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Sybille Krämer

Form als Vollzug oder: Was gewinnen wir mit Niklas Luhmanns Unterscheidung von Medium und Form? [*]

 

1. Eine gesellschaftstheoretische Version des "linguistic turn"

Zum "linguistic turn" der Geisteswissenschaften liefert Niklas Luhmann eine gesellschaftstheoretische Version (219) [1]: So, wie die Vorliebe für Bewußtseinsphänomene im 20. Jahrhundert einer Präferenz für Sprachphänomene hat weichen müssen, so läßt Luhmann seinerseits das Bewußtsein in die Umwelt zurückzutreten, um auf der systemtheoretischen Bühne allein die Kommunikation auftreten zu lassen. Da aber, wo Kommunikation beobachtbar wird - allerdings auch nur da -, ereignet sich Gesellschaft. Wo immer wir nach gesellschaftlichen Phänomenen suchen, da ist die Kommunikation schon dagewesen und hat nicht nur dafür gesorgt, daß es Gesellschaft gibt, sondern auch dafür, auf welche Weise es Gesellschaft gibt.

Allerdings kommt diese gesellschaftstheoretische Variante des "linguistic turn" weitgehend ohne Anleihen beim linguistischen Gedankengut aus. In der geisteswissenschaftlichen und philosophischen Perspektive sind Sprache und Sprachgebrauch der Dreh- und Angelpunkt der Kommunikationstheorien. Nicht so bei Luhmann: Der "Witz" seines Kommunikationsbegriffes besteht darin, daß er die für die Moderne zum Gemeingut gewordene Präokkupation durch die Sprache mit nüchterner Geste außer Kraft setzt. Vehikel dieser epoché ist seine Unterscheidung von Medium und Form, kraft derer an die Stelle der Sprache zuerst einmal schlicht die Kommunikationsmedien rücken. Sprache - daran allerdings läßt "Die Gesellschaft der Gesellschaft" keinen Zweifel - ist dabei "das grundlegende Kommunikationsmedium" (205). Doch indem die Unterscheidung von Medium und Form den Horizont markiert, vor dem die Figur der Sprache erst ihr Profil gewinnt, wird etwas sichtbar, was in der sprachtheoretischen Wende zumeist verdeckt, zumindest unbemerkt blieb. Das, was dabei sichtbar wird, ist die konstitutionelle Medialität der Kommunikation und damit nolens volens auch der Sprache. Wie Luhmann diesen Medienbezug nun expliziert, fördert überraschende Einsichten zutage, und zwar nicht nur für die Kommunikationstheorie, sondern auch für eine - bis heute ein Desiderat gebliebene - Medientheorie. Im Kern geht es darum, den Begriff der "Form" anders zu gebrauchen, somit auch anders zu denken, als wir es gewohnt sind: nicht als eine zeitresistente Struktur, sondern als einen zeitverbrauchenden Vollzug. Und es ist Luhmanns Medium/Form-Unterscheidung, mit der klar wird, daß Medien unabdingbar sind, damit Form-als-Vollzug sich ereignen kann.

Um diese Transformation der Idee der Form genauer zu bestimmen, ist ein kurzer Aufriß der Luhmannschen Medientheorie vonnöten.

 

2. Ein kleines Brevier der Medientheorie von Niklas Luhmann
2.1. Kulturstiftung durch verhinderte Nähe

Beginnen wir elementar: Wo Medien sind, muß eine Distanz gegeben sein. Entgegen der in den pragmatischen Kommunikationstheorien hervorgehobenen Bindungskraft und dem Konsenspotential der Kommunikation, kann in der Luhmannschen Perspektive Kommunikation ihre gesellschaftsbildende Rolle überhaupt nur spielen, weil sich in ihr "Information auf Distanz" (193) zuträgt. Gesellschaft und Kultur beruhen auf dem Zwischenraum und der Zwischenzeit von Distanzleistungen. Medien heben Distanz nicht auf, sondern ermöglichen und transformieren sie. Kommunikationstheoretisch gewendet heißt das: Da Kommunikation in höchstem Maße unwahrscheinlich ist - aufgrund von mehreren kontingenten Umständen, die hier nicht zu erläutern sind (dazu: 190ff.) -, ist es die Aufgabe der Medien, das Unwahrscheinliche der Kommunikation wahrscheinlicher zu machen - dabei allerdings auch neue Unwahrscheinlichkeiten zu provozieren. Medien interessieren Luhmann somit als Kommunikationsmedien. Kommunikationsmedien sorgen für die Fortsetzbarkeit des Kommunikationsgeschehens, durch das sich Gesellschaft und Kultur erzeugen und erneuern.

Es gibt drei Typen dieser medialen Vorsorge: Die Sprache, die Verbreitungsmedien und die Erfolgsmedien, besser bekannt unter dem Namen "symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien". Gemeinsam ist ihnen, keine Informationen zu übertragen (194, 201). Dafür aber stellen sie Spielräume bereit für die Differenzierung von Medium und Form. [p.161] Wie diese Differenzierung dann vollzogen wird, macht die Verschiedenartigkeit der Medien aus.

 

2.2. Warum Medien der blinde Fleck bleiben

Das Verhältnis von Medium und Form ist zuerst einmal ein kombinatorisches Phänomen, ein Kombinationsspiel "loser und strikter Kopplung der Elemente" (198). Das Medium bietet ein Repertoire lockerer Elemente, aus denen durch feste Zusammenfügung die Form entsteht, so etwa wie aus Sprachlauten Worte, aus Worten Sätze, aus Sätzen die Gespräche sich fügen. Drei Merkmale der Medium/Form-Differenz sind wichtig:

Medium und Form bedingen sich welchselseitig, das eine ist nicht ohne das andere zu haben. Doch das Verhältnis beider ist asymmetrisch: die Form setzt sich durch, dafür aber braucht sie Zeit und wird auch selber dabei verbraucht. Das Medium dagegen bleibt passiv, es ist ein Potential, welches durch Formgebung nicht verbraucht, vielmehr erneuert wird. So sind die Formen temporär und flüchtig; die Medien jedoch sind - gemessen an der Form - dauerhaft. Überdies ist die Form sichtbar - das Medium bleibt dagegen unsichtbar.

Medien eröffnen einen Raum kombinatorischer Möglichkeiten, also Formbildungen potentialiter. Im Horizont dieser Modalisierung des Medienbegriffes (Medien sorgen für Möglichkeiten) ist jede aktualisierte Form in je zwei Versionen thematisierbar: Einmal als Form in genau der bestimmten Kopplung, die sie eben ist; und zum andern als Form, die ihre Konsolidierung dem Ausschluß all der anderen ebenfalls möglichen Formen verdankt. Formen sind somit immer bezogen auf "ausgeschaltete Possibilitäten" (352), also auf abwesende, nicht realisierte Formversionen: Das Charisma der Form - das ist ein das Luhmannsche Oeuvre durchziehendes Motiv - wurzelt in und spielt mit diesem Sichtbarmachen des Unsichtbaren.

Medien und Formen sind keine Entitäten, sondern Differenzen (60), also Unterscheidungen, die es nicht einfach gibt, sondern die vom Beobachter gemacht werden. Was in einer bestimmten Perspektive ein Medium ist, kann dann in einer anderen Perspektive zur Form werden. Es ist dieser Stellungswechsel, der deutlich macht, daß Luhmanns Medium/Form-Unterscheidung von der traditionellen Materie/Form-Unterscheidung durchaus abzuheben ist. [2]

 

2.3. Sprache: die Möglichkeit des Dissenz

Sprache ist das grundlegende Kommunikationsmedium: Ohne Sprache keine Autopoiesis der Kommunikation; ohne sie also auch keine Gesellschaft (224). Aber diese gesellschaftsbildende Kraft von Sprache beruht nicht auf ihr eingebauten "Rationalitätsprätentionen" (200) oder einem "télos der Verständigung" (229). Vielmehr besteht die Eigenart der Sprache gerade darin, daß von allem, was gesagt wird, auch das Gegenteil gesagt werden kann: Sprache stiftet nicht einfach Konsens, sondern bietet immer auch die Möglichkeit zum Dissens; sie erhöht so die Zerbrechlichkeit, die Unberechenbarkeit, die Verständigungsnöte der Kommunikation. Doch bekanntlich: wo Gefahr droht, da wächst das Rettende auch. Im Falle der Sprache führt die durch sie bewirkte operative Schließung des Kommunikationssystems dazu, daß dieses System nun ein Eigenverhalten und eine Eigenzeit ausbildet, welche zur Fortsetzung der Kommunikation durch attraktive Sonderleistungen verlockt: Sprache regt an, sagen zu können, "was noch nie gesagt worden ist" (215), sie bereichert durch die Unterscheidung von Wort und Sache, von wirklicher und semiotischer Realität (219), schließlich schafft und stabilisiert sie einen imaginären Raum von Bedeutungen. Kurz und gut: Die Sprache wird zur " Muse der Gesellschaft" (225).

Das alles leistet sie als eine Form, die an das mediale Substrat des Lautes gebunden ist. "Sprachliche Kommunikation ist also zunächst: Prozessieren von Sinn im Medium der Lautlichkeit" (213). Während die philosophischen Kommunikationstheorien die seit Wittgenstein und Austin anerkannte Mündlichkeit des Sprachgebrauches weitgehend ohne Lautlichkeit konzipieren, entwickelt Luhmann eine beeindruckende Feinfühligkeit für die phänomenalen Besonderheiten der Lautsprache: Das Sprechen und Hören wird zum rhythmischen, pulsierenden, sich beschleunigenden und verlangsamenden Fluxus, in dem auch Stimmlagen, Gestik und Pausen ihren Part spielen (254): Dieses strukturierte Fluidum oraler Kommunikation gemahnt - jedenfalls von Ferne - an die Musikalität stimmengebundenener Kommunikation. An die musikalische, die stimmliche Dimension unserer Sprachlichkeit, welche erst durch die Schrifttechnik des phonetischen Alphabets der Sprache dissoziiert wurde und dem sprachtheoretischen Diskurs dann als Problem und Thema nahezu abhanden kam. [p.162]

Auf eben diesen Unterschied zwischen Lautform und Schriftform der Sprache kommt es Luhmann an: Denn im Gegenzug zur lang gehegten phonographischen Überzeugung von der Übertragbarkeit der mündlichen Sprache durch die phonetische Schrift in das Medium von Texten, vermutet Luhmann, da er sensibel bleibt für die fluide wie fragile Lautlichkeit des Sprechens, daß "es nicht möglich ist, mündliche Kommunikation in die Form eines schriftlichen Textes zu bringen" (254). Wozu aber dient dann die Schrift? Mit dieser Frage sind wir schon bei den Verbreitungsmedien.

 

2.4. Verbreitungsmedien: mehr Information und weniger Akzeptanz

Verbreitungsmedien wie Schrift, Buchdruck und die Massenmedien erweitern und anonymisieren den Empfängerkreis der Kommunikation (202ff.). Mit dem zeitlichen Auseinandertreten der Vorgänge des Informierens, Mitteilens und Verstehens, werden alle "Sofortreaktionen" (258) unterbunden. In dieser Distanzierung von Alter und Ego, bei der die Kommunikation gleichwohl fortsetzbar bleibt, entstehen neuartige Modalitäten des Kommunizierens. Verbreitungsmedien kompensieren also nicht einfach die verloren gegangene Nähe oraler Kommunikation, sondern schaffen etwas Neues, für das es im Nexus des Mündlichen kein Vorbild gibt und geben kann. Eben darin besteht die kulturstiftende Leistung der Telekommunikation.

Die Schrift liefert dazu das Beispiel.

Die Buchstaben der phonetischen Schrift repräsentieren nicht Laute, sondern fixieren Unterschiede zwischen den Lauten. Die Schrift symbolisiert die Form der Sprache; sie macht damit erst die Differenz von Laut und Sinn definitiv, von der unser Sprachbegriff zehrt (255). So bringt Schrift durch Markierung der Sprachform die Sprache als ein rationalisierbares Sujet überhaupt erst hervor. Das ist Luhmanns eigene Version von Derridas Diktum des Primats der Schrift gegenüber der Sprache.

Der Text stellt den rhapsodischen Fluß der mündlichen Rede (276) still. Unterbunden wird damit die gewohnheitsmäßige Bestätigung sozialer Gesinnungen und Einstellungen (275), die sich überall da, wo Redner und Hörer in Sprechsituationen von Angesicht zu Angesicht verwickelt sind, nahezu automatisch vollzieht. Das aber ist die Geburtsstunde der Debatten- und Streitkultur aus dem Geiste einer agonalen Intertextualität. Ein mit sich identisch bleibender, zirkulierbarer Text eröffnet überhaupt erst einen Freiraum, der Platz läßt für abweichende Interpretationen, für kritische Infragestellungen, für Kohärenzüberprüfungen und für eine Vielfalt von Perspektiven ohne Einigungszwang (282). Die Schrift stimuliert die Informatisierung, also den Sachbezug der Kommunikation, zugleich aber auch die Dissenzbereitschaft der an der Kommunikation Beteiligten: Im Schnittpunkt beider kann so etwas wie Wissenschaft überhaupt erst entstehen.

Die zeitliche Entkopplung von Mitteilen und Verstehen durch die Schrift, die konstitutive Nachträglichkeit einer Kommunikation, die sich erst im Lesen ereignet, führt ein neuartiges Zeitregime ein. Es kommt zum Bruch des Mit-der-Zeit-Lebens (265), zu einer Beschreibungweise von Zeit, die Zeit behandelt, als ob auf sie wie auf ein Ding oder auf eine Bewegung referiert werden könne. Die uns vertraute Ausdifferenzierung der Kategorien von Raum und Zeit erweist sich so als eine Langzeitwirkung der Schrift.

 

2.5. Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien: Die Ermutigung der Kommunikation

Die "Logik" der Verbreitungsmedien läßt sich zu einer kurzen Formel kondensieren: mehr Information und weniger Akzeptanz. Der Zusammenhalt von Gesellschaft scheint unter diesen Bedingungen ins Außergewöhnliche entrückt; soziale Ordnung wird zur Extravaganz (359). Das aber ist die Stunde der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien, die angesichts der durch die Verbreitungsmedien radikalisierten Unwahrscheinlichkeit von Kommunikation zur Kommunikation zu ermutigen haben. Wie machen sie das?

Nun, jedenfalls anders als zum Beispiel eine Bindung durch Moral funktioniert, als deren funktionelles Äquivalent die symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien für Luhmann gelten. Durch Normierung versucht Moral Differenzen zu vereinheitlichen, doch symbolisch generalisierte Medien kennen kein homogenes, universalisierendes Supermedium (359), sondern treten immer nur in der Vielzahl auf, arbeiten also mit sehr verschiedenartigen Codes: Es geht um Medien wie Wahrheit, Liebe, Geld, Kunst und Recht. Deren Eigenart ist es, daß die Duplikation in eine Positiv-/Negativversion, die jeder Code bereit stellt, im Falle der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien mit eindeutigen Präferenzen für die [p.163] Positivversion verbunden ist: Daher heißen sie auch "Erfolgsmedien". Während die Sprache neutral bleibt gegenüber der Bejahung und Verneinung, weil auch Willkommenes als Negation gesagt werden kann ("Es regnet nicht"), präferieren symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien die Positivversion: Exaltierte Vorhaben und überspannte Idiosynkrasien werden auf diese Weise annehmbar, sofern sie denn nur vollzogen werden um der Wahrheit oder um der Liebe willen, oder weil sie als Kunst gelten können oder auch einfach nur, weil für sie bezahlt wird. Symbolisch generalisierte Medien werden so zu Katalysatoren der Ausdifferenzierung von Funktionssystemen der Gesellschaft. Angetreten, um die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation ins Wahrscheinliche umzubiegen, entpuppen sie sich als Medien zur Konstruktion von Welten - und erinnern damit fast schon an die welterzeugenden Funktionen der symbolischen Formen Ernst Cassirers. Mit dem gewichtigen Unterschied allerdings, daß Luhmann nicht Niklas Luhmann wäre, wenn seine Medien, insofern sie symbolisch wirken, durch die Herstellung unwahrscheinlicher Passungen, nicht zugleich auch diabolisch wirkten, durch das Hervorzaubern immer neuer Differenzen.

 

3. Die Medientheorie als Theorie der Form

Soweit unser kleines Medien-Brevier. Kommen wir nun zur entscheidenden Frage: Was ist anzufangen mit diesem medientheoretischen Ansatz? Was gewinnen Kulturwissenschaftler, Sprachwissenschaftler und Philosophen, wenn sie mit Luhmanns Unterscheidung von Medium und Form arbeiten? Nun, die Pointe haben wir schon vorweggenommen: Luhmanns Medientheorie (aber natürlich nicht nur seine Medientheorie!) setzt eine Revision des Formbegriffes in Gang, in deren Ergebnis Form nicht mehr als eine zu aktualisierende Struktur oder ein zu implementierendes Regelwerk konzipiert wird, sondern - um einen, im Kontext von Luhmanns Theorie vielleicht deplaziert wirkenden Begriff hier ins Spiel zu bringen - performativ, somit als Vollzug zu denken ist. Als ein Vollzug allerdings, der ohne Medien undenkbar ist. Die Medientheorie wird bedeutsam als eine Theorie der Form. [3]

Das Nachdenken über Formen ist eine Springquelle philosophischer Reflexion. In der philosophischen Tradition widerfuhr dem Form-Begriff nun eine Prägung, die durch fünf einander korrespondierende Aspekte charakterisierbar ist und die - idealtypisch und ohne allen Anspruch auf Subtilität, Raffinesse und Vollständigkeit - zu fünf philosophischen Modellen kondensiert werden kann. Was als Form gilt, ist (1) zeitlos, also das, was gegenüber der Veränderung in der Zeit sich stabil erhält: Das ist das platonische Modell. Form ist (2) universal, also etwas Allgemeines, das stets mehreren Dingen zukommt: Das ist das aristotelische Modell. Der Form kommt (3) eine generative Kraft zu, verstanden als aktives, erzeugendes Prinzip von Erscheinungen: Das ist das leibnizsche Modell. Form ist überdies (4) transzendent bzw. apriorisch im Sinne eines Reflexionsbegriffes, der sich auf die Bedingung der Möglichkeit, nicht der Wirklichkeit von etwas bezieht: Das ist das kantische Modell. Form ist schließlich (5) idealisiert, verstanden als ein methodisches Verfahren, das "Gegenstände" überhaupt erst erzeugt: Das ist das husserlsche Modell.

Mit Luhmann nun kommt keine weitere Stimme in diesem Kanon eines universalen, zeitindifferenten, apriorischen, idealisierten Formkonzeptes zu Wort. Seine Idee der Form unterminiert vielmehr die klassischen Denkansätze. Insofern es Form immer nur als Form-in-einem-Medium gibt, bleibt die Form nicht länger ein Analogon, sei es zum Urbild, zur Struktur oder zum Regelwerk, sondern die Form erwirbt den Status einer raum-zeitlich situierten Operation: Sie wird zur temporalisierten, instabilen, flüchtigen, kontingenten Konkretisierung eines jener Potentiale zur Formbildung, die bereitzustellen die Aufgabe eines Mediums ausmacht. Verstanden als die selektive Aktualisierung eines Mediums, macht es dann auch keinen Sinn mehr, von so etwas wie einer ersten, einer ursprünglichen Form auszugehen. [4] Die Form bescheidet sich mit der Rolle des Uneigentlichen. [5]

Eine solche Neuprofilierung des Formbegriffes rückt Phänomene, die mit Formbildung traditionell zu tun haben, in ein neues Licht. Was sich dabei zu erkennen gibt, sei an zwei Problem- und Theorembeständen skizziert, die in der geisteswissenschaftlichen Debatte von Gewicht sind. Es geht um die Frage nach der Sprache und es geht um die Frage nach dem Sinn.

 

3.1. Warum für den Systemtheoretiker Luhmann Sprache kein System ist

Luhmann wurde nachgesagt [6] - und er hat das durchaus akzeptiert und bestätigt [7] -, daß die Sprachtheorie ein augenfälliges Desiderat seiner Kommunikationstheorie bilde. Und doch [p.164] treten im Blickwinkel seines Formbegriffes bemerkenswerte Züge an der Sprache hervor. Diese Züge werden sichtbar, wenn verständlich wird, warum für den Systemtheoretiker Luhmann die Sprache gerade kein System bzw. keine Struktur (im traditionellen Sinne) bildet.

Jede Sprachreflexion macht in der einen oder anderen Weise Gebrauch vom Begriff der Form, der in der sprachtheoretischen Debatte in diesem Jahrhundert sukzessive durch Termini wie "Struktur", "System" oder "Regel", schließlich sogar durch "Kompetenz" abgelöst wurde. Auf die Frage, "wie ist Sprache zu erklären", wird dann gewöhnlich die Antwort gegeben: "Sprache zu erklären, heißt die (syntaktische, semantische oder pragmatische) Kompetenz in Gestalt eines Regelsystems zu beschreiben, über welches die Sprecher als eine Art impliziter Kenntnis verfügen. [8] Unabhängig von den gravierenden Differenzen, die zwischen den strukturtheoretischen (Saussure , Chomsky) und den handlungstheoretischen (Austin, Searle, Apel, Habermas) Ansätzen in den Sprachtheorien bestehen, teilen diese doch die Überzeugung von einer "Logosauszeichnung" der Sprache. Gemäß dieser Auszeichnung gibt es eine durch Idealisierung herauspräparierbare universale Sprache bzw. Kommunikation, die hinter dem faktischen Sprachgebrauch lokalisierbar ist. Eine mögliche Sprache hinter dem Sprechen, die dem wirklichen Sprachverhalten logisch und genealogisch vorausgeht. Wenn man so will: die paradiesische Version unserer Sprachlichkeit vor dem Sündenfall ihrer medientechnischen Zurüstung und Realisierung. Diese reine Sprache bzw. Kommunikation tritt in dem Maße zutage, wie es gelingt, die Regeln (die Struktur, das System) sichtbar zu machen, aus deren Anwendung dann die Sätze und Äußerungen hervorgehen. In diesem Zwei-Welten-Modell der Sprache [9] wird die sprachliche Kompetenz zur Form, der situationsbedingte, konkrete Sprachvollzug aber zur deformierenden Aktualisierung der Form. Für die Medien ist in diesem Modell die Realisierungsebene reserviert; Medien zählen zu jenen einschränkenden Bedingungen, unter denen der faktische Sprachgebrauch sich vollzieht. Die Sprache oder die Kommunikation per se, repräsentiert in der universalen sprachlichen bzw. kommunikativen Kompetenz, ist dagegen medienindifferent konzipiert. [10]

Der Kompetenzbegriff, an dem sich die Struktur- und Handlungstheorien der Sprache orientieren, partizipiert - und nur soviel sollte auch deutlich geworden sein - am Erbe des überkommenen Formkonzeptes. Die Kompetenz ist die sprach- bzw. kognitionstheoretische Version der Idee einer Form-ohne-Medium.

Und eben hierin setzt Luhmanns Medialisierung der Form einen ganz anderen Akzent. Form wird nicht mehr nach dem Modell der "zeitüberdauernden Identität" (45) konzipiert, und nicht mehr als eine "von der Realität des faktischen Erlebens und Kommunizierens abgehobene Idealität" (44). Das Potentielle, Universelle, Zeitindifferente, Apriorische, all diese Attribute, die in der zeitgenössischen Sprach- und Kommunikationstheorie der unsichtbaren Sprache hinter dem sichtbaren Sprachgebrauch zugeschrieben werden, finden sich - wenn überhaupt - dann auf der Seite des Mediums wieder und werden damit zugleich relativiert, insofern Medien prinzipiell auch als Formen behandelt werden können. Die Form dagegen wird zum operativen Vollzug, zur partikularen wie auch kontingenten Realisierung einer derjenigen Optionen, die das Medium bereit hält und in welches die Form nach ihrer Verflüssigung und nach ihrem Verbrauch auch wieder eingehen wird. Das Medium wird zur "Grammatik" der Form; die Form aber wird zu einer Aktualisierung des Mediums. Der Idee eines medienindifferenten sprachlichen Systems ist damit der Boden entzogen.

Eine bemerkenswerte historische Situierung des Kompetenz- und Sprachbegriffes zeichnet sich damit ab: Jene Merkmale, welche der Sprachkompetenz zugeschrieben werden, erweisen sich in dieser Perspektive als Stilisierungen und Extrapolationen von Attributen eines spezifischen Mediums, nämlich der phonetischen Schrift. Die Idee einer Sprache, die als universale Tiefenstruktur und als rationalisierbares Wissenssystem allem Sprechen zugrunde liegt, zeigt sich als Projektion und Produkt der kulturhistorischen Form ihrer schriftsprachlichen Darstellung und Bearbeitung. Im Lichte des Luhmannschen Formbegriffes besehen, dient die Schrift der Sprachtheorie als - allerdings verschwiegenes - Modell der Sprache.

Überraschende Familienähnlichkeiten drängen sich hier auf: Sei das nun mit postanalytischen Positionen etwa bei Donald Davidson, der lakonisch feststellt "in linguistic communication nothing corresponds to a linguistic competence", [11] oder mit sprachwissenschaftlichen Einsichten etwa bei Christian Stetter, der ein "linguistisches Relativitätsprinzip" vermutet, welches besagt, daß es von der Art und Leistungsfähigkeit der Schrift abhängt, was als linguistisches Objekt phänomenal in Erscheinung treten kann. [12] Die Anregungen, die Luhmanns nicht-linguistische Theorie für linguistische Reflexionen bereit hält, können hier [p.165] nicht weiter verfolgt werden. Wenden wir uns statt dessen einer zweiten Gegebenheit zu, für deren Beschreibung Luhmanns Medium/Form-Unterscheidung Beachtliches zu leisten vermag. Es geht um das Phänomen "Sinn".

 

3.2. Eine nicht-hermeneutische Konzeption von Sinn

Die seit geraumer Zeit geführte Mediendebatte ist sich einig in ihrer Distanzierungsgebärde gegenüber der Hermeneutik. Motiviert ist diese Gebärde von der Bereitschaft zur Verabschiedung der Sinnkategorie. Niklas Luhmann teilt zwar den hermeneutikkritischen Impuls; doch er macht dies auf eine Weise, bei der die Kategorie des Sinns nicht etwa überflüssig wird, vielmehr unersetzlich bleibt.

"Sinn" in der hermeutischen Einstellung ist ein Interpretationsprodukt. Die Interpretation bewegt sich dabei im Spannungsfeld von "Geist" und "Buchstabe". Wenn hier eine Karrikatur erlaubt ist: Der Sinn tritt hervor, wenn es gelingt, den "Geist" eines Textes von den Schlacken des "Buchstabens" zu reinigen. Der Sinn wird sichtbar, sobald das Medium zum transparenten Fenster mutiert, durch das hindurch unser geistiges Auge den Sinn aufzufassen vermag. Angesiedelt in der Tiefe des Textes, wird der Sinn zu einer objektivierbaren Entität. Und haben wir erst den Sinn, dann ist das Medium obsolet.

Auf diesen substantialistischen Sinnbegriff reagierte die Mediendebatte nun mit einer Substantialisierung des Mediums. Die Rolle, die ein zum identifizierbaren Gegenstand verdichteter Sinn spielt, geht nun über auf das Medium; Sinn und Bedeutung gehen dabei allerdings von Bord. Und so, wie die Hermeneutik einer Ontologisierung des Sinns Vorschub leistete, konfrontiert uns der Mediendiskurs nun mit einer Ontologisierung des Mediums. Die apokalyptischen wie auch apologetischen Medientheorien, die den Gang der Welt aus Mediendynamiken hervorgehen lassen, sind Versionen dieser Medienontologie.

Solchen Ansätzen ist Luhmanns beobachterrelativer Medienbegriff abhold. Welche Folgen hat das für den Zusammenhang zwischen Medienbegriff und Sinnbegriff?

Zuerst einmal fällt auf, daß der Sinnbegriff nichts anderes ist, als die Medium/Form-Unterscheidung selbst, thematisiert jedoch in einer ganz bestimmten Hinsicht. Diese Hinsicht besteht im Nachdenken darüber, wie "Welt" überhaupt zum Gegebenen wird. Und es ist der Sinnbegriff, durch den sich Luhmanns Medientheorie erweitert zu einer "Phänomenologie der Welt" (49).

Deuten wir die Stationen dieser "Weiterung" zumindest an:

(a) Es gibt keine Differenzen an sich, sondern Unterschiede werden im Zuge von Unterscheidungsoperationen gemacht. Eine Unterscheidung zu treffen ist eine Operation, die - wie alle Operationen bei Luhmann - kontingent und geschichtlich ist, also immer auch anders ausfallen könnte. Diese "historische Operationsform" nennt Luhmann "Sinn" (47). Wo immer wir durch Unterscheidungen etwas feststellen, ereignet sich Sinn. Doch anders als es das "Feststellen" suggeriert, ist Sinn keine zeitüberdauernde Entität, sondern ein beobachterrelativer und zugleich instantaner Prozeß: Sinn entsteht und vergeht im Augenblick einer Operation (44).

(b) Im Kern allen Unterscheidens findet sich das Verhältnis von Aktualität und Potentialität. Aktuelles verweist immer auf Potentielles: "Diese und keine andere Unterscheidung konstituiert Sinn" (50). Der Augenblick - hier folgt Luhmann Husserl - ist das, was er ist, nur durch Retention und Protention, also durch Bezugnahme auf Vergangenes und Zukünftiges. Das Gegenwärtige ist präsent nur, indem es das Nichtgegenwärtige appräsentiert. Das Wirkliche ist real nur im Horizont der ausgeschlossenen Möglichkeiten, auf die es zugleich als Potentialitäten verweist. Kurzum: Jede Manifestation ist eine Figur, deren Physiognomie sich dem Hintergrund eines Latenten verdankt. Sinn entsteht also durch die Anwesenheit dessen, was im jeweils Aktuellen abwesend und ausgeschlossen ist - bemerkt Luhmann im Rekurs auf Gilles Deleuze (49).

(c) Doch genau diese Konzeption einer Aktualität, die ihre Signatur nur im Horizont nicht-aktualisierter Potentialitäten erhält, ist das, was auch das Zentrum der Medium/Form-Unterscheidung markiert. Und doch gibt es einen Unterschied zwischen "Sinn" und "Medium/Form". Er besteht darin, daß "Sinn" gewöhnlich in der Einzahl, "Medien" im Horizont der Medium/Form-Unterscheidung jedoch in der Mehrzahl auftreten. Daß psychische und soziale Systeme in einem Medium operieren müssen, artikuliert der Sinnbegriff; wie sie das tun, von welchen Medien sie dabei Gebrauch machen können, ob z.B. von der Lautsprache oder der Schrift, ob vom Medium der Liebe oder der Wahrheit etc., das bleibt [p.166] variabel. Der Terminus "Sinn" zielt auf die Unhintergehbarkeit von Medien; er zeugt davon, daß Medialität konstitutiv ist für alle psychischen und sozialen Vorgänge. Ohne Sinn kein Bewußtsein und keine Kommunikation. Die Form des Sinns wird so das "absolute Medium ihrer selbst" (57); Sinn wird zu einem "Universalmedium" (51).

(d) Dieses Auftauchen des Absoluten, Universellen und Unhintergehbaren ausgerechnet bei Luhmann irritiert. Wie haben wir das zu verstehen? Vielleicht finden wir eine Antwort, wenn wir uns fragen, warum denn der Sinn unhintergehbar ist. Für die Medium/Form-Unterscheidung galt, daß, was in der einen Hinsicht ein Medium ist, in einer anderen Hinsicht als Form betrachtet werden kann und dies ad infinitum, ohne daß wir auf "letzte Elemente", aus denen alle anderen Medien und mögliche Formen gebildet werden, stoßen könnten. [13] In bezug auf den Sinn verhält es sich jedoch anders. Die Kategorie des Sinns hat eine andere Seite, auf die wir gerade durch keinen Perspektivenwechsel je gelangen können - diese andere Seite aber ist die "Welt".

(e) "Sinn" bezieht sich also auf die Verfassung unseres Weltverhältnisses und drückt aus, daß wir keinen unmittelbaren Zugang zur Welt haben. Denn das Einnehmen jedweder Perspektive hieße ja immer schon als Beobachter, somit auf der Seite des Sinns, zu operieren. Wo immer uns "Welt" begegnet, indem wir etwas als etwas wahrnehmen, denken oder kommunizieren, da machen wir Gebrauch vom Medium des Sinns. Die Welt selbst aber wird - wenn diese unpassende territoriale Metapher einmal erlaubt ist - zur beobachterfreien Zone; sie wird zum Inbegriff dessen, was nicht aufgeht in all unserem Unterscheiden und Feststellen: "Die Welt selbst bleibt als stets mitgeführte Seite aller Sinnformen unbeobachtbar" (54).

Was also lernen wir von Luhmanns nicht-hermeneutischem Sinnbegriff?

Sinn ist Welt-in-einem-Medium. Und die Unabdingbarkeit der Sinnkategorie dokumentiert, daß Welt-ohne-Medium sich uns nicht zeigt. Die Vergewisserung dieses fast schon befremdlichen Letzthorizontes, der mit Luhmanns Weltbegriff konnotiert ist, wird damit zur Konstitutionsakte der grundlegenden Einsicht in eine Medialität, die für psychische oder soziale Systeme nicht außer Kraft zu setzen ist. Wir haben nicht die Welt, sondern immer nur eine historisch kontingente Version von der Welt. Diese Version aber trägt unentrinnbar die Spur der Medien, in und durch deren Gebrauch sie entsteht. Luhmann buchstabiert das Verhältnis zur Welt zwar beobachtungstheoretisch. Doch im Gewande der Beobachtungstheorie ist angelegt, daß wir "die" Welt gar nicht zu "sehen" bekommen.

Die Verwendung des Terminus "Sinn" bei Niklas Luhmann führt uns vor, daß die beobachterrelative Medientheorie - wenn sie denn als Phänomenologie der Welt interpretiert wird - die Züge einer Phänomenologie des Unbeobachtbaren annimmt.

 

4. Ein Bemerkung zum Abschluß

Die vorstehenden Überlegungen versuchen zu zeigen, daß und wie Niklas Luhmanns Theorie für die kultur- und geisteswissenschaftliche Arbeit Impulse geben kann. Die Suche nach Anschlußmöglichkeiten charakterisiert die Einstellung, in der sie geschrieben sind. Und doch hat gerade der letzte Abschnitt über "Sinn" an einen Punkt gerührt, wo ein ausgespartes Feld des Luhmannschen Theorie fühlbar wird: Es geht um das Verhältnis von Sinn und Sinnlichkeit.

Gehen wir aus von einer historischen Familienähnlichkeit.

Luhmanns Beobachtertheorie gemahnt an den Leibnizschen Perspektivismus: So wie für Luhmann die Welt nur als Sinn zugänglich ist, so gibt es für Leibniz die Welt nur als Repräsentation. Die Welt ist für Leibniz keine - jedenfalls von Menschenaugen - überblickbare Totalität, sondern ist mediatisiert und infiltriert durch die Standpunkte und Perspektiven, die jene weltbilderzeugenden Systeme, die Leibniz "Monaden" nennt, jeweils einnehmen. Welt wird zum Inbegriff dessen, worauf wir uns durch Repräsentationen beziehen und was wir doch nicht erreichen können. [14] Nun besteht das Ingenium von Leibniz darin, zu vermuten, daß das geistige Auge, soweit es an das Medium symbolischer Repräsentation gebundene ist, im Erkennen auf eine spezifische Weise "blind" bleibt und bleiben muß: Er spricht daher von den "cogitatio caeca vel symbolica", der "blinden oder symbolischen Erkenntnis", [15] eine Idee, die er an anderer Stelle in der Redeweise von den "tauben Gedanken" [16] wieder aufnimmt. Sinn - jedenfalls in den Bahnen der rationalistischen Weichenstellung - verdankt sich also seiner Dissoziierung von der Sinnlichkeit.

An dieser Weichenstellung partizipiert auch Niklas Luhmann: Wenn es Gemeinsamkeiten gibt zwischen seiner systemtheoretischen Beobachtungstheorie und Leibnizens monadischem [p.167] Perspektivismus, dann bestehen diese auch in dem prekären Verhältnis von Sinn und Sinnlichkeit. Wird in der Unhintergehbarkeit von Sinn - wie auch schon in der Unhintergehbarkeit des Repräsentationalen bei Leibniz - nicht gerade darauf verzichtet, jene materialen, vorprädikativen, nichtdiskursiven und nichtsemiotischen Bedingungen des "Umschlags" von Sinnlichem in Sinn freizulegen, die heute unter dem Suchbegriff "embodiment", also der "Verkörperung", diskutiert wird? Ist es nicht gerade das Körperliche, in dem eine Gerichtetheit sich artikuliert - "Sinn" heißt etymologisch "eine Richtung einschlagen"-, welche sich subversiv verhält zum prädikativen Impetus, welcher Luhmanns an George Spencer Browns geschulter Unterscheidungstheorie eigen ist? Unterminiert bzw. überschreitet Körperlichkeit nicht immer den "reinen" Beobachterstatus? Ist der Körper im Spannungsverhältnis von Sinn und Sinnlichkeit nicht beides, Medium des Weltbezugs, aber auch Welt selbst, und zwar "Welt selbst" genau im Sinne von etwas, das unverfügbar und unbeobachtbar bleibt -, wie es Luhmann eben von der Welt prädiziert hat?

Allerdings: die Rolle oder besser: die Marginalisierung von Körperlichkeit und Materialität in Luhmanns Theorie zu untersuchen, wäre nun wieder eine ganz andere Geschichte...

 

Literatur

 

Dirk Baecker (Hrsg.), Probleme der Form, Frankfurt a.M. : Suhrkamp1993

Donald Davidson, Truth and Interpretation, Oxford: OUP 1986

Lutz Ellrich, Neues über das 'neue Medium' Computer. Ein Literaturbericht, in: Technik und Gesellschaft, Jahrbuch 9/1997, 195-225

Jürgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen, Frankfurt a. M. 1985

Martin Heidgger, Sein und Zeit, Tübingen: Max Niemeyer 1976, 13. Aufl.

Friedrich Kambartel, Pirmin Stekeler-Weithofer, Ist der Gebrauch der Sprache ein durch Regeln bestimmtes Handeln?, in: v. Stechow/Schepping (Hrsg.): Fortschritte in der Semantik, Weinheim: VCH 1988, 201-223

Thomas Khurana, Was ist ein Medium? Etappen einer Überschreitung der Ontologie, in diesem Band 1998

Sybille Krämer, Sprachlichkeit als Performanz oder: Gibt es eine Sprache hinter dem Sprechen?, in: H.E. Wiegand (Hrsg.), Sprache und Sprachen in den Wissenschaften, Geschichte und Gegenwart, Berlin/New York (im Druck)

Jan Künzler, Grundlagenprobleme der Theorie symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien bei Niklas Luhmann, Zeitschrift für Soziologie, Jg. 16, H. 5, 1987, 317-333

Niklas Luhmann, Sprache und Kommunikationsmedien. Ein schieflaufender Vergleich, Zeitschrift für Soziologie, Jg. 16, H. 6, 1987, 467-468

Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1997

John Lyons, Die Sprache, München: Beck 1983

Martin Seel, Rezension zu 'Die Kunst der Gesellschaft' von Niklas Luhmann, European Journal of Philosophy, 4, No. 3, 1996, 390-93

Christian Stetter, Schrift und Sprache, Frankfurt a. M. 1997

 

 

[*] zuerst erschienen in: Rechtshistorisches Journal 17, 1998, 558-573.

[1] Alle sich auf Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1997 beziehenden Seitenangaben, sind im Fließtext in Klammern gesetzt.

[2] Dazu: Martin Seel, Rezension zu 'Die Kunst der Gesellschaft' von Niklas Luhmann, European Journal of Philosophy, 4, No. 3, 1996, 390-93; Lutz Ellrich, Neues über das 'neue Medium' Computer. Ein Literaturbericht, in: Technik und Gesellschaft, Jahrbuch 9/1997, 195-225, hier: 205.

[3] Zu einer Auseinandersetzung mit Luhmanns Form-Begriff, allerdings nicht im Horizont medientheoretischer Fragen: Dirk Baecker (Hrsg.), Probleme der Form, Frankfurt a.M. : Suhrkamp1993.

[4] Thomas Khurana, Was ist ein Medium? Etappen einer Überschreitung der Ontologie, in diesem Band 1998.

[5] "Uneigentlichkeit", ein von Heidegger geschaffener Terminus meint gerade nicht das Marginale, vielmehr "das Dasein nach seiner vollsten Konkretion", Martin Heidgger, Sein und [p.168] Zeit, Tübingen: Max Niemeyer 1976, 13. Aufl., 43.

[6] Jan Künzler, Grundlagenprobleme der Theorie symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien bei Niklas Luhmann, Zeitschrift für Soziologie, Jg. 16, H. 5, 1987, 317-333, hier: 331. Zur sprach- und intersubjektivitätsphilosophischen Kritik an Luhmanns Behandlung von "Sprache" vgl: Jürgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen, Frankfurt a. M. 1985, 437ff.

[7] Niklas Luhmann, Sprache und Kommunikationsmedien. Ein schieflaufender Vergleich, Zeitschrift für Soziologie, Jg. 16, H. 6, 1987, 467-468, hier: 468.

[8] Mit dieser Antwort setzen sich kritisch auseinander: Friedrich Kambartel, Pirmin Stekeler-Weithofer, Ist der Gebrauch der Sprache ein durch Regeln bestimmtes Handeln?, in: v. Stechow/Schepping (Hrsg.): Fortschritte in der Semantik, Weinheim: VCH 1988, 201-223.

[9] Zu diesem Zwei-Welten-Modell: Sybille Krämer, Sprachlichkeit als Performanz oder: Gibt es eine Sprache hinter dem Sprechen?, in: H.E. Wiegand (Hrsg.), Sprache und Sprachen in den Wissenschaften, Geschichte und Gegenwart, Berlin/New York (im Druck).

[10] Diese Idee artikuliert mit wünschenswerter Deutlichkeit John Lyons, Die Sprache, München: Beck 1983, 19f.: "...die Sprache (hat) die Eigenschaft, nicht an ein Medium gebunden zu sein."

[11] Truth and Interpretation, Oxford: OUP 1986, 446.

[12] Schrift und Sprache, Frankfurt a. M. 1997, 131.

[13] Martin Seel, Medien der Realität und Realität der Medien, in: Sybille Krämer (Hrsg.), Medien, Computer, Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1998, 244-268, hier: 247.

[14] Sybille Krämer, Berechenbare Vernunft, Berlin/New York: de Gruyter 1991, 328ff.

[15] G.W. Leibniz, Die philosophischen Schriften, ed. C.I. Gerhardt, Hildesheim: Olms 1965, Bd. IV, 423.

[16] G.W. Leibniz, Die philosophischen Schriften, ed. C.I. Gerhardt, Hildesheim: Olms 1965, Bd. VII, 259.

 


11.11. 1998 - http://userpage.fu-berlin.de/~sybkram/medium/kraemer2.html