieder verabschiedet werden. Allein die Tatsache, dass viele Teile meines Körpers meine sind, obwohl ich sie vielleicht niemals, schon gar nicht unmittelbar, wahrnehme – seien es Muttermale am Rücken, innere Organe oder Körperteile, in denen man aufgrund schwerer Störungen nichts mehr empfinden kann –, entkräftet diese starke Forderung.
Wie steht es aber um die Seite der hinreichenden Bedingung? Wenn mir ein linker Arm unmittelbar präsent erscheint, dann ist es auch mein Arm. Ich kann mich nicht irren, um wessen Arm es sich handelt; mein diesbezügliches Urteil ist immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation. Erinnern wir uns: Das Bewusstsein der körperlichen Einheit ist grundlegender als ein Bewusstsein von Körperteilen, wodurch erst allmählich vermittelt das Bewusstsein von sich selbst als körperlicher Einheit entstünde. Hätte man zunächst nur ein Bewusstsein von verschiedenen Körperteilen, d.h. von verschiedenen Objekten, dann wäre damit auch kein identifikationsfreies "No-Tracking" des einen körperlichen Subjekts durch den Raum gewährleistet. Fühle ich meinen linken Arm, fühle ich ihn als Teil meines Körpers und nicht als distinkte, von mir getrennte Entität. In der Tat nehme ich meine Gliedmaßen nicht wie die Beine eines Tisches, nicht wie einen Schal, den ich hinter mir herschleife, wahr. Indem man sich der eigenen Körperteile bewusst wird, wird man sich ihrer als Teile eines einzigen Objekts – des eigenen Körpers – bewusst. So lässt sich auch erklären, dass es für die Propriozeption eine Entsprechung zur äußeren Wahrnehmung gibt, die stets verschiedene Wahrnehmungsgegenstände hat. Der "Mannigfaltigkeit der Anschauung" entsprechen die verschiedenen Körperteile, die jedoch immer als Teile einer Gesamtheit erfahren werden, einer "integrated bodily totality".
Aber ziehen wir folgende Möglichkeit in Betracht: Wenn man mit einem Körperteil nicht materiell vereint ist, diesen aber trotzdem als unmittelbar präsent erfahren könnte, dann wäre unmittelbare Präsenz keine hinreichende Bedingung für die körperliche Einheit mit fraglichem Körperteil. Eine Herausforderung für die idealistische Position besteht beispielsweise darin, dass eine raffinierte Prothese tatsächlich als unmittelbar präsent erfahren werden könnte, obwohl sie kein Teil des eigenen Körpers ist. Der unmittelbare Gegenstand meiner propriozeptiven Wahrnehmung wäre nicht mein Körper, sondern mein Körper plus Prothese. Diese Herausforderung lässt sich noch verschärfen.
Folgendes Beispiel mutet vielleicht seltsam an, erfreut sich aber einer gewissen Popularität in der Debatte um persönliche Identität, aus der es entlehnt ist. Angenommen, das propriozeptive System eines Subjekts wäre auf irgendeine Art manipuliert worden (vielleicht unbemerkt des Nachts von gut gesinnten, aber allzu experimentierfreudigen Aliens), sodass es Information vom Körper einer anderen Person bekommen könnte. Entsprechend dem bereits geschilderten Fall der Quasi-Erinnerungen kann hier von Quasi-Propriozeption gesprochen werden. Es wäre also denkbar, dass ein Subjekt auf dieselbe unmittelbare Weise ein Bewusstsein von Stellung und Bewegung der Gliedmaßen eines anderen Körpers – von alien limbs – erlangen könnte, wie es Bewusstsein von den eigenen Gliedmaßen hat. So könnte das Subjekt z.B. glauben, sein eigener linker Arm bewege sich, während es sich in Wirklichkeit um den linken Arm einer anderen Person handelt. Das Urteil "Ich bewege meinen linken Arm" beruhte demnach auf Quasi-Propriozeption und wäre nicht immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation, weil das Subjekt auf dieselbe "quasi-unmittelbare" Weise Bewusstsein von einem anderen Körper haben kann, wie es normalerweise Bewusstsein von seinem eigenen Körper hat. Dieser Punkt bleibt zu beachten – ungeachtet meiner Überzeugung, die Aussagekraft solcher Beispiele nur für bedingt plausibel zu halten.
Mit Evans können wir – erneut – der Herausforderung begegnen. Drückt das – einmal angenommen – aufgrund von Fehlidentifikation falsche quasi-propriozeptive Urteil "Ich bewege meinen linken Arm" überhaupt Wissen aus, dass sich jemandes linker Arm bewegt? Wenn das nicht der Fall ist, dann haben wir es auch nicht mit einem Irrtum durch Fehlidentifikation zu tun. Denn dazu ist es notwendig, dass das Subjekt zumindest die Überzeugung hat, dass sich jemandes Arm bewegt, mit dem es sich fälschlicherweise identifiziert. Sollte dies aber ausgeschlossen sein, wie anders wäre die Situation zu charakterisieren?
In the first place, we cannot think of the kinaesthetic and proprioceptive system as gaining knowledge of truths about the condition of a body which leaves the question of the identity of the body open. If the subject does not know that he has his legs bent (say) on this basis (because he is in the situation described), then he does not know anything on this basis. (To judge that someone has his legs bent would be a wild shot in the dark.)
It would not be a wild shot in the dark if the subject had been told that he was linked up appropriately with someone else’s body. But then he would be in a position of knowing that the information was not being received in the normal way.
Warum sollte man den "Quasi-Fällen" nicht folgendermaßen begegnen: Unter Hinzunahme einer "realistischen" notwendigen Bedingung der materiellen Einheit – materielle Einheit ist eine notwendige Bedingung dafür, dass ein Glied ein Teil von einem Körper ist –, bleibt die hinreichende Bedingung der erlebten unmittelbaren Präsenz bestehen: "Wenn ich x propriozeptiv wahrnehme, dann ist x ein Teil von mir." Unmittelbare Präsenz erfordert körperliche Einheit. Und dies hätte zur Folge, dass mir alien limbs oder Prothesen nur deshalb unmittelbar präsent erscheinen, weil sie tatsächlich zu einem Teil meines Körpers geworden sind; weil sich mein propriozeptives System erweitert hätte. Entweder hätte ich genuines propriozeptives Bewusstsein von fraglichen Prothesen – denkt man an Transplantationen, erscheinen solche Möglichkeiten tatsächlich nicht (mehr) ausgeschlossen – oder ich wäre einer Illusion, einer Halluzination zum Opfer gefallen. Wie im Falle eines Phantomgliedes hätte ich eine gestörte, eine zu weit ausgedehnte Vorstellung von meinen wirklichen körperlichen Grenzen.
In other words, if one is not materially united with a limb, then it can only be seemingly immediately present to one. In contrast, actual immediate presence requires material unity. And if an L-ascription is based upon an arm’s merely seeming presence to one rather than its actual immediate presence to one, then, just as Evans argues, it cannot be expressive of knowledge that someone’s arm is moving, for knowledge cannot be grounded in an illusion. So whatever is wrong with the L-ascription, it is not guilty of an error of identification.
Auch wenn der Ausdruck "scheinbar unmittelbar" etwas unglücklich gewählt ist, wird der wesentliche Punkt deutlich: Der "unmittelbare Schein", eine Illusion, ist keine Grundlage für ein Urteil, das zwar Wissen ausdrückt, dass sich irgendjemandes Arm bewegt, aber eine Fehlidentifikation des Subjekts beinhaltet. Genau das wäre aber erforderlich, wenn gezeigt werden soll, dass ein Urteil nicht immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation ist. Ich müsste zumindest kausal mit jenem Gegenstand verbunden sein; auch wenn das niemals eine hinreichende Bedingung für Wissen oder gerechtfertigte Überzeugung von einem bestimmten Gegenstand sein kann. Eine Kausalverbindung muss mir Information von einem bestimmten Gegenstand liefern, wodurch ich ihn von anderen unterscheiden kann. Evans hat diese Bedingung, wie bereits erwähnt, als Russell´s Principle bezeichnet – "a subject cannot make a judgement about something unless he knows which object his judgement is about."
Eine Kausalverbindung, die mich über ihren Ursprung in einem fremden Körper im Unklaren lässt, leistet genau das nicht. Sie liefert mir nicht die Information, dass jemand F ist. Aber um ein Subjekt mit einem anderen Subjekt, das F ist, verwechseln zu können, muss ich zumindest wissen bzw. begründet glauben können, dass jemand F ist. Und die Frage einer Selbstidentifikation stellt sich jedenfalls nicht, wenn anstatt eines falschen Subjekts, überhaupt kein Subjekt herausgepickt werden kann: "To judge that someone has his legs bent would be a wild shot in the dark."
Wenn aber kein Fall von Fehlidentifikation vorliegt, dann trifft es auch nicht zu, dass die infrage stehenden Selbstzuschreibungen nicht immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind. Entweder hat das Subjekt eine unmittelbare Information von sich selbst und versteht diese auch als solche, oder es hat überhaupt keine Information bezüglich eines bestimmten Subjekts. Vielleicht hat es bloß ein "komisches Gefühl", eine "seltsame Ahnung" und halluziniert.
Anhand dieser etwas spitzfindig anmutenden, aber prinzipiellen Überlegungen möchte ich nochmals auf den Unterschied zwischen logischer und de facto Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation zurückkommen. Die in Kapitel 2 angesprochene "Unzufriedenheit" bezüglich Shoemakers "Quasi-Erinnerung" – wir könnten Identifikationsfehler nur deshalb ausschließen, weil Gehirnteilungen u.ä. in unserer Welt (noch) nicht vorkommen – kann nun geklärt werden. Auch diejenigen Beispiele, die eine logische Möglichkeit bzw. Vorstellbarkeit von Quasi-Szenarien exemplifizieren, sollten sich genau betrachtet als Fälle entlarven lassen, in denen es zu einem Identifikationsfehler überhaupt nicht kommen kann. Deshalb haben wir es entweder mit – logischer – Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation zu tun; oder mit anderen Fehlern.
Was jedoch auch bei logischer Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation faktisch vorausgesetzt bleibt, ist unsere Beschaffenheit als empirische Subjekte. Wir haben eben nur einen Körper, und müssen nicht die Bewegung hunderter Gliedmaßen koordinieren. "The Ideas we have of ourselves, like almost all Ideas we have, rest upon certain empirical presuppositions, and are simply inappropriate to certain describable situations in which these presuppositions are false." Wenn wir Szenarien charakterisieren, in denen unsere propriozeptiven Systeme mit mehreren Körpern verbunden sind, dann erginge es uns in diesen Situationen wie in den alltäglich vertrauteren Spiegel-Szenarien. Wir könnten prinzipiell wissen, dass es sich um eine andere Art der Körperwahrnehmung handelt; um eine Art, die Fehlidentifikation zulässt. Wie Kinder erst lernen müssen, dass ihre Spiegelbilder keine anderen Kinder sind, so müssten wir lernen, uns als solch bizarre Wesen zurecht zu finden. Für derartige Szenarien gilt demnach Evans’ Einschränkung:
It would not be a wild shot in the dark if the subject had been told that he was linked up appropriately with someone else’s body. But then he would be in a position of knowing that the information was not being received in the normal way.
4.3 Von der Fehlkonzeption zur "Entkörperung" – und zurück
Es bietet sich an, mit Cassam die folgenden Punkte zu resümieren, die er als Identity Argument formuliert:
Die Spannung liegt in der Frage, ob zu wissen, welches Ding ich bin, auch zu wissen erfordert, was für ein Ding ich bin. Problematisch scheint der Übergang von Evans’ "Russell’s Principle" – "a subject cannot make a judgement about something unless he knows which object his judgement is about" –, über die Diskriminations-Bedingung zur knowing-what-Bedingung. Aus dieser Spannung ergibt sich ein fundamentales Problem für jede Konzeption von Selbstbewusstsein als Wissen von sich selbst im Allgemeinen und für die Etablierung des Wissens von sich als körperlichem Subjekt im Speziellen. Ich komme auf Martins zweiten Punkt seiner "Zugeständnisse" an die zentrale Rolle von Körper und Körperbewusstsein zurück:
It is also consistent with the claims here that there would be a deep mistake in supposing that one could form a positive conception of oneself independent of the physical entity that one knows so intimately in one’s quotidian encounters with the world.
Martin möchte seine Argumentation nicht als Demonstration unkörperlicher Erfahrung missverstanden wissen. Weder möchte er etablieren, dass sich jemand als rein denkendes Subjekt noch als bloßen geometrischen Gesichtspunkt versteht. Was er allerdings nicht ausschließen kann, ist eine genuine Unbestimmtheit in der Selbstkonzeption, im Selbstverständnis des Subjekts. Und diese Unbestimmtheit geht natürlich auf Kosten des Körperbewusstseins. Descartes’ im "großen Zweifel" erhalten gebliebene Gewissheit, dass ich bin, bleibt dafür immer noch das eindrucksvollste Beispiel; und Martin vergisst nicht auf folgenden Hinweis: "[T]he Cartesian thought experiments reveal not positive knowledge of the non-material nature of selves, but simple ignorance of what that nature is." Wäre diese Situation nicht so zu beschreiben, als blickte ich mit der Gewissheit durch ein Mikroskop, dass ich immer dasselbe Ding sehen werde – aber was es ist, bliebe unbestimmt; vielleicht eine Amöbe – dermaßen "einzellig" erscheint mir die bloße Gewissheit, dass ich bin. Wenn wir zu einer Selbstkonzeption gelangen, dann ist es nicht ausgeschlossen, dass diese Konzeption gleichermaßen die eines psychischen und körperlichen Subjekts ist; auch wenn diese Symmetrie, wie wir gesehen haben, fälschlich als ausgezeichnete Besitzrelation verstanden werden könnte. Das Problem besteht in dem schwer zu entkräftenden Verweis auf selbstbewusstes Denken trotz falscher Selbstkonzeption.
In other words, even if it is true that self-conscious subjects or persons are physical objects among physical objects, it is not a necessary condition of their being self-conscious that they believe that this is so. [...] This will be referred to as the problem of misconception.
Es gibt selbstverständlich verschiedene Arten und dementsprechende Grenzen der Fehlkonzeption. Fälle, in denen sich Subjekte körperlich verstehen, bzw. Fälle, die plausibel so beschrieben werden können, müssen nicht berücksichtigt werden. Dazu zählen Descartes’ Erwähnung von armen Irren in der Ersten Meditation, die sich für Kürbisse oder aus Glas seiend halten, ebenso wie Strawsons Schilderung einer philosophisch autobiographisch verwirrten Person, die nichtsdestotrotz selbstbewusst ist:
Even someone wholly deluded as to his identity, who thinks, say, ‘I wrote the Tractatus’, does not fail to refer correctly to himself; and if he thinks, ‘I, Ludwig Wittgenstein, wrote the Tractatus’, the reference of ‘I’ stands where it did and he merely makes an additional error in placing ‘Ludwig Wittgenstein’ in apposition to it.
Die Nichersetzbarkeit von "ich" durch bestimmte Beschreibungen und Namen verdeutlicht das. Deshalb verstehen Evans und Cassam das knowing-what requirement nicht als deskriptive, sondern als selbstlokalisierende Identifikation. Das knowing-what ist also mehr ein "knowing-where" requirement. Aber wie kann man hartnäckigen und überzeugten DualistInnen begegnen? Wer davon überzeugt ist, eine immaterielle Substanz zu sein, die zu einem bestimmten Körper "bloß" in einer einmaligen Besitzrelation steht, und sich dementsprechend mittels seines Körpers selbstlokalisiert, dem/der kann Selbstbewusstsein nicht abgesprochen werden.
Cassam hat eine interessante Antwortstrategie entworfen. Notwendige Bedingungen für körperliches Selbstbewusstsein sind nicht so sehr eine bestimmte Anzahl wahrer Überzeugungen – also Wissen von der eigenen Natur –, sondern dass man sich tatsächlich als körperliches Subjekt erfährt. Die Bedeutsamkeit von Cassams Unterscheidung lässt sich wie folgt verdeutlichen. Er unterscheidet zwischen einer concept version und einer intuitive version seines Identitätsarguments:
Consciousness of one’s own identity as the subject of different representations requires the conception [alternativ: intuitive awareness] of oneself as a physical object.
As remarked [...], the distinction between the intuition and conceptual versions of ‘awareness of oneself as a physical object’ is the distinction between being presented to oneself as a physical object and believing that one is a physical object. It is a further question whether intuitive awareness of oneself as a physical object should be understood as ‘nonconceptual’.
Am stärksten exemplifiziert sich der Unterschied anhand der Überzeugungs-Unabhängigkeit mancher Erfahrungen:
The dualist satisfies a substantive ‘knowing which’ requirement on self-reference because and only because she is intuitively aware of that to which she ascribes her experiences as an articulated physical unity. Like the idealist, the dualist claims not to take appearances at face value, but this only shows that the content of intuitive awareness is belief-independent. The dualist’s false beliefs about her own nature need not deprive her of a sense of her own boundaries qua physical object among physical objects, any more than the fact that one has false beliefs about the object of a perceptual-demonstrative thought need not deprive one of a sense of its location and boundaries. As long as the dualist is intuitively aware of her boundaries qua physical object, she satisfies a substantive ‘knowing which’ requirement [...]
Die dualistische Position entspricht bezüglich der Problematik des körperlichen Selbstbewusstseins einer wahrnehmungspsychologisch aufgeklärten Position. Die beiden Pfeile der Müller-Lyer-Illusion werden selbst dann noch als ungleich lang wahrgenommen, wenn wir denken bzw. wissen, dass sie in der Tat die gleiche Länge haben. Dementsprechend erfahren auch DualistInnen ihre Körperlichkeit unmittelbar – bei den Körperempfindungen sogar den Körper als Träger psychischer Eigenschaften –, obwohl sie um die substanzielle Verschiedenheit von Körper und Geist zu "wissen" glauben.
For while it is possible to understand how someone might believe that she ‘has’ a body without believing that the subject of her thoughts and perceptions is a physical object, it is not easy to understand what it would be to experience oneself as embodied in the Cartesian sense without also experiencing oneself qua subject as a physical object. As Descartes recognized, the distinction between the second and third grade of apparent presence is a distinction drawn at the level of thought or reflection rather than one that is simply given at the level of intuitive self-awareness. To be intuitively aware of oneself as embodied is not to be aware of oneself as ‘in’ one’s body like a pilot is in a ship; it is to be aware of oneself as nothing less than a bodily subject.
Ich halte das für eine bemerkenswerte Erwiderung auf die cartesianische Herausforderung, wie sie auch bei Martin aufgetaucht ist. Wir sollten mit Descartes an der Charakterisierung unserer Erfahrung festhalten, aber gegen Descartes geltend machen, dass wir tatsächlich so sind, wie wir uns erscheinen bzw. erfahren. Und dennoch lauert noch eine besonders bizarre Herausforderung auf uns. Wir müssen uns der sensorischen Deprivation stellen.
Führen wir uns den eigentümlichen Umstand anhand Elizabeth Anscombes notorischem Beispiel vor Augen:
Und nun stelle man sich vor, ich verfiele in einen Zustand "sensorischer Deprivation". Das Sehvermögen ist ausgeschaltet bzw. ich bin überall örtlich betäubt. Vielleicht läßt man mich in einem Tank lauwarmen Wassers treiben. Ich bin unfähig, zu sprechen oder irgendeines meiner Körperteile mit einem anderen Körperteil zu berühren. Nun aber sage ich mir: "Ich will nicht zulassen, daß das noch einmal passiert!" Wenn das mit "ich" gemeinte Objekt dieser Körper bzw. dies menschliche Wesen ist, dann dürfte es mir unter diesen Umständen nicht gegenwärtig sein. Wie aber kann es mir sonst noch "gegenwärtig" sein? Habe ich denn verloren, was ich mit "ich" meinte? Ist es mir nicht gegenwärtig? Bin ich sozusagen auf ein "Referieren in Abwesenheit" heruntergekommen? Mein Selbstbewusstsein habe ich nicht verloren; ebensowenig kann das, was ich mit "ich" meine, ein mir nicht länger gegenwärtiges Objekt sein.
Der erste zu beachtende Punkt ist semantisch. Lässt sich "ich" nicht der demonstrativen Referenz angleichen – "ich" ist nicht durch "dieser Körper" substituierbar –, bei der die Möglichkeit eines "Referierens in Abwesenheit" besteht, dann sollte "ich" in diesen Fällen nur als nicht-referentiell zu verstehen sein. Wenn "ich" auf etwas referiert, dann komme als Referent nur ein cartesianisches Ego infrage. Da dies aber nicht der Fall sein kann – Anscombe erinnert, offenbar von Strawsons Kant-Interpretation inspiriert, an die Möglichkeit unzähliger gleichzeitig existierender Subjekte –, wäre "ich" nicht-referentiell. Wer hingegen "ich" als direkt-referentiell analysiert – und ich bin überzeugt, dass dies die richtige Analyse ist –, wird den Schluss von "unmittelbar" auf "nicht-referentiell" verwerfen. Wenn Anscombe von einem "mir nicht länger gegenwärtigen Objekt" spricht, dann hat sie bereits die Voraussetzung gemacht, das körperliche Subjekt nur als Körper, als bloßen Gegenstand zu betrachten. Aber weder die Nichtsubstituierbarkeit von "ich" durch "dieser Körper" noch die referentiellen Besonderheiten allein implizieren, dass "ich" entweder auf eine cartesianische Substanz oder überhaupt nicht referiert.
Anscombes Pointe ist allerdings auf eine etwas andere Weise, als sie es selbst sieht, angebracht. Ihre Dilemma-Alternative, "ich" entweder auf eine cartesianisch verstandene denkende Substanz oder überhaupt nicht referierend zu analysieren, verrät zwar weniger über den gewöhnlichen Gebrauch von "ich", dafür aber umso mehr über die bizarre Situation, in der sich das deprivierte Subjekt befindet. Strawson charakterisiert eine überzeugende Alternative, der wir in ähnlicher Form bereits in seiner anticartesianischen Kant-Interpretation begegnet sind:
It does not follow that [...], in supposing the possibility realized, we must suppose the ‘I’ that figures in disembodied ‘I’ thoughts to have a Cartesian reference. Rather, we should say either that it has no reference at all (that it simply expresses ‘consciousness in general’), or – if it is insisted that there can be no thought or experience without a subject – that the subjects would be as numerically diverse, as various and changing, as the successive ‘I’ thoughts themselves. In either case, the presence of the ‘I’ in the supposed disembodied thoughts is to be explained by the supposition that those thoughts include apparent memories of past experiences of an actual person [...]
Halten wir daran fest, dass "ich" ein direkt-referentieller Ausdruck ist, dessen Referent eine Person ist. Sollte "ich" im geschilderten Szenario tatsächlich referieren – auf das sich nunmehr rein psychisch gegenwärtige Subjekt –, dann ist dieser Gebrauch von früheren "full bloodied uses" abhängig. Wäre "ich" dagegen nicht-referentiell, dann würde es überhaupt kein Selbstbewusstsein ausdrücken, sondern nur "Bewusstsein im Allgemeinen". Wir hätten es wieder mit dem bloß formalen, vielleicht als "transzendental" zu charakterisierenden Gebrauch zu tun.
Vielleicht ist das kein zwingender Schluss. Aber ich halte es für angemessen, den Fall in dieser Richtung zu interpretieren. Auch die Parallele zu Evans’ Interpretation der quasi-propriozeptiven Szenarien ist offensichtlich. Hatten wir dort die Alternativen zur Verfügung, entweder Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation oder überhaupt keinen Identifikationsfehler festzustellen, so können wir nun zwischen den Alternativen wählen, entweder abhängiges Selbstbewusstsein oder überhaupt kein Selbstbewusstsein, sondern bloß "Bewusstsein im Allgemeinen" zu konstatieren.
Diese Argumentationsstrategie führt zum zweiten, noch entscheidenderen Punkt. Mit Anscombes Beispiel lässt sich ja bestreiten, dass es eine notwendige Bedingung für Selbstbewusstsein ist, sich als körperliches Subjekt gegeben zu sein – und das ist höchst brisant. Das Problem der Fehlkonzeption wird auf die Spitze getrieben. Nicht bestritten wird hingegen, dass körperliche Selbstzuschreibungen immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sein können, und als solche hinreichende Bedingung für Selbstbewusstsein sind. Anscombe will schließlich keine cartesianische Substanz etablieren.
Die allgemeine Strategie auf derartige Beispiele zu reagieren, besteht im Versuch, sie der Unbedeutsamkeit bzw. Inkohärenz für ihr Beweisziel zu überführen. Unbedeutend für ihr Beweisziel sind derartige Beispiele unter der Voraussetzung, dass fragliches Subjekt nicht immer sensorisch depriviert gewesen ist. Denn so lässt sich sofort einwenden, dass Selbstbewusstsein nur deshalb möglich ist, weil das Subjekt zuvor schon einmal körperliches Bewusstsein von sich gehabt haben muss. Das erhalten gebliebene Vermögen selbstbewusste Gedanken haben zu können, wäre insofern nur derivativ bzw. "parasitär" erklärbar: "[T]he presence of the ‘I’ in the supposed disembodied thoughts is to be explained by the supposition that those thoughts include apparent memories of past experiences of an actual person." Beispielsweise wüsste das Subjekt in einem solchen Zustand noch immer, wie man sich selbstlokalisiert, auch wenn es selbst die praktische Fähigkeit dazu verloren hat: "We might be willing to make such a statement because we are willing to accept the conditional judgement that, if the normal use of his body and of his senses were restored to him, he could locate himself." Gemeinsam mit der Einsicht, dass man sich in grundlegenden Fällen sehr wohl körperlich gegenwärtig ist, würde das Deprivations-Szenario nicht mehr exemplifizieren, als den keineswegs verwunderlichen Sachverhalt, man müsse sich nicht immer körperlich präsent sein; eine ähnlich triviale Auskunft wie: "Wer sich ein mentales Prädikat zuschreibt, kennt sich insofern nicht immer als physische Entität".
Einiges spricht dafür, dass eine dementsprechende "Entschärfung" durchaus in Anscombes Sinn ist. Sie bemerkt, dass "sensorische Deprivation und sogar Verlust des Bewusstseins von Haltung usw. kein Verlust des Ichs sind". Verlieren kann man aber nur, was man einmal besessen hat. Insofern relativiert sie selbst ihr Beispiel auf eine gemäßigte Lesart, sodass Verlust des Körperbewusstseins ohne Verlust des Selbstbewusstseins nur bei vorgängigem körperlichen Selbstbewusstsein denkbar erscheint. Eine weitere Passage stützt diese Interpretation:
Wenn ich in einer Situation der "sensorischen Deprivation" wäre, könnte ich nicht den Gedanken "dieses Objekt", "dieser Körper" haben – es gäbe da nichts für "dieses", worauf es einschnappen könnte. Das heißt jedoch nicht zu behaupten, ich könnte nicht trotzdem die Vorstellungen von Handlungen, Bewegungen etc. haben. Denn diese Vorstellungen sind nicht Auszüge sinnlicher Wahrnehmung. Wenn ich sie nun einmal im Zustand sensorischer Deprivation habe, werde ich vielleicht glauben, daß es solch einen Körper gebe. Zumindest wird mich jedoch die Möglichkeit befremden, daß es keinen gibt, die Möglichkeit also, daß es nichts gibt, das ich bin.
So betrachtet hätten wir es mit einem "Gehirn-im-Tank"-Szenario zu tun. Angenommen, jemand wäre ein Gehirn im Tank ohne gewöhnlichen Körper, würde aber aufgrund entsprechender sensorischer Stimulation glauben, einen Körper zu haben – bzw. nichtdualistisch geläutert glauben, körperliches Subjekt zu sein. Ein derartiges Subjekt hätte quasi-propriozeptive Information nicht vom Körper einer anderen Person, sondern streng genommen von überhaupt keinem Körper. Das Subjekt halluziniert. Wer aber einerseits immer halluziniert, könnte Evans’ Strategie zufolge zu überhaupt keinem Selbstbewusstsein gelangt sein. Andererseits lässt sich dieses Beispiel so interpretieren, dass nicht demonstriert werden soll, wir könnten gänzlich ohne körperlicher Information selbstbewusst sein. Das Gehirn-im-Tank-Szenario könnte vielmehr die prinzipielle Fallibilität körperlichen Wissens demonstrieren. Es entspricht somit einer bestimmten Stufe des cartesianischen Zweifels in der Ersten Meditation, wo Descartes aufgrund der Traummöglichkeit bezweifelt, dass "wir die Augen öffnen, den Kopf bewegen, die Hände ausstrecken". Da eine solche Fallibilität mit der Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation von körperlichen Selbstzuschreibungen ohne weiters vereinbar ist, braucht sie uns in diesem Zusammenhang nicht bekümmern.
Größere Sorgen sollte uns auf den ersten Blick die radikalste Variante des Deprivations-Szenarios machen – das sensorisch deprivierte Subjekt hätte sich noch nie körperlich erfahren. Und hätte sich das Subjekt einmal als körperlich erfahren, dann wäre das für den jetzigen Zustand irrelevant, weil das deprivierte Subjekt jegliche Erinnerung verloren hat, wie Lucy O´Brien die Bedingungen verschärft: "One suggestion might be that the subject relies on their memories of earlier stages. Such a suggestion proves powerless however if we take our subject to be an amnesiac but still able to self-refer."
If it is possible to think first-personally despite the fact that one is no longer intuitively aware of oneself as a physical object, does not conceive of oneself as a physical object, and has lost one’s memories, then one would have to conclude that first-person thought does not require knowledge of which thing one is. On the other hand, if one is already commited to Russell’s Principle, then the case which has just been described would not be a case of first-person thinking not conforming to this principle; rather, it would be a case of a subject who is incapable of such thinking.
Kann sich das Subjekt nicht mehr von anderen Objekten unterscheiden, weil es gar kein Bewusstsein mehr von der übrigen physischen Welt hat, wie sollte da noch Selbstbewusstsein möglich sein? Zugestanden, dass fragliches Subjekt knowing-which- und discrimination-requirement erfüllt, dann könnte das freilich nur momentan, bloß synchron geschehen. Der wesentliche diachrone Aspekt numerischer Identität wäre derart noch nicht erfüllt. Wenn aber nur eine momentane Diskrimination des Subjekts von seiner Umwelt als möglich erscheint, dann wäre es doch sinnlos, noch von einem Erfahrungssubjekt mit selbstbewussten Gedanken zu sprechen. Was bliebe von einem punktuellen Selbst, dem gegebenenfalls ein plötzliches "Ich" durch den Kopf gehen mag, noch übrig außer unpersönliches, ent-individualisiertes, ich-loses Bewusstsein und nicht Selbstbewusstsein?
"‚Er fühlte für eine Sekunde heftigen Schmerz.‘ – Warum klingt es seltsam: ‚Er fühlte für eine Sekunde tiefen Kummer‘? Nur weil es so selten vorkommt?" Ebenso seltsam – um das Mindeste zu sagen – wäre wohl die Aussage "Sie hatte für eine Sekunde Selbstbewusstsein."
Wenn an die "Intuition" appelliert wird, es wäre vollkommen klar, dass fragliches depriviertes Subjekt tatsächlich (noch) selbstbewusst ist – selbst ohne Konzeption, ohne Anschauung von und ohne Erinnerung an sich als körperliches Subjekt –, inwiefern sollte und kann man sich darauf verlassen, dass das Szenario kohärent charakterisiert worden ist? Liegt die Beweislast dafür nicht bei den ProponentInnen derartiger Szenarien?
As Gareth Evans points out, even if we can make sense of situations in which a subject lacks occurent awareness of her body, that will not show that her capacity for self-conscious self-reference does not depend on being disposed to be sensitive to such information as she would receive were she not anaesthetised. After all, one could hardly show that we have no observational concept of red, by noting that one is capable of thinking that there is a red tomato in the room, even when all is dark.
Aus der Tatsache, dass manche Menschen längere Zeit ohne Nahrung überleben können, folgt ebenso wenig, dass Menschen gänzlich ohne Nahrung auskommen. Und vielleicht sollten wir versuchen, unsere "wohl genährte" Situation wieder besser aus einer neuen Perspektive zu verstehen. Deshalb halte ich einen Übergang zur Untersuchung nichtbegrifflicher (Selbst-)Bewusstseinsformen für angebracht. Die Gründe dafür, dass in den Argumentationen von Cassam und Evans vielleicht etwas "offen" bleibt, mögen in der Beschränkung auf die begrifflich-sprachliche Erfahrungsebene – auch in Bezug auf Cassams intuitive awareness – liegen. Es stellt sich die Frage, ob ein Argument für körperliches Selbstbewusstsein nicht auch den basaleren Aspekt einer vorsprachlichen, nichtbegrifflichen Erfahrung in Betracht ziehen sollte.
Ich werde im nächsten Kapitel José Bermúdez’ Untersuchungen bezüglich der Möglichkeit nichtbegrifflichen – körperlichen – Selbstbewusstseins vorstellen. Gerade die von ihm forcierte Differenzierung von Diskriminationsfähigkeiten hilft, diesen teils recht spekulativen Bereich zu charakterisieren und einzuschätzen. Es handelt sich um Diskriminationsfähigkeiten, die es einem Subjekt erlauben, sich auf immer spezifischere Weise von seiner Umwelt zu unterscheiden. Dieses Kapitel möchte ich mit ein paar grundsätzlichen Bemerkungen zur Rolle von Gedankenexperimenten in der Selbstbewusstseinsdebatte beschließen.
4.3.2 "Are you thought-experienced?"
Gedankenexperimente haben zunächst ihre Berechtigung als Feststellungen darüber, was logisch oder begrifflich möglich ist. In der Selbstbewusstseinsdebatte dienen sie z.B. zur Diskussion der Möglichkeit von Quasi-Erinnerungen, Quasi-Propriozeption und der damit verbundenen Unterscheidung zwischen logischer und de facto Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation. Jede/r weiß ungefähr was gemeint ist, und wer eine an Science-Fiction-Geschichten geschulte Vorstellungskraft besitzt, kann sich zu neuen, vielleicht noch phantastischeren Beispielen anregen lassen, als sie sich Shoemaker, Derek Parfit u.a. ausgedacht haben. Problematisch bleibt jedoch das "Ungefähr" der persönlichen Vorstellungs- und Einbildungskräfte. Diesbezüglich teile ich die Einschätzung von Autoren wie Michael Ayers und Klaus Puhl, der treffend bemerkt:
Klar scheint jedenfalls, daß eine bestimmte Antwort eine Interpretation und keine Beschreibung eines neutralen Datums darstellt. Welche Interpretation man wählt, hängt von der jeweiligen Auffassung von personaler Identität und der Rolle des Körpers ab, kann also kaum über die Korrektheit dieser Auffassungen entscheiden.
Gedankenexperimente lassen sich – nahezu – beliebig zur Stütze der einen oder der anderen Position konstruieren. Und dabei bleiben zu viele Hintergrundfragen offen. Wie genau sollen und können wir uns vorstellen, dass Körper pulverisiert und wieder zusammengesetzt werden, Gehirne mit verschiedenen Körpern gleichzeitig verbunden werden oder Erinnerungen samt phänomenalen Erlebnissen auf Superfestplatte gespeichert und je nach Belieben auf Körper (oder gerade auch Nicht-Körper) weiter- gereicht werden? Und was verrät uns das Szenario der sensorischen Deprivation über unsere tatsächliche Situation, in der wir uns als menschliche Subjekte befinden?
Kant hat beispielsweise eine klar definierte Vorstellung davon, was es für Vernunftwesen bedeuten würde, eine intellektuelle Anschauung, einen anschauenden Verstand zu haben, "in welchem durch das Selbstbewußtsein zugleich alles Mannigfaltige gegeben würde". Aber wir Menschen besitzen einen solchen Verstand eben nicht; "der unsere kann nur denken und muß in den Sinnen die Anschauung suchen." Und das ist ein empirisches Faktum. Wittgenstein wiederum verweist anhand einer fabelhaften Vorstellung auf die Schranken, auf die Bedingungen, die wir gewöhnlich auch bei der Lektüre von Märchen und Science-Fiction-Geschichten klar vor Augen haben: "Aber könnten wir uns nicht vorstellen, daß Gott einem Papagei plötzlich Verstand schenkte, und dieser nun zu sich selbst redete? – Aber hier ist es wichtig, daß ich zu dieser Vorstellung die Vorstellung von einer Gottheit zu Hilfe nahm."
Parfit, der mit einer Geschichte von einem Teletransporter aufwartet (samt Scanner und einer Maschine, die haargenaue – und selbstbewusste! – Replikanten einer Person herstellen kann), trifft folgende Unterscheidung: "Some cases contravene the laws of nature. I call these deeply impossible. Other cases are merely technically impossible." Selbstverständlich zählt auch Parfit seine Beispiele zu ersteren Fällen. Und er vergisst nicht darauf hinzuweisen, dass man sie vielleicht im Geiste Wittgensteins als uninteressant, weil uninformativ abtun könnte. Ungeachtet dessen würden solche Beispiele allerdings Reaktionen bei uns hervorrufen, die an unserem tatsächlichen Selbstverständnis bezüglich der Natur persönlicher Identität rühren. Da sich diese Reaktionen, wie bei jedem unzureichend beschriebenen Gedankenexperiment, auch in Achselzucken erschöpfen können, denke ich, dass die "höchst unwahrscheinlichen" Szenarien getrost beiseite gelassen werden können.
Überlassen wir also den Papageien ihre Selbstgespräche und den Göttern ihre intellektuelle Anschauung, und kehren zur "gewöhnlichen" Existenz menschlicher Subjekte zurück. Wie komplex diese bereits auf nichtbegrifflichen, vorsprachlichen Bewusstseinsstufen sein kann, wird das nächste Kapitel zeigen.
5 Von der Möglichkeit nichtbegrifflichen Selbstbewusstseins
What gets heard? That’s the word;
but what gets felt is something else.
M. Watt
Ich habe bisher auf begrifflich-sprachlicher Ebene versucht zu zeigen, dass sich ein Subjekt qua Subjekt als körperliches verstehen muss. Dies konnte durch den Nachweis erzielt werden, dass nicht nur Urteile psychischer Selbstzuschreibungen, sondern auch Urteile körperlicher Selbstzuschreibungen immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind. Es handelt sich um Urteile, die auf den verschiedenen Arten der Propriozeption beruhen; Urteile über Position und Lage des Körpers und bestimmter Körperteile, ebenso wie über Körperempfindungen, die wesentlich an bestimmten Körperstellen gefühlt werden. Auch wenn damit mehr als nur Indizien für eine positive Beantwortung der Frage gefunden werden konnten, ob selbstbewusste Subjekte ein Bewusstsein von sich als körperlichen Subjekten haben müssen, stellte sich das nicht zu unterschätzende Problem der Fehlkonzeption.
Anhand Elizabeth Anscombes Szenario einer sensorischen Deprivation exemplifiziert sich die beunruhigende Vorstellung von einem Subjekt, das selbstbewusst ist, ohne sich körperlich verstehen oder erfahren zu können. Ich habe das Szenario als Infragestellen körperlichen Selbstbewusstseins als notwendiger Bedingung für Selbstbewusstsein interpretiert. Wie bereits ausgeführt, lautet die nahe liegendste Strategie zur Sicherung der Körperbewusstseinsthese, dem Subjekt zu unterstellen, es wäre nicht immer "körperblind" gewesen. Das Szenario wäre nur derivativ zu verstehen; Körperbewusstsein bliebe als notwendige Bedingung intakt. Wird dagegen die stärkere Lesart forciert – das Subjekt wäre sich niemals körperlich gegenwärtig gewesen –, dann steht zur Disposition, ob das Subjekt überhaupt kohärent als selbstbewusst interpretiert werden kann, oder ob es sich nicht eher um "Bewusstsein im Allgemeinen" handelt. Das ist die Kehrseite der Interpretation zugunsten der Körperbewusstseinsthese, die sich an Strawsons und Evans’ Argumentationsstrategie orientiert – entweder hat ein Subjekt unmittelbares Körperbewusstsein von sich (das sich in Urteilen, die immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind, ausdrücken kann) oder es hat von überhaupt keinem Subjekt Bewusstsein. Die ProponentInnen des Szenarios werden vor ein Dilemma gestellt: Entweder ist das deprivierte Subjekt selbstbewusst; dann muss es sich schon als körperliches Subjekt bewusst gewesen sein. Oder das Subjekt ist und war sich nie als körperliches Subjekt bewusst; dann kann ihm bloß Bewusstsein im Allgemeinen, aber nicht Selbstbewusstsein zugeschrieben werden.
Ich habe darauf hingewiesen, dass sich die Frage stellt, bei wem die Beweislast liegt. Die Beweislast auf ProponentInnen der "Entkörperung" abzuschieben, war der erste und indirekte Zug. Mittels allgemeinerer Überlegungen bezüglich der explanatorischen Stärke von Gedankenexperimenten, sollte es zumindest bedenklich erscheinen, einer Intuition nachzugeben, die uns mittels Abstraktion Schritt für Schritt von unserem "full-bloodied understanding" als selbstbewusste Personen entfernt.
Als zweiter und direkter Zug bietet sich an, die Herausforderung anzunehmen, indem die infrage stehenden notwendigen Bedingungen für körperliches Selbstbewusstsein aus einer neuen Perspektive untersucht werden. Dieser Argumentationsstrang ist es, der Untersuchungen vorsprachlicher Formen unmittelbaren körperlichen Bewusstseins attraktiv erscheinen lässt. Auch wenn es zur Etablierung von körperlichem Selbstbewusstsein nicht der einzige Weg ist, die Herausforderung anzunehmen, kann man sich durch diese viel versprechende neue Perspektive vertiefende Einsichten bezüglich einer ebenso alten wie hartnäckigen Problematik erhoffen.
José Bermúdez hat in The Paradox of Self-Consciousness bemerkenswerte Entwürfe zur Erklärung grundlegender Formen vorsprachlichen, nichtbegrifflichen Selbstbewusstseins vorgelegt. Diese sind von größtem Interesse, geht es doch im Besonderen um einfache Formen körperlichen Selbstbewusstseins. Ich werde zunächst das von Bermúdez formulierte Paradox vorstellen, womit er sich gegen den sprachlich-begrifflichen Zugang zu Selbstbewusstsein wendet, und das ihm strategischer Anlass zur Untersuchung nichtbegrifflicher Formen von Selbstbewusstsein ist. Hierauf werde ich auf Bermúdez’ Etablierung des autonomen repräsentationalen nichtbegrifflichen Gedankeninhalts eingehen. Im folgenden Abschnitt sollen Formen nichtbegrifflichen Selbstbewusstseins behandelt werden, die Bermúdez als notwendige Bedingungen einfachen Selbstbewusstseins vorstellt. Es handelt sich um Diskriminationsfähigkeiten, die es einem Subjekt erlauben, sich auf immer spezifischere Weise von seiner Umwelt zu unterscheiden; von der Propriozeption, die bloß synchrone Diskrimination erlaubt, zu "Navigationsfähigkeiten", die notwendige und erstmals auch hinreichende Bedingungen für ein numerisch identisches Subjekt sind, das sich körperlich erfährt, und einen raum-zeitlich ausgedehnten nichtbegrifflichen Gesichtspunkt auf sich und seine Umwelt besitzt.
Im letzten Abschnitt dieses Kapitels werde ich die Konsequenzen von Bermúdez’ Ausführungen auf Cassam und das Problem der Fehlkonzeption beziehen. Wie umstritten auch manches in Bermúdez’ ambitioniertem Unternehmen im Detail sein mag, so unbestreitbar sollte die Debatte die Komplexität körperlichen Bewusstseins vor Augen führen, die bereits auf Bewusstseinsstufen herrscht, die noch nicht hinreichend für Selbstbewusstsein sind.
5.1 Ein Paradox mit vielen Forderungen
Bermúdez sieht im sprachphilosophischen bzw. sprachanalytischen Zugang zur Selbstbewusstseinsthematik ein zentrales Problem. Michael Dummett vor Augen, formuliert er als methodologisches Prinzip der sprachanalytischen Philosophie das Thought-Language-Principle:
Dass sich daraus ein Problem ergeben kann, formuliert Bermúdez als folgendes Paradox:
Der acquisition constraint spielt in Bermúdez’ Untersuchungen eine zentrale Rolle und lautet folgendermaßen:
Der Sinn einer Erklärung, wie Subjekte im Verlauf ihrer Entwicklung bestimmte kognitive Vermögen erwerben können, besteht in einem kontrapositiven Test. Wäre es prinzipiell unmöglich, eine Erklärung abzugeben, wie ein Subjekt ein bestimmtes Vermögen erwerben kann, so kann dieses Vermögen nicht psychologisch wirklich sein.
Das Paradox, die inakzeptable Schlussfolgerung aus scheinbar wahren Prämissen, besteht nun darin, dass die Punkte (1) bis (6) nicht zugleich beibehalten werden können. Um das Paradox aufzulösen, muss Bermúdez zufolge (2), das Thought-Language-Principle, verabschiedet werden. Denn (2) erzeugt gemeinsam mit (4) – Beherrschen des Pronomens "ich" erfordert bereits die Fähigkeit selbstbewusste Gedanken denken zu können – einen Zirkel. Sprachanalytische bzw. semantische Erklärungsstrategien führen kraft Erklärungs-Zirkularität (explanatory circularity) in das Paradox.
Any theory that tries to elucidate the capacity to think first-person thoughts through linguistic mastery of the first-person pronoun will be circular, because the explanandum is part of the explanans [...] Let me call this explanatory circularity.
Jeder Versuch, selbstbewusste Gedanken durch die Beherrschung von "ich" erklären zu wollen, muss sich als zirkulär erweisen, weil die Beherrschung von "ich" bereits die Fähigkeit selbstbewusste Gedanken zu denken, beinhaltet. Ich kann den korrekten Gebrauch von "ich" nur lernen, indem ich lerne, dass es einen Ausdruck gibt, der durch die Regel bestimmt ist, dass der Ausdruck auf mich referiert, wenn ich intendiere, auf mich zu referieren. Und dazu ist es offensichtlich notwendig, dass ich mich selbst bereits auf irgendeine Art und Weise erfasst habe, dass ich bereits über selbstbewusste Gedanken verfüge. Der Ausdruck der Intention markiert ja den Unterschied zur unbewussten (Re-) Produktion durch eine Maschine, die "ich, ich, ich" äußern kann. Es ist keineswegs einfach, die korrekte semantische Regel des "ich"-Gebrauchs anzugeben, die die erforderlichen Eigentümlichkeiten berücksichtigt, dass sich eine Person bei korrekter Verwendung nicht darin irren kann, auf wen sie referiert und dass dieser Referent auch tatsächlich existiert. Hier möchte ich aber nicht versuchen, die korrekte Regel zu definieren, sondern die allgemeinen Voraussetzungen von Bermúdez’ Erklärungsstrategie betrachten.
Bermúdez bezeichnet die "klassisch" sprachanalytische Position als deflationary theory of self-consciousness und charakterisiert ihre Grundannahmen mittels drei Erklärungs-Ansprüchen:
Die Punkte (1) und (2) sind unkontroversiell. Die grundlegende Fähigkeit zu Ich-Gedanken liegt allen selbstbewussten Zuständen, seien es phänomenale Zustände, Zustände des Wissens, der Erinnerung oder moralischen Selbstverständnisses, zugrunde. Ich-Gedanken beinhalten notwendigerweise Selbstreferenz. Selbstreferenz für sich genommen ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für selbstbewusste Gedanken, wie die bekannten "Amnesie-Beispiele" im Rahmen der analysierten Nichtsubstituierbarkeit von "ich" durch andere indexikalische Ausdrücke, Kennzeichnungen und Eigennamen verdeutlichen. Schließlich kann ich meinen Namen samt aller autobiographischen Daten vergessen haben und trotzdem noch selbstbewusstes Subjekt sein. Und dass es sich bei der Klasse von Ich-Gedanken nicht um eine homogene Klasse handelt, dass Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation die zentrale Rolle zur Erhellung des Phänomens Selbstbewusstsein spielt, sollte in dieser Arbeit offenkundig geworden sein. Für grundlegende Fälle von Selbstbewusstsein sind Ich-Gedanken ohne Identifikationskomponente entscheidend, da Identifikation des Subjekts in einen unendlichen Regress führt, insofern das Subjekt nicht schon mit sich selbst vertraut ist.
Punkt (3) erscheint mir dagegen problematisch. Denn diese Position trifft zwar u.a. auf Strawson, Anscombe und den frühen Shoemaker zu, nicht jedoch auf Evans, McDowell und Peacocke, mit denen sich Bermúdez am meisten auseinander setzt. Letztere Autoren lehnen Punkt (3) dezidiert ab. Gerade Evans wendet sich gegen semantische Erklärungen, die Selbstbewusstsein auf ein "linguistisches Phänomen" reduzieren, weil sie "ich" nur als "Hilfsmittel der Kommunikation" interpretieren. Bermúdez nimmt zwar ausdrücklich eine Vereinfachung vor – "It will be clear from what follows that these problems are not peculiar to the deflationary theory."; es muss aber fraglich bleiben, ob seine Einschätzung zutrifft.
Ich möchte an die Trennung von "ich" und Immunität gegen Irrtum durch Fehlidentifikation erinnern, die ich in Kapitel 1 vorgestellt habe. Einerseits können Gedanken bzw. Urteile, die immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind, auch mit anderen Ausdrücken an der Subjektstelle ausgedrückt werden; obwohl wir getrost daran festhalten können, dass sie konventionell mit "ich" an der Subjektstelle ausgedrückt werden. Andererseits – und das ist der entscheidendere Punkt – bleibt die Referenz-Garantie von "ich" auch in Aussagen erhalten, die nicht immun gegen Irrtum durch Fehlidentifikation sind. Dass der richtige Gebrauch der Token-reflexiven Regel von "ich" Selbstbewusstsein voraussetzt, heißt, dass sich Selbstbewusstsein nicht rein semantisch erklären lässt. Und das spricht gegen das Thought-Language-Principle als methodologisches Prinzip. Der Anspruch des Prinzips darf nicht ontologisch missverstanden werden, so dass das Denkvermögen nicht ohne dem sprachlichen Vermögen zum Ausdruck dieser Gedanken existieren könnte. So sieht das zunächst auch Bermúdez. Aber sein Vorstoß, das Thought-Language-Principle als Verbindung von zwei weiteren Prinzipien zu verstehen, scheint mir mehr über seine – legitimen – Ambitionen zu verraten, als es sein Paradox vermag. Und diese Ambitionen sind auch ontologischer Natur:
Weil sich das Conceptual-Requirement-Principle als unhaltbar herausstellen sollte, wird auch das Thought-Language-Principle zu verabschieden sein. Das Priority-Principle kann hingegen getrost aufrecht erhalten werden. Gerade die Gegenüberstellung von sprachlich-begrifflichen Fähigkeiten auf der einen und nichtbegrifflichen Fähigkeiten auf der anderen Seite bietet einen sicheren Leitfaden für Bermúdez’ Vorgehen. Und daran zeigt sich die spezifische Spannung, die sich für die Selbstbewusstseinsdebatte ergibt: Ist Selbstbewusstsein ein Phänomen, das wesentlich an sprachlich-begriffliche Fähigkeiten gekoppelt ist, oder ist es das nicht? Und Bermúdez’ acquisition constraint verdeutlicht, dass es ihm darum geht, "einfache" Formen von Selbstbewusstsein im Gegensatz zu "vollem" begrifflichem Selbstbewusstsein aufzudecken. Darin besteht die teils spekulative Brisanz, die sich noch verdeutlichen lässt. Denn neben der bereits erwähnten Erklärungs-Zirkularität droht sprachphilosophischen – den "deflationären" – Theorien des Selbstbewusstseins noch eine zweite Art von Zirkularität, so Bermúdez: Vermögens-Zirkularität (capacity circularity).
The point here is that the capacity for reflexive self-reference by means of the first-person pronoun presupposes the capacity to think thoughts with first-person contents, and hence cannot be deployed to explain that capacity. In other words, a degree of self-consciousness is required to master the use of the first-person pronoun. It is natural to describe this as an instance of capacity circularity.
Bermúdez hat es auf etwas Bestimmtes abgesehen. Vermögens-Zirkularität wird zum Problem, wenn man zu erklären versucht, wie Selbstbewusstsein ontogenetisch (und phylogenetisch) entsteht. Deshalb erlegt Bermúdez Erklärungsversuchen (s)eine Erwerbs-Beschränkung (acquisition constraint) auf. Ist es unmöglich, dass ein Individuum eine bestimmte Fähigkeit erwerben kann, kann diese Fähigkeit nicht psychologisch real sein. Eine befriedigende Erklärung, was ein Begriff ist, darf eine Erklärung, wie dieser Begriff erworben werden kann, nicht verunmöglichen.
Aber inwiefern betreffen "Erwerbsfragen" philosophische Fragestellungen? Droht Gefahr, die epistemische Aufgabenstellung zugunsten rein empirischer, etwa entwicklungspsychologischer, Erklärungen aus den Augen zu verlieren? Während Erklärungs-Zirkularität zweifellos ein zentrales philosophisches Problem ist, muss man sich fragen: Wenn der Ausweg aus der Vermögens-Zirkularität in der Verlagerung auf entwicklungsgeschichtliche Fragen besteht, dann scheint die philosophische Alternative prima facie in der Anerkennung einer "guten" Zirkularität zu bestehen – was bedeuten könnte, Selbstbewusstsein als wesentlich sprachliches Phänomen zu verstehen. Die Interdependenz bestimmter Fähigkeiten zu konstatieren, die nicht durch fundamentalere Fähigkeiten erklärt werden können, würde sich in der Vermögens-Zirkularität reflektieren. Wir hätten es mit nicht-vitiöser Zirkularität zu tun – Peacocke spricht von local holism –, die uns die Grenzen des Erklär- und Erforschbaren aufzeigt.
Aber die Interdependenz bestimmter Vermögen und Fähigkeiten schließt deren generische Entwicklung keineswegs aus. Selbstverständlich können wir sowohl die Kernstruktur eines Phänomens charakterisieren als auch das Auftreten dieses Phänomens in Zusammenhang mit anderen Vermögen und Fähigkeiten betrachten; z.B. das "Dreierpack" Bewusstsein von den Inhalten des eigenen Denkens (von den eigenen Bewusstseinszuständen), Bewusstsein von anderen Personen, von Fremdbewusstsein und Bewusstsein von einer objektiven Welt. In der Tat hat Bermúdez genau das vor Augen: Wenn beispielsweise Evans’ Generality Constraint als Fähigkeit der Verallgemeinerung auf begrifflicher Ebene den Zusammenhang von Selbstbewusstsein und Bewusstsein von einer objektiven Welt exemplifiziert, dann soll die damit verbundene Diskriminationsfähigkeit eines Subjekts von seiner Umwelt auch auf niederen nichtbegrifflichen Ebenen einsichtig zu machen sein.
Deshalb spricht nichts dagegen, Kants entschiedenen Verweis im Auge zu behalten, Philosophie hätte es nicht mit dem Entstehen von Erfahrung im psychologischen Sinne zu tun, sondern mit dem, "was in ihr liegt"; nicht mit dem, was es heißt Begriffe zu erwerben, sondern was es heißt, Begriffe zu besitzen. Das ist auch unter veränderten Bedingungen nicht folgenlos geblieben. Dementsprechend übernimmt Bermúdez von Peacocke eine weiterführende Unterscheidung zwischen Erklärungen der Besitzbedingungen (possession-conditions explanation) und Erklärungen der Entwicklung von Begriffen (developmental explanation). Auf jeder Entwicklungsstufe können wir die Frage stellen, was es für ein Subjekt bedeutet, diese oder jene Erfahrung zu machen. Wir machen insofern nichts anderes, als bei den Gedankenexperimenten, bei denen wir uns gefragt haben, ob es sinnvoll ist, dem fraglichen Subjekt Selbstbewusstsein zuzusprechen, oder nicht; bloß stammen die Daten nicht aus der Vorstellungskraft, sondern aus der Empirie.
Die Frage, was es für ein Subjekt bedeutet, selbstbewusst zu sein, wird nicht mehr ausschließlich als Frage verstanden, was es für ein Subjekt bedeutet, über den Begriff von Selbstbewusstsein zu verfügen. Sie wird zur allgemeineren Frage, was es für ein Subjekt bedeutet, sich selbstbewusst erfahren zu können.
Wie bereits bemerkt, ist Bermúdez’ Strategie davon geprägt, zwischen "vollem" Selbstbewusstsein (full-fledged self-consciousness), das begrifflich-sprachliche Fähigkeiten voraussetzt und einfacheren, nichtbegrifflichen Arten von Selbstbewusstsein zu unterscheiden. Aber ist der Eindruck einer graduellen Abstufung von Selbstbewusstsein nicht irreführend? Entweder ist ein Wesen selbstbewusst oder nicht – tertium non datur!
Kant bemerkt in seiner Anthropologie, dass dem Kind, das endlich den "ich"-Gebrauch erlernt hat, "gleichsam ein Licht aufgegangen zu sein scheint, wenn es den Anfang macht durch Ich zu sprechen [...] Vorher fühlte es bloß sich selbst, jetzt denkt es sich selbst." Einerseits drückt sich in Kants "Erleuchtungs-Szenario" eine "all or nothing"-Einstellung aus. Andererseits steckt darin schon eine willkommene Relativierung – das Kind fühlt sich bereits; ein wichtiger Ausgangspunkt für die Vorstellung sich entwickelnden Bewusstseins – und Selbstbewusstseins. Das verleiht auch Bermúdez’ Ansatz eine prinzipielle Plausibilität. Es ist aufschlussreich, was Bermúdez über seine Methode zu sagen hat:
One central reason why philosophers have generally been unprepared to countenance or even contemplate the existence of nonconceptual content-bearing states is that they have had relatively little exposure to those forms of behavior that might seem to demand explanation in terms of such states. Animal behavior and the behavior of prelinguistic infants paradigmatically raise the problems for which, so I believe, theoretical appeal to states with nonconceptual contents is the only solution (or at least the best so far available).
[...] content-bearing states serve to explain behavior in situations where the connections between sensory input and behavioral output cannot be plotted in a lawlike manner. [...] What would satisfactorily demonstrate the legitimacy of nonconceptual first-person contents would be the existence of forms of behavior in pre-linguistic or nonlinguistic creatures for which inference to the best understanding or explanation [...] demands the ascription of states with nonconceptual first-person contents.
Wir sind sicherlich gut beraten, auch einen genaueren philosophischen Blick auf das intentionale Verhalten v.a. vorsprachlicher Kleinkinder zu werfen. Bermúdez attestiert "der" Philosophie nicht ganz zu Unrecht einen gewissen Unwillen, sich mit bestimmten empirischen Belegen auseinander zu setzen – und ich meine, dass dies gerade auf die vielfach vernachlässigten Formen des Körperbewusstseins zutrifft. Selbstverständlich ist zu berücksichtigen, dass es sich z.T. um relativ neue Belege handelt, die aber dennoch einer philosophischen Analyse harren. Und es darf nicht übersehen werden, dass Bermúdez eine philosophische, eine erkenntnistheoretische Analyse anstrebt.
McDowell kommt in die Nähe einer "tertium non datur"-Position, weil er offenbar die Ansicht vertritt, dass nur sprachliche Fähigkeiten dazu berechtigen, einem Subjekt selbstbewusste Erfahrungen zuzuschreiben. "Es ist die Spontaneität des Verstandes, die Kraft des begrifflichen Denkens, die uns die Welt und das Selbst erkennen läßt. Lebewesen ohne begriffliche Fähigkeiten haben kein Selbstbewußtsein"! So scharf McDowells Rhetorik, so problematisch seine geradezu dogmatische Position. "Lebewesen ohne begriffliche Fähigkeiten haben kein Selbstbewusstsein" – das lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, fordert aber auch prompt das Zugeständnis seitens McDowell heraus, nicht- und vorsprachlichen Lebewesen zumindest eine Art "Protosubjektivität" zuzuschreiben. Ein solches Zugeständnis ist die Achillesferse einer "harten" konzeptualistischen Position.
Ich sage nicht, daß irgendein Gedanke von nichtbegrifflichem Inhalt falsch wäre. Aus dem Lehnstuhl des Philosophen wäre es gefährlich zu leugnen, daß die kognitive Psychologie eine intellektuell achtbare Disziplin ist, zumindest so lange sie sich innerhalb ihrer eigenen Grenzen bewegt. [...] Doch es ist eine Quelle für Schwierigkeiten, wenn wir die Grenze zwischen der achtbaren theoretischen Rolle, die der nichtbegriffliche Inhalt in der kognitiven Psychologie spielt, und dem Gedanken eines Inhalts verwischen, der zu den Fähigkeiten gehört, die im aktiven selbstbewußten Denken ausgeübt werden.
Überzeugungen, die als propositionale Einstellungen stets begrifflich zu verstehen sind, sollen auf der vorsprachlichen, nichtbegrifflichen Ebene ein Analogon haben. Dummett hat den Begriff der Protogedanken eingeführt und Bermúdez spricht von Protoüberzeugungen und Protowünschen mit nichtbegrifflichem Inhalt. Gedanken im voll entwickelten Sinn kann es nur geben, wenn sie sprachlich ausdrückbar sind. Protogedanken – "etwas, was sich sprachlich nicht angemessen ausdrücken läßt, weil jeder Satz, der sich anbietet, begrifflich zu reichhaltig ist für diesen Zweck" – können hingegen auch vor- und nichtsprachliche Wesen haben.
Der Vorwurf ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Postulieren verschiedenster mentaler "Proto-Zustände" per analogiam als heuristische Krücke nicht ungeeignet ist, die Problematik jedoch eher verschiebt als löst, solange nichtbegrifflicher Inhalt nicht autonom verstanden wird. Sieht man sich die Verwendungsweise des Ausdrucks "Proto" auf anderen Gebieten – bevorzugt in technischen und ästhetischen – an, zeigt sich deutlich eine retrospektive Verwendungsweise. Ein Phänomen, das anhand ein paar wesentlicher Eigenschaften charakterisiert wird, tritt zu einem bestimmten Zeitpunkt auf und die "Betroffenen" verwenden selbst einen bestimmten Begriff zu ihrer/dessen Charakterisierung. Trotzdem können wesentliche Merkmale in ähnlicher Weise bereits früher einem anderen Phänomen zugekommen sein, ohne dass jemand auf die Idee gekommen wäre, einen entsprechenden Begriff zu verwenden. Ein Beispiel aus der Rockmusik: Der Begriff "Punkrock" ist um 1975/76 in Verbindung mit Bands wie den New Yorker Ramones und den britischen Sex Pistols aufgetaucht. Wesentliche Merkmale des Stils sind schnelle, simple Riffs, zuweilen kurze, aggressive Songs. Bereits Ende der 60er haben die aus Detroit stammenden The Stooges und MC5 diese Merkmale auf ähnliche Weise verkörpert, ohne jedoch selbst den Begriff "Punk" zu verwenden – weshalb diese Bands gerne als "Proto-Punk" bezeichnet werden. In diesem retrospektiven Sinn wird in der Selbstbewusstseinsdebatte davon gesprochen, dass auch vorsprachliche Wesen bestimmte prototypische Merkmale aufweisen.
5.2.1 Autonomer nichtbegrifflicher Inhalt
Wenn von Protogedanken u.ä. gesprochen wird, wird zumindest zugestanden, dass mentale Inhalte auch nichtbegrifflich, nichtsprachlich, aber trotzdem qua Inhalte repräsentational sein können. Begriffliche und nichtbegriffliche Inhalte unterscheiden sich nicht darin, dass erste repräsentational und zweite nichtrepräsentational wären, sondern in der Art, wie sie repräsentieren – ob wir uns in Art und Weise des Repräsentierens auf die Begriffe zu beschränken haben, die ein Wahrnehmungssubjekt selbst besitzt oder nicht. Bermúdez nennt vier Kriterien für repräsentationale Zustände:
Alle vier Kriterien werden paradigmatisch von begrifflichen Inhalten erfüllt. Haben wir Kandidaten nichtbegrifflichen Inhalts, konfrontieren wir sie mit den vier Kriterien um zu sehen, ob sie sich für repräsentationale Zustände qualifizieren.
Umstritten ist allerdings, ob repräsentationale nichtbegriffliche Inhalte auch dann Subjekten zugeschrieben werden können, wenn diese selbst nicht nur über keine Begriffe verfügen, die zur Angabe dieser Inhalte erforderlich sind, sondern über gar keine begrifflich-sprachlichen Fähigkeiten. Beispielsweise haben Evans zufolge Wahrnehmungserfahrungen, Wahrnehmungsinformationszustände nichtbegriffliche Inhalte; als solche sind sie aber unbewusst, d.h. keine kognitiven Zustände. Zu bewusster Erfahrung werden sie erst durch das Begriffssystem, durch ein Erfahrungsurteil.
The informational states which a subject acquires through perception are non-conceptual, or non-conceptualized. Judgements based upon such states necessarily involve conceptualization [...]. Although the subject´s judgements are based upon his experience (i.e. upon the unconceptualized information available to him), his judgements are not about the informational state. The process of conceptualization or judgement takes the subject from his being in one kind of informational state (with a content of a certain kind, namely, non-conceptual content) to his being in another kind of cognitive state (with a content of a different kind, namely, conceptual content).
Für Bermúdez ist dagegen entscheidend, dass nichtbegrifflicher Inhalt als nichtbegrifflicher Inhalt bereits (selbst-)bewusste Erfahrung garantieren kann; und nicht nur in Verbindung mit begrifflichen Fähigkeiten. Das versteht Bermúdez unter dem Schlagwort des autonomen nichtbegrifflichen Inhalts. Dem Conceptual-Requirement-Principle – "The range of contents that one may attribute to a creature is directly determined by the concepts that the creature possesses" – hält er das Autonomy-Principle entgegen:
Es muss demnach erstens der allgemeine Begriff repräsentationalen nichtbegrifflichen Inhalts als autonom legitimiert werden. Der Anstoß dazu sollte unabhängig von der Motivation zur Lösung des Paradoxes kommen. Und für die gegenwärtigen Überlegungen ist die Annahme repräsentationalen nichtbegrifflichen Inhalts nicht weiter problematisch. Zweitens muss gezeigt werden, dass es tatsächlich auch selbstbewusste nichtbegriffliche Inhalte, nichtbegriffliche Ich-Gedanken gibt.
It seems inappropriate to claim that the constraints and conditions operative in the case of fully fledged first-person thought are operative in [basic spatial reasoning]. But one the other hand, there is a danger of stripping away so many of the trappings of fully fledged first-person thought that it is no longer clear what the force is of claiming that we are dealing with a form of the first-person concept at all. The bottom line [...] seems to be that the self has to be explicitly represented for genuine spatial reasoning to take place.
Ich halte diese Bemerkung für überzeugend. Anstatt die Erfordernisse für begriffliches Selbstbewusstsein abzuschwächen, können sowohl diese anerkannt werden als auch die komplexen Formen auf nichtbegrifflicher Ebene in ihr Recht gesetzt werden.
5.2.2 Differenzen und Differenzierungen
Bermúdez sagt in aller Deutlichkeit: "I defend the Autonomy Principle, to the effect that there are no dependence relations between concept possession and states with nonconceptual content." Dieser Anspruch leugnet aber nicht, dass es einen Bereich an Inhalten geben muss, in dem Begriffliches und Nichtbegriffliches überlappen kann. Wie wäre ansonsten erklärbar, dass sich vorsprachliche zu sprachlichen Wesen entwickeln? Ich möchte auf zwei Einwände bezüglich der Rolle nichtbegrifflichen Inhalts eingehen. Es sollte sich zeigen lassen, dass sie nicht gegen die Möglichkeit autonomen begrifflichen Inhalts sprechen.
Ein Motiv, das wesentlich zur Aufwertung des nichtbegrifflichen Inhalts beiträgt, ist die Tatsache, dass wir die Wahrnehmung selbstverständlich mit nichtsprachlichen Lebewesen teilen. So kann leicht das Bild entstehen, dass wir eben die Sinnlichkeit mit Tieren gemeinsam haben, worüber sich im Laufe der Entwicklung die begrifflichen Fähigkeiten gewissermaßen stülpen – ein Trugbild?
Wir müssen nicht sagen, daß wir etwas besitzen, was auch Tiere besitzen, nämlich nichtbegrifflichen Inhalt, und daß wir noch etwas darüber hinaus besitzen, da wir diesen Inhalt begrifflich formen können und sie nicht. Statt dessen können wir auch sagen, daß wir etwas besitzen, was Tiere ebenfalls besitzen, nämlich die Empfindsamkeit der Wahrnehmung [perceptual sensitivity] für die Merkmale unserer Umgebung. Wir haben diese jedoch in einer besonderen Form. Unsere Empfindsamkeit der Wahrnehmung für unsere Umgebung ist in den Bereich des Vermögens der Spontaneität aufgenommen und dadurch unterscheiden wir uns von den Tieren.
Zwei grobe Differenzierungen halte ich zunächst für angebracht. Was für bestimmte nichtsprachliche Wesen gilt, muss nicht auf andere nichtsprachliche Wesen zutreffen; v.a. dann nicht, wenn sich diese zu sprachlichen Wesen entwickeln. Deshalb soll erstens zwischen nichtsprachlichen und vorsprachlichen Wesen, d.h. zwischen Tieren und Säuglingen bzw. Kleinkindern unterschieden werden (wobei es eine komplexe empirische Frage ist, wie weit man bei Tieren den phylogenetischen Baum nach unten klettern kann). Zweitens soll zwischen Zuständen, die verbalisiert werden können und solchen, die ohne sprachlicher Komplexität kaum denkbar wären, unterschieden werden.
Während McDowell nur den Gegensatz Mensch-Tier im Auge hat, verweist Bill Brewer auf das Übergangsproblem, dass für die konzeptualistische und die nichtkonzeptualistische Position gleichermaßen eine Herausforderung darstellt:
The concept of conscious perceptual experience has close connections with both the perceptual sensitivity of animals and human infants, and with our own fully conceptualized thought about the world around us. No account of perceptual experience could be complete without respecting both of these connections.
Die eine Position beginnt z.B. auf der Basis demonstrativen Denkens und versucht, dieses mit der nichtbegrifflichen "Empfänglichkeit der Wahrnehmung" zu verknüpfen. Die andere beginnt mit dem repräsentationalen Inhalt, den wir mit vorsprachlichen Wesen teilen und arbeitet sich zur voll begrifflichen Ebene des Denkens hinauf. Und a priori ist weder ausgemacht, dass es einen gemeinsamen Kern nichtbegrifflichen Inhalts bei Kleinkindern und Erwachsenen gibt, noch dass es diese Gemeinsamkeit nicht gibt. Für eine vorsichtige Annäherung kann Wittgenstein erneut zur Orientierung dienen:
Warum kann ein Hund nicht Schmerzen heucheln? Ist er zu ehrlich?
Man kann sich ein Tier zornig, furchtsam, traurig, freudig, erschrocken vorstellen. Aber hoffend? Und warum nicht?
Der Hund glaubt, sein Herr sei an der Tür. Aber kann er auch glauben, sein Herr werde übermorgen kommen? – Und was kann er nun nicht? – Wie mache denn ich’s? – Was soll ich darauf antworten?
Ein Kind muss viel lernen, ehe es sich verstellen kann. (Ein Hund kann nicht heucheln, aber er kann auch nicht aufrichtig sein.)
Was also darauf antworten? Der erste Schritt ist offensichtlich. Einfache Empfindungen und Gefühle teilen wir sehr wohl mit (manchen) Tieren; komplexere intentionale Zustände, zu denen natürlich auch Hoffnung und Liebe zählen, hingegen nicht. Was das Problem des Übergangs auf die begrifflich-sprachliche Ebene betrifft, lässt sich feststellen, dass ein sprachlicher Ausdruck einen nichtsprachlichen ersetzen kann. Wenn beispielsweise im Fall von Schmerzen, der sprachliche Ausdruck "Schmerz" bzw. "Ich habe Schmerzen" das nichtsprachliche Verhalten, etwa Stöhnen oder Schreien, ersetzt oder ablöst, dann besteht die Gemeinsamkeit in einer unmittelbaren, nicht identifikatorisch oder inferentiell vermittelten Weise, sich des jeweiligen Zustandes bewusst zu sein und ihn ausdrücken zu können – "There is no intellectual work to be done here." Das Kind empfindet vor und nach dem Spracherwerb dasselbe, und es fühlt sich für es genauso an. Aber im Laufe des Spracherwerbs lernt es, nicht-inferentielle Aussagen darüber zu machen. Die Sprache tritt nicht zwischen die Empfindung und den sprachlichen oder nichtsprachlichen Ausdruck der Empfindung. Das wäre eine unzulässige Verdopplung, vor der Wittgensteins viel diskutiertes Beispiel warnt:
[...] Dies ist eine Möglichkeit: Es werden Worte mit dem ursprünglichen, natürlichen, Ausdruck der Empfindung verbunden und an dessen Stelle gesetzt. Ein Kind hat sich verletzt, es schreit; und nun sprechen ihm die Erwachsenen zu und bringen ihm Ausrufe und später Sätze bei. Sie lehren das Kind ein neues Schmerzbenehmen.
"So sagst du also, daß das Wort ‚Schmerz‘ eigentlich das Schreien bedeute?" – Im Gegenteil; der Wortausdruck des Schmerzes ersetzt das Schreien und beschreibt es nicht.
Wie kann ich denn mit der Sprache noch zwischen die Schmerzäußerung und den Schmerz treten wollen?
Weder trifft das auf alle Empfindungstypen zu, noch muss es für alle Empfindungen sprachliche Ausdrücke geben. Verfügt ein Wesen jedoch einmal über sprachliche Kompetenz, können Empfindungen als prinzipiell konzeptualisierbar eingestuft werden. Es wird einsichtig, warum wir unsere Sprache nicht über Vorsprachliches stülpen. Entweder ist ein bestimmter Zustand aufgrund seiner Komplexität erst als sprachlicher möglich oder der sprachliche Ausdruck ersetzt einen nichtsprachlichen.
Ich mag den echten Blick der Liebe erkennen, ihn vom verstellten unterscheiden (und natürlich kann es hier eine ‚wägbare‘ Bekräftigung meines Urteils geben). Aber ich mag gänzlich unfähig sein, den Unterschied zu beschreiben. Und das nicht darum, weil die mir bekannten Sprachen dafür keine Wörter haben. Warum führe ich denn nicht einfach neue Wörter ein? – Wäre ich ein höchst talentierter Maler, so wäre es denkbar, daß ich in Bildern den echten Blick und den geheuchelten darstellte.
Vieles ist schwer in Worte zu fassen, aber doch prinzipiell konzeptualisierbar. Wenn wir uns auf der begrifflich-sprachlichen Ebene befinden, können wir zugeben, dass keine Erfahrung unkonzeptualisierbar ist; möge sie auch um einiges reichhaltiger sein, als ein aktuell zur Verfügung stehendes Begriffsrepertoire. Sehen wir uns das Beispiel der Farbwahrnehmung an. Es ist klar, dass Subjekte ein viel breiteres und differenzierteres Farbspektrum wahrnehmen können, als ihnen Begriffe der Klassifikation zur Verfügung stehen. Und ProponentInnen nichtbegrifflichen Inhalts weisen gerne darauf hin, dass es sich bei räumlichen Merkmalen ähnlich verhält. Es ist tatsächlich so, dass jemand die Unterschiede zwischen einem Kreis und einer Ellipse oder zwischen verschiedenen Rot-Tönungen wahrnehmen kann, ohne über die entsprechenden Begriffe zu verfügen. Das kann ohne weiters zugegeben werden. Ein Ad-hoc-Einwand besagt allerdings, dass dieses Subjekt den Kreis nicht als Kreis, die Ellipse nicht als Ellipse, Purpur nicht als Purpur usw. wahrnimmt. Dazu bräuchte es die begriffliche Fähigkeit, etwas als etwas klassifizieren zu können. Eine Annäherung bezüglich der Feinkörnigkeit der Wahrnehmung kann mit demonstrativen Wendungen wie "diese Tönung" in Bezug auf geeignete Muster erreicht werden. Auch McDowell akzeptiert (zunächst), dass die Reichhaltigkeit der Wahrnehmungserfahrung nicht direkt mit Begriffen erfassbar ist:
Es ist zwar wahr, daß wir nicht schon vor dem Verlauf, den unsere Farberfahrung tatsächlich nimmt, so viele Farbbegriffe haben, wie es Farbabstufungen gibt, die wir sinnlich unterscheiden können. Doch wenn wir den Begriff eines Farbtons haben, dann ist unser begriffliches Potential völlig ausreichend, um unsere Farberfahrungen in all ihrer Detailtreue zu erfassen.
Wenn wir uns einmal auf der Ebene der Sprachlichkeit befinden, dann trifft McDowells Einschätzung zu. Aber wie sieht es davor aus? Was McDowell dem Gebrauch von demonstrativen Wendungen als begrifflicher Diskriminationsfähigkeit zutraut, spricht nicht dagegen, dass eine ähnliche Fähigkeit bereits in der nichtbegrifflichen Wahrnehmungserfahrung tätig ist. Somit wäre zumindest ein wichtiger Hinweis für die Relevanz nichtbegrifflicher Inhalte – wenn auch noch nicht als Erklärung selbstbewusster Inhalte – gewonnen. Dies wird im folgenden Abschnitt untersucht.
5.3 Selbstbewusster nichtbegrifflicher Inhalt
Bermúdez bemüht sich, vier verschiedene Arten nichtbegrifflichen Selbstbewusstseins "aufdecken und erklären" zu können. Erstens handelt es sich um exterozeptive Wahrnehmung – "the pick-up of self-specifying information in exteroceptive perception" –, wobei Bermúdez James Gibsons "Ecological Theory of Visual Perception" behandelt. Zweitens kommt Bermúdez auf somatische Propriozeption zu sprechen, die auch er als identifikationsfreie Körperwahrnehmung versteht. Aus seinen Ausführungen ergibt sich, dass Propriozeption ein Bewusstsein vom Körper als räumlichem Gegenstand liefert, der auf meinen Willen reagiert – "an awareness of the body as a spatially extended and bounded physical object that is distinctive in being responsive to the will". Bermúdez sieht darin – "in being responsive to the will" – interessanterweise eine Überbrückung von zwei Polen, die ich als den objektiven und den phänomenologischen Pol bezeichnen möchte: Bewusstsein vom Körper als objektiver raum-zeitlich identifizierbarer Gegenstand unter anderen, und Bewusstsein vom Körper, wie man es prinzipiell von keinem anderen Erfahrungsgegenstand hat. Zwei Pole, die sich a priori eben nicht ausschließen, sondern ergänzen können.
Exterozeptive Wahrnehmung und somatische Propriozeption sind ausgesprochen einfache Varianten nichtbegrifflichen Selbstbewusstseins, die uns ursprüngliche Informationen von uns als körperlichen Wesen liefern – notwendige, aber keinesfalls hinreichende Bedingungen für voll entwickeltes Selbstbewusstsein. Dazu sind weiter entwickelte Formen nichtbegrifflichen Selbstbewusstseins erforderlich.
Both of these are ground-level forms of self-consciousness in the sense that, although they are not on their own sufficient to warrant the ascription of self-consciousness in anything but a derivative sense, they will be crucial building blocks in states that are properly described as self-conscious.
Bermúdez prägt den Begriff eines nonconceptual point of view als dritter Quelle nichtbegrifflicher selbstbewusster Repräsentation. Während der nichtbegriffliche Gesichtspunkt Bewusstsein vom körperlichen Selbst als Träger physischer Eigenschaften ist, taucht (erst) als vierter Punkt das Sich-Erfassen als psychisches Subjekt im Kontrastfeld mit anderen psychischen Subjekten auf. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass wir uns zwar mit einem Autor wie Frank auf einer vorsprachlichen Bewusstseinsebene treffen, diese aber gerade nicht von psychischer "Information" dominiert wird, sich nicht in psychischer Selbstvertrautheit als vermeintlichem Residuum der Subjektivität erschöpft. Während Frank zweifellos den Eindruck erweckt, als könnte es ursprüngliches Bewusstsein von sich als körperlichem Subjekt überhaupt nicht geben, eröffnet sich mit Bermúdez eine Fülle dementsprechender Kandidaten.
5.3.1 Subjekt und Welt – Abgrenzungsmöglichkeiten
Denken wir an die – sicherlich vorbegriffliche – diskriminatorische Fähigkeit eines jeden Subjekts, sich von seiner Umwelt unterscheiden zu müssen und zu können. Um eine klare Vorstellung von der Interdependenz zwischen Selbstbewusstsein und dem Bewusstsein von der Umwelt des Subjekts zu bekommen, kann als Regel festgehalten werden: Je reichhaltiger das Selbstbewusstsein ist, das die Fähigkeit sich selbst von der Umwelt zu unterscheiden begleitet, desto reichhaltiger ist auch das Bewusstsein von der Umwelt des Subjekts. Bewusstsein von sich selbst und der Umwelt verhalten sich in dieser Hinsicht direkt proportional. Erinnern wir uns an Evans’ Grundeinsicht, dass sich ein Subjekt als räumlich lokalisierbar verstehen muss:
The very idea of a perceiveable, objective, spatial world brings with it the idea of the subject as being in the world, with the the course of his perceptions due to his changing position in the world and to the more or less stable way the world is. The idea that there is an objective world and the idea that the subject is somewhere cannot be separated, and where he is is given by what he can perceive.
Mit Strawson und Evans lässt sich die Interdependenz des Vermögens der Selbstzuschreibung von Erfahrungen und dem Vermögen, die Objektivität der Welt zu erfassen, erst auf begrifflicher Ebene darstellen. Ein selbstbewusstes Subjekt muss die Fähigkeit besitzen, zwischen seinen Erfahrungen und den Gegenständen der Erfahrung unterscheiden zu können. Strawson hat dies in Individuals unter dem Schlagwort des nicht-solipsistischen Bewusstseins behandelt:
Ich verstehe also [...] unter einem nicht-solipsistischen Bewußtsein das Bewußtsein eines Wesens, das eine Verwendung hat für die Unterscheidung zwischen sich selbst und seinen Zuständen einerseits und etwas nicht ihm selbst und seinen Zuständen Zugehörendem, wovon es Erfahrung besitzt, andererseits; und unter einem solipsistischen Bewußtsein verstehe ich das Bewußtsein eines Wesens, das für diese Unterscheidung keine Verwendung hat.
Bermúdez dröselt Strawsons Charakterisierung in zwei verschiedene Stränge auf. Die Unterscheidung zwischen Selbst und Nicht-Selbst muss nicht mit der Unterscheidung zwischen Erfahrung und dem Wovon der Erfahrung gleichgesetzt werden. Wer die erste synchrone Unterscheidung erfasst, muss noch nicht die zweite Unterscheidung erfasst haben. Exterozeptive Wahrnehmung und Propriozeption liefern nur synchrone Unterscheidungen – "a distinction that is effective at a time but not over time"; zwar für jeden beliebigen Augenblick, aber nicht über eine längere Zeitspanne. Trotzdem erscheint es gerechtfertigt, von nicht-solipsistischem Bewusstsein zu sprechen. Denn es handelt sich nicht nur um die allgemeinste Unterscheidung zwischen Selbst und Nicht-Selbst, sondern auch um die Unterscheidung zwischen "sich selbst und seinen Zuständen". Genau das leistet Propriozeption. So präsentiert die intrinsische Räumlichkeitskomponente der Körperempfindungen nicht nur die Empfindung selbst an einer bestimmten Stelle des Körpers, sondern ebenso die Position des Körpers in Relation zum physischen Raum. O´Shaughnessys Charakterisierung markiert den Übergang:
The basic "given" is, not just feeling, not just feeling-in-a-certain-body-part, but feeling-in-a-certain-body-part-at-a-position-in-body-relative-physical-space; and so, also, certain-body-part-at-a-position-in-body-relative-physical-space: the latter being disclosed along with and via the former and the former being disclosed along with and via the latter.
Wenn Propriozeption Information von den Grenzen des Körpers liefert, dann muss damit ein Raumbewusstsein gegeben sein, das zugleich darüber hinausgeht. Somatische Propriozeption führt – als notwendiger Baustein – gemeinsam mit anderen, höher entwickelten Fähigkeiten zu selbstbewusster Erfahrung.
The distinction between self and nonself has nothing to do with the concept of experience. [...] The distinction between self and nonself is available purely synchronically. It does not require taking into account times other than the present, unlike the distinction between experience and what it is experience of. That second distinction is diachronic [...].
Erinnern wir uns an Wittgensteins Ermahnung, dass ein bloß Gegenwärtiges keine Grundlage für irgendetwas sein kann; insofern auch keine Grundlage für ein Subjekt sich als bestimmtes Subjekt, als Individuum zu erfahren. Der für das (auch implizite) Verständnis eines selbstbewussten Subjekts so wesentliche diachrone Aspekt der numerischen Identität, sich als desselben Subjekts verschiedener Erfahrungen zu verschiedenen Zeitpunkten bewusst zu sein, kommt Bermúdez zufolge erst mit kognitiven "Navigations"-Fähigkeiten ins Spiel. Dass man einen bestimmten Weg zurücklegt und Selbstwahrnehmung Information liefert, dass man es selbst ist, der/die diesen Weg zurücklegt, zählt zur Fähigkeit der Selbstlokalisierung. Und dafür prägt Bermúdez den Begriff eines nonconceptual point of view:
Having a temporally extended point of view on the world involves taking a particular route through space-time in such a way that one’s perception of the world is informed by an awareness that one is taking such a route, where such an awareness requires being able to distinguish over time between subjective experience and what it is experience of. For obvious reasons I term this a nonconceptual point of view.
The point I wish to stress is simply that the notion of a nonconceptual point of view can be viewed as capturing, at a more primitve level, precisely the same phenomenon that Evans is trying to capture with his notion of a simple theory of perception.
Bermúdez kommt zu folgender komplexer Charakterisierung des nichtbegrifflichen Gesichtspunktes, den er in eine nichtsolipsistische (nonsolipsistic component) und eine Raumbewusstseins-Komponente (spatial-awareness component) unterteilt. Die nichtsolipsistische Komponente – die Unterscheidung zwischen Erfahrung und dem Wovon der Erfahrung – erfordert:
Die Raumbewusstseins-Komponente erfordert:
Die höher entwickelten Fähigkeiten können unter dem Schlagwort der Rekognition zusammengefasst werden. Reidentifikation und Rekognition sind hier selbstverständlich als bewusste Fähigkeiten zu verstehen. Was uns erlaubt, bei Tieren wie Zugvögeln und Klapperschlangen davon zu sprechen, dass sie bestimmte Wege und Orte wieder erkennen und "erinnern", ist die Tatsache, dass vergangene Erfahrungen gegenwärtige Erfahrungen kausal beeinflussen – aber ohne Bewusstsein seitens der Lebewesen, dass sie selbst jene relevanten Erfahrungen gemacht haben; womit keineswegs bestritten werden soll, dass bereits dieser Typ von Erinnerung äußerst komplex ist. Bei bewusster Erfahrung tritt genau dieser Aspekt hinzu: Das Lebewesen muss auf die eine oder andere Art erfassen, dass es selbst diese vergangenen Erfahrungen gemacht hat. Das bedeutet wiederum, bereits ein Bewusstsein der eigenen Bewegung durch Raum und Zeit zu haben. Wenn das Lebewesen einen bestimmten Ort wieder erkennt, dann muss es sich bewusst sein können, dass es selbst einmal an diesem Ort gewesen ist. Wird aus bewusster Erfahrung so etwas wie autobiographische Erinnerung, dann kann das zur Basis eines zeitlich ausgedehnten, aber nichtsdestotrotz nichtbegrifflichen Gesichtspunktes (a temporally extended point of view) werden.
Wer eine Untersuchung der Möglichkeit grundlegender nichtbegrifflicher Rekognitionsvermögen versucht, stößt auf nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten. Nicht wenige PhilosophInnen legen eine – nicht unplausible – Vorsicht an den Tag, wenn es zu beurteilen gilt, inwiefern es nichtbegriffliche Fähigkeiten der Rekognition geben kann, wenn unter Einzelgegenständen (noch) keine materiellen Gegenstände zu verstehen sind. Rekognition wäre wesentlich eine klassifikatorische Tätigkeit. Bermúdez begegnet diesem "Vorurteil" mit dem Hinweis auf den acquisition constraint: "Recognition is the most fundamental step in categorization and classification [...] it is a mistake to hold that there can be no organized experience without the experience of conceptually classifiable particulars". Die "Gegenstände" wären vielmehr Orte, die anhand bestimmter Merkmale erkannt werden können. Sollte jedoch (Re-)Identifikation von Gegenständen und (Re-)Identifikation von Orten, an denen sich bestimmte Gegenstände befinden, untrennbar miteinander verbunden sein, muss es fragwürdig erscheinen, wie Reidentifikation von Orten bei einem Subjekt funktionieren könnte, das nicht über den Begriff eines dauerhaften Gegenstandes, der eine bestimmte räumliche Stelle einnimmt, verfügt. Aber anstatt tiefer in diese Problematik vorzudringen, möchte ich die bisherigen Ausführungen auf Cassams Identitäts-Argument und das Problem der Fehlkonzeption beziehen.
Es bietet sich nochmals an, mit Cassam die folgenden Punkte zu rekapitulieren:
Weiters möchte ich an Cassams Unterscheidung zwischen conceptual und intuitive version seines Identitäts-Arguments erinnern. "Intuitive" bedeutet für ihn zwar ausdrücklich nicht "nichtbegrifflich", aber einer diesbezüglichen weiteren Interpretation in Bermúdez’ Sinn steht auch nichts im Weg.
As remarked [...], the distinction between the intuition and conceptual versions of ‘awareness of oneself as a physical object’ is the distinction between being presented to oneself as a physical object and believing that one is a physical object. It is a further question whether intuitive awareness of oneself as a physical object should be understood as ‘nonconceptual’.
Anhand des Problems der Fehlkonzeption, gipfelnd in Anscombes sensorischem Deprivations-Szenario, wurde Körperbewusstsein als notwendige Bedingung für Selbstbewusstsein infrage gestellt. Mit Bermúdez sollte sich hingegen gezeigt haben, dass wir zur Annahme berechtigt sind, dass Subjekte die knowing-which- und Diskriminations-Bedingung erfüllen, obwohl sie noch gar nicht als selbstbewusste Subjekte verstanden werden können und keinerlei sprachlich-begriffliche Fähigkeiten der Selbstzuschreibung besitzen. Diskriminationsfähigkeiten erfordern notwendigerweise Körperbewusstsein. Gerade der Übergang von der einfachen synchronen Diskrimination zwischen Selbst und Nicht-Selbst, aufgrund von Propriozeption, zu den komplexen Navigationsfähigkeiten, sollte die Komplexität veranschaulichen, die bereits auf einfachen Bewusstseinsstufen herrscht. Dementsprechend dürfte wohl die bloße Vorstellung von einem selbstbewussten deprivierten Subjekt, das sich noch nie körperlich erfahren hätte, jegliche Plausibilität verloren haben.
Die Problematik für Bermúdez’ Untersuchungen stellt sich dagegen von der Seite der hinreichende Bedingungen: Wann haben wir es mit hinreichenden Bedingungen nichtbegrifflichen Selbstbewusstseins zu tun? Wenn Bermúdez Recht hat, dann kann der nonconceptual point of view als notwendige und hinreichende Bedingung für einfaches körperliches Selbstbewusstsein verstanden werden.
Aber könnte vielleicht nicht doch der Einwand erhoben werden, dass wir es zwar auf den einfachen Bewusstseinsstufen mit Körperbewusstsein als notwendiger Bedingung für Bewusstsein zu tun hätten, jedoch nicht mehr, wenn Selbstbewusstsein erreicht wäre; so, als würde dem Kind mit dem Licht, das ihm aufgeht, zugleich eine dualistische Selbstkonzeption einleuchten? Und plötzlich verstünde es sich als rein denkendes Subjekt, das sich zwar anhand seines Körpers von seiner Umwelt unterscheiden könnte, aber zu diesem Körper – seinem "ständigen Begleiter" – nur in ausgezeichneter Beziehung stünde. Auch das muss zumindest unplausibel erscheinen. Es ist gewiss nicht der Fall, dass jemand erst allmählich auf die besondere Rolle aufmerksam wird, die ein bestimmter Körper im Verlauf seiner Entwicklung und Erfahrung spielt. Cassam dürfte sich selbst in einem Abschnitt einen ähnlichen Einwand machen:
[T]he moral is that intuitive awareness of oneself as a physical object is not sufficient for consciousness of self-identity. Awareness of oneself as a synchronic and diachronic unity is not sufficient to provide one with the conception of oneself as a substantial continuity in the objective world.
Cassam scheint mir an dieser Stelle die Stärke des intuitive awareness zu unterschätzen – "self-conscious subjects who have seriously misguided self-conceptions are still able to refer to themselves, while satisfying a robust discrimination requirement, in virtue of their intuitive awareness of themselves, qua subjects, as physical objects among physical objects." Wenn es sich bei den Diskriminationsfähigkeiten und dem damit zusammenhängenden Identitätsbewusstsein nicht um hinreichende Bedingungen für die Erfahrung von sich als körperlichem Subjekt handelt, dann handelt es sich auch nicht um hinreichende Bedingungen für irgendeine andere Art selbstbewusster Erfahrung; schon gar nicht für eine Konzeption eines ausschließlich psychischen Subjekts. Die Argumentationsstrategie, einem Subjekt nur unter der notwendigen Bedingung, dass es sich qua Subjekt als körperlich erfährt bzw. bereits erfahren hat, Selbstbewusstsein zuzuschreiben, darf jedenfalls als bestätigt gelten.
Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn uns die Suche nach befriedigenden Erklärungen in Verlegenheit bringt, auf Holzwege führt und zu Trugschlüssen verführt. Auch wenn wir in vielen Bereichen der Philosophie zu keinen besseren Erklärungen der klärungsbedürftigen Phänomene gekommen sind, geschweige denn definitive Antworten vorweisen können, haben wir doch oftmals ein besseres Verständnis von den Problemen gewonnen, die einer befriedigenden Erklärung im Wege stehen und teils bessere Methoden entworfen, wie wir mit diesen Problemen umzugehen haben.
Was aber das Phänomen Selbstbewusstsein anbelangt, so halte ich ein erhöhtes Maß an Optimismus für angebracht. Ich denke, dass auf diesem Gebiet nicht nur ex negativo Fortschritte bezüglich Problembewusstsein und Einsichten in fundamentale Irrwege erzielt worden sind, sondern ebenso konstruktive und erhellende Analysen des Phänomens selbst geliefert werden konnten, und auch zukünftig zu erwarten sind. Körperbewusstsein und v.a. Bewusstsein von sich als körperlichem Subjekt ist dabei nicht nur ein Aspekt unter vielen, sondern der entscheidende Schlüssel zum Verständnis von Selbstbewusstsein im Allgemeinen. Wenn Dieter Henrich einmal gemeint hat, dass sich "zwischen dem, was ‚Ich‘ ist, und dem, woraus es verständlich gemacht werden kann, [...] eine Differenz, vielleicht sogar ein Abgrund" auftut, so lässt sich doch eine tragfähige Brücke über jenen Abgrund errichten – mögen auch noch einige Planken fehlen.
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