Salzburger Jahrbuch für Philosophie XVII/XVIII 73/74 Salzburg und München UNMITTELBARKEIT UND VERMITTLUNG Konsequenzen der Wahrheitsfrage in Hegels Philosophie von Herbert Hrachovec, Wien 1. Einführung Es gibt keine ernsthafte Beschäftigung mit Hegel, noch weniger eine verantwortbare Hegelkritik, die sich nicht mit der grundlegenden Aussage dieses Philosophen auseinandersetzen muß, daß nämlich "das Sein Denken ist"(1). Daraus folgt leicht eine gewisse Eintönigkeit der Darstellung wie der Kritik, die eine solche abstrakte Maxime gedankenlos repetiert oder kritisiert (2). Das hat für die Hegelkritik deshalb besondere Konsequenzen, weil nach erfolgter Leugnung dieser Identität Hegel beliebig kritisiert (oder auch übernommen) werden kann, ohne daß man selbst darüber Auskunft zu geben hätte, wie man sich denn eigentlich dieses Verhältnis vorstellt, obwohl man doch von der Leugnung einer so bestimmten Verhältnisdeutung lebt. Demgegenüber muß es die Absicht einer echten Kritik sein, genauestens freizulegen, wie es bei Hegel selbst zu diesen Erkenntnissen kommt. Erst auf dieser Basis kann in der Überprüfung des Hegelschen Ausgangspunktes gefragt werden, was es mit dem Resultat auf sich hat. Die vorliegende Arbeit möchte versuchen, einen Schritt in diese Richtung zu machen. Dabei hält sie sich an das Problem der Unmittelbarkeit und Vermittlung, wie es sich in der Phänomenologie des Geistes stellt und wie es in diesem Werk besonders in Anknüpfung an das erste Kapitel, die "Sinnliche Gewißheit" zu exponieren ist. Zuvor sollen aber einleitende überlegungen gemacht werden, die gleichzeitig bereits das Resultat des Aufsatzes darstellen, denn es wird sich zeigen, daß in der Vielfalt der Motive, die innerhalb der Textuntersuchung auftauchen, eine mannigfaltige Verschlingung und gegenseitige Bedingtheit auftritt, die eine einleitende Zusammenfassung für das Verständnis wünschenswert erscheinen lassen. Die philosophischen Strömungen, denen Hegel mit der Phänomenologie entgegentreten will, sind zunächst solche, die die Unmittelbarkeit des Wissens in der Form der intellektuellen Anschauung, des Gefühls usw. zur Grundlage der philosophischen Wissenschaft machen wollen. Dagegen wendet sich Hegel mit seiner Lehre vom Begriff: "Wenn nämlich das Wahre nur in demjenigen oder vielmehr nur als dasjenige existiert, was bald Anschauung, bald unmittelbares Wissen des Absoluten, Religion, das Sein ... genannt wird, so wird von da aus zugleich für die Darstellung der Philosophie ... das Gegenteil der Form des Begriffs gefordert." (12) Vorgebliche Unmittelbarkeit kennzeichnet die von Hegel abgelehnten Arten der Fundierung des Wahren. Diese Konzeption von Unmittelbarkeit stammt ihrerseits aus dem Versuch, Antwort auf die Kantische Erkenntniskritik zu geben. Der Einsicht, daß der Mensch wesentlich Vermittlungstätigkeit ausübt, soll damit begegnet werden, daß das Fundament solcher Vermittlung und damit Grund der Wahrheit des Vermittelten die Unmittelbarkeit des Verhältnisses zwischen Mensch und Gegenstand ist. Insofern der Gegenstand selbst (im Unterschied vom Menschen) nicht vermittelnd ist, gilt Unmittelbarkeit dann nicht nur als vorgängig zur erkenntnismäßigen Vermittlung, sondern auch als Kennzeichnung des Gegenstandes der Erkenntnis. Hegel moniert gegen dieses Ausschwenken aus der transzendentalen Problematik erneut und radikaler den Kantischen Ansatz: selbst an das Unmittelbare ist die Frage nach seiner Vermittlung zu stellen und das auch dann, wenn die Konsequenz solcher Radikalität nicht nur die intellektuelle Anschauung (Schellings), sondern auch den transzendentalen Ansatz (Kants) hinterfragt (vgl. bes. 63 ff.). Die Frage nach der Wahrheit des Gegenstandes der Erkenntnis kann sich deshalb nicht bei irgendeiner ihr als Vermittlungstätigkeit entgegengestellten Unmittelbarkeit beruhigen und muß als das Wahre dasjenige begreifen, was sich statt als unmittelbare Substantialität als vermittelte Subjektivität erweist: Es kommt "alles darauf an, das Wahre nicht als Substanz, sondern eben sosehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken" (19, vgl. 20, 53). Einleuchtend ergibt sich aus diesen Überlegungen die Idee der absoluten Vermittlung, die der Geist am Ende des Bewußtseinsganges ist: "...er ist sich Gegenstand, wie er ist, und das abstrakte Element der Unmittelbarkeit und der Trennung des Wissens und der Wahrheit ist überwunden. Das Sein ist absolut vermittelt. (32) In solchen Gedankengängen stellt man die Phänomenologie üblicherweise dar und das hat durchaus seine Berechtigung. Wenn der Geist beschrieben wird als "diese Bewegung des Selbst, das sich seiner selbst entäußert und sich in seine Substanz versenkt, und ebenso als Subjekt aus ihr in sich gegangen ist..." (561), scheint es naheliegend zu sein, Geist, der absolutes Wissen ist, als absolute Vermittlung im Sinn absoluter Subjektivität zu interpretieren. Dies entspräche der Wahrheit, wenn Hegels Gedanken tatsächlich, wie es aus den bisher zitierten Stellen scheint, in der Phänomenologie damit begännen und endeten, daß an alle Unmittelbarkeit der Vermittlungsanspruch gestellt wird. Doch dem ist nicht so. Wir werden zeigen, daß ganz zu Beginn und ganz am Ende in Stellen, die den bisher gebrachten entgegengesetzt scheinen, statt der Vermittlung ihres Anspruches die Unmittelbarkeit steht. Das Problem dieses Widerspruches exponieren wir vorblickend. Hegels Wissenschaft bringt nach eigenen Aussagen Neues, von dem gilt: "Das erste Auftreten (sc. des Neuen) ist erst seine Unmittelbarkeit oder sein Begriff" (16, vgl. 21). Der "Grund und Boden der Wissenschaft" ist nach Hegel "die reine Geistigkeit als Allgemeines, das die Weise der einfachen Unmittelbarkeit hat« (26). Er spricht vom "... Wissen, wie es zuerst ist, oder der unmittelbare Geist ist das Geistlose, das sinnlich Bewußte" (26). Das Dasein des Geistes als Erstes "ist nichts anderes als das Unmittelbare oder der Anfang" (31, vgl. 22, 24). Vom Selbst, das Vermittlung ist, gilt anfänglich, daß es "die wahrhafte Substanz (ist)..., das Sein oder die Unmittelbarkeit" (30). Vor dem Vermittlungsanspruch steht also nicht nur in den abgelehnten philosophischen Konzeptionen die Unmittelbarkeit. Auch für Hegels Geist ist sie die erste Stufe. Das bringt zunächst die Vertreter der Unmittelbarkeit der intellektuellen Anschauung und Hegel selbst auf dieselbe Ebene. Beide Unmittelbarkeiten sind nicht zu unterscheiden - außer dadurch, daß Hegels absoluter Vermittlungsanspruch gerade an dem Punkt einsetzt, an dem sich die anderen zur Ruhe begeben. Soweit ist die Gegenstellung Hegels, von der wir ausgegangen sind, trotz der anfänglichen Unmittelbarkeit bei Hegel selbst noch klar. Doch der unmittelbare Anfang findet keineswegs in der absoluten Vermittlung sein Ende in völliger Auflösung. Sein, das "absolut" in den Geist vermittelt ist, ist in der Fortsetzung des oben gebrachten Zitates: substantieller Inhalt, der ebenso unmittelbar Eigentum des Ich ... ist'« (32 f., Hervorhebung von mir). "In dem (sc. absoluten) Wissen hat also der Geist die Bewegung seines Gestaltens beschlossen, insofern dasselbe mit dem überwundenen Unterschiede des Bewegten behaftet ist. Er hat das reine Element seines Daseins, den Begriff, gewonnen. Der Inhalt ist das nach der Freiheit des Seins sich entäußernde Selbst, oder die unmittelbare Einheit des Sichselbstwissens." (561 f.) In den von Hegel hervorgehobenen Worten "Freiheit" und "Sein" kommt die Gleichberechtigung des unvermittelten Seins mit der absoluten Freiheit zum Ausdruck. Das Parallelbegriffspaar, von dem er überraschenderweise nur den ersten Teil hervorhebt, ist "unmittelbar- und "Sichselbstwissen". Zunächst geht es darum zu sehen, daß Unmittelbarkeit durchaus neben der Vermittlung am Ende steht. Die Tatsache, daß gerade in dieser Verbindung beide Begriffe radikal neu geprägt werden, kann erst nach dieser Einsicht bedacht werden. Keineswegs verbal taucht die Unmittelbarkeit hier im absoluten Wissen auf, das doch zuvor als absolute Vermittlung beschrieben wurde. Sie bedeutet einmal isoliert genommen, daß die substantiale Unvermitteltheit unaufgebbarer Bestandteil des absoluten Wissens und ebenso auf Vermittlung angewiesen ist wie umgekehrt diese auf jene (vgl. 561). Es ist bei Hegel tatsächlich so, daß beide Gedankengänge festgehalten werden: absolute Vermittlung und ursprüngliche sowie endgültige Unmittelbarkeit. Schon die paradoxe Formulierung der Ausgangsposition zeigt die Geltung beider Bestimmungen: "Reflexion, die selbst einfach, die Unmittelbarkeit als solche für sich ist, das Sein, das die Reflexion in sich selbst ist" (25, Hervorhebung von mir). Solchermaßen beginnt Hegel, kurz gesagt, bei der Vermittlung, die Unmittelbarkeit ist, und nur dorthin kann er zurückkehren (Anm. 3). Von allem Inhalt gilt: "Das Bestehen oder die Substanz seines Daseins ist die Sichselbstgleichheit; denn seine Ungleichheit mit sich wäre seine Auflösung." (45) So ist zunächst das Sein bestimmt, genau dieselbe Bestimmtheit aber macht das Denken aus, macht also Sein zum Denken. "es (sc. Dasein) ist für sich selbst, oder es besteht durch diese Einfachheit mit sich. Aber dadurch ist es wesentlich der Gedanke« (45). Was so in der Identität von Unmittelbarkeit und Vermittlung am Ende steht, bestimmt nochmals den Anfang und den Gang des Geistes und prägt die anfängliche Unmittelbarkeit neu. So steht Hegels anfängliche Unmittelbarkeit in Identität und Differenz zur Unmittelbarkeit der intellektuellen Anschauung. In jeder Gestalt des Wissens ist das Selbstbewußtsein "die unmittelbare Gewißheit seiner selbst und, wenn dieser Ausdruck vorgezogen würde, damit unbedingtes Sein" (25). Und es gilt: "Das Ich oder das Werden überhaupt, dieses Vermitteln ist um seiner Einfachheit willen eben die werdende Unmittelbarkeit und das Unmittelbare selbst" (21, Hervorhebung von mir). Zusammenfassend können wir sagen: Nachdem Vermittlung alle Unmittelbarkeit als vermittelt erwiesen hat und bei der absoluten Vermittlung angelangt ist, konstituiert sie absolutes Wissen. Damit scheint die Unmittelbarkeitsforderung überwunden, das Gegenständliche in seiner Wahrheit als vermittelt erwiesen. Doch gerade an dieser Stelle tritt erneut und endgültig auch die Unmittelbarkeit auf, die schon am Anfang gestanden hatte und zeigt sich in der völligen Gleichberechtigung als Wesenszug des absoluten Wissens. Daraus folgt zunächst für die Anfangsproblematik, daß beide Forderungen, die nach ursprünglicher und endgültiger Unmittelbarkeit und nach absoluter Vermittlung diese prägen. Entgegen der üblichen Tendenz soll deshalb genauer gezeigt werden, welche Rolle die Forderung nach unmittelbarem Wissen für Hegel selbst spielt. Weiters ergibt sich aus der doppelten Absicht des Anfangs aber die Grundproblematik des Endes: absolute Vermittlung löst alle Unmittelbarkeit auf und kann ihr keinen eigenen Platz im absoluten Wissen vermitteln, da dieser ja erneut der vermittelnden Auflösung unterläge. Unmittelbarkeit im absoluten Wissen wiederum würde es nicht erlauben, Vermittlung so zu denken, daß sie sich aus ihm ergäbe. Ließe sich das doch denken (indem solche Unmittelbarkeit z. B. mit Hegel als abstrakte bezeichnet wird), dann handelte es sich nicht um genuine Unmittelbarkeit. Das Ergebnis dieser Überlegung ist, daß im Geist als dem Medium der Einheit von Unmittelbarem und Vermitteltem zusammengedacht wird, was sich getrennt aufeinander bezogen nicht denken läßt. Die Konsequenzen aus dem radikal transzendentalen Vermittlungsanspruch, dem Anspruch, den Grund von (immer vermittelndem) Denken im (unvermittelbaren) Sein zu sehen, sind jeweils für sich aporetisch. Die Lösung Hegels ist die Ineinsetzung der Aporien mit dem Anspruch, damit beide zu lösen. Doch der Anspruch, aus der Verknüpfung zweier unlösbarer Fragen eine Antwort auf beide Fragen zu erlangen, übersieht, daß dann Geist als Träger dieser Einheit grundlegend anders bestimmt werden müßte als eine seiner Komponenten (Anm. 4). Es erhebt sich ja die Frage, wie das Zusammengehören von Unmittelbarkeit und Vermittlung selbst zu denken ist. Hegel kann darauf nur antworten: es ist einerseits unvermittelte Einheit, andererseits vermittelte Beziehung. Insichsein der Komponenten ist Unmittelbarkeit so wie diese die Reflexion ist _ und für das Zusammengehören der getrennt einigen Komponenten gilt nochmals dasselbe. Sofern aber die Frage nach dem Zusammengehören von Vermittlung und Unmittelbarkeit _ wie zu zeigen sein wird _nach dem Herkunftsort der Deutung des Verhältnisses von Mensch und Gegenstand als Subjekt und Substanz fragt, ist darin gerade der Anspruch gestellt, das Woher des untrennbar_getrennten Verhältnisses anders zu bestimmen als durch nochmalige Interpretation des Verhältnisgrundes (also des Zusammengehörens) an Hand von Verhältnisbestimmungen. Wenn Vermittlung und Unmittelbarkeit in dem von Hegel erhellten Sinn als Kennzeichnung des Verhältnisgesetzes des Subjektes und Objektes auftreten, das durch die neuzeitliche Wahrheitsfrage "vorverstanden" wird, dann weist die Problematik des absoluten Wissens auf die Frage, ob die letzte Wahrheit des vermittelt_unvermittelten Zusammengehörens von Subjekt und Substanz wirklich die Setzung der Geltung absolut vermittelter Unvermittelbarkeit sein kann. Es ist nun die erwähnte Schwäche der Hegelkritik, die von Hegel gesetzte Einheit zu leugnen, ohne darüber nachzudenken, daß das zugrundeliegende Problem das des Zusammengehörens von Denken und Sein bleibt, auch wenn das nicht im Hegelschen Sinn gedeutet werden könnte. In Hegels Sinn ist das Zusammengehören von Denken und Sein zweifach denkbar: als Vermittlung von Vermittlung und Unmittelbarkeit und als Unmittelbarkeit von Vermittlung und Unmittelbarkeit. Es liegt auf der Hand, daß eine solche Deutung des Zusammengehörens der Komponenten dort dialektisch ist, wo die Dialektik ihren Grund sucht, indem sie wechselweise von einer Komponente ausgeht, dadurch falsch wird und die andere Komponente fordert. Angesichts dieser Situation bleibt zu fragen, was es ist, das die Wahrheitsfindung des Anfangs überhaupt im Sinn der Frage nach Unmittelbarkeit und Vermittlung stellen läßt, denn es wurde angedeutet und wird eingehend gezeigt werden, daß aus der Konsequenz dieses Frageansatzes Hegels Lösung der Ineinssetzung von Vermittlung und Unmittelbarkeit ins absolute Wissen entspringt. Es muß bedacht werden, daß in der Abschlußaporie der Deutung des Verhältnisses von Denken und Sein weder Vermittlung noch Unmittelbarkeit noch deren erneutes dialektisches Verhältnis etwas anderes leisten als Fragliches zur Antwort zu machen. Wenn Denken und Sein und deren dialektisches Verhältnis zueinander fraglich werden, dann kann sich die Auskunfl auf die Fragen nicht auf eine dieser Komponenten und auch nicht auf deren fragliches dialektisches Verhältnis stützen. Sie muß vielmehr versuchen, sich darüber klar zu werden, was deren Zusammengezwungensein bedingt: die radikalisierte neuzeitliche Wahrheitsfrage als Frage nach der vermittelten oder/und unmittelbaren Wahrheit dessen, was Gegen_stand menschlicher Erkenntnis ist. So weist letztlich die Überlegung auf die Frage hin, wie sich und warum sich neuzeitlich ein Verhältnis von Mensch und Gegen_stand ergeben hat, das als Subjekt_Objekt_Beziehung gelten kann. Die Schwierigkeit einer Kritik an Hegel ist die, daß er entgegen der gängigen Kritik diese Beziehung letztlich nicht auf den Subjektpol fixiert hat, obwohl er oft mit einer solchen Deutung operiert. Aus diesem Grund ist es auch nicht unnütz, im Rahmen der Hegelkritik die Schwierigkeiten einer solchen subjektiv eingeschränkten Konzeption zu behandeln. Daß sich letztlich mit Hegel nodi die Frage an ihn stellen ließe, was der Herkunftsort des dialektisch bestimmten Zusammengehörens von Denken und Sein ist, daß sich der perpetuierten Dialektik diese Frage nicht verschließt, ist die letzte Perspektive dieses ArtikelS5. In einer Darstellung der Seinslogik könnte gezeigt werden, wie Hegel selbst den Ursprung seiner Dialektik als undialektisch denken will und dabei scheitert. Ob man das dazu macht, daß die Dialektik sich ihre undialektische Voraussetzung dialektisch voraussetzt6, oder ob es zu einer Grund_frage an die Dialektik kommt, daran wird sidi heute vieles entscheiden. Daß sich vor dieser letzten Frage für Hegel selbst unzählige Fragen, Perspektiven und Zusammenordnungen im Bezug auf die Unmittelbarkeit und Vermittlung von Subjekt und Substanz ergeben, das soll die genauere Ausführung der Gedanken der "Sinnlichen Gewißheit" zeigen. II. Exposition der Problematik der "Sinnlichen Gewißheit" als des Leitfadens zu einer Interpretation der Hegelschen Philosophie 1. "Das Wissen, welches zuerst oder unmittelbar unser Gegenstand ist, kann kein anderes sein als dasjenige, welches selbst unmittelbares Wissen, Wissen des Unmittelbaren oder Seienden ist." (79) Hegel stellt den Leser von vornherein in die Erörterung eines Verhältnisses. Es verhalten sich zueinander wir, d. h. die philosophisch Fragenden, zu unserem Gegenstand. Eine Zweiheit ist gesetzt, die zunächst völlig normal als eine solche von Fragendem und Fragegegenstand bezeichnet werden kann. In der Weise einer Frage sind die Komponenten ineinander verfügt. Es ist ja in der Frage jeweils so, daß der Fragende (und sein Vorverständnis) mit dem Befragten in einem Austausch steht, der beide Teile betrifft. Wir sprechen daher im Weiteren vom Gefüge dieser Frage. Die inhaltliche Bestimmtheit der Glieder der Frage aber ist uns völlig dunkel. Von Hegel wird der Fragegegenstand zuerst spezifiziert. Er ist "Gegenstand" im Sinn von Gegen-stand, in der Deutung, daß er jemandem entgegensteht. Das zeigt sich daran, daß die Beschaffenheit des Fragegegen-standes thetisch von diesem Gegenüber angegeben wird: der Gegen-stand ist ein Wissen, nicht nur das: er ist ein ganz bestimmtes - nämlich unmittelbares - Wissen. Darüber hinaus kann nach Hegel dieser Gegen-stand kein anderer sein als der so bestimmte. Wieso ist der Gegen-stand notwendig ein Wissen? An dieser einfachen Frage entzünden sich schon Überlegungen mit weitreichenden Konsequenzen. Eine erste Antwort könnte sagen, daß die anfängliche Frage implizit vom Interesse an der Wahrheit jeden menschlichen Wissens geleitet ist, daß also für den Fragenden zum Gegen-stand die Wahrheit des Wissens wird. Mit der Erörterung dieser Antwort geraten wir auch schon in die Richtung der Beantwortung der anderen Frage, wieso das Wissen in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit zum Gegen-stand wird. Doch diese Auskunft verlangt eine philosophiegeschichtliche Orientierung. Es ist nicht unmittelbar einsichtig, daß es um ein Wissen geht. Das ist ungewöhnlich, wenn man daran denkt, was alles der Gegenstand einer Anfangsfrage sein könnte. Es ist keineswegs selbstverständlich, daß es nicht der Mensch, nicht seine Bestimmung, auch nicht ursprünglich das sinnlich Gegebene ist, was im Blick steht. Darin verbirgt sich vielmehr die ganze Problemstellung der neuzeitlichen Erkenntniskritik, die hier in der Gestalt auftritt, daß der Philosoph menschliche Erkenntnis, als Wissen interpretiert, zu seinem Gegen-stand macht. Man darf sich von Hegels Kantkritik nicht täuschen lassen: an diesem Anfang seiner Phänomenologie des Geistes ist für ihn die Erkenntnis durchaus so wie für Kant Gegen-stand. Dies zeigt allerdings nicht der bloße Terminus "Wissen", sondern die zusätzliche Voraussetzung, die völlig unbefangen eingeführt wird: das Wissen hat unmittelbares Wissen zu sein. Aus der vielfältigen Art, in der Wissen auftreten kann, wählt Hegel gerade diese Kennzeichnung. Sie enthüllt einen besonderen Wissensbegriff und ein besonderes Anliegen Hegels. Wissen ist so gedacht, daß es vermitteltes oder unmittelbares Wissen ist. Wie kommt es dazu? Kant hat gezeigt, wie jedes Wissen über Gegenstände geprägt ist durch die Vermittlung des Erkennenden. Sosehr Hegel die Kantschen Konsequenzen kritisiert (vgl. 63 ff.), sosehr steht er fest auf dem Boden dieses Problems: Wissen ist immer Vermitteln. Doch es ist ja die Rede vom unmittelbaren Wissen. Dies widerspricht anscheinend dem eben Gesagten! Es widerspricht nur dann, wenn man Hegels bestimmte Absicht an dieser Stelle verkennt. Unmittelbares Wissen soll solches sein, das von jedem durch Erkenntnis vermittelten, daher möglicherweise die Wahrheit des Gegenstandes verändernden Wissen abgegrenzt ist. Warum aber fragt man "hinter" die Vermittlung, warum soll der Ansatzpunkt gerade nicht durch Vermittlung gekennzeichnet sein? Offenbar reicht vermittelnde Erkenntnis nicht immer aus, um sich zu genügen. Sie läßt die Frage offen, wie letztlich ohne diese Vermittlung das Verhältnis zu ihrem Gegen-stand beschaffen ist. Gerade in der Erkenntnis bricht die Frage auf, was es mit deren Gegen-stand denn eigentlich auf sich hat, da er nicht der totalen Bestimmung der Erkenntnis unterliegt, sondern in vielen Erfahrungen gleichsam ein Eigenleben führt. Wenn die Frage nach der Wahrheit des Gegen-standes das ist, daß nach dem eigenständigen Beschaffensein des Gegenstandes gefragt wird, und wenn dies mit der Erkenntnis gekoppelt wird, daß vermittelndes Wissen gerade diese Eigenständigkeit nicht ermöglicht, dann ist die Wahrheitsfrage im Absehen von jeder Vermittlung durch die Erörterung der Unmittelbarkeit des Wissens radikal gestellt. Insofern aber die Frage nach der Wahrheit des Gegen-standes ja das Wissen als Ganzes betrifft, handelt es sich bei der Frage um diejenige nach der Wahrheit des Wissens selbst. Hegel stellt sich dieser Frage hier durchaus im Rahmen der Kantschen Problematik. Wir werden sehen, daß ihn das in genau dieselben Schwierigkeiten bringt. Hier ist zunächst wichtig zu sehen, daß es die Wahrheitsfrage ist, die dazu treibt, als ersten Gegenstand unmittelbares Wissen zu wählen. In der zu explizierenden Aporie des Gegen-standes wird dann diese Wahrheitsfrage als Grund dafür auftauchen, daß es zu diesen Problemen kommt. Unmittelbarkeit des Wissens erscheint hier schon als unbefragtes Implikat der fundamentalen Wahrheitsfrage, die am Anfang der Phänomenologie des Geistes steht. Sie ist an dieser Stelle postulatorisch eingeführt und ist problemgeschichtlich das Resultat der philosophischen Diskussion vor Hegel, in weitester Perspektive das Ergebnis der neuzeitlichen Frage nach der Wahrheit der Erkenntnis. Es interessiert hier noch nicht, daß Hegel in der Folge zeigen wird, daß alles Unmittelbare auch vermittelt ist. Hätte er das ursprünglich gesehen und an den Anfang gesetzt, hätte die Phänomenologie (und auch die Logik) eine andere Gestalt. Hier ist dagegen eindeutig eine sachliche Vorrangstellung der Unmittelbarkeit angelegt, die wir in der ganzen Phänomenologie des Geistes zeigen werden. Wir haben jetzt die Frage nach der Unmittelbarkeit aufgeworfen und gesehen, daß sie in der Bestimmung und Frage nach dem Wissen auftaucht. Wir müssen daher nun näher fragen, was mit dem Wissen hier gemeint sein kann. Wissen ist in ganz vulgärem Verständnis das Verhältnis einer Zweiheit. Wissender und Gewußtes werden in ihrer Zueinanderordnung, die Wissen ist, gedacht, wenn die Rede vom Wissen ist. Wissen ist solches des ... von..., wenn es von anderen beschrieben wird (solches von. . ., wenn es von dem gesagt wird, der es "hat"). Das fällt in die Problematik des Selbstbewußtseins und kann nicht verfolgt werden. Hier genügt die Zweiheit, die jedem Wissen eigen ist. Diese ist auch tatsächlich angesprochen, wenn Hegel das "unmittelbare Wissen" verdeutlicht: es ist Wissen des Unmittelbaren. Hinter der Zweiheit stecken in Wirklichkeit fünf Komponenten: 1. der fragende Philosoph, 2. der Wissende des Frage-gegenstandes, 3. das Gewußte, 4. das Verhältnis von Wissendem zum Gewußten (Wissen) und 5. das Verhältnis des Fragenden zum Befragten (dem Wissenden und seinem Wissen). Diese ungeheure Gedrängtheit der Phänomenologie des Geistes macht es ja so schwer, sie recht zu interpretieren. Wir konzentrieren uns hier zunächst auf die Hegelsche Zweiheit. Nach Hegel fallen unser zweiter und vierter Punkt zusammen: Wissen ist der Wissende und das zu sich Zurückgekommensein vom Gewußten (das Wissen) als "Besitz" des Wissenden. Wissen steht bei Hegel für das Subjekt, das Gegen-ständlichkeit wissend in sich aufnimmt. Auf der anderen Seite steht der Gegen-stand solchen Wissens. Das Verhältnis zu ihm ist noch dunkel, jedenfalls besteht Zweiheit von Wissen und Gegen-stand, das heißt, daß der Gegen-stand eine (wie auch immer zu bestimmende) Eigenständigkeit besitzt. Dieser Gegen-stand ist nun nach Hegel im Sinne der Wahrheitsfrage das Unmittelbare, das nicht von Verstandestätigkeit "bearbeitete" Korrelat des Wissens. Dabei braucht Wissen die Zweiheit, damit also den Gegen-stand, um bei sich sein zu können. Die alltägliche Art des Wissens ist nun diejenige, in der manches von einem Gegen-stand gewußt wird. Man kann - wie gesagt - zeigen, daß die vielfältige Bestimmtheit auf Verstandestätigkeit zurückgeht. Diese ist erst (als Wissen) auf ihre Wahrheit zu prüfen. Es ergibt sich dabei freilich die Schwierigkeit, daß jede Bestimmtheit als Verstandestätigkeit wegfallen muß, daß dann bloße Gegen-ständlichkeit, ohne jede Bestimmtheit, Korrelat des Wissens sein muß. Doch dies läßt sich offenbar zumindest denken: fundamentale Gegenständlichkeit, ohne daß schon etwas bestimmt worden wäre. Dies kann sogar als erster Schritt jeder Bestimmtheit gedacht werden, insofern hier durch den Zweifel jedes Was des Gegebenen hinterfragt wird auf das irreduzible, jede Bestimmtheit gründende Daß hin. So versucht Hegel das Unmittelbare zu denken, das dem Wissen am Anfang gegenübersteht. Es ist leicht zu sehen, daß sich hier eigentlich gar nichts gegenübersteht. Festgehalten ist nur, daß Gegenüberstellung ist. Es ist unmöglich zu sagen, was sich gegenübersteht, so ist auch keine irgendwie aufklärbare Gegenüberstellung befragbar - nur das reine Daß gibt es und es gibt an, daß es noch immer eine Zweiheit ist, die zwischen Wissen und Unmittelbarem herrscht. Doch das ist schwierig: wie soll Zweiheit gedacht werden, ohne irgendeinen Inhalt? Wie kann andererseits bestimmte Inhaltlichkeit auf ihre grundlegende Wahrheit befragt werden? Einerseits ist festzuhalten, daß ein Verhältnis bleibt, wenn jede Bestimmung des Denkens versuchsweise abgeblendet wird, andererseits ist kein Verhältnis mehr denkbar, wenn Denken immer Vermitteln, immer Tätigkeit des Verstandes ist. In dieser zweiten Möglichkeit liegt die Konsequenz, kein Verhältnis gelten zu lassen und somit Wissen ins Beziehungslose, Unreflektierte (bei Hegel Sein) fallen zu lassen. Ist doch das denkend nicht Bestimmte das einfachhin Seiende! So würde auch diese wissende Beziehung ins Sein fallen. Es zeigt sich, daß schon in der ersten Bestimmung des Fragegegen-standes eine Aporie entsteht: Wissen des Unmittelbaren ist Verhältnis, das kein Verhältnis sein kann; ist Vermittlung dessen, was als unvermittelt gedacht werden soll. Insofern nun die Zweiheit festgehalten werden soll, kann man den ersten Fragegegenstand als unmittelbares Wissen bezeichnen, insofern es auf die Einheit, die kein Verhältnis sein kann, ankommt, als unmittelbares Sein. In diese Situation der Doppeldeutigkeit hat den Fragegegenstand die Frage gebracht. Die Frage hatte in der Absicht, nach der Wahrheit zu fragen, diese äußerste Grenzposition des Wissens sehen lassen, in der Wissen festgehalten und aufgegeben werden muß. Was wir hier feststellen, ist nichts anderes als das, was wir jene - in der Einleitung berührte - letzte Position Hegels erkennen werden: die dialektisch gedeutete Einheit von Denken und Sein als Resultat der Wahrheitsfrage. Das Verhältnis des Fragenden zum Fragegegenstand, das im Gefüge der Frage herrscht, bleibt in unserem Satz noch sehr unklar - doch eine erste Orientierung ist möglich. Drei verschiedene Verhältnisse werden ausgesagt: 1. ist - wie wir schon sagten - vom Fragenden die Beschaffenheit des Fragegegenstandes gesetzt, der Fragende dominiert also sein Befragtes, 2. ist - wie der zweite Satz zeigt - das Fragegefüge davon bestimmt, wie der Fragegegenstand bestimmt wurde. "Wir haben uns ebenso unmittelbar ... zu verhalten." Zuerst wird der Fragegegenstand bestimmt, dann bestimmt diese Bestimmung rückgewendet die Haltung des Bestimmenden (Fragenden) selbst zum Bestimmten; 3. ist in dieser gegenläufigen Bestimmung letztlich der Fragende ausschlaggebend, insofern er sich selbst noch dazu bestimmt, vom Gegenstand bestimmt zu werden. Diese Verhältnisse sind deswegen wichtig, weil sie erstmals die wechselweise Verfügung anzeigen, die im Gefüge zwischen Fragendem und Befragtem herrscht. Dazu kommt es durch die Wahrheitsfrage in der beschriebenen Form. Noch eine zweite Tatsache zeigt sich dabei deutlich: Gegen-stand soll das bestimmungslose Wissen sein - so wird es bestimmt. Die bestimmte Bestimmungslosigkeit wird auf das Verhältnis der Bestimmung angewandt und bestimmt dieses Verhältnis nun doppelt. Der Ausgang bei bestimmungsloser Unmittelbarkeit erweist sich als selbst bestimmt. Die Frage, die die Wahrheit jedes Wissens erfragen will, indem sie bei der vermeintlichen Bestimmungslosigkeit einsetzt, ist selbst bestimmt. Sie ist dies auf zweifache Weise: 1. ist sie wechselweise von den Fragegliedern bestimmt und 2. ist die Herkunft ihrer Frageglieder bestimmt in einer Weise, die nicht aus der ersten Bestimmung deduziert werden kann. Philosophisches Fragen und sein Gegenstand, das unmittelbare Wissen (1) sind selbst in ganz bestimmter Weise zueinandergeordnet (2) - in einer Wahrheitsfrage, die den Fragegegenstand in die Aporie versetzt, Verhältnis und kein Verhältnis sein zu müssen. Wir können nun sagen, daß sich durch diese Überlegungen eine dreistufige Gliederung des Ansatzes der Phänomenologie des Geistes ergeben hat. Wir entwickeln die Notwendigkeit, einen Herkunftsort der als bestimmt erkannten Frage anzunehmen. Das erste Verhältnis ist dementsprechend das des Herkunftsortes der Frage zur Frage selbst. Es ist dasjenige des Impulses der Wahrheitsfrage und der so gestellten Frage. Dann sahen wir die Struktur der Frage genauer an. Zwischen dem Fragenden und dem Fragegegenstand herrschte wechselseitige Bestimmung. Dies war das Verhältnis des Fragegefüges. Zuletzt zeigte sich noch, daß der Fragegegenstand selbst im Gefüge als Verhältnis von Wissen und Unmittelbarem zu denken war, welches Verhältnis allerdings auch gar keines sein konnte. Es war dasjenige des Gegenstandes der Frage. 2. "Der konkrete Inhalt der sinnlichen Gewißheit läßt sie unmittelbar als die reichste Erkenntnis, ja als eine Erkenntnis von unendlichem Reichtum erscheinen ... Sie erscheint außerdem als die wahrhafteste; denn sie hat von dem Gegenstande noch nichts weggelassen, sondern ihn in seiner ganzen Vollständigkeit vor sich.'" (79) Der 2. Absatz beginnt mit einer Überraschung: die sinnliche Gewißheit taucht auf. Man hört oft nur, daß der Anfang der Phänomenologie des Geistes bei der sinnlichen Gewißheit gemacht wird (7). Das kann man nur dann sagen, wenn man die entscheidenden Aussagen des ersten kleinen Absatzes, die doch eigentlich erst die Richtung des Fragens angeben, einfach streicht. Es wird noch zu zeigen sein, wie dieser scheinbar unwichtige Absatz in Wirklichkeit eine ganz entscheidende Rolle spielt. Hier hat sich schon ergeben, daß in den sieben Zeilen die ganze Aporie der Kantischen Frage nach der Wahrheit als Voraussetzung und Agens der weiteren Entwicklung auftritt. Insofern nämlich die transzendentale Frage nach den vorgängigen Bedingungen empirischer Erkenntnis fragt, gerät sie in das Dilemma, vorgängig - a priori - sagen zu müssen, was nur durch Einsatz vom a posteriori Gegebenen aus erreicht werden kann. Wenn also Vermittlung immer schon a posteriori stattfindet, und die Wahrheit eines solchen Erfahrungsurteils gefragt ist, kommt man dazu, diese Wahrheit dort zu erfragen, wo a priori keine Vermittlung stattfinden kann, wo also eine Un-mittelbarkeit den Grund zur Vermittlung abgeben soll, die doch selbst über die Vermittlung allein zu erreichen ist. In der von uns gekennzeichneten Aporie des Wissensverhältnisses, das gleichzeitig keines sein kann, spiegelt sich also an dieser Stelle die bedeutendste philosophische Frage in Hegels Horizont, bevor noch über sinnliche Gewißheit ein Wort fällt. Freilich ist diese Fragestellung auch schon von Kant her auf das engste mit der Frage nach der Sinnlichkeit verknüpft, doch in der Frage nach deren Wahrheit ist sie überstiegen, sowohl bei Kant als auch bei Hegel. Nun haben wir aber eben diese Frage nach der Wahrheit als das Agens der Frage des Anfangs der Phänomenologie erkannt. Sie war bestimmend für Fragenden wie Frage-gegen-stand. Sie ließ aber gerade darin die nähere Beschaffenheit beider im Dunkeln. Wir können sagen, daß es sich um den Frager und das Befragte in der radikalen Wahrheitsfrage drehte. Wir können noch dazufügen, daß diese Bestimmtheit durchaus artikuliert und ausgeprägt ist durch den Kontext der Fragen der Erkenntnistheorie. Das genügt, um zu sehen, daß die nun auftretende andere Form des Wissens zunächst gar nichts mit der Bestimmtheit zu tun hat, die das Wissen zu Beginn erhielt. Sinnliche Gewißheit kennt an dieser Stelle eine Vielzahl von Inhalten, sie ist ein Wissen mit mannigfaltiger Bestimmtheit (8). Das verträgt sich nicht mit der Fassung, die das unmittelbare Wissen im 1. Absatz bekommen hat. Dort war es durch die radikale Wahrheitsfrage gerade in die Aporie von Inhalt und Begründung des Inhaltes gekommen. In welchem Verhältnis stehen beide Bestimmungen des Wissens zueinander? Wir sahen, daß es die Bestimmung des Fragegefüges durch die Wahrheitsfrage war, die das erste Wissensverhältnis kennzeichnete. Wir werden nun sehen, daß das zweite Wissensverhältnis (der sinnlichen Gewißheit) gleichsam der Anfang der langen Deduktion ist, die überhaupt erst dazu führt, das erste Verhältnis in seine Bestimmtheit zu bringen. Doch zunächst müssen wir im Verhältnis der beiden Wissensverhältnisse den Richtungssinn beibehalten, den Hegel vorgibt. In der Wahrheitsfrage des Anfangs lag schon die ganze Aporie angedeutet, in die die explizierte Frage gerät. Dies fällt nun zunächst weg, wenn Hegel konkret den ersten Schritt zur Exposition seines Problems macht. Es kann vorausgeschickt werden, daß auf diesem Weg entweder die Paradoxie des Anfanges bestätigt wird oder unterwegs sich auflöst oder unterwegs als anfänglich gar nicht vorhanden erkannt beziehungsweise dekretiert wird. Hegel schwankt zwischen diesen drei Möglichkeiten, alle werden aufgenommen und streckenweise durchgespielt. Sachlich muß man von der ersten ausgehen, da sie die beiden anderen umgreift. Die Selbstaussage der sinnlichen Gewißheit erfolgt keineswegs frei, sondern nur, indem sie gestellt wird. Sie soll angesichts der Prüfung auf ihr Wesen unter der Perspektive der Wahrheit des in ihr stattfindenden Wissens Rede stehen (9). Dabei wird nun ganz deutlich, daß der Frage-gegen-stand am Beginn der Phänomenologie in doppelter Weise sichtbar wird: als unmittelbares Wissen und als sinnliche Gewißheit. Die Identifikation dieser beiden Interpretationen des Frage-gegen-standes in ihrer Unterschiedenheit ist nun eine wesentliche Ausgangsposition in der Phänomenologie des Geistes. Das unmittelbare Wissen als Gegen-stand hatte sich durch Deduktionen aus der Kantischen Problematik der Erkenntnis ergeben. Doch darin lag noch nicht, daß sinnliche Gewißheit es wäre, was als Grenzbegriff zu jedem vermittelnden Wissen und Denken auftritt. Sinnlichkeit liegt ja nach Kant gerade außerhalb des Verstandes, ist so auch nicht einfach als sein Grenzbegriff einzuführen. Aus der Abblendung jeden vermittelnden Wissens resultiert noch lange nicht Sinnlichkeit, noch weniger sinnliche Gewißheit (die ja eigentlich schon im Terminus anzeigt, daß sie ein Wissen ist). Wir müssen diese Setzung von unmittelbarem Wissen und sinnlicher Gewißheit in der Einheit der Gegen-ständlichkeit für philosophische Fragen hier als weiteres bestimmtes Element der ganzen Frage aufnehmen. So gewinnt die anfänglich sophistisch scheinende Kritik, daß auch die vorgebliche Bestimmungslosigkeit Bestimmung sei, deutlichen Inhalt: in allem Bemühen, den Gegen-stand des Fragens vom Fragenden unbeeinflußt zu erhalten, spielt doch die untilgbare Beeinflussung mit: unmittelbares Wissen wie sinnliche Gewißheit sind eins in ihrem Charakter der Gegen-ständlichkeit, sind damit in ein Fragegefüge geordnet, das in verschiedener Form und Radikalität die Wahrheitsfrage an den Gegenstand stellt. Freilich ist die Art, wie die Frage nun im 2. Absatz der Phänomenologie exponiert wird, von der Radikalität des 1. Absatzes weit entfernt. Es ist hier die Bestimmtheit der Frage, den Frage-gegen-stand in scheinbar willkürlicher Weise aufzugreifen. So wendet sich das Interesse an die sinnliche Gewißheit, wie sie sich als reichste Erkenntnis erscheint. jenseits von jeder Überlegung über Vermittlung glaubt die sinnliche Gewißheit sich in dichtestem Bezug zur Wirklichkeit, zum Konkreten. Dies ist für das philosophische Fragen nur als Naivität faßbar: es hatte sich ja gerade aus den Schwierigkeiten solch konkreten Wissens zu sich selbst durchgerungen. Alle Probleme, mit denen es zu tun hatte, fallen nun fort, es sieht die sinnliche Gewißheit vor den Schwierigkeiten, die es selbst schon gelöst hat, und gerade dadurch ist es bestimmend für sie. Philosophisches Denken sieht sinnliche Gewißheit ausschließlich als das, was alle die Probleme ungelöst in sich enthält, deren Lösung das philosophische Bewußtsein konstituiert. So bestimmt sich die Anfangsfrage noch weiter: die Gegen-ständlichkeit des unmittelbaren Wissens und der sinnlichen Gewißheit kommt darin überein, daß die eine Endprodukt, die andere Ansatzpunkt einer Auseinander-setzung ist: des Auseinandertretens von Fragendem und Fragegegenstand in ein bestimmtes Gefüge aus einem Herkunftsort der Frage. Hier wird die Paradoxie deutlich, der wir schon ständig auf der Spur waren: am Anfang steht nicht der Anfang, sondern das Ende! Insofern sich das unmittelbare Wissen und seine Probleme ja nur so ergeben, daß sie den ganzen Weg, den Hegel mit der sinnlichen Gewißheit beginnt, schon hinter sich haben, steht das Resultat zu Beginn. Dies ist nötig, weil nur es als Indikator der Wahrheitsfrage stehen kann, die eben durchzuhalten ist, obwohl die sinnliche Gewißheit schon für sich die reichste Wahrheit beansprucht. Nur weil der radikale Wahrheitsanspruch am Anfang stehen muß, wenn er sich nicht irgendwo "unterwegs" beruhigen soll, muß zu Beginn schon dessen Forderung und (verdeckte) Aporie stehen. Die Verbindung beider Wissensverhältnisse ist formal die gegen-ständige Zweigliedrigkeit. Tiefer gefragt ist sie nur so zu verstehen, daß sie sich zusammen mit den beiden einzelnen bestimmten Verhältnisgliedern aus dem Herkunftsort von deren Bestimmung ergibt. Das heißt konkret: der Herkunftsort der Frage nach der Wahrheit, der sinnlichen Gewißheit und deren beider Verbindung ist der nämliche. Diese Verbindung beider Wissensverhältnisse hilft nun die Identifikation von unmittelbarem Wissen und sinnlicher Gewißheit in ihrer Charakterisierung als Gegen-stand des Fragens zu verstehen: es ist ein Auseinandergetretensein von Fragendem und Befragtem vorausgesetzt, das das Gefüge dieser Frage ganz in bestimmter Weise fassen läßt. In diesem Gefüge bestimmen sich nämlich die beiden uns bisher zugänglichen Komponenten (Fragender - unmittelbares Wissen, sinnliche Gewißheit) derart, daß die sinnliche Gewißheit der notwendige Ansatzpunkt zur Erlangung des Begriffes "unmittelbares Wissen" ist, daß das unmittelbare Wissen andererseits die Sicht auf die sinnliche Gewißheit ermöglicht. Die Identifikation beider, mit der Hegel hier arbeitet, ist schon eine solche, die eine Bewegung voraussetzt. Insofern für eine solche Bewegung Trennung der Glieder und deren Einheit erfordert ist, begegnet uns hier schon eine Grundproblematik von Hegels Entwurf. Denn einerseits muß er an der Unterschiedenheit des philosophisch und des natürlich interpretierten Gegen-standes festhalten - sonst gäbe es gar keine Bewegung. Andererseits muß er an deren Einheit festhalten, die er nur durch die Bewegung aufzeigen kann, die er aber - hier der erste Beleg in der Phänomenologie - als gegeben setzen muß, um sie entwickeln zu können. Denn es gibt auf der einen Seite nichts, was der vermeintlichen Konkretheit der sinnlichen Gewißheit mehr widerspräche als das unmittelbare Wissen (das entwickelt Hegel dann noch viel genauer). Auf der anderen Seite ist aber sinnliche Gewißheit in ihrer Selbstdeutung als konkretestes, unmittelbarstes Wissen der philosophisch interpretierten Unmittelbarkeit in anfänglicher Gegenständlichkeit gleichzustellen. Wollte man diesen Gedanken weiter ausführen, so ließe sich zeigen, wie Hegels Konzeption von der Bewegung des Geistes eng mit der Paradoxie zusammenhängt, in die die Anfangsfrage bringt. So steht das philosophische Fragen, mit dem eingesetzt wurde, am Beginn des 2. Absatzes vor einer - ihm naiven, nur als Absprungsbasis denkbaren - konkreten Inhaltlichkeit dessen, was es sich selbst als Gegen-stand gegeben hat: der sinnlichen Gewißheit. Unter Unmittelbarkeit kann sich freilich das philosophische Bewußtsein nun nichts mehr denken, wenn es diesen Terminus auf die konkrete sinnliche Gewißheit anwenden will. 3. "Diese Gewißheit aber gibt in der Tat sich selbst für die abstrakteste und ärmste Wahrheit aus. Sie sagt von dem, was sie weiß, nur dies aus: es ist; und ihre Wahrheit enthält allein das Sein der Sache. Das Bewußtsein seinerseits ist in dieser Gewißheit nur als reines Ich." (79) Im Gefüge hatte sich eine gegensätzliche Einheit des Frage-gegen-standes gezeigt. Dem einen Fragen war er konkret-sinnliche Gewißheit, dem anderen von jeder Vermittlung losgelöstes unmittelbares Wissen. Dabei war aber in Wirklichkeit nicht nur der Frage-gegen-stand doppelt interpretierbar, sondern auch der Fragende sehr verschieden: die sinnliche Gewißheit als erste Form des Wissens wußte sich als konkret, hatte also die Struktur: Wissender - Gewußtes - Wissen. Andererseits war diese ganze Struktur der sinnlichen Gewißheit wieder Frage und Wissens-Gegenstand: philosophisches Fragen hatte ebenfalls einen fragend-wissenden Pol. Was wir in den obigen Überlegungen über die differierende Einheit des Frage-gegen-standes gesagt haben, gilt nun auch für die beiden Deutungen des Fragenden. (Freilich tritt das Ich der sinnlichen Gewißheit als Wissender auf, doch das setzt Frage voraus.) Es kommt also auch zu einer differenten Einheit der Fragenden: durch die Selbstbestimmung des philosophischen Fragens, sich aufnehmend zu verhalten, ist das Gegenstück zur Identifikation von unmittelbarem Wissen und sinnlicher Gewißheit angezeigt: der Fragende der Philosophie und des natürlichen Bewußtseins ist einerseits der gleiche, andererseits muß ein Unterschied bestehen, wenn sich Entwicklung überhaupt ergeben soll. Wir treffen also am Anfang der Phänomenologie einen Fragenden und einen Gegen-stand der Frage, ein ursprüngliches Auseinander einer Frage. Im Gefüge dieser Frage bestimmen sich nun beide Komponenten in doppelter unterschiedener Einheit. Der Fragende ist und ist nicht der Philosoph und der Wissende des natürlichen Bewußtseins. Der Frage-gegen-stand ist und ist nicht unmittelbares Wissen und sinnlich-konkrete Gewißheit. Sehen wir das zusammen mit der Erkenntnis, die wir am Anfang und Ende der Besinnung über den ersten Satz formuliert hatten, daß es einen Herkunftsort der Frage, ein Verhältnis des Fragegefüges und einen Gegenstand der Frage gibt. Dazu ist nun zu sagen, daß sich gezeigt hat, wie man das Fragegefüge und den Gegenstand der Frage genauer zu bestimmen hat. Der Frage-gegen-stand (das unmittelbare Wissen, die sinnliche Gewißheit) ist nicht als isoliertes Frageobjekt zu denken, sondern wesentlich in die Frage als ganze verfügt. In ihr herrscht freilich eine eigentümliche Dynamik: postuliertes unmittelbares Wissen und aufgegriffene sinnliche Gewißheit sind in ihr vereint und unterschieden. Es stellt sich nun die Frage, wie eigentlich genauer der Stellenwert der beiden Verhältnisse ist, deren Beschaffenheit wir explizierten. Dabei kommt man zum Ergebnis, daß das unmittelbare Wissen zwar am Anfang steht _ doch nicht als erreichtes, sondern als Postulat. Als intendiertes Ziel und nicht in explizierter Gestalt tritt die Unmittelbarkeit ursprünglich auf. Wir haben gesehen, wie das mit der Wahrheitsfrage zusammenhängt und können jetzt sagen: die besondere Gestalt der Wahrheitsfrage macht, daß als anfänglich bestimmende Forderung der Phänomenologie die Forderung nach unmittelbarem Wissen auftritt. Als Forderung stellt sich diese Problemsicht dadurch heraus, daß sie nur bestehen kann in der Abgrenzung einerseits vom vermittelten Wissen, andererseits von der sinnlichen Gewißheit. Als solche Forderung besitzt unmittelbares Wissen eben noch keine Wirklichkeit, muß sie erst durch die Bewährung an dem, worauf die Forderung sich richtet, erlangen. Dies ist ja eben der Wechselbezug zwischen den beiden Wissensverhältnissen, deren erstes das zweite stellt, während das zweite als derzeit noch allein wirkliches notwendige Absprungsbasis für das erste ist. Das ergibt nun die erste Möglichkeit einer Aussage über die Beschaffenheit der Unmittelbarkeiten in der Phänomenologie: die postulierte Unmittelbarkeit als Ausprägung der Wahrheitsfrage (dies ist der Bezug zum ersten Glied der am 1. Absatz gefundenen Gliederung) ist in ihrem Forderungscharakter konstitutiv für die mögliche Sicht auf die sinnliche Gewißheit. Diese erscheint gerade in dieser Perspektive als die unmittelbar reichste Erkenntnis. Sie wurde ja gesucht mit dem Blick auf solche Auskunft. Doch die geforderte Unmittelbarkeit ist durch diese erste Antwort nicht zu erreichen. Man fragt nach der wahrhaftesten Erkenntnis in letzter Radikalität, indem man sich nicht mit der abstrakten Problemstellung des ersten Absatzes begnügt, sondern sein Fragen nach Vermittlung und deren Grund gerade konkret an alle Vermittlung stellt. Damit dominiert die radikal gefragte Unmittelbarkeit des Wissens über die sinnliche Gewißheit, weil darin eben die Wahrheitsfrage als solche nach der Wahrheit jeder konkreten Vermittlung gefragt ist, was sich nur im Durchgang durch alle Vermittlung zeigen kann. An diesem Punkt wirkt sich das Überstehen der radikal-universalen Wahrheitsforderung über den ersten konkreten Gegenstand aus und gewinnt damit eine erste Wirklichkeit, indem es sich als Forderung bewährt. Wir greifen mit all dem - gestützt auf den 1. Absatz - weit vor, denn der weitere Gang der Phänomenologie entfaltet sich bei einer vorläufig fixierten Deutung der Frage in der Form: in sinnlicher Gewißheit Wissender - konkrete Gegenständlichkeit. Dies ist, wie wir aus unserer Exposition dieses Problems nun sagen können, wirklich ein sehr eingeengter Anfang, der im sachlichen Zusammenhang sofort nach der Auseinandersetzung mit den anderen Komponenten des ganzen Fragegefüges verlangt. Vielleicht wird aber an dieser Stelle schon deutlich, was alles an Bestimmtheit Hegels ursprüngliche Frage voraussetzt und mit sich bringt: die differente Einheit der Frageglieder und ihre gegenseitige Verfügtheit sowie die Bewegung ihrer Entwicklung müssen aus dem Herkunftsort der Frage selbst begriffen werden, können schon hier und gerade hier keinesweges auf eine Bestimmung des Frage-gegen-standes durch den Fragenden reduziert werden. Diese Vorüberlegungen über den Charakter des Gefüges, in dem nun die sinnliche Gewißheit Frage-gegen-stand ist, waren notwendig, um den Umschlag verstehen zu lassen, der jetzt folgt. Wir hatten den ersten Umschlag zwischen dem 1. und 2. Absatz nachgezeichnet: von der philosophischen Ebene ging es auf die des natürlichen Bewußtseins. Nun kehrt Hegel in einem neuerlichen Umschlag wieder zur philosophischen Ebene zurück. Er kann das tun auf Grund der eben skizzierten Doppeldeutigkeit der Komponenten der Anfangsfrage. In der gesetzten einheitlichen Unterschiedenheit liegt die Berechtigung, eine Kritik am natürlichen Bewußtsein zu üben. Das philosophische Fragen hatte versucht, als Ausgangspunkt unvermitteltes, von keiner bestimmten Inhaltlichkeit gezeichnetes Wissen zur Basis der Wahrheitsfrage zu machen. Dem stand konträr die Meinung der sinnlichen Gewißheit gegenüber, die als Befragtes mit unvermitteltern Wissen identisch - und eben auch nicht identisch war. Nun moniert der Philosoph sein ursprüngliches kritisches Anliegen, das im Anfangspostulat ausgedrückt war: Konkretion heißt immer Vermittlung, sinnliche Gewißheit soll unvermitteltes Wissen sein - wer hat recht, der Philosoph oder die sinnliche Gewißheit? Worauf kann sich die sinnliche Gewißheit berufen, wenn sie sich als konkret behauptet? Offenbar nur auf Vermittlung. Leistet sie aber in ihrem Rahmen Vermittlung als Bewegung von Wissendem und Gewußtem? Nein. Sie kann nicht angeben, wie irgendeine Inhaltlichkeit in ihr ist, ohne schon zu vermitteln und damit jenseits der Maxime zu stehen, die sie selbst und das philosophische Fragen an sie gestellt hat: unmittelbares Wissen zu sein. Sobald sinnliche Gewißheit etwas sagt, etwas als ihren konkreten Inhalt ausspricht, ist sie nicht mehr unvermittelt. Sie hat aber dies getan, sie hat sich damit eigentlich als sinnliche Gewißheit selbst disqualifiziert. So setzt sich die philosophische Forderung nach der Herausarbeitung des unmittelbaren Wissens gegen eine sinnliche Gewißheit durch, die diesen Forderungen gar nicht genügen kann, sobald und indem sie konkret - vermittelt ist. Der sinnlichen Gewißheit wird jeder Inhalt unter Berufung auf die Maxime der Unvermitteltheit aus der Hand geschlagen. Das hatten wir schon im ersten Absatz bedacht - wir sagten dort, daß das reine Daß der Gegenständlichkeit bleibt, wenn man die Wahrheitsfrage in der Art und Weise stellt, wie Hegel das tut. Jedes "Was" wurde von der philosophischen Frage versuchsweise eliminiert. Nun zeigte sich uns im Gang der Überlegung, daß eine zweifache Zweiheit den Ansatz der Phänomenologie beherrscht und möglich macht. Einerseits diejenige zwischen Fragendem und Fragegegenstand, andererseits die zwischen den beiden Deutungen des einen wie des anderen Fragegliedes. Die erste Entzweiung als solche von philosophisch Fragendem und unmittelbarem Wissen, die auf der Forderung der Unmittelbarkeit beruhte, hat jetzt im ersten Schritt der Bewegung die zweite Entzweiung zwischen Wissendem und Gegenstand der sinnlichen Gewißheit völlig auf ihren Begriff gebracht. Keine Inhaltlichkeit ist der sinnlichen Gewißheit unter dem Einfluß der philosophischen Frage gestattet, sie wird korrigiert und sagt nun auch nur das reine Daß aus: daß etwas ist. Damit ist festgehalten, daß es Gegenständlichkeit gibt, daß die Sachen Sein haben, das in Unterschiedenheit zum Fragend-Wissenden festgehalten werden muß. In diese Grenzbestimmung ist nun auch die sinnliche Gewißheit gebracht. Sie war als Wissen betrachtet worden, besaß also die Wissensstruktur Subjekt-Objekt. Das hat nun seine Konsequenzen auf das Subjekt, dem das Objekt zu einer reinen Gegenständlichkeit reduziert wird: es wird selbst in reiner Gegen-ständlichkeit zum eigenen Gegen-stand gedacht als reines Ich, das keinen Inhalt des Wissens hat als den, reine Gegen-ständlichkeit sich gegenüber zu haben. Wie war es möglich, daß sinnliche Gewißheit sich als konkretestes Wissen vermeinte, wo sie doch im Fragegefüge, das sich als solches der Wahrheitsfrage als der Frage nach der unvermittelten Basis darstellte, als abstraktestes Wissen zu erweisen ist? Doch ist nicht anders zu fragen: warum muß sich sinnliche Gewißheit als solches Wissen erweisen? Wir deuteten diesen Prozeß als solchen der Einordnung der sinnlichen Gewißheit in die Frageebene der philosophischen Forderung - doch wieso kam es dazu, daß hier Differenz auftrat? Wir sind an den Punkt zurückgekehrt, an dem zu sehen ist, welche zwei grundlegenden Annahmen die Phänomenologie bestimmen: ein erstes Auseinandertreten von Fragendem und Gefragtem in der Wahrheitsfrage nach der Wahrheit des Gefragten. Dieses Gefüge war gekennzeichnet durch das Fragen der Wahrheitsfrage als Frage und Forderung nach dem unmittelbaren Wissen. Dann ein zweites Auseinandertreten im Raum, der durch dieses Gefüge eröffnet wurde; das ergab die Differenz von philosophisch Fragendem und natürlich Wissendem einerseits, von unmittelbarem Wissen und sinnlicher Gewißheit andererseits. Keines dieser verfügten Glieder ist aufzuheben, ihre wechselseitige Bezogenheit macht den weiteren Gang der Phänomenologie aus. Die Eröffnung des einen Verhältnisses läßt das andere sich entfalten, das Bestehen der Ganzheit dieses Gefüges verweist zurück auf den letzten Herkunftsort des Auseinandertretens dieser Komponenten in dieser Konfiguration. 4. "Ich bin darin (sc. im Bewußtsein) nur als reiner Dieser und der Gegenstand ebenso nur als reines Dieses." (79) Die Aussagen, die das philosophische Wissen über seinen Frage-gegen-stand trifft, gehen weiter. Noch ganz ohne die Wahrheit der Behauptungen durch Betrachtung der Entwicklung der sinnlichen Gewißheit ausweisen zu können, wird vorweggenommen, was in der Konsequenz der Wahrheitsfrage des Anfangs steht: Reinheit, Unvermitteltheit, einfaches Daß von Gegen-ständlichkeit als Basis der Untersuchung. Das, was sich (in der Problematik ohne inhaltliche Bestimmtheit als rein bestimmt zu sein) gegenübersteht, ist nun als Dieser und Dieses bezeichnet. Diese Bestimmung trifft das Befragte der Frage. Bisher sprachen wir von dieser Zweiheit als der von Wissendem und Gewußtem, auch von Fragendem und Befragtem. Hier zeigt sie sich uns als solche von Subjekt und Objekt im Sinn gegenständlicher Gegen-ständigkeit. So wird deutlich, daß Gegen-ständigkeit für Wissen, Fragen, Ich nicht einfach so mißzuverstehen ist, daß das in der Art sinnlich antreffbarer Objekte der Naturwissenschaft Gegenständigkeit ist. Die Zweiheit von Fragendem und Befragtem ist grundlegender als die besondere Deutung (z. B.) einer sinnlich verstandenen Subjekt-Objektbeziehung, ist auch radikaler zu denken als in der Interpretation eines bestimmten Wissens. Dies muß vor jedem Eingehen auf die hier anstehende Problematik von sinnlich-faßbarer Gegen-ständlichkeit (also von Gegenständlichkeit) bemerkt werden. Diese selbst steht aber, wie wir sahen, unter der Frage nach ihrer Möglichkeit überhaupt, wenn sie sich als konkret vermeint, dies aber im Gefüge der Anfangsfrage gar nicht sein kann. Bevor Hegel erkundet, wie sich das für die sinnliche Gewißheit selbst darstellt, sagt er noch einiges zur Befestigung der bis hierher erarbeiteten Resultate. 5. ". . . die Sache ist, und sie ist, nur weil sie ist; sie ist, dies ist dem sinnlichen Wissen das Wesentliche, und dieses reine Sein oder diese einfache Unmittelbarkeit macht ihre Wahrheit aus. Eben so ist die Gewißheit als Beziehung unmittelbare reine Beziehung." (80) Noch immer ist die Rede von der sinnlichen Gewißheit als Frage-gegen-stand des philosophischen Fragens. Noch immer gilt die Maxime unbefragt, daß der Gegen-stand der Frage (so wie er unmittelbar zu betrachten sein wird) in unmittelbarer Prägung des Verhältnisses, das er ist, zu betrachten ist. Diese Forderung reduziert das Wissen, das die sinnliche Gewißheit ist, auf das reine Bestehen des Verhältnisses (Wissens), ohne daß noch irgendein Inhalt in der Betrachtung der Basisstruktur jeder Inhaltlichkeit zugelassen wäre. Das reine Daß dieses Verhältnisses läßt nun vom Was nichts sagen, außer daß es (im Verhältnis) Raum gibt für mögliche Bestimmung, und das ist der Sinn der Rede vom reinen Sein der Sache, das als einfaches, unvermitteltes Entgegenstehen überhaupt (Sein) für Bewußtsein erscheint. Daß beim Fehlen gegen-ständlicher Inhaltlichkeit auch das Ich, dem entgegensteht, nicht inhaltlich, sondern ebenfalls als reines Ich gedacht werden muß, ist schon gesagt worden. Insofern die Wahrheitsfrage von Anfang an als die Frage unvermittelten Gegenüberstehens vom Ich her bestimmt wurde, ist nun das reine Sein in Unmittelbarkeit die Wahrheit inhaltlich erst zu bestimmender Gegen-ständlichkeit, ist gleichsam die Wahrheit der Wahrheit, die ja einem ersten Nachdenken als Gleichheit der gegenständlichen Inhaltlichkeit mit dem Bewußt-sein erscheint. Hier ist Wahrheit der Grund jeder Wahrheit im oben erwähnten Sinn. Sie ist von einer Fixierung an den Gegen-stand gelöst und als Bestimmung des Verhältnisses gedacht. Die Wahrheitsfrage am Anfang als Frage nach einer Gleichheit von Gegenständlichkeit und Bewußtsein hatte ja vom Bewußtsein her noch einen anderen Aspekt. War Wahrheit die "Eigenschaft" (inhaltlicher) Gegen-ständigkeit, so war schon von Anfang an Gewißheit die "Eigenschaft" des Bewußtseins, dem Gegenständigkeit in Gleichheit entgegenstand. Gewißheit war eben das Beziehen von Gegen-ständigkeit auf das Bewußtsein und der Ausdruck der Einheit von Beziehendem und Bezogenem. In der bis jetzt explizierten Sachlage ergibt sich, daß eine solche Beziehung auf dieser Stufe eine unmittelbare sein muß - so wie dies aus der Forderung un-mittelbarer Gegen-ständigkeit folgt. Eigentlich fallen also Wahrheit und Gewißheit in dieser sinnlichen Gewißheit zusammen. Sie lassen nach der umfassenderen Wahrheit des ganzen Verhältnisses fragen. Diese Frage umgreift Wahrheit und Gewißheit, indem sie nach dem Grund ihres Zusammengehörens fragt. 6. "An dem reinen Sein aber, welches das Wesen dieser Gewißheit ausmacht und welches sie als ihre Wahrheit aussagt, spielt, wenn wir zusehen, noch vieles andere beiher. Eine wirklich sinnliche Gewißheit ist nicht nur diese reine Unmittelbarkeit, sondern ein Beispiel derselben." (80) Gewißheit ist die Form des Wissens, die der Frage-gegen-stand - die sinnliche Gewißheit - anfänglich besitzt. Zu solchem Wissen gehört Gewußtes als dem Wissenden gegenständlich. Dieses hat sich in der radikalen Wahrheitsfrage, die eben bei der unvermittelten Gewißheit einsetzte, als reines Sein erwiesen. Alle Vermittlung wurde von ihm abgehalten, jede Inhaltlichkeit konkreter Art abgewehrt. Die Frage stellt sich nun, wie solche Inhaltlichkeit jemals wieder zu gewinnen ist, wenn man sie weggestrichen hat. Wenn man wirklich eine Form des Bewußtseins aufzeigen könnte, die sich dadurch auszeichnete, reines, unbestimmtes Ich in seinem Verhältnis zu unbestimmtem Gegenstand zu sein, dann wäre aus dieser Bewußtseinsform niemals herauszukommen, denn aus der Reinheit der Komponenten erklärte sich niemals irgendeine Bestimmtheit als aus der Reinheit resultierend. In Wirklichkeit zeigt sich Hegel (zumindest hier in der Phänomenologie) jetzt die Unwirklichkeit der bloßen Forderung nach Unmittelbarkeit. Eine unbestimmte Form des Bewußtseins braucht er zunächst gar nicht als ursprünglichen und wirklichen Anfang zu denken, denn seine Unmittelbarkeit ist ja wesentlich eine Forderung, die sich bewähren muß. Sie wurde gewonnen in der Ausgrenzung jeder Inhaltlichkeit durch die Wahrheitsfrage als Frage nach der Unvermitteltheit von Gegen-ständlichkeit. Wenn es um die Frage geht, wie in die doppelte Unmittelbarkeit (der Forderung und der sinnlichen Gewißheit) ein Inhalt kommen kann, dann könnte Hegel darauf hinweisen, daß es sich um eine vermittelte Forderung nach Unmittelbarkeit handle, die daher in der bisher exponierten Art nur abstrakt gefaßt wurde und infolgedessen konkret werden müsse, indem sie für sich die Vermittlung entwickle, die sie an sich schon ist. Dies ist die glattere Lösung, die Hegel weiter unten anbieten wird. Daß die unmittelbare Bewußtseinsform als abstrakte ihre Negation schon an sich hat, legt den Boden dafür, hinter die Forderung der Unmittelbarkeit nochmals zurückzugehen und deren Genese denkend einzuholen. Doch obwohl sich dieses Problem hier schon stellt, insofern die Frage nach der Entwicklung vom hermetisch abgeschlossenen Unmittelbaren zum inhaltlich-konkreten ansteht, legt Hegel nicht seine spätere Lösung vor, sondern enthüllt in einer an Unsicherheiten reichen Passage wesentliche Spannungen seines Denkens. Er versucht, mit anderen Gedanken aus dem Vakuum des unmittelbaren Bewußtseins zu gelangen. Dazu muß das reine Sein nicht das letzte Wort sein, muß noch anderes "beiherspielen". Wie das geschehen soll, ist zunächst völlig unverständlich. Hegel kommt zur Hilfe: er hatte bisher sinnliche Gewißheit (also ein wissendes Verhältnis) als reine Unmittelbarkeit (also als Verhältnis, das keines sein kann) aufgefaßt. In dieser Paradoxie war eines sicher: inhaltliche Bestimmung war ausgeschlossen, egal wie sinnliche Gewißheit dann noch zu fassen war. Doppelt paradox ausgedrückt könnte man sagen, daß die inhaltlose Inhaltlichkeit der so verstandenen Gewißheit die Unmittelbarkeit war, die keinen vermittelten Inhalt haben durfte, da sie als solche vermittelt war (10). Nun führt Hegel aus dieser Paradoxie heraus. Er setzt zwei verschiedene Bewußtseinsformen als gleichberechtigten Ausdruck der "wirklichen sinnlichen Gewißheit": einerseits die besprochene Unmittelbarkeit und andererseits ein Beispiel der sinnlichen Gewißheit (11). Man fragt: was unterscheidet ein solches Beispiel von der Unmittelbarkeit und wird ganz einfach und sich an Hegels Absicht annähernd sagen können: während unmittelbare sinnliche Gewißheit unreflektierter Vollzug der Ausgerichtetheit des Ich auf den Gegenstand ist, der durch die fehlende Reflexion (= Vermittlung) reiner Vollzug ist, bedeutet Beispiel, daß dieser unmittelbare Vollzug je auch konkret ist, immer die Auszeichnung bestimmten Vollzuges an sich hat. Und das setzt Hegel nun unter dem Namen "wirkliche sinnliche Gewißheit" in eins! Wie verträgt sich das mit allem von Hegel zuvor Ausgeführten? 7. "Unter den unzähligen dabei vorkommenden Unterschieden finden wir allenthalben die Hauptverschiedenheit, daß nämlich in ihr aus dem reinen Sein die beiden schon genannten Diesen, ein Dieser als Ich und ein Dieser als Gegenstand herausfallen." (80) Reines Sein war bisher die Bezeichnung des einen Teiles des Verhältnisses, als das unmittelbares Wissen (doch noch) festgehalten werden mußte. Gemäß der Ambivalenz des Verhältnisbegriffes war unmittelbare sinnliche Gewißheit aber auch nicht als 'Verhältnis zu denken, war nicht in sich durch vermittelnde Reflexion gebrochen - war daher in dieser zweiten Sicht als Ganzes reines Sein. Nun werden die beiden Aspekte des Verhältnisses, das die sinnliche Gewißheit ist und nicht ist, auseinandergenommen. Bisher fiel die Paradoxie in die sinnliche Gewißheit als einfache Größe. Nun führt Hegel zwei verschiedene Deutungen dieser Form des Bewußtseins ein und setzt sie als die eine sinnliche Gewißheit. Einerseits läßt er nun die reine Unmittelbarkeit als das reine Sein erscheinen, das nicht mehr Komponente gegenüber der anderen Komponente des reinen Ich ist. Reines Sein wird vom Korrelat des reinen Bewußtseins zu einer Komponente einer nun umgedeuteten sinnlichen Gewißheit - denn ihm steht nun nicht mehr reines Bewußtsein gegenüber, sondern Dieser und Dieses in völlig gewandelter Deutung. Ursprünglich gab es nach Hegel nur zwei Komponenten: reines Ich war auf reinen Gegenstand (Sein) bezogen. Jetzt ist reines Sein zwar geblieben, ihm steht nun aber kein reines Ich mehr gegenüber, das ausschließlich auf dieses reine Sein bezogen wäre - sondern ein reines Ich mit einem anderen Diesen als Gegenüber. Plötzlich ist reines Sein gedoppelt! Es erscheint als unmittelbare sinnliche Gewißheit, die keine Vermitteltheit in sich hat, und als Korrelat zu einer sinnlichen Gewißheit, die in reines Sein und reines Ich getrennt ist. Das Verhältnis ist noch deutlicher beschrieben: aus dem reinen Sein fallen beide Komponenten "die beiden schon genannten Diesen" heraus. Es kann sich zunächst bei den Komponenten doch auch nur um diese in ihrer Reinheit handeln _ so wird das Verhältnis der beiden Deutungen von reinem Sein äußerst fraglich. Sinnliche Gewißheit ist mit diesen Überlegungen nun zu einer Bewegung geworden, die sich noch in der Gestalt der Reinheit dieses Bewußtseins ereignet. Die Paradoxie, die diese Form des Bewußtseins anfänglich in sich trug, hat sich jetzt in einer Bewegung dargestellt, die als reine Bewegung die Paradoxie zwar in keiner Weise löst (an reines Sein in beider Bedeutung und auch an reines Ich bleiben dieselben Fragen zu stellen), sie aber in expliziter Weise darstellt. Was aber Beispiel heißen kann, das wir doch als konkret-vermittelt vermutet haben, was somit diese ganze Bewegung bedeutet, die im Frage-gegenstand festgestellt worden war, das bleibt noch offen. Als nächstes ist zu bedenken, wer denn überhaupt in der Einheitssetzung der beiden Komponenten in die nämliche sinnliche Gewißheit gesprochen hat, auf welcher Ebene hier gedacht wurde. 8. "Reflektieren wir über diesen Unterschied, so ergibt sich, daß weder das eine noch das andere nur unmittelbar, in der sinnlichen Gewißheit ist, sondern zugleich als vermittelt." (80) Hegel fördert den Eindruck, als hätte der Unterschied zwischen unmittelbarer sinnlicher Gewißheit und deren Beispiel (der gleichzeitig schon zu Beginn als aufgehobener Unterschied gesetzt wurde) nichts mit dem philosophisch Fragenden zu tun, als ergäbe er sich selbsttätig in der sinnlichen Gewißheit. Diese ist aber ausschließlich als Frage-gegenstand zugänglich, und gerade als solcher zeigte sie sich als in die Paradoxie führend, deren explizite Darstellung als Bewegung der Unterschied war. Das heißt, daß nur sinnliche Gewißheit, die auf die beschriebene Art und Weise durch die Wahrheitsfrage gestellt wurde, einen solchen Unterschied kennt. Das heißt weiter, daß für diesen Unterschied und seine Bestimmung das philosophische Fragen zuständig ist, das im Frage-gegen-stand einen solchen Unterschied sichtbar machte. Das heißt aber nun in strikter Konsequenz, daß die Erkenntnis des philosophischen Bewußtseins, die Komponenten stünden in vermittelt-unvermitteltem Verhältnis, ursprünglich für die Komponenten gilt, die ja nur diesem philosophischen Fragen und seinem Erkennen ihr Dasein verdanken. Das hat zunächst nur für das Beispiel, in dem sich Ich und Gegenstand in ihrer Zweiheit ergeben, Bedeutung. Doch schon da hat es erstaunlichste Konsequenzen. Bisher war darauf Wert gelegt worden, daß als Kennzeichnung der sinnlichen Gewißheit die Unmittelbarkeit gilt. Nun wird plötzlich die Vermittlung in die sinnliche Gewißheit eingeführt, und zwar von dort her, von woher sinnliche Gewißheit überhaupt Frage-gegen-stand wurde: vom philosophischen Fragen. Wie steht das aber zur Maxime der Unmittelbarkeit, die ebenfalls vom philosophischen Fragen ausging? Ist nun Vermittlung, so wie wir es bisher getan haben, noch immer als solche bestimmter Inhaltlichkeit zu fassen, oder gibt es Vermittlung von Unbestimmtem, Vermittlung von Unvermitteltem? In diesem Fall fiele auch der Begriff der Vermittlung in die Paradoxie, die wir schon beim Verhältnis von Dieser und Diesem beobachtet haben. Wenn Ich und Gegenstand, die bisher nur als rein denkbar sind, gegeneinander nun plötzlich vermittelt sein sollen, dann fragt sich nämlich erneut, wie solche gegenseitige Vermittlung ("Ich habe die Gewißheit durch ein anderes, nämlich die Sache", 80) stattfinden kann, solange die Gleichheit von Ich und Gegenstand in ihrer Reinheit festgehalten werden muß, die das reine Bestehen eines Verhältnisses in eine Paradoxie bringt, an der nun mutatis mutandis die Vermitteltheit auch teilnimmt. Dies alles hängt in der Luft, denn es ist auf Konkretes hin gedacht, ist in Wirklichkeit Grenzgedanke des Konkreten, dessen, was als vermittelt ganz deutlich zu sehen ist und darin die Wahrheitsfrage nach einer vorgängigen Unmittelbarkeit und Gewißheit stellen läßt. Es steht also in der Spannung der gedoppelten Deutung der beiden Frageglieder als unmittelbar Wissender und konkret (meinend) Wissender sowie als reines Sein und als konkret (vermeintes) Sein. Hier wiederholt sich also - wie schon angedeutet - die Kantische Erkenntnisproblematik. In die jetzige Paradoxie hat uns die Tatsache getrieben, daß wir mit Hegel die Fragestellung von der Seite des Philosophen her gesehen haben. Hegel geht nun weiter, indem er die Gegenseite, das natürliche Bewußtsein zu Wort kommen läßt. 9. "Diesen Unterschied des Wesens und des Beispiels, der Unmittelbarkeit und der Vermittlung, machen nicht nur wir, sondern wir finden ihn an der sinnlichen Gewißheit selbst." (80) Zwei Dinge von höchster Wichtigkeit sind damit ausgesagt: das Problem des "Unterschiedes" und das des Verhältnisses von Fragendem und Frage-gegen-stand werden wesentlich artikuliert. Wir betrachten zunächst das, was Hegel über die Beschaffenheit der Glieder des Unterschiedes sagt. Der Unterschied selbst besteht zwischen der unmittelbaren sinnlichen Gewißheit (Wesen) und einem Beispiel dieser sinnlichen Gewißheit (Beispiel). Zwar wurde von Hegel thetisch vorausgesetzt, daß Wesen und Beispiel eine und dieselbe sinnliche Gewißheit sind, doch der Unterschied in dieser Einheit soll uns primär beschäftigen. Bis jetzt stellte er sich dar als Explizierung der Anfangsparadoxie des Verhältnisses, das das Wissen ist. Wissen mußte auf seine fundamentale Wahrheit befragt werden, die sich der Frage nach der Unvermitteltheit eröffnete. Ein solcherart unvermitteltes Verhältnis des Wissens erwies sich als undenkbar, solange Vermittlung jedem Verhältnis eignet und daher Verhältnis ohne Vermittlung (unmittelbares Wissen) genau so wenig denkbar ist wie die Wahrheit irgendeines konkreten Verhältnisses als ursprünglich konkret vermittelt. Die Komponente des fehlenden Verhältnisses war das reine Sein (Wesen) gewesen, die Gegenseite (ein reines bestehendes Verhältnis) das Beispiel. Im Bezug auf das Beispiel wurde nun nochmals dieselbe Aporetik akut, denn das reine Sein als Wesen konnte Hegel nicht weiter bestimmen; das Beispiel aber zeigte genau dieselbe Schwierigkeit, die zur Trennung von Wesen und Beispiel geführt hatte, nochmals. Denn als reines und doch bestehendes, konkretes Beispiel unterlag es wiederum den Fragen nach der Möglichkeit unvermittelter Vermittlung. In diesem Fall drückte sich das darin aus, daß das Verhältnis von Ich und Gegenstand in doppelter Weise bestimmt wurde: als vermittelt und unmittelbar. So wurde klar, daß es sich beim Beispiel um genau dieselbe Problematik handelte wie bei der ganzen sinnlichen Gewißheit. Fraglich genug war dabei schon die Doppelung des reinen Seins in solches, das in unvermittelt-vermitteltem Bezug zum reinen Ich steht. Nun aber unternimmt Hegel einen Gewaltstreich zur Lösung der Probleme, die wir bis hierher exponierten. Er vollzieht eine Gleichsetzung: Wesen = Unmittelbarkeit, Beispiel = Vermittlung! Was heißt das? Wesen war uns zwar als unmittelbares, reines Sein verständlich geworden doch Beispiel war sowohl unmittelbare als auch vermittelte Beziehung! Sofern Vermittlung immer der Unmittelbarkeit bedarf, war diese Unmittelbarkeit im Beispiel gedacht worden. Nun gibt es aber außer im Beispiel noch die Unmittelbarkeit des Wesens. Hegel macht nichts anderes, als die Doppelung der Unmittelbarkeit einfach aufzuheben. Sie gilt nun als einfach und die Unmittelbarkeit des Beispiels ist das Wesen. Das hat erhebliche Konsequenzen! Das heißt nämlich letztlich, daß das Wahrheitsfundament des Gegenstandes sinnlicher Gewißheit überhaupt (unvermitteltes, reines Sein) nichts anderes ist als das Wahrheitsfundament jeder einzelnen sinnlichen Gewißheit in ihrer (hier erst möglichen) Konkretion! Unmittelbarkeit wurde als Basis der Wahrheitsfrage gewählt. Sie erwies sich 1) als jede sinnliche Gewißheit in bestimmter Weise vorgängig gründend (im Daß des Verhältnisses) und 2) als jeder einzelnen sinnlichen Gewißheit (Beispiel) in bestimmter Weise zuvorliegend. Für Hegel ist nun die Grundlage jeder sinnlichen Gewißheit die fundamentale Beziehung von reinem Ich auf reinen Gegenstand, also das reine unmittelbare Sein gleich der Grundlage jeder vereinzelt-konkreten sinnlichen Gewißheit, die nun vermittelt sein soll. Die Dinge sind ungeheuer kompliziert, denn man muß ja gleichzeitig im Rückblick sagen, daß die sinnliche Gewißheit als Beispiel in keiner Weise als bestimmt gedacht werden konnte. Der Vermittlungsbegriff, losgelöst von Inhaltlichkeit, der solche Bestimmung von Beispiel ermöglichte, war ja selbst paradox, selbst mit der Konsequenz behaftet, eigentlich kein Vermittlungsbegriff - somit reines Sein - zu sein. Beispiel fiel so in das Wesen zurück, genau so wie das Wesen sich ins Beispiel ausfaltete, wenn anders die notwendige Herkunft vom Konkreten darin wirksam wurde, daß ein inhaltsloses Daß des Verhältnisses angenommen werden mußte, das dem restlosen Zusammenfall der Verhältnisglieder wehrte. Beispiel und Wesen waren also - kurz gesagt - durch die Wahrheitsfrage des Anfangs in ein Verhältnis der unvermittelten Vermitteltheit gebracht worden. Die sinnliche Gewißheit als Fragegegenstand selbst hatte sich in diese beiden Komponenten geteilt, die einerseits unterschieden, andererseits geeint diese wirkliche sinnliche Gewißheit ausmachten. Galt das aber für beide Komponenten, dann galt auch für jede einzelne, daß sie vermittelt und unmittelbar zu denken war. Das Wesen war dann als unmittelbares vermittelt, das Beispiel als vermitteltes unmittelbar. Sosehr man auch einen Unterschied geltend machen konnte - in der wechselseitigen Vermitteltheit und Unvermitteltheit lag er keineswegs, diese war vielmehr gerade die Einheit, die beides zusammenhielt. Dagegen stellt sich nun Hegel: er ordnet Unmittelbarkeit dem Wesen, Vermittlung dem Beispiel zu und macht die Unmittelbarkeit des Wesens zur Unmittelbarkeit des Beispiels, wo dieses doch eine eigene Unmittelbarkeit hat (wie das Wesen ja auch eine eigene Vermittlung hat)! Einfach gesprochen heißt das: was der Aussage einer konkreten sinnlichen Gewißheit vorhergeht, ist dasselbe, was jeder sinnlichen Gewißheit vorhergeht. Das, was dem Wissen um die Vorhandenheit eines bestimmten Buches (z. B.) vorhergeht, ist gleich dem, daß überhaupt irgend etwas einem solchen expliziten Wissen vorhergeht. Was damit unter den Tisch fällt, ist nichts anderes als die Differenz von (1) bestimmter und (2) unbestimmt zu denkender Unmittelbarkeit! Einerseits (1) ist das bloße Daß eines Wissensverhältnisses jeweils bestimmt negativ vermittelt, andererseits (2) versucht Hegel zu denken, wie über diese bestimmte Negation jedes einzelnen Wissens hinaus eine Negation überhaupt grundlegend erst jede bestimmte Negation des Wissens ermöglicht. Einerseits (1) ist sinnliche Gewißheit jeweils von Konkretem zu gewinnen und nicht prinzipiell vorgängig zu Beispiel, ohne irgendein Beispiel zu erlangen, andererseits (2) ist sie tiefer gegründet als in dem, was jeweils konkreten Beispielen vorausgeht. Diese Unmittelbarkeit ist in jedem Beispiel konkretisierte Vorgängigkeit von Unvermitteltem überhaupt. Gerade die Unabdingbarkeit beider Komponenten macht menschliche sinnliche Gewißheit aus: sie ist niemals ohne Beispiel zu denken und niemals nur vom Beispiel her zu verstehen. Bestimmte Negation und Negation überhaupt sind irreduzibel in ihr verfügt _ das kann die Unterscheidung von Wesen und Beispiel andeuten. Doch gerade diese Unterschiedenheit wird nun eliminiert. Gerade der Unterschied von Negation überhaupt (die sich an das Wesen als seine Unmittelbarkeit knüpft) und bestimmter Negation (die das Beispiel konstituiert), der Unterschied zwischen prinzipieller Unmittelbarkeit und bestimmter Unmittelbarkeit fällt weg. Für Hegel öffnet sich so der Weg dazu, die Wahrheit der sinnlichen Gewißheit als die Allgemeinheit im Sinn der Negation überhaupt zu bestimmen, denn die Rolle der bestimmten Negation (die alle von ihm gebrachten Beispiele konstituiert) fällt aus, da ja auch die bestimmte Unmittelbarkeit des Beispiels wegfällt. Diese Konsequenz ist für den Fortgang primär wichtig. Doch umgekehrt hat das auch seine Folgen auf die Unmittelbarkeit überhaupt sowie auf deren Negation überhaupt. Da nämlich keine Differenzierung der Unmittelbarkeit überhaupt von einer bestimmten Unmittelbarkeit möglich ist, ist es auch nicht möglich, ein Prinzip zu denken, das in gemäßer Form von dem Begründeten abgehoben und doch nicht abgehoben ist. Dieses Verhältnis von Unmittelbarem überhaupt und in concreto unter der Perspektive des Begründungszusammenhanges gesehen, wirft Fragen auf, die über die Phänomenologie hinausführen. Zunächst muß es bei diesen Andeutungen bleiben. Wir wenden uns nun der zweiten Hauptaussage des zu interpretierenden Satzes zu. Der Unterschied von Wesen und Beispiel, die Paradoxie der unvermittelten Vermittlung also, wird von Hegel als solcher bezeichnet, der nicht nur vom Fragenden an den Frage-gegen-stand herangetragen wird, sondern der an diesem Frage-gegen-stand selbst vorgefunden wird. Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß das Fragegefüge in keine Richtung einseitig betont werden darf; die Unterschiedenheit wird einerseits nur am Frage-gegen-stand sichtbar, wird also so durch den Fragenden ermöglicht. Andererseits gibt es Frage nicht ohne ihren Gegenstand, der als solcher in seiner eigenen Bestimmtheit erscheinen muß. Diese Irreduzibilität des Fragegefüges läßt fragen nach dem Herkunftsort der Frage, der es ermöglicht, daß weder philosophische Fragen noch sein Gegen-stand allein, sondern beide in untrennbar-getrenntem Zusammen die Unterschiedenheit von Wesen und Beispiel, die uns jetzt für die explizierte Paradoxie steht, sehen lassen. 10. "Es ist in ihr (sc. der sinnlichen Gewißheit des natürlichen Bewußtseins) eines als das einfache unmittelbare Seiende oder als das Wesen gesetzt, der Gegenstand, das andere aber, als das Unwesentliche und Vermittelte, welches darin nicht an sich, sondern durch ein anderes ist, Ich, ein Wissen, das den Gegenstand nur darum weiß, weil er ist, und das sein oder auch nicht sein kann. Der Gegenstand aber ist, das Wahre und das Wesen." (80 f.) Nur mehr ein Aspekt der sinnlichen Gewißheit ist hier fundamental: der des Beispiels. In die Struktur des Beispiels (Ich-Gegenstand) eingefügt, tritt nun das auf, was jenseits von jeder Einfügung stehen sollte: das reine, unmittelbare Sein als Wesen der sinnlichen Gewißheit. Damit ist eine der Spannungen zerbrochen, die die Wahrheitsfrage des Anfangs entstehen ließ. Denn das gleichberechtigte Verhältnis von Wesen und Beispiel war ja Ausdruck für die Paradoxie der Wahrheitsfrage gewesen. Fällt die Gleichberechtigung weg, dann ist auch zu vermuten, daß sich etwas an der Wahrheitsfrage ändert. Dies ist tatsächlich der Fall. Die offengehaltene Spannung war Ausdruck dafür, daß die Basis menschlichen Wissens (als dessen Fundament) zu erfragen ist, daß aber andererseits diese Grundlage nicht mehr in der Weise gedacht werden konnte, wie jedes Begründete gedacht werden kann. So wurde an dieser transzendentalen Wahrheitsfrage, die den Anfang der Phänomenologie durchaus noch prägt, die Bestimmung des Denkens selbst in der Frage nach dessen Wahrheit problematisch. Anders als in der beschriebenen Paradoxie ließ sich diese Frage nicht aufrechterhalten. Man kann das auf folgende Formel bringen: Vermittlung will ihre Voraussetzung als unvermittelte Vermittlung (= Verhältnis) vermitteln. Oder anders gewendet: Denken erkennt Sein denkend als gedachte Voraussetzung, die nicht in gleicher Weise Denken ist. Faßt man die Spannung des Anfanges auf diese Weise, dann sieht man schnell, was die Unterordnung des reinen Seins in das Beispiel und seine Struktur besagt: Sein ist Gegen-stand des Denkens, ist als unmittelbar dem Vermitteln entgegengestellt. Das lag nicht in der Konsequenz des Anfanges: die Trennung von Wesen und Beispiel ließ es durchaus noch zu, forderte es sogar, zwischen einer Unmittelbarkeit als Gegen-stand des Beispiels und einer solchen außerhalb jeden Beispiels zu trennen. Diese beiden Unmittelbarkeiten müßten - wenn man sie festhalten wollte - in demselben Verhältnis zueinander stehen wie Wesen und Beispiel - nämlich wiederum unmittelbar und vermittelt in der Paradoxie. Es ist dann einsichtig, daß die Ausgangsforderung es ist, die Wesen und Beispiel, Ich und Gegenstand sowie beide Unmittelbarkeiten in diese Paradoxie gebracht hat! Daraus folgt, daß der Herkunftsort der als Wahrheitsfrage bestimmten Anfangsforderung diejenige Ausprägung des Verhältnisses der Frageglieder aus sich entläßt, die wir als Paradoxie der unvermittelten Vermittlung der Frageglieder und in den Fragegliedern beschrieben haben. So müßte aber zuletzt die Entscheidung über das Zusammengehören jedes dieser Paare (das durch Unvermitteltheit und Vermittlung bestimmt ist) aus einer Besinnung auf den speziellen Charakter der anfänglichen Wahrheitsfrage kommen. Wenn das nicht geschieht, dann ist man in Versuchung, mit Hegel die Spannung der Glieder Unvermitteltheit - Vermittlung dadurch aufzuheben, daß man Unvermitteltheit als Grenzfall der Vermittlung setzt und nicht bedenkt, daß wohl Vermittlung ihr Unmittelbares hat, daß dieses aber von Anfang an nicht dem gleichzusetzen ist, was "vor" jeder Vermittlung und deren Unmittelbarkeit als durch bestimmte Vermittlung unvermittelbare, damit überhaupt unvermittelbare Voraussetzung von bestimmter Vermittlung aufgetreten ist. Daß überhaupt solche Unmittelbarkeit auftrat, spaltete Unmittelbarkeit in die doppelte Bedeutung der bestimmten Unmittelbarkeit des Beispiels und der unbestimmten, jedem Vermitteln vorausliegenden Unmittelbarkeit des Wesens. Nur in der zweiten Unmittelbarkeit ließ sich diese Paradoxie zumindest festhalten, daß es ja nicht Vermitteln sein kann, was diese Voraussetzung jeder Vermittlung begründet. Nur im Festhalten an der Aporie eines reinen Seins, das nicht letztlich ins Denken einmündet, konnte die Wahrheitsfrage nach dem Denken gestellt werden, das jeweils Gegen-stand in prinzipieller Weise unverfügbar (durch die Frage gegeben) hat, "bevor" und indem es Gegen-stand verfügbar (bestimmt) hat. Wenn nun das Prinzip jeder Gegen-ständlichkeit, das unreflektierte paradox unvermittelbare Wesen als der Gegenstand bestimmten Vermittelns erscheint, so heißt das, daß aus der Frage nach dem Woher der bleibenden Paradoxie von Grund und begründetem Wissen die Behauptung geworden ist, daß der Grund der Erkenntnis, ihr vorgängiges Unmittelbarkeitsverhältnis überhaupt, nochmals der Erkenntnis unterliegt, obwohl doch gerade sie in der Frage nach ihrem Grund in die Paradoxie geführt hat. Die Paradoxie läßt nach ihrem Grund fragen und bestimmt ihn in der Weise, wie alles Begründete bestimmt wurde. Das heißt gleichzeitig, daß es darum geht, die Forderung nach unmittelbarem Wissen zu unterbauen und durch einen nochmaligen Grund abzusichern. Die Forderung ist am Anfang abstrakt, obwohl sie bestimmend für die ganze weitere Entwicklung ist. Sie wird im weiteren gerade in dieser Abstraktheit ausgebaut zum Resultat einer vorgängigen Entwicklung, wo sie doch nur solches einer erst zu initiierenden Entwicklung ist. Der Schritt zurück in den Grund der Paradoxie zeigt in Wahrheit zunächst nichts anderes als diese, solange man sich wechselweise an den Gliedern des Verhältnisses festhält. Sobald man aber dazu übergeht, sich mit den Mitteln des vermittelnden Denkens des Seins und des Denkens zu bemächtigen, ist man auch gezwungen, eine Entwicklung der Unmittelbarkeitsforderung zu denken, die dem konkreten Einsatz der Forderung eine Geschichte vorspannt, die sich in keiner Weise als unvermittelt legitimieren kann, obwohl sie das sein muß. Die Paradoxie als Resultat der Wahrheitsfrage der Erkenntnis nach dem Grund der Erkenntnis hatte ja unumgehbar jede Erkenntnis von Wahrheit durch die Radikalität der Frage in Zweifel gestellt. Da also diese Wahrheitsfrage in die Paradoxie führte, war auch das Wesen von Erkenntnis überhaupt fraglich geworden. Angesichts dieser Situation gibt es zwei Möglichkeiten: entweder man besinnt sich auf den Herkunftsort der Wahrheitsfrage, die solche Konsequenzen zeitigt, und erkennt die Frage so als unverfügbar bestimmt (z. B. im Sinn der neuzeitlichen Gewißheitsfrage), oder man entschließt sich dazu, die fraglich gewordene Erkenntnis mit ihrer Auszeichnung als Vermittlung nun nochmals dort anzuwenden, wo sich gerade die Fragwürdigkeit herausgestellt hat: bei der Ursprungsfrage solcher Erkenntnis. Wenn also das Verhältnis von Unvermitteltem und Vermitteltem zum Problem geworden ist, weil Unvermitteltes in der doppelten Gestalt auftritt, solches von jeweiligem Vermitteln und solches vor jeweiligem bestimmten Vermitteln zu sein, wenn, kürzer gesagt, das Verhältnis von Sein und Denken gezeigt hat, daß unvermitteltes und vermitteltes reines Sein zu unterscheiden sind, dann stellt sich die Entscheidungsfrage, ob das Denken, das in der doppelten Bedeutung des Unvermittelten fraglich wurde, in seinem Vermittlungscharakter nun beide Deutungen der Unmittelbarkeit als Vermittlung umgreifen kann. In der wechselseitigen Abhängigkeit von Vermittlung und Unvermitteltheit war ja keiner Komponente der Vorzug zu geben. Denken und Sein waren zusammengehörig in Gleichberechtigung. Wenn es nun darum geht, den Herkunftsort dieses Zusammengehörens zu bedenken, zu fragen, inwiefern die bestimmte Anfangsfrage der Phänomenologie aus einer besonderen (unverfügbaren) Schickung aus dem Ursprung der Frage kommt, dann ist es keineswegs ausgemacht, daß dieses Zusammengehören von Denken und Sein nochmals vom Denken her (das genau so fraglich wurde wie Sein) und von diesem ausschließlich gedeutet werden soll. Dies umso mehr, als Denken in der bestimmten Deutung als Vermittlung auftrat, welche Deutung ebenfalls fraglich wurde und in die Richtung der Herkunft der ganzen Frage blicken ließ. Denken als Vermittlung von Vermittlung und Unmittelbarem will die Herrschaft über den Raum antreten, aus dem jede Komponente des Wissens und die bestimmte Deutung von deren Verhältnis erst entspringt. Das, was dieses bestimmte Verhältnis erst sein läßt, wird mit dem, was es sein läßt, verdeckt, wenn das Gegründete in seiner bestimmten Gegründetheit den Grund verdeckt. Das Verhältnis von Sein und Denken, in dem beide Komponenten in ihrer bestimmten und in ihrer prinzipiellen Charakterisierung fraglich geworden sind, nochmals mit den Mitteln des Denkens allein zu denken, heißt aber, die Frage nach der Herkunft von Sein und Denken vermeiden, heißt an der hier zu kommentierenden Stelle das reine Sein des Wesens der sinnlichen Gewißheit als Sein des Beispiels zu setzen. Indem Wesen dem Beispiel untergeordnet wird, wird das Sein zum Gegen-stand des Denkens, und so wie bestimmte Gegen-ständigkeit als vom Denken bestimmt zu erweisen ist, wird nun Sein Überhaupt als vom Denken bestimmt betrachtet! Das unaufhebbare Daß der Gegen-ständlichkeit von Fragendem und Gegen-stand der Frage wird dadurch beseitigt, daß dieses Daß wie jedes Was von Gegen-ständlichkeit in die Bestimmungstätigkeit des Vermittelns hineingenommen wird. Wenn die reine Faktizität von Gegen-ständlichkeit zu einem Modus bestimmter Gegen-ständlichkeit wird, dann kann Denken das Sein so behandeln wie eine Seinsbestimmung. Wenn Sein unter die Gesetzmäßigkeit gerät, die Denken jedem Seienden gegenüber anwendet, ohne daß bedacht wird, daß ja gerade die Fraglichkeit dieser Gesetzmäßigkeit zur Frage nach dem Daß der Gegen-ständlichkeit geführt hat, dann freilich hat solchermaßen gesetztes Denken im universellen Vermittlungsanspruch auch am Sein keine Schranke mehr - und steht in einer tiefen Seinsvergessenheit. So ist es die Insistenz auf Fraglichem, für die sich der universale Vermittlungsanspruch entscheidet. Dagegen lehnt er es ab, bei solcher Sachlage nochmals die Frage aufzurollen und bei ihr stehen zu bleiben, welche Auszeichnung der Herkunftsort von so verstandenem Denken und Sein haben muß. Es kann keinen Zweifel daran geben, daß ein Zusammengehören von Denken und Sein jede Frage der Philosophie und der Menschen ermöglicht und prägt. Was aber in extremster Weise fraglich wurde, ist der Anspruch des Denkens, in einer bestimmten Deutung dieses Zusammengehörens die Herrschaft über Denken und Sein (über Wesen und Beispiel) zu erlangen. Dies alles gilt auch angesichts der Situation der Phänomenologie, die wir kommentieren wollen, obwohl ja dem Gegenstand zunächst die Dominanz zugeschrieben wird. Das ist nur die erste Stufe einer Entwicklung, die bald genug Gegenstand und auch das korrelierende Denken fragwürdig macht zugunsten einer Deutung von deren fraglichem Zusammen, die sich auf die Setzung der absoluten Geltung eines Teils des Verhältnisses beruft. - Wir haben das in der eben angestellten Überlegung für die Vermittlung bedacht, weil die Forderung nach absolu ter Vermittlung hier die Hegelschen Gedanken prägt. Zur umfassenderen Sicht muß freilich das in der Einleitung Gesagte beigezogen werden. III. Anfang und Ende der Phänomenologie des Geistes aus der Perspektive der sinnlichen Gewißheit und ihrer Vorentscheidungen 1. Sinnliche Gewißheit und ihre Bedeutung für die Phänomenologie Wir hatten entwickelt, wie in der Anfangsfrage der Phänomenologie Fragender und Frage-gegen-stand auseinandertraten und in dieser bestimmten Frage das Befragte sich als strukturiert erwies. Die sinnliche Gewißheit war in ihrem leitenden Verständnis als Beispiel in Dieser und Dieses, Ich und Gegenstand auseinandergetreten. In unseren Überlegungen war es bisher nicht nötig, zwischen zwei möglichen Deutungen von Gegenstand zu unterscheiden. Eine Unterscheidung, wie sie implizit immer schon mitgegeben war, ist nun an der Zeit: zu trennen ist 1) Gegenstand der sinnlichen Gewißheit, der als konkret vermeint wird und in sinnlicher Vermitteltheit die Züge des Objekts im Alltagsverständnis der Subjekt-Objekt-Problematik hat, und 2) Gegen-stand für jedes wissende Ich, für jede Frage. Es erhellt, daß Gegenstand der sinnlichen Gewißheit nur gedacht werden kann, wenn zuvor die Struktur des Wissens als die von Wissendem und Gewußtem in prinzipieller Gegen-ständigkeit gedacht wird. Gewißheit liegt also ermöglichend dem Gegenstand der sinnlichen Gewißheit zuvor. Dies ist deshalb jetzt wichtig, weil im Übergang von der Struktur der sinnlichen Gewißheit zu den weiteren Überlegungen Hegels zwar jede Gegenständlichkeit sinnlicher Provenienz aufgehoben wird, die Gegen-ständlichkeit aber bis zur End- (und damit Anfangs-) frage durchgehalten wird. Die vermeinte Konkretheit sinnlicher Gewißheit erweist sich im 1. Kapitel der Phänomenologie gegründet und eigentlich verwirklicht, in der reinen Gegen-ständlichkeit als vermittelt-einfaches Allgemeines, das als Abstraktion gedacht wurde. Dabei erkennt das Bewußtsein, daß im Sinn der reinen Negation, die es jeder Inhaltlichkeit entgegensetzt und im Sinn der bestimmten Negation (die allerdings in ihrer Bedeutung zurücktritt) es selbst sich Gegen-stand ist: "Der notwendige Fortgang von den bisherigen Gestalten des Bewußtseins, welchen ihr Wahres ein Ding, ein Anderes war, als sie selbst, drückt eben dies aus, daß nicht allein das Bewußtsein vom Dinge nur für ein Selbstbewußtsein möglich ist, sondern daß dies allein(!) die Wahrheit jener Gestalten ist." (128) Gegenständlichkeit dinglich verstanden ist eliminiert, nicht aber die Gegenständlichkeit überhaupt: "Es ist darin (sc. im Selbstbewußtsein) zwar auch ein Anderssein; das Bewußtsein unterscheidet nämlich, aber ein solches, das für es zugleich ein nicht Unterschiedenes ist." (133) Die Struktur der Gegen-ständigkeit bleibt erhalten, auch wenn im Selbstbewußtsein und dann im Begriff der Vernunft und des Geistes die Deutung des Inhaltes des Gegen-standes von derjenigen des sinnlichen Anfanges unterschieden ist. Das ist auch auf unsere Anfangsfrage anzuwenden, die ja die Struktur von Fragendem (Ich) und Frage-gegen-stand (sinnliche Gewißheit) trug. Es zeigt sich hiermit, daß die ontologische Struktur, die im Befragten aufgedeckt wurde, die nämliche ist, die in der Frage aufschien: diejenige von Ich (Selbst, Fragendem, Wissen) und seinem Gegen-stand (Gegenstand, Substanz, Befragtes, Gewußtes). Wenn wir - gestützt auf diese fundamentale Strukturgleichheit - den Übergang vom Bewußtsein zum Selbstbewußtsein mit Hegel vollziehen, dann vollziehen wir auch den Schritt, in dem jeder Gegen-stand solcher in irreduzibler Verfügtheit mit dem Ich ist. Genau wie Dieser und Dieses unvermittelt und vermittelt das Beispiel der sinnlichen Gewißheit ausmachte, war uns ja schon klar geworden, daß Fragender und Frage-gegen-stand des Anfanges unaufhebbar gegeneinander standen. Ist nun Gegenstand im Selbstbewußtsein als solcher bestimmt, der einerseits unterschieden, andererseits ununterschieden ist, dann gilt auf der Stufe der Frage und auf derjenigen des Selbstbewußtseins dieselbe Irreduzibilität wie auf der Stufe des Befragten. Dann stellt sich aber hier auch direkter die Frage nach dem Herkunftsort der solchermaßen bestimmten Frage und des Verhältnisses der Frageglieder. Es ist dann - hegelisch gesprochen - die Frage akut, was Selbst und Substanz (Ich und Gegenstand) in ihr Zusammengehören bringt, was die Prägung in deren Verhältnis als vermittelt-unvermittelt sein läßt. Es ist die Frage nach dem Geist: "Denn der Geist ist das Wissen seiner selbst in seiner Entäußerung; das Wesen, das die Bewegung ist, in seinem Anderssein die Gleichheit mit sich selbst zu behalten." (528) Was hier beschrieben ist, ist strukturell schon im Selbstbewußtsein gegeben (vgl. 140). Berechtigt durch diese Erkenntnis, behandeln wir im weiteren die Problematik der sinnlichen Gewißheit als solche des Geistes. An dessen Behandlung muß sich auch die sinnliche Gewißheit letztlich orientieren. Was uns dabei allerdings bereits bei der Analyse der sinnlichen Gewißheit fraglich wurde, ist die Abblendung der Frage nach dem Woher solchen Verhältnisses, denn dieses Bei-sich-Sein im Anderssein ist ja eine bestimmte Kennzeichnung bestimmt verstandener Komponenten - so also ist Geist nochmals der Frage nach seinem Herkunftsort unterworfen. Wir haben vorgreifend schon Hegels Antwort - die Setzung der Interpretation des Herkunftsortes von Wissen als Wissen - genannt und ihre Fraglichkeit aufgedeckt. Die jetzigen Überlegungen dienen nur dazu, die Verbindung herzustellen, die zwischen der Struktur der sinnlichen Gewißheit und derjenigen des Geistes als des letzten Herkunftsortes von Ich und Gegen-ständlichkeit besteht. Wenn man sich nicht daran festklammert, daß sinnliche Gegenstände anderes sind als der Inhalt des Selbstbewußtseins und so die Inhaltlichkeit der sinnlichen Gewißheit, die Hegel gerade eliminiert, wieder hereinbringt, dann ist zwischen der Wesensstruktur der sinnlichen Gewißheit und des Geistes kein anderer Unterschied als derjenige, daß eine Entwicklung die bleibenden Gegensätze immer neu bestimmt hat. Diese Entwicklung kann dann als Bewegung im Schema Subjekt-Substanz beschrieben werden. Die Bewegung selbst als Bewegung des Geistes aber ist nur deutbar aus dem Herkunftsort, der die Komponenten und deren Beziehung - wie wir sahen in bestimmter, unverfügbarer Weise - aus sich entließ. Wenn es eine solche durchgängige Bewegung gibt, dann hat sie ihren Anfang bei der sinnlichen Gewißheit in der Doppelung der Komponenten, die wir entwickelt haben. Wir haben ja gesehen, daß anfänglich die Forderung nach Unmittelbarkeit die Spannung zwischen angezielter Unmittelbarkeit und (vermeintlich) konkreter, wahrer Unmittelbarkeit als Spannung und so den Gang des Bewußtseins erst ermöglicht hat. Dabei wurde angeknüpft bei der Wirklichkeit der sinnlichen Gewißheit, also einer ersten Station in der Bewährung der Forderung. Der ganze Gang der Phänomenologie hängt aber von dieser Spannung ab - davon, daß sich in der jeweiligen Verfügtheit von Ich und Gegen-stand die Frage danach erhält, wie unmittelbar wahre Beziehung der Komponenten Wahrheit zur Gewißheit machen könnte. Man könnte sagen, daß die aufrechterhaltene Unmittelbarkeitsforderung den Gang möglich macht und zwar paradoxerweise gerade gegen die Forderung nach absoluter Vermittlung. Dieses Zusammengehören selbst aber ist fraglich. Da die Forderung in der ersten Bestimmtheit als Frage an die sinnliche Gewißheit scheitert, wird sie an jede Konfiguration von Wissen gestellt; in jeder Konfiguration aber zeigt sich, daß die intendierte Unmittelbarkeit nicht erreicht ist, daß vielmehr die Vermittlung immer als Zwischeninstanz der Frage nach unvermittelter Wahrheit (die Gewißheit ist) in den Weg gestellt ist. Es ergibt sich dabei dies, daß die Spannung zwischen philosophischem Fragen und in sinnlicher Gewißheit Wissendem, zwischen unmittelbarem Wissen und unmittelbarer sinnlicher Gewißheit so auseinandergedehnt wird, daß die ganze Phänomenologie darin Platz hat. Das Wissen, das als Intendiertes der Wahrheitsfrage des Anfanges am Anfang angestrebt wird, ist das der unvermittelten, ursprünglichen und fundierten Übereinkunft von Denken und Sein in der Gestalt des absoluten Wissens. Es ist zwar abstrakte Forderung und entwickelt sich gerade deshalb weiter, doch so ist mit ihm schon das Endziel markiert, das nur erstrebt wird, wenn diese Markierung stimmt. Dies ist letztlich die Auszeichnung des "Verhältnisses", das zwischen philosophischem Fragen und seinem Frage-gegen-stand am Anfang der Phänomenologie herrscht. Die ganze Diskussion um die Erkenntnisproblematik ist also in dieser ersten Forderung nach unmittelbarem Wissen enthalten. Die Forderung nach Unmittelbarkeit aber trifft zwei Verhältnisse: dasjenige des Fragegegen-standes und dasjenige von Fragendem und Frage-gegen-stand, das als Leitfaden für die Frage überhaupt dient. Dieses zweite Unmittelbarkeitsverhältnis ist dasjenige, das in der Gewißheitsfrage, die den Gang erst ermöglicht, als erste ursprüngliche, einzuholende Voraussetzung angesprochen ist. Auf dem Weg des Einholens dieser Voraussetzung, des Einlösens dieser Forderung, wendet sich das Bewußtsein zunächst an die andere Unmittelbarkeit, die der sinnlichen Gewißheit zuvorliegt. Doch sosehr die Kennzeichnung des Verhältnisses als Unmittelbarkeit es nahelegt, daß hier schon gefunden ist, was gesucht wurde (unmittelbare Wahrheit und Gewißheit von Wissen), so fern ist diese sinnliche Gewißheit dem Ziel. Indem sie nämlich gefragt wird, erweist sie sich als ein Wissen, das gerade in deutlichster Weise das an sich trägt, was überwunden werden soll - die abstrakte Negation des Ich durch das Bestehen von Gegen-stand. Jedes inhaltliche Wissen konnte leicht in der Wahrheitsfrage auf das Desiderat der Unmittelbarkeit zurückgeführt werden - so war man am Anfang der Phänomenologie. Beim Versuch, dem inhaltlichen Wissen nun als Grundlage die sinnliche Gewißheit vorzuspannen, die solche gefragte Unmittelbarkeit besaß, zeigte sich, daß gerade diese Unmittelbarkeit das Problem erst setzte, indem sie sich als vermittelt erwies. Das philosophische Fragen erzeugte in dem, was seiner Absicht am nächsten zu kommen schien, gerade das, was am entschiedensten dieser Absicht widersprach: die Entgegensetzung von Wissen und Gegen-stand in seiner Negation. Doch trotz aller Fremdheit blieb die so charakterisierte sinnliche Gewißheit in ihrer Unmittelbarkeit und einfachen Vermitteltheit der Ursprungsfrage näher als jede inhaltliche Auffüllung von Gegen-ständlichkeit und deren vermittelndem Wissen. Die beiden ersten Unmittelbarkeiten waren ja die von ursprünglicher Einheit von Denken und Sein und die von ursprünglicher Einheit von beiden vor der Explikation der sinnlichen Gewißheit. Die erste Einheit war vermittelt über die Wahrheitsfrage in der ganzen Philosophie der Neuzeit bis Kant. Diese erste Gestalt war also über jede Inhaltlichkeit (zumindest intentional) vermittelt und zielte so auf konkreteste, alles umfassende Unmittelbarkeit als Grundlage jedes Wissensverhältnisses. Die zweite Einheit war noch nicht über irgendetwas vermittelt, was sich als konkret ausweisen konnte. In der Prüfung dieser Einheit, die der ersten Einheit gleichgekommen wäre, wenn sie konkret gewesen wäre, zeigte sich, daß noch gar nicht das Problem der Vermittlung in dieser Einheit aufgetreten war, wie es selbstverständlich jeder philosophischen Frage nach Unmittelbarkeit von Denken und Sein zu Grunde lag. Das philosophische Streben nach Unmittelbarkeit, das als Agens der Frage auch den Frage-gegen-stand geprägt hatte, hatte ja die Problematik jeder Gegen-ständlichkeit schon hinter sich, die sinnliche Gewißheit hatte diese Problemstellung noch vor sich, sie erhielt sie überhaupt erst durch ihre Eigenschaft als Frage-gegen-stand. Das alles wurde gesagt, um zu explizieren, wieso sinnliche Gewißheit der Phänomenologie immer in der unmittelbaren Nachbarschaft mit dem absoluten Wissen gesehen wird. Die genauere Darstellung dieses Sachverhaltes wird uns des weiteren noch beschäftigen. Wir halten hier bloß fest, daß die Spannung von letztgültiger Unmittelbarkeit des absoluten Wissens und anfänglicher Unmittelbarkeit vor sinnlicher Gewißheit, so wie sie implizit schon zu Beginn der Phänomenologie auftritt, in sich den ganzen Gang enthält, den der Geist nach Hegel geht. In unserer Ordnung der Unmittelbarkeiten drückt sich dabei aus, daß eine geforderte Unmittelbarkeit der sinnlichen Gewißheit und ihrer Unmittelbarkeit vorausgesetzt ist, obwohl die zweite ja den Ansatz zur weiteren Deduktion abgibt. Das heißt aber daß die ganze Phänomenologie dorthin unterwegs ist, wo sie das einholt, was sich am Anfang als Ermöglichung der sinnlichen Gewißheit, als Spannung und Ziel eröffnet hat. Insofern also von der Bewegung des Geistes gesagt werden kann, daß sie in der Schematik der Subjekt-Substanz-Beziehung vom Anfang bis zum Ende sich bewegt, kann von dieser Verwandlung gelten: "Sie ist der sich zurückgehende Kreis, der seinen Anfang voraussetzt und ihn nur im Ende erreicht." (559) Der sinnlichen Gewißheit ist in diesem Diktum Hegels selbst eine Rolle eingeräumt, die es zur Pflicht macht, ihr das zu eigen zu geben, was sie auf Grund solcher überragender methodischer und sachlicher Stellung für sich fordern kann. Sie ist nicht mehr und nicht weniger als die erste Station auf dem Wege, der nach der anfänglichen, ursprünglichen Entzweiung, die durch die Forderung nach Unmittelbarkeit angezeigt ist, notwendig wurde. In diesen Spannungsraum ist die ganze Phänomenologie eingebaut. Er macht sich in der sinnlichen Unmittelbarkeit erstmals geltend. Dementsprechend hat die Deutung dieser sinnlichen Gewißheit die entscheidendsten Konsequenzen auf die Deutung der ursprünglichen Unmittelbarkeit. 2. Das Ende der Forderung nach Unmittelbarkeit: das absolute Wissen Wir deuteten die Phänomenologie als den Weg, auf den jedes Wissen durch die Forderung nach unmittelbarem Verhältnis zwischen den Wissensgliedern gebracht wird. Dies zeigte sich als gleichberechtigt mit der Forderung, alles zu vermitteln. Der anfänglichen Forderung nach Unmittelbarkeit, die als eine Gestalt der umfassenden Wahrheitsfrage nach dem Grund von Gegenstand und damit nach dem von Selbst auftrat, war aber kein Wissen gewachsen. Hegel selbst beschreibt sein Werk in dieser Weise. Er sagt, daß: "in der Phänomenologie jedes Moment der Unterschied des Wissens (sc. des Selbst) und der Wahrheit (sc. des Gegenstandes), und die Bewegung ist, in welcher er sich auflöst." (562) In dem Postulat der Überwindung des ständig neu auftretenden Unterschiedes - der die Vermittlung ist - weist die Phänomenologie über alles Wissen hinaus, das untersucht wird. Doch was geschieht mit der Forderung? Entweder sie kann nicht eingelöst werden, dann bleibt die menschliche Erkenntnisproblematik (und natürlich so der Mensch selbst) in den Paradoxien der endlichen Erkenntnis stecken, die wir zur Genüge entwickelt haben. Oder sie wird eingelöst, dann müßte zunächst gefragt werden, wie das geschehen kann. Nach Hegel muß das geschehen und es geschieht dadurch, daß der so verstandenen Phänomenologie eine "Wissenschaft" vor- und nachgeschaltet wird, die gerade darin besteht, den Unterschied von Wissen und Wahrheit des Gegen-standes nicht mehr zu kennen - also unmittelbares Wissen zu sein: ". . . so enthält dagegen die Wissenschaft diesen Unterschied und dessen Aufheben nicht, sondern indem das Moment die Form des Begriffs hat, vereinigt es die gegenständliche Form der Wahrheit und des wissenden Selbst in unmittelbarer Einheit" (562, Hervorhebung von mir). Hegels Wissenschaft löst die Forderungen ein, die von Anfang an bestanden. Indem sie der abstrakten Unmittelbarkeit die Forderung nach absoluter Vermittlung entgegengesetzt und doch gleichzeitig auch die Forderung nach letztgültiger Unmittelbarkeit aufrechterhält, kommt sie zu einem Ende, das wie der Anfang Vermittlung und Unmittelbarkeit - nur jetzt absolut - gleichsetzt. Sie ist gekennzeichnet durch den Begriff, von dem gesagt wird: "Diese letzte Gestalt des Geistes, der Geist, der seinem vollständigen und wahren Inhalte zugleich die Form des Selbst gibt - . . . ist das absolute Wissen." (556) In der Aufarbeitung jeden Wissens und jeder Wahrheit bewährt sich der Geist im Letzten als die unmittelbare Einheit beider (12). Ein letzter Beleg soll dieses Resultat noch stützen: "Ich ist nicht nur das Selbst, sondern es ist die Gleichheit des Selbst mit sich; diese Gleichheit aber ist die vollkommene und unmittelbare Einheit mit sich selbst, oder dies Subjekt ist ebenso sehr die Substanz." (560) In all dem ist Sein vom Ich als Selbst gesetzt, um den Unterschied im letzten Schritt aufzuheben. Was ist dann noch Gegenstand? Die Antwort darauf muß lauten: im Letzten und daher letztlich - Selbst. In der Behandlung des zehnten Satzes der "Sinnlichen Gewißheit" hatten wir diese Konsequenzen schon angedeutet und gezeigt, daß es sich dabei um eine Antwort handelt, die Fragliches (menschliches Wissen in der Bestimmtheit Vermitteln zu sein) in seiner Fraglichkeit (Paradoxie der vermittelten Unvermitteltheit als Grund des Wissens) als Antwort (absolutes Wissen) setzt. Es ließe sich ausführlich zeigen, daß sich eine solche Problemstellung auch ergibt, wenn man die Sache vom Unmittelbaren her durchdenkt. Dies verweist weiter zurück auf das Zusammengehören beider. Die Forderung nach Unmittelbarkeit wird durch die Forderung der letztgültigen Einheit von Selbst und Substanz beantwortet. Dem Postulat der Unmittelbarkeit entspricht das Postulat der endgültigen, vollkommenen, wahrhaftesten Einheit der Komponenten, die unmittelbar sein sollen. So dominiert am Ende nicht nur das absolute Selbst, sondern auch das absolute Unmittelbare. Bei beiden handelt es sich um die bis ins Absolute getriebenen Forderungen an die Wahrheit menschlicher Erkenntnis - freilich dies im Modus der Antwort. Das läßt zwar gerade durch diesen Modus noch erkennen, daß es eine Frage gab, doch der Inhalt der Antwort hypostasiert die Frage zur Antwort, die Forderung zum Erreichten. So kommt die Phänomenologie eigentlich nie darüber hinaus, die großartige Explikation dessen zu sein, was sich schon in ihrem ersten Kapitel als Problem ergibt. 3. Die Vorgeschichte der Forderung nach Unmittelbarkeit: die Bewegung des abstrakten Geistes Erst aus dem Ende kann sich die Vorgeschichte der Forderung nach Unmittelbarkeit ergeben. Nur so wird man sich darüber klar, wie es zu diesem Agens der Bewegung kommt. Der letzte Schritt der Aufhellung der Zusammen- hänge um die Unmittelbarkeit ist aus dieser Sicht nur die Vollendung der Darstellung des Schemas, auf die wir hingearbeitet haben. Bisher erkannten wir die Unmittelbarkeitsforderung und diejenige nach Vermittlung als Agens der gesamten Bewegung, die erste Unmittelbarkeit der sinnlichen Gewißheit als Einstiegspunkt des Ganges, die Phänomenologie im Ganzen als den Weg und ihr Ende als die Setzung der Forderung in das Absolute hinein: als Postulat der Letztgültigkeit des Postulates. Die Skizze wird komplett durch die Behandlung dessen, was - wie schon mehrfach angedeutet wurde - der Forderung, mit der Hegel einsetzt, sachlich zuvor liegen soll. Wenn Geist absolutes Wissen ist, ist dann danach gefragt, wie es zum Weg zum Geist kommen kann, den die Forderung initiiert. Das ist aber nicht nur ein Anliegen, das im Horizont der Phänomenologie liegt. Insofern - wie wir sahen - Wissenschaft jenseits dieses Bewußtseinsganges liegt, ist es gerade Ziel der Logik Hegels, aufzuklären, wie es zur Forderung kommt, die den Gang des Bewußtseins prägt. Das ließe sich nun freilich nur aus den Einleitungen und Vorreden zur Logik genügend explizieren, doch Hegel ist bereits in der Phänomenologie bemüht einen solchen Vorbau für den Gang des Bewußtseins zu geben. Er muß das sogar an all den Stellen tun, in denen seine Ausführungen über Religion und im besonderen über das Christentum die Erörterung Gottes vor der Erschaffung der Welt notwendig machen. Und da die Logik im Ganzen eine solche Erörterung ist, findet sich so in der Phänomenologie schon die Problematik der Logik. Es ginge über den Rahmen dieser Arbeit, zu zeigen, daß in der Logik keine wesentlich neue Lösung der Probleme vorliegt, die wir nun im Kontext der Phänomenologie exponieren und auf Grund unserer Erkenntnisse kritisieren wollen. Immerhin können solche Überlegungen vielleicht davon abhalten, den Ergebnissen dieser Untersuchung allzu schnell vorzuhalten, daß sie für die Logik nicht gälten. Es ist nach unseren Überlegungen klar, daß wir uns an die religiösen Gedanken Hegels halten müssen, um Auskunft über das Gefragte zu erhalten. Und tatsächlich ist die "wahre Gestalt des Geistes" (529) der Begriff, wie er an der zitierten Stelle christologisch auftritt (13). Von diesem Begriff heißt es: "Er wird gewußt als Selbstbewußtsein und ist diesem unmittelbar offenbar, denn er ist dieses selbst: die göttliche Natur ist dasselbe, was die menschliche ist, und diese Einheit ist es, die angeschaut wird." (529) Es ist schwer zu sehen, wie in dieser christologischen Deutung des Begriffes noch die Möglichkeit einer größeren Einheit und wahreren Gestalt denkbar ist: "Hier also ist in der Tat das Bewußtsein oder die Weise, wie das Wesen für es selbst ist, seine Gestalt, seinem Selbstbewußtsein gleich." (529) Doch Christus wird in der Folge von der Gemeinde als dem "allgemein göttlichen Menschen" (548) überspielt. Das ist hier nicht wichtig. Uns interessiert das Verhältnis von Denken und Sein in Jesus Christus. Denn im "absoluten Wesen, welches als ein wirkliches Selbstbewußtsein da ist" (529) stehen sich einfaches Dasein und "reines Denken" in unmittelbarer Identität gegenüber. Im Gott-Menschen herrscht das Zusammen von reinem Denken und reinem Sein, basierend auf der Selbstidentität des Begriffes: Es ist der reine Begriff, das reine Denken oder Fürsichsein, das unmittelbar Sein, und damit Sein für anderes und als dieses Sein für anderes unmittelbar in sich zurückgekehrt (sc. ist) . . ." (528) Das ist noch nicht das Endprodukt und kann auch nicht ein beliebiges Wissen am Weg des Bewußtseins sein. In der hier auftretenden Art des unmittelbaren Verhältnisses "scheint (sc. das absolute Wesen) von seiner ewigen Einfachheit herabgestiegen zu sein" (529). Es scheint so zu sein, daß Gott sich etwas vergibt, herabzusteigen. Das wendet sich gegen eine falsche Bewertung des Überganges von Gott zum Menschen, nicht aber gegen den Übergang. Das heißt, daß eine Entwicklung des Begriffes sichtbar wird, die vor dem Menschen, seiner sinnlichen Gewißheit und der Unmittelbarkeitsforderung gelegen ist. Die Einfachheit des absoluten Wesens ist sein unmittelbares Sein (529), das läßt zurückdenken an die sinnliche Gewißheit und die ihr vorgängige Unmittelbarkeit. Doch das "absolute Wesen", von dem die Rede ist, nimmt ja einen ganz anderen Platz für seine Unmittelbarkeit in Anspruch. Sie soll nun solche des sachlichen Anfangs sein und ist so nur ein Teil des absoluten Wesens. So gilt vom Begriff in dieser Phase: "Dieser Begriff, der als unmittelbares auch die Gestalt der Unmittelbarkeit für sein Bewußtsein hatte, hat sich zweitens die Gestalt des Selbstbewußtseins an sich ... gegeben, als das Sein oder die Unmittelbarkeit, die der inhaltlose Gegenstand des sinnlichen Bewußtseins ist, sich seiner entäußert und Ich für das Bewußtsein wird." (526 f.) Diese ursprüngliche, einmalige, notwendige Entäußerung des Begriffes von der Unmittelbarkeit zum Selbstbewußtsein, vom Sein zum Denken ist die ursprüngliche Setzung des Selbst-Substanz-Schemas. Damit ist auch die Forderung ermöglicht, Unmittelbarkeit im Verhältnis der Komponenten anzustreben. Doch wir müssen die Blickrichtung hier umkehren: der gesetzten Forderung wird diese Entzweiung nachgeliefert. Sachlich zu Beginn steht nicht die Selbstentäußerung des Begriffs, sondern die Forderung nach absoluter Unmittelbarkeit und ebensolcher Vermittlung, die es überhaupt erst zum Begriff kommen läßt. Nur wenn diese Entwicklung stringent wäre, könnte die Vorgeschichte der Deduktion stimmen. Über die Vorgeschichte ist nun zu sagen, daß sie "an sich, das heißt nach eben der Notwendigkeit des Begriffes" (527) in der Selbstentwicklung des Begriffes vor sich geht. Die angetroffene Zusammengefaßtheit von reinem Denken und Sein tritt als "absolute Abstraktion" (529) auf. Als Bewegung des Begriffes ist diese unterschieden von der "reinen Abstraktion" des sinnlichen Bewußtseins. Hier schließt sich nun unser Kreis. Wir hatten damit begonnen, die Voraussetzungen der sinnlichen Gewißheit dort zu betrachten, wo sie erstmals auftrat. Nun beenden wir die Überlegungen dort, wo Hegel den Kreis schließt, der diesen Voraussetzungen diejenigen des absoluten Wissens an die Seite stellt. Für beide Voraussetzungen gilt: die Zusammengehörigkeit von Denken und Sein ist abstrakt, weil noch, unvermittelt. Sinnliches Bewußtsein ist im Unterschied zur "absoluten Abstraktion" "eben diese reine Abstraktion"! (529) Und da mit der Aussage von der Identität von Denken und Sein, welche einerseits sagt, daß das absolute Wesen als wirkliches Selbstbewußtsein da ist, andererseits, daß dem sinnlichen Bewußtsein Denken und Sein zusammenfallen, trotz der noch vorhandenen Abstraktheit die Hauptaussage Hegels erreicht ist, da der Begriff hier (abstrakt) die Grundlage für religiöses (so im Prinzip philosophisches) und sinnliches Bewußtsein abgibt, kann Hegel nun sagen: "Das Niedrigste ist also zugleich das Höchste; das ganz an die Oberfläche herausgetretene Offenbare ist eben darin das Tiefste. Daß das höchste Wesen als ein seiendes Selbstbewußtsein gesehen, gehört usw. wird, dies ist also in der Tat die Vollendung seines Begriffes." (529) Der Kreisgang ist abgeschlossen. Mit der sinnlichen Gewißheit war ein erster, oberflächlicher Anfang gegeben, doch in der dort vorhandenen Unmittelbarkeit war schon die Einheit von Denken und Sein vorgebildet (besonders im Verhältnis von Wesen und Beispiel). Nun hat sich diese Einheit als christologisch interpretierbare herausgestellt. Ist aber der Identitätsansatz christologisch, dann ist die Problematik des Auseinandertretens in diese Identität, der Interpretation der Wahrheit des Herkunftsortes des Zusammen von Selbst und Substanz trinitarisch zu betrachten (14). Diese letzte Perspektive, die uns in unmittelbare Nähe zur Logik und zu den dortigen Erwägungen über den Anfang der Philosophie führen, gilt es abschließend zu betrachten. Anfang ist immer zunächst an sich, denn er hat ja schon vor dem Für-sich-Sein des Selbstbewußtseins stattgefunden und muß erst eingeholt werden. Er ist dies auch als Abstraktion in reiner oder absoluter Form, je nachdem man es von der sinnlichen Gewißheit oder vom religiös-philosophischen Bewußtsein aus faßt. Durch diesen Abstraktionsvorgang, der den Anfang konstituiert, kommt in das Ansich des Anfanges, der als reines Wesen gedacht wird, die Negation überhaupt. Der notwendige Bezug des abstrakten Anfangs auf Konkretes, des reinen Wesens auf reines Denken ist von keiner der Komponenten einseitig zu deduzieren. Vielmehr ist - wie wir sahen - beides wechselseitig ineinander verfügt. Das erlaubt keine Deduktion, die in vermittelnder Absicht an dem unvermittelten Anfang einsetzen könnte: dagegen steht, daß der Anfang als abstrakter vermittelt ist. Es ist aber ebenso unmöglich für Hegel, den Vermittlungsanspruch des Denkens aufzugeben und den Anfang so unvermittelt sein zu lassen, daß Vermittlung daran scheitert. Das Verhältnis von abstraktem Anfang und dem, was er beginnen lassen soll, wird so zum drängenden Problem. Im Rückblick ist zu sagen, daß sich hier erneut die (Kantische) Problematik der transzendentalen Erkenntnis stellt; im Vorblick gilt, daß Hegel in der Logik dieses Verhältnis undialektisch denken will - doch daran letztlich scheitert (wie zu zeigen wäre). Hier soll nur noch etwas genauer die unhaltbare Deutung skizziert werden, die das Anfangsverhältnis in der Phänomenologie erhält. Anfang ist Abstraktions- und Negationsprodukt in der Form, daß es reine Abstraktion und Negation sein soll, was den notwendigen Bezug auf Konkretes, der zur Erreichung dieser Bestimmung des Anfanges notwendig ist, hinter sich läßt. Als solcher Anfang sollte er (vgl. Phänomenologie 288, 483, 526) unmittelbarer Anfang sein. Sofern der Anfang nicht allein aus dem zu denken ist, was er beginnen läßt, dieses Begonnene aber Vermittlung enthält, meint Hegel, daß er unmittelbar sein müsse: "In der unmittelbaren ersten Entzweiung des sich wissenden absoluten Geistes hat seine Gestalt diejenige Bestimmung, welche dem unmittelbaren Bewußtsein oder der sinnlichen Gewißheit zukommt." (483) Doch Unmittelbarkeit ist unfähig, etwas anderes zu implizieren als Vermittlung. Das Verhältnis von Anfang und dem, was er beginnen läßt, ist gleichermaßen ein vermitteltes: jenes Ansich des Anfangs ist als Negativität in Wahrheit ebensosehr das vermittelte." (555) Das Anfangsverhältnis ist also sowohl vermittelt als auch unvermittelt. Reines Wesen und reines Denken, die durch die erste Negation getrennt sind, und Geist, der in der wechselseitigen Aufhebung dieser Komponenten die Einheit beider ist, sind nun endgültig von der Frage abgeschnitten, was denn der Herkunftsort beider Komponenten und des Verhältnisses der vermittelten Unmittelbarkeit zwischen ihnen ist. Denn da die Konzeption des Geistes diese Frage zwar aufnimmt, sie aber nur im Modus der Antwort perpetuiert, fehlt die Möglichkeit, hinter diese Anfangsbeziehung zu fragen. Mit dem Ende des Fragens, das im absoluten Wissen eintritt, geht Hand in Hand die Unmöglichkeit eines Anfanges, der anderes ist als Abstraktionsprodukt aus dem, was begonnen hat. Und da es ohne einen Anfang, der gleichermaßen Grund und Abgrund ist, keine eigentliche Entwicklung gibt, kann es auch nie zu einem Ende kommen. Statt sich zu bewegen, steht der Kreisgang der Phänomenologie. 1 G. W. F. Hegel: Phänomenologie des Geistes, hrsg. v. J. Hoffmeister, Hamburg 1952, 45. Alle einfachen Seitenangaben im Text beziehen sich auf diese Ausgabe. Arbeiten über Hegel werden oft von Zitaten ##verschlagen oder bringen gar keine Auseinandersetzung mit der Sekundärliteratur. Die Schwierigkeiten, Hegel darzustellen und gleichzeitig in Auseinandersetzung mit der Literatur zu stehen, sind tatsächlich enorm. Als Kompromiß wird in dieser Arbeit versucht, die Hinweise auf wichtige Literatur mengenmäßig stark einzuschränken, die zitierten Werke aber vergleichsmäßig länger zu behandeln. 2 Als auf einen exemplarischen Fall weisen wir auf die Hegelkritik Horkheimers hin: M. Horkheimer: Hegel und das Problem der Metaphysik, erstmals veröffentlicht: Festschrift für Carl Grünberg (Hrsg. C. L. Hirschfeld) Leipzig 1932, wiederveröffentlicht und zitiert aus M. Horkheimer, 3 Aufsätze, Frankfurt 1971, 84-95. Hauptaufgabe scheint eine möglichst vielgestaltete Diffamierung der These von der Identität von Identität und Differenz zu sein! Sie ist "Zaubermittel" (86, vgl. 85), "Mythos" (87) "fragwürdige Lehre" (88), "bloßer Glaube" (89), "Philosophische Lehrmeinung" (89), "Dogma" (90) sowie "Bekenntnis" (94). Dabei fehlt vollkommen die Besinnung auf die eigentlich Hegelianische Lehre. Ihr wird von vornherein unterschoben 1., daß sie Lehre von der Identität sei, die mit der Differenz in Korrelation steht. Horkheimer sagt: "Die Identität muß als begriffliche Einheit der Widersprüche gedacht werden, aus deren Überwindung sie sich ergibt." (86) Diese Widersprüche sind nun aber für Horkheimer nicht die von Identität und Differenz, sondern sie sind für Horkheimer einfach die Differenz: "... die Verschiedenheiten und Spannungen (werden) in Widersprüche' uminterpretiert, weil sie von vornherein als Gedanken des allumfassenden und mit allen identischen Subjekts gefaßt sind." (86) Damit verdeckt Horkheimer genau die Zweideutigkeit von Identität (als Identität von Identität und Differenz), die als Problem zu sehen notwendig wäre, um mit Hegel überhaupt reden zu können. 2. Daraus folgt die Schwierigkeit, in die Horkheimers Interpretation des Hegelschen absoluten Subjekts gelangt. Im obigen Zitat ist die unterstellte Identität als die eines Subjektes gefaßt, und doch spricht Horkheimer selbst von einer Identität von Subjekt und Objekt (86) ' von der großen Totalität, dem Subjekt_Objekt (90). Fällt ihm nicht auf, daß er da zumindest einige Worte darüber sagen müßte, wie sich Subjekt als Subjekt_Objekt bestimmt? Dies vor allem dann, wenn nach Hegels Logik die Idee sich der "Subjektivität" entäußert, was ja gerade in der Auseinandersetzung mit Fichte in der Logik zum Tragen kommt. Wenn man Hegel vorwerfen will, hier doch noch im Letzten subjektiv zu denken, dann muß man zumindest so weit sein, zu sehen, daß sich das Problem bei Hegel sehr wohl gestellt hat; wenn man aber selber ständig über das Verhältnis von Denken und Sein Aussagen trifft, die sich noch dazu bloß negativ von Hegel her abheben, wenn man also nicht mit Hegel so weit geht, daß man wenigstens die Fragen sieht, auf die Hegel antworten wollte, dann nützen auch alle Versicherungen, man selbst setze keine Metaphysik voraus (91), die freilich in sich unklar genug bleiben, nichts: man betreibt dann eben "eine schlechte, schwankende, folgewidrige Metaphysik" (91) _ solange, bis andere sie zugunsten der Einzelwissenschaft abbauen. Man kann also sagen, daß Horkheimer Hegel genau auf die abstrakte Identität festlegen will, die nach Hegel (Logik, 85) das Wesen des Pantheismus ist. Zur Eintönigkeit der theologischen Kritik an Hegel in diesem Punkt vgl. M. Theunissen: Hegels Lehre vom absoluten Geist als theologisch_politischer Traktat, Berlin 1970, bes. 34 ff. 3 Deshalb ist es nicht ganz zutreffend, wenn J. Habermas Hegel vorwirft, daß er die Synthesis von Identität und Nicht_Identität, von Geist und Natur als absolute Synthesis "nach dem Muster der Selbstreflexion" denkt. (Erkenntnis und Interesse, Frankfurt/Main 1968, 45). Wir werden zu zeigen versuchen, daß damit zwar ein Gedankengang getroffen ist, der Hegel tatsächlich oft bestimmt, daß aber die letzte sachliche Konsequenz bei Hegel noch über diesen Standpunkt hinausführt und Identität wie Nicht_Identität gleicherweise in Frage stellen kann. Vgl. dazu die ähnlich gelagerte Kritik Theunissens an Adorno (a. a. 0., bes. 33). 4 Hier ergibt sich also eine Übereinstimmung mit Habermas. Doch Hegels Pointe ist eben nicht nur die Dominanz des vermittelnden Subjekts, sondern gleichermaßen die der substantialen Unmittelbarkeit. 5 Als Beispiel einer Hegelkritik, die trotz ihrer Einsicht in die Problematik der absoluten dialektischen Vermittlung sich selbst nur negativ zu dieser vermittelt, statt die Frage nach der Herkunft von Dialektik überhaupt zu stellen, zitieren wir die Arbeit von K. Schrader_Klebert: Das Problem des Anfangs in Hegels Philosophie, Wien_München 1969: "Mit der Reflexion auf Sinn selbst, in der sich der je bestimmt verwirklichte Sinn in die Allgemeinheit seiner ihn konstituierenden Transzendentalität aufhebt, ergibt sich eine Grenze aller gegenständlich_kategorialen Aussage. Von dieser Grenze her vermittelt sich im i mmanenten Tranzendieren eine negative Bestimmtheit der die Bestimmtheiten auf sich selbst hin transzendierenden bzw. relativierenden Reflexion; sie bestimmt sich als die Aufgabe, den verwirklichten Sinn, den sie sich voraussetzt, im Nachvollzuge des universalen Sinnzusammenhangs zu konstituieren." (67) Hier weist also alles auf die Grenze der "gegenständlich_kategorialen Aussage", ohne im mindesten von ihr betroffen zu sein. Ein begrenzter Sinn gibt sich nun damit zufrieden, in negativer Bestimmtheit zahm seine eigene Voraussetzung nachzuzeichnen; es ist ihm untersagt, dieses nachvollziehende Konstituieren zu befragen auf das Agens dieser Konstitution; er ist zurückgefallen in die Kantische Zweiheit von Spontaneität und Rezeptivität. In allem bleibt ihm untersagt, die Wesensgesetzlichkeit des Geistes zum Tragen zu bringen und die Grenze zu transzendieren. Und das deshalb, weil schon genau gewußt wird, daß es sinnvoll ist, nachvollziehend zu konstituieren, obwohl das ein etwas frustrierter Sinn auf Sparflamme ist. Es ist schon gesetzt, daß sich die Reflexion in diese bescheidenere Rolle fügen muß, weil man 1. keineswegs auf ihre eigene Berechtigung und Wesensherkunft eingeht und 2. ihre Hypertrophie im Hegelschen System evident und nachweisbar ist. Das kommt aber davon, daß man die Probleme, die Hegel verdeckend beantwortet _ nach der völlig undialektischen Wesensart der Voraussetzung der Dialektik, wie sie in der Logik von ihm selbst angelegt ist _, nicht sieht. Gleiches gilt für die Aussage, daß sich nur im Rahmen des Etwas, das für sich da ist (= Wissen) überhaupt vom Sinn reden läßt (65). In der Logik liegt alles Entscheidende vor dem Etwas und dies selbst ist undidaktisch dem "Anderen" gegenübergestellt. 6 Dies scheint _ auf die knappste Form gebracht _ Theunissens Standpunkt zu sein: "Demnach vermittelt sich wahre Dialektik selbst mit dem dialektisch nicht zu Vermittelnden" (56, vgl. bes. 53 f.). Der Standpunkt ist _ obwohl er als Kritik an Hegel auftritt _ in Wirklichkeit konsequent hegelianisch und treibt das Problem tatsächlich so weit, daß die ganze Tragweite der Grundposition Hegels aufgedeckt wird. Es ließe sich allerdings zeigen, daß es gar nicht die Dialektik ist, die in der Logik zunächst einmal beginnt, wenn die Selbstentfaltung des Begriffs dargestellt wird. Freilich bemächtigt sie sich dann sehr schnell dieses Ursprungs. Genau an den Unterschied des undialektischen Anfangs und des Anfangs, der von der Dialektik usurpiert wird, ließe sich die Frage nach dem Herkunftsort der Dialektik anknüpfen, die Theunissen vermeidet. 7 Als Beispiel kann Herbert Marcuse gelten Vernunft und Revolution, Hegel und die Entstehung der Gesellschaftstheorie, Neuwied 1970). Seine Ausführungen sind dabei aber genügend zweideutig, um wieder interessant zu sein: "Die Erkenntnis beginnt, wenn die Philosophie die Erfahrung des Alltagslebens zerstört. Eine Analyse dieser Erfahrung ist der Ausgangspunkt der Suche nach Wahrheit." (98) Nicht die Erfahrung des Alltagsbewußtseins (wie Marcuse meint), sondern die Erfahrung seiner Zerstörung, die erst die Fragen (der Erkenntnistheorie) aufkommen läßt, die zum Gegenstand die Erfahrung des Alltagsbewußtseins haben, ist der Ausgangspunkt für Hegel. Vergißt man diese Differenz, dann begibt man sich der Möglichkeit, Hegels absoluten Vermittlungsanspruch immanent auf seine Berechtigung zu befragen. In der Sicht auf das transzendentale Anliegen, die Wahrheit über das gestörte Alltagsbewußtsein (ein Exempel von Wissen überhaupt) zu erfragen, erwirbt man sich die Möglichkeit, Hegels Einsichten besser gerecht zu werden. Marcuses Ambivalenz an diesem Punkt ist bedingt durch die Tatsache, daß er überhaupt nicht recht weiß, was er mit dem anfänglichen Bewußtsein anfangen soll. Einerseits sagt er: "Hegel beginnt mit der Erfahrung des gewöhnlichen Bewußtseins im Alltagsleben" (91); andererseits heißt es: "Ganz wie die Erfahrung, mit der die Philosophie begann, nicht die Alltagserfahrung war..." (93) 8 Daran knüpft in unhaltbarer Weise W. Becker in seinem Buch an (Hegels Begriff der Dialektik und das Prinzip des Idealismus. Zur systematischen Kritik der logischen und der phänomenologischen Dialektik, Stuttgart_Berlin_Köln_Mainz 1969). Nach ihm ist der Gegenstandsbezug der sinnlichen Gewißheit für Hegel in einen "ihrer unmittelbaren Bezogenheit auf den Gegenstand adäquaten sprachlichen Ausdruck zu transformieren" (116). An die von Hegel vorgenommene Identifizierung von aktuellem Gegenstandsbezug und sprachlicher Ausprägung dieses Bezuges knüpft er seine Kritik an der Dialektik: "Diese Dialektik kommt durch die Konfrontation zweier einander ausschließlicher Ansätze zustande. Der erste dieser Interpretationsansätze hält sich an die natürliche ... Vermeinung ... Diesem Ansatz stellt Hegel den eines Idealismus der Sprache' entgegen.... Die Konfrontation beider Ansätze wurde eine unmögliche' Konfrontation genannt, weil die Annahme des ersten Ansatzes den zweiten aussdiließt ... Mit Rücksicht darauf, daß die Dialektik der sinnlichen Gewißheit' sich als Dialektik der Selbstdarstellung, nicht als die einer Theorie der sinnlichen Gewißheit' verstehen muß, versucht Hegel jene beiden Ansätze miteinander zu verbinden. Diese Verbindung glaubt er in Gestalt der Unterstellung herbeigeführt zu haben, ein Akt einer sinnlichen Gewißheit' sei mit seiner sprachlichen Formulierung identisch. Mit der Postulierung einer solchen gleichsam mythischen Indifferenz von sprachlichem Ausdruck und Sachverhalt aber kommt eine folgenschwere Verwechslung zustande." (164) Hier ist das beste Beispiel dafür, wie man Hegel unterbietet. Will Becker sagen, daß Akte der sinnlichen Gewißheit zwar nicht identisch sind mit ihrer sprachlichen Formulierung _ aber dennoch etwas mit ihr zu tun haben? Das wird er wohl nicht leugnen können! Aber was ist es dann, was diese beiden verbindet? Nichts anderes, drittes kann es sein! Das ist aber eben das Problem der Konfrontation der beiden Ansätze und darin liegt die sachliche Notwendigkeit, dies weder auf die Sprache noch auf die Akte zu reduzieren, noch _ was Becker tut _ die notwendige Zusammengehörigkeit von Akt und Spradie vollkommen unbestimmt zu lassen. So wird dann immer schon eine Zusammengehörigkeit vorausgesetzt und Hegel die Art vorgeworfen, wie er diese im einzelnen bestimmt, ohne zu bedenken, daß rein sachlich, ohne Hegelimmanenz, die Möglichkeit und Wirklichkeit der Konfrontation der beiden Ansätze der unaufgebbare Grund jeder Überlegung über eine bestimmte Deutung der Interpretationsansätze ist. So kann nicht nur hegelisch kein Ausschließen der Ansätze gegenseitig stattfinden, vielmehr ist deren Zusammengehören auch noch für die Kritik grundlegend _ nicht nur, insofern sie über Hegel spricht, sondern auch, weil sie vollkommen gedankenlos wird, wenn sie ein solches Zusammen leugnet _ ein Gedanke, der dieser Kritik einmal kommt. Becker sagt (117): "Die ganze Problematik ist eine von Hegel künstlich produzierte Scheinproblematik. Sie kann sich nur entwickeln, wenn die von Hegel implizit gesetzte _ an sich sinnlose _ Prämisse gilt, daß die sinnliche Gewißheit' ein unmittelbares Aquivalent in der Sprache finden müsse." (Das Folgende ist noch viel schärfer.) Einzige Frage an Becker ist die, wie er denn fertig bringen will, das zu sagen, was er sagt? Wie er von der sinnlichen Gewißheit (und wie er überhaupt) spricht? Empfängt er "Impulse", die er dann sprachlich umsetzt? Ist dann die Sprache eine Separatfähigkeit oder steht er je und immer schon in der Sprache, auch wenn er etwas von Impulsen sagt. Und wenn er sie zeigt: er spricht davon, sie zu zeigen, auch diese Unmittelbarkeit setzt die Vermittlung voraus. Hier von einer "sinnlosen Prämisse" (118) Hegels zu sprechen, ist nur möglich, wenn man dagegen sagen will, daß sinnliche Gewißheit und Sprache nicht ursprünglich im Menschen geeint sind, daß es den Menschen als additiv aus Sinn und Sprache zusammengesetztes Wesen allein gibt, daß diese Aussage selbst nicht mehr irgendwo fundiert werden kann, weil sie Aussage ist, der nur ein Hören, Sehen, Zeigen gegenübersteht, das ohne Spradie ist _ "Einsichten", die Hegel eben überwunden hat. Die Ausrede, daß die Affektionen nicht die adäquate Transformation sein können, daß die universelle Sprachlichkeit des Menschen anders zu verstehen sei, setzt nochmals die Entscheidung für universelle Sprachlichkeit voraus _ oder fällt in die obige Aporie. 9 F. Wiplingers Ausführungen zum allerersten Einsatz der Phänomenologie, Grundfragen zur Dialektik Hegels, in: Wissenschaft und Weltbild, 18 (1965) scheinen diese entscheidende Differenz von anfänglicher Wahrheitsfrage, sofern sie überhaupt das Fragegefüge eröffnet und sinnlicher Gewißheit, die erst auf solcher Basis thematisch wird, nicht genügend zu beachten. Seine berechtigten Gedanken zur anschließenden Dialektik könnten in ihrer Absicht noch eine Stufe tiefer bei Hegel selbst fundiert werden, wenn man die Universalität des Hegelschen Ansatzes nicht _ wie es Hegel selbst freilich schnell genug tut _ unnötig einengt. Wiplingers Gedanken setzen beim notwendigen Wechselverhältnis von Vermittlung und Unvermittelheit im Rahmen der sinnlichen Gewißheit ein: Wenn Hegel hier bereits einerseits das Unmittelbare nennt, es aber andererseits aud;' schon als Inhalt' eines Wissens bezeichnet, nämlich der sinnlichen Gewißheit', des Verstehens der Wahrnehmung, das selbst unmittelbares Wissen' sein soll, aber soferne es eben Wissen von etwas, nämlich des Unmittelbaren oder Sehenden' ist, von dieser Unmittelbarkeit selbst bereits aus der Differenz (des Wissens) spricht ... so ist sie damit bereits als Schein wenigstens im Sinn einer empirischen Unmittelbarkeit erwiesen.«' (258) Wiplinger zeigt auf, daß es am Beginn der Phänomenologie auch keine andere als eine vermittelte Unmittelbarkeit geben kann. Doch: sieht er auch, daß diese Unmittelbarkeit Forderung als Konsequenz der Wahrheitsfrage ist, bevor sie in der sinnlichen Gewißheit der von ihm exakt gekennzeichneten Aporie unterliegt? Wenn das aber so ist, dann verlagert sich das Problem der Unmittelbarkeit primär auf das Bedenken des Herkunftsortes der Wahrheitsfrage, wie sie in dieser Form noch bei Hegel auftritt. Dabei kommt nun alles darauf an, die doppelte Funktion der sinnlichen Gewißheit zu sehen, wie sie nämlich Gegenstand der Wahrheitsfrage ist und Gegenstände hat! Sie ist Gegenstand des philosophischen F ragens, das kann aber keineswegs heißen, daß diese Kennzeichnung der sinnlichen Gewißheit als Gegenstand vermischt werden darf mit dem, was in ihr in unmittelbarer Vermittlung als Gegenstand der sinnlichen Gewißheit auftritt! Und doch argumentiert Wiplinger genau so: "So weisen alle Namen, die Hegel hier dem in der Unmittelbarkeit sinnlicher Gewißheit begegnenden Seienden beilegt (Unmittelbares, Inhalt der sinnlichen Gewißheit, Gegenstand, Dieses, Einzelnes) ... in die Vermittlung ... (258)" An dieser Zweideutigkeit von "Gegenstand" (im 2. Absatz ZI. 9 kommt das Wort tatsächlich im von Wiplinger gemeinten Sinn vor) entscheidet sich das Verständnis alles weiteren. Denn in die Vermittlung weisen tatsächlich alle von Wiplinger genannten Worte zurück _ in den Herkunftsort der vermittelten Unmittelbarkeit weist aber nur das Begriffspaar philosophischer Fragen; dessen Gegenstand (d. h. sinnliche Gewißheit) Wissen und Gewußtes sind in Wirklichkeit der sinnlichen Gewißheit schon vorgegeben, bevor sie sich als unmittelbar dekretiert. Daß sie sich aber trennt in Seiendes und Bewußtes (258 f.), das ist niemals ihr Werk als solche, die in ihr Gegenstände hat, es ist ihr Werk, indem sie Gegenstand ist _ der Betrachtung des Philosophen. So liegt ihr eine Trennung zuvor, die es zu bedenken gilt, bevor man die Reflexion innerhalb der sinnlichen Gewißheit als konstituierend für Seiendes und Bewußtsein und deren unmittelbares wie vermitteltes Verhältnis ausgibt. "Das zugleich' von unmittelbar' und vermittelt', von dem Hegel spricht, ist vielmehr nur im Reflektieren wir'. Also wäre diese Reflexion jener gesuchte Horizont der Unmittelbarkeit. Was ist ihre erste Leistung? Wodurch kündet sie sich an? Im negativen Absetzen und Abstoßen des einen Dies an und durch das Nicht, welches das andere zu ihm ist." (260) Das stimmt gerade nicht, denn die Reflexion kündet sich schon im 1. Absatz an, was Wiplinger (möglicherweise durch seine Mißdeutung des "Gegenstandes") übersieht. Nur indem sie aber dort das Gefüge überhaupt öffnet, ist sie primar verstanden und die Aussage "Dieser Sinn der Negation als Vollzug der Reflexion auf das Diese" (260) zeige sich klar in den ersten Ansätzen der Phänomenologie greift zu kurz, da die angeführte Auswirkung des Gefügtseins eben in der Gefahr steht, im Vergessen auf den Herkunftsort des Gefüges die Reflexion nun ursprünglich zu einem Moment in der sinnlichen Gewißheit zu machen! Gerade weil man aber bei der ursprünglichen Differenz des Anfanges eigentlich gar nicht von Reflexion sprechen dürfte, gerade weil hier von Hegel etwas gedacht wird, was zumindest für kurze Zeit dem Bann der Reflexionsbeziehung entgeht, müßte dieser Sachverhalt auch für Wiplinger besonders interessant sein. Es steht ja anfänglich von der Sache her keineswegs fest, daß die Differenz von philosophischer Forderung und ihrem ersten Gegenstand (der sinnlichen Gewißheit) ebenso zu interpretieren ist wie das Verhältnis in der sinnlichen Gewißheit: als Reflexion und so als Bewußtsein. 10 Diese Paradoxie geht unverändert in die Logik über. Es heißt dort: "Dem Sein überhaupt tritt aber das bestimmte Sein als solches gegenüber, damit aber macht seine Unbestimmtheit selbst seine Qualität aus." Das wird bekräftigt durch die folgende Aussage über das Sein. "Eben diese Unbestimmtheit ist aber das, was die Bestimmtheit desselben ausmacht." Gegen diese Tatsache macht Theunissen also zu Unrecht geltend, daß "das und nur das vermittelt (ist), was bestimmt ist. Das aber ist das Etwas" (a. a. 0. 43). Er beruft sich wohl zu Recht auf die Logik (70), er übersieht aber, daß diese Aussagen von der Unbestimmtheit des Nicht_Etwas eben auch für Hegel selbst in die Aporie der Dialektik führen müßten. 11 Ohne daß wir eine Auseinandersetzung mit seinen marxistischen Grundlagen liefern, wollen wir kurz andeuten, wie G. Stiehlers Interpretationen der Phänomenologie rein immanent unhaltbar sind (vgl. Die Dialektik in Hegels "Phänomenologie des Geistes", Berlin 1964). Seine Vorstellung von Erkennen nach Hegel beginnt an dem Punkt, an dem wir nun stehen, ohne Notiz von den vorhergegangenen Überlegungen Hegels zu nehmen. Nach ihm gilt, daß die Erkenntnis anhebt "mit dem Bewußtwerden des Einzelnen; die sinnliche Empfindung erschließt diese oder jene einzelne Seite an dem Gegenstand« (163). Das reine Sein, das Wesen der sinnlichen Gewißheit ist keinesfalls Einzelnes und dennoch sehr wohl sinnliche Gewißheit. Gerade im Spannungsverhältnis mit dem Beispiel (das man zur Not als Einzelbeispiel gelten lassen kann) besteht die Problematik der sinnlichen Gewißheit. Außerdem kann nicht die Rede davon sein, daß die sinnliche Empfindung nach Hegel einzelne Seiten des Gegenstandes erschließt. Stiehler stellt zusammen: "Hier und jetzt, eine bestimmte sinnliche Qualität _ das sind bereits allgemeine Bestimmungen, die diesem Einzelnen so gut wie jenem zukommen" (a. a. 0.). Das verwischt den Unterschied zwischen der sinnlichen Gewißheit und der Wahrnehmung, denn nur deren Sache ist der "Reichtum des sinnlichen Wissens", der "der Wahrnehmung, nicht der unmittelbaren Gewißheit (angehört)" (Phänomenologie 90). Aus Stiehlers Ausführungen würde sich ergeben, daß für alle Dinge bestimmte Qualitäten genau so gelten würden wie kaum und Zeit. Wenn er dann noch Hegel zugesteht, daß das Allgemeine zu Recht "das der sinnlichen Gewißheit eigentlich zugrunde Liegende" ist, dann denkt er das, was sinnliche Gewißheit vorgängig ist, zwar keineswegs so subtil, wie wir es für Hegel nachwiesen, im Kontext der radikalen Wahrheitsfrage, kommt aber mit solchen Zugeständnissen in Konflikt mit seinem Anknüpfen an Feuerbachs Kritik an ebendiesem Ausgangspunkt. 12 Das hat B. Liebrucks gesehen und kurz dargestellt (Sprache und Bewußtsein, Bd. 5: Die zweite Revolution der Denkungsart. Hegel: Phänomenologie des Geistes, Frankfurt am Main 1970): "Schon in der ersten Stufe erscheint die letzte _ aber nur als Illusion und Verführung für uns, die wir das alles abzuhalten' haben." (11) "Dennoch muß das Schockierende gesagt werden, daß die sinnliche Gewißheit ohne das Hinzutreten von uns, das aus dem Absoluten stammt, keiner Entwicklung fähig wäre." (28) Jewußt_Sein lebt immer aus der Hand Gottes, was hier noch sinnloser Laut ist, immer aus dem Geist des Absoluten, der absoluter Geist ist." (29) Was Heidegger in seinem Aufsatz in den Holzwegen (Frankfurt7Main 1963) _. "Hegels Begriff der Erfahrung_ unter dem Begriff der anfänglichen "Parusie des Absoluten" (120) faßt, wird hier bestätigt. 13 Die folgenden Überlegungen weisen für die Phänomenologie nach, wie richtig Theunissens Interpretation der Hegelschen Philosophie an Hand der christologischen Grundfigur ist (vgl. Theunissen, a. a. 0., bes. 428 ff.). 14 Es ist kein Zufall, daß Theunissen, der sich der Frage nach der Herkunft der Dialektik nicht stellt, auch die Frage nach der Herkunft der christologischen Grundfigur nicht behandelt und so die trinitarische Fundierung der Christologie nicht thematisiert.