Christian Swertz





Computer und Bildung.

Eine medienanalytische Untersuchung der Computertechnologie in bildungstheoretischer Perspektive.





Dissertation,
vorgelegt vor der pädagogischen Fakultät der Universität Bielefeld
im Juli 2000.


1. Gutachter: Prof. Dr. Norbert Meder
2. Gutachter: HD Dr. Johannes Fromme


Inhalt

1 Vorwort 5

2 Ein pädagogisches Problem 6

2.1 Computer in Wirtschaft, Politik und Alltag 10

2.1.1 Computer in der Wirtschaft 13

2.1.1.1 Verbreitung im Wirtschaftsbereich 14

2.1.1.2 Praktischer pädagogischer Handlungsbedarf 17

2.1.1.2.1 Berufsausbildung 18

2.1.1.2.2 Weiterbildung 19

2.1.1.2.3 Forderungen von Wirtschaftsverbänden 21

2.1.2 Computer in der Politik 25

2.1.2.1 Verbreitung im politischen Bereich 26

2.1.2.2 Praktischer pädagogischer Handlungsbedarf 28

2.1.2.2.1 Politische Bildung 28

2.1.2.2.2 Forderungen von Parteien 29

2.1.3 Computer im Alltag 33

2.2 Didaktische Anwendung von Computertechnik 38

2.2.1 Fachdidaktik Informatik 38

2.2.2 Allgemeine Didaktik 39

2.2.2.1 Computertechnik als Lehrautomat 41

2.2.2.1.1 CBT 41

2.2.2.1.2 Selbstlernzentren 44

2.2.2.1.3 Infotainment und Edutainment 46

2.2.2.2 Computertechnik als Unterrichtsmedium 47

2.2.2.2.1 Kommunikationsmedium 48

2.2.2.2.2 Simulation und Simulationsspiele 50

2.2.2.2.3 Präsentation, Messen und Gestaltung 52

2.3 Computertechnologie als Bildungsgut 55

2.3.1 Medien I 60

2.3.2 Sprache als Medium der Bildung 60

2.3.3 Computertechnologie als Medium der Bildung 64

3 Computer als Medium 69

3.1 Medien II 70

3.1.1 Die physikalische Dimension von Medien 70

3.1.2 Die semiotische Dimension von Medien 76

3.1.3 Menschen und Medien 82

3.2 Die physikalische Dimension der Computertechnologie 85

3.2.1 Computer als artifizielles Medium 85

3.2.1.1 Primärmedien 86

3.2.1.2 Sekundärmedien 87

3.2.1.3 Tertiärmedien 88

3.2.1.4 Computertechnik als Militärtechnik 90

3.2.2 Computer als universelles Medium 92

3.2.2.1 Das Konstruktionsprinzip von Turingautomaten 92

3.2.2.2 Turingautomaten als physikalische Gegenstände 95

3.2.3 Computer als digitales Medium 96

3.2.3.1 Digitalität als Eigenschaft der Computertechnik 96

3.2.3.2 Die Notwendigkeit zur Digitalisierung 100

3.2.3.3 Benutzerinnen- und Benutzerfreundlichkeit im Bildungsprozeß 102

3.2.3.4 Technikfeindlichkeit 105

3.2.3.5 Implosion durch digitale Atomisierung 108

3.2.3.5.1 Heiße und kalte Medien 108

3.2.3.5.2 Heiße und kalte Methoden 111

3.2.3.5.3 Die Wirkung heißer und kalter Medien 113

3.2.3.5.4 Das Kippen vom heißen zum kalten Medium 116

3.2.4 Computer als elektronisches Medium 118

3.2.4.1 Elektrische Implosion 119

3.2.4.1.1 Lineare und parallele Medien 119

3.2.4.1.2 Computertechnik als paralleles Medium 120

3.2.4.1.3 Serielle und spezielle Medien 122

3.2.4.1.4 Computertechnik als spezielles Medium 122

3.2.4.1.5 Fernsehen als spezielles Medium 123

3.2.4.2 Ein kaltes Medium als Medium der Bildung 125

3.2.5 Kalte Didaktik 126

3.2.5.1 Das Problem der Medienwahl 126

3.2.5.2 Die medialen Präferenzen der Lernenden 128

3.2.5.3 Dominante und nicht - dominante Medien 131

3.2.5.3 Eine heiße Jugendkultur 133

3.2.5.4 Projektunterricht und entdeckendes Lernen als kalte Methoden 136

3.3 Die semiotische Dimension 138

3.3.1 Regeln semiotischer Räume 139

3.3.1.1 Semiotische Räume 139

3.3.1.2 Regelfolgen 141

3.3.2 Kalkülsprachtechnologie 144

3.3.2.1 Formalisierte Sprache 145

3.3.2.1.1 Schriftlichkeit 145

3.3.2.1.2 Interpretationsfreiheit 146

3.3.2.1.3 Schematisierbarkeit 147

3.3.2.2 Algorithmen 148

3.3.2.2.1 Der Algorithmenbegriff 149

3.3.2.2.2 Programmiersprachen und Betriebssysteme 150

3.3.2.3 Kalkülsprachen als Medien 153

3.3.2.3.1 Superkalkülzeichen 156

3.3.2.3.2 Computertechnologie und Virtualität 159

3.3.2.4 Computer als Spielzeug 161

3.3.2.4.1 Der Begriff des Spielzeugs 161

3.3.2.4.2 Das Spiel mit der Computertechnologie 164

3.3.3 Informations- und Kommunikationstechnologie 169

3.3.3.1 Geschlossene und offene semiotische Räume 170

3.3.3.2 Mediale Reflexivität 172

3.3.3.2.1 Kommunikation und Metakommunikation 179

3.3.3.2.2 Computertechnologie als reflexives Medium 181

3.3.3.3 Computertechnologie in Raum und Zeit 183

3.3.3.3.1 Textverarbeitung 186

3.3.3.3.2 Hypertext 191

3.3.3.3.3 Telefon 194

3.3.3.4 Räumliche Bildung 195

3.3.3.4.1 Punktzeit 195

3.3.3.4.2 Ich-Wir-Balance 198

3.3.3.4.3 Reisen in der simulierten Welt 200

4 Computer und Bildung 203

5 Anhang 207

5.3 Implosion und Explosion 216

5.4 Umweltverbände im Internet 219

5.3 Erklärung 221

Alles, was wir überhaupt beschreiben können,
könnte auch anders sein.
(Wittgenstein, TR 5.634)

You don't like that idea? I've got others.
(Marshall McLuhan)

1 Vorwort

Computertechnologie beschäftigt mich seit dem ersten Kontakt mit dem Apple IIe in der Schule. Eine faszinierende Kiste war das - zumal für einen technikbegeisterten 16jährigen. Beim Versuch, Computer zu verstehen, zeigte sich aber schnell, daß irgend etwas an diesen Kisten schwer zu erfassen ist. Weder die euphorischen Erwartungen für das Jahr 2000, die heute amüsant zu lesen sind, noch die damals verbreiteteren pessimistischen Prognosen waren mit dem Eindruck, den Programmierarbeit und Spiele bei mir hinterlassen haben, so recht in Einklang zu bringen.

Etwas klarer wurde das Bild durch die politische Arbeit. Zumindest schon ein Stück fassbarer. Aber so recht schien das Ding nicht in den Blick zu kommen; ein Eindruck, den auch die Auseinandersetzung mit Computertechnologie im Studium nicht verwischen konnte - bis ich auf die Arbeiten McLuhans gestoßen bin. Die Ideen in McLuhans Texten paßten zu dem bis dahin nicht recht ausdrückbaren Eindruck, den Computer bei mir hinterlassen haben. Fesselnd war auch der schillernde Stil, in dem McLuhan seine Ideen formuliert hat. Nur die Frage, die einen computerinteressierten Pädagogikstudenten umtreibt: Was haben Computer mit Erziehung und Bildung zu tun? war damit nicht so ohne weiteres zu beantworten.

Das führte mich zu der hier vorliegenden Arbeit, in der die Perspektive, die McLuhan eingenommen hat, für einen Medienbegriff fruchtbar gemacht, erweitert und auf pädagogische Probleme angewendet wird. Dabei gab es für mich jedoch eine Überraschung: Ich habe diese Arbeit in der Überzeugung begonnen, daß Computer in pädagogischen Kontexten kaum sinnvoll einzusetzen sind. Gerade die kritische politische Arbeit hatte mir zu viele Punkte gezeigt, die es empfehlenswert machen, auf den Einsatz von Computern eher zu verzichten. Um so erstaunlicher war es für mich, als mir klar wurde, daß das Ergebnis meiner Untersuchung eine Empfehlung zur Verwendung von Computertechnologie in pädagogischen Kontexten sein würde.

Daß diese Arbeit zu einem Abschluß gekommen ist, dafür danke ich vor allem dem Betreuer, Norbert Meder, für seine Geduld bei der Auseinandersetzung mit meinen Entwürfen, und Johannes Fromme für seine sorgfältigen Anmerkungen.

Christian Swertz

2 Ein pädagogisches Problem

Worin besteht die pädagogische1 Relevanz von Computertechnologie2? Die Frage überrascht, wird doch in der Pädagogik seit vielen Jahren eine intensive Auseinandersetzung um Computertechnologie geführt. Die Relevanz des Themas scheint offensichtlich zu sein. Tatsächlich fehlt aber eine systematische Untersuchung dieser Frage.

Eine solche Untersuchung ist notwendig, weil es keinen Automatismus gibt, der technologische Entwicklungen zu einem pädagogischen Thema macht. Zwei Beispiele für Techniken, die trotz großer Bedeutung für Menschen, Wirtschaft und Politik nur geringes Interesse der Pädagogik gefunden haben, sind Automobile und Telefone:

- Das Prinzip eines Verbrennungsmotors wird zwar durchaus im Schulunterricht behandelt. Aber niemand verlangt 'Automobilkunde' als allgemein verpflichtendes Unterrichtsfach einzurichten3 oder schlägt eine 'Bildungstheorie des Automobilzeitalters' vor.

- Telefone sind zur zentralen Kommunikationstechnologie unserer Gesellschaft geworden. Ein pädagogisches Thema ist Telefonkompetenz als Erziehungsziel oder das didaktische Potential von Telefonen dennoch nicht. Selbst in der Medienpädagogik werden sie kaum diskutiert.

Ganz anders stellt sich die pädagogische Reaktion auf die Computertechnologie dar. Über die Computertechnologie wird eine ausführliche und zum Teil heftige Debatte geführt. Die Zahl der einschlägigen Veröffentlichungen geht in die Tausende, Fachzeitschriften sind gegründet, Tagungen werden abgehalten und ein Unterrichtsfach (Informatik) ist etabliert. Computertechnologie hat offenbar das Interesse der Pädagogik geweckt.

Computertechnologie wird dabei nicht nur aufgegriffen und als Technik für praktische pädagogische Zwecke nutzbar gemacht, wie das z.B. bei Diaprojektoren der Fall ist. Vorschläge zu einer Neuordnung des Bildungssystems oder der Neudefinition eines Bildungsbegriffs weisen auf die hohe pädagogische Relevanz hin, die der Computertechnologie beigemessen wird.

Die pädagogische Relevanz wird dabei zwar angenommen, aber nicht geprüft. Viele Studien begnügen sich mit dem Hinweis auf die weite Verbreitung der Computertechnik - zumal im Wirtschaftsbereich - und gehen gleich zur pädagogischen Analyse über. Ein Beispiel dafür ist die Untersuchung von Bartels (1991). Aus der Kennzeichnung der Computertechnologie als Schlüsseltechnologie für den Erhalt der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit folgt für ihn die Aufgabe des Bildungssystems, entsprechende Qualifikationen zu vermitteln (Bartels 1991: 10f.)4. Welche Qualifikationen zu vermitteln sind, wird von Bartels eingehend diskutiert. Ob Computertechnologie im Vergleich zu anderen Arbeitsmitteln im Wirtschaftsbereich wirklich so weit verbreitet ist, und ob aus einer Verbreitung auch tatsächlich Qualifikationsbedarf resultiert, wird von ihm nicht weiter geprüft.

Statt der potentiell prüfbaren Annahme der Verbreitung von Computertechnik werden von einigen Autorinnen und Autoren auch Prognosen über den künftigen Einsatz der Technik als Begründung für die pädagogische Relevanz verwendet. Ein vielzitiertes Beispiel dafür ist die Arbeit von Haefner (1982). Er prognostiziert z.B. für das Ende der achtziger Jahre die breite Nutzung eines integrierten und tragbaren Systems des Informationszugangs und der Telekommunikation (ISIT), das Zugang zu stabilen und aktuellen Informationen ermöglicht (Haefner 1982: 55-58). Die Prognose stützt sich dabei nur auf die Möglichkeit des Produkts, Gründe für diese Annahme finden sich bei Haefner nicht. Nun sind Zukunftsprognosen allgemein problematisch, da Menschen keinen Zugriff auf die Zukunft haben.5 Daher ist Zurückhaltung bei den Konsequenzen geboten, die aus Zukunftsprognosen gezogen werden. Dafür ist gerade die Computertechnologie ein gutes Beispiel. So sind die von Haefner prognostizierten Geräte auch heute noch nicht verfügbar. Statt dessen hat das Internet eine Verbreitung erfahren, die nicht vorhergesagt wurde.

Die beiden Beispiele machen deutlich, daß eine Untersuchung der pädagogischen Relevanz von Computertechnologie erforderlich ist. Durch die Untersuchung der pädagogischen Relevanz von Computertechnologie wird zugleich die Fragestellung dieser Arbeit geklärt. Mit einer genauen Klärung der Fragestellung wird ein unbedachtes Annehmen möglicherweise ideologisch aufgeladener Fragestellungen vermieden. Die Klärung der Problemstellung erfolgt hier also auch in ideologiekritischer Absicht.

Die These für den ersten Abschnitt lautet: Für die Auseinandersetzung mit der Computertechnologie bestehen innerpädagogische Anläße. Im Kontext der Pädagogik finden sich dagegen kein überzeugenden Anläße für eine pädagogische Auseinandersetzung mit der Computertechnologie.

Wie kann diese These untersucht werden? Dazu ist zuerst zu klären, wann einem Gegenstand6 pädagogische Relevanz zukommt.

Die pädagogische Relevanz eines Gegenstandes muß nicht aus der Pädagogik heraus bestimmt werden. Pädagogik ist eingebunden in den historisch - gesellschaftlichen Kontext. Individuelle Lebensbedingungen, ökonomische Verhältnisse, politische Interessen oder kulturelle Strömungen haben Einfluß auf die Erziehung. Pädagogische Themen entstehen daher nicht nur fachintern - etwa aus der Bildungstheorie oder praktischen Problemen heraus -, sondern werden der Pädagogik durch ihren Kontext nahegelegt. Zu diesem Kontext gehören auch technische und technologische Entwicklungen. Diese haben, spätestens seit der Industrialisierung, erheblichen Einfluß auf pädagogisches Denken und Handeln (Reble 1989: 255ff.).

Allerdings genügt das bloße Vorhandensein eines Gegenstandes nicht als Kriterium für pädagogische Relevanz, wie aus dem Bereich der Technik die Beispiele des Automobils und des Telefons zeigen. Daher muß angesichts der Auseinandersetzung um die Computertechnologie gefragt werden, was die pädagogische Relevanz dieser Technologie ausmacht. Es lassen sich drei Bereiche identifizieren, aus denen sich die Relevanz eines Gegenstands für die Pädagogik ergeben kann:

- Aus Politik und Wirtschaft können sich Anlässe für die pädagogische Beschäftigung mit einem Thema ergeben. Politische Entscheidungen zu treffen, Waren zu produzieren oder damit zu handeln, sind keine Aufgaben der Pädagogik. Dennoch reichen Wirtschaft und Politik auf vielfältige Weise in die Pädagogik hinein, da die Erziehung zur Handlungsfähigkeit in diesen Bereichen zu den Aufgaben der praktischen Pädagogik gehört. Wenn Computertechnik in Politik oder Wirtschaft Bedeutung erlangt, wird sie auch zur Aufgabe für die Pädagogik.

- Aus dem Alltag der Menschen können sich ebenfalls pädagogisch relevante Gegenstände ergeben. Die lehrenden und lernenden Menschen bringen ihre Erfahrungen, Interessen und Einstellungen in pädagogische Kontexte ein. Wenn Computertechnik im Alltag der Menschen, etwa als Hobby, eine besondere Bedeutung erlangt, tragen die Menschen dieses Interesse auch in pädagogische Kontexte hinein, und Computertechnologie wird pädagogisch relevant.

- Didaktik und Bildungstheorie liefern wissenschaftliche Gründe für die pädagogische Relevanz von Gegenständen. Computertechnik kann Verbesserungen im didaktischen Bereich ermöglichen. Ihr Einsatz wird dann zum Anlaß wissenschaftlicher Reflexion. Genügt das vorliegende begriffliche Instrumentarium, z.B. in Form eines Bildungsbegriffs, dazu nicht, wird eine Neuformulierung erforderlich.

Pädagogische Relevanz eines Gegenstandes liegt demnach vor,

- wenn der Gegenstand im Kontext der Pädagogik (Wirtschaft, Politik, Alltag) verbreitet ist und genutzt wird, und wenn deswegen pädagogisches Handeln erforderlich wird;

- oder wenn der Gegenstand eine Weiterentwicklung didaktischen Handelns ermöglicht und auch dazu genutzt wird;

- oder wenn der in Kontext oder Didaktik relevante Gegenstand mit vorhandenen pädagogischen Begriffen nicht erfaßt werden kann und damit eine Neuformulierung pädagogischer Begriffe erforderlich wird.

Diese Bedingungen für die pädagogische Relevanz eines Gegenstands leisten keine Bestimmung des Gegenstandsbereichs der wissenschaftlichen Pädagogik. Wenn ein Gegenstand eine der genannten Bedingungen erfüllt, ist lediglich festzustellen, daß ein Gegenstand die Aufmerksamkeit der Pädagogik auf sich gezogen hat. Der Zweck der Untersuchung der pädagogischen Relevanz der Computertechnologie ist es, einen systematischen Überblick über die Bereiche anzuleiten, die Computertechnologie zum Gegenstand pädagogischer Auseinandersetzung machen können.

Pädagogische Relevanz eines Gegenstands ist Voraussetzung für die Prüfung in bezug auf den Gegenstandsbereich, legt aber einen schwächeren Maßstab an. Dieser schwächere Maßstab bietet kein festlegbares Kriterium für die Beurteilung des Maßes der pädagogischen Relevanz eines Gegenstandes. Für die Beurteilung muß daher ein relatives Kriterium verwendet werden. Dazu ist der betrachtete Gegenstand mit ähnlichen Gegenständen zu vergleichen. Im Fall der Computertechnologie ist vor allem an andere Medien zu denken. Die Relation zu anderen Medien ist bei Bezug auf empirische Studien anhand statistischer Kennziffern einzuschätzen; bei der Interpretation von Texten müssen Vorhandensein und Nachdrücklichkeit von Forderungen verglichen werden. Wie können die genannten Bedingungen für die pädagogische Relevanz von Computertechnologie geprüft werden?

Für die Untersuchung einer aus dem Kontext der Pädagogik resultierenden Relevanz von Computertechnologie ist erstens die Verbreitung und Nutzung in Wirtschaft, Politik und Alltag darzustellen. Die These ist, daß Computertechnologie im Kontext der Pädagogik verbreitet ist. Diese These macht eine Aussage über die empirische Wirklichkeit. Sie kann daher mit empirischen Verfahren geprüft werden. Läßt sich dabei Verbreitung und Nutzung feststellen, ist zweitens der pädagogische Handlungsbedarf zu untersuchen. Mit pädagogischem Handlungsbedarf ist gemeint, daß aus dem Kontext eine Forderung an die Pädagogik - meist die praktische Pädagogik - gestellt wird. Eine solche Forderung kann explizit formuliert werden. Die These ist, daß die Forderung nach Vermittlung von Computerkenntnissen aus dem Kontext der Pädagogik gestellt wird. Die Prüfung der These durch die Interpretation von Dokumenten macht hermeneutisches Vorgehen erforderlich. Der pädagogische Handlungsbedarf schlägt sich, wenn die praktische Pädagogik auf Forderungen aus dem Kontext reagiert, in konkretem Unterricht nieder. Die Forderung an die Pädagogik läßt sich daher auch über das Vorhandensein entsprechenden Unterrichts nachweisen, wozu empirische Verfahren heranzuziehen sind.

Das Eröffnen neuer didaktischer Wege durch Computertechnologie ist anhand von Vorschlägen aus pädagogischer Theorie oder Praxis zu belegen. Dabei ist angesichts der notwendigen Überprüfbarkeit wissenschaftlicher Aussagen eine Einschränkung auf öffentlich zugängliche und fixierte Vorschläge erforderlich. Es geht also um eine Interpretation von Dokumenten, für die hermeneutische Verfahren geeignet sind. Zweite Bedingung für die Begründung pädagogischer Relevanz mit didaktischen Handlungsmöglichkeiten ist die beobachtbare Nutzung, die empirisch zu prüfen ist.

Die Neuformulierung wissenschaftlich - pädagogischer Grundbegriffe wird dann erforderlich, wenn vorhandene Begriffe nicht ausreichen, den Gegenstand Computertechnologie zu erfassen. Daß ein Gegenstand mit pädagogischen Begriffen zu erfassen ist, wird durch Relevanz in einem der ersten beiden Punkte angezeigt. Damit folgt diese Arbeit dem 'Primat der Praxis' (Benner 1991: 17), der die wissenschaftliche Pädagogik als Handlungswissenschaft auszeichnet. Ob vorhandenes begriffliches Instrumentarium dazu geeignet ist, einen Gegenstand wissenschaftlich zu reflektieren, erfordert die logische Untersuchung eines vorhandenen Begriffs und die Prüfung der Anwendbarkeit auf den neuen Gegenstand.

Damit ist die Anwendung unterschiedlicher Methoden zur Prüfung der pädagogischen Relevanz eines Gegenstands erforderlich. Insbesondere für die empirische Prüfung wird wegen der Breite des Feldes (Wirtschaft, Politik und Alltag) in dieser Arbeit auf die Rezeption vorliegender Studien zurückgegriffen. Da diese Rezeption unter der Perspektive der pädagogischen Relevanz erfolgt, wird vorhandenes Material interpretiert. Das erste Kapitel geht also hermeneutisch vor.

Es wird hier eine Übersicht über ausgewählte Studien zur empirischen Verbreitung von Computertechnik gegeben. Für die Beschränkung auf eine Übersicht gibt es zwei Gründe: Zum einen ist es für die Bestimmung der pädagogischen Relevanz erforderlich, verschiedenste Gebiete zu betrachten. Die damit erforderliche große Breite würde bei gleichzeitig maximaler Tiefe den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zum anderen läßt sich eine hinreichende Plausibilität für die pädagogische Relevanz auch ohne eine vollständige Berücksichtigung aller Studien erreichen. Es geht um die Frage, ob eine Möglichkeit genutzt wird. Wenn dies in Studien berichtet wird, dann kann die Tatsache der Nutzung kaum bestritten werden. Für den Kontext der Pädagogik kann der Umfang der Nutzung durch Bezug auf mehrere Studien hinreichend genau nachgewiesen werden. Auch hier sind große Abweichungen nicht zu erwarten, wenn die Ergebnisse jeweils in dieselbe Richtung weisen.

Ziel des ersten Kapitels ist es, eine kritische Prüfung der pädagogischen Relevanz von Computertechnologie vorzunehmen und damit eine Lücke pädagogischer Forschung zu füllen.

2.1 Computer in Wirtschaft, Politik und Alltag

Führt die Verbreitung von Computern in Wirtschaft, Politik und Alltag zu pädagogischer Relevanz von Computertechnologie? Zwei Kriterien müssen dafür erfüllt sein:

- Computertechnik ist in Wirtschaft, Politik oder Alltag weit verbreitet.

- Es ist pädagogisches Handeln in Wirtschaft, Politik oder Alltag im Zusammenhang mit Computertechnik festzustellen.7

Wenn beide Thesen zutreffen, ist Computertechnologie pädagogische Relevanz zuzusprechen. Für die Beurteilung des Ausmaßes der Relevanz ist ein Vergleich mit anderen Medien erforderlich. Dieser Vergleich stößt auf zwei Probleme:

Erstens ist ein Vergleich mit allen anderen Medien nicht zu leisten; für den Vergleich ist eine Auswahl von Medien zu treffen. Hier werden Medien ausgewählt, deren Verbreitung in Wirtschaft und Politik evident ist und daher nicht eigens untersucht werden muß. Neben den schon genannten Medien Automobil und Telefon trifft das auf die Handschrift zu. Für die Politik ist auch das Fernsehen zu berücksichtigen. Im Wirtschaftsbereich wird das Fernshen kaum als Arbeits- oder Produktionsmittel verwendet und kann vernachlässigt werden.

Zweitens liegen nicht für alle der genannten Medien Daten vor, die eine Beurteilung des pädagogischen Handlungsbedarfs erlauben. So gibt es keine Erhebungen über den Umfang von Telefonschulungen in Deutschland, und auch in Veröffentlichungen von Wirtschaftsverbänden oder in politischen Verlautbarungen findet sich keine Forderung nach einer Vermittlung von Telefonkompetenz. Um trotz dieses Problems zu einer fundierten Aussage zu kommen, wird die Betrachtung für den Wirtschaftsbereich um die Perspektive des Schlüsselqualifikationsbegriffs8 ergänzt.

Mertens schlägt den Begriff der Schlüsselqualifikation für einen Bildungskanon vor9, der nicht mit formalen Bildungstheorien, sondern mit wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Überlegungen begründet ist (Mertens 1974: 38f., 1988: 33). Weil damit Aufgaben für die Pädagogik aus dem Wirtschaftsbereich abgeleitet werden, ist das Konzept für die Diskussion der aus dem Wirtschaftsbereich resultierenden pädagogischen Relevanz von Computertechnologie geeignet; da aber der Politikbereich, der Alltag und fachinterne Anlässe von Mertens nicht berücksichtigt werden, muß der Rückgriff auf den Schlüsselqualifikationsbegriff auf diesen Abschnitt beschränkt bleiben.

Schlüsselqualifikationen sollen nach Mertens keinen unmittelbaren und begrenzten Bezug zu praktischen Tätigkeiten aufweisen, sondern für eine große Zahl von zu einem Zeitpunkt möglichen Positionen und Funktionen geeignet sein und im Laufe des Lebens bei verschiedenen Anforderungen verwendet werden können. Er unterscheidet als Typen von Schlüsselqualifikationen Basisqualifikationen, Horizontalqualifikationen, Breitenfaktoren und Vintage - Faktoren.10 Die hier relevanten Breitenelemente sind spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten, die als praktische Anforderungen in vielen Wirtschaftsbereichen vorkommen.11 Als Beispiele für Breitenfaktoren nennt Mertens die vier Grundrechenarten, Meßtechnik, Arbeitsschutz und Maschinenwartung (Mertens 1974: 40).

Mertens vertritt die Auffassung, daß EDV ein Anwendungsgebiet und keine Schlüssequalifikationskategorie ist (Mertens 1988: 43). Dagegen ist einzuwenden, daß konkrete Computertechnik zwar immer mit einem bestimmten Anwendungsprogramm verwendet wird, viele Anwendungen aber gleichen Zwecken dienen und sich auch bei verschiedenen Computersytemen ähneln. Die Anwendungen können daher unter wenige Programmtypen12 gefaßt werden. Für Programmtypen sind spezielle Kenntnisse erforderlich, die sich nicht wie Basis- oder Horizontalqualifikationen auf übergreifende Kenntnisse beziehen, die aber auch nicht auf konkrete Anwendungen beschränkt bleiben, sondern auf ähnliche Anwendungen übertragbar sind. Computertechnologie kann also mit dem begrifflichen Rahmen der Schlüsselkompetenz als Breitenelement erfaßt werden.

Welches Kriterium gilt für den Ausweis von Gegenständen als Breitenelement? Spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten sind nach der Definition von Mertens dann Breitenelemente, wenn es sich um "spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten, die über breite Felder der Tätigkeitslandschaft nachweislich als praktische Anforderung am Arbeitsplatz auftreten" (Mertens 1974: 42)13 handelt. Mertens begründet die von ihm genannten Breitenelemente Meßtechnik, Arbeitsschutz und Maschinenwartung mit den Ausbildungsvorschriften für betriebliche Ausbildungsberufe. Da die Ausbildungsvorschriften im deutschen dualen Bildungssystem von Gewerkschaften und Arbeitgebern, d.h. innerhalb des Wirtschaftsbereichs, festgelegt werden, können sie durchaus als Indikator für Breitenelemente herangezogen werden, sind aber methodisch nicht unproblematisch.

Ausbildungsvorschriften sind ein extern korrelativer Indikator14 für Breitenelemente, da es sich bei Ausbildungsvorschriften nicht um Kenntnisse, Fertigkeiten oder Anforderungen am Arbeitsplatz handelt und sie daher nicht Bestandteil der Definition des Breitenlementbegriffs sind. Mertens setzt mit der Verwendung von Ausbildungsvorschriften als Indikator für Breitenelemente voraus, daß von Ausbildungsvorschriften auf praktische Anforderungen an Arbeitsplätzen geschlossen werden kann. Nun muß die Bestimmung von Lernzielen durch wirtschaftliche Interessenverbände nicht unbedingt dazu führen, daß die vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten auch als praktische Anforderung am Arbeitsplatz auftreten. Es ist durchaus möglich, daß die Berufsausbildung an Arbeitsplatzanforderungen vorbei qualifiziert. Dann kann von Ausbildungsvorschriften nicht auf Anforderungen an Arbeitsplätzen geschlossen werden. Dieses methodische Problem läßt sich vermeiden, indem die tatsächlich am Arbeitsplatz auftretenden Anforderungen als definitorischer Indikator für Breitenelemente verwendet werden.

Es gibt vielfältige Anforderungen, die an Arbeitsplätzen auftreten können. Unter der Perspektive der pädagogischen Relevanz von Computern als Breitenelemente ist es nicht erforderlich, alle möglichen Anforderungen zu betrachten. Breitenelemente sind nach Mertens Definition auf Kenntnisse und Fertigkeiten bezogen. Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit Computern sind dann erforderlich, wenn Computer als Arbeitsmittel15 eingesetzt werden. Es ist also darzustellen, in welchem Ausmaß Computer als Arbeitsmittel verwendet werden.

Das Ausmaß der pädagogischen Relevanz von Computertechnologie kann damit in bezug auf den Wirtschaftsbereich mit dem Schlüsselqualifikationsbegriff als Ergänzung zur Untersuchung der Verbreitung und dem pädagogischen Handlungsbedarf eingeschätzt werden.

2.1.1 Computer in der Wirtschaft

Die Arena, die durch das Spannungsfeld zwischen Qualifizierung und Bildung eröffnet wird, stellt einen traditionellen Schauplatz pädagogischer Auseinandersetzungen dar. Besonders deutlich wird dieses Spannungsfeld am Anfang des 17. Jahrhundert im entstehenden Merkantilismus sichtbar. Der Wirtschaftsbereich bekommt im Merkantilismus große Bedeutung, da der Reichtum eines Staates im Geldwert bemessen wird. Um den Reichtum des Staates zu mehren, ist eine florierende Wirtschaft erforderlich. Und die Wirtschaft benötigt Staatsbürger, die Kenntnisse und Fertigkeiten besitzen, die für die Übernahme entsprechender Funktionen in der Wirtschaft erforderlich sind. Konsequenterweise wird weniger auf eine Gelehrtenschule gesetzt, als vielmehr auf die Ertüchtigung eines jeden Staatsbürgers in einer allgemeinen Volksschule. Der Einfluß der wirtschaftlichen Interessen auf die praktische Pädagogik wird offensichtlich. Aber er ist nicht der einzige. Auch Bildungsgedanken beeinflussen die Entwicklung. Hier sei nur an das ebenfalls in diese Zeit fallende Wirken von Comenius erinnert, der die geistige Entwicklung des Menschen in den Mittelpunkt seiner pädagogischen Gedanken stellt (Reble 1989: 106ff.). Für Comenius ist es die Aufgabe des Menschen, die ihm von Gott bestimmte Vollkommenheit zu erreichen (Blättner 1019511961: 52). Das ist für ihn weniger eine theoretische - seine Erkenntistheorie arbeitet er nicht aus (Blättner 1019511961: 56) - als eine praktische Aufgabe. Mit seinen praktischen Ansätzen beeinflußt Comenius das Schulwesen seiner Zeit - und dieser Einfluß steht neben den wirtschaftlichen Einflüssen, neben der Forderung, Schule müsse für die Wirtschaft nützliche Bürger hervorbringen.

An die Entwicklungen im Merkantilismus knüpft in Deutschland die Industrialisierung an. Mit dem Beginn der Industrialisierung gibt es eine wesentliche Veränderung, die auch heute noch maßgeblich ist: die Technisierung des Produktionsprozesses. Gerade die Entwicklung neuer Produktionsweisen führt zu einem Aufstieg des Wirtschaftsbereichs, der die Gesellschaft in ihren Grundlagen verändert. Die praktische Pädagogik ist davon erheblich betroffen. Zum einen werden jetzt viele Menschen benötigt, die in der Organisation der entstehenden großen Wirtschaftsbetriebe arbeiten können, wofür oft Grundkenntnisse im Lesen und Schreiben nötig sind. Vor allem aber müssen die Menschen an die neuen Produktionsbedingungen gewöhnt werden. Zu diesem Zweck werden die Industrieschulen gegründet. Erziehung wird in diesen Schulen dem wirtschaftlichen und technischen Interesse untergeordnet (Konneffke 1973: 52ff.). Aber nicht nur wirtschaftliche Interessen bestimmen die Schulentwicklung. Reble verweist auf Schopenhauer, der die Aufgabe der Erziehung in dieser Zeit darin sieht, hohe Kunst und Lebensweisheit zu vermitteln (Reble 1993: 258ff.). Auch in der Industrialisierung steht für die Schule der wirtschaftliche Einfluß neben dem bildungstheoretischen.

Die kurzen Andeutungen zeigen, daß es neben der bildungstheoretischen Orientierung praktischer Pädagogik eine Tradition gibt, die pädagogische Aufgabe über wirtschaftliche Interessen zu bestimmen. Damit ist nicht gesagt, daß die pädagogische Aufgabe nur über wirtschaftliche Interessen zu bestimmen ist. Die Legitimität von wirtschaftlichen Forderungen an wissenschaftliche und praktische Pädagogik, die im gesellschaftlichen Kontext stehen, wird anerkannt. Ebenso legitim ist jedoch die kritische Prüfung solcher Forderungen.

2.1.1.1 Verbreitung im Wirtschaftsbereich

Die erste Frage zur Prüfung der pädagogischen Relevanz von Computertechnologie lautet nun: Wie verbreitet ist Computertechnik im Wirtschaftsbereich? Ein Indikator für die Verbreitung im Wirtschaftsbereich ist die zunehmende Bedeutung der Informationsverarbeitung. Das wird im von Dostal verwendeten 'Vier - Sektoren - Modell' deutlich. Er unterscheidet die Sektoren Landwirtschaft, Produktion, Dienstleistung und Informationsverarbeitung. Die Zahl der Beschäftigten im Landwirtschaftsbereich sinkt seit Ende des 19. Jahrhunderts kontinuierlich. Im Produktionsbereich ist diese Entwicklung seit 1970 festzustellen: Während 1970 noch 40% der Beschäftigten in diesem Sektor arbeiten, sind dies 1995 nur noch 25%. Im Dienstleistungsbereich ist seit 1950 eine Stagnation zu verzeichnen. Zwischen 1950 und 1995 arbeiten 22-25% der Beschäftigten in diesem Bereich. Ganz anders ist die Entwicklung im Informationsbereich. Es ist ein steiler Ansteig zu verzeichnen - von 18% der Beschäftigten 1950 auf 51% im Jahre 1995 (Dostal 1995: 528f.).

Da Computertechnologie die wichtigste Grundlage heutiger Informationsverarbeitungstechnik darstellt, ist mit diesen Zahlen die Annahme berechtigt, daß mit der zunehmenden Bedeutung der Informationsverarbeitung im Wirtschaftsbereich auch die Bedeutung der Computertechnologie steigt.

Dabei wird oft nicht mit der tatsächlichen Verbreitung von Computertechnik, sondern mit Erwartungen an die zukünftige Entwicklung argumentiert. Dieser Rückgriff auf Prognosen findet sich z.B. im Bericht 'Info 2000' der Bundesregierung. Dort heißt es:

"Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß Deutschland im internationalen Wettbewerb Chancen nur nutzen kann, wenn Hemnisse auf dem Weg in die Informationsgesellschaft beseitigt werden" (Bundesministerium für Wirtschaft 1996: 6).

Die zunehmende Nutzung der Computertechnologie im Wirtschaftsbereich wird als Wettbewerbsfaktor gesehen. Wenn diese Herausforderung angenommen wird, so die Hoffnung der Bundesregierung, werden bis zum Jahr 2010 1.500.000 zusätzliche Arbeitsplätze in Deutschland entstehen (Bundesministerium für Wirtschaft 1996: 6) - angesichts der aktuellen Misere auf dem Arbeitsmarkt ein ernstzunehmendes Argument, das auch zur Begründung der Beschäftigung von Pädagogik mit Computertechnologie herangezogen wird.

Die Aufgabe der praktischen Pädagogik wird dabei nicht nur darin gesehen, zum Umgang mit Computertechnik zu befähigen. Es geht - ähnlich wie bei der Gewöhnung an neue Produktionsbedingungen in den Industrieschulen - auch darum, an Computertechnik zu gewöhnen, um die Akzeptanz der Technologie zu erhöhen und eine "aufgeschlossene Grundeinstellung der Bevölkerung" zu erreichen (Bundesministerium für Wirtschaft 1996: 8). Ziel ist es, den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland zu sichern - das Wirtschaftsziel 'Internationale Konkurrenzfähigkeit' soll durch die Pädagogik unterstützt werden.

Ähnlich argumentiert auch die Enquˆte - Kommission 'Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft' des Deutschen Bundestages in ihrem ersten Zwischenbericht, der ausführliche Prognosen über mögliche Wachstumsraten enthält und daraus eine hohe Bedeutung der Computertechnologie für den Wirtschaftsstandort Deutschland ableitet (Enquete - Kommission 1996: 12ff.).

In den genannten politischen Papieren wird von nicht weiter belegten Prognosen ausgegangen. Da mit den Prognosen Forderungen an die Pädagogik begründet werden, müssen sie kritisch hinterfragt werden. Welsch hat drei oft zitierte Untersuchungen über die Beschäftigungswirkung des Multimediasektors in einer Studie zusammengestellt. Als erstes nennt er eine Untersuchung des französischen Beratungsunternehmens BIPE Conseil, das 1996 eine Studie für die EU - Kommission vorgelegt hat. Danach ist in Deutschland bei optimistischer Entwicklung, d.h. schneller Liberalisierung und schneller Verbreitung in der Bevölkerung, mit 154.000 neuen Arbeitsplätzen in der Telekommunikationsbranche zu rechnen. Nach der Einschätzung von Welsch ist diese Studie stark von den politischen Einflüssen der EU - Kommission geprägt (Welsch 1997: 75ff.).

Die Unternehmensberatung Arthur D. Little hat 1996 eine Studie über die TIME - Industrien (Telekommunikation, Informationstechnologie, Medien, Elektronik) vorgelegt. Sie rechnet von 1995 bis 2010 mit 210.000 neuen Arbeitsplätzen im Multimedia - Bereich, wobei in der Telekommunikationsbranche mit Verlusten gerechnet wird, so daß insgesamt nur geringe positive Arbeitsplatzeffekte eintreten. Bei dieser Studie kritisiert Welsch die undurchsichtige Umsetzung qualitativer Beschreibungen in quantitative Auswirkungen (Welsch 1997: 83ff.).

Nach einer 1995 vorgelegten Untersuchung von DIW und prognos AG ist bis zum Jahr 2010 mit 182.000 neuen Arbeitsplätzen im Medien- und Kommunikationssektor zu rechnen. Nach Welsch ist dies die fundierteste der vorgelegten Studien. Setzt man die ca. 200.000 prognostizierten neuen Arbeitsplätze in Relation zu den 28.000.000 Beschäftigten, die nach Dostal für 2010 insgesamt erwartet werden (Dostal 1995: 528), ergibt sich ein Anteil von 0,71%.

Diese Studien machen deutlich, daß der Erwartung von Bundesregierung und Enquˆte - Kommission die Grundlage fehlt. Computertechnologie als zentrale Aufgabe für alle Bereiche des Bildungswesens anzusehen, wie es die Bundesregierung fordert (Bundesministerium für Wirtschaft 1996: 89), ist mit den genannten Prognosen nicht zu rechtfertigen.

Die Prognosen über die zukünftige Entwicklung sind dabei nicht nur niedrig - sie sind auch unsicher. Denn Computertechnologie ist eine Querschnittstechnologie, deren Wirkung auf die Wirtschaft nicht aus der Technologie alleine, sondern nur unter Einbeziehung eines komplexen Umfeldes ermittelt werden kann. Das hat zur Folge, daß sich überzeugende Prognosen nicht aufstellen lassen (Dostal 1995: 530). Nach Welsch reflektieren die Studien in erster Linie die jeweils gemachten Annahmen (Welsch 1997: 8). Die genannten Vorhersagen sind wegen dieser Unzuverlässigkeit für eine Einschätzung der pädagogischen Relevanz von Computertechnologie kaum geeignet. Das gilt auch für die Begründung pädagogischer Relevanz mit politischen Forderungen, die sich auf die genannten Studien beziehen.

Zuverlässiger sind empirische Erhebungen, die Aussagen über den tatsächlichen Umfang der Nutzung erlauben. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (IAB) in den Jahren 1998/99 eine Erhebung bei 34.000 Erwerbstätigen durchgeführt (Troll 2000a: 5). In diesen regelmäßig durchgeführten Arbeitsmittelstudien wird nach den am Arbeitsplatz verwendeten Arbeitsgeräten, Maschinen, technischen Anlagen etc. gefragt. Den Befragten wird eine Liste von Arbeitsmitteln vorgelegt. Sie sollen jeweils angeben, welche Arbeitmittel sie überhaupt verwenden, und welches das überwiegend verwendete Arbeitsmittel ist (Troll 1993: 1). Unter der Bezeichnung 'Computergesteuerte Arbeitmittel' werden alle programm- und computergesteuerten Automaten und Anlagen zusammengefaßt. Das reicht von Telefonen mit ISDN - Anschluß über Scanner - Kassen bis zu Bürocomputern (PCs) (Troll 2000a: 2). Für die hier diskutierte Frage ist der Verbreitungsgrad von computergesteuerten Arbeitsmitteln (im folgenden als Computertechnik bezeichnet) und die Tätigkeiten, die beim Umgang mit computergesteuerten Arbeitsmitteln ausgeführt werden, relevant.

Computertechnik wird 1999 von 62% der befragten Erwerbstätigen genutzt. Die Nutzung steigt von 14% im Jahr 1979 über 21% im Jahr 1985 und 37% im Jahr 1992 kontinuierlich an. Im Vergleich mit anderen Arbeitsmitteln wird Computertechnik häufig verwendet. Dabei werden andere Arbeitsmittel nicht verdrängt. Vielmehr nimmt die Vielfalt der verwendeten Arbeitsmittel zu (Troll 1993: 3, 2000a: 1).

Die eben genannten Daten beziehen sich auf die Frage nach den überhaupt verwendeten Arbeitsmitteln. Zwar wird die Intensität des Einsatzes, d.h. die Anzahl der Stunden, die mit Computertechnik gearbeitet wird, nicht erfragt (Troll 1993: 1), gefragt wird aber nach dem hauptsächlich genutzten Arbeitsmittel. 1999 verwenden 36% der Beschäftigten überwiegend computergestuerte Arbeitsmittel, 30% einfaches Arbeitsgerät, 11% einfache Maschinen, 7% komplexe Maschinen und 5% angetriebenes Handwerk (Troll 2000b: 2). Computertechnologie stellt 1999 das am häufigsten verwendete Arbeitsmittel dar.

1993 sind 88% der Frauen und 74% der Männer, die hauptsächlich oder gelegentlich mit Computertechnik umgehen, mit einfacher Gerätebedienung beschäftigt. Tätigkeiten, die weitergehende Kenntnisse erfordern, sind selten. So kommt Systembetreuung von Hard- und Software bei 4% der Frauen und 11% der Männer, die hauptsächlich oder gelegentlich mit Computertechnik arbeiten, vor (Troll 1993: 9). 1999 sind 3% der Frauen und 10% der Männer mit Programm- und Softwareentwicklung oder Systemanalyse beschäftigt; dagegen arbeiten 75% mit Textverarbeitungsprogrammen (Troll 2000b: 4).

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß Computer an 62% der Arbeitplätze verwendet werden und das am häufigsten verwendete Arbeitsmittel sind. Computertechnik ist also im Wirtschaftsbereich weit verbreitet.

2.1.1.2 Praktischer pädagogischer Handlungsbedarf

Führt die Verbreitung von Computertechnik im Wirtschaftsbereich zu praktischem pädagogischem Handlungsbedarf? Die Frage wird erstens anhand der Frage untersucht, ob entsprechender Unterricht durchgeführt wird. Dabei geht es hier nicht um den Schulbereich, der nur mittelbar durch wirtschaftliche Interessen beeinflußt ist. Von den praktischen pädagogischen Bereichen weisen Berufsausbildung und Weiterbildung eine besondere Nähe zur Wirtschaft auf.

Zweitens wird der pädagogische Handlungsbedarf anhand von Dokumenten aus dem Wirtschaftsbereich untersucht. Dazu werden Veröffentlichungen von wirtschaftlichen Interessenverbänden verwendet, da davon ausgegangen werden kann, daß diese Veröffentlichungen die Auffassung der Mehrheit der Mitglieder wiederspiegeln.

2.1.1.2.1 Berufsausbildung

Für die Berufsausbildung besteht die Nähe zum Wirtschaftsbereich im Erziehungsziel der beruflichen Tüchtigkeit (Lipsmaier 1995: 227). Die Nähe wird durch die Institutionalisierung der Berufsbildung unterstrichen, bei der z.B. die Festlegung der Berufsbezeichnungen und Ausbildungspläne innerhalb der Wirtschaft erfolgt und staatlich lediglich anerkannt wird (Fredebeul 1981). Wenn die Nutzung der Computertechnik im Wirtschaftsbereich zu praktischem pädagogischem Handlungsbedarf führt, dann sollte sich das vor allem in der beruflichen Ausbildung äußern.

Der Einfluß von Anforderungen aus den Unternehmen an die Berufsausbildung findet Ausdruck in der seit Beginn der 90er Jahre verstärkt vorangetriebenen Neuordnung der Ausbildungsberufe. In den Rahmenplänen wird neben einer verstärkten Handlungsorientierung vor allem der Bereich der Mikroelektronik erheblich erweitert oder neu aufgenommen (Borch u.a. 1991). Gerade angesichts der schnellen technischen Entwicklung ist zuletzt sogar das Verfahren für die Erstellung neuer und die Aktualisierung vorhandener Ausbildungsordnungen beschleunigt worden. Neue Berufsbilder werden vor allem in den Bereichen Medien und Informations- und Kommunikationstechnologien geschaffen (BiBB 1997). Allerdings sagen Ausbildungsordnungen wenig darüber aus, was tatsächlich gelernt wird, und sie sagen trotz der wirtschaftsnahen Institutionalisierung wenig darüber aus, ob das Gelernte auch in der späteren Berufsausübung angewendet werden kann.

Ob Gelerntes auch angewandt wird, untersucht Höfkes in einer von 1989 bis 1992 in Duisburg durchgeführten Studie. Jugendliche, die eine Berufsausbildung in gewerblich - technischen oder kaufmännischen Berufen absolvieren, werden in dieser Studie unter anderem nach der Vermittlung von Computerkenntnissen16 und der Nutzung dieser Kenntnisse beim Berufseinsteig befragt. Erfaßt werden die subjektiven Einschätzungen der Jugendlichen.

In bezug auf Computerkenntnisse werden die Vermittlungstiefe, die Zufriedenheit mit der Ausbildungsqualität und die Nutzung der erworbenen Fertigkeiten nach dem Berufseinstieg erhoben. Bei den gewerblich technischen Berufen gaben 17% der befragten Jugendlichen an, daß Kenntnisse in diesem Bereich vermittelt worden sind. Gefragt nach der Vermittlungstiefe von Computerkenntnissen halten nur knapp 5% die vermittelten Kenntnisse für gründlich, die meisten beurteilen sie als oberflächlich. Dabei werden die Fertigkeiten in der Regel nicht in den Betrieben, sondern in der Berufsschule vermittelt (Höfkes 1993: 26ff.). Die Befragung der Jugendlichen nach dem Berufseinstieg ergibt ein heterogenes Bild:

"DV - Qualifikationen haben weder für alle Berufe noch innerhalb eines Berufs den gleichen Stellenwert" (Höfkes 1993: 59).

Trotz der Streuung der Anforderungen über die Berufe läßt sich anhand einer Analyse des Zusammenhangs zwischen benötigten und erworbenen Qualifikationen zeigen, daß diejenigen, die Computerkenntnisse benötigen, diese auch erworben haben. Die Qualifikationsnachfrage aus den Unternehmen und das Angebot aus der Ausbildung passen zusammen, bei einem insgesamt geringen Verwertungsgrad von in der Ausbildung erworbenen Computerkenntnissen (Höfkes 1993: 61). Für den gewerblichen Bereich läßt sich sogar sagen, daß nicht ein Problem der mangelnden Qualifikation der Auszubildenden besteht, sondern daß ein Problem der Überqualifikation mit daraus resultierender Unterforderung im Beruf besteht (Eckert 1993: 11f.) Ein ähnliches Bild ergibt die im Rahmen der Erhebung von Höfkes durchgeführte Befragung von Auszubildenden aus kaufmännischen Berufen, über die Stender berichtet. Diese Erhebung zeigt, daß viele mit der Art der Vermittlung von Computerkenntnissen nicht zufrieden sind. Allerdings hat bei den kaufmännischen Berufen, wohl wegen des häufigeren Einsatzes von Computertechnologie in diesem Bereich, der Lernort Arbeitsplatz eine größere Bedeutung. Es gilt aber wie bei den gewerblich - technischen Berufen: Längst nicht an allen Arbeitsplätzen wird der Umgang mit Computertechnik verlangt. Die Bedeutung von entsprechenden Kenntnissen ist je nach Beruf und nach Tätigkeit unterschiedlich. Zudem erweist sich in Modellprojekten, daß die nötigen Kenntnisse in der Regel unproblematisch durch Einarbeitung am Arbeitsplatz oder durch gezielte Weiterbildung erworben werden (Stender 1993: 37, 145f.). In letzterem Fall sind Vorkenntnisse hilfreich: die Lernschwierigkeiten, etwa beim Umgang mit neuer Software, sind geringer, wenn schon EDV - Vorkenntnisse bestehen. Bei vielen Anwendungen treten zudem keine Lernschwierigkeiten auf, weil die Anforderungen - etwa bei reinen Eingabearbeiten - so gering sind, daß ein kompetenter Umgang mit der Technik kaum erforderlich ist (Stender 1993: 35).

Computerkenntnisse spielen nach der dargestellten Untersuchung bei einigen, aber längst nicht bei allen beruflichen Tätigkeiten eine Rolle. Sie sind für die Befragten nur bedingt dazu geeignet, die Übernahme verschiedener Tätigkeiten zu unterstützen. Nützlich können Vorkenntnisse allerdings bei Änderungen von Anforderungen - etwa durch neue Software - sein. Dies tritt in wenigen Fällen auf, oft wird nicht mit Computern gearbeitet oder die Arbeit mit Computern ist einfach strukturiert, so daß keine besondere Qualifikation erforderlich ist.

2.1.1.2.2 Weiterbildung

Die eben dargestellten Ergebnisse weisen auf die Bedeutung der gezielten Weiterbildung im Computerbereich hin (Stender 1993: 37). Der Weiterbildungsbereich ist der zweite pädagogische Bereich, den eine große Nähe zur Wirtschaft auszeichnet. Da dieser Bereich im Vergleich zur beruflichen Bildung oder zur Schule wenig reglementiert ist und weitgehend nachfrageorientiert arbeitet, ist zu erwarten, daß Inhalte, die keine Nachfrage finden, schnell wieder aus dem Angebot verschwinden - und umgekehrt ein erheblicher Bedarf an Computerkenntnissen im Wirtschaftsbereich schnell zu entsprechenden Weiterbildungsangeboten führt.

Mit Bedarf nach Weiterbildung zu Themen aus dem Bereich der Computertechnologie ist zu rechnen, weil Computertechnik in einem relativ kurzen Zeitraum eingeführt worden ist. Beschäftigte, die ihre Ausbildung vor der breiten Einführung von Computertechnik abschließen, können während der Berufsausbildung noch keine Computerkenntnisse erwerben. Sie sind in besonderem Ausmaß auf Weiterbildungen angewiesen. Zudem ist nach wie vor ein schneller Wandel der Computertechnik zu beobachten, so daß auch für erfahrene Nutzerinnen und Nutzer Weiterbildungsbedarf entsteht.

Insgesamt verzeichnet der Weiterbildungsbereich wachsende Zahlen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern. 1994 nehmen 42% der Bevölkerung zwischen 19 und 65 Jahren an Weiterbildungen teil (Bundesministerium für Bildung, Forschung und Technologie 1995: 300). An Weiterbildungen, die die Qualifikation im Umgang mit Computertechnologie zum Ziel haben, beteiligen sich bei den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern 1994 bundesweit insgesamt 5.171 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, das entspricht 8,4% der gesamten kaufmännischen und gewerblich - technischen Lehrgänge (eigene Berechnung nach a.a.O.: 308f.). 3.986 Menschen legen Prüfungen als Fachkräfte für Datenverarbeitung ab, das sind 5,0% der insgesamt absolvierten Fortbildungsprüfungen (eigene Berechnung nach a.a.O.: 312f.).

Bei den Volkshochschulen werden 1991 bundesweit 20.414 Kurse im EDV - Bereich angeboten. Das entspricht 4,5% des gesamten Kursangebots. Die Kurse werden von 262.275 Teilnehmerinnen und Teilnehmer besucht, das sind 4,4% der Gesamtbelegungen (Pädagogische Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschul - Verbandes 1991: 38f.). Die Daten von 1995 zeigen ein ähnliches Ergebnis: Es werden 31.356 Kurse angeboten, das entspricht 6,26% der 500.504 insgesamt angebotenen Kurse. Daran nehmen 373.248 Teilnehmerinnen und Teilnehmer teil; 5,82% der 6.409.360 Gesamtbelegungen (Pehl u.a. 1996: 34). Die steigende Tendenz entspricht der Gesamttendenz der Kurs- und Belegungsdaten (Pehl u.a. 1996: 21).

Ähnliche Werte ermittelt eine Studie bei externen Weiterbildungsanbietern für Betriebe: Hier sind Computerkurse mit etwa 6% aller Seminarthemen vertreten (Giesecke 1996: 74). Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der Gesamtanteil an Computerkursen im Weiterbildungsangebot zwischen 4,4 und 8,4% liegt.

Fragt man nicht nach dem allgemeinen Weiterbildungsmarkt, sondern konzentriert sich auf betriebsbedingte Weiterbildungsgründe, die in besonderem Maße Auskunft über den Bedarf der Unternehmen geben können, liegen die Ergebnisse etwas höher: Von Befragten einer Stichprobe aus Heilbronn und Hildesheim gaben 50% 'notwendige Kenntnisse in neuen Techniken', 33% 'Einsatz von Datenverarbeitung' und 22% 'Einsatz von Textverarbeitung' an (Kuwan u.a. 1993: 206). Eine bundesweite Betrachtung der betrieblichen Weiterbildung kann dieses Ergebnis stützen: Von einer Liste mit 18 untersuchten Themengebieten liegen zwölf Themengebiete bei den Teilnahmefällen unter einem Anteil von 5%. Von den sechs über 5% liegenden Themen sind zwei Computerthemen: Computertechnik im kaufmännischen Bereich mit 10% und Programmierung mit 6% (Kuwan u.a. 1993: 266f.). Insgesamt läßt sich feststellen, daß etwa ein Fünftel der betrieblichen Weiterbildung auf den Computerbereich entfällt (Kuwan u.a. 1993: 270). Noch deutlicher wird das Interesse von Unternehmen an Weiterbildung im Computerbereich in einem Vergleich von betriebsinterner und außerbetrieblicher Weiterbildung. Der Anteil der Computerkurse an der betriebsinternen Weiterbildung beträgt 29%, der Anteil an der außerbetrieblichen Weiterbildung lediglich 19% (Kuwan u.a. 1993: 285).

Die angegebenen Daten müssen durchaus kritisch betrachtet werden. So kann nicht davon ausgegangen werden, daß der heterogene Weiterbildungsbereich mit den dargestellten Statistiken vollständig erfaßt worden ist. Z.B. fällt die unsystematische Einführung in neue Software durch bereits eingearbeitete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Arbeitsplatz nicht in den Bereich der Weiterbildung. Aber auch die gezielte Weiterbildung am Arbeitsplatz ('Training on the Job') wird in der zitierten Untersuchung nicht berücksichtigt (Kuwan u.a. 1993: 284). Kleinere Weiterbildungsunternehmen, Unternehmensberatungen oder alleine arbeitende Selbständige sind ebenfalls nicht erfaßt. Es ist aber anzunehmen, daß ein repräsentativer Anteil der Weiterbildungen in den dargestellten Untersuchungen abgebildet ist, da hier zum einen viele große Anbieter vertreten sind, zum anderen Umfragen bei Teilnehmerinnen und Teilnehmern dargestellt wurden, die durchaus - wenn auch unsystematisch - die nicht ausdrücklich erhobenen Anbieter mit erfassen.

Zusammenfassend ist festzustellen: Es gibt ein Angebot an Computerkursen auf dem Weiterbildungsmarkt. Die Daten lassen den Schluß zu, daß Wirtschaftsunternehmen ein Interesse an Computerkursen haben und damit aus diesem Interesse eine praktische pädagogische Relevanz der Computertechnologie resultiert. Allerdings ist der Anteil der Computerkurse am Gesamtangebot nicht so hoch, daß von einem zentralen Stellenwert dieses Bereichs gesprochen werden kann. Der Anteil der Computerkurse im Weiterbildungsbereich liegt zwischen mindestens 4,4% auf dem freien Markt und maximal 29% in der betriebsinternen Weiterbildung.

2.1.1.2.3 Forderungen von Wirtschaftsverbänden

Der Abschnitt zur Berufsausbildung hat gezeigt, daß Qualifikationsbedarf vorhanden ist, diesem aber kein zentraler Stellenwert zukommt. Das spiegelt sich in den Veröffentlichungen von Spitzenverbänden der Wirtschaft wieder, die sich in den letzten Jahren an der bildungspolitischen Diskussion durch verschiedene Stellungnahmen beteiligt haben.

1993 formuliert der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) unter dem Titel 'Standortfaktor Bildung. Die Forderungen der Wirtschaft' einen Forderungskatalog, der vom Präsidenten des DIHT, Hans - Peter Stihl, 1995 bekräftigt wird. Ebenfalls 1995 legt der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) in Zusammenarbeit mit dem deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT), der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), dem Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, dem Zentralverband des Deutschen Handwerks, dem Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels, dem Bundesverband freier Berufe und dem Deutschen Bauernverband eine bildungspolitische Stellungnahme vor. 1997 erscheint von den Industrie- und Handelskammern in Nordrhein - Westfalen die Broschüre 'Was erwartet die Wirtschaft von Schulabgängern'?. Diese Texte erlauben, da alle wichtigen Arbeitgeberverbände an ihrer Entstehung beteiligt sind, einen aussagekräftigen Überblick über die Forderungen von Wirtschaftsverbänden an die Pädagogik.

Als zu vermittelnde Schlüsselqualifikationen werden "selbständiges Lernen, Teamarbeit, kreatives Problemlösen, ganzheitliches Systemdenken" (BDI 1992: 10) genannt. Auch Rechtschreibung, Ausdrucksfähigkeit und Rechnen, naturwissenschaftliche Bildung und Werteerziehung (gedacht als Pünktlichkeit, Fleiß und Disziplin) werden angemahnt (IHK: 1997). Computertechnologie wird nicht erwähnt. Die Vermittlung von Computerkenntnissen als Aufgabe für die praktische Pädagogik wird in den genannten Veröffentlichungen der Spitzenverbände der Wirtschaft nicht verlangt. Zum gleichen Ergebnis kommt Göbel schon 1983 (Göbel 1983: 246).

Das Ausmaß der aus dem Wirtschaftsbereich resultierenden pädagogischen Relevanz von Computertechnologie ist nach diesem Ergebnis gering. Ein besonderes Qualifikationsproblem wird von den Wirtschaftsverbänden nicht gesehen. Zwar besteht, wie die Ergebnisse aus dem Weiterbildungsbereich zeigen, durchaus Qualifikationsbedarf. Aber die geringe Anzahl der Kurse macht deutlich, daß der Bedarf niedrig ist und gedeckt wird. Das gleiche gilt für die Berufsausbildung. Mit der Aufnahme von Computerkenntnissen in zahlreiche Ausbildungsgänge übersteigt, wie die zitierten Studien aus diesem Bereich ergeben, das Angebot bereits die Nachfrage.

Der Vermittlung von Computerkenntnissen einen zentralen Stellenwert in der praktischen Pädagogik zu geben, ist nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen nicht angebracht, vor allem wenn bedacht wird, daß eine stärkere Betonung von Computertechnologie zu Lasten anderer Inhalte gehen würde. So dramatische Entwicklungen, wie sie etwa Haefner (1982) prophezeit hat, sind nicht zu beobachten - Weiterbildung und Berufsausbildung werden der Herausforderung der Computertechnologie gerecht.

Die aus dem Wirtschaftsbereich resultierende pädagogische Relevanz von Computertechnologie ist gegeben, aber gering. Wie sieht die Einschätzung aus der Perspektive des Schlüsselqualifikationsbegriffs aus? Schlüsselqualifikationen sollen, wie Rützel zusammenfaßt, dazu befähigen, verschiedene Positionen und Funktionen einzunehmen und Änderungen von Anforderungen zu bewältigen (Rützel 1995: 398). Als Breitenelement können Computerkenntnisse dann angesehen werden, wenn sich die Kenntnisse auf Programmtypen beziehen, und wenn an Arbeitsplätzen die Fähigkeit zum Umgang mit Computertechnik verlangt wird. Ist das der Fall?

In der im Abschnitt 2.1.1.2.1 dargestellten Untersuchung kommt Stender zu dem Ergebnis, daß EDV - Vorkenntnisse die Schwierigkeiten beim Umgang mit neuer Software deutlich verringern (Stender 1993: 35). Offenbar können die Kenntnisse, die z.B. exemplarisch an einer Textverarbeitung erworben werden, auch beim Umgang mit anderer Software verwendet werden. Die vermittelten Computerkenntnisse sind auf der Ebene der Programmtypen angesiedelt und können als Breitenelement angesehen werden.

Die in 1.1.1.1 referierte Studie von Troll ergibt, daß Computertechnik 1992 an 37% der Arbeitsplätze verwendet wird (Troll 1993: 3). Damit wird an einem erheblichen Teil der Arbeitsplätze der Umgang mit Computertechnik verlangt. Die zudem steigende Verbreitung spricht dafür, Computerkenntnisse als Schlüsselqualifkation zu akzeptieren.

Gegen die Einschätzung von Computertechnologie als Schlüsselqualifikation ist einzuwenden, daß zwar eine Übertragbarkeit von Kenntnissen gegeben, diese aber begrenzt ist. Denn eine gezielte Weiterbildung wird nach den Ergebnissen von Stender durch vorhandene Vorkenntnisse zwar erleichtert, bleibt aber erforderlich (Stender 1993: 35). Angesichts der schnellen und oft einschneidenden Änderungen in der Anwendung der Computertechnologie ist fraglich, ob einmal erworbene Kenntnisse langfristig hilfreich sind. Daß Computerkenntnise, die vor 20 Jahren erworben wurden, heute noch etwas nutzen, wird in der genannten Untersuchung nicht erhoben und darf bezweifelt werden. Und ob in Aus- und Weiterbildung Kenntnisse vermittelt werden, die über einzelne Anwendungen hinausgehen und sich auf Programmtypen beziehen, kann zwar vermutet, mit dem dargestellten Material aber nicht belegt werden.

Zudem sind die Tätigkeiten nach den Ergebnissen der in Abschnitt 2.1.1.1 dargestellten Arbeitsmittelstudie (Troll 1993: 9) und den Ergebnissen der in Abschnitt 2.1.1.2.1 dargestellten Befragung von Auszubildenden (Eckert 1993: 11f.) im Umgang mit Computertechnik oft einfach, so daß keine besonderen Kenntnisse erforderlich sind. Das erklärt den Umstand, daß es trotz der relativ häufigen Verwendung von Computertechnologie als Arbeitsmittel nur relativ wenige Weiterbildungen in diesem Bereich gibt. Es entsteht kein praktischer pädagogischer Handlungsbedarf. Das ist auch bei Telefon und Fax, nicht aber bei der Handschrift der Fall:17

Die Arbeitsmittelstudie zeigt, daß noch häufiger als der Umgang mit Computertechnik der Umgang mit Telefon und Fax verlangt wird. Telefon und Fax sind einfach strukturiert, so daß keine besondere Qualifikation erforderlich ist. Lediglich Spezialisten wie z.B. Fernmeldetechniker benötigen fundiertere Kenntnisse. Telefon und Fax sind daher nicht als Breitenelement anzusehen. Auch über Computertechnik benötigen, wie die Arbeitsmittelstudie zeigt, nur wenige Spezialisten fundierte Kenntnisse.

Schreibzeug ist das am häufigsten verwendte Arbeitsmittel. Es ist nicht einfach strukturiert, und die Fähigkeit zur Verwendung von Schreibzeug, z.B. bei der Handschrift, wird in einem längeren Lernprozeß erworben. Der Umgang mit Schreibzeug ist daher ein Breitenelement.18 Im Vergleich zum Schreibzeug ist der Umgang mit Anwendungen der Computertechnik einfach strukturiert und kann schnell erlernt werden.

Computertechnologie kann also nicht als Breitenelement ausgewiesen werden. Das wird im Kontrast zu Horizontalqualifikationen noch deutlicher: Unter Horizontalqualifikationen versteht Mertens Kenntnisse über das Wesen von Informationen, die Gewinnung von Informationen, das Verstehen von Informationen und das Verarbeiten von Informationen (Mertens 1974: 41f.). Umgang mit Informationen, d.h. Beschaffung, Speicherung und Anwendung, kann als zentraler Bereich jeder beruflichen Tätigkeit gesehen werden. Das kommt auch in der oben dargestellten Untersuchung zum Ausdruck. Die befragten Jugendlichen benötigen in erheblich größerem Umfang als Computerkenntnisse die Fähigkeit zu Teamarbeit, Arbeitsorganisation oder selbständigem Arbeiten. Diesen Fähigkeiten, die Umgang mit Informationen voraussetzen, kommt nicht nur in der Ausbildung (Höfkes 1993: 26), sondern auch bei der Berufsausübung eine hohe Bedeutung zu (Höfkes 1993: 49f.). Die Fähigkeit zum Umgang mit Informationen ist also eine Schlüsselqualifikation (Diepold 1986: 18).

Die Betrachtung von Computertechnologie aus Sicht des Schlüsselqualifikationsbegriffs bestätigt: Die aus dem Wirtschaftsbereich resultierende pädagogische Relevanz von Computertechnologie ist gering. Der Vermittlung von Computerkenntnissen in der Berufsbildung einen hohen Stellenwert einzuräumen, ist mit Anforderungen aus dem Wirtschaftsbereich nicht zu begründen.

Warum wird diese Begründung dennoch verwendet? Eine mögliche Erklärung gibt Kübler zusammenfassend wieder: Der Computereinsatz in der Schule sei

"öffentliche Subventionierung eines wenn auch vergleichsweise marginalen Marktsegments der Informationsindustrie [...] sowie die autoritative Orientierung potentieller privater Konsumenten auf ein womöglich faszinierendes, aber letztlich unnützes Hobby, vor allem aber die ideologische Disponierung der nachwachsenden Generationen für einen ungewissen, konjunkturell instabilen Arbeitsmarkt, für flexibilisierte, maschinengerechte Arbeitsbedingungen und Qualifikationen sowie für eine Formierung des Denkens" (Kübler 1991: 73f.).

Kurz: Der Computereinsatz in der Schule diene nur der Verkaufsförderung und der Anpassung an die Produktionsbedingungen. Zwar ist die Formulierung von Kübler recht hart, aber die im Zitat ausgedrückte Kritik ist angesichts der in diesem Abschnitt dargestellten Daten nicht von der Hand zu weisen. Zwei Aspekte sind relativierend zu berücksichtigen: Zum einen ist die Vorbereitung auf das Berufsleben eine legitime Anforderung an die praktische Pädagogik. Zum anderen ist die Verwendung von Computertechnik in der Schule auch mit bildungstheoretischen Argumenten legitimierbar. Wenn pädagogische Ansätze, die aus einer Bildungstheorie heraus begründet sind, mit wirtschaftlichen Anforderungen vermittelt werden, wird es möglich, auf das Berufsleben vorzubereiten, ohne technokratische Bildung19 zu betreiben oder die Schulen dem zurecht kritisierten Mißbrauch als Marketinginstrument zu öffnen.

Eine Vermittlung von bildungstheoretischen Ansätzen mit wirtschaftlichen Anforderungen räumt letzteren einen aus pädagogischer Sicht hohen Stellenwert ein. Ein solcher Stellenwert läßt sich nur dann begründen, wenn entsprechend nachdrückliche Anforderungen aus dem Wirtschaftsbereich vorliegen. Solche Anforderungen werden von Wirtschaftsverbänden nicht explizit formuliert und lassen sich auch nicht empirisch beobachten. Daher läßt sich ein hoher Stellenwert von Computertechnologie für die Pädagogik, der z.B. die Aufnahme in die Lehrpläne allgemeinbildender Schulen legitimieren würde, nicht aus wirtschaftlichen Erfordernissen ableiten.

2.1.2 Computer in der Politik

Neben der Nutzung von Computertechnik im Wirtschaftsbereich kann die Nutzung in der Politik als Anlaß für die Pädagogik angesehen werden, sich mit dieser Technologie zu beschäftigen. Nach Reble läßt sich schon in den ältesten Dokumenten der abendländischen Pädagogikgeschichte, die vom Leben der griechischen Frühzeit berichten, feststellen, daß der Staat mit Hilfe der praktischen Pädagogik versucht, den Mensch als Glied der politischen Gemeinschaft zu erziehen, d.h. ihn den Interessen des Staates nützlich zu machen (Reble 1989: 20). Solche Inanspruchnahme der praktischen Pädagogik durch die Politik ist in jeder Epoche zu beobachten.

Heute zeigt sich die Inanspruchnahme20 der praktischen Pädagogik durch den Staat z.B. daran, daß es ein Ziel politischer Bildung im demokratischen Staat ist, zur Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger beizutragen, aufgeklärtes politisches Bewußtsein zu unterstützen und das Verständnis demokratischer Entscheidungsprozesse sowie die Fähigkeit zur Beteilung an solchen Prozessen zu fördern (Giesecke 1995: 360f.).

Auch der Gegenpol, die Festlegung pädagogischer Ziele aus einer besonderen Berücksichtigung des Individuums heraus, ist schon früh in der Geschichte zu finden: Die Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit, d.h. die Orientierung der Pädagogik an der Vernunft und nicht an staatlichen Zielen, schlägt Sokrates ca. 400 v. Chr. vor (Reble 1989: 31). Sokrates stellt die Bildung21 der Seele in den Mittelpunkt. Die Bildung der Seele ist eine Suchbewegung, die jeder Mensch für sich aufs neue unternehmen muß (Blättner 1019511961: 17f.).

Heute steht politisches Handeln unter dem Einfluß technischer Entwicklungen: Politisches Handeln scheint fast nur noch als massenmediales Handeln möglich, kaum noch als direkter persönlicher Umgang. Das ist einer der Gründe dafür, daß Medienpädagogik individuelle Handlungsfähigkeit im Umgang mit den Massenmedien vermitteln will (z.B. Enzensberger 1970; Schorb 1995: 52). In einem demokratischen Staat, in dem politisches Handeln oft auch massenmediales Handeln meint, sollte der Staat ein Interesse daran haben, daß den Bürgerinnen und Bürgern die Fähigkeit zum rezipierenden und handelnden Umgang mit solchen Medien vermittelt wird, damit sie sich, wenn sie das wünschen, am politischen Leben beteiligen können. Gilt das auch für Computertechnik?

Die Methode für die Untersuchung der aus dem politischen Bereich resultierenden pädagogischen Relevanz von Computertechnologie umfaßt zwei Schritte. Zunächst wird die Verbreitung von Computertechnik in der Politik untersucht. Wenn Computertechnik in der Politik verbreitet ist, muß gefragt werden, ob daraus praktischer pädagogischer Handlungsbedarf resultiert. Das ist anhand von Forderungen aus dem Politikbereich und anhand der Verbreitung von politischer Bildung, die Computerkenntnisse vermittelt, zu überprüfen.

2.1.2.1 Verbreitung im politischen Bereich

Erste Bedingung für eine aus dem politischen Bereich abzuleitende pädagogische Relevanz von Computertechnologie ist die Verwendung von Computertechnik in diesem Bereich. Viel diskutiert wird in diesem Zusammenhang der Einsatz von Computertechnik durch extremistische Gruppen. Linksextremistische und rechtsextremistische Organisationen nutzen Computertechnik zum einen, um an die ™ffentlichkeit zu treten, zum anderen zur internen Kommunikation (Kniola 1996: 2f.). Diese Entwicklung stellt aber nur einen Randbereich des Einsatzes von Computertechnik in der Politik dar. Die etablierte Politik und die Bürgerbewegungen haben sich die Computertechnologie zu Nutze gemacht.

Der Versuch, die Nutzung von Computertechnik im politischen Bereich darzustellen, offenbart eine Lücke in der empirischen Forschung: Studien, die darüber Auskunft geben, in welchem Umfang z.B. von Abgeordneten, Gewerkschaftsfunktionärinnen und Gewerkschaftsfunktionären oder Mitgliedern der Bürgerbewegung Computertechnik bei ihrer politischen Arbeit verwendet wird, liegen nicht vor. Auch über die Verbreitung von Computertechnik im politischen Bereich liegen keine exakten Daten vor. Verfügbar sind lediglich Berichte, die zwar keine Daten über alle politischen Bereiche enthalten, aber dennoch Rückschlüsse auf die Nutzung zulassen. Besonders gut dokumentiert ist das Informationssystem des deutschen Bundestages, das darum im folgenden als Beispiel herangezogen wird.

1968 faßt der Vorstand des Bundestages den Beschluß, die automatisierte Datenverarbeitung im Parlament einzuführen. Auf Basis umfangreicher Studien, die die Datenflüsse untersuchen (Meyer - Uhlenried 1971, Angermann u.a. 1974), wird ab 1972 ein Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentsmaterialien (DIP) und ein Parlamentsthesaurus entwickelt. Diesem System schliessen sich 1978 die Landesparlamente an (Mambrey 1991: 41ff.). Aber nicht nur die Parlamentsmaterialen sind über dieses System zugänglich. Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung wertet aktuelle Nachrichten aus und stellt diese auf elektronischem Weg zur Verfügung (Presse- und Informationsamt 1993). Diese Daten können seit 1975 durch die Parlamentarierinnen und Parlamentarier direkt abgefragt werden. Für den Zugriff auf weitere Datenbanken wird 1982 eine Informationsvermittlungsstelle in der Lobby des Bundestages eingerichtet. 1986 beschließt der Ältestenrat, ein gemeinsames Informations- und Kommunikationssystem für Parlament, Fraktionen und Wahlkreisbüros einzuführen (Mambrey 1991: 51). Mit diesem System können z.B. die Fraktionsspitzen Abgeordnete mit Informationen über aktuelle Beschlüsse und Positionen auch in den Wahlkreisen versorgen. Ende 1990 sind bereits 400 der ca. 640 Abgeordneten mit Computertechnik ausgestattet (Mambrey 1991: 46ff.). Dieser umfangreiche Einsatz von Computertechnik im Deutschen Bundestag veranlasst Mambrey zu der Prognose, "daß die IuK - Technik zur Schlüsseltechnologie im parlamentarischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß werden wird" (Mambrey 1991: 1).

Diese Technik ist aber nicht nur für die Abgeordneten interessant. Inzwischen bietet der Bundestag vielfältige Informationen öffentlich an (http://www.bundestag.de/index.html). Für Bürgerinnen und Bürger sind Protokolle der Sitzungen, das Archiv der "Woche im Bundestag", Informationen über Abgeordnete und Zugriff auf die Informationsangebote der Fraktionen verfügbar. Die Fraktionen bieten u.a. Reden vor dem Parlament, Presseerklärungen, Software und Zugriff auf Bundestagsdrucksachen an. Seit 1998 ist auch der Zugriff auf das 1972 eingeführte Dokumentations- und Informationssystem (DIP) möglich (http://www.bundestag.de/datbk/datbk.htm). Außerdem sind die Fraktionen und zahlreiche Abgeordnete per elektronischer Post erreichbar.22

Auch Verbände und Initiativen verfügen über Computertechnik für die politische Arbeit. Beispiele für diese Nutzung sind das APC (Association für Progressive Communications) - Netzwerk oder das CL (Comlink) - Netz, die über dezentrale Computersysteme (Mailboxen) verbreitet werden. Die Möglichkeit des Austausches und der ™ffentlichkeitsarbeit über elektronische Netze wird von vielen politischen Gruppen (z.B. Grüne, PDS, DGB, SPD, Jusos etc.) genutzt (Ellersick u.a. 1996).

Anzeichen für die Nutzung von Computertechnologie im politischen Bereich ist auch das umfassende Informationsangebot von Parteien, Parlamenten, Regierungen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Verbänden, Initiativen etc. im Internetdienst 'World - Wide - Web' (WWW). Zusammenstellungen finden sich in einschlägigen Verzeichnissen (z.B. http://www.yahoo.de). Als Beispiel ist im Anhang eine Liste von Verbänden und Initiativen aus dem Umweltbereich angeführt, die ihre Arbeit im WWW präsentieren.

Die kurze Übersicht zeigt, daß Computertechnik in der Politik eingesetzt wird. Bürgerinnen und Bürgern, die an politischen Prozessen und Entscheidungen aktiv oder passiv partizipieren wollen, können Computerkenntnisse daher bei der Informationsbeschaffung und der Beteiligung an politischen Diskussionen nützlich sein. Dieses Ergebnis ist wenig abgesichert, weil die Verbreitung von Computertechnik lediglich exemplarisch, nicht aber auf Basis empirischer Daten festgestellt werden kann.

Über den Umfang der Nutzung von Computertechnik in der Politik liegen keine empirischen Untersuchungen vor. Kleinsteuber/Hagen nennen in ihrer Übersicht über Fragen und Projekte der elektronischen Demokratie lediglich ein deutsches Projekt, das wissenschaftlich begleitet wird: das in Zusammenarbeit von Universität Bremen23 und Stadtverwaltung entwickelte Bremer Stadtinformationssystem (Kleinsteuber/Hagen 1998: 141). In der Begleitforschung zu diesem Projekt wird der Umfang der Nutzung des Systems nicht erhoben.

Da es problematisch ist, von der Verbreitung von Computertechnik auf die Nutzung zu schließen, muß hier mangels empirischer Studien offen gelassen werden, ob die vorhandene Technik auch genutzt wird.

2.1.2.2 Praktischer pädagogischer Handlungsbedarf

Der exemplarische Nachweis der Verbreitung von Computertechnik im politischen Bereich läßt es dennoch zu, nach dem pädagogischen Handlungsbedarf zu fragen. Pädagogischer Handlungsbedarf ist an der Verbreitung von Schulungen oder den Forderungen von politischen Organisationen festzumachen.

2.1.2.2.1 Politische Bildung

Politische Bildung findet in der Schule, der außerschulischen Jugendarbeit und der Erwachsenenbildung statt (Giesecke 1995: 359). Viele Angebote politischer Bildung in bezug auf die Computertechnologie zielen darauf ab, die gesellschaftlichen Auswirkungen von Computertechnologie kritisch zu hinterfragen. Solche Bildungsangebote sind Ausdruck politischen Handelns über Computertechnologie. Sie lassen aber keinen Schluß darauf zu, daß Computerkenntnisse für politisches Handeln erforderlich sind. Gibt es Angebote der politischen Bildung, die Computerkenntnisse in der Absicht der Förderung politischer Handlungsfähigkeit mit Computertechnik vermitteln?

Berichte über die Nutzung von Computertechnik zur Unterstützung konkreten politischen Handelns in der Schule sind nicht bekannt. Veröffentlichte Unterrichtseinheiten konzentrieren sich auf die gesellschaftlichen Auswirkungen von Computertechnologie (z.B. Kerber 1993), führen aber nicht zu aktivem politischem Handeln mit Computertechnik. Das gilt auch für die außerschulische Jugendarbeit (Boecker u.a. 1995). Für die Erwachsenenbildung liegen keine Arbeiten vor, die diese Frage untersuchen. Eine exemplarische Durchsicht der Programme von 25 Volkshochschulen in Nordrhein - Westfalen für 1997 ergibt, daß nur zwei Einrichtungen (Düsseldorf und Bielefeld) Kurse zur Nutzung von Computertechnik im politischen Handeln anbieten.

Anbieter, die einen besonders engen Kontakt zu politisch aktiv Handelnden pflegen, sind die in der politischen Bildung aktiven Stiftungen der Parteien. Wenn im politischen Bereich ein Bedarf an Qualifizierung im Umgang mit Computertechnik vorhanden ist, sind entsprechende Angebote der Weiterbildungszentren der Stiftungen zu erwarten. In den Weiterbildungsangeboten der Friedrich - Ebert - Stiftung, der Konrad - Adenauer - Stiftung, der Friedrich - Naumann - Stiftung und der Heinrich - Böll Stiftung sind keine Seminare zu finden, die sich explizit auf die Nutzung von Computertechnik für die politische Arbeit beziehen.

Aus dem fehlenden Angebot der Volkshochschulen und der Stiftungen der Parteien kann nicht geschlossen werden, daß es keinen Weiterbildungsbedarf gibt. Im politischen Bereich kann Standardsoftware verwendet werden, z.B. eine Textverarbeitung für das Erstellen von Flugblättern. Weiterbildungen, die den Umgang mit Standardsoftware ohne explizite Ausrichtung auf politische Bildung vermitteln, sind daher für politisch motivierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer relevant. Empirische Untersuchungen, die erheben, ob Teilnehmerinnen und Teilnehmer Schulungen zu Standardsoftware besuchen, um ihre politischen Handlungsmöglichkeiten zu erweitern, liegen nicht vor.

Damit ist kein Kursangebot in der politischen Weiterbildung, das sich gezielt mit dem Einsatz von Computertechnik in der politischen Arbeit beschäftigt, festzustellen. Wegen der fehlenden Studien kann daraus aber nicht geschlossen werden, daß es kein Angebot gibt. Solange jedoch keine Studien vorliegen, kann die pädagogische Relevanz von Computertechnologie nicht mit vorhandenen Kursen der politischen Bildung begründet werden.

2.1.2.2.2 Forderungen von Parteien

Für die Untersuchung der aus dem politischen Bereich resultierenden pädagogischen Relevanz von Computertechnologie ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob aus dem politischen Bereich explizit die Forderung nach Vermittlung von Computerkenntnissen mit dem Ziel der politischen Handlungsfähigkeit an die praktische Pädagogik gestellt wird.

Über diese Frage liegen keine Studien vor. Da eine umfassende Analyse politischer Forderungen hier nicht geleistet werden kann, ist eine Auswahl an Dokumenten zu treffen. Im folgenden werden daher die Parteitags- bzw. Bundesversammlungsbeschlüsse24 der im Bundestag vertretenen Parteien zur Bundestagswahl 1998 interpretiert. Die Wahlprogramme werden herangezogen, weil Parteien die wichtigsten Organe der politischen Willensbildung in Deutschland darstellen. Zugleich beeinflussen Parteitags- bzw. Bundesversammlungsbeschlüsse das Handeln der von der betreffenden Partei gestellten Regierung. Für die Interpretation der Wahlprogramme spricht darüber hinaus, daß die Verwendung von Computertechnik als Kommunikationsmedium im Politikbereich in den letzten Jahren erheblich vorangetrieben worden ist. Mit einer Berücksichtigung dieses Themas in den z.T. schon einige Jahre alten Grundsatzprogrammen der Parteien ist daher nicht zu rechnen. Da die Programme bei allen Parteien von Parteitagen bzw. Bundesversammlung beschlossen sind, kann zudem davon ausgegangen werden, daß sie die Auffassung der Mehrheit der Mitglieder einer Partei widerspiegeln. Dies gleicht auch den Nachteil aus, daß Programme für eine Bundestagswahl für die Bildungspolitik nur bedingt relevant sind, da die Bildungspolitik in die Hoheit der Länder fällt. Es ist aber anzunehmen, daß Beschlüsse der Parteitage bzw. Bundesversammlung auch in den Ländern mitgetragen werden, da Vertreterinnen und Vertreter aller Länder an den Beschlüssen beteiligt sind. Ein weiterer Nachteil der Interpretation von Wahlprogrammen ist, daß von Wahlprogrammen nicht auf die Umsetzung der Programme geschlossen werden kann. Wahlprogramme geben weniger konkrete Gesetzgebungsabsichten wieder als das Bild, das Parteien von sich in der ™ffentlichkeit erzeugen wollen. Das ist hier aber keine Einschränkung, da es um die Untersuchung von Forderungen geht, nicht aber um konkrete Gesetzgebungsabsichten.

Bündnis 90/Die Grünen haben auf ihrer Bundesversammlung im April 1998 ein Wahlprogramm mit dem Titel 'Grün ist der Wechsel' beschlossen. In der Präambel dieses Programms wird Bildung als Gut an sich für eine demokratische Gesellschaft gesehen (Bündnis 90/Die Grünen 1998: 5). Im Abschnitt 'Zukunft gestalten durch Bildung und Wissenschaft' heißt es zur Bildungspolitik genauer:

"Bildung umfaßt unmittelbar berufsrelevante Qualifikationen und die Fähigkeit, ökologische, ökonomische, soziale, kulturelle und internationale Zusammenhänge zu begreifen" (Bündnis 90/Die Grünen 1998: 47).

Das lebenslange Lernen und die Umweltbildung werden besonders betont (Bündnis 90/Die Grünen 1998: 47ff.). Computertechnik wird im Zusammenhang mit Politik im Abschnitt 'Bürgerrechte, Demokratie und öffentliche Sicherheit' genannt. Dort werden Internet und Mailboxen als neue Möglichkeiten demokratischer Kommunikation bezeichnet. Zensurmaßnahmen werden abgelehnt und eine verbesserte technische Ausstattung von Strafverfolgungsbehörden zur Überwachung des Mißbrauchs von Computernetzen gefordert (Bündnis 90/Die Grünen 1998: 54).

Die Forderung, Computertechnik als Kommunikationsmedium für die politische Einflußnahme zu verwenden, findet sich im Programm von Bündnis 90/Die Grünen nicht. Gegen das Ableiten von Forderungen an die praktische Pädagogik in bezug auf die Vermittlung politischer Handlungsfähgikeit spricht, daß in der zitierten Forderung zur Bildungspolitik das Begreifen politischer Zusammenhänge nicht erwähnt wird. Offenbar wird in bezug auf die politische Handlungsfähigkeit kein Handlungsbedarf der praktischen Pädagogik gesehen.

Die F.D.P. hat auf ihrem Parteitag am 19.4.98 in Berlin einen Leitantrag zur Bundestagswahl beschlossen, der sich auf die Arbeitsmarktpolitik konzentriert (F.D.P. 1998). Da diesem Leitantrag nichts zu der hier aufgeworfenen Frage zu entnehmen ist, werden ergänzend die vom Parteitag 1997 beschlossenen 'Wiesbadener Grundsätze' herangezogen. In den 'Wiesbadener Grundsätzen' findet sich im Teil III unter dem Titel 'Die liberale Bürgergesellschaft' ein Abschnitt, der mit 'Bürger in der Informationsgesellschaft' bezeichnet ist. In der Entwicklung zur Informationsgesellschaft wird die Chance für die Menschen gesehen, persönlich und eigenverantwortlich wirtschaftliche Leistung zu entfalten und das eigene Leben zu gestalten. Dazu soll das Steuerungsmonopol des Staates zurückgenommen und breiter Zugang zu Informationen und Netzen durch freien Wettbewerb der Anbieter unter Berücksichtigung des Datenschutzes gewährleistet werden (F.D.P. 1997: 14ff.). Im Abschnitt 'Bürger sind Teilhaber des Staates: Der demokratische Bürgerstaat' wird mehr Bürgermitwirkung in der politischen Arbeit, z.B. durch Wählerbeteiligung an der Arbeit der politischen Parteien, gefordert (F.D.P 1997: 17f.).

Die Vorstellung vom demokratischen Bürgerstaat wird nicht auf die Informationsgesellschaft bezogen. Es wird lediglich positiv angemerkt, daß "der Wissensvorsprung der Funktionäre durch die freie und unbegrenzte Verfügbarkeit von Informationen gefährdet" ist (F.D.P. 1997: 15). Insofern werden offen zugängliche Informationen aus dem politischen Bereich als wichtiges Element des demokratischen Bürgerstaates verstanden. Daraus ließe sich die Forderung an die praktische Pädagogik ableiten, die Fähigkeit zum Umgang mit den angebotenen Informationen zu vermitteln. Explizit formuliert wird das nicht und liegt als Einflußnahme des Staates vermittels pädagogischer Institutionen nicht im Interesse des F.D.P. - Programms.

Die CDU beschließt auf ihrem Parteitag im Mai 1998 in Bremen ein Wahlprogramm mit dem Titel 'Zukunftsprogramm'. In diesem Programm findet sich im Kapitel 'Antworten für Deutschland' ein Abschnitt mit dem Titel 'Bildungsreform - für eine zukunftsfähige Gesellschaft'. Dort heißt es einleitend:

"Im internationalen Wettbewerb um Innovation und technologische Spitzenleistung kann sich langfristig nur behaupten, wer über erstklassig ausgebildete Arbeitskräfte verfügt" (CDU 1998: 3).

Unter dieser Prämisse sind die bildungspolitischen Forderungen im CDU - Programm im wesentlichen auf wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit ausgerichtet. Das gilt auch für die Forderung nach Vermittlung von Kenntnissen im Umgang mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien durch die praktische Pädagogik (CDU 1998: 3). Forderungen, die sich auf die politische Handlungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger richten, finden sich im CDU - Programm ebensowenig wie Vorschläge zum Einsatz von Computertechnik im demokratischen Prozeß.

Die PDS fordert in ihrem Wahlprogramm im Kapitel 'Selbstbestimmt leben - mehr Demokratie verwirklichen' die "Demokratisierung der Demokratie" (PDS 1998: 11). Junge Menschen sollen selbst Politik machen und ihre Interessen wahrnehmen können. In diesem Zusammenhang wird in bezug auf die elektronischen Medien eine Einschränkung der Gewaltdarstellung gefordert (PDS 1998: 10). Im Kapitel 'Kultur mit Zukunft - Zukunft mit Kultur' des PDS - Wahlprogramms ist im Abschnitt 'Von der Informations- zur informierten Gesellschaft' zu lesen:

"Massenmedien, besonders die neuen interaktiven elektronischen Medien, bieten die Chance, gesellschaftliche Information und Kommunikation zu fördern, die der Erhaltung und Erweiterung der Demokratie dienen" (PDS 1998: 16).

Dazu soll allen Teilen der Bevölkerung die Nutzung der neuen Medien durch kostenlosen Zugang in öffentlichen Einrichtungen ermöglicht werden (PDS 1998: 16).

Eine explizite Forderung nach Vermittlung von Computerkenntnissen zur Förderung politischer Handlungsfähigkeit durch die praktische Pädagogik findet sich im Programm der PDS nicht. Daß einerseits eine Unterstützung der Demokratisierung der Gesellschaft durch neue Medien und andererseits eine Demokratisierung von Schulen durch den Ausbau der Rechte von Schülerinnen und Schülern gefordert wird, kann dahingehend interpretiert werden, daß elektronische Medien zur Demokratisierung von Schulen verwendet werden sollen. Damit wird von der PDS die Vermittlung von Computerkenntnissen zur Förderung politischer Handlungsfähigkeit in der praktischen Pädagogik gefordert.

Die SPD hat ihr Programm unter den Titel 'Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit' gestellt. Im Kapitel 'Starke Wirtschaft - neue Arbeit' wird im Abschnitt 'Chancen der Informationsgesellschaft nutzen' gefordert:

"Sie [die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien C.S.] öffnen neue Möglichkeiten [...] für besseren Zugang zu Wissen und Information und für eine stärkere Beteiligung am demokratischen und kulturellen Leben unserer Gesellschaft. Um diese Chancen nutzen zu können, brauchen die Menschen die Fähigkeit zum aktiven und eigenverantwortlichen Umgang mit den neuen Medien. [...] 'Alle Schulen ans Netz' - dieses Ziel werden wir mit Hochdruck verfolgen" (SPD 1998: 9).

Im Kapitel 'Der Staat als Partner in der freien Bürgergesellschaft' wird eine höhere Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungen gefordert (SPD 1998: 40). Im gleichen Abschnitt wird auf Medien Bezug genommen, allerdings nur auf Radio und Fernsehen, nicht auf Computertechnik als Kommunikationsmittel (SPD 1998: 41). Da alle Schulen ans Netz gebracht werden sollen, liegt es in der Absicht der SPD, die Vermittlung von Computerkenntnissen zur Aufgabe der praktischen Pädagogik zu machen. Die Vermittlung von Computerkenntnissen wird unmittelbar im Zusammenhang mit der Beteiligung am demokratischen Leben genannt. Damit wird im SPD - Wahlprogramm unmittelbar das Ziel der Förderung politischer Handlungsfähigkeit durch eine Beteiligung am demokratischen Leben der Gesellschaft verbunden.

Es ist festzuhalten, daß die Vermittlung von Computerkenntnissen durch die praktische Pädagogik mit dem Ziel der politischen Handlungsfähigkeit von SPD und PDS gefordert wird, nicht aber von Bündnis 90/Die Grünen, CDU und F.D.P..

Damit ist aus dem politischen Bereich keine eindeutige pädagogische Relevanz von Computertechnologie abzuleiten. Computertechnik ist im politischen Bereich zwar verbreitet. In welchem Umfang Computertechnik genutzt wird, ist aber nicht bekannt. Computertechnik wird als Thema der politischen Bildung nicht in der Absicht aufgegriffen, Computerkenntnisse für das politische Handeln zu vermitteln. Für einen breiten Schulungsbedarf konnten keine Anzeichen gefunden werden. Dagegen findet sich die Forderung an die praktische Pädagogik, Computerkenntnisse in der Absicht der Förderung politischer Handlungsfähigkeit zu vermitteln, in den Wahlprogrammen von PDS und SPD. Wegen der kaum vorhandenen Studien zur Nutzung von Computertechnik im politischen Bereich ist dies nicht als Nachweis, durchaus aber als deutlicher Hinweis für die pädagogische Relevanz von Computertechnologie zu bewerten.

2.1.3 Computer im Alltag

Warum sollte aus dem Alltag die pädagogische Relevanz von Gegenständen ableitbar sein? Die am Anfang dieses Kapitels vorgestellte These ist, daß Menschen Interessen und Erfahrungen aus ihrem Alltag in pädagogische Prozesse hineintragen und so den Gegenständen, an denen sie in ihrem Alltag interessiert sind, pädagogische Relevanz verleihen. Alltag wird hier als Bezeichnung für alle Lebensbereiche außer dem Wirtschaftsbereich, dem politischen Bereich und den pädagogischen Institutionen verwendet.25 Alltag umfaßt also Freizeitbereich26, Arbeit im Haushalt, Familienerziehung, etc.

Die Interessen von lehrenden und lernenden Menschen zum Ausgangspunkt der praktischen Pädagogik zu machen, ist eine zentrale Forderung der Reformpädagogik am Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Reformpädagoge Gläser fordert im Anschluß an den von Rousseau betonten Eigenwert des Kindesalters und die von Pestalozzi hervorgehobene Liebe zum Kind unter dem von ihm geprägten Schlagwort 'Vom Kinde aus', die Ideen der Kinder zum Zuge kommen zu lassen. Gläser formuliert als Konsequenz aus der Orientierung der Pädagogik an den Ideen der Kinder für die Auswahl von Gegenständen:

"Daß der Stoff wesentlich vom Kinde bestimmt und herangezogen wird, ist nach dem Ausgeführten klar" (Gläser 19191960: 85)27.

Daß der Stoff wesentlich, aber nicht ausschließlich vom Kinde bestimmt werden soll, schafft Raum für die Ideen der Lehrenden:

"Neben dem Rechte des Kindes haben wir immer das Recht der Lehrerpersönlichkeit gefordert" (Gläser 19191960: 89).

Gläser schlägt eine Orientierung der Pädagogik an den Ideen, oder, wie er an anderer Stelle schreibt, an den Interessen der Kinder und der Lehrerinnen und Lehrer vor (Gläser 19191960: 81). In Bezug auf die Reichweite einer Berücksichtigung der Interessen der Menschen ist damit eine radikale Position28 markiert, da jede Vorgabe gegenüber den Lernenden explizit abgelehnt wird (Gläser 19191960: 81ff.).29 Kurz: Gläser bestimmt die Aufgabe der praktischen Pädagogik unter Ausschluß gesellschaftlicher oder bildungstheoretischer Forderungen aus einer konsequenten Orientierung am Individuum heraus.

Nun kann die Aufgabe der praktischen Pädagogik nicht ausschließlich an individuellen Interessen orientiert werden, weil sowohl die wissenschaftliche Pädagogik als auch die am pädagogischen Prozeß beteiligten Menschen im gesellschaftlichen Kontext stehen und eine von gesellschaftlichen Faktoren unabhängige Fundierung der praktischen Pädagogik daher nicht anleiten können. Umgekehrt eine Orientierung von Pädagogik an individuellen Interessen gänzlich abzulehnen, hieße aber, jede Autonomie der Menschen zu bestreiten. Mit der hier in Frage stehenden Bestimmung der pädagogischen Relevanz von Computertechnologie über individuelle Interessen werden daher auch die individuellen Interessen berücksichtigt.

Bei der Berücksichtigung individueller Interessen, wie sie sich im Freizeitbereich oder in der Familienerziehung zeigen, werden von Heursen zwei Vorgehensweisen unterschieden: Zum einen die Orientierung am Leben der Lernenden in dem Sinne, daß praktische Pädagogik zur Bewältigung von Lebenssituationen vorbereiten soll; zum anderen die Orientierung an den Vorerfahrungen der Lernenden (Heursen 1995: 432f.).

Im ersten Fall werden die Lebenssituationen durch eine pädagogische Analyse bestimmt. Ihre pädagogische Relevanz wird daher aus einer Bildungstheorie heraus bestimmt. Im zweiten Fall wird die pädagogische Relevanz von Gegenständen aus den Erfahrungen der Lernenden abgeleitet. Dieser Ansatz läßt sich zum einen so verstehen, daß die praktische Pädagogik an die Erfahrungen der Lernenden anknüpfend zur Entwicklung von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung anleitet; zum anderen läßt er sich so verstehen, daß die Interessen der Lernenden im Sinne einer Orientierung an ihren subjektiven Ausgangslagen berücksichtigt werden.

Gerade diese letzte Position nimmt die Erfahrungen der Lernenden aus ihrem Alltag ernst. Wird pädagogische Praxis an den subjektiven Ausgangslagen der Lernenden orientiert, dann bestimmen die Lernenden selbst über Ziele und Inhalte der Erziehung und wählen auch die Gegenstände selbst aus (Einsiedler 1995: 628). Computertechnologie wird dann zur pädagogischen Aufgabe, wenn Lernende sich in ihrem Alltag mit Computertechnik auseinandersetzen, wodurch eine subjektive Ausgangslage entsteht, die zu einem Interesse an Computertechnologie führt, das in die Schule hineingetragen wird. Für die Beurteilung der pädagogischen Relevanz von Computertechnologie ist nun die Frage, in welchem Umfang Lernende sich im Alltag mit Computertechnik auseinandersetzen. Es liegen zahlreiche empirische Untersuchungen zu dieser Frage vor, die sich vor allem mit der Verbreitung von Bildschirmspielen bei Kindern und Jugendlichen beschäftigen. Unter Bildschirmspielen werden hier alle Programme verstanden, die durch Computertechnik mit mindestens einem Bildschirm als Ausgabegerät abgearbeitet werden und die von Benutzerinnen und Benutzern in der Absicht zu spielen genutzt werden.

Ein Überblick von Altenmeyer-Baumann zeigt, daß die Zugangsmöglichkeiten und der private Besitz von Bildschirmspielen schon zu Beginn der 90er Jahre deutlich gestiegen sind (Altenmeyer-Baumann 1991: 90f.). 1987 stehen 17,7% der Hauptschülerinnen und Hauptschüler und 30,2% der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten Computertechnik im Haushalt zur Verfügung (Spanhel 1990: 84ff.). 1999 verfügen in den alten Bundesländern 45% und in den neuen Bundesländern 58% der Haushalte über einen Computer.30 9% der Kinder in den alten und 20% in den neuen Bundesländern besitzen nach Angaben der Mütter einen eigenen Computer (Feierabend/Klingler 1999: 611f.)

Opaschowski gibt als Ergebnis einer 1999 durchgeführten Repräsentativbefragung an, daß 28% der Gesamtbevölkerung den Computer im Haushalt privat nutzen (Opaschowski 1999: 192).31

Neben der Verbreitung von Technik sind weitere Faktoren zu berücksichtigen: Bei Erhebungen wurde festgestellt, daß Computertechnik auch bei Freundinnen und Freunden, in Jugendfreizeiteinrichtungen oder außerhalb des Unterrichts in der Schule genutzt wird (Hoelscher 1994: 9; Schwab, Stegmann 2000: 134). Das führt dazu, daß mehr Kinder und Jugendliche Computertechnik im Alltag nutzen können als nur die, die selbst Technik besitzen.

Das 'nutzen können' muß jedoch als 'nutzen könnten' verstanden werden. Denn das Vorhandensein von Computertechnik im privaten Bereich führt nicht automatisch zur Nutzung. Altenmeyer-Baumann zeigt, daß auch bei gestiegener Verbreitung der Umfang der Nutzung kaum ansteigt (Altenmeyer-Baumann 1991: 91f.). Charlton u.a. kommen zu dem Ergebnis, daß nur 4% der Jugendlichen Computertechnologie für das attraktivste Medium halten. Zeitungen, Radio, Bücher, Tonträger und Fernsehen beurteilen sie als ansprechender (Charlton u.a. 1992: 16). Und auch im Vergleich mit anderen Freizeitaktivitäten ergeben sich in einer Untersuchung von Spanhel für Computertechnik nur niedrige Werte. In einer Rangliste von 14 Freizeitaktivitäten landet Computertechnik an dreizehnter Stelle, nach Musik hören, Freunde treffen, Lesen, Fernsehen, Sport treiben, Wegfahren, Entspannen, Kino- oder Veranstaltungsbesuch, Spiele spielen, Videofilme sehen, Basteln/Handarbeiten und Tele- und Videospielen. Nach Computertechnik kommt nur noch Langeweile (Spanhel 1990: 101). Diese Ergebnisse werden von neueren Studien bestätigt (Opaschoski 1999: 193). Nur 8% der Kinder nennen 1999 am Computer sitzen (spielen, lernen, arbeiten) als eine Freizeitaktivität, der sie jeden Tag oder fast jeden Tag nachgehen (Feierabend/Klinger 1999: 613).

Der geringe Umfang der Nutzung von Computertechnik gilt allerdings nicht für alle Jugendlichen. Es gibt eine kleine Gruppe von 'Computerfreaks', die einen wesentlich intensiveren Umgang mit den Geräten pflegt als andere Jugendliche (Altenmeyer-Baumann 1991: 99f.). Eine intensive Computertechnologie - Befürwortung findet Spanhel bei 8% der Jugendlichen. Dem stehen 7% gegenüber, die Angst vor Computertechnologie äußern, und 21% mit einer kritischen Haltung gegenüber den neuen Bildschirmmedien32 (Spanhel 1990: 110f.). Nach Schwab/Stegmann beträgt der Anteil der PC-Freaks 12% PC-Freaks, der Anteil der Computer-Distanzierten 13% (Schwab/Stegmann 2000: 132).

Was machen die Jugendlichen mit Computertechnik? Die Motivation zum Umgang mit der Technik läßt sich als Mischorientierung zwischen Spiel und Zweck beschreiben (Altenmeyer-Baumann 1991: 95). Fragt man nicht nach der Motivation, sondern nach der tatsächlichen Verwendung, zeigt sich: Die meisten Kinder und Jugendlichen benutzen Computertechnologie zum Spielen (Altenmeyer - Baumann 1991: 94; Feierabend/Klingler 1999: 621; Bathelmes 2000: 106). Zu diesem Ergebnis kommt auch Fromme, der schreibt:

"Die Computer dienen [..] nahezu ausschließlich als 'Spielmaschinen', der Umgang mit anderer Software spielt kaum eine Rolle und das eigene Programmieren hat keinerlei Stellenwert" (Fromme u.a. 1996: 10).

Die dargestellten Untersuchungen ergeben, daß mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen Zugangsmöglichkeiten zu Computertechnik im privaten Bereich haben. Sie zeigen auch, daß der Computertechnik im Vergleich zu anderen Bildschirmmedien und im Vergleich zu anderen Freizeitaktivitäten kein besonderer Stellenwert im Alltag von Kindern und Jugendlichen zukommt. Die Geräte werden wenig genutzt, und wenn, dann zum Spielen.

Etwas anders stellt sich die Computernutzung durch Erwachsene dar. Am häufigsten wird von Erwachsenen die Textverarbeitung genannt (22%), gefolgt von Spielen (14%), Buchhaltung (7%), Grafikprogrammen (7%), Tabellenkalkulation (7%), Lern- und Sprachprogrammen (7%), Internet/Online-Diensten (6%), Datenbankanwendungen (4%) und Programmieren (2%) (Opaschowski 1999: 194).

Die Einschätzung der pädagogischen Relevanz von Computertechnologie für eine Pädagogik, die sich an den subjektiven Interessen der Lernenden orientieren will, muß zurückhaltend ausfallen. Eine umfangreiche Behandlung von Computertechnologie durch praktische Pädagogik läßt sich nicht mit dem subjektiven Interesse der Kinder und Jugendlichen begründen, da angesichts der im Vergleich zu anderen Medien geringen Verbreitung von Computertechnik im privaten Bereich und der bei vielen nur gelegentlichen Nutzung die subjektive Ausgangslage nicht als besonderes Interesse an dieser Technologie interpretiert werden kann. Viele Kinder und Jugendliche stehen der Technologie im privaten Bereich eher uninteressiert gegenüber, und einige lehnen sie nachdrücklich ab. Von wenigen 'Computerfreaks' auf die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler zu schließen ist, wie Bartels zutreffend feststellt, mehr als fragwürdig (Bartels 1991: 56).

Wenn Computertechnik genutzt wird, dann meist zum Spielen. Ein Lernbedarf, der durch die praktische Pädagogik zu decken wäre, entsteht durch diese Nutzung offenbar nicht. Das Interesse der Kinder und Jugendlichen an Computerspielen bietet Pädagoginnen und Pädagogen, die das Interesse der Kinder und Jugendlichen an Computertechnik aufgreifen wollen, möglicherweise einen Ansatzpunkt. Beim Einsatz von Computertechnik im pädagogischen Kontext ist dann der Aspekt des Spiels in den Mittelpunkt zu stellen.

2.2 Didaktische Anwendung von Computertechnik

Computertechnologie ist pädagogisch relevant, wenn sie neue didaktische Möglichkeiten und Formen eröffnet. So hat z.B. Tulodziecki die Erwartung geäußert, daß die Formen des Einsatzes der Computertechnik und anderer neuer Medien vielfältiger werden könnten und dadurch die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden gefördert werden könnte (Tulodziecki 1983: 66ff.). Ist das auch tatsächlich der Fall?

Die Frage zielt unter der Perspektive der pädagogischen Relevanz von Computertechnologie nicht auf die didaktische Theorie, sondern auf die tatsächliche Nutzung didaktischer Möglichkeiten. Denn die Absicht dieses Abschnitts ist es nicht, aus der Theorie Hinweise für die Praxis abzuleiten, sondern zu untersuchen, inwiefern die praktische Pädagogik durch die Nutzung von Computertechnik einen Anlaß für die theoretische Reflexion liefert.

Um das didaktische Potential von Computertechnologie trotz der Breite des Gebiets übersichtlich darstellen zu können, wird im folgenden zwischen verschiedenen Bereichen der Didaktik differenziert. Zunächst stellt sich die Frage, ob Computertechnologie aus fachdidaktischer oder allgemeindidaktischer Perspektive zu betrachten ist.

2.2.1 Fachdidaktik Informatik

Während es der allgemeinen Didaktik um das ganze Feld des Lehrens und Lernens geht, konzentriert sich jede Fachdidaktik auf die Vermittlung der Inhalte der jeweiligen Fachwissenschaft im entsprechenden Schulfach (Peterßen 1994: 44ff.). Ist Computertechnologie im Rahmen einer eigenen Fachdidaktik zu behandeln? Dafür sind zwei Aspekte zu prüfen: Zum einen die Frage nach der zu Grunde zu legenden Fachwissenschaft, zum anderen die Frage nach einem Unterrichtsfach.

Ein Unterrichtsfach Informatik ist in der Sekundarstufe II bereits eingeführt. Durch den Bezug auf die Fachwissenschaft Informatik ist die Informatik als Unterrichtsfach wissenschaftsbezogen und wissenschaftspropädeutisch (Bund-Länder Kommission Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) 1988: 290).

Im Schulfach Informatik steht nun nicht der Unterricht mit Computertechnik, sondern der Unterricht über Computertechnik und Computertechnologie im Mittelpunkt. Deutlich wird die Konzentration auf Unterricht über Computertechnologie an den vorgesehenen Inhalten des Fachs Informatik: Es geht um die Wirkungsmöglichkeiten und Leistungsfähgkeit von Computern, um Algorithmen, Problemlösemethoden, Programmiersprachen, Datenstrukturen, Berechnungen, Grafiken, Simulationen und um Prozeßsteuerung (BLK 1988: 288f.). Auch Vorschläge zur Fachdidaktik Informatik (z.B. Spanhel 1989 oder Cyranek u.a. 1990) stellen nicht auf Unterricht mit dem Computer ab.

Eine Fachdidaktik Informatik ist also ohne weiteres gerechtfertigt. Die Betrachtung der Verwendung von Computertechnik im Rahmen des Informatikunterrichts kann für die hier aufgeworfene Frage nach neuen didaktischen Möglichkeiten, die Computertechnologie eröffnet, aber keine Antworten liefern.

2.2.2 Allgemeine Didaktik

Daß Computertechnologie im Rahmen der allgemeinen Didaktik behandelt werden kann, wird an der von der Bund - Länder Kommission (BLK) für die Sekundarstufe I vorgeschlagenen Einführung der 'Informationstechnischen Grundbildung' (ITG) deutlich. In der ITG wird die Auseinandersetzung mit Computertechnik - nicht, wie in der Informatik, mit Computertechnologie - als Querschnittsaufgabe für alle Fächer angesehen. Computertechnik soll in das vorhandene Lernangebot integriert werden. Dabei geht es zwar um die Einübung einfacher Anwendungen von Computertechnik und die Vermittlung von Kenntnissen über fachspezifische Einsatzmöglichkeiten von Computertechnologie (BLK 1988: 290). Eine eigene Fachdidaktik ist damit aber nicht begründet, da der Fachwissenschaft Informatik kein eigenes Schulfach mehr gegenübersteht, sondern Computertechnologie als Aufgabe für jedes Fach angesehen wird, und somit in die jeweiligen Fachdidaktiken zu integrieren ist.33 Es ist durchaus vorstellbar, daß eine Fachdidaktik Informatik einen Beitrag zum Einsatz von Computertechnik in anderen Fächern leisten kann, insofern in diesen Fächern Kenntnisse über Computer vermittelt werden. Sie ist nicht mehr gefordert, wenn es um die Vermittlung von Kenntnissen mit Computertechnik geht. Denn dann ist Computertechnik nicht mehr Gegenstand des Unterrichts, sondern Unterrichtsmedium. Gerade der Unterricht mit Computertechnik eröffnet aber die neuen didaktischen Möglichkeiten, die hier untersucht werden sollen. Daher wird Computertechnologie im folgenden als Problem der allgemeinen Didaktik betrachtet.

In dem Konzept 'Informationstechnische Grundbildung' der BLK wird die technische Seite überbetont. Eine Informationstechnische Grundbildung hat aber nicht nur Technik zur Aufgabe, sondern auch den Umgang mit Informationen. Darauf deutet schon das Wort 'Informationstechnische Grundbildung' hin. Es weist über die Informatik hinaus, da beim Umgang mit Informationen weitere Fachwissenschaften zu berücksichtigen sind, z.B. die Informationswissenschaft. Die Informationswissenschaft beschäftigt sich mit Fragen der Informationsbeschaffung, der Informationsspeicherung und der Informationsvermittlung, ohne sich von vornherein auf Computertechnik als das Mittel zu diesem Zweck festzulegen. Es geht vielmehr um umfassendere Aspekte des Umgangs mit Informationen, z.B. Klassifikationsverfahren oder Retrievalstrategien.

Eine solche Perspektive ist auch dann sinnvoll, wenn, wie Spanhel fordert, der Aufbau von Wissensstrukturen zum Umgang mit Informationen unterstützt werden soll (Spanhel 1989: 392). Weitere Fächer, die im Rahmen der ITG einbezogen werden können, sind die Kommunikationswissenschaft, die besonders die Übermittlung von Informationen untersucht; die Publizistik, die die Darstellung von Informationen in Massenmedien untersucht, oder die Wissenspsychologie, die menschliche Informationsverarbeitung in den Mittelpunkt stellt. Diese Hinweise mögen genügen, um deutlich zu machen, daß bei einer Informationstechnischen Grundbildung nicht nur an Computertechnologie, sondern auch an weitere Informationsprobleme zu denken ist (zu weiteren Kritikpunkten am BLK - Konzept: Bartels 1991: 16ff.). Ein Unterrichtsfach oder eine Fachwissenschaft, die eine Fachwissenschaft rechtfertigen würde, kann dann nicht identifiziert werden.

Während das Schulfach Informatik eine eigene Fachdidaktik rechtfertigt und Computertechnologie damit zur Aufgabe für die Pädagogik macht, erfordert die Informationstechnische Grundbildung keine eigene Fachdidaktik, sondern ist im Rahmen der allgemeinen Didaktik oder der jeweiligen Fachdidaktiken zu behandeln.

Allgemeine Didaktik läßt sich unterteilen in die Entscheidung über die Ziele, die Inhalte, die Methoden und die Medien des Unterrichts. Die Frage nach den Zielen wird unter bildungstheoretischer Perspektive im nächsten Kapitel in den Blick genommen. An dieser Stelle geht es um die Auswahl der Methoden und Medien.

Die Frage nach den Methoden wird von Heimann in den Mittelpunkt gerückt. Ihm geht es um eine Basis für unterrichtliche Analyse, Planung von Unterrichtsvorhaben und unterrichtliche Experimente (Heimann 1976: 142f.). Heimann gibt dabei neben den Intentionen, den Inhalten und den Methoden des Unterrichts auch den Unterrichtsmedien einen besonderen Stellenwert (Heimann 1976: 154.). Medien werden von ihm eng mit Inhalten und Methoden verbunden. Medien können durch ihre Formqualitäten Inhalte intensivieren oder verfremden, womit Chancen für eine methodische Konkretion oder Abstraktion eröffnet werden. Ziel bei der didaktischen Auseinandersetzung mit Medien ist für Heimann, eine situationsadäquate Medienwahl zu erleichtern (Heimann 1976: 160f.). Insofern geht sein Ansatz weit über die Frage nach der pädagogischen Relevanz eines Mediums hinaus. Damit aber die Medienwahl getroffen werden kann, muß ein Medium als Unterrichtsmedium geeignet sein.

Computertechnologie ist aus dieser Sicht für die allgemeine Didaktik dann relevant, wenn sie als Unterrichtsmedium geeignet ist. Besonders neue Möglichkeiten der Darstellung von Inhalten, die durch die medialen Eigenschaften der Computertechnologie eröffnet werden und diese von anderen Unterrichtsmedien abheben, sind relevant. Aus der hier zunächst eingenommenen eingeschränkten Perspektive pädagogischer Relevanz von Computertechnologie geht es aber nicht um die Möglichkeit der Nutzung, sondern um die tatsächlich genutzten neuen didaktischen Möglichkeiten. Die Darstellung konzentriert sich im folgenden daher nicht auf die Frage, wie Computertechnologie im Unterricht eingesetzt werden könnte, sondern darauf, wie sie eingesetzt wird. Dabei kann zwischen der Nutzung als Lehrautomat und der Nutzung als Unterrichtsmedium unterschieden werden.

2.2.2.1 Computertechnik als Lehrautomat

Konzepte zum Einsatz von Computertechnik als Lehrautomat werden von Skinner auf der Basis seines lernpsychologischen Ansatzes vorgeschlagen. Operantes Konditionieren34 soll mit Hilfe von Lehrautomaten eine Verbesserung des Unterrichts ermöglichen (Skinner 1954). Computertechnik als Lehrautomat wird dabei gegenüber anderen Technologien vor allem wegen der großen Flexibilität bevorzugt (Lumsdaine 1969: 81).

Die Grundidee der an lernpsychologische Ansätze kritisch anschließenden Unterrichtstechnologie ist es, den Unterricht von der Gegenwart einer Lehrerin oder eines Lehrers zu lösen und das Unterrichten auf ein Medium zu übertragen (Flechsig 1976: 16). Die heftige Kritik an diesem Konzept, die vor allem aus der mangelnden Problematisierung von Zielfragen einen Technokratievorwurf ableitet, hat einen breiten Einsatz in der Schule verhindert. Anders im Weiterbildungsbereich: Gerade das Versprechen der Effizienzsteigerung und der damit verbundenen Senkung von Kosten für Schulungen sowie die oft klar definierbaren Lernziele macht die Unterrichtstechnologie für Unternehmen reizvoll.

2.2.2.1.1 CBT

Unterrichtstechnologie wird heute im Weiterbildungsbereich unter der Bezeichnung CBT (Computer based Training) diskutiert. Über die Verwendung des Begriffs CBT gibt es keine Einigung. Verschiedene Bezeichnungen, wie computerunterstützter Unterricht (CUU), computerunterstütztes Lernen (CUL) oder Computer asissted learning (CAL), die synonym verwendet werden, erschweren eine Orientierung. Hier wurden im Anschluß an Euler alle diese Formen unter der Bezeichnung CBT gefaßt. Unter CBT werden Computerprogramme verstanden, die als tutorielle Unterweisung oder als Übungsprogramme konzipiert sind.

Die tutorielle Unterweisung steht in der Tradition des programmierten Unterrichts und ist durch fünf Elemente gekennzeichnet: Erstens beginnen die Programme mit einer Einführung in die zu vermittelnden Lerninhalte, zweitens wird der Stoff in verknüpften Einheiten präsentiert, drittens werden die interaktiven Möglichkeiten der Computertechnologie insbesondere für Verständnisfragen und Rückmeldungen genutzt, viertens wird je nach Antwort auf die Fragen die Abfolge des präsentierten Materials geändert und fünftens kann Lernerinnen- und Lernersteuerung in solchen System eingesetzt werden (Euler 1992: 17).

Übungsprogramme, die auch als 'drill - and - practice' - Systeme bezeichnet werden, dienen der Einübung und Festigung vorhandenen Wissens. Aufgaben aus einem Pool werden präsentiert. Dabei können die Antworten des Lernenden bei der Auswahl weiterer Fragen einbezogen werden. Mit solchen Systemen können Lerndefizite diagnostiziert und Grundwissen eingeübt werden (Euler 1992: 21f.). Das wird insbesondere für Prüfungen eingesetzt, die nach dem Mehrfachwahlverfahren arbeiten, wie die theoretische Fahrschulprüfung oder das II. Staatsexamen im Medizinstudium.

CBT - Programme werden in großem Umfang entwickelt. So gibt Haefner (nach Euler 1992: 18) allein 40.000 Lektionen, die mit einer einzigen Autorensoftware (PLATO) entwickelt worden sind, an. Einen Eindruck von Programmen für verschiedene Anwendungsbereiche gibt der CBT - Atlas (Ternes 1989) oder die Übersicht des Bundesinsitituts für Berufsbildung (Zimmer 1990), die deutlich machen, daß das Angebot an CBT-Programmen vielfältig ist.

Vorliegende Forschungsarbeiten konzentrieren sich bei der Bewertung des CBT in erster Linie auf die didaktische Beurteilung der Programme (z.B. Euler 1992 oder Schweighofer 1992), ohne Angaben über den Umfang des Einsatzes zu machen.

Eine Ausnahme bildet die Studie von Grass und Jablonka. In dieser Studie werden 374 Unternehmen angeschrieben, deren Adressen aus Kundenlisten der Hersteller von Lernsoftware entnommen sind. 55 der angeschriebenen Unternehmen haben geantwortet, und von diesen setzen 28 Lernsoftware ein. In diesen 28 Unternehmen wird die Lernsoftware im Durchschnitt von 10% der Beschäftigten genutzt (Grass u.a. 1990: 52). Die Autoren ziehen den Schluß, daß Lernsoftware bisher in nur geringem Umfang eingesetzt wird (Grass u.a. 1990: 64f.). Das ist überraschend, weil nach Blume ein großer Qualifikationsbedarfs gerade im Bereich der Computertechnologie besteht, der mit CBT gedeckt werden könnte (Blume u.a. 1992: 19).

In der Studie von Grass und Jablonka fehlt ein Vergleich des Umfangs der Nutzung von Lernsoftware in Relation zu anderen Weiterbildungstechnologien oder konventionellen Weiterbildungen bei den befragten Unternehmen. Lediglich die Einbindung in ein übergreifendes Weiterbildungskonzept wurde erfragt. Darüber hinaus ist das Ergebnis angesichts des hohen, nicht kontrollierten Schwunds wenig aussagekräftig.

Berücksichtigt wird der Umfang des Einsatzes von CBT in Relation zu anderen Weiterbildungen in der Erhebung von Niculescu. Diese Erhebung ergibt, daß 10% der Weiterbildungen mit Hilfe des CBT durchgeführt werden (Niculescu 1994: 84). Allerdings beschränkt sich diese Untersuchung auf das Bankgewerbe und umfaßt lediglich eine Stichprobe von 34 nicht systematisch ausgewählten Instituten, der ein nicht kontrollierter Schwund (von 48 auf 34 Unternehmen) vorausgegangen ist. Zudem wird die genaue Frageformulierung nicht angegeben. Es ist nicht ersichtlich, ob in den Weiterbildungen auch CBT - Programme eingesetzt werden, oder ob nur CBT - Programme eingesetzt werden. Die Daten sind mithin wenig aussagekräftig und lassen keine Einschätzung der Relevanz von CBT für den Weiterbildungsbereich zu.

CBT als Ersatz des Unterrichts durch eine Lehrerin oder einen Lehrer wird für Schulen kaum noch diskutiert. Ein Einsatz im Rahmen des regulären Unterrichts, etwa um einen Medienwechsel zu erreichen, wird aber durchaus (wieder) vorgeschlagen, wobei nicht nur tutorielle Systeme, sondern auch die 'Drill - and - Practice' - Programme, z.B. beim Schreibenlernen, eingesetzt werden sollen (Schön 1991). Über den Umfang solcher Nutzung liegen allerdings keine Studien vor. Studien über den Einsatz von Computertechnologie in der Schule konzentrieren sich zur Zeit auf die Evaluation der Informationstechnischen Grundbildung (ITG).

Dabei untersucht Stritzky bei ihrer Evaluation der ITG in Hamburg vor allem den Vergleich der Lernziele 'Einsicht in grundlegende Strukturen und Funktionen', 'Kenntnis von Anwendungen' und 'Reflexion über Bewertung der Auswirkungen der Informationstechniken' (Stritzky 1994: 67). Ebenfalls erhoben wird die Verwendung der Computertechnik durch Jugendliche im privaten Bereich (Stritzky 1994: 167). Nicht erhoben wird, was Schülerinnen und Schüler im Unterricht mit Computertechnik machen und welche Unterrichtsmethoden die Lehrerinnen und Lehrern einsetzen.

Das gilt auch für die Evaluation durch Altermann-Kösters in Nordrhein - Westfalen. Es werden die für den Projektunterricht konzipierten Unterrichtseinheiten 'Zeitung' 'Industrieroboter' und 'Wärmeschutz' miteinander verglichen. In allen Unterrichtsreihen wird auch der praktische Umgang mit Computertechnik vermittelt, so z.B. in der Unterrichtsreihe 'Zeitung' der Umgang mit einem Textverarbeitungssystem (Altermann-Kösters u.a. 1990: 48ff.). Die Evaluation konzentriert sich auf den Vergleich von Gesellschaftsorientierung und Handlungsorientierung, Wissenschaftsorientierung und entdeckendem Lernen und die Problemangemessenheit des Computereinsatzes im Unterricht (Altermann-Kösters u.a. 1990: 88ff.).

Es bleibt offen, ob zur Einführung des Umgangs mit Computertechnik (oder bei einer anderen Gelegenheit) auf CBT - Programme zurückgegriffen wird. Interessant ist, daß die im Fragebogen verwendete Aussage "Vieles von dem, was in den GRIN [Modellversuch Informations- und Kommunikationstechnische Grundbildung C.S.] - Projekten geschieht, könnte auch ohne Computereinsatz vermittelt werden" (Altermann - Köster 1990: 35) bei 40% der 127 befragten Lehrerinnen und Lehrer Zustimmung findet - eine Einschätzung, die die Autorinnen und Autoren der Studie teilen -, während 30% der Befragten dies ablehnen und 30% sich neutral äußern (Altermann - Köster 1990: 35, 89).

Im Rheinland - Pfälzischen Modellprojekt 'Computer als Unterrichtsmedium' (CUM) wird seit 1984 im Rahmen des Projekts entwickelte Software bundesweit kostenlos an Schulen verteilt, wenn diese einen Fragebogen beantworten (Werner 1991: 31). Von 3.000 verschickten Fragebogen werden 117 zurückgesandt, was von Traub darauf zurückgeführt wird, daß die Software oft angefordert, aber nicht eingesetzt wird (Traub 1991: 35). Fragen nach dem Umfang des Einsatzes der Software, etwa nach der Zahl der Unterrichtsstunden oder der beteiligten Schülerinnen und Schüler, sind in dem verschickten Fragebogen nicht enthalten (Hosseus 1991: 255ff.).

Damit bleibt offen, in welchem Umfang CBT heute in der Schule eingesetzt wird. Für diese Fragestellung sind Daten zur Verbreitung von Computertechnologie in Schulen nicht hilfreich, da daraus nicht abgelesen werden kann, ob und wozu Computertechnologie jeweils benutzt wird. Auch daß CBT - Programme in Schulen nicht genutzt werden, kann nicht belegt werden - aus fehlenden Studien läßt sich nichts schließen. Für den Schulbereich legen die Untersuchungen von Altermann - Köster u.a. angesichts der Distanz vieler Lehrerinnen und Lehrer, die eine Verwendung der Computertechnik selbst bei den ausdrücklich computerbezogenen Modellprojekten oft für unnötig halten, und von Traub, der auf einen nur geringen Einsatz der versandten Software schließt, die Vermutung nahe, daß CBT - Systeme kaum zum Einsatz kommen.

Für die Einschätzung im Weiterbildungsbereich ist noch ein Teilbereich zu berücksichtigen, in dem CBT - Systeme einen besonderen Stellenwert einnehmen: die Selbstlernzentren.

2.2.2.1.2 Selbstlernzentren

Selbstlernzentren sind von Medienzentren zu unterscheiden. Medienzentren stellen Lehrenden Serviceleistungen aus dem Medienbereich zur Verfügung. Sie halten z.B. technische Geräte vor, bieten Unterstützung bei Eigenproduktionen an, führen ein Materialarchiv mit Filmen oder beraten die Lehrenden über Möglichkeiten des Medieneinsatzes (Anders 1983: 494). Sie unterstützen damit die Lehrenden beim Medieneinsatz - im Gegensatz zu den Selbstlernzentren, die sich mit ihrem Medienangebot an die Lernenden wenden.

Das Konzept der Selbstlernzentren wird um 1970 von Volkshochschulen entwickelt. Damit entsprechen die Volkshochschulen der in den 70er Jahren vorherrschenden Tendenz zur Individualisierung der Bildung, indem sie technische Medien zur Verfügung stellen, die das eigenständige und zeitautonome Lernen ermöglichen (Tietgens 1986: 81). Die dazu aufgebauten Mediotheken stellen "schriftliche Informationshilfen, programmiertes Instruktionsmaterial, strukturierte Bildreihen, Platten, Bänder, gespeichertes Fernseh-Material, Sprachlabor - Kabinen, mathematisches Labor, naturwissenschaftliche Ausrüstung, Werkräume etc." (Otto u.a. 1979: 33f.) zur Verfügung. Damit wird die Medientechnik stark betont. Es wird nicht auf eine einzelne Technik gesetzt, sondern Lernen im Medienverbund angeboten.

Erfolgreich sind die von Volkshochschulen eingerichteten Selbstlernzentren nicht (Hüther 219811990: 54), allerdings eher aus Geldmangel der Kommunen als aus mangelndem Interesse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Seidel 1988: 140). Durch neue Ansätze des Sprachenlernens (Leinenbach 1994) oder technische Neuentwicklungen, etwa den Medienverbund mit interaktivem Video (Issing 1991), könnten die Selbstlernzentren wieder Auftrieb erhalten. Erhebungen über den Umfang der Nutzung von CBT - Programmen in existierenden Selbstlernzentren der Volkshochschulen liegen jedoch nicht vor.

Größere Verbreitung finden die von der 1974 gegründeten Fernuniversität Hagen eingerichteten Studienzentren. In den 47 vor allem im Norden des Bundesgebiets angesiedelten Zentren werden Selbstlernmaterialien im Medienverbund und der Zugang zu Computersystemen angeboten. Dabei wird zunächst mit Verbindungen zum Großrechnersystem der Fernuniversität experimentiert (Sternberger 1983: 580ff.). Inzwischen werden eher kleine, dezentrale Anlagen angeboten, an denen die Studierenden Übungen und Forschungen durchführen können, mit denen aber auch noch der Zugriff auf Ressourcen in Hagen möglich ist (Seidel 1988: 141f.). Die Computer in den Selbstlernzentren werden aber kaum für CBT - Systeme genutzt, da diese im Rahmen von Kurseinheiten den Studierenden für den Gebrauch am eigenen Rechner zugeschickt werden (Rupi‚rez 1991). Aktuell bietet die Fernuniversität 13 CBT - Programme an. Das Angebot wird derzeit im Rahmen des Projekts 'Virtuelle Universität' erheblich ausgebaut (http://www.vu.fernuni-hagen.de/).

Im Bereich der betrieblichen Weiterbildung gibt es einige Selbstlernzentren, in denen ausschließlich mit CBT - Software gearbeitet wird. Die Firma IBM (International Business Machines) hat sogenannte 'Technology Learning Center' (TLC) in Hamburg, Neuss, Mainz und Essen eingerichtet, in denen ca. 250 CBT - Programme zum Selbststudium zur Verfügung stehen. Die Programme werden auch zum Kauf angeboten (IBM 1997: 555ff. oder http://www.ibm.de/bildung/). Unklar ist, in welchem Umfang diese Angebote genutzt werden. Zieht man als Maßstab den Umfang des Angebots heran, stehen den 5 Seiten mit CBT - Kursen im aktuellen IBM - Weiterbildungskatalog 578 Seiten mit konventionellen Kursen gegenüber.

Auch bei der Firma BMW wird ein Selbstlernzentrum eingerichtet, das ausschließlich für firmeninterne Schulungen verwendet wird. In diesem Selbstlernzentrum werden nur Computerkenntnisse vermittelt. Dabei ist das Selbstlernzentrum eingebettet in ein Weiterbildungskonzept, das nach der eigenständigen Erarbeitung von Grundkenntnissen durch Computernutzerinnen und -nutzer vertiefende Gruppentrainings vorsieht (Arzberger 1992: 31ff.). Daten über die Nutzung dieses Schulungsangebots im Vergleich zu anderen Möglichkeiten liegen nicht vor.

Die Darstellung der Nutzung des CBT in Selbstlernzentren führt zu einer uneinheitlichen Beurteilung. Die Volkshochschulen setzen CBT wenig ein. An der Fernuniversität Hagen haben die Systeme eine in Relation zum Gesamtangebot ebenfalls nur marginale Bedeutung. Dagegen stehen bei IBM und BMW die Systeme in einzelnen Lernzentren im Mittelpunkt. Für diese Firmen gibt es offenbar ein praktisches Potential des CBT. Dabei ist zu berücksichtigen, daß den Selbstlernzentren im Vergleich zu konventionellen Weiterbildungen bei IBM eine geringe Bedeutung zukommt. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß CBT für Selbstlernzentren zwar didaktisch relevant ist, und - insbesondere im Verbund mit anderen Unterrichtsmethoden -, auch neue Möglichkeiten eröffnet. Der Umfang der Nutzung ist aber gering. Für CBT im Weiterbildungsbereich insgesamt kann daher festgehalten werden, daß es wenig genutzt wird. Die Anwendung konzentriert sich auf wenige Nischen, insbesondere die Vermittlung von Computerkenntnissen.

2.2.2.1.3 Infotainment und Edutainment

Im privaten Bereich etablieren sich derzeit unter dem Schlagwort 'Multimedia' CBT - Lernsysteme, die durch den unterhaltenden Charakter der Programme über das CBT im engeren Sinne hinausgehen. Computer werden dabei zur unterhaltenden Informationspräsentation eingesetzt. Bei diesen Systemen handelt es sich um Datenbanken, die für Lernzwecke aufgebaut werden. Sie enthalten unterschiedliche mediale Komponenten wie grafische Darstellungen, Texte, Filme oder Geräusche. Euler bezeichnet das Angebot mit unterschiedlichen medialen Komponenten auch als Hypermedia - Systeme (Euler 1992: 9). Vor allem wegen der Kombination der verschiedenen medialen Komponenten benötigen diese Systeme relativ viel Speicherplatz. Ihre Verbreitung erfolgt daher meist auf CD - ROM (Compact Disk - Read only Memory), die zur Zeit ca. 650 MB Speicherplatz bieten.

Das Marktforschungsinstitut infas gibt als Ergebnis einer bundesweiten repräsentativen Umfrage mit 2.500 Interviews in 1997 an, daß 21% der Haushalte über einen PC mit CD - ROM - Laufwerk verfügen (infas 1998). 1999 verfügen laut einer repräsentativen Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) 72,9% der privaten Computer über ein CD - Laufwerk. 47,9% der privaten Computer verfügen über ein CD - ROM - Laufwerk, eine Soundkarte und über 16 Megabyte Arbeitsspeicher (Fröhlich 1999: 8). Über die Ausstattung von Schulen ist nichts bekannt. Die notwendige Technik für die Nutzung von Edutainment- und Infotainmentprodukten steht damit relativ vielen Haushalten zur Verfügung.

Lauffer beschreibt als Vorteile von Lexika und Nachschlagewerken auf CD - ROM neben den multimedialen Darstellungsmöglichkeiten die schnelle Auffindbarkeit und ein hypertextorientiertes Verweissystem (Lauffer 1997b: 13f.). Die Nachschlagewerke werden nicht als Lexika, sondern unter dem Schlagwort 'Infotainment' vermarktet. Ebenso wie der Begriff 'Edutainment' soll diese an Entertainment anspielende Wortwahl den unterhaltenden Charakter der Programme in den Vordergrund rücken. Damit wird den Nutzungsinteressen der Kinder und Jugendlichen entsprochen, die, wie im Kapitel 1.1.3 dargestellt, Computertechnik fast ausschließlich zum Spielen verwenden. Das Angebot solcher CD - ROMs ist umfangreich. Vorliegende Untersuchungen konzentrieren sich auf die pädagogische Bewertung einzelner Produkte (z.B. Tully 1993a, 1993b, 1993c; Aufenanger u.a. 1997), die oft nicht positiv ausfällt.

Dabei kann weder aus dem Vorhandensein von Angeboten noch aus der Zahl verkaufter Titel auf die Nutzung geschlossen werden. Denn erworbene Edutainment oder Infotainment - Titel können, gerade bei mangelnder Qualität, ungenutzt bleiben. So werden nach Lauffer in den USA vier von zehn Titeln von frustrierten Kunden wieder zurückgegeben (Lauffer 1997b: 23). Über den Umfang der tatsächlichen Nutzung von verkauften Infotainment- und Edutainment-Produkten im privaten Bereich, denkbar etwa als ergänzendes Übungsmaterial für Schulaufgaben, zur selbständigen Weiterbildung oder als Ersatz für das gedruckte Lexikon, liegen keine Erhebungen vor.

Das gilt auch für Angebote, die sich an Vorschulkinder richten. Es werden - neben computergesteuertem Spielzeug (z.B. sprechenden Puppen) - Lernspielcomputer angeboten. Diese weisen die Form herkömmlichen Spielzeugs auf und sollen schon bei Kleinkindern unter zwei Jahren motorische, kognitive und sprachliche Fähigkeiten fördern. Edutainmenttitel, die sich an Drei- bis Vierjährige richten, sind nicht ausdrücklich belehrend, sondern gewöhnen an den Umgang mit Computertechnik und fördern die sensomotorische Koordination (Eschenauer 1994: 412-419). Untersuchungen über die Verbreitung von computergesteuertem Spielzeug und über den Umgang der Kinder mit solchem Spielzeug liegen nicht vor (Eschenauer 1994: 410).

Eine Erhebung von Höltershinken in Kindergärten ergibt, daß die Erzieherinnen und Erzieher Computer nur sehr ungerne einsetzen würden. Computer nehmen den letzten Rangplatz von allen Medien ein (Höltershinken 1989: 294). Dennoch haben 6,5% der Befragten schon einmal einen Computer in der Kindergartenarbeit verwendet, während 6% schon einmal einen Videorecorder genutzt haben. 13 der 234 Befragten haben ihren privaten Computer einmal in die Einrichtung mitgebracht (Höltershinken 1989: 381ff.). Höltershinken gibt nicht an, wozu Computertechnik verwendet wird. Neben einem Angebot für die Kinder ist auch der Einsatz für Verwaltungsaufgaben denkbar, was in der zitierten Studie nicht differenziert wird.

Zusammenfassend ist hervorzuheben, daß überhaupt in nennenswertem Umfang pädagogisch ambitionierte CBT - Titel in Form von Edutainment oder Infotainment für den Alltag vermarktet werden, da dies bei anderen elektronischen Medien, etwa Ton- und Videokassetten, kaum der Fall ist. Dabei ist für den Bereich des Edutainment und Infotainment kritisch anzumerken, was Heimann schon für die Nutzung des Films zu Bildungszwecken geschrieben hat: Die Bildungsverantwortlichkeit der kommerziellen Hersteller bleibt völlig unklar, deutlich ist nur das Diktat des Gewinnstrebens (Heimann 1976: 211). Eine Bewertung von Multimediatiteln aus bildungstheoretischer Perspektive steht noch aus, aktuelle Ansätze konzentrieren sich auf die Beschreibung der technischen Gestaltung der Titel (z.B. die Beschreibungen in Mann 1994 oder den Kriterienkatalog von Fritz 1997: 24).

Für den Einsatz von Computertechnik als Unterrichtsautomat ist festzuhalten, daß in verschiedenen Bereichen Einsatzmöglichkeiten bestehen und die Systeme auch genutzt werden. Fehlende Daten über die tatsächliche Verwendung der Systeme lassen eine präzise Einschätzung nicht zu. Die Vergleiche mit anderen Medien und Unterrichtsformen stützen die These, daß die Verwendung von Computertechnologie als Unterrichtsautomaten eine eigene Position im didaktischen Bereich zukommt, die Systeme aber nicht übermäßig verbreitet sind.

2.2.2.2 Computertechnik als Unterrichtsmedium

Wenn Computer als Unterrichtsautomaten verwendet werden, bleibt der Kommunikationspartner für die Lernenden hinter dem Automaten verborgen. Es ist ein anonymer Unterricht. Beim Einsatz als Unterrichtsmedium sind die Lehrenden und die anderen Lernenden als Kommunikationspartnerinnen bzw. -partner präsent. Dabei lassen sich zwei Aspekte unterscheiden: Die Computertechnik kann erstens als Kommunikationsmedium zwischen Lehrenden und Lernenden bzw. Lernenden und Lernenden genutzt werden. Zweitens kann Computertechnik als Medium zur Darstellung von Gegenständen verwendet werden.

2.2.2.2.1 Kommunikationsmedium

Persönliche Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden ist technisch vermittelten Formen in der Regel vorzuziehen.35 Es gibt jedoch eine ganze Reihe von didaktischen Konstellationen, die eine technisch vermittelte Kommunikation sinnvoll oder sogar erforderlich erscheinen lassen.

Letzteres gilt für jede Form des Fernlernens. Fernlernen ist dadurch definiert, daß sich Lehrende und Lernende nicht am gleichen Ort befinden. Die räumliche Distanz wird durch technische Mittler überbrückt. Beispielsweise bereiten die Lehrenden die zu vermittelnden Inhalte in Form von schriftlichen Studieneinheiten auf, die den Lernenden dann an nahezu beliebige Orte zugestellt werden. Aber nicht nur vom Lehrenden zum Lernenden, auch umgekehrt muß die Kommunikation sichergestellt werden. Beratungsdienste, Lösungen von bearbeiteten Aufgaben oder individuelle Rückfragen zum vermittelten Stoff müssen möglich sein (Pravda 1995: 253). Diese Form des Unterrichts wird in der Bundesrepublik mit Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes 1969 und dem Einrichten der Zentralstelle für Fernunterricht der Länder institutionalisiert - eine rechtliche Grundlage, die mit dem Fernunterrichtssschutzgesetz von 1977 weiter ausgebaut wird. Dieser Rahmen zielt vor allem auf die Berufsbildung, für die sich ein umfangreicher Fernlern - Markt entwickelt hat. Auch Schulabschlüsse können mit dem 1967 eingeführten Telekolleg der Rundfunkanstalten im Fernlernen erworben werden. Im universitären Bereich bietet die Fernuniversität Hagen zahlreiche Studiengänge an, und auch das 1966 eingeführte Funkkolleg arbeitet auf Hochschulniveau. Insgesamt gibt es vielfältige Angebote im Fernlernen. Damit stellt sich die Frage, in welchem Umfang Computertechnik im Fernlernen eingesetzt wird.

Welche Möglichkeiten bietet computervermittelte Kommunikation? In Deutschland steht als Kommunikationsmedium im Fernlernen bis in die 80er Jahre das Bildschirmtextsystem der Bundespost im Mittelpunkt (z.B. Haefner 1982: 49ff., Werner 1983: 566ff.). Dieses System kann aber nicht als zentrales elektronisches Kommunikationssystem etabliert werden. Im Mittelpunkt steht heute das Internet, das sich seit Beginn der 90er Jahre als wichtigstes öffentliches Computernetz durchgesetzt hat und vielfältige Nutzungsmöglichkeiten eröffnet (Bayerlein u.a. 1997: 460ff.).

Die wichtigste Anwendung ist die elektronische Post. Diese arbeitet in Anlehnung an den Postbrief: Eine Nachricht wird von einer Absenderin oder einem Absender zu einer Empfängerin oder einem Empfänger - elektronisch allerdings meist unverschlossen - transportiert. Einen ähnlichen Zugang bieten die Diskussionsforen, meist als 'Newsgroups' bezeichnet. In Diskussionsforen wird die Nachricht einer Absenderin oder eines Absenders öffentlich zugänglich gemacht und kann von allen Interessentinnen und Interessenten gelesen und beantwortet werden. Diskussionsforen können auch für eine geschlossene Benutzergruppe, d.h. nur nach Anmeldung mit einer besonderen Kennung zugänglich gemacht werden, oder als sogenannter 'Chat', bei dem der Nachrichtenaustausch unmittelbar erfolgt - eine Art Gespräch über die Tastatur - geführt werden. Zudem kann Computertechnik auch als Telefon oder Bildtelefon benutzt werden. Welche dieser Kommunikationsformen werden im Fernlernen verwendet?

Erhebungen, die die Nutzung von Computertechnik als Kommunikationsmedium im Fernlernbereich auf breiter Basis erfassen, liegen nicht vor. Daher werden im folgenden einige Beispiele exemplarisch dargestellt.

Für die Telekollegs der Rundfunkanstalten sind Diskussionsforen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eingerichtet (news://telekolleg.inka.de/). Ebenso ist die Anmeldung zu Kursen und Anforderung von Material möglich (http://www.telekolleg.de/). Kontaktaufnahme mit Lehrerinnen und Lehrern ist nicht vorgesehen.

Die Fernuniversität Hagen bietet ebenfalls Diskussionsforen für den Austausch zwischen Studierenden an (news://feunews.fernuni-hagen.de). Einzelne Seminare werden mit Chatforen begleitet, deren Protokolle zum Nachlesen zur Verfügung gestellt werden. Die Lehrenden sind für die Studierenden per eMail erreichbar. Der von Stuke evaluierte Feldversuch zur Vorbereitung dieses Systems hat ergeben, daß viele Fernstudierende über einen Zugang zu Computernetzen verfügen. Wesentliche Vorteile werden in verbesserten Servicemöglichkeiten, etwa bei der Literaturversorgung, und der zeitlich versetzten Kommunikation, die gerade für berufstätige Studierende interessant ist, gesehen. Ein Nachteil ist nach Stuke die erhöhte Vereinzelung der Studierenden, wenn sie sich nicht mehr in Studienzentren persönlich, sondern über Computertechnik austauschen (Stuke 1991: 161f.). Angaben über den Umfang der Nutzung von Computerkommunikation liegen bisher nicht vor.

Die technischen Entwicklungen der letzten Zeit haben bei den meisten Universitäten zu einem Ausbau der Computerkommunikation geführt. Fast alle deutschen Hochschulen sind über Computernetze erreichbar. Der Einsatz von Computerkommunikation an Präsenzhochschulen, etwa zur Studienberatung, zum Austausch zwischen Studierenden oder zum Kontakt mit Dozentinnen und Dozenten ist an vielen Stellen realisiert.

Auch kommerzielle Anbieter von Fernlehrgängen bieten die Unterstützung durch Computerkommunikation an. So hat die AKAD (Akademikergesellschaft für Erwachsenenfortbildung) Chatforen für ihre Studierenden eingerichtet. Kontakt zu Lehrerinnen und Lehrern oder Dikussionsforen werden nicht angeboten, die Bestellung von Kursen ist ebenfalls (noch) nicht möglich (http://akad.de/).

Für den Schulbereich gibt es zahlreiche Berichte über die Nutzung von Computerkommunikation. Es läßt sich zwischen schulinterner und schulexterner Kommunikation unterscheiden. Schulinterne Kommunikation umfaßt das Übermitteln von Lernmaterial an Schülerinnen und Schüler (Ambach u.a. 1995) und das Einrichten von Diskussionsforen, in denen Lehrerinnen und Lehrer mit Schülerinnen und Schülern einen Austausch mit informellem Charakter pflegen können (Berge u.a. 1995).

Schulexterne Kommunikation bietet die Möglichkeit, Arbeitsergebnisse des Unterrichts mit geringem Aufwand in der ™ffentlichkeit zu präsentieren (Friedmann u.a. 1995), mit Schülerinnen und Schülern anderer Schulen zusammenzuarbeiten (Hamalainen u.a. 1995), den Kontakt mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern herzustellen (Harmann 1994) oder im Fremdsprachenunterricht einen Austausch mit Schülerinnen und Schülern in anderen Ländern herzustellen (Donath 1991). Bei allen zitierten Berichten handelt es sich um Einzelfallschilderungen, die deutlich machen, daß Fernlernelemente in Schulen als Ergänzung zu konventionellem Unterricht genutzt werden. Der Umfang der Nutzung computervermittelter Kommunikation in Schulen wird auch in neueren Studien (z.B. Treumann u.a. 1999) nicht berichtet.

Festzuhalten ist, daß für die computervermittelte Kommunikation zwischen Menschen zahlreiche Möglichkeiten genutzt werden. Insbesondere im Fernlernen werden durch Computerkommunikation neue didaktische Möglichkeiten eröffnet. Für einen Vergleich zwischen der Nutzung dieser Angebote zu anderen Kommunikationsformen - wie dem Telefon oder dem Brief - liegen keine Daten vor. Untersuchungen, z.B. von Wetzstein (1995), konzentrieren sich auf praktische Probleme bei der Anwendung der Technik oder die Analyse der mit der Technik möglichen neuen Kommunikationsformen. Über die zitierten Beispiele hinausgehende Aussagen sind wegen der fehlenden Datengrundlage nicht möglich.

2.2.2.2.2 Simulation und Simulationsspiele

Populär werden Computersimulationen nach dem Erscheinen des Berichts des Club of Rome zu den Grenzen des Wachstums, der auf einer Computersimulation globaler Prozesse beruht (Meadows 1519721990). Ausgehend von diesem Forschungsbericht werden im Anschluß an die Arbeiten von Vester (1974) vor allem die Vermittlung von vernetztem Denken und von Problemlösekompetenzen in komplexen Situationen in den Mittelpunkt gestellt. Zu diesem Zweck werden von Dörner (1990) verschiedene Computersimulationen entwickelt. Nach den vorliegenden Berichten werden Computersimulationen in der praktischen Pädagogik im Rahmen von Simulationsspielen oder als eigenes Unterrichtsmedium verwendet.

Simulationsspiele weisen nach Buddensieck Modellcharakter und Spielcharakter auf. Als Modelle sind Simulationsspiele transparente Hilfskonstruktionen für eine bestimmte Zeitdauer und einen bestimmten Zweck, die auf ein Original referieren, aber keine Reproduktionen der Wirklichkeit beanspruchen. Der Spielcharakter entsteht durch die Freiwilligkeit der Teilnahme, durch feste Regeln, durch Distanz zum wirklichen Leben und dadurch, daß Simulationsspiele ihr Ziel in sich selber haben. Die didaktische Absicht liegt nicht im Erreichen eines vorher bestimmten Ziels, sondern in der kreativen Eigenaktivität derjenigen, die als Spielerinnen und Spieler eine Rolle im Spiel einnehmen (Buddensieck 1995: 606ff.).

Mit Computersimulationen werden in Simulationsspielen Inhalte zugänglich, die sonst nur unzulänglich präsentiert werden können (Spanhel 1991: 391). Computersimulationen sind dann sinnvoll, wenn nicht in Ernstsituationen gelernt werden kann. Solche Situationen können, auch wenn sie eine hohe Komplexität aufweisen, mit Computertechnologie simuliert werden und so im Simulationsspiel Erfahrungslernen möglich machen (Freibichler 1978: 182f.).36

Zu Simulationsspielen liegen zahlreiche Programme und Handreichungen vor. Solche Spiele bilden komplexe soziale Situationen mit den dabei ablaufenden Kommunikationsvorgängen ab. Computertechnik wird bei Simulationsspielen auch zur Unterstützung der Kommunikation zwischen verschiedenen Spielgruppen eingesetzt (Craemer 1978). Es werden z.T. Simulationsspiele durchgeführt, an denen räumlich weit voneinander entfernte Gruppen beteiligt sind (Kleinschroth 1989). In solchen Fällen wird neben der Kommunikation auch die Steuerung des Spielablaufs mit der Präsentation der dazu nötigen Informationen mit Hilfe von Computertechnik abgewickelt.

Auch die Darstellung dynamischer Vorgänge, etwa in der Chemie oder Physik, ist mit Hilfe von Computersimulationen möglich. Im Mittelpunkt steht der Lernende, der die Simulation selbst erstellt oder durchführt. In diesem Fall wird die Simulation aber nicht mit einem Simulationsspiel verbunden, sondern als eigenständiges Medium im Unterricht eingesetzt. Diese Form schließt an den ersten Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachtsums an. Wohl auch daher werden nach wie vor zahlreiche Simulationen aus dem ™kologiebereich für Unterrichtszwecke angeboten (z.B. vom Verlag Cornelssen 1997: S.64, FWU 1997). Aber auch aus dem Wirtschaftsbereich (Landesinstitut für Schule und Weiterbildung Soest 1988) und dem Politikbereich (Bundeszentrale für politische Bildung 1992) liegt entsprechende Software vor.

Über den Einsatz von Simulationen ohne Spielcharakter, die vor allem für die Abbildung dynamischer Prozesse verwendet werden, liegen aus fast allen Fächern aus dem Schul-, Berufs-, Hochschul- und Weiterbildungsbereich Erfahrungsberichte vor. So für die Simulation von Grammatiken in der Germanistik (Deutrich 1978), für Simulationsspiele im Fremdsprachenunterricht (Wiegand 1991), für die Simulation von Abläufen im Wirtschaftsbereich (Spitzer 1991), in der Physik (Treitz 1985) und der Mathematik (Stegmaier 1986). Auch die Simulation von Computertechnik wird im Informatikunterricht eingesetzt (Stobbe 1994). Dabei ist nicht nur das Anwenden, sondern auch das Erstellen von Simulationen im Unterricht möglich (Beck 1978). Im Hochschulbereich, das ergab eine Umfrage der Kultusministerkonferenz bei 3.400 Einrichtungen, sind Simulationen und Demonstrationsprogramme mit die häufigste Nutzung in der Lehre. Allerdings setzen nur 2-3% der Dozentinnen und Dozenten an den Universitäten und 3-5% an den Fachhochschulen neue Medien in ihren Veranstaltungen ein (Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der BRD 1996: 17).

Untersuchungen zum praktischen Einsatz von computergestützten Simulationsspielen im Unterricht, die über Einzelfallbeschreibungen hinausgehen und eine Einschätzung der Relevanz solcher Software für die praktische Pädgogik zulassen, sind selten und erheben den Umfang der Nutzung meist nicht. So erfaßt z.B. Treitz, der eine der wenigen vorliegenden Studien durchgeführt hat, die Einstellungen von 812 Schülerinnen und Schülern zur Computertechnologie. Er betont als Ergebnis der Umfrage, daß kein anderes Unterrichtsmedium auch im Privatbereich eine so große Akzeptanz gefunden hat (Treitz 1985: 147), wobei angemerkt werden muß, daß Treitz nach der Verbreitung von anderen Unterrichtsmedien im Alltag auch nicht gefragt hat. In seiner parallel durchgeführten Befragung von 1086 Physiklehrerinnen und -lehrern erhebt Treitz die Nutzung technischer Unterichtsmedien im Physikunterricht. Computertechnologie wird dabei wegen ihrer geringen Verbreitung nicht erfaßt (Treitz 1985: 39); die Nutzung der im Rahmen der Studie entwickelten Simulationen wird nur an Einzelfällen geschildert (Treitz 1985: 297f.).

In Relation zum übrigen Softwareangebot spielen Simulationen und Planspiele weder beim Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) - 7 von 48 Computerprogrammen enthalten Simulations- oder Planspielelemente - noch beim Verlag Cornelssen eine besondere Rolle. Über die Möglichkeit, daß Simulationen mit Spielcharakter im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung von Lehrerinnen oder Lehrern selbst erstellt oder von Schülerinnen und Schülern im Unterricht programmiert werden, liegen keine Erhebungen vor.

Bei einer Einschätzung anhand des Softwareangebots muß berücksichtigt werden, daß aus dem Vorhandensein der Software nicht auf die Nutzung geschlossen werden kann. Daher sind allgemeine Aussagen über den Umfang der Nutzung von computerbasierten Simulationen und Planspielen in der praktischen Pädagogik nicht möglich. In der Tendenz ist, insbesondere wegen des im Vergleich zu anderer Software geringen Umfangs des Angebots, eine verhältnismäßig geringe Nutzung dieser Programme anzunehmen.

2.2.2.2.3 Präsentation, Messen und Gestaltung

Computertechnologie kann im Unterricht wie andere Medien dazu genutzt werden, zu vermittelnde Inhalte didaktisch aufbereitet zu präsentieren. Dabei kann die Nutzung für Präsentationen, als Meßinstrument und für Gestaltungen unterschieden werden.

Als Präsentationsmedium im Unterricht ist Computertechnologie Ersatz für herkömmliche Medien. Mit der geeigneten Technik, etwa einem LCD - Projektor und einer Soundkarte, werden Grafiken, Texte, Geräusche, Filme oder Simulationen für alle Lernenden sichtbar präsentiert. Die Computertechnologie wird so zum Ersatz für Tafel, Folien auf einem Tageslichtprojektor oder Videorekorder und Fernseher. Erhebungen, die sich auf den Einsatz von Computertechnologie als Präsentationsmedium im Weiterbildungsbereich beziehen, liegen nicht vor.

Hauptproblem für Schulen ist der hohe Anschaffungspreis der nötigen Technik (Werner 1991: 16f.). Traub berichtet, daß 48% der von ihm befragten Lehrerinnen und Lehrer dann, wenn sie Computertechnologie im Unterricht einsetzten, die Form des Demonstrationsunterrichts verwenden und Computertechnologie dabei als Präsentationsmedium verwenden. Ob fehlende Computerarbeitplätze der Grund dafür sind oder die Computertechnologie als zusätzliches Medium im konventionellen Unterricht verwendet wird, kann aus den erhobenen Daten nicht geschlossen werden (Traub 1991: 41).

Bei der Nutzung von Computertechnologie als Meßgerät werden herkömmliche Meßgeräte durch einen Computer mit angeschlossenen Sensoren ersetzt. Die Meßwerte werden auf dem Bildschirm dargestellt. Verschiedene Parameter können durch den Anschluß unterschiedlicher Sensoren erfaßt werden. Die Übertragung der Daten in den Computer läßt dabei nicht nur die Darstellung, sondern auch die Auswertung der gemessenen Daten, z.B. in Form von Grafiken, zu. Geeignete Software kann darüber hinaus Hinweise zu den Experimenten enthalten, z.B. zum Versuchsaufbau (lt. Katalog des Leybold-Verlags 1997). Über die Verbreitung dieser Systeme liegen keine Untersuchungen vor.

Ein weiterer Bereich der didaktischen Nutzung von Computertechnologie ist die Gestaltung. Damit ist die Herstellung von Texten, Grafiken oder anderen Darstellungen mit Hilfe einer geeigneten Software gemeint, nicht aber die Vermittlung von Kenntnissen im Umgang mit Grafikprogrammen oder Textverarbeitungssystemen im Sinne einer Vorbereitung auf die Nutzung der Computertechnologie als Arbeitsmittel im Beruf. Es geht um die didaktische Nutzung der Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen von Unterrichtsprojekten.

Beispiele für eine solche Verwendung von Computertechnologie sind die Herstellung eines elektronischen bebilderten Lexikons im Kunstunterricht (Kabzinski - Kenkmann 1994) oder die Ausgestaltung von eigenen Texten im sozialwissenschaftlichen Unterricht mit Tabellen, Grafiken oder Abbildungen (Klingen 1988: 186f.). Häufiger berichtet wird nach Tulodziecki die Gestaltung einer Zeitung mit Hilfe der Computertechnologie (Tulodziecki 1995: 152ff.). Die Gestaltung einer Zeitung hat sich auch bei der Evaluation der Einführung der Informationstechnischen Grundbildung in Nordrhein - Westfalen als das beliebteste Projekt (vor Projekten zu Industrierobotern, Wärmeschutz und Warenhaus) erwiesen (Altermann - Köster u.a. 1990: 59). Didaktisches Medium ist die Computertechnologie hier nicht, weil Kompetenzen im Umgang mit der Software vermittelt werden, sondern weil die moderne Zeitungsproduktion mit einem einfachen System in der Schule erfahren werden kann, was ohne die Computertechnik nicht möglich wäre. Wie oft Computertechnik als Gestaltungsmittel in Schulen eingesetzt wird, ist bisher nicht erhoben worden.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß Computertechnik auch in der Unterrichtsvorbereitung, z.B. beim Erstellen von schriftlichem didaktischen Material oder von Prüfungsaufgaben eingesetzt wird (Aust 1990). Speziell für diesen Zweck entwickelte Software, die das Erstellen von Arbeitsblättern und von Klausuren unterstützt, wird z.B. vom Cornelssen-Verlag (Cornelssen 1997: 26f.) angeboten.

Die Darstellung der didaktischen Möglichkeiten läßt sich in drei Aussagen zusammenfassen:

- Durch Computertechnologie werden neue didaktische Möglichkeiten eröffnet.

- Computertechnik kann als Ersatz für bisherige Medien eingesetzt werden.

- Die praktische Verwendung der didaktischen Möglichkeiten ist gering.

Die neuen didaktischen Möglichkeiten und der Ersatz bisheriger Medien zeigen, daß Computertechnik universelle didaktische Einsatzmöglichkeiten bietet. Allerdings kann anhand der empirischen Untersuchungen nur festgestellt werden, daß die Universalität besteht. Eine Erklärung für diese Beobachtung ist damit noch nicht gegeben. Die Universalität des Mediums Computertechnik wird daher im zweiten Kapitel genauer in den Blick genommen.

Den vielfältigen Möglichkeiten steht eine geringe Nutzung gegenüber. Diese Aussage kann sich wegen der kleinen Anzahl durchgeführter Studien nur auf wenige Daten stützen. Bei den vorliegenden Veröffentlichungen handelt es sich in der großen Mehrzahl um Erfahrungsberichte oder Modellprojekte, die keine Verallgemeinerung zulassen. Die zitierten Erhebungen weisen auf eine im Vergleich zu anderen Medien eher geringe Nutzung von Computertechnik hin. Verbreitung findet Computertechnik vor allem als Kommunikationsmedium und in der Weiterbildung mit CBT - Anwendungen.

Was hat die bisherige Untersuchung ergeben?

- Weder die Verbreitung im Wirtschaftsbereich, noch im Politikbereich, noch im Alltag genügen als Nachweis pädagogischer Relevanz von Computertechnologie. Zwar ist Computertechnik in allen Bereichen verbreitet. Der aus der Verbreitung resultierende pädagogische Handlungsbedarf ist aber in allen Bereichen gering.

- Die didaktische Perspektive führt zu einem anderen Ergebnis: Die neuen didaktischen Möglichkeiten, die Computertechnologie eröffnet, rechtfertigen eine pädagogische Beschäftigung mit der Computertechnologie. Diese Möglichkeiten werden genutzt, wenn auch nur in geringem Umfang.

Damit kann die eingangs skizzierte intensive Auseinandersetzung der Pädagogik mit der Computertechnologie nicht erklärt werden.

2.3 Computertechnologie als Bildungsgut

In den vorherigen Abschnitten dieses Kapitels wird die pädagogische Relevanz von Computertechnologie im Rückgriff auf empirische und hermeneutische Arbeiten untersucht. In diesem Abschnitt geht es nun um die Frage, ob Computertechnologie als Bildungsgut relevant ist, ob sie also einen Beitrag zur Bildung des Menschen leisten kann. Mit dieser Frage ist ein Perspektivenwechsel verbunden, da der Begriff der Bildung sich nicht allein mit empirischen Beobachtungen oder hermeneutischen Interpretationen entwickeln läßt. So ist für Menze der Bildungsbegriff nur historisch und anthropologisch zu begründen:

"In der jeweiligen historischen Ausdeutung von Bildung werden die pädagogischen Einsichten in das Wesen der Menschwerdung und die Bestimmung des Menschen zusammengefaßt" (Menze 1995: 350).

Insofern der Bildungsbegriff als Begründung für pädagogisches Handeln genommen wird, stellt er die zentrale Grundlage wissenschaftlicher und praktischer Pädagogik dar. Menze sieht den Begriff durch Geschichte und Anthropologie bestimmt, empirische Methoden spielen für ihn dabei offenbar keine Rolle. Obwohl einzuwenden ist, daß empirische Untersuchungen durchaus einen Beitrag zum Verständnis des Wesens der Menschwerdung leisten können, ist Menzes Sichtweise geeignet, den Kontrast zwischen den im 1. Kapitel referierten empirischen und hermeneutischen Arbeiten und der in bildungstheoretischer Perspektive verwendeten Begriffsbestimmung als logischem Verfahren für die hier verfolgte Fragestellung deutlich zu machen. Wegen dieses Kontrasts ist zunächst der Zusammenhang zu verdeutlichen, der es erlaubt, die Herangehensweise beider Abschnitte unter derselben Fragestellung - nach der pädagogischen Relevanz von Computertechnologie - zu betrachten.

Menze unterscheidet zwischen besonderer und allgemeiner Bildung. Allgemeine Bildung ist nicht an einem vorgegebenen Zweck orientiert. Dagegen orientiert sich besondere Bildung an von außen vorgegebenen Zielen (Menze 1995: 352). Der Begriff der besonderen Bildung liegt parallel zu der oben betrachteteten pädagogischen Relevanz aus dem Kontext der Pädagogik, die in den Abschnitten zu Wirtschaft, Politik und Alltag untersucht worden ist. An der Analogie von Anlässen aus dem Kontext der Pädagogik und besonderer Bildung wird die Verbindung zwischen den Abschnitten sichtbar: Bei pädagogischer Relevanz aus dem Kontext der Pädagogik werden von außen Anforderungen an die Pädagogik gestellt, die damit verbunden sind, daß bestimmte Erziehungsziele - wie z.B. die Vermittlung von Computerkenntnissen - gesetzt werden. Die Anlässe aus dem Kontext der Pädagogik werden so zu einem Ziel besonderer Bildung.

Nun ist ein Zusammenhang nicht nur durch eine Verbindung, sondern auch durch eine Differenz zu kennzeichnen, da zusammenhängende Gegenstände ohne Differenz identisch sind. Die Differenz liegt hier in der methodischen Herangehensweise, die von empirischen zu begrifflichen Verfahren wechselt: Anforderungen aus dem Kontext der Pädagogik dürfen von wissenschaftlicher und praktischer Pädagogik nicht unkritisch übernommen werden. Es gilt, die Plausibilität der Anforderungen zu untersuchen. In den ersten beiden Abschnitten dieses Kapitels wird die Plausibilität der Anforderungen aus dem Kontext der Pädagogik mit empirischen und hermeneutischen Verfahren geprüft.

Bei der Untersuchung der pädagogischen Relevanz von Computertechnologie aus dem Kontext der Pädagogik ist die Prüfung anhand empirischer Untersuchungen schon dadurch begründet, daß die Relevanz mit den besseren Chancen am Arbeitsmarkt, dem Bedarf in der Wirtschaft oder der Nutzung im privaten Bereich begründet wird. Das sind empirische Aussagen, deren Plausbilität mit empirischen Verfahren überprüft werden muß. Dieses Vorgehen entspricht auch dem Wissenschaftsverständnis der empirischen Richtung der Pädagogik.37

Nun ist das Ergebnis der bisherigen Untersuchung, daß die mit dem Kontext der Pädagogik begründbare pädagogische Relevanz von Computertechnologie für die Pädagogik als eher gering eingestuft werden muß. Computertechnik wird in Wirtschaft, Politik und Alltag genutzt. Weitreichende Anforderungen an die praktische Pädagogik sind aber nicht festzustellen. Daß Computertechnologie auf diesem Wege als Aufgabe der besonderen Bildung ausgewiesen werden kann muß daher bezweifelt werden.

Anders die didaktischen Möglichkeiten, die sich mit der Computertechnologie eröffnen: Zwar kann für die Didaktik die pädagogische Relevanz nicht mit dem Nutzungsumfang belegt werden. Dabei wird aber nur der didaktische Teilbereich der Medienauswahl insofern in den Blick genommen, als die Häufigkeit der Wahl von Computertechnologie als Unterrichtsmedium dargestellt wird. Didaktik erschöpft sich aber nicht mit der Medienwahl. Mindestens ebenso wichtig ist die Auswahl der Unterrichtsmethoden. Computertechnologie macht die Entwicklung neuer Unterrichtsmethoden möglich. Die neuen methodischen und die vielfältigen medialen Einsatzmöglichkeiten von Computertechnik sind legitimer Anlaß einer Auseinandersetzung der praktischen und der wissenschaftlichen Pädagogik mit der Computertechnologie.

Diese Auseinandersetzung kann aber nicht mehr anhand empirischer Erhebungen oder hermeneutischer Interpretationen geführt werden. Das zeigen schon die empirischen Daten: Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten deuten die universellen Verwendungsmöglichkeiten von Computertechnologie an. Zu einem Verständnis der Universalität im Sinne einer wissenschaftlichen Reflexion führt die empirische Auflistung der Verwendungsmöglichkeiten aber nicht. Dazu ist die Reflexion mit geeigneten Begriffen erforderlich.

Das gilt auch für den didaktischen Teilbereich der Entscheidung über die Inhalte der Erziehung: Die Auswahl der Inhalte ist unmittelbar mit den jeweils verfolgten pädagogischen Zielen verbunden. Da Computertechnologie als Ziel der praktischen Pädagogik nicht mit Anforderungen aus dem Kontext legitimiert werden kann, aber neue methodische Wege eröffnet, wird die pädagogische Analyse der Computertechnologie um so dringender. Das heißt nicht, Anforderungen aus dem Kontext abzulehnen. Es heißt aber, der Pädagogik die Entscheidung über die Ziele - unter Berücksichtigung des Kontextes - zu überlassen. Die Pädagogik kann in wissenschaftlicher Reflexion der grundlegenden pädagogischen Probleme über die aktuelle Situation und die jeweiligen äußeren Ziele hinausgehen und so pädagogische Ziele aus der internen Analyse bestimmen. Das ist Gegenstand der Bildungstheorie. Für die pädagogische Entscheidung über Computertechnologie als Ziel pädagogischen Handelns sind daher bildungstheoretische Überlegungen heranzuziehen.

Damit ist der Zusammenhang zwischen den vorausgehenden Abschnitten und dem folgenden Abschnitt dieses Kapitels hergestellt. Die Verbindung besteht in der Analogie von besonderer Bildung und pädagogischer Relevanz aus dem Kontext der Pädagogik. Der Unterschied besteht zum einen in der Methode. Statt der Darstellung empirischer Daten wird eine Analyse auf der Basis pädagogischer Grundbegriffe vorgenommen. Damit ist zum anderen ein Perspektivenwechsel von der besonderen auf die allgemeine Bildung verbunden.

Könnte Computertechnologie einen Beitrag zur allgemeinen Bildung, d.h. zur Entwicklung der Persönlichkeit und zur Entfaltung der eigenen Kräfte leisten? Die Frage zielt auf die Möglichkeit im Blick auf die pädagogische Relevanz des Gegenstands, daher der Konjunktiv. Wenn die Möglichkeit besteht, ist eine genauere Untersuchung indiziert, die herausarbeitet, welchen Beitrag Computertechnologie zur Bildung des Menschen leistet.

Nun liegen verschiedene Untersuchungen vor, in denen Computertechnik als Bildungsgut behandelt wird.38 Die aufgeworfene Frage scheint damit unnötig zu sein. Sie dennoch zu stellen ist erforderlich, weil die Frage nach der Möglichkeit der Ausbildung von Bildungsverhältnissen mit Computertechnik als Mittel Ausgangspunkt der weiteren Untersuchung ist. Dieser Ausgangspunkt, der im Abschnitt 2.3.2 mit Humboldts Bildungsbegriff begründet wird, ist in vorliegenden Untersuchungen in bezug auf Computertechnologie nur am Rande behandelt.

Ein Beispiel für die Analyse des Verhältnisses zur Welt ist die Untersuchung von Bamm‚, Baumgartner, Berger und Kotzmann. Sie beschreiben die fortschreitende Verwissenschaftlichung und Technisierung des menschlichen Verhältnisses zur Welt. Aus der Beobachtung des vorherrschenden Zugangs zur Welt nach Maßgabe der exakten Wissenschaften, aus der zunehmenden Objektivierung geisteswissenschaftlichen Wissens in KI- und Expertensystemen und aus der Übergabe der Feststellung objektiver Wahrheit an das Urteil von Computern ziehen die Autoren den Schluß, daß Natur nach den Vorgaben der technischen Systemen begriffen wird.

"Die Geschichte der Schöpfung wird umgeschrieben. Diesmal wird die Natur nach dem Bild des Computers gezeichnet, und in der Sprache der Kybernetik erzählt" (Bamm‚ u.a. 1987: 21).

Bamm‚ u.a. machen mit ihrer Diagnose deutlich, daß der Mensch mit seinen Möglichkeiten der Ausübung von Macht über Natur in seinem Verhältnis zur Natur nicht mehr von der Natur ausgeht, sondern Natur vielmehr ausgehend von seinen technischen Gestaltungsmöglichkeiten erfährt.39 Die Analyse konzentriert sich dabei auf das Verhältnis zur Welt. Bamm‚ u.a. sehen durchaus, daß ein verändertes Verhältnis zur Welt auch Folgen für das Verhältnis zum Selbst hat.

"Der Mensch als das verstehende Wesen ist zugleich das machende, der sich selbst Machende, indem er die Welt macht. Die moderne Technologie ist sein Resultat, zugleich formt sie ihn" (Bamm‚ u.a. 1987, S.49)

Der Frage, welchen Veränderungen das Verhältnis des Menschen zu sich selbst unterliegt, wenn moderne Technologie den Menschen formt, gehen Bamm‚ u.a. jedoch nicht nach.

Ein Beispiel für die Analyse von Computertechnologie aus Sicht von Bildungstheorie ist die Arbeit von Hutzler. Sie faßt ihren Ausgangspunkt so zusammen:

"Schon die Rede von einer Bildung angesichts des zunehmenden Computer- bzw. Informationstechnikeinsatzes gibt einen Hinweis darauf, daß nicht computertechnologische Entwicklungen und damit einhergehende gesellschaftliche Wandlungsprozesse als Ausgangspunkt für eine Neufassung des Bildungsverständnisses betrachtet werden, sondern daß umgekehrt von der Bildungskategorie her nach der Bildungsrelevanz von Informationstechnik mit Schwerpunkt auf der Computertechnik gefragt wird" (Hutzler 1994: 162).

Um Computertechnik aus Sicht des Bildungsbegriffs zu analysieren bestimmt Hutzler Bildung als personale, politische40, soziale und kulturelle Bildung (Hutzler 1994: 14) und entwickelt für diese Dimensionen Ziele, Aufgaben und Problemaspekte von Bildung angesichts der Verbreitung von Computertechnik. Ihr Leitziel ist ein vernünftiger und selbstbestimmter Umgang mit dem Computer (Hutzler 1995: 163). Dieses Leitziel entwickelt sie aus ihrem Verständnis von Bildung als einem Prozeß, in dem sich das Subjekt im Prozeß der Personalisation, gedacht als Selbstbildung, Sozialisation und Enkulturation, mit Kulturinhalten und Gesellschaft auseinandersetzt (Hutzler 1994: 14). Neben dem Bildungsbegriff verwendet Hutzler als zweiten Grundbegriff ihrer Arbeit den Medienbegriff. Sie bestimmt Medien als technische Geräte, die "Vermittler von Inhalten bzw. Informationen" (Hutzler 1994: 20) sind. Medien werden unter dieser Perspektive als Gegenstände von Bildungsprozessen untersucht (Hutzler 1994: 16).

Mit dieser Wahl der Analyseinstrumente gerät jedoch die Frage, welchen Effekt Computertechnologie auf den Bildungsprozeß hat, aus dem Blick. Das wird sichtbar, wenn die von Hutzler verwendeten Instrumente genauer in den Blick genommen werden.

Bildung wird bestimmt als das "Wechselverhältnis von Mensch und Welt" (Hutzler 1994: 13). Wie ist das für den Wechsel konstitutive Verhältnis gedacht? Die Gegenstände, zwischen denen das Verhältnis besteht, sind Menschen und Welt. Mit Welt ist dabei, insofern Hutzler Bildung als personale, politische und kulturelle Bildung bestimmt, die personale, politische und kulturelle Welt gemeint. Diese Welt ist die Welt menschlicher Lebensäußerungen. Wenn Welt als Welt menschlicher Lebensäußerungen gedacht ist, meint das Verhältnis von Mensch und Welt aber Verhältnisse zwischen Menschen.

Nun gibt es keinen unmittelbaren Austausch zwischen Menschen. Bei jedem Austausch zwischen Menschen muß ein Mittler, d.h. ein Medium, verwendet werden. Das Wechselverhältnis zwischen Menschen kann nicht unvermittelt gedacht werden. Bildung muß also als medial vermitteltes Wechselverhältnis von Mensch und Welt bestimmt werden. Wenn Medien nun nur als Gegenstand von Bildung analysiert werden, geraten wesentliche Fragestellungen aus dem Blick: Vernunft und Selbstbestimmung, die Hutzler als Leitziele für den Umgang mit Medien nennt, können nicht aus dem Bildungsbegriff abgeleitet werden, ohne das verwendete Medium zu berücksichtigen (Meder 1999: 29f.). Wenn Medien Bestandteil des Bildungsprozesses sind, und Vernunft und Selbstbestimmung Ergebnis des Bildungsprozesses sind, werden Vernunft und Selbst mitbestimmt durch das zur Bildung verwendete Medium. Die entscheidende Frage ist dann weder, "was der Mensch in Abgrenzung zum Computer ist", noch "was er mit diesem tut" (Hutzler 1994: 132f.), sondern: wie der Mensch in seinem Denken, Fühlen und Wollen durch Computertechnologie geformt wird, wenn er Computertechnologie als Medium der Bildung verwendet. Als These in bezug auf das Verhältnis des Menschen zu sich selbst formuliert: Das Selbst des Menschen ändert sich mit dem Mittel zur Bildung des Selbst.

Bevor die These in bezug auf die Computertechnologie entwickelt wird, muß gezeigt werden, daß die Bildung des Selbst an Mittel gebunden ist, und daß Computertechnologie als Mittel der Bildung des Selbst geeignet ist. Da die These methodisch durch die Analyse und Anwendung von Begriffen begründet wird, müssen die relevanten Begriffe zuerst identifiziert werden. Indem die These hier auf Selbstbildung bezogen wird, ist als pädagogischer Grundbegriff der Bildungsbegriff heranzuziehen, da der Erziehungsbegriff nach Brezinka (519741990: 75) nur soziale Handlungen bezeichnet und nicht auf das Verhältnis des Menschen zu sich selbst bezogen ist.

Argumente für oder gegen die Möglichkeit der Verwendung von Computertechnik als Mittel der Bildung des Selbst sind über den Vergleich mit anderen Mitteln zu finden. Den Rahmen für den Vergleich liefert der Medienbegriff. Der Medienbegriff umfaßt Computertechnologie und Medien, die anerkannte Mittel der Bildung des Selbst sind: die gesprochene Sprache und die Schriftsprache. Der Medienbegriff erlaubt daher den Vergleich zwischen Computertechnologie und gesprochener Sprache bzw. Schriftsprache.

Für die Untersuchung der Frage, ob die Bildung des Selbst durch Computertechnologie möglich ist, ergeben sich drei Schritte: Zuerst wird der Medienbegriff soweit entwickelt, daß der Medienvergleich möglich ist. Dann wird die Relevanz der gesprochenen Sprache und der Schriftsprache als Mittel der Bildung im Anschluß an Humboldt dargestellt. Dazu genügt es, mit Hilfe einer kurzen Skizze Aspekte herauszuarbeiten, mit denen die Verbindung zum Medienbegriff und damit zur Computertechnologie hergestellt werden kann. Im dritten Schritt wird dann die Möglichkeit der Bildung des Selbst durch Computertechnik im Vergleich zur Schriftsprache gezeigt. Dabei wird zugleich zu zeigen sein, daß Humboldts Bildungsbegriff nicht dazu ausreicht, die Wirkung von Computertechnik auf die Bildung des Selbst zu erfassen.

2.3.1 Medien I

Medien sind zunächst sinnlich erfahrbare, d.h. physische Gegenstände. Nun sind nicht alle physischen Gegenstände auch schon Medien. Allerdings lassen sich die meisten physischen Gegenstände als Medien verwenden. Bilder aus Felswänden, Schnitzereien in Baumrinden, Gesten im Licht etc. sind Medien. Die physischen Gegenstände - Baumrinde, Felswände oder Licht - sind nicht Medien an sich. Ihr Vorhandensein ist die Voraussetzung dafür, daß Menschen sie als Medien verwenden können. Zu einem Medium wird ein physischer Gegenstand erst durch menschliche Tätigkeit. Menschen verwenden physische Gegenstände als Zeichen und machen sie so zu Medien. Physische Gegenstände sind Medien als Mittler menschlicher Kommunikation. Papier an sich ist noch kein Medium, es wird erst zu einem Medium, indem Menschen ihm eine Bedeutung in ihrer Kommunikation, und das heißt auch: Kommunikation mit sich selbst, geben. Medien sind nur in der Wechselwirkung mit dem Menschen, der den Gegenstand zum Medium macht, zu verstehen.

Diese erste Annäherung an den Medienbegriff genügt, um die Frage nach der Möglichkeit von Bildung durch Computertechnologie in Relation zur gesprochenen Sprache zu untersuchen und den Zusammenhang zwischen beidem darzustellen.

2.3.2 Sprache als Medium der Bildung

Der Bildungsgehalt der gesprochenen Sprache steht in Wilhelm von Humboldts Bildungstheorie im Mittelpunkt. Humboldt beschäftigt sich nicht ausdrücklich mit Medien. Ein solcher Oberbegriff ist für ihn nicht erforderlich; schließlich steht im 18. Jahrhundert nicht die Vielfalt von Medien zur Verfügung, mit der wir heute konfrontiert sind. Seine Untersuchungen konzentrieren sich auf die gesprochene und geschriebene Sprache, deren Wert als Bildungsgut er nachweist.41

Humboldt entwickelt seine Bildungstheorie aus der Kritik am wissenschaftlichen Fortschritt seiner Zeit heraus, aus dem er kaum Verbesserungen der Menschheit hervorgehen sieht. Dies führt er auf das unvermittelte Nebeneinander der wissenschaftlichen Disziplinen zurück, das zu einem mangelnden Überblick der Forschenden führt (Humboldt 17931979d: 24). Die Verbindung zwischen den Disziplinen herzustellen sieht er als wesentlichen Schritt zur Verbesserung der Menschheit an.

Die Verbesserung der Menschheit ist für Humboldt die zentrale Aufgabe des Individuums, das den Begriff der Menschheit in sich selbst entfaltet.

"Die letzte Aufgabe unseres Daseyns: dem Begriff der Menschheit in unsrer Person, sowohl während der Zeit unsres Lebens, als auch noch über dasselbe hinaus, durch die Spuren des lebendigen Wirkens, die wir zurücklassen, einen so großen Inhalt, als möglich, zu verschaffen, diese Aufgabe löst sich allein durch die Verknüpfung unsres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung" (Humboldt 17931979d: 25).

Individuen sind nun mit wissenschaftlichen Methoden nicht letztlich zu erkennen. Das Individuum, das die Verbesserung der Menschheit bewerkstelligen soll, ist für Humboldt ein im Kern unabhängiges Subjekt. Daher kann Bildung nicht von außen - etwa durch Ausbildung - erledigt werden. Bildung ist für Humboldt im Kern Selbstbildung:

"Das Verfahren unseres Geistes, besonders in seinen geheimnisvolleren Wirkungen, kann nur durch tiefes Nachdenken und anhaltende Beobachtung seiner selbst ergründet werden" (Humboldt 17931979d: 28).

Daß Bildung letztlich nur Selbstbildung sein kann, meint nicht, daß kein Programm angegeben werden kann, das diese Selbstbildung anregt. Für Humboldt ist etwa das Studium der griechischen Antike gut geeignet, die Selbstbildung im Sinne einer Höherbildung der Menschheit anzuregen (Humboldt 18071979c: 66ff.).

Für Humboldt äußern sich die Verfahren des Geistes42, die in der Selbstbildung zu beobachten sind, als Tätigkeit in der Welt. Er bestimmt das Ich im Verhältnis zur Welt (Humboldt 17931979d: 25). Den Prozeß der Bildung machte er damit an der Wechselwirkung zwischen den sinnlich wahrgenommenen Gegenständen und dem menschlichen Geist fest (Humboldt 17921979a: 5ff.). Dieses Verhältnis, die Wechselwirkung zwischen Welt und Ich, wird für Humboldt erst durch die gesprochene Sprache hergestellt.

"Die Sprache ist das bildende Organ des Gedankens" (Humboldt 18351979b: 90).

Für ihn ist die gesprochene Sprache daher unverzichtbare und untrennbare Voraussetzung für die Bildung des Menschen. Indem gesprochene Sprache die Verbindung schafft, wird die Entwicklung des individuellen Denkens erst ermöglicht.

"Die Thätigkeit der Sinne muß sich mit der inneren Handlung des Geistes synthetisch verbinden, und aus dieser Verbindung reißt sich die Vorstellung los, wird der subjectiven Kraft gegenüber zum Object und kehrt, als solches auf neue wahrgenommen, in jene zurück. Hierzu aber ist die Sprache unentbehrlich" (Humboldt, 18351979b: 91).

Humboldt bezieht sich in seiner Bildungstheorie im wesentlichen auf die gesprochene Sprache, die wegen der physiologischen Trennung von Stimme und Ohr beim Menschen das Aussprechen - also Objektivieren - und gleichzeitige sinnliche und subjektive Wahrnehmen eines Wortes ermöglicht, was er als unhinterfragbare anthropologische Tatsache ansieht (Humboldt, 18351979b: 90). Die physiologische Trennung ermöglicht nach Humboldt eine Steigerung der Objektivität, wenn das gesprochene Wort eines anderen Menschen gehört wird.

Wegen dieses Bezugs auf andere Menschen wird der Mensch als Teil einer Gemeinschaft angesehen, ein Teil, zu dem ihn die gesprochene Sprache macht (Humboldt 18351979b: 92). Gesprochene Sprache ermöglicht bei Humboldt Gemeinschaft und Individualität zugleich. Die Individualität der Menschen wird seiner Auffassung nach in den Veränderungen der gemeinschaftlich gesprochenen Sprache durch Einzelne wahrnehmbar (Humboldt 18351979b: 99). Gesprochene Sprache ist aus Humboldts Sicht zugleich Voraussetzung und Folge von Bildung. Sie stellte die Verbindung von Gegenständen und Denken erst her. Zugleich wird sie durch Bildung erzeugt, weil erst der einzelne Mensch als Subjekt die gesprochene Sprache zum Leben erweckt - eine Analyse, die heute offenbar immer noch zutrifft.

Auch die Schriftsprache liefert einen Beitrag zur Bildung: Sie ermöglicht wie die gesprochene Sprache die Objektivierung des Gedankens im geschriebenen Wort und die gleichzeitige Wahrnehmung durch den Sehsinn, kurz: durch das Lesen eigener Texte. Schriftsprache stellt so eine Verbindung zwischen Gegenständen und Geist her. Gesprochene Sprache und Schriftsprache werden als Bedingung der Möglichkeit von Bildung und zugleich als etwas, woran sich Bildung vollzieht, verstanden. Der Mensch wird dabei nicht nur durch die Schriftsprache gebildet, sondern bildet auch die Schriftsprache immer wieder neu (Humboldt 18351979b: 100).

Diesen zentralen Stellenwert für die Bildung des Menschen hat Schriftsprache auch heute inne. Das ist schon daran sichtbar, daß die Vermittlung von Schriftsprachkompetenz: der Fähigkeit zum Umgang mit Büchern, zur schriftlichen Äußerung, oder auch die Vermittlung von Fremdsprachen und abstrakten Sprachen, wie die der Mathematik, die wichtigste Aufgabe der Schule ist.

Schriftsprache und gesprochene Sprache fallen hier unter den Medienbegriff. Gesprochene Sprache ist bei Humboldt auf Luft und Schallwellen als physikalische Träger der Zeichen bezogen (Humboldt 18351979b: 90). Andere Träger stehen ihm nicht zur Verfügung. Schriftsprache ist auf Papier und Farbe als physikalische Träger bezogen.

Eine Eigenschaft von Papier und Farbe ist hier im Blick auf den Vergleich zur Computertechnologie hervorzuheben: An Papier werden nicht nur die Zeichen des Alphabets, sondern auch die Symbole der Mathematik, Graphiken, Fotografien, Kunstwerke etc. gebunden. Auch griechische oder lateinische und deutsche Buchstaben - die beiden letztgenannten haben sich zu Zeiten Humboldts voneinander unterschieden - sind ohne weiteres auf dem gleichen Papier aufzutragen. Insofern weisen Papier und Farbe als Medium universellen Charakter auf.

Aber nicht nur in der Schriftsprache, auch in der gesprochenen Sprache werden Zeichen an einen Gegenstand - die Luft - gebunden, worauf schon Humboldt hingewiesen hat (Humboldt 18351979b: 90). Nun besteht der Unterschied zwischen gesprochener Sprache und Schriftsprache nicht nur darin, daß gesprochene Sprache als akustisches Medium den Hörsinn und Schriftsprache als visuelles Medium den Sehsinn anspricht. Während gesprochene Sprache den natürlichen Gegenstand Luft verwendet, ist die schriftliche Sprache in der Regel an den artifiziellen Gegenstand Papier gebunden. Das Medium Schriftsprache verwendet wie Computertechnologie keinen natürlichen, sondern einen technischen physikalischen Träger. Es ist in diesem Sinne ein artifizielles Medium. Daher steht im nächsten Abschnitt die Relation zwischen Computertechnologie und Schriftsprache im Mittelpunkt.

Für Humboldt ist die Schriftsprache bildend. Dabei kommt es ihm nicht nur darauf an, daß gelesen wird, sondern darauf, was gelesen wird. Er legt besonderen Wert auf die Lektüre klassischer, vor allem griechischer Schriften (Humboldt 18071979c: 66ff.). Humboldt analysiert jedoch die Differenz zwischen gesprochener Sprache und Schriftsprache nicht, obwohl dieser Schritt mit der Konzentration auf klassische Schriften naheliegend ist: Bildung durch Auseinandersetzung mit klassischen Schriften wird erst durch das technische Medium Papier möglich. Denn klassische Werke für die Bildung zu verwenden, setzt eine Veränderung der zeitlichen Struktur im Übergang von der gesprochenen Sprache zur Schriftsprache voraus. Die zeitliche Struktur der gesprochenen Sprache ist die Gegenwartsorientierung. Das gesprochene Wort existiert nur in dem Moment, in dem es ausgesprochen wird. Das gilt besonders zu Humboldts Zeiten, in denen noch keine Aufzeichnungsverfahren für die gesprochene Sprache zur Verfügung stehen. Eine Auseinandersetzung mit den Reden von Sokrates ist daher nicht möglich, durchaus aber eine mit den Aufzeichnungen von Platon. Das aber wird erst durch das Medium Schriftsprache möglich, in dem Papier und Farbe als physischer Gegenstand verwendet wird.

Es ist festzuhalten: Gesprochene Sprache und Schriftsprache sind für Humboldt Voraussetzung der Bildung. Gesprochene Sprache und Schriftsprache sind Medien. Die Schriftsprache als Medium verwendet in unserem heutigen Kulturkreis ein phonetisches Alphabet als Zeichen und Papier und Farbe als physische Gegenstände. Sie ist ein technisches Medium. Durch die Struktur von Papier und Farbe führt Schriftsprache zu einer Veränderung der Wahrnehmung von Zeit.

2.3.3 Computertechnologie als Medium der Bildung

Nun hat die Vielfalt der technischen Medien seit Humboldt erheblich zugenommen. Zeitungen, Telegrafie, Fotografie, Radio, Kino, Fernsehen, Fotografie, Telefon, Telefax, Computer etc. sind neu entwickelt worden.

Eine übergreifende bildungstheoretische Analyse technischer Medien liegt noch nicht vor. Die medienpädagogische Auseinandersetzung konzentriert sich nach Bachmeier auf die Wirkung der Medien im Kommunikationsprozeß, die empirische Beschreibung ihrer Nutzung oder ihre ideologiekritische Analyse (Bachmeier 1990: 175ff.). Die Relevanz der Computertechnologie für die Bildungstheorie ist daher weitgehend ungeklärt. Damit ist nicht die Beurteilung der Computertechnologie aus Sicht der Bildungstheorie gemeint. Hier geht es um Computertechnologie als Voraussetzung von Bildung. Die Frage ist, ob Bildungstheorie selbst betroffen ist, d.h. überdacht und an veränderte historische Verhältnisse angepaßt werden muß.

Die Relevanz der Computertechnologie für die Bildung des Menschen läßt sich in Relation zum Papier aufzeigen. Computertechnik ist nicht nur Rechenautomat, sondern ein Medium, d.h. ein physischer Gegenstand, den Menschen als Zeichen verwenden oder an ihn Zeichen binden, und der als Mittler menschlicher Kommunikation verwendet wird. Die Buchstaben des Alphabets lassen sich an Computertechnik und an Papier binden. Ähnlich wie beim Papier werden die Texte gespeichert und können auch nach langen Zeiträumen abgerufen werden.

Damit ist die Möglichkeit von Bildung mit Computertechnik als Medium schon gegeben. Denn mit der Aufnahme und Wiedergabe von Schriftsprache bestehen die gleichen Möglichkeiten wie beim Papier: In Anlehnung an Humboldt ist zum einen die Bildung durch das Lesen der eigenen Texte, und zum anderen die Auseinandersetzung mit klassischen Werken auch vermittels Computertechnik möglich.

Aber nicht nur das phonetische Alphabet, auch ein bildliches Alphabet, Grafiken, Fotografien oder Kunstwerke lassen sich an Computertechnik binden. Computertechnik ist wie Papier in der Verwendung als Medium universell. Auch Papier ist kein natürliches Medium, sondern artifizieller Gegenstand, d.h. ein vom Menschen erzeugtes technisches Medium. Diese Ähnlichkeit zum Papier bestätigt die Relevanz der Computertechnologie für Bildungsprozesse, da bildungsrelevante Inhalte auch an Computertechnologie gebunden werden können.

Würde nur diese eng erscheinende Ähnlichkeit bestehen, dann wäre es in der Tat ausreichend, Computertechnologie bildungstheoretisch unter Rückgriff auf vorliegende Begriffe einzuordnen. Nun ist Computertechnologie in ihren universellen Eigenschaften und als technisches Medium dem Papier nur bei oberflächlicher Betrachtung ähnlich. Die Verwendungsmöglichkeiten von Computertechnik gehen über das Papier hinaus: Die Eigenschaft der Universalität von Computertechnologie erlaubt es, alle technischen Medien mit Computertechnik zu simulieren. Vom Radio über den Film bis zum Buch können alle technischen Medien durch Computertechnik simuliert werden. Die technischen Einzelmedien werden, wie Bolz schreibt, in der Computertechnik aufgelöst (Bolz 1994: 10).

Entscheidender ist ein zweiter Aspekt: Die Zeichen werden nicht nur an die Computertechnik gebunden, sie können von Computertechnik auch verändert werden. Denn Computertechnik ist nicht nur technisches Medium wie Papier, das als Zeichenträger verwendet wird. Sie ist darüber hinaus ein informationsverarbeitender Automat, der Zeichen manipulieren kann. Diese als Mechanisierung der Mathematik konzipierte Manipulierbarkeit von Zeichen eröffnet in Verbindung mit den universellen medialen Eigenschaften weitreichende Möglichkeiten der Nutzung von Computertechnik.

Die Universalität als Medium zeigt die Relevanz der Computertechnologie für die Pädagogik. Die Manipulation von Zeichen weist Computertechnologie darüber hinaus als neuartiges Medium aus, das nicht auf der Grundlage von Bildungstheorien analysiert werden kann, die Medien als statischen Zeichenträger betrachten, und den dynamischen Aspekt der Computertechnologie, der die Darstellung interaktiver Superzeichen (vgl. 3.3.2.3) möglicht macht, nicht in den Blick nehmen. Um diese Eigenschaften der Computertechnologie analysieren zu können, muß der Ansatzpunkt eine Analyse der medialen Aspekte der Computertechnologie als neues Problem für Bildung sein.

Die sich zunächst anbietende Methode ist die Analyse der Computertechnologie mit einem Bildungsbegriff. Der Nachteil eines solchen Vorgehens ist, daß anhand der Computertechnologie sichtbar werdende Veränderungen von Bildungsprozessen aus dem Blick geraten, insofern diese Veränderungen ein neues Verständnis von Bildung erforderlich machen. Um dieses Problem zu vermeiden wird hier Computertechnologie als Medium analysiert und Medien in den Kern des Bildungsbegriffs gestellt. Ein für diese Zwecke geeignetes Instrumentarium zu Entwickeln stellt eine zentrale Aufgabe dieser Arbeit dar.

Die skizzierte Methode ist für die pädagogische Auseinandersetzung mit Medien neu und muß daher begründet werden: In Erweiterung und Abgrenzung von Humboldts These der gesprochenen Sprache als Bedingung der Möglichkeit von Bildung werden Medien hier als eine Voraussetzung43 von Bildung betrachtet. Die damit verbundene Stellung von Medien zum Bildungsbegriff wird an einer Forderung von Kübler sichtbar, der im Blick auf die Computertechnologie schreibt:

"Autonome, pädagogisch originäre Lernziele, die eben nicht aus der strukturellen Beschaffenheit und den Bedienungsanforderungen von Apparaten und Programmen deduziert sind, zu formulieren und gar zu begründen, fällt den Verfechtern [des Einsatzes von Computern für die Bildung C.S.] nach wie vor schwer" (Kübler 1991, S.75).

Küblers Forderung einzulösen ist nach dem hier vertretenen Ansatz nicht möglich. Lernziele können ohne Berücksichtigung der strukturellen Beschaffenheit von Apparaten - gemeint sind Computer - nicht operationalisiert werden, da jede Bildung wenigstens ein Medium zur Voraussetzung hat und die meisten Medien technische Medien sind. Wird Küblers Forderung nachgegangen und von der strukturellen Beschaffenheit der Medien abgesehen, dann wird jedes pädagogisch originäre Lernziel unmöglich, weil im Bildungsbegriff als Grundlage originär pädagogischer Lernziele Medien und ihre strukturellen Eigenschaften berücksichtigt werden müssen. Denn Medien sind das Mittlere zwischen dem Menschen und dem, woran sich Bildung vollzieht. Zugleich muß sich der Mensch zum Menschen erst bilden. Das Selbst ist daher abhängig von den Medien, die es zu seiner Hervorbringung verwendet.

Daß es verschiedene Medien gibt, die sich wesentlich voneinander unterscheiden, zeigen die bereits genannten Unterschiede zwischen gesprochener Sprache, Schriftsprache und Computertechnologie. Da Medien eine Voraussetzung von Bildung sind, und Medien wesentlich voneinander unterschieden sind, wird Bildung verändert, wenn im Bildungsprozeß ein anderes Medium verwendet wird. Das ist die Frage, die in der weiteren Arbeit zu verfolgen ist: Wie verändert sich die Bildung des Menschen, wenn Computertechnik als Medium der Bildung verwendet wird?

Die Frage zielt nicht auf eine Analyse der Struktur von Computertechnik in der Absicht, das Aufkommen eines neuen Menschen als Folge des Einsatzes von Computertechnik in pädagogischen Institutionen zu prophezeien. Es geht darum, die Wirkung im Bildungsprozeß aufzuzeigen, weil Bildung nicht an Computertechnik vollzogen werden muß. Die Kenntnis von Auswirkungen der Computertechnik kann den sich Bildenden bei der Wahl des Mediums, an dem Bildung vollzogen wird, hilfreich sein. Die Wahl des Mediums zu unterstützen - darauf zielt die Analyse, und nicht darauf, praktische Pädagogik von vornherein auf ein Medium festzulegen. Der Bildungsbegriff wird dabei nicht umfassend neu bestimmt. Die Absicht in bezug auf den Bildungsbegriff besteht darin, Medien als Element von Bildung am Beispiel der Computertechnologie herauszuarbeiten.

Nachdem die Ausgangsthese begründet und erläutert ist, kann der vom ersten zum zweiten Kapitel erfolgte Perspektivenwechsel wieder aufgegriffen werden. Der Perspektivenwechsel wird am Qualifikationsbegriffs nochmals verdeutlicht. Daraus ergeben sich die Schwerpunkte der weiteren Untersuchung.

In den ersten beiden Abschnitten dieses Kapitels steht der Qualifikationsbegriff im Mittelpunkt. Qualifikationsbedarf wird als Begründung für die pädagogische Relevanz von Computertechnologie diskutiert. Dabei ist deutlich geworden, daß Computertechnik durch empirische Daten nicht als zentrale pädagogische Aufgabe ausgewiesen werden kann. Die Vermittlung von Computerkenntnissen ist als zentrales pädagogisches Ziel eher willkürlich denn begründet. Damit ist nicht gesagt, daß Qualifikationsanforderungen aus dem Kontext der Pädagogik zu ignorieren sind. Die Abkoppelung der Schule vom Berufsleben ist oft und zu recht beklagt worden. Sich nur auf die Qualifikationsanforderungen zurückzuziehen, ist aber nicht nur wegen der fehlenden empirischen Belegbarkeit, sondern auch darum problematisch, weil Pädagogik nicht nur eine Handlungswissenschaft, sondern auch eine Zukunftswissenschaft insofern ist, als daß sie auf ein zukünftiges (Berufs-) Leben vorbereitet, das noch niemand kennt und das sich nicht unmittelbar aus aktuellem Qualifikationsbedarf erschließt - gerade bei einer Technik, die so oft neue Aspekte hervorbringt wie die Computertechnik.

Die Beschränkung auf Qualifikationsanforderungen aus Wirtschaft und Politik ist, wie Kübler zutreffend feststellt, eine Verkürzung der pädagogischen Aufgabe (Kübler 1991: 75) - eine zudem unbegründete Verkürzung, wie hinzuzufügen ist. Aber auch der Rückgriff auf vorhandene Bildungsbegriffe genügt angesichts der - bisher nur angerissenen - Eigenschaften der Computertechnologie nicht. Die Berücksichtigung der Computertechnologie bei der Bestimmung pädagogischer Ziele kann, wenn man die Auswirkungen der Computertechnologie auf Gesellschaft und Individuum bedenkt, nicht mit traditionellen Ansätzen erfolgen. Vielmehr wird, wie Rolff in bezug auf die Neuformation der Informationsgesellschaft feststellt, eine Neubestimmung des Bildungsauftrags erforderlich (Rolff 1988: 39).

Der Schwerpunkt der pädagogischen Auseinandersetzung mit der Computertechnologie ist also nicht auf eine empirische Erhebung zur Begründung der pädagogischen Relevanz zu setzen. Statt dessen ist Computertechnologie bildungstheoretisch zu analysieren. Schon die Darstellung der didaktischen Möglichkeiten zeigt, daß sich die Auseinandersetzung mit der Computertechnologie aus pädagogischen Gründen vor allem wegen der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten lohnt. Zentral wird die Problematik aus der Bildungsperspektive, weil damit die Zielbestimmung der Pädagogik verbunden ist, die Grundlage der didaktischen Inhalts-, Methoden- und Medienwahl ist. Wo bestehen nun Ansatzpunkte für eine pädagogische Auseinandersetzung mit der Computertechnologie, die Schwerpunkte der bildungstheoretischen Analyse sein sollten?

Wenig geeignet ist dazu die Oberfläche des Gegenstands. Das wird im Vergleich zum Papier deutlich: Auch bei Papier und Farbe sind als Gegenstand allein nicht zur Bildung geeignet. Erst die durch Menschen an Papier gebundenen Zeichen machen Papier und Farbe zum Medium, und erst als Medium werden sie zum Bildungsgut. Das ist auch bei gesprochener Sprache so, deren Bildungsgehalt zwar die Luft als Träger voraussetzt, der aber nicht von der Luft alleine ausgeht. Auch die Oberfläche der Computertechnik ist aus bildungstheoretischer Sicht trivial. Sie bietet weder den Sinnen noch dem Geist bildende Möglichkeiten.

Einer bildungstheoretischen Analyse wird Computertechnologie zugänglich, wenn sie als Medium in den Blick genommen wird. Damit ist die Struktur des Gegenstands angesprochen. Die Analyse der Beschaffenheit des Gegenstandes alleine genügt aber einer bildungstheoretischen Untersuchung nicht. Hieraus ergeben sich, wie Kübler bemerkt, allenfalls Bedienungsanforderungen, für die Qualifikationen zu vermitteln sind (Kübler 1991: 75).

Um den Effekt in Bildungsprozessen zu bestimmen, ist die Wechselwirkung zwischen Mensch und Medium, die schon Humboldt für die gesprochene Sprache in den Mittelpunkt gestellt hat, zu analysieren. Dazu kann nicht auf Humboldts Bildungsbegriff zurückgegriffen werden, denn in diesem ist die Wechselwirkung vom Menschen mit den bildenden Medien gesprochene Sprache und Schriftsprache nebst der Struktur dieser Medien implizit vorausgesetzt. Wenn Bildung sich an einem Gegenstand mit neuen Eigenschaften vollzieht, dann sind auch die Folgen für den Menschen zu berücksichtigen.

Diese Problemstellung ergibt sich auch aus dem hier entwickelten Medienbegriff. Gegenstände werden zu Medien erst dadurch, daß ein Mensch sie als solche verwendet. Ohne Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen dem Menschen, dem als Medium verwendeten Gegenstand und den gesetzten Zeichen greift daher eine bildungstheoretische Analyse eines Mediums immer zu kurz.

Dabei wird hier die Analyse der Computertechnologie als Medium in den Mittelpunkt gestellt. Humboldt hat deutlich gemacht, daß nicht nur Sprache nicht ohne Subjekte, sondern vor allem das Subjekt nicht ohne Sprache denkbar ist. Insofern ist der Subjektbegriff bei Humboldt auf der Grundlage der Sprache, nicht die Sprache auf der Grundlage des Subjektbegriffs bestimmt, wobei die wechselseitige Durchdringung von Sprache und Subjekt im Mittelpunkt steht.

Wenn nun das Medium, an dem sich Bildung vollzieht, ein anderes wird, wenn also nicht mehr das gesprochene Wort in der Luft, sondern das phonetische Alphabet auf dem Papier oder das in der Computertechnologie gesetzte Zeichen das Gegenüber des Subjekts ist, dann bleibt zwar die grundsätzliche Möglichkeit der Bildung bestehen. Schon der Übergang von der gesprochenen Sprache zur Schriftsprache mit einem phonetischen Alphabet ist aber keineswegs folgenlos. Er verändert die Struktur der Gesellschaft, die kulturellen Formen und auch die Bahn der Bildung des Subjekts (McLuhan 19641992: 100ff.). Dabei spielt der Inhalt des Mediums keine Rolle, wohl aber das medial gebildete Verhältnis. Wenn also der Wechsel des Mediums analysiert wird, muß das jeweilige Verhältnis des Menschen zu sich selbst, zu anderen oder zur Welt (Meder 1999: 25f.) konstant gedacht werden. Ein Begriff von Bildung ergibt sich dabei erst, wenn das Subjekt in Relation zum Medium gesehen wird, wenn die Strukturen und Wirkungen des Mediums in die bildungstheoretische Analyse einbezogen werden.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Relevanz von Computertechnologie für die wissenschaftliche Pädagogik ergibt sich nicht aus dem Kontext der Pädagogik. Es ist bildungstheoretisch zu fragen, wie Bildung mit dem Medium Computertechnik vollzogen wird. Ziel ist es, eine begründete Empfehlung über den Einsatz von Computertechnik in der praktischen Pädagogik auszusprechen.

3 Computer als Medium

Medien formen Menschen. Diese knappe Formel faßt die in den Kapiteln 1.3 und 1.3.3 entwickelte Ausgangsthese der weiteren Untersuchung zusammen. Die Verhältnisse zu sich selbst, zu anderen und zur Welt, die Menschen im Bildungsprozeß herausbilden, sind medial vermittelt. Insofern werden Medien hier als integraler Bestandteil des Bildungsprozesses begriffen. Vernunft und Selbst sind mitbestimmt durch das zur Bildung verwendete Medium. Die sich daraus ergebende Frage ist: Wie wird der Mensch in seinem Denken, Fühlen und Wollen durch Computertechnologie geformt, wenn er Computertechnik als Medium der Bildung verwendet?

Um nun die Computertechnologie als Medium der Bildung darzustellen, ist der bisher nur provisorisch eingeführte Medienbegriff zu präzisieren. Medien bilden kein neues pädagogisches Problem. Das wird an der Bedeutung der Sprache bei Humboldt schon deutlich und reicht bis zur aktuellen Medienpädagogik. Erste Anfänge der pädagogischen Auseinandersetzung mit Medien sind bis zu Comenius zurückzuverfolgen, der 1657 in seiner 'Opera Didacta Omnia' die Ordnung der Schule in Analogie zum Buchdruck vornimmt (Comenius 16571993: 215-221). Weitere Medien - z.B. Zeitungen (Roloff 1917) - werden von der Pädagogik bald nach ihrem Aufkommen in den Blick genommen.

Der Begriff 'Medium' rückt in der Mitte unseres Jahrhunderts in den Fokus der pädagogischen Diskussion. Dafür gibt es zwei Anlässe: Zum einen wird die große Verbreitung von Radio und Fernsehen und der damit wachsende Einfluß der Massenmedien auf die praktische Pädagogik untersucht. Zum anderen bekommen die Medien in der Didaktik der Berliner Schule einen eigenen Stellenwert (Heimann 1976, Otto 1995). Seitdem gibt vor allem die technische Entwicklung der Medien (Kabelfernsehen, Videospiele etc.) immer wieder Anlaß zur pädagogischen Debatte.

Dennoch hat die wissenschaftliche Pädagogik bis auf die von Meder (1999: 29f.) vorgelegte Bestimmung keinen Begriff von Medien entwickelt, der für die zahlreichen Ansätze eine gemeinsame Gültigkeit beanspruchen kann, wie die Übersichten von Faulstich (1994) oder Schorb (1995) zeigen. Dies ist für eine systematische Darstellung von Nachteil, bietet aber auch die Chance zur Reflexion (Petrat 1976: 296). Reflexion ist eine der Hauptaufgaben von Wissenschaft, weshalb es - auch angesichts des schnellen Wandels der 'Medienlandschaft' - sinnvoll ist, die Chance zur Reflexion nicht durch eine voreilige Fixierung zu verstellen, sondern den Nachteil der geringeren Präzision eines offenen Begriffs in Kauf zu nehmen. Um Medien wissenschaftlich zu reflektieren, ist aber in jedem Fall ein Begriff von Medien erforderlich. Da der Medienbegriff den Standpunkt der Untersuchung bestimmt, ist eine lokale Klarstellung unverzichtbar. Der Medienbegriff muß expliziert werden. Hier wird der Medienbegriff daher nicht mit dem Anspruch allgemeiner Geltung, sondern zum Zwecke einer klaren Verwendung in dieser Arbeit entwickelt. Dennoch stellt die Bestimmung des Medienbegriffs eine Kernaufgabe für diese Arbeit dar, da der Medienbegriff das zentrale Instrument zur Darstellung der Wirkung von Medien im Bildungsprozeß ist.

3.1 Medien II

Bevor Computertechnik als Medium der Bildung analysiert werden kann, muß der Medienbegriff genauer bestimmt wird. Da Medien integraler Bestandteil von Bildung sind, wird so zugleich die Grundlage für das Verständnis der medialen Dimension von Bildung gelegt.

Medien sind von Menschen als Zeichen verwendete physikalische Gegenstände. Das heißt, daß ein physikalischer Gegenstand durch menschliche Tätigkeit zu einem Medium wird. Die Tätigkeit, die einen physikalischen Gegenstand zu einem Medium macht, ist die Verwendung des Gegenstands als Zeichen. Insofern sind Medien Zeichenräume oder, anders gesagt, semiotische Räume. Dieser Medienbegriff ist angelehnt an die Definition von Gerhardus:

"Medium (semiotisch) [..], ein Gegenstand, der für Zeichen [..] nicht hinsichtlich ihres schematischen Charakters, sondern hinsichtlich ihrer Aktualisierung (Realisierung) konstitutiv ist" (Gerhardus 1984: 829).

Das Medium wird von Gerhardus als Mittler zwischen dem Trägermaterial und der semiotischen Form einerseits sowie der semiotischen Form und den Rezeptoren andererseits bestimmt. Insofern erst das Umgehen mit Material ein Material als solches ausweist, ist dabei auch der handelnde Mensch berücksichtigt (Gerhardus 1984: 829).

In dieser Arbeit soll keine Anthropologie entwickelt werden. Focussiert wird auf die mediale Dimension von Bildung. Der Mensch wird damit keineswegs aus der Analyse ausgeschlossen. Es ist der Mensch, der sich bildet und der dabei Medien verwendet. Der Mensch bleibt Bezugspunkt der Analyse, wenn im folgenden Medien in den Mittelpunkt gestellt werden. Mit dem Focus auf der medialen Dimension von Bildung gilt es, zunächst die physikalische und die semiotische Dimension von Medien zu bestimmen.

3.1.1 Die physikalische Dimension von Medien

Ein Element von Medien ist der physikalische Gegenstand. Der physikalischen Dimension von Medien gibt McLuhan 1964 einen zentralen Stellenwert in seiner Medienanalyse. Mit dem Anschluß an McLuhans Analyse wird die physikalische Dimension als elementarer Bestandteil des Medienbegriffs ausgewiesen.

McLuhan setzt mit der These an, daß jedes Medium ein anderes Medium zum Inhalt hat und deswegen die Struktur des Mediums, und nicht der Inhalt des Mediums, der entscheidende Ansatzpunkt ist:

"Unsere übliche Antwort, mit der wir alle Medien abtun, nämlich, daß es darauf ankomme, wie wir sie verwenden, ist die befangene Haltung des technischen Dummkopfs. Denn der 'Inhalt' des Mediums ist mit dem saftigen Stück Fleisch vergleichbar, das der Einbrecher mit sich führt, um die Aufmerksamkeit des Wachhundes abzulenken. Die Wirkung des Mediums wird gerade deswegen so stark und eindringlich, weil es wieder ein Medium zum 'Inhalt' hat" (McLuhan 19641992: 29).

Er führt eine Reihe von Beispielen dafür an, daß der Inhalt eines Mediums ein anderes Medium ist: Der Inhalt der Schrift ist die Sprache, der Druck ist Inhalt des Telegrafen, der Inhalt des Films ist ein Schauspiel, ein Roman oder eine Oper etc. (McLuhan 19641992: 18).

Wenn ein erstes Medium zum Inhalt eines zweiten Mediums wird, dann verändert das den Inhalt des ersten Mediums. Der Inhalt ist zwar das, was scheinbar im Vordergrund steht. Die Wirkung wird aber maßgeblich durch den als Medium verwendeten physikalischen Gegenstand bestimmt:

"Denn die 'Botschaft' jedes Mediums oder jeder Technik ist die Veränderung des Maßstabs, Tempos oder Schemas, die es der Situation des Menschen bringt" (McLuhan 19641992: 18).

So entzieht sich z.B. das elektrische Licht der Betrachtung als Kommunikationsmedium, weil es vordergründig ohne Inhalt ist. Nach McLuhan wird das Licht erst dann als Medium wahrgenommen, wenn es Bilder und Buchstaben abbildet. Diese Struktur, die McLuhan allen Medien zuschreibt, läßt sich begreifen als Raum, aus dem Teile als Zeichen herausgeschnitten werden. Das, worauf es eigentlich ankommt, die Wesensart eines Mediums, die Veränderung von Raum und Zeit, die Konstitution von Zeichen, die dezentralisierende Wirkung durch ubiquitäre Verfügbarkeit etc. geraten so aus dem Blick (McLuhan 19641992: 19). Diese Wesensart wird erst sichtbar, wenn man von den vermeintlichen Inhalten abstrahiert, und von dieser Wesensart geht die eigentliche Wirkung aus.

Der Begriff 'Wesensart', den McLuhan benutzt, macht darauf aufmerksam, daß seine Methode in der Anlage phänomenologisch ist. Er konzentriert sich nicht auf quantitative empirische Fragen, etwa die Verbreitung von Medien, sondern analysiert die Wirkung des Wesens der Medien, des Phänomens, auf die menschlichen Sinne und die menschliche Kultur.

Die physikalische Dimension läßt sich mit Hilfe von McLuhans Wort der 'Botschaft des Mediums' eingrenzen. Die Botschaft ist die Veränderung, die das Medium der Lebenssituation der Menschen bringt. McLuhan analysiert, wovon diese Botschaft des Mediums ausgeht. Er betont dabei immer wieder die Geschwindigkeit als eine Botschaft von Medien; insbesondere analysiert er die Beschleunigung, die Medien durch Elektrizität erfahren. Die Geschwindigkeit ist eine Eigenschaft der Medien, die durch die physikalische Dimension bestimmt wird: Während es mühsam ist, einen Text, oder allgemeiner: ein Zeichen, das an die physikalischen Gegenstände Papier und Farbe gebunden ist, auf nahezu Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, stellt dies mit demselben Zeichen, das in der physikalischen Dimension an Kupferkabel und Elektrizität gebunden ist, kein Problem dar.

Die physikalische Dimension von Medien ist die Struktur der physikalischen Gegenstände, die in Medien als Träger und Horizont der Zeichen verwendet werden. Physikalische Gegenstände, die als Träger von Zeichen verwendet werden, sind z.B. die Luft, Tonbänder, Felsblöcke oder Computertechnik. Im Gebrauch des Gegenstands als Medium werden Teile des Gegenstands hervorgehoben. Diese Hervorhebungen werden in der semiotischen Dimension als Zeichen verwendet.

Über McLuhan hinausgehend ist die physikalische Dimension von Medien in natürliche und technische physikalische Gegenstände zu unterscheiden.

- Natürliche Gegenstände sind solche, die nicht vom Menschen zu einem bestimmten Zweck geschaffen werden, z.B. die Luft, das Sonnenlicht oder der menschliche Körper. Die Verwendung von Medien mit natürlicher physikalischer Dimension kennzeichnet die unmittelbare Kommunikation zwischen Menschen, die durch die organisch determinierte Sinnlichkeit des des Menschen bestimmt ist.

- Technische Gegenstände werden von Menschen zu einem bestimmten - hier: medialen - Zweck konstruiert, z.B. ein Tonband oder das Papier. Sie sind artifiziell, und ihre Verwendung kennzeichnet die mittelbare Kommunikation zwischen Menschen.

Da jede Kommunikation medial vermittelt ist, macht es keinen Sinn, zwischen natürlicher und medialer Kommunikation zu unterscheiden.44 Zu unterscheiden ist zwischen natürlichen und artifiziellen Medien der Kommunikation.

Von der physikalischen Struktur geht das aus, was McLuhan als die 'Botschaft des Mediums' bezeichnet. Die Botschaft wirkt auf die Zeichen und Bedeutungen. Das ist in jedem Medium der Fall, weil es keine Medien ohne physikalische Struktur gibt. Die Wirkung der physikalischen Struktur besteht darin, daß sie die Nutzung des Mediums begrenzt und kanalisiert. Die physikalische Struktur determiniert die Verwendung von Medien nicht; sie begrenzt den Raum, der mit Zeichen gefüllt werden kann.

Die Grenzen der physikalischen Struktur von Medien werden mit Zeichen erfaßt. Die physikalische Struktur wird dabei nicht unmittelbar erkannt. Denn die Abbildung der physikalischen Struktur auf Zeichen erfordert einen Mittler. Die Mittler zwischen der physikalischen Struktur und den Zeichen, mit denen sie abgebildet wird, sind die menschlichen Sinne. Die sinnliche Wahrnehmung stellt, wie Meder schreibt, eine notwendige Bedingung für die Verwendung von Gegenstände als Zeichen dar (Meder 1996: 9). Die sinnliche Wahrnehmung stellt die Verbindung zwischen der physikalischen und der semiotischen Dimension von Medien her. Umgekehrt ist Sinnlichkeit auch die Form, in der Menschen Gegenstände produzieren, also von der semiotischen zur physikalischen Dimension übergehen. Die sinnliche Wahrnehmung markiert einen Bruch zwischen der physikalischen und der semiotischen Struktur von Medien.45 Das heißt: Die physikalische Struktur eines Mediums ist die Beschreibung der physikalischen Struktur mit Zeichen, und diese Beschreibung ist immer unvollständig. Daß die Beschreibung immer unvollständig ist, weist auf einen Spielraum im Gebrauch der physikalischen Struktur hin. Es bleibt jederzeit möglich, neue Nutzungsformen einzuführen, die vorher bestehende Grenzen der physikalischen Dimension verschieben. Kurz: Die Grenzen der physikalischen Dimension sind global dynamisch und lokal statisch.

Physikalische Gegenstände werden zu Medien, indem Menschen Zeichen an sie binden. Im Verhältnis von Menschen, semiotischer Dimension und physikalischen Gegenständen werden Zeichen und Menschen durch die physikalische Dimension begrenzt. In bezug auf Zeichen wird die Begrenzung durch die physikalische Struktur im nächsten Abschnitt erörtert. Menschen werden in ihrem Gebrauch von Medien durch die physikalische Struktur eingeschränkt, insofern die menschliche Wahrnehmung durch die physikalische Struktur des Mediums bestimmt ist.

Damit physikalische Gegenstände zu Medien werden können, müssen sie sinnlich erfahrbar sein. Die physikalische Struktur muß die menschlichen Sinne ansprechen.

"Damit ein Medium überhaupt vermitteln kann, muß es sinnlich bestimmt sein. Die Sinnlichkeit ist ja die Form, in der wir chemo - physikalische Größen produzieren und rezipieren" (Meder 1996: 57).

Anders gesagt: Nicht wahrgenommene physikalische Strukturen sind keine Medien. Nun ist Elektrizität, nach McLuhan ein wesentliches Element der physikalischen Struktur vieler aktueller Medien, nicht sinnlich wahrnehmbar. McLuhan berücksichtigt dies, indem er Elektrizität im Unterschied zum Licht (McLuhan 19641992: 19) nicht als Medium, sondern als Technik bezeichnet.

Die Unterscheidung zwischen Licht und Elektrizität wird von McLuhan nicht expliziert. Um diesen im Blick auf die Computertechnik relevanten Unterschied klarer in den Blick nehmen zu können, wird hier zwischen direkt und indirekt wahrnehmbaren Elementen der physikalischen Struktur von Medien unterschieden.

- Direkt wahrnehmbare Elemente der physikalischen Struktur von Medien sprechen auf der physikalischen Ebene die menschlichen Sinne an; sie sind durch die physikalische Struktur der menschlichen Sinne bestimmt.

- Indirekt wahrnehmbare Elemente der physikalischen Struktur von Medien sprechen auf der physikalischen Ebene die menschlichen Sinne nicht an. Mittelbar wahrnehmbare Elemente müssen vor der Wahrnehmung in unmittelbar wahrnehmbare Elemente transformiert werden.

Das wichtigste indirekt wahrnehmbare Element der physikalischen Struktur von Medien ist bei McLuhan Elektrizität. Elektrizität können Menschen zwar mit dem Tastsinn unmittelbar sinnlich erfahren. McLuhan bezieht die Veränderung durch Elektrizität aber auf Medien, die mit dem Hör- und Sehsinn wahrgenommen werden, z.B. in seiner Analyse des Telefons (McLuhan 19641992: 305ff.). Für Hör- und Sehsinn ist Elektrizität nicht unmittelbar wahrnehmbar. Elektrizität als Element der physikalischen Struktur des Telefons muß daher der Wahrnehmung durch den Hörsinn erst zugänglich gemacht werden. Der Telefonapparat leistet die dazu notwendige Transformation von der Luft in die Elektrizität. Damit ist eine Struktur bezeichnet, auf die sich McLuhans Satz vom anderen Medium als Inhalt des Mediums anwenden läßt (McLuhan 19641992: 18).

Durch die Verwendung indirekter Elemente in der physikalischen Struktur von Medien wird die Sender - Kanal - Empfänger- Struktur von Kommunikation (Shannon u.a. 19481976), in der die physikalische Dimension des Mediums der Kanal ist, erweitert zu einer Sender - Kanal - Kanal - ... - Kanal - Kanal - Empfänger- Struktur. Ob Übergänge zwischen verschiedenen Kanälen möglich sind, hängt von der physikalischen Struktur der Medien ab. Elektromagnetische Wellen lassen sich mit Papier nicht hörbar machen, mit einem Radio schon.

McLuhans Analyse der 'magischen Kanäle', wie Medien im Titel der deutschen Übersetzung seines Hauptwerks bezeichnet werden, ist in der Pädagogik bisher unterschiedlich aufgefaßt worden. Während Bachmair ihn zu den Vertretern einer kulturkritischen Richtung zählt (Bachmair u.a. 1990: 179), gilt er Fröhlich als Repräsentant einer optimistischen Technologiegläubigkeit (Fröhlich 1982: 30). An anderer Stelle wird nur die These der allseitig verfügbaren Information aufgegriffen - so z.B. bei Knoll (1976: 88) oder Greenfield (1987: 42) -, nicht aber McLuhans Medienbegriff. Seine These der Wirkung der Botschaft der Medien wird in der Pädagogik von der Medienwirkungsforschung (Frank 1988: 215f.) in den Blick genommen, wobei die weitgehende Beschränkung auf empirische Verfahren die Reichweite von McLuhans Analysen verkennt. Die volle Tragweite wird erst in jüngster Zeit von Meder (1987a: 35ff.; 1995) und im Anschluß daran von Fromme (1995: 4ff.) wieder aufgegriffen.

Die widersprüchliche Rezeption ist unter anderem darauf zurückzuführen, daß McLuhan mit dem Medienbegriff zwar geschickt operiert, ihn aber nicht systematisch expliziert hat. Elliott äußert sogar die Vermutung, daß die Ideen sich überhaupt nicht systematisieren lassen (Elliott 19661969: 69). Diesen Umstand hat Meder aufgegriffen, dem zuzustimmen ist, wenn er bemerkt, daß "aus seinen [McLuhans, C.S.] Schriften mehr herauszuholen ist, wenn man sie systematisch aufmotzt" (Meder 1995a: 8), und der McLuhan, indem er die Systematisierung nachreicht, gegen die Kritik von Enzensberger (1970: 177) stark macht, in der diese theoretische Schwäche McLuhans kritisiert wird. Meder verwendet dazu einen Kunstgriff, indem er seine Analyse nicht direkt, sondern indirekt an Mcluhan anschließt und die Sytematisierung in ein medienpädagogisches Analyseschema und nicht in ein System münden läßt (Meder 1995a: 16). Damit bleibt McLuhans Idee der Systementwicklung als Strukturanalyse (McLuhan 19671969: 353) trotz der vorgenommenen Systematisierung erhalten. Meder greift dazu auch auf Wittgenstein und Plessner zurück und geht damit über McLuhan hinaus.

Die bisher vorliegenden Interpretationen von McLuhans Arbeiten schöpfen das Potential seiner Schriften im Blick auf pädagogische Fragestellungen nicht aus. Die folgenden Abschnitte sollen daher einen Beitrag dazu leisten, McLuhans Ansatz für eine pädagogische Medienanalyse fruchtbar zu machen.

Wohl auch wegen der gewollt unsystematischen Argumentation ist es mühsam, aus McLuhans radikal formulierten und gelegentlich unpräzise begründeten Argumentationen den Kern herauszuarbeiten. Die Radikalität McLuhans äußert sich in der Einseitigkeit, mit der er die Botschaft von Medien betont und die Bedeutung der Inhalte abstreitet (Behar 19661969: 260; Liebermann 19671969: 264).

Gegen McLuhans Ansatz ist die hier vertretene Position in zweierlei Hinsicht abgegrenzt:

- Es ist richtig, bei der Medienanalyse von den Inhalten abzusehen. Medienanalyse und Inhaltsanalyse müssen sorgfältig auseinander gehalten werden; sich in der Absicht einer Medienanalyse auf die Inhalte zu konzentrieren hieße, das Ziel der Analyse zu verfehlen. Damit ist hier aber keine Geringschätzung von Inhalten im McLuhanschen Sinne verbunden. Die Konzentration auf Medien ist lediglich mit dem Programm dieser Arbeit begründet. Dafür bieten McLuhans Ideen eine fundierte Grundlage. Und seiner These von der Irrelevanz der Inhalte ist insofern zuzustimmen, als die physikalische Dimension von Medien den Rahmen bildet, in dem die Inhalte präsentiert werden.

- Medien werden erst durch Menschen zu Medien gemacht. Alle Medien, die McLuhan diskutiert, sind technische Medien, d.h. vom Menschen geschaffene Medien. Dieser Umstand wird von ihm nicht reflektiert. McLuhans Analyse kennt keine Tätigkeit des menschlichen Selbst. Er nimmt nur die Wirkung der Medien auf den Menschen in den Blick und vernachlässigt die Produzentinnen und Produzenten sowie den gesellschaftlichen Kontext. Damit wird kritisches Potential vergeben. Die Frage: 'Warum sind Medien so und nicht anders entstanden'? kann McLuhan nicht mehr stellen, wenn er die Existenz von Medien unhinterfragt voraussetzt. Auch wenn die gesellschaftskritische Reflexion hier nicht im Mittelpunkt steht, kann dieser Aspekt der Medienanalyse nicht einfach ausgeschlossen werden.46

McLuhan ist oftmals nicht nur radikal, sondern auch unpräzise. Die mangelnde Präzision äußert sich nach Boulding (19651969: 66) in nicht passenden empirischen Beispielen, von denen einige nach Dwight (19671969: 244) sogar fehlerhaft sind. Wenn McLuhan z.B. über die hier zur Diskussion stehende Computertechnologie schreibt:

"Heute stellen uns Elektronengehirne die Möglichkeit in Aussicht, jede beliebige Chiffre oder Sprache in jede andere Chiffre oder Sprache sofort zu übertragen. Kurz, das Elektronengehirn verheißt uns über die Technik das Pfingstwunder weltweiter Verständigung und Einheit" (McLuhan 19641992: 99),

dann macht er damit, wie Ricks treffend bemerkt, die Computertechnologie zum heiligen Geist (Ricks 19671969: 252).47 Die Möglichkeit von Übersetzungscomputern hat McLuhan aber überschätzt und wohl angesichts der faktisch begrenzten Universalität des digitalen Codes die Notwendigkeit und Begrenztheit der algorithmischen Formulierung von Übersetzungsverfahren übersehen.

Trotz der empirischen Schwächen und der aus traditioneller wissenschaftlicher Sicht ungewöhnlichen Rhetorik liefert McLuhan - da sind sich die Kritiker einig - faszinierende Ideen und Konzepte. Dies, und die Unabgeschlossenheit der pädagogischen Auseinandersetzung mit McLuhan, macht es interessant, seine Thesen hier aufzugreifen. Zudem sind McLuhans Analysen in bezug auf die Erfassung der physikalischen Dimension von Medien unerreicht.

Die physikalische Dimension von Medien bezeichnet den als Zeichenträger verwendeten physikalischen Gegenstand. Die physikalische Dimension ist eine Grenze des Mediums. An der physikalischen Dimension werden direkte und indirekte sowie natürliche und artifizielle Medien unterschieden.

3.1.2 Die semiotische Dimension von Medien

Ein physikalischer Gegenstand ist kein Medium. Erst die menschliche Tätigkeit läßt ein Medium entstehen, indem die physikalische Dimension mit der semiotischen Dimension verbunden wird. Die semiotische Dimension von Medien wird nun in den Blick genommen.

Die semiotische Dimension von Medien wird hier im Anschluß an die von Morris 1938 vorlegte Zeichentheorie bestimmt. Morris Theorie wird, wie Knilli berichtet, von zahlreichen Autorinnen und Autoren als Grundlage für die Medienanalyse verwendet (Knilli 1972: 123f.). Daher ist es ausichtsreich, Morris Theorie als Grundlage für den Medienbegriff zu verwenden. Dieses Vorgehen hat sich in der anschließenden Medienanalyse zu bewähren.

Der Zeichenbegriff wird von Morris weit gefaßt. Nicht nur die gesprochene Sprache und die Schriftsprache, auch die Kunst, die medizinische Diagnose etc. fällt für ihn unter den Zeichenbegriff.

"Die menschliche Zivilisation hängt von Zeichen und Zeichensystemen ab, und der menschliche Geist ist nicht zu trennen von Zeichenprozessen - falls Geist nicht überhaupt mit solchen Prozessen identifiziert werden muß" (Morris 19381972: 17).

Nun kann Denken mit Zeichenprozessen identifiziert werden. Cramer schreibt in seiner 'Grundlegung einer Theorie des Geistes':

"Denken ist allemal in Sprache denken" (Cramer 1954: 70)48.

Denken, d.h. Sprache, ist, wie Cramer überzeugend darlegt, ein Moment des Geistes (Cramer 1954: 86). Da es weitere Momente gibt, kann Geist jedoch nicht mit Sprache identifiziert werden. Unter der Annahme, daß dies für Zeichenprozesse ebenso wie für Sprache gilt, ist Geist nicht mit Zeichenprozessen zu identifizieren. Daß Denken allemal in Sprache denken ist, zeigt aber den hohen Stellenwert von Zeichenprozessen für den Geist. Die Bedeutung von Zeichen und Zeichensystemen für die menschliche Zivilisation ist kaum zu unterschätzen.

Zeichen sind nach Morris an Prozessen beteiligte Gegenstände.

"Wie gezeigt werden wird, sind Zeichen nichts anderes als an bestimmten Funktionsprozessen beteiligte Gegenstände der Art, wie sie die Biologie und die Naturwissenschaften untersuchen" (Morris 19381972: 18).

Den Prozeß, in dem Gegenstände als Zeichen fungieren, bezeichnet Morris als Semiose. Die Semiose bestimmt er durch vier Faktoren:

- Den Zeichenträger, der als Zeichen wirkt,

- das Designat, worauf das Zeichen referiert,

- den Interpretant, durch den die betreffende Sache irgendeiner Rezipientin oder irgendeinem Rezipienten als Zeichen erscheint,

- und die Interpretin bzw. den Interpret (Morris 19381972: 20).

Die Zeichen sind nach Morris unabhängig vom Zeichenträger. Schon der allgemeine Charakter z.B. der Buchstaben (Morris 19381972: 79) verdeutlicht dies: Zunächst ist jedes Zeichen an einen Zeichenträger gebunden, aber nicht jedes Zeichen referiert auf einen real existierenden Gegenstand (Morris 19381972: 22).

Daher ist es möglich, den Zeichenträger auszutauschen, ohne daß sich eine Änderung des Zeichenprozesses einstellt. So kann z.B. die Aussprache des Wortes Haus mit verschiedenen Betonungen erfolgen, oder die Schriftgröße in einem Text verändert werden, ohne daß der Zeichenprozeß sich ändert. Wann Änderungen eintreten, ist nach Morris im Einzelfall empirisch zu bestimmen (Morris 19381972: 76). Daß der jeweilige Zeichenträger ausgetauscht werden kann, zeigt, daß Zeichenträger für den Zeichenprozeß weitgehend irrelevant sind.

"Genau gesprochen ist der Zeichenträger nur derjenige Aspekt des sichtbaren Zeichenträgers, kraft dessen der Zeichenprozeß stattfindet; der Rest ist semiotisch irrelevant" (Morris 19381972: 76f.).

In der Semiotik unterscheidet Morris die syntaktische, die semantische und die pragmatische Dimension; eine Einteilung, die auf Pierce zurückgeht. Die syntaktische Dimension ist die Beziehung der Zeichen untereinander, die semantische Dimension ist die Beziehung zwischen den Zeichen und den Gegenständen, auf die sie anwendbar sind und die pragmatische Dimension ist die Beziehung zwischen dem Zeichen und der Interpretin bzw. dem Interpret (Morris 19381972: 24f.).

Der pragmatische Aspekt ist im Medienbegriff berücksichtigt, da erst Menschen Medien zu Medien machen. Die Beziehung zwischen dem Zeichen und der Interpretin bzw. dem Interpret fällt unter diesen dritten Aspekt des Medienbegriffs, den handelnden Menschen. Die semiotische Dimension von Medien umfaßt daher den syntaktischen und den semantischen Aspekt von Morris Zeichenbegriff und hat einen geringeren Umfang als der Zeichenbegriff.

Die semantische Dimension, die Beziehung zwischen Zeichen und Gegenstand, wird von Morris - neben seiner hier nicht relevanten erkenntnistheoretischen Darstellung - durch semantische Regeln gekennzeichnet:

"Der Ausdruck 'semantische Regel' bezeichnet in der Semiotik Regeln, die die Bedingungen angeben, unter denen ein Zeichen auf einen Gegenstand oder einen Sachverhalt anwendbar ist" (Morris 19381972: 44).

Diese Regeln werden normalerweise nicht ausdrücklich formuliert. Sie zeigen sich in Verhaltensgewohnheiten. Bestimmte Zeichenkombinationen werden benutzt, aus anderen abgeleitet oder auf Sachverhalte angewendet. Die semantischen Regeln legen fest, unter welchen Bedingungen Zeichen auf welche Sachverhalte anwendbar sind (Morris 19381972: 44f.).

In der semantischen Dimension unterscheidet Morris zwischen Ikon und Symbol.49 Ein Ikon als charakterisierendes Zeichen gibt die Eigenschaften des bezeichneten Objekts im Zeichen wieder. Das ist etwa bei Photographien der Fall. Bei Symbolen sind die Eigenschaften des Objekts nicht im Zeichen wiedergegeben. Das ist etwa beim Wort 'Photographie'50 der Fall. Die Regeln für den Gebrauch von Symbolen werden durch andere Symbole ausgedrückt. Das ist eine Beziehung zwischen verschiedenen Zeichen und gehört damit zur Syntaktik (Morris 19381972: 45ff.).

In der syntaktischen Dimension unterscheidet Morris drei Arten von Zeichen anhand des Bestimmtheitsgrades der von ihnen erzeugten Erwartungen. (1) Indexzeichen bezeichnen ein einzelnes Objekt (z.B.: Akt des Hinzeigens), (2) charakterisierende Zeichen bezeichnen eine Vielzahl von Objekten (z.B.: Mensch) und können durch weitere Zeichen im Anwendungsbereich beschränkt werden (z.B.: kleiner Mensch); (3) Universalzeichen beziehen sich auf beliebige Objekte (z.B.: etwas) (Morris 19381972: 37).

Es gibt keine einzelnen, d.h. autonome und voneinander unabhängige Zeichen:

"Man könnte auch sagen, daß ein isoliertes Zeichen in einer bestimmten Relation zu sich selbst steht und aus diesem Grund eine syntaktische Dimension hat oder daß die syntaktische Null - Dimension ein Spezialfall der syntaktischen Dimension ist" (Morris 19381972: 29).

Jedes Zeichen steht in Verbindung zu wenigstens einem Zeichen, und sei es zu sich selbst. Die meisten Zeichen stehen in Verbindung zu einer Vielzahl anderer Zeichen. Dadurch entsteht eine Struktur, die durch bestimmte Regeln zu einer Sprache wird. Auf solche Strukturen kann, darauf hat Meder hingewiesen, mit Zeichen verwiesen werden. Dadurch entstehen Superzeichen (Meder 1987: 168-179).

Morris nennt als Voraussetzungen für eine Sprache die Existenz von zwei Arten syntaktischer Regeln: Die Formationsregeln, die festlegen, welche Zusammenstellungen als selbständige Kombinationen, z.B. als Sätze, zulässig sind; und die Transformationsregeln, in denen die Verbindungen zwischen den Sätzen festgelegt werden (Morris 19381972: 33).

Nach Morris steht jedes Zeichen in Verbindung zu einem Zeichen. Drei Konsequenzen, die Morris daraus entwickelt, sind für die Betrachtung von Computertechnologie unmittelbar relevant:

- Erst durch die Verbindung von Zeichen zu anderen Zeichen entsteht eine Sprache (Morris 19381972: 29). Bei der Betrachtung von Computertechnik sind daher die Relationen zwischen den Zeichen zu beachten.

- Mit einem Zeichen kann ein anderes Zeichen abgebildet werden. Das ist z.B. bei der Beschreibung von Zeichenprozessen durch Zeichen, d.h. der Semiotik der Fall (Morris 19381972: 26). Dabei wird das erste Zeichen zum Inhalt des zweiten. Auch bei der semiotischen Dimension läßt sich damit der Satz von McLuhan in der Form anwenden, daß ein Zeichen Inhalt eines anderen Zeichens ist.

- Nach Morris ist die Verwendung von Zeichen an Regeln gebunden. Er unterscheidet die pragmatischen, die semantischen und die syntaktischen Regeln. Die Regeln sind eine Voraussetzung für den Gebrauch von Zeichen und damit für den Gebrauch von Medien. Die Regeln der Verwendung von Zeichen beschränken die Verwendung von Medien durch den Menschen.

Damit sind die für den Medienbegriff relevanten Aspekte von Morris Zeichentheorie dargestellt. Einige jetzt zu diskutierende Unterschiede zum Ansatz von Morris haben sich bereits angedeutet.

Das, was hier die physikalische Dimension von Medien genannt wird, ist an Morris Begriff des Zeichenträgers angelehnt. Die physikalische Dimension von Medien hat im Medienbegriff jedoch einen anderen Stellenwert als der Zeichenträger in der Semiose. Daher ist der Medienbegriff vom Begriff der Semiose abzugrenzen.

Die im physikalischen Gegenstand liegenden Grenzen, die in der physikalischen Dimension von Medien liegen, und die weiter sind als das, was jeweils aktuell als Träger eines Zeichens fungiert, sieht Morris als irrelevant an. Aus Sicht des Medienbegriffs unterschätzt Morris damit den Stellenwert des Zeichenträgers.51

Neben dem differierenden Stellenwert der physikalischen Dimension ist der Medienbegriff in einem zweiten Aspekt abzugrenzen, mit dem sich zugleich die Abgrenzung vom vorherrschenden Medienbegriff der Medienpädagogik ergibt. Der Medienbegriff unterscheidet sich von der Semiose im behandelten Gegenstand: Morris konzentriert sich auf die Analyse der gesprochenen und geschriebenen Sprache und die Frage, wie Zeichen in der Sprache verwendet werden. Sprache wird von ihm jedoch nicht als Medium aufgefaßt.

Dagegen werden unter dem Medienbegriff in der Medienpädagogik in erster Linie technische Medien und insbesondere Massenmedien (Baacke 319731980: 13) diskutiert. Diese Betonung von Massenmedien ist in der Medienpädagogik durch die politische Relevanz von Massenmedien motiviert. Das Verhältnis von Medien und Gesellschaft wird in den Mittelpunkt der Analyse gestellt (Baacke 319731980: 30). Medien werden in den Blick genommen, insofern sie ™ffentlichkeit herstellen (Baacke 319731980: 16f.). Unter der Perspektive des Verhältnisses von Medien und Gesellschaft werden die betrachteten Medien im Blick auf ihre gesellschaftliche Funktion analysiert und der individuelle Umgang mit Medien in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt.

Nach der hier vertretenen Auffassung sind Medien unter dieser Perspektive nur unzureichend zu erfassen. Die - ohne Zeifel unverzichtbare - Analyse der Funktion von Medien in der Gesellschaft muß ergänzt werden um eine Analyse der Struktur von Medien. Das wird z.B. deutlich an der Virtualität als Eigenschaft der Computertechnologie. Da mit Computertechnik jedes Medium simuliert werden kann, läuft eine Medienanalyse ohne die Berücksichtigung der Struktur des Mediums im Falle der Computertechnologie ins Leere. Ebenso erlaubt eine Zeichentheorie, die den Zeichenträger nur marginal berücksichtigt, keine befriedigende Reflexion eines technischen Mediums wie der Computertechnik, da technische Medien gerade durch Eigenschaften in der physikalischen Dimension ausgezeichnet sind; z.B. ermöglicht die physikalische Dimension der Computertechnik Sprachverarbeitung.52

Indem hier die physikalische Dimension und die semiotische Dimension von Medien unter Berücksichtigung des handelnden Menschen nebeneinander gestellt und aufeinander bezogen werden, steht der verwendete Medienbegriff zwischen dem von Baacke verwendeten Medienbegriff und dem von Morris verwendeten Zeichenbegriff. Damit ist beabsichtigt, alle Dimensionen des Mediums Computertechnik erfassen zu können und so eine fundierte Grundlage für die Reflexion der Computertechnologie aus pädagogischer Sicht zu schaffen.

Festzuhalten ist: Die Grenzen der physikalischen Dimension und die Regeln der semiotischen Dimension beschränken den Gebrauch von Medien. In der physikalischen Dimension liegen Grenzen, an denen sich die semiotische Dimension orientieren muß. In der semiotischen Dimension bestehen Regeln (z.B. die der Grammatik), nach denen die physikalischen Gegenstände gebraucht werden können.

Die Regeln legen auch fest, wie Zeichen auf welche Gegenstände oder Sachverhalte bezogen werden können. Die Zeichen sind im semiotischen Prozeß an physikalische Gegenstände gebunden, dadurch aber in ihrer semantischen Funktion nur begrenzt, nicht determiniert. Ebenso determinieren die semiotischen Regeln den Gebrauch der physikalischen Dimension nicht, da z.B. im Rückgriff auf noch nicht in den Regeln enthaltene Eigenschaften der physikalischen Dimension von Menschen neue Regeln eingeführt werden können.

3.1.3 Menschen und Medien

Nachdem die physikalische und die semiotische Dimension des Medienbegriffs erläutert ist, wird jetzt der Mensch als derjenige, der beides zum Medium verbindet, wieder in den Blick genommen. Im Kapitel 1.3 wird der Umstand, daß das menschliche Selbst abhängig ist von den Medien, die es zu seiner Hervorbringung verwendet, als Ausgangspunkt der weiteren Analyse begründet. In der darauf folgenden Darstellung des Medienbegriffs taucht der Mensch allerdings nicht als abhängig von Medien auf, sondern als derjenige, der die physikalische und die semiotische Dimension miteinander verbindet. Wenn der Mensch die Verbindung herstellt, gestaltet er Medien, und ist nicht bloß von Medien abhängig. Das ist kein Widerspruch, sondern weist darauf hin, daß das Verhältnis von Menschen und Medien als dialektisches Verhältnis verstanden werden muß.

Nun hat sich im Kapitel 1.3 herausgestellt, daß Humboldts Bildungsbegriff nicht geeignet ist, eine Analyse von Medien aus pädagogischer Perspektive anzuleiten. Für die beabsichtigte pädagogische Analyse ist ein grundlegender Bildungsbegriff jedoch unverzichtbar. Es soll nun kein eigener Bildungsbegriff entwickelt werden, sondern ein Bildungsbegriff herangezogen werden, der so gefaßt ist, daß er die eingenommene Perspektive im Blick auf Medien zuläßt.

Das trifft auf den Bildungsbegriff von Meder zu. Meder definiert Bildung als "Herstellung eines individuellen Verhältnisses zur Welt, zur Gesellschaft und zu sich selbst" (Meder 1998a: 28f.).53 Insofern es sich um ein individuelles Verhältnis handelt, steht der handelnde Mensch in diesem Bildungsbegriff im Mittelpunkt. Für die Notwendigkeit von Medien in der Bildung des Menschen ist das entscheidende Element dieses Bildungsbegriffs, daß ein Verhältnis herzustellen ist.

Ein Verhältnis muß hergestellt werden, weil im Bildungsbegriff zwischen dem sich bildenden Menschen und dem, woran sich Bildung vollzieht, unterschieden werden muß. Meder schreibt an anderer Stelle: "Irgendeine Unterscheidung ist im Ansatz allen Philosophierens gefordert" (Meder 1987: 126). Insofern Meder seinen Bildungsbegriff bildungsphilosophisch begründet (Meder 1996: 145), gilt dies auch für den Bildungsbegriff.

Das in der Bildung herzustellende Verhältnis ist nach Meder ein individuelles Verhältnis. Daher muß eine Unterscheidung zwischen dem Individuum und dem, wozu es ein Verhältnis herstellt, gemacht werden. Wenn zwischen dem sich bildenden Individuum, als dem Subjekt der Bildung, und dem, woran es Bildung vollzieht, nicht zu unterscheiden wäre, besäßen die sich Bildenden das Bildende immer schon. Menschen sind aber nicht immer schon gebildet. Sie werden ungebildet geboren. Daher muß zwischen dem sich bildenden Menschen und dem, woran er Bildung vollzieht, unterschieden werden.

Wenn ein Verhältnis besteht, ist nicht nur eine Trennung, sondern auch eine Verbindung gefordert. Ohne Verbindung zwischen dem sich bildenden Menschen und dem, woran er Bildung vollzieht, ist keine Bildung möglich. Diese Verbindung leisten Medien. Mit Medien stellen Menschen das Verhältnis zur Welt, zur Gesellschaft und zu sich selbst her. Medien sind das Mittlere zwischen dem Menschen und dem, woran er Bildung vollzieht. Im Prozeß der Bildung des Menschen ist immer54 mediale Vermittlung erforderlich.

Medien sind ein wesentlicher Aspekt für das Verständnis der Bildung des Menschen, aber nicht der einzige Aspekt für das Verständnis der Bildung des Menschen. Da hier eine Medientheorie und keine Anthropologie entwickelt werden soll, muß das methodische Instrumentarium nur soweit entwickelt werden, daß der Mensch soweit in den Blick genommen werden kann, wie er durch seine Tätigkeit Medien erzeugt und für seine Bildung Medien benötigt.

Nachdem sich der Medersche Bildungsbegriff als geeignete Folie für diese Arbeit erwiesen hat, kann der Medienbegriff zusammenfassend als dialektisches Verhältnis von semiotischer Dimension, physikalischer Dimension und Menschen dargestellt werden. Die folgende Figur gibt die Relationen wieder:


menschliche Tätigkeit

/ \

/ \

/ MEDIUM \

/ \

/ \

physikalische Dimension -------------- semiotische Dimension


(Abb. 1)

Um die Relationen als dialektische Verhältnisse darstellen zu können, müssen Kriterien benannt werden, mit denen eine Relation als dialektische ausgewiesen werden kann. Lay definiert Dialektik so:

"Die Elemente sind (a) voneinander unterschieden, können (b) nicht ohne einander sein, und (c) eine Veränderung des einen bedeutet die der anderen Elemente" (Lay 1996: 18).

Die drei von Lay genannten Aspekte eines dialektischen Verhältnisses sind die (1) Unterschiedlichkeit, die (2) Aufeinanderverwiesenheit und die (3) wechselseitige Beeinflussung. Diese drei Aspekte hat die bisherige Darstellung in den drei Relationen des Medienbegriffs bereits gezeigt. Daher können die Relationen nun in einer Übersicht als dialektische dargestellt und dabei zugleich zusammengefaßt werden.

- Raum - Ereignis im Raum

(1) Die Unterschiedlichkeit zwischen physikalischer und semiotischer Dimension zeigt sich darin, daß mit der semiotischen Dimension etwas anderes bezeichnet werden kann als die physikalische Dimension (z.B. bei dem Zeichen 'Baum'). (2) Allerdings ist ein physikalischer Gegenstand nur insofern als physikalischer Gegenstand zu erkennen, als er mit einem Zeichen als solcher bezeichnet wird, und für das Zeichen ist wiederum ein physikalischer Gegenstand als Zeichenträger erforderlich. (3) Die physikalische Dimension begrenzt die semiotische Dimension, in der wiederum Regeln zum Gebrauch der physikalischen Dimension bestehen, so daß die Veränderung der einen Dimension auch eine Veränderung der anderen zur Folge hat.

- Menschliche Tätigkeit - semiotische Dimension

(1) Das Selbst des Menschen kann nicht mit der semiotischen Dimension gleichgesetzt werden, und Zeichen sind schon wegen des physikalischen Trägers nicht beliebig verwendbar. (2) Menschen benötigen Zeichen für ihre Bildung. Zeichen werden erst durch menschliche Tätigkeit zu Zeichen. (3) Wenn ein Mensch die Art seiner Tätigkeit verändert, ändert sich auch seine Verwendung der Zeichen. Wenn Zeichen verändert werden, z.B. indem sie im gesellschaftlichen Kontext anders verwendet werden oder an einen anderen physikalischen Gegenstand gebunden werden, ändert sich auch der Mensch, der die Zeichen verwendet.

- Menschliche Tätigkeit - physikalische Dimension

(1) Das Selbst des Menschen ist nicht mit der physikalischen Dimension von Medien identisch.55 Und die physikalischen Eigenschaften von Gegenständen können vom Menschen nicht beliebig verändert werden. (2) Menschen benötigen die physikalische Dimension von Medien im Bildungsprozeß. Physikalische Gegenstände werden erst durch menschliche Tätigkeit zu einer Dimension von Medien. (3) Menschen können die physikalische Dimension von Medien, d.h. die den Gebrauch als Medium begrenzenden Eigenschaften von Gegenständen verändern.

Da die drei Dimensionen in einem dialektischen Verhältnis zueinander stehen, kann eine Dimension nicht ohne die anderen verstanden werden. Die pädagogische Analyse von Medien muß alle drei Dimensionen von Medien berücksichtigen.

3.2 Die physikalische Dimension der Computertechnologie

Bei der Betrachtung der physikalischen Dimension der Computertechnik steht die physikalische Struktur im Mittelpunkt, die auf die Inhalte und auf die Menschen, die mit dem Medium umgehen, wirkt. Culkin schreibt:

"Wir formen unsere Werkzeuge, und in der Folge formen sie uns" (Culkin 19641969: 38).

Die Computertechnik ist ein artifizielles Medium. Artifizielle Medien werden von Menschen konstruiert. Wenn artifizielle Medien einmal gebaut sind und genutzt werden, dann formen die Eigenschaften der Konstruktion die Benutzerinnen und Benutzer.56

Die These zerfällt in zwei Teile. Um darzustellen, inwiefern Computertechnik ein artifizielles Medium ist, wird die Geschichte der Computertechnik skizziert. Daran anschließend werden Eigenschaften der Konstruktion von Computern und die Auswirkungen auf diejenigen, die Computertechnik im Bildungsprozeß verwenden, in den Blick genommen.

3.2.1 Computer als artifizielles Medium

Die historische Darstellung der Entwicklung der Computertechnologie kann hier nicht ausschließlich auf Computertechnologie beschränkt werden. Historische Darstellungen der Computertechnologie stellen meist die Verwendung der Computertechnologie in Rechen- und Steuerungstechnik in den Mittelpunkt. Aus Sicht des Medienbegriffs genügt es jedoch nicht, die Betrachtung auf diesen Aspekt zu beschränken. Denn der Medienbegriff stellt keine absoluten Kategorien zur Verfügung, nach denen sich alle Medien beurteilen ließen, sondern listet Elemente auf, mit denen sich Medien in Relation zu anderen Medien stellen lassen. Die hier verwendete Methode der Mediananlyse, mit der Relationen zwischen verschiedenen Medien hergestellt werden, macht es angesichts der Universalität der Computertechnologie erforderlich, verschiedene Medien im Blick zu behalten, damit die Relationen hergestellt werden können.

Mit der Darstellung der historischen Entwicklung der Computertechnologie wird zunächst gezeigt, daß es sich bei der Computertechnologie um ein artifizielles Medium handelt.

Die historische Entwicklung wird in Anlehnung an Faulstich in drei Abschnitten dargestellt. Faulstich unterscheidet am Technisierungsgrad der jeweils dominierenden Medien drei Phasen: In der ersten Phase bis etwa 1500 sind Primärmedien dominierend, in der zweiten Phase von 1500 bis ca. 1900 die sekundären Medien und in der dritten Phase ab 1900 die tertiären Medien.

3.2.1.1 Primärmedien

In der ersten Phase bis etwa 1500 werden fast ausschließlich Primärmedien verwendet. Bei diesen wird weder auf der Sendeseite Technik zur Produktion noch auf der Empfangsseite Technik zur Wahrnehmung eingesetzt (Faulstich 1994: 19, 29). Im Vordergrund steht die Nutzung der natürlichen Medien. Das sind vor allem gesprochene Sprache und Gestik. Diese Medien werden im Alltag der Menschen genutzt und spielen für Priesterinnen und Priester, im Theater oder bei Berufssängerinnen und -sängern eine zentrale Rolle.

Mit Blick auf die Computertechnik ist die Entwicklung der für die breite Bevölkerung im Hintergrund stehenden artifiziellen Medien relevant. Das wichtigste artifzielle Medium - die Schriftsprache - entsteht früh. Blätter oder Tafeln werden als physikalische Dimension verwendet (Faulstich 1994: 31). Papyrus z.B. wird ab 700 v. Chr. von den Griechen verwendet (Faulstich 1993: 356). Bedeutend ist darüber hinaus die Entwicklung des im Abendland in der Schriftsprache verwendeten Alphabets, die etwa 1600 v. Chr. beginnt (Faulstich 1993: 368). Die Verwendung der Schriftsprache ist zunächst ausschließlich den herrschenden Eliten vorbehalten. Die herrschenden Eliten verwenden die Schriftsprache von Anfang an zur Kommunikation über größere räumliche Distanzen hinweg. Die Übermittlungsgeschwindigkeit ist dabei vom verwendeten physikalischen Gegenstand abhängig.57

Als Rechentechnik wird vor allem der Abakus eingesetzt. Diese Rechenhilfe wird ab 1700 v. Chr. bei den Ägyptern (Faulstich u.a. 1993: 386) und seit ca. 1.100 v. Chr. in China (Schulze 1991: 247) verwendet. Damit sind Erleichterungen bei den vier Grundrechenarten verbunden. Aber auch die Mechanisierung von Rechenvorgängen beginnt früh. So berichtet Vitruvius 28 v. Chr. über Zählräder in Wegmeßgeräten (Faulstich u.a. 1993: 386).

3.2.1.2 Sekundärmedien

Etwa ab 1500 findet eine Verlagerung auf die Sekundärmedien statt. Bei diesen Medien wird Technik in der Produktion verwendet, ist aber auf der Empfangsseite nicht erforderlich (Faulstich 1994: 19, 29). Das ist vor allem bei der 1448 durch Johann Gensfleisch von Gutenberg erfundene Druckerpresse, die mit Satztechnik, d.h. beweglichen Buchstaben arbeitet, der Fall (Faulstich u.a. 1993: 368). Die Technik der Druckerpresse verbreitet sich - gemessen an heutigen Maßstäben - langsam. In Spanien z.B. wird der Buchdruck erst 1566 eingeführt (Faulstich u.a. 1993: 370).

Für die Rechentechnik werden in der Zeit von 1500 bis 1900 grundlegende Konzepte eingeführt. 1524 veröffentlicht Adam Riese ein Rechenbuch, in dem er das im 5. Jahrhundert n. Chr. in Indien entstandene Dezimalsystem beschreibt. Im Anschluß an die Veröffentlichung von Adam Riese setzt sich das Dezimalsystem in ganz Europa durch. Es wird zur Basis für die ersten Automatisierungen von Rechenvorgängen. 1623 baut W. Schickard für seinen Freund Keppler die erste urkundlich erwähnte mechanische Rechenmaschine, die bereits mit den vier Grundrechenarten operieren kann. Diese Entwicklung bleibt allerdings weitgehend unbeachtet (Engesser 1988: 271f.).

1674 entwirft G.W. von Leibniz eine Rechenmaschine, die ebenfalls für die vier Grundrechenarten vorgesehen ist. Im Zusammenhang mit Arbeiten an dieser Maschine schlägt Leibiniz 1679 vor, statt dem Dezimalsystem das Dualsystem zu verwenden. Leibniz' Rechenmaschine wird 1774 durch von Hahn in einer zuverlässigen Variante konstruiert. Ab 1818 werden Rechenmaschinen nach dem Leibnizschen Vorbild in Serie gefertigt (Engesser 1988: 272).

Die Automaten von Schickard und Leibniz sind auf die vier Grundrechenarten festgelegt, die mit Längenbeschränkungen auf beliebige Zahlen angewendet werden können. Ein erster Schritt zur Universalität ist gemacht. Um mit Hilfe dieser Maschinen komplexere Berechnungen auch durch dazu nicht qualifizierte Angestellte durchführen lassen zu können, werden Rechenpläne entwickelt, die das exakte Vorgehen bei der Ausführung der Rechnung beschreiben.

Diese externen Rechenpläne in die Maschine zu integrieren ist das Ziel von Charles Babbage (Coy 1994: 20f.). Ab 1838 arbeitet Babbage an einem System, das eine Lochkartensteuerung, Zahlenspeicher, Rechenwerk, Steuereinheit und Programmspeicher vorsieht. Wegen unzulänglicher Technik gelingt es Babbage nie, eine voll funktionsfähige Maschine zu bauen (Engesser 1988: 272). Ein brauchbares Exemplar wird 1906 durch seinen Sohn konstruiert.

Die von Babbage konzipierten Automaten, die jede Formel, deren Gesetz bekannt ist, zahlenmäßig berechnen sollen, und insofern schon als universelle Rechenmaschinen angelegt sind, basieren auf dem dualen Zahlensystem (Coy 1994: 20). Die Digitalisierung und die Programmierbarkeit als wesentliche Konzepte der Computertechnologie stehen am Ende des 19. Jahrhunderts zur Verfügung.

3.2.1.3 Tertiärmedien

Ab etwa 1900 gibt es im Medienbereich eine Entwicklung, die zur Entstehung neuer Medien führt: die Elektrifizierung (McLuhan 1992: 13). Elektrifizierung kennzeichnet die dritte Phase der Medienentwicklung, die Tertiärmedien, die hier mit Blick auf die Computertechnologie skizziert wird. Das sind Medien, bei denen Technik beim Senden und Empfangen verwendet wird (Faulstich 1994: 20).

Ein Beispiel für Tertiärmedien ist der Rundfunk, der nach theoretischen Vorarbeiten von Maxwell, der 1873 die Existenz elektromagnetischer Wellen theoretisch postuliert, und Hertz, der diese dann 1888 nachweist, entwickelt wird. 1895 zeigt Popow den ersten Funkempfänger, 1896 führt Marconi die erste öffentliche drahtlose Signalübertragung in London durch (Faulstich 1993: 446).

Die tertiären Medien verbreiten sich schneller als der Buchdruck. 1876 patentiert Bell das Telephon, vier Jahre später gibt es 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, 1910 sind es weltweit schon 10 Millionen (Faulstich 1993: 506). Auch das Fernsehen, das auf der 1897 von Braun entwickelten Kathodenstrahlröhre basiert, die erstmals 1930 durch Ardenne auf Sender- und Empfängerseite verwendet wird, verbreitet sich in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg innerhalb weniger Jahre (Faulstich u.a. 1993: 395ff.).

In der Rechentechnik gibt es nach Babbages Entwicklung einen Einschnitt. Elektrizität wird zunächst nicht in Digitalrechnern, sondern in Analogrechnern genutzt. Elektronische Analogrechner sind schneller, billiger und zuverlässiger als mechanische Digitalrechner. Höhepunkte dieser Entwicklung bilden der 'Differential Analyser' von Bush und der Steuerrechner in der V2 der deutschen Wehrmacht (Coy 1994: 23). Die Digitaltechnik wird in der ab 1934 geplanten und 1937 fertiggestellten ersten funktionsfähigen programmgesteuerten Rechenmaschine Z1 von Zuse noch mechanisch weiterentwickelt (Engesser 1988: 272). Dieser Rechner wird von Zuse zur Berechnung der Flügel von Marschflugkörpern eingesetzt (Coy 1994: 23).

Den entscheidenden Fortschritt gibt es in den 30er Jahren in konzeptioneller Hinsicht: 1936 veröffentlicht Turing sein universelles Automatenmodell (Engesser 1988: 611). Dieses Konzept wird von Turing beim Bau des Colossi genutzt, einem digitalen Röhrencomputer, der bei der Entschlüsselung von Nachrichten der deutschen Wehrmacht eingesetzt wird (Coy 1994: 23).

1938 wendet Shannon die Boolsche Algebra auf das Dualsystem und elektronische Schaltungen an. 1944 konzipiert Neumann eine Rechnerarchitektur, in der er Prozessor, Programm und Daten im gleichen Speicher vorsieht und außerdem Steuerwerk, Rechenwerk, Speicher, Eingabewerk und Ausgabewerk einplant. Dieses Konzept wird im wesentlichen auch heute noch angewandt (Engesser 1988: 647). Nach diesem Konzept bauen 1946 Eckert und Mauchly den ersten voll elektronischen Computer (ENIAC) (Engesser 1988: 273). Er wird vor allem für die Berechnung von Schockwellengleichungen beim Atombombenbau verwendet (Coy 1994: 24).

Der 1948 von J. Bardeen, W. Brattein und W. Shockley erfundene Transistor (Faulstich 1993: 454) wird 1955 von J.H. Felker im ersten Transistorrechner verwendet. 1957 wird der erste volltransistorisierte Computer auf den Markt gebracht. Danach ist es nur noch ein kurzer Weg zur 1958 von Kilby entwickelten integrierten Schaltung. 1969 wird der erste Mikroprozessor von M.E. Hoff hergestellt. Dieser wird in Interkontinentalraketen eingesetzt. Die Transistoren und integrierten Schaltkreise erhöhen vor allem die Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit der Computer, wesentliche konzeptionelle Änderungen sind damit nicht verbunden.

1958 kommt es zu einer neuen Entwicklung, für die der 1953 von J.W. Forrester gebaute erste Computer mit Magnetkernspeicher (Whirlwind) verwendet wird. Der kalte Krieg und die atombombenbestückten Interkontinentalraketen machen ein schnelles Vorwarnsystem erforderlich. Zu diesem Zweck werden 1958 die Computer in Radarstationen mit Hilfe nicht - öffentlicher Telefonleitungen verbunden. Zugleich werden die Radarbildschirme als Ausgabegeräte der Computertechnik verwendet. Auf der Basis dieses Systems wird vom US - Militär das ARPA (Advanced Research Projekt Agency) - Net entwickelt, das Universitäten, militärische Einrichtungen und Forschungszentren verbindet. Die Technik dieses Netzes wird zur Grundlage des Internet (Coy 1994: 26, 32).

Ab 1960 werden statt Großrechnern zunehmend kleinere, dezentrale Computer verwendet (Coy 1994: 28). Diese Entwicklung wird durch die billiger produzierbaren Mikroprozessoren und die 1971 eingeführten Halbleiterspeicher begünstigt (Faulstich u.a. 1993: 388). Die Einführung des Apple II und des IBM - PC führt zum individuell genutzten Computer. Mit der preiswerteren und leistungsstärkeren Technik wird die Dezentralisierung und Vernetzung von Computertechnik begünstigt.

Die Integration verschiedener technischer Medien in die Computertechnik beginnt ca. 1970. Computertechnik, Rundfunk, Fernsehen, Telefon, Fernschreiben etc. werden durch die Datenfernübertragung verbunden; die Bildbearbeitung mit dem Computer kommt auf. Ab 1975 wird Sprachverarbeitung möglich, allerdings noch nicht kommerziell verfügbar (Schulze 1991: 247). 1977 werden Bildschirmspiele auf der 4. Internationalen Funkausstellung vorgeführt und ab 1990 setzt die Verbreitung digitaler Photographie ein (Faulstich u.a. 1993: 390, 417). Diese Entwicklung faßt Coy so zusammen:

"Mit der mikroelektronischen Wende wird der Computer zum potentiellen digitalen Integrator aller vorherigen Medien und wird in alle Medien integriert" (Coy 1994: 30).

Eine Neuerung der persönlichen Computer (PC) ist die interaktive Steuerung der Anwendungsprogramme, die durch die verfügbare Rechenleistung ermöglicht wird. Das wird zunächst für Textverarbeitung und Tabellenkalkulation genutzt (Coy 1994: 31), aber auch schnell auf andere Anwendungen, z.B. Bildschirmspiele, ausgedehnt.

3.2.1.4 Computertechnik als Militärtechnik

Vor dem Abschluß des historischen Überblicks ist ein Exkurs erforderlich. Der historische Abriß hat deutlich gemacht, daß Computertechnik als Militärtechnik entwickelt wird. Daß dies auch heute noch der Fall ist, zeigen Bernhardt und Ruhmann am Beispiel des Golfkriegs, in dem eine von den USA angeführte Allianz gegen den Irak kämpft. Die Analyse von Bernhardt u.a. wird hier aus zwei Gründen vorgestellt. Zum einen, um auf die ethischen Probleme hinzuweisen, die mit dem Gebrauch der Computertechnik verbunden sind. Zum anderen, um auf den häufigen Gebrauch der Computertechnik als Kontrolltechnik aufmerksam zu machen.

Die Entwicklung von Computertechnik als Militärtechnik ist deutlich: Der von Zuse entwickelte Z3 wird zur Optimierung der V1 - Waffen verwendet, der unter Mitarbeit von Turing gebaut Colossus zur Entschlüsselung des Enigma - Codes, der ENIAC zum Bau von Atombomben, integrierte Schaltkreise werden zur Steuerung von Interkontinentalraketen entwickelt und Computer werden für ein radargestütztes Frühwarnsystem vernetzt. Insbesondere der kommerzielle Mißerfolg von Zuse und das Zurückfallen der Briten nach dem zweiten Weltkrieg machen deutlich:

"Der Computer entstand nicht als zivile Technik aufgrund dringender Bedürfnisse des Marktes, die Computerentwicklung ist untrennbar mit den Anforderungen, Wünschen und vor allem Finanzmitteln des Militärs verbunden" (Bernhardt u.a. 1994: 187f.)

Bernhardt u.a. belegen dies mit zahlreichen Beispielen: Glasfaserstrecken richtet die Bundespost ein, um die Kommunikationsleitungen gegen den von explodierenden Atombomben ausgehenden elektromagnetischen Impuls zu sichern. Computervernetzung wird zur Koordination von Militärforschung und insbesondere zur effektiveren militärischen Steuerung ('elektronischer Feldherrenhügel') im Rahmen der Air - Land - Battle - Doktrin ausgebaut (Bernhardt u.a. 1994: 187-195).

Besonders deutlich wird die Nutzung der Computertechnik als Militärtechnik am Bild des elektronischen Feldherrenhügels. Dieser basiert auf dem sogenannten C3I (Command, Control, Communications and Intelligence) - Zyklus. Informationen aus der militärischen Aufklärung über Situation und Lage von Gegner und eigenen Truppen werden in die Befehlszentrale übermittelt. Dort werden Entscheidungen getroffen, die dann mit Hilfe der Kommunikationssysteme als Befehle in das Kampfgebiet übertragen werden. Die Ergebnisse von Kampfhandlungen werden dann wieder mit der militärischen Aufklärungstechnik kontrolliert.

"Das C3I - System ist nicht dazu da, autonom zu agieren, oder den Kommandanten ein 'Dabei - Sein' zu ermöglichen. Es ist dazu da, ihre Befehlsgewalt in das Kampfgebiet zu projezieren" (Bernhardt u.a. 1994: 196).

Auf die politischen Konsequenzen solcher Systeme durch die zunehmende Berechenbarkeit von Kriegen und die Möglichkeit, Verantwortung auf Computerfehlfunktionen abzuschieben, sei nur hingewiesen (dazu Bernhardt u.a. 1994: 197f.). Wichtiger ist hier die Übernahme dieser Kontrollfunktion in den zivilen Bereich:

"Die Hauptfunktion der Informations- und Kommunikationstechnik in unserer Informationsgesellschaft liegt in der Beherrschung jener Komplexität, die die Produktion und Verteilung immer neuer technische Artefakte in den industrialisierten Staaten mit sich gebracht hat [...]" (Bernhardt 1994: 205).

Die häufige Verwendung der Computertechnik als Kontrolltechnik wirft die Frage auf, inwiefern Computertechnik in der praktischen Pädagogik als Kontrolltechnik verwendet wird. Bildungstheoretisch gewendet ist zu diskutieren, inwiefern mit Computertechnik im Lernprozeß kontrolliert werden soll. Empirisch gewendet ist zu fragen, inwiefern Computertechnik von Lehrenden und Lernenden im Lernprozeß als Kontrollwerkzeug eingesetzt wird. Beide Fragen liegen nicht im Rahmen dieser Abhandlung und können daher nur aufgeworfen, nicht aber diskutiert werden.

Vier Punkte sind nun aus der Geschichte der Computertechnik festzuhalten:

- Computertechnik wird von Menschen konstruiert. Es ist ein artifizielles Medium.

- Computertechnik wird oft als Kontrolltechnik eingesetzt.

- Die vorhandenen Medien werden mit der universellen Computertechnik verbunden. Computer werden damit zum dominanten Medium.

- Die Entwicklung der Computertechnik ist ein längerfristiger Prozeß, der nicht beliebig rückholbar oder gestaltbar ist. Die aktuelle Form der Computertechnik ist daher relativ verbindlich, oder, anders gesagt, lokal statisch, während die historische Entwicklung relativ offen, oder, anders gesagt, global dynamisch ist.

Universalität ist eine wesentlich Eigenschaft der Computertechnik. Was Universalität als Eigenschaft der Computertechnik genau meint, ist eine Frage, die im folgenden diskutiert wird. Den Ansatz der Analyse weist ein Zitat von Bolz u.a., die schreiben:

"Mittlerweile aber gehen technische Medien überhaupt in der Universalität von Computern auf. [...] Computer sind vielmehr das einzige technische Medium, das es ohne seine Theorie gar nicht gäbe" (Bolz u.a. 1994: 7).

Computertechnik ist ein universelles Medium, das nach Maßgabe seiner Theorie konstruiert wird. Für ein Verständnis der physikalischen Dimension dieses Mediums ist daher nicht die Analyse der physikalischen Dimension in der Absicht vorzunehmen, diese Theorie zu formulieren. Das ist bei natürlichen Medien erforderlich, und wird z.B. von Humboldt in seiner Sprachtheorie durchgeführt. Im Falle der Computertechnik würde dieses Vorgehen auf die Rekonstruktion einer Theorie hinauslaufen, die bereits geschrieben ist.

Geeigneter Ausgangspunkt zur weiteren Darstellung der physikalischen Dimension ist die Theorie, nach der die physikalische Dimension des Mediums Computertechnik konstruiert wird. Die Darstellung zielt dabei auf die Frage, wie die physikalische Dimension der Computertechnik den Raum begrenzt, der mit Zeichen gefüllt werden kann. Die Grenzen werden dargestellt und ihr Effekt im Bildungsprozeß beschrieben.

3.2.2 Computer als universelles Medium

Die Theorie, nach der die physikalische Dimension von Computern konstruiert wird, hat Turing 1936 vorgelegt. Sie wird in aktuellen Computern mittels einfacher elektronischer Schaltungen, den Torschaltungen und Flipflops, realisiert.

3.2.2.1 Das Konstruktionsprinzip von Turingautomaten

Den Weg zum universellen Automaten weist Babbage mit der Trennung von Programm und Daten. Indem die Operationen, die ausgeführt werden, nicht festgelegt sind, sondern vom jeweiligen Zustand der Maschine, etwa dem eingelegten Lochstreifen, abhängen, kann ein und dieselbe Maschine bei verschiedenen Prozessen eingesetzt werden.

Darauf greift Turings Entwurf zurück, der das Konstruktionsprinzip von Babbage mit einem exakten Algorithmenbegriff verbindet. Mit Blick auf die physikalische Dimension ist die von Turing vorgeschlagene Konstruktion relevant. Die grundlegende Konstruktion eines Turingautomaten ist einfach. Turingautomaten bestehen aus einer endlichen Kontrolle, einem in Felder unterteilten Eingabeband, das zur einen Seite begrenzt und zur anderen Seite offen ist, und einem Bandkopf, der zu einem Zeitpunkt genau ein Feld des Bandes bearbeitet (Abb. 2).

Ú      Â      Â      Â      Â      Â      Â      Â      Â      ...

³ a1 ³ a2 ³ ... ³ ai ³ ... ³ an ³ B ³ B ³ ...

À      ß      ß      ß      ß      ß      ß      ß      ß      ...

^

³

Ú           ¿

³ Endliche ³

³ Kontrolle ³

À           Ù

(Abb. 2)

Wenn diese Maschine arbeitet, führt sie drei Funktionen aus: Sie ändert ihren Zustand; sie schreibt ein Symbol in das gelesene Bandfeld und ersetzt das, was dort steht; sie bewegt ihren Kopf nach rechts oder links. Diese Funktionen werden wiederholt, bis der Endzustand erreicht ist. Wird kein Endzustand erreicht, werden die Funktionen unendlich oft wiederholt. Umgangssprachlich wird dieser Zustand als Absturz bezeichnet.

Formal nehmen Turingautomaten eine endliche Menge von Zuständen ein, verfügen über eine endliche Menge von Bandsymbolen einschließlich Leerzeichen, ein Eingabealphabet, eine Übergangsfunktion, einen Startzustand und einen Endzustand (Hopcroft u.a. 1994: 62).

Turing zeigt, daß ein solcher Automat jeden Algorithmus abarbeiten kann.58 In diesem Sinn sind Turingautomaten universelle Automaten. Ein universeller Turingautomat kann andere Automaten simulieren, indem ein Algorithmus formuliert wird, der dem anderen Automaten entspricht, und der von einem universellen Turingautomaten abgearbeitet wird. Da Turingautomaten jeden anderen Automaten simulieren können, genügt es, einen Computer in der physikalischen Dimension nach dem Prinzip des Turingautomaten zu verschalten, und dann mit einem Algorithmus entsprechend zu programmieren, um einen speziellen Automaten zur Verfügung zu haben. Daher ist heutige Computertechnik, auch wenn in aller Regel keine Bandlaufwerke mehr als Arbeitsspeicher verwenden werden, nach dem Prinzip eines Turingautomaten gebaut (Weizenbaum 919761994: 93).

Entscheidend ist, daß Turingautomaten Algorithmen abarbeiten können. Es sind, wie Coy betont, programmierbare Automaten.

"Die einschneidende Neuheit des Computers liegt in ihrer programmierbaren Zweckbestimmung. [...] Dies ist ein umfassender Zweck, weil diese semiotische Maschine im Prinzip alles berechnen kann, was in einem präzisen mathematischen Sinne berechenbar ist. In diesem Sinne (und nur in diesem Sinne) sind Computer universelle programmierbare Maschinen" (Coy 1994: 19).

Die Konstruktion eines Computers nach Turings Theorie führt der ungarische Mathematiker Margittai Neumann J nos Lajos im Rahmen des Manhatten - Projekts zum Bau der Atombombe bei der Konstruktion des EDVAC (Electronic Discrete Variable Automatic Computer) durch (Coy 219881992: 3). Das Konzept von Turing wird dabei in den physikalischen Aufbau der Computertechnik umgesetzt. Bei der einmal gebauten Maschine ist das Funktionsprinzip festgelegt. Insofern lassen sich aus Turings Theorie Grenzen des physikalischen Aufbaus entnehmen.

Die erste Grenze besteht darin, daß Computertechnik zwar jeden Algorithmus abarbeiten kann, aber nichts, was nicht als Algorithmus formulierbar ist. Nun gibt es zahlreiche Abläufe, die nicht algorithmierbar sind. Ein für die praktische Pädagogik relevantes Beispiel für diese Grenze ist, daß kein Algorithmus angebbar ist, mit dem entschieden werden kann, ob es sich bei einem Algorithmus tatsächlich um einen Algorithmus handelt oder nicht. Daher kann die Fehlerfreiheit von Computerprogrammen nicht sichergestellt werden.59

Eine weitere Grenze ergibt sich aus der physikalischen Konstruktion von Turingautomaten. Die Grenze besteht darin, daß in real existierende Computer kein unendliches Band eingebaut werden kann. Der verfügbare Speicher ist faktisch immer nach oben begrenzt. Als universelle Turingautomaten können sie daher nur solange betrachtet werden, wie diese Beschränkung keine Rolle spielt. Es gibt eine ganze Reihe von Problemen, die mit unendlichen Turingautomaten lösbar wären, mit endlichen aber nicht lösbar sind, und die auch einen großzügig dimensionierten Computer schnell an das obere Ende des Bandes führen - was zu einem Absturz führt (vgl. dazu die Beispiele in Hoppcroft 319791994: 351-413).

Es ist festzuhalten:

- Der Aufbau fast aller heutiger Computers folgt Turings Automatentheorie. Das weitere regelt ein Algorithmus.

- Turingautomaten sind universelle Automaten, insofern sie Algorithmen abarbeiten können.

- Eine praktische Grenze der Universalität liegt im begrenzten Speicher; eine theoretische Grenze der Computertechnologie liegt in dem Umstand, daß mit einem Algorithmus nicht geprüft werden kann, ob ein Algorithmus auch ein Algorithmus ist.

- Die Grenzen machen Computer prinzipiell unzuverlässig.

Es spielt für die durch Turingautomaten abarbeitbaren Algorithmen keine Rolle, ob Computertechnik mit Bandlaufwerk und Tonkopf oder Arbeitsspeicher und Bussystem konstruiert wird. Praktisch ergeben sich aus Änderungen der physikalischen Dimension allerdings erhebliche Unterschiede, vor allem in bezug auf die Arbeitsgeschwindigkeit. Da es verschiedene Möglichkeiten gibt, universelle Turingautomaten mit physikalischen Gegenständen zu realisieren, sind im folgenden die aktuell in der Computertechnik verwendeten physikalischen Gegenstände und ihre Eigenschaften genauer darzustellen.

3.2.2.2 Turingautomaten als physikalische Gegenstände

Turings Konzept wird heute mit Torschaltungen und Flipflops aus Halbleitern realisiert. Grundlage beider Bauelemente sind Dioden aus Halbleitern, etwa Germanium oder Silizium. Diese Stoffe werden durch gezielte Verunreinigung (Dotieren) zu negativen oder positiven Ladungsträgern. Wenn ein Halbleiter auf der einen Seite zu einem positiven, auf der anderen zu einem negativen Ladungsträger gemacht wird, entsteht eine Diode. Dioden haben die Eigenschaft, Strom nur in einer Richtung durchzulassen, in der anderen Richtung dagegen zu sperren.

Fügt man noch ein Schicht zu, d.h. eine Verunreinigung der Halbleiter zu Ladungsträgern in der Reihenfolge positiv - negativ - positiv oder negativ - positiv - negativ, so erhält man einen Transistor. Transistoren lassen sich als Regler und als Schalter verwenden. In Torschaltungen (oder Gattern) und Flip - Flops, die in heutiger Computertechnik verwendet werden, werden Transistoren ausschließlich als Schalter verwendet (Glagla u.a. 1980: 96-192).

Drei Torschaltungen sind besonders relevant: Eine NICHT - Schaltung gibt auf eine 1 (anliegende Spannung) eine 0 (keine Spannung) aus und umgekehrt; eine UND - Schaltung besitzt zwei Eingänge und gibt auf (0,0); (0,1) und (1,0) eine 0 aus, auf (1,1) wird 1 ausgegeben. Eine ODER - Torschaltung, die ebenfalls zwei Eingänge hat, gibt auf (0,0) eine 0 aus, in den übrigen Fällen eine 1. Mit Hilfe dieser Torschaltungen läßt sich ein Rechenwerk realisieren.

Torschaltungen werden im Computer ergänzt durch Flipflops. Flipflops können Schaltzustände speichern. Sie besitzen zwei Eingänge und zwei Ausgänge. Wird der erste Eingang auf 1 geschaltet, wird der erste Ausgang auf 1 und der zweite auf 0 geschaltet. Die Ausgänge bleiben in diesem Zustand, auch wenn der Eingang abgeschaltet oder erneut angeschaltet wird. Ein Flipflop muß durch ein spezielles Signal zurückgesetzt werden. Dazu wird ein Taktgeber mit einer bestimmten Taktfrequenz verwendet.

Flipflops werden als Eingänge und Ausgänge von Torschaltungen verwendet. Eine Reihe von Flipflops fungiert als Speicher, die Augänge der Flipflops werden auf die Eingänge von Torschaltungen gelegt und das Ergebnis in einer zweiten Reihe von Flip - Flops festgehalten. Die Ausgänge einer solchen Reihe von Flipflops sind z.B. als sogenannte Pins am Prozessorgehäuse sichtbar (z.B. Coy 219881992: 228 zur Pinbelegung des Motorrola MC 68008;). Die Kombination von Torschaltungen und Flipflops, wiederholt und auf eine größere Zahl von Bauelementen angewandt, bildet die Grundlage der physikalischen Dimension der Computertechnik.

"Sowohl die Konstruktion als auch die Instruktion von Computern ist nichts anderes als ein derartiger Prozeß, in dessen Verlauf aus kleineren Einheiten größere Einheiten hergestellt werden" (Weizenbaum 919761994: 116).

Nun ist es mit solchen Schaltungen zunächst nur möglich, jeweils fest verdrahtete Operationen, z.B. die Addition von zwei Zahlen, durchzuführen. Solche Schaltungen sind älteren Rechenmaschinen, etwa denen von Leibniz, vergleichbar. Zu dem, was heute als Computer bezeichnet wird, werden Torschaltungen und Flipflops, wenn sie als Turingautomaten verschaltet werden. Mit Torschaltungen und Flipflops, die mit Schaltern aus Halbleitern realisiert werden, können Turingautomaten in der physikalischen Dimension als digitale und elektronische Automaten gebaut werden.

3.2.3 Computer als digitales Medium

Es ist nicht erforderlich, Computer als digitale Automaten zu bauen. Mit Transistoren können analoge Signale verarbeitet werden. Auch turings Konzept macht keine Digitalisierung erforderlich; als Ein- und Ausgabealphabet von Turingautomaten ist jedes Alphabet zulässig. Dennoch werden Computer heute in aller Regel als digitale Automaten gebaut. Um die Bedeutung dieses Umstands für Computertechnik als Bildungsmedium darstellen zu können, müssen zuerst die Gründe reflektiert werden, die dazu geführt haben, daß heutige Computertechnik digital ausgeführt wird.

3.2.3.1 Digitalität als Eigenschaft der Computertechnik

Die ersten digitalen Rechenmaschinen - wie die von Leibniz oder Babbage - sind wegen ihrer komplizierten mechanischen Konstruktion langsam, aufwendig und unzuverlässig. Für die Anforderungen des militärischen Einsatzes genügen diese Geräte nicht (Coy 1994: 22). Daher werden im militärischen Bereich - etwa zur Lösung von Differentialgleichungen, die bei der Steuerung automatischer Flugkörper anfallen - bis in die 50er Jahre Analogcomputer verwendet (Hölzer 1994). Die Vorteile der Analogcomputer liegen in der höheren Geschwindigkeit, dem geringeren Preis und der größeren Zuverlässigkeit.

Erst in den fünfziger Jahren werden die Analogcomputer durch Digitalcomputer verdrängt (Coy 1994: 23). Technische Gründe sind die neu entwickelten Transistoren und integrierten Schaltkreise, die erheblich zuverlässiger als Röhren oder Relais arbeiten. Mit dieser Technik ist es einfacher, Schaltungen zu bauen, die das Binärsytem verarbeiten, als solche, die das Dezimalsystem verarbeiten. Für die Verarbeitung des dezimalen Zahlensystems ist es auf der physikalischen Ebene erforderlich, zehn Schaltzustände zu unterscheiden; beim Binärsystem müssen nur zwei Schaltzustände unterschieden werden. Ein binärer Schalter kann daher leichter unempfindlich gegenüber Schwankungen der Spannung im eingeschalteten Zustand oder Fehlerströmen im ausgeschalteten Zustand gemacht werden. Die mit der digitalen Technik verbundene größere Anzahl an Schaltelementen kann mit der langlebigen Transistortechnik in Kauf genommen werden.

Ausschlaggebend für den Bau von Digitalcomputern sind neben der technischen Entwicklung theoretische Arbeiten von Shannon und Wiener. Wiener formuliert im Laufe der 40er Jahre die Forderung, Rechenanlagen digital zu bauen (Wiener 19481992: 29). Hintergrund dieser Forderung ist der Nachweis, daß in Bezug auf die technische Realisierbarkeit und die Präzision von Rechenanlagen das Binärsystem das leistungsfähigste System ist (Wiener 19481992: 172f.). Wiener greift auf die Shannonsche Definition von Information zurück. Wie Cube, der Wieners Informationsbegriff für die Pädagogik fruchtbar gemacht hat, bemerkt, interpretiert Wiener die Definition zwar anders, ändert aber das Shannonsche Maß nicht (Cube 419651982: 90).

Shannon geht es um einen Begriff von Information, der von der Bedeutung einer Nachricht abstrahiert und sich auf die technischen Aspekte konzentriert (Shannon 19481976: 41). Shannons Informationsbegriff bezieht sich also auf die physikalische Dimension von Medien. Da hier Computertechnik im Mittelpunkt steht, ist weniger die von Shannon auf Basis des Informationsbegriffs diskutierte Übertragungskapazität, sondern die Konsequenzen seiner Theorie für den Bau von Computertechnik interessant.

Für den Einfluß der Shannonschen Theorie auf den Bau von Computern sind zwei Aspekte des Informationsbegriffs ausschlaggebend: Die Entscheidung für das 'Bit' als Maßeinheit der Information und die Konzentration des Informationsbegriffs auf diskrete Skalen. Das Bit wird gewählt, weil es die kleinste mögliche Einheit von Information ist. Bei Shannon ergibt sich das aus der statistischen Grundlage des Informationsbegriffs:

"Der technisch bedeutungsvolle Aspekt ist, daß die tatsächliche Nachricht aus einem Vorrat von möglichen Nachrichten ausgewählt worden ist" (Shannon 19481976: 41).

Die 'Auswahl aus einem Vorrat' heißt, daß Information als ein statistischer Begriff gefaßt wird (Wiener 19481992: 103). Die Auswahl einer Nachricht aus einem Vorrat wird von Shannon als Zufallsexperiment betrachtet. Mit Hilfe des mathematisch formulierten Informationsbegriffs werden solche Zufallsexperimente statistisch analysiert (Cube 419651982: 84). Damit von einem statistischen Zufallsexperiment gesprochen werden kann, müssen mindestens zwei Ereignisse möglich sein. Die Definition eines Zufallsexperiments setzt voraus, daß das Ergebnis des Experiments nicht im voraus eindeutig bestimmt werden kann (Bortz 419771993: 49). Bei nur einem möglichen Ereignis ist das Ergebnis aber im voraus eindeutig bestimmbar.

Daher legt Shannon, wie Weaver im gleichen Band erläutert, seinen Informationsbegriff so aus, daß bei einem eindeutigen oder unmöglichen Ereignis der Informationsgehalt gleich Null ist:

"Im Grenzfall, wenn eine Wahrscheinlichkeit gleich Eins ist (Gewißheit) und alle anderen gleich Null sind (Unmöglichkeit), ist H gleich Null (überhaupt keine Ungewißheit, keine Wahlfreiheit und keine Information)" (Weaver 19481976: 25).

Um überhaupt eine Information zu erhalten, müssen mindestens zwei Ereignisse unterscheidbar sein. Shannon, der diese statistischen Grundlagen implizit voraussetzt, begründet die Wahl explizit mit seinem logarithmischen Maßstab für Information, der nach seiner Darstellung praktisch nützlicher ist und eher dem intuitiven Gefühl entspricht sowie mathematisch besser geeignet ist. Für den logarithmischen Maßstab ist beim Dezimalsystem die Basis 10 Maßeinheit. Shannon wählt das Dualsystem mit der Basis zwei - in Bezug auf die technische Umsetzung:

"Wenn die Basis 2 benützt wird, können die sich ergebenden Einheiten 'binary digits' (Binärziffern) genannt werden oder kürzer bit [...]. Eine Vorrichtung mit zwei stabilen Positionen, wie ein Relais oder ein Flip - Flop, kann ein Informationsbit speichern" (Shannon 19761948: 42).

Der Shannonsche Informationsbegriff hat eine Implikation, die hier zentral und besonders hervorzuheben ist: Der digitale Code ist universell. Das heißt, daß jede andere Maßeinheit in die binäre überführbar ist.

"Ein Wechsel von Basis a zur Basis b erfordert nur eine Multiplikation mit dem logba" (Shannon 19761948: 43).

Anders gesagt: Jede Nachricht ist nach Shannon digitalisierbar. Mit in der physikalischen Dimension digital konstruierten Computern kann jede Nachricht gespeichert werden, weshalb die technisch einfachere digitale Realisierung ohne Einschränkungen gewählt werden kann.

Nun geht es nicht nur darum, Nachrichten in Computern zu speichern. Damit wäre gegenüber anderen Medien nicht viel gewonnen. Mit Turingautomaten können Nachrichten auch manipuliert werden. Daß auch für diese Eigenschaft der Computertechnik eine digitale Konstruktion optimal ist, ergibt sich, wie Meder schreibt, aus der logischen Theorie.

"Diese beiden Operatoren [Verknüpfung der Negation mit der Konjunktion oder der Negation mit der Disjunktion] sind als die WITTGENSTEINsche Satzfunktion und als der SCHEFFERsche Strich bekannt und stellen die beiden Weisen dar, mit einem einzigen Operator alle logischen Kombinationen von Ausgangsinformationen zu erzeugen" (Meder 1987: 83).

In Algorithmen werden die Schritte zur Durchführung logischer Kombinationen angegeben. Dabei lassen sich keineswegs alle logischen Kombinationen in Algorithmen zerlegen, wie Gödel mit seinem Unvollständigkeitssatz gezeigt hat (Hoppcroft u.a. 319791994: 157), woraus folgt, daß nicht jede Problemlösung in Algorithmen ausgedrückt werden kann. Umgekehrt läßt sich aber jeder Algorithmus in logische Kombinationen zerlegen, und da diese sich wiederum auf einen einzigen Operator zurückführen lassen, sind alle Algorithmen digitalisierbar.

Digitale Computer sind in Bezug auf die gespeicherten Nachrichten und die abzuarbeitenden Algorithmen universell. Die Universalität der Computertechnik ist nicht absolut, sondern realtiv, d.h. die Universalität ist begrenzt. Die Grenze dieser Universalität besteht in der Einschränkung auf diskrete Skalen.

In der empirischen Pädagogik, die wie die dargestellte Informationstheorie auf mathematische Statistik zurückgreift, ist die Unterscheidung von kontinuierlichen und diskreten Skalen im Zusammenhang von Variablen und Wahrscheinlichkeitsfunktionen bekannt: Kontinuierliche Variablen sind solche, die sich auf stetige Merkmalsdimensionen beziehen, d.h. solche, bei denen zwischen zwei Werten beliebige Zwischenwerte möglich sind. Dagegen beziehen sich diskrete Variable auf Merkmalsdimensionen, bei denen nur ganz bestimmte Werte vorkommen; der einfachste Fall ist die dichotome Variable, deren Merkmalsdimension nur zwei Ausprägungen aufweist (Kromrey 619941980: 316f.).

Nun sind beliebige diskrete Skalen exakt in digitale Skalen überführbar. Bei kontinuierlichen Skalen ist das nicht möglich - die Basis des Logarithmus dieser Skala wäre, wie Wiener schreibt, unendlich.

"Wenn wir dann nach dem Betrag der Information fragen, der in der vollkommen genauen Messung einer Größe liegt, die bekanntermaßen mit überall gleicher Wahrscheinlichkeit irgendwo im Bereich zwischen A und B liegt, so werden wir feststellen, daß, wenn wir A=0 und B=1 setzen und diese zu messende Größe im binären Zahlensystem durch die unendliche Binärzahl 0, a1a2a2 ... an ... darstellen, wobei die a1, a2, ... den Wert 0 oder 1 haben, die Zahl der gemachten Entscheidungen und der entsprechende Informationsgehalt unendlich sind" (Wiener 19481992: 104).

Das ist eine Grenze der Digitalisierung. Wiener macht auf den prinzipiellen Bruch zwischen kontinuierlichen und diskreten Skalen aufmerksam, der nicht überwunden werden kann. Diesen Bruch hat Shannon 1948 in seinem Abtasttheorem mathematisch präzisiert. Das Abtasttheorem besagt, daß sich ein abgetastetes Signal dann hinreichend genau rekonstruieren läßt, wenn die Abtastfrequenz mindestens doppelt so hoch ist wie die höchste im abzutastenden Signal vorkommende Frequenz (Biaesch - Wiebke 1988: 20). Mit dem 'hinreichend' ist die prinzipielle Grenze des Verfahrens bezeichnet. Eine kontinuierliche Skala kann zwar hinreichend genau, aber nicht eindeutig auf eine diskrete Skala abgebildet werden.

Diese abstrakte Grenze soll hier am Beispiel der Digitalisierung von Geräuschen veranschaulicht werden. Die Digitalisierung von Geräuschen erfolgt oft nach dem Standard der digitalen CD (Compact Disc). Die wert- und zeitkontinuierlichen elektrischen Signale, die Mikrophone aus Schallwellen erzeugen, werden nach diesem Standard digitalisiert. Die Spezifikationen des CD - Standards begrenzen mit der Festlegung der Abtastfrequzenz auf 44.100 Hz die oberste digitalisierbare Frequenz auf 22.500 Hz. Die Dynamik, d.h. die Lautstärkeunterschiede, werden mit 16 Bit Auflösung, d.h. 65.536 Stufen dargestellt. Dies erlaubt eine maximale Dynamik von ca. 90 db. CD - Spieler verarbeiten maximal vier Kanäle. Es ist daher eine allenfalls quadrophone Wiedergabe möglich (Biaesch - Wiebke 1988: 13-79). Es wird deutlich, daß der Digitalisierungsvorgang die Qualität der Abbildung begrenzt. Das ist notwendigerweise der Fall und bei einem verbreiteten Standard auch nicht ohne weiteres zu ändern. Die Begrenzung führt beim Beispiel der CDs dazu, daß die Möglichkeiten der menschlichen Wahrnehmung in bezug auf Frequenzbereich, Lautstärkeunterschiede und räumliches Hören nicht ausgeschöpft werden.

Damit kann festgehalten werden:

- Höhere Präzision und Zuverlässigkeit der digitalen Geräte auf der technischen Seite und prinzipielle Digitalisierbarkeit von Nachrichten und Algorithmen auf der theoretischen Seite sind die ausschlaggebenenden Gründe für den Bau von Digitalcomputern.

- Digitalcomputer sind universelle Medien, insofern digitale Informationen eingegeben werden können und digitalisierte algorithmische Anweisungen abgearbeitet werden können.

- Die Grenze der Universalität der Digitalcomputer besteht im Bruch zwischen kontinuierlichen und diskreten Skalen.

Wenn Computertechnik digital gebaut wird, ist Digitalität eine Eigenschaft der physikalischen Dimension von Computertechnik.

3.2.3.2 Die Notwendigkeit zur Digitalisierung

Welchen Effekt hat die Digitalität als Eigenschaft der physikalischen Dimension der Computertechnik auf die Menschen, die Computer zur Bildung verwenden? Die hier verwendete Methode der Medienanalyse, die Medien als Element des Bildungsprozesses darstellt, wird in der Pädagogik bisher kaum verwendet. Daher wird die Methode zunächst an einem einfachen Beispiel erprobt. Ein einfaches Beispiel ist die Digitalitisierung von Buchstaben und Zahlen mit der Tastatur.

Die Ziffern des Dezimalsystems müssen, wenn sie in einem digitalen Computer verarbeitet oder repräsentiert werden sollen, digitalisiert, d.h. in das Binärsystem übertragen werden. Dazu dient die Tastatur. Die Ziffern aus dem dezimalen Zahlensystem sind in Form von 10 Schaltern mit entsprechenden Beschriftungen dargestellt, die mit Datenleitungen verbunden sind. Wenn ein Schalter auf der Tastatur betätigt wird, schaltet dieser die Leitungen so an- bzw. aus, daß die dezimale Eingabe digitalisiert wird. Die Tastatur ist ein Werkzeug zur Digitalisierung.60

Im Falle der Ziffern ist der Wechsel zwischen der mehrstufigen dezimalen und der zweistufigen binären Skala unproblematisch. Der Grund dafür ist die weitgehend einheitliche Verwendung des Dezimalsystems mit arabischen Ziffern. Dennoch bereitet die digitale Verarbeitung von Dezimalzahlen Schwierigkeiten, wenn die darzustellende Zahl sich nicht mit einem endlichen Verfahren digitalisieren läßt:

"Für viele rationale Zahlen, wie z.B. für die Brüche 1/n mit Primzahlen n>=3 entstehen unendliche Binärbruchentwicklungen. Auf ihre exakte Binärbruchdarstellung im Rechner muß verzichtet werden [...]" (Coy 219881992: 205).

Dies begrenzt zwar die Rechengenauigkeit, stellt aber nur bei anspruchsvolleren wissenschaftlichen Berechnungen ein ernsthaftes Problem dar. Zudem läßt sich das Problem der Binärbruchdarstellung durch symbolische Verarbeitung lösen, d.h. daß nicht der Bruch in eine Binärzahl umgewandelt wird, sondern nur die Ziffern digitalisiert werden.

Unzuverlässig ist dagegen die Digitalisierung von Alphabeten. Der Übergang von der alphabetischen auf die digitale Skala ist uneinheitlich, da es unterschiedliche Alphabete gibt. So ist das deutsche Alphabet eine Skala mit ca. 70 Stufen (Groß- und Kleinbuchstaben, Satzzeichen). Damit diese mit einem digitalen Computer abgebildet werden können, müssen sie auf die digitale Skala übertragen werden. Dafür wird z.B. die ASCII (American Standard Code of Information Interchange) - Tabelle verwendet. Nach dieser Tabelle wird etwa ein F durch 01000110, d.h. durch entsprechende Schaltzustände in der physikalischen Dimension, repräsentiert. Wie bei den Ziffern wird die Tastatur zur Digitalisierung verwendet.

Nun enthält das deutsche Alphabet Buchstaben, die im amerikanischen Alphabet, das der ASCII - Tabelle zu Grunde liegt, nicht vorkommen. Das sind ä, Ä, ü, Ü, ö, ™ und ß. Wird die ASCII - Tabelle in der physikalischen Dimension implementiert, können diese Zeichen aus dem deutschen Alphabet praktisch nicht digitalisiert werden, obwohl dies prinzipiell möglich ist. Diese Situation liegt z.B. bei Verwendung des älteren ASCII - Codes (7-Bit- Code nach ISO-646 bzw. DIN 66003 - Standard) vor (Coy 219881992: 9). Die in der physikalischen Dimension des Mediums liegende Grenze ist an der Umgehung des Problems, der Verwendung von ue, ae, oe usw., unmittelbar sichtbar.

Das ist nun kein theoretisches Problem. Im Prinzip ist jede diskrete Skala mit einer entsprechenden Tabelle auf eine digitale Skala abbildbar. Das Problem der unterschiedlichen Alphabete ließe sich durch eine Tabelle lösen, die sämtliche in allen Alphabeten vorkommenden Zeichen enthält und z.B. dem chinesischen Zeichensatz viel Platz einräumen würde. Entsprechende Bestrebungen sind bisher aber nicht erfolgreich (Coy 219881992: 8). Praktisch entsteht Unzuverlässigkeit durch die Verbreitung verschiedener Tabellen. Neben der genannten ASCII - Tabelle sind die ANSI- (American National Standard Institute) und die EBCDIC- (Extended Binary Coded Decimal Interchange Code) Tabellen als verbreitete Verfahren zu nennen. Zudem liegt eine ASCII - Erweiterung auf 8 Bit vor, die auch die deutschen (sowie einige weitere) 'Sonderzeichen'61 enthält. Wenn nun eine Tabelle zur Digitalisierung und eine andere zur 'Alphabetisierung' eingesetzt wird, gibt der Computer die falschen Buchstaben aus.

Aber nicht nur die Alphabete unterscheiden sich international - auch die verwendeten Tastaturen sind unterschiedlich angeordnet, so daß der gleiche Knopf der Tastatur mit verschiedenen Buchstaben beschriftet sein kann und entsprechend zu kodieren ist. Bei heute verbreiteten PCs wird die Zuordnung daher auf der semiotischen Ebene vorgenommen. Eine Zuordnungstabelle wird beim Starten des Computers als Algorithmus geladen (sogenannte 'Tastaturtreiber'). Das hat aber weder zu einer einheitlichen Tabelle geführt noch etwas an dem Umstand geändert, daß als Standard in PCs die amerikanische ASCII - Tabelle für Alphabet und Tastatur implementiert ist.

Es gibt eine Fülle von Unzuverlässigkeiten, die aus der unheitlichen Digitalisierung des Alphabets resultieren. Hier seien nur einige Beispiele genannt: Wenn die Tabelle nicht zur angeschlossenen Tastatur paßt (amerikanische Tabelle/deutsche Tastatur), werden andere Buchstaben als die eingegebenen angezeigt - was bei PC's nach dem Anschalten immer der Fall ist, und etwa bei der Systemkonfiguration Probleme macht. Problematisch ist es, Texte auf einem Computer einzugeben, d.h. zu digitalisieren, und mit einem anderen wieder in das Alphabet zu übertragen, wenn im zweiten Computer eine andere Tabelle verwendet wird. Dieses Problem tritt immer auf, wenn Texte zwischen verschiedenen Standards, etwa Apple und IBM, ausgetauscht werden. Überraschende Effekte treten auch auf, wenn für die Übertragung aus dem Binärcode in das Alphabet im Drucker eine andere Tabelle verwendet wird als im Computer, oder im Druckertreiber eine andere Tabelle als im Tastaturtreiber verwendet wird. Zusätzliche Schwierigkeiten entstehen mit griechischen Buchstaben, mathematischen Symbolen etc. Im Blick auf den Effekt der Computertechnik im Bildungsprozeß ist damit festzuhalten:

- Buchstaben und Zahlen werden bei der Eingabe in einen Computer digitalisiert.

- Praktische Probleme bei der Digitalisierung machen Computertechnik unzuverlässig.

3.2.3.3 Benutzerinnen- und Benutzerfreundlichkeit im Bildungsprozeß

Computertechnik ist, wie in den Abschnitten 2.2.2.1 und 3.2.3.2 gezeigt wird, prinzipiell unzuverlässig. Welche Auswirkungen hat die Unzuverlässigkeit auf den Bildungsprozeß? Um die Leistungsfähigkeit der hier verwendeten Methode besser einschätzen zu können, wird vergleichend die Arbeit von Funiok dargestellt, der eine andere Methode in seiner bildungstheoretischen Analyse der Computertechnik anwendet. Funiok diskutiert die Unzuverlässigkeit von Computertechnik im Rahmen des von ihm für Bildungsfragen fruchtbar gemachten Begriffs der Benutzerinnen- und Benutzerfreundlichkeit. Er wendet, anders als die hier eingenommenen Perspektive, die den Bildungsbegriff problematisiert, den Bildungsbegriff auf die Computertechnik an.

"Normalerweise wird über den Bildungsbegriff retrospektiv - historisch gearbeitet. Hier geht es eher um den Versuch, mit ihm in einer aktualisierenden Weise umzugehen [...]. Der Bildungsbegriff wird also konstruktiv verwendet [...]" (Funiok 1993: 104).

Funiok entfaltet einen differenzierten Bildungsbegriff im Rückgriff auf vier Grundforderungen des klassischen Bildungsdenkens:

- Den umfassenden Vernunftgebrauch,

- die Universalität, d.h. Bildung als universales Bürgerrecht,

- die Individualität, d.h. individuelle Übernahme gesellschaftlicher Objektivierungen, und die

- subjektive Universalität, d.h. Entwicklung menschlichen Verhaltens in der kognitiven, emotionalen, moralischen, ästhetischen und praktischen Dimension (Funiok 1993: 106-118).

Ausgehend von diesem Bildungsbegriff stellt er die Alltagsprobleme und Bedürfnisse der Computerbenutzerinnen und -benutzer in den Mittelpunkt (Funiok 1992: 141). Seine Leitideen sind die Technikakzeptanz, die Frage nach den Zielen beim Erlernen des Umgangs mit der Computertechnik, die Benutzerinnen- und Benutzerfreundlichkeit, die Computertechnik als Werkzeug und die Computertechnik als virtueller Dialogpartner (Funiok 1993: 143-240). Die Unzuverlässigkeit der Computertechnik fällt unter die Leitidee der Benutzerinnen- und Benutzerfreundlichkeit.

Funiok verdichtet die Ergebnisse seiner Analyse nun zu einem Imperativ:

"Suche das am leichtesten handhabbare und erlernbare System, erlerne es als Werkzeug und versuche, Spaß an der Arbeit zu finden" (Funiok 1993: 167).

Als Aspekte der Computertechnik, an denen die Eignung als Werkzeug zu bemessen ist, diskutiert Funiok die optimale Verfügbarkeit, die Kontrollierbarkeit und die Handhabbarkeit. Die hier zur Diskussion stehende physikalische Dimension fällt unter die optimale Verfügbarkeit, zu der Funiok kurze Antwortzeiten durch ausreichende Prozessorleistung und das Fehlen grober Störungen zählt (Funiok 1993: 187). Das im letzten Abschnitt diskutierte Beispiel der fehlerhaften Digitalisierung von Buchstaben kann ohne weiteres als grobe Störung aufgefaßt werden, da eine fehlerhaft funktionierende Tastatur vor allem für Benutzerinnen und Benutzer, die mit den Details der Technik nicht vertraut sind, einen Gebrauch der Computertechnik als Werkzeug unmöglich macht. Funiok weist auf einen Effekt dieses Umstands hin: Computerkurse halten sich oft lange mit Mikroprozessortypen oder Taktfrequenzen auf (Funiok 1993: 180).

Funiok berücksichtigt in seiner Analyse der Computertechnik die physikalische Dimension des Mediums. Im Zusammenhang mit der Benutzerschnittstelle, in dem auch die Tastatur und der Bildschirm genannt wird, nennt er als Aspekt der Benutzerfreundlichkeit:

"An der Benutzerschnittstelle werden also Regeln für die Anpassung der Maschine an die Wünsche des Menschen formuliert, freilich ist dabei immer auch eine Anpassung des Menschen an die Möglichkeiten der Maschine notwendig" (Funkiok 1993: 179).

Der erste Fall, die Anpassung der Maschine an die Wünsche des Menschen, wird von ihm in den Mittelpunkt gerückt. Das macht der zitierte Imperativ deutlich. Diese Sichtweise folgt aus dem von Funiok verwendeten Ansatz. Eine Betrachtung der Computertechnik aus Sicht des Bildungsbegriffs ergibt Regeln für die Anpassung der Maschine an die Wünsche des Menschen. Dagegen erfordert eine Analyse der Anpassung des Menschen an die Computertechnik eine Betrachtung der Computertechnologie als Moment des Bildungsprozesses. Mit der hier verwendeten Methode wird Funioks Analyse also aus einem zweiten Blickwinkel heraus differenziert und ergänzt.

Die Digitalität als Eigenschaft der physikalischen Dimension des Mediums ist eine Erklärung für die oft fehlende und von Funiok mit dem Argument der Orientierung an den Nutzerinnen und Nutzern zurecht angemahnte Benutzerinnen- und Benutzerfreundlichkeit von Computertechnik. Ein einfach zu bedienendes und zuverlässiges System zu suchen wäre eine Möglichkeit, die Unzuverlässigkeit der Computertechnik zu vermeiden. Da die Unzuverlässigkeit aber eine Eigenschaft ist, die aus der physikalischen Dimension von Computern resultiert, ist sie nicht zu umgehen. Auch beim zuverlässigsten System wird früher oder später ein Fehler auftreten.

Aus Sicht der Lehrenden hat die Unzuverlässigkeit der Computertechnologie den Effekt, daß Computertechnologie als Gegenstand des Unterrichts in den Mittelpunkt rückt und die ursprünglich intendierten Inhalte verdrängt. Da dieser Effekt auf Eigenschaften der physikalischen Dimension des Mediums zurückgeht, läßt er sich nicht vermeiden, wenn Computertechnik verwendet wird. Es ist stets damit zu rechnen, daß Computertechnik, ob gewollt oder ungewollt, zum Gegenstand des Unterrichts wird.

Wenn Computertechnik zum Gegenstand jeden Unterrichts wird, in dem Computertechnik - in welcher didaktischen Funktion auch immer - verwendet wird, machen die Eigenschaften der Technik es erforderlich, nach dem didaktischen Konzept der Informationstechnischen Grundbildung (ITG, vgl. Kapitel 1.2.2) zu arbeiten, weil nach diesem Konzept in jedem Unterricht, in dem Computertechnik verwendet wird, auch über Computertechnik unterrichtet werden soll.

Die Auseinandersetzung mit Funkiok zeigt die Leistungsfähigkeit der hier verwendeten Methode, da Funioks pädagogische Medienanalyse um eine neue Perspektive erweitert werden kann. Die Methode der Darstellung von Medien als Element des Bildungsprozesses ermöglicht also eine differenzierte Darstellung der Computertechnik insbesondere im Blick auf Bildungspozesse.

Als Ergebnis dieses Abschnitts kann festgehalten werden:

- Unzuverlässige Computertechnik wird automatisch zum Gegenstand des Unterrichts.

- Da die Unzuverlässigkeit eine Eigenschaft der physikalischen Dimension der Computertechnik ist, gibt es nur eine Möglichkeit zu vermeiden, daß Computertechnik zum Gegenstand des Unterrichts wird: Es muß auf ihren Einsatz verzichtet werden.

Damit ist zu empfehlen, daß Computertechnik nur dann im Unterricht eingesetzt wird, wenn die Lernenden Kenntnisse über Computertechnik erwerben wollen und die Lehrenden über Computertechnik unterrichten können.

3.2.3.4 Technikfeindlichkeit

An dieser Stelle ist es erforderlich, einen Aspekt des Vorverständisses, das in diese Arbeit eingeflossen ist, explizit zu machen. Die im letzten Abschnitt eingenommen Position, Aufklärung über die Grenzen der Computertechnik zu betreiben, begegnet gelegentlich dem Vorwurf der Technikfeindlichkeit. Mit diesem Vorwurf ist schon dann zu rechnen, wenn der Verzicht auf Technikverwendung wie im letzten Abschnitt nur berücksichtigt, nicht aber gefordert wird.

Nun meint Aufklärung - und Aufklärung erscheint angesichts der Mythologisierung der Computertechnik tatsächlich notwendig - über die Eigenschaften der Computertechnik noch keine Bewertung. Daß Computertechnik Effekte auf den Bildungsprozeß hat, ist zunächst eine Tatsache. Die Beurteilung dieser Tatsache ist eine zweite Frage. Ein Urteil über die Verwendung von Computertechnik außerhalb der Pädagogik zu fällen ist keine Aufgabe wissenschaftlicher oder praktischer Pädagogik. Die Pädagogik steht gegenüber den Lernenden aber in der Pflicht, kritische Fragen zu berücksichtigen und den Lernenden den Ausgang aus der eigenen Unmündigkeit anzubieten.

Das Angebot an Lernende, sie über Computertechnik aufzuklären, läßt sich mit Überlegungen zum Verhältnis von Pädagogik und Ethik legitimieren: Pädagogisches Handeln, das die Lernenden zu einer bestimmten, als letzte Wahrheit erkannten ethischen Grundhaltung erziehen will, ist ebensowenig zu rechtfertigen wie der Versuch, die bloße individuelle Überzeugung weiterzugeben oder gar die ethische Frage aus dem Erziehungsgeschäft herauszuhalten (Han u.a. 1992: 29-33).

Diese ethische Grundhaltung ergibt sich aus dem Vertrauensverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden, das keine unkritische Anpassung der Lernenden an eine Technik durch die Lernenden zuläßt. Insofern ist Funiok zuzustimmen, wenn er zur Beurteilung der Computertechnik schreibt:

"Die Pädagogik darf sich an keine dieser Richtungen fest binden - weder an die stetigen Warner vor Technikgefahren noch an die Verharmloser der Gefährdungen" (Funiok 1992: 147).

Nun gehört - folgt man der Einteilung von Kerstiens (1992: 105) - zur pädagogischen Ethik auch die Frage nach den ethischen Maßgaben für die Lehrenden. Diesen empfiehlt Funiok im an das eben zitierte Gebot anschließenden Satz:

"Eine kritische und zugleich aktive Position bestünde in der Bereitschaft von Lehrer und Erziehern, die durch technische Innovation Betroffenen bei dem oft schwierigen Anpassungsprozeß mit positiven Hilfestellungen zu begleiten" (Funiok 1992: 147).

Dem ist zuzustimmen - vorausgesetzt, die Betroffenen wünschen das; oder der Umgang mit der Technik ist mit objektiven Vorteilen für sie verbunden. Mit objektiven Vorteilen kann z.B. die Vermittlung von Lese- und Schreibfähigkeiten an Schülerinnen und Schüler, die das überhaupt nicht lernen wollen, gerechtfertigt werden. Allerdings wird die Betonung des Anpassungsprozesses als Rechtfertigung für pädagogisches Handeln dann problematisch, wenn die Betroffenen zum Umgang mit technischen Innovationen gezwungen werden und diese Innovationen für sie mit objektiven Nachteilen verbunden sind. Das ist bei der Computertechnik durchaus der Fall; erinnert sei an die Diskussion um den 'gläsernen Bürger' oder den Arbeitsplatzabbau. Die Anpassung dann mit pädagogischen Mitteln zu unterstützen ist ein fragwürdiges Unterfangen.

Funiok hat diese Problematik durchaus gesehen (Funiok 1992: 128-133). Er schlägt vor:

"Für die Computerbildung ergibt sich also auch aus den grundsätzlichen Überlegungen der politischen Bildung, daß eine kritisch - aktive Akzeptanzbereitschaft angemessener ist als eine überkritisch - passive Akzeptanzverweigerung" (Funiok 1992: 153).

Dem ist die hier geltend gemachte Ausnahme entgegenzuhalten: Wenn den Lernenden objektive Nachteile aus technischen Innovationen erwachsen, ist die Schaffung von Akzeptanzbereitschaft nur noch um den Preis der Auslieferung der praktischen Pädagogik an äußere Interessen möglich. Und es ist denkbar, daß eine Rechtfertigung von Anpassung - auch mit dem von Funiok angeführten Verweis auf den Druck durch den internationalen Kontext (Funiok 1992: 149) - nicht immer möglich ist.

Kurz gesagt, folgt Funiok seinem eigenen Neutralitätsgebot nicht, wenn er auf Akzeptanzförderung setzt. Ist die Akzeptanzförderung zu rechtfertigen, entsteht kein Problem. Davon geht Funiok offenbar aus, was durchaus legitim ist, da die Frage nicht präzise entschieden werden kann. Die Entscheidung wird mit den angeführten Bedenken jedoch problematisch, weshalb Funioks optimistische Implikationen hier nicht geteilt werden können.

Es geht bei den Konsequenzen aus der Kenntnis der Effekte der Computertechnik im Bildungsprozeß nicht darum, die Entscheidung für oder gegen die Computertechnik aus der wissenschaftlichen Pädagogik heraus zu treffen, d.h. zu beurteilen, ob technische Innovationen den Individuen oder der Gesellschaft Vorteile oder Nachteile bringen. Das soll und das kann wissenschaftliche Pädagogik nicht leisten. Die Entscheidung über das eigene Handeln muß den Lehrenden und Lernenden überlassen bleiben. Es geht darum, diese Entscheidung tatsächlich offen zu lassen und die Pädagogik von keiner Seite vor den Karren spannen zu lassen - eben auch nicht durch die Einschränkung pädagogischen Handelns auf eine Akzeptanzförderung. Damit ist Funioks Empfehlung zu erweitern: Eine kritische und aktive Position besteht darin, die durch technische Innovation Betroffenen bei dem oft schwierigen Anpassungsprozeß oder der oft schwierigen Kritik und dem daraus resultierenden politischen Handeln mit positiven Hilfestellungen zu begleiten.

Daß die Kritik schwierig ist, hat die bisherige Darstellung der physikalischen Dimension der Mediums Computertechnik gezeigt. Die Analyse der Wirkungen der Computertechnik kann daher nicht in die Verantwortung der Lernenden gestellt werden. Es ist eine angemessene didaktische Aufarbeitung zu leisten, die auf Urteilsfähigkeit hinwirkt.

Beide Möglichkeiten - Anpassung und Kritik - müssen berücksichtigt werden. Damit ist nicht gesagt, daß Lehrende indifferent sein sollen. Aber es ist durchaus möglich, neben der persönlichen Überzeugung auch die dazugehörigen Argumente zu liefern - und so den Lernenden die Entwicklung einer eigenen Moral zu ermöglichen:

"Es besteht kein vernünftiger Grund, Heranwachsenden nicht ebenfalls beides zu vermitteln: die praktische Fraglosigkeit grundlegender moralischer Einstellungen [...] und ihre Verknüpfung mit außermoralischen Gemüts- und Verhaltensorientierungen. Diese Orientierungen können moralische Einstellungen stützen und motivieren; an die appellierend, liefert der Erzieher dem Kind Argumente - aber nicht Begründungen - für die Aneignung jeder Einstellungen" (Han u.a. 1992: 56).

Die Konsequenz aus dem Exkurs zur Technikfeindlichkeit ist:

- Die Entscheidung über Akzeptanz oder Verzicht im Umgang mit Computertechnik muß offen gelassen werden.

- Die Vermittlung der Fähigkeit zum kritischen Umgang mit Computertechnik soll angeboten werden.

Weder Akzeptanz noch Ablehnung ist als vorrangiges Ziel zu rechtfertigen, ebensowenig eine bestimmte Reihenfolge: Didaktisch ist die Akzeptanzförderung aus der Kritik heraus ebenso denkbar wie das umgekehrte. Nicht zu rechtfertigen ist es aber, einen der beiden Aspekte unter den Tisch fallen zu lassen.

3.2.3.5 Implosion durch digitale Atomisierung

Nachdem sich die hier verwendete Methode am Beispiel der Digitalisierung mit der Tastatur bewährt hat, werden nun weitere Effekte der Computertechnik auf den Bildungsprozeß dargestellt. Dazu wird in diesem Abschnitt auf die Analysen McLuhans zurückgegriffen. Die These ist, daß die Digitalisierung der Buchstaben das phonetische Alphabet überhitzt und zur Implosion bringt. Diese These greift auf McLuhans Unterscheidung zwischen heißen und kalten Medien zurück, die im nächsten Abschnitt eingeführt und weiterentwickelt wird. Diese Unterscheidung ergänzt den hier eingeführten Medienbegriff und erweitert damit das zur Verfügung stehende Instrumentarium. Anhand der Unterscheidung zwischen heißen und kalten Medien wird das neue didaktische Konzept heißer und kalter Methoden entwickelt. Ebenfalls im Anschluß an McLuhan wird dann die Explosion und die Implosion als Wirkung von Medien aufgegriffen und nachgewiesen, daß die Digitalisierung des phonetischen Alphabets mit Turingautomaten die Wirkung der Computertechnik von der Explosion zur Implosion verkehrt.

3.2.3.5.1 Heiße und kalte Medien

McLuhan nennt ein Kriterium, nach dem sich heiße und kalte Medien unterscheiden lassen:

"Ein 'heißes' Medium ist eines, das nur einen der Sinne allein erweitert, und zwar bis etwas 'detailreich' ist. Detailreichtum ist der Zustand, viele Daten oder Einzelheiten aufzuweisen" (McLuhan 19641992: 35).

Das zentrale Kriterium für heiße und kalte Medien ist der Detailreichtum. Dabei verwendet McLuhan die Begriffe relativ. Die Temperatur eines Mediums stellt er im Vergleich zu einem anderen Medium fest. McLuhan nennt eine Reihe von Beispielen, die hier aus dem Buch 'Understanding Media' vollständig zusammengestellt sind:


Heiße Medien Kalte Medien

                                                   

Radio Telefon 35

Fotografie Karikatur 35

Film Fernsehen 35

Phonetisches Alphabet Gesprochene Sprache 35

Phonetisches Alphabet Hieroglyphen 36

Phon. Alphabet Ideographische Schriftzeichen 36

Papier Stein 36

Buch Zwiegespräch 36

Stahläxte Steinäxte 37

Geld 37

Rad 37

Mechanische Medien Elektrische Medien 40

Netzseidenstrümpfe Nylons 43

Radio Zeitung 43

Atombombe Spiele 45

Plattenspieler Fernsehen 46

Klare Brillen Sonnenbrillen 46

Fotografie, Radio, Film Die Zeitschrift MAD 193

Fotografie, Radio, Film Comics 195

Radio Fernsehen 342

Buchdruck Comics 352

Buchdruck Fernsehen 352

Zeitung Fernsehen 35362

Radio Fernsehen 356

Film Fernsehen 363

Buchdruck Handschrift 364

Hardcoverbücher Paperbackbücher 370

Limousinen Kleinwagen 371

Film [Stummfilm C.S.] Fernsehen 376

(Tab. 2: McLuhan 19641992: Seitenangaben hinter den Beispielen)

McLuhan wendet die Unterscheidung zwischen heißen und kalten Medien an, ohne sie zu definieren. Er liefert keine Bestimmung der Begriffe. Dadurch wird die Anwendung des Konzepts auf andere als die genannten Medien mindestens mühsam, wenn nicht unmöglich. Für die hier beabsichtigte Anwendung auf die Computertechnologie ist es daher notwendig, die Begriffe zu präzisieren. Dazu ist es zunächst zweckmäßig, ein Beispiel genauer darzustellen.

Eine Fotografie kann nur gesehen werden, vom Gehör, dem Tastsinn oder einem anderen Sinn kann sie nicht wahrgenommen werden. Die Fotografie spricht nur einen Sinn an. Dabei sind auf einer Fotografie in Relation zur Karikatur viele Einzelheiten sichtbar. Die Fotografie bietet dem Sehsinn hohen Detailreichtum. Da Fotografien nur einen Sinn ansprechen und detailreich sind, handelt es sich in Relation zur Karikatur um heiße Medien.

Eine Karikatur spricht ebenfalls nur den Sehsinn an. Sie enthält in Relation zur Fotografie weniger Einzelheiten. Dem Sehsinn werden nur wenige Informationen angeboten. Die Karikatur ist detailarm. In Relation zur Fotografie sind Karikaturen kalte Medien.

Das Beispiel deutet bereits an, daß McLuhan auch die angesprochenen Sinne bei der Beurteilung von Medien als heiß oder kalt berücksichtigt. Damit sind zwei Kriterien für die Unterscheidung heißer und kalter Medien genannt, die im folgenden Schema darstellt werden.


Detailreich

³

heißer

³

³

Ein Sinn     heißer       Å   kälter         Mehrere Sinne

³

kälter

³

³

Detailarm

(Abb. 3)

Dieses Schema läßt sich mit McLuhans Beispielen belegen. So ist der Film heißer als das Fernsehen, da das Bild mit höherer Auflösung und der Ton mit einem breiteren Frequenzspektrum präsentiert wird; der Tonfilm ist kälter als der Stummfilm, weil mehrere Sinne angesprochen werden; klare Brillen sind heißer, weil mehr Details gesehen werden, als mit Sonnenbrillen, die Details wegfiltern; Papier ist heißer als Stein, weil mehr Details wiedergegeben werden können; das Buch ist heißer als das Zwiegespräch, weil im Zwiegespräch mehrere Sinne verwendet werden; etc. Die Sinnesanzahl und der Detailreichtum sind die beiden wesentlichen Kriterien, die McLuhan bei seiner Analyse verwendet. Die Sinneszahl und der Detailreichtum werden hier daher als Grundlage für die Darstellung heißer und kalter Medien genommen.

McLuhans Interesse gilt der Botschaft, die von heißen und kalten Medien ausgeht. Diese ist ihrer 'Temperatur' entgegengesetzt: Während kalte Medien aufheizen, kühlen heiße Medien ab. Das ist an einem Beispiel zu verdeutlichen:

Die Schriftsprache in Form des gedruckten phonetischen Alphabets ist in Relation zum Fernsehen ein heißes Medium. Die gedruckte Schriftsprache ist mit der hohen Auflösung, in der die Buchstaben wiedergegeben werden, detailreich. Die detailreichen Buchstaben machen keine Ergänzung durch die Leserinnen und Leser erforderlich. Weil nur der Sehsinn angesprochen wird, müssen die Leserinnen und Leser andere sinnliche Wahrnehmungen aus sich heraus ergänzen, z.B. Geräusche und das Aussehen von Personen bei Szenen in einem Roman. Die Nicht - Sehsinne werden gleichsam abgetrennt. Weil sie viel aus sich heraus ergänzen müssen und die Informationen nicht vom Medium präsentiert werden, distanzieren sich die Rezipientinnen und Rezipienten vom Text. Der Abstand zum Medium wird groß, die Rezipientinnen und Rezipienten werden vom Medium distanziert. Diese Distanz ist auf die abkühlende, d.h. distanzierende Wirkung der heißen Schriftsprache zurückzuführen.

Das Fernsehen ist in Relation zum gedruckten phonetischen Alphabet ein kaltes Medium, da Hörsinn und Sehsinn angesprochen werden und das Fernsehen diesen Sinnen wenig Details liefert. Das Bild hat eine in Relation zum Buchdruck geringe Auflösung, es bietet also wenig Details. Das gilt auch für den Ton, dessen geringer Detailreichtum in Relation zum Radio hörbar ist. Wegen des geringen Detailreichtums müssen die Zuschauerinnen und Zuschauer die Details selbst ergänzen. Sie müssen Bild und Ton vervollständigen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer werden gleichsam in das Medium involviert. Da das Fernsehen Hörsinn und Sehsinn anspricht, müssen kaum sinnliche Wahrnehmungen ergänzt werden. Weil das Medium vervollständigt werden muß und die Rezipientinnen und Rezipienten wenig Informationen aus sich heraus ergänzen müssen, werden die Rezipientinnen und Rezipienten in das Medium involviert. Dieses Involvieren ist auf die aufheizende Wirkung des kalten Fernsehens zurückzuführen.63

Damit kann für hier beabsichtigte Einschätzung der Wirkung der physikalischen Dimension der Computertechnik festgehalten werden:

- Kriterien für die Einordnung von Medien als heiße Medien bzw. kalte Medien sind die Anzahl der angesprochenen Sinne und der Detailreichtum der Darstellung.

- Heiße Medien wirken distanzierend, sie kühlen die Rezipientinnen und Rezipienten ab; kalte Medien wirken involvierend, sie heizen die Rezipientinnen und Rezipienten auf.

An dieser Stelle lassen sich erste Konsequenzen aus der Unterscheidung zwischen heißen und kalten Medien für Bildungsprozesse ziehen.

3.2.3.5.2 Heiße und kalte Methoden

Die Unterscheidung zwischen heißen und kalten Medien anhand der Kriterien Sinneszahl und Detailreichtum und die abkühlende bzw. aufheizende Wirkung auf die Rezipientinnen und Rezipienten werden in diesem Abschnitt für die Didaktik fruchtbar gemacht. Der Unterschied zwischen heißen und kalten Medien wird von der Pädagogik bisher nicht für didaktische Überlegungen genutzt und stellt insofern eine Neuerung dar.

Die These ist, daß heiße und kalte Methoden unterschieden werden können. Diese These ergibt sich aus der Differenz zwischen McLuhans Medienbegriff und dem hier verwendeten Medienbegriff. So faßt McLuhan Vorlesungen oder Seminare unter den Medienbegriff. Da sich bei Vorlesungen oder Seminaren aber keine physikalische Dimension feststellen läßt, ist der hier verwendete Medienbegriff nicht anwendbar. Methoden sind nicht an Gegenstände gebunden.

Bei Methoden handelt es sich aus pädagogischer Sicht um komplexe Handlungskonzepte für die pädagogische Interaktion (Schulz 19851995: 53). Als komplexe Handlungskonzepte sind Methoden aber nicht von vornherein an Gegenstände gebunden und werden hier daher - anders als bei McLuhan - von Medien unterschieden.64

Die didaktische Methodenentscheidung leitet nun die Medienwahl an (Wittern 19851995: 27). So wird z.B. das Medium der gesprochenen Sprache oft mit der Methode Seminar kombiniert. Vorlesungen und Seminare sind Methoden, keine Medien. Daß die Unterscheidung zwischen heißen und kalten Medien auch auf Methoden anwendbar ist, macht McLuhan dadurch deutlich, daß er das, was hier als Methode verstanden wird, unter den Medienbegriff faßt.

Anhand der Unterscheidung von heißen und kalten Methoden in Analogie zu heißen und kalten Medien lassen sich Vorlesung und Seminar zuordnen. Die Vorlesung65 oder der Frontalunterricht ist eine heiße Methode. Es werden viele Informationen mit großem Detailreichtum geboten, die nur den Hörsinn ansprechen. Das kühlt das Publikum ab, es muß wenig ergänzen, beteiligt sich kaum und wird nicht involviert - es sitzt nur da und hört zu. Dagegen ist das Seminar oder die Gruppenarbeit eine kalte Methode. Es werden nur wenige Informationen geboten, das Publikum muß sich persönlich beteiligen, es wird involviert und aufgeheizt. Das wird unmittelbar an dem Umstand sichtbar, daß die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Seminaren sich mit eigenen Beiträgen beteiligen. Wobei der Effekt besonders scharf hervortritt, wenn Seminare durch monologisierende Dozentinnen oder Dozenten oder überlange Referate zu Vorlesungen werden: Das Publikum wird abgekühlt. Oder umgekehrt: Reicht der Detailreichtum von Vorlesungen nicht, dann werden sie kälter, das Publikum taut auf und fragt nach.

Heiße und kalte Methoden lassen sich damit wie heiße und kalte Medien anhand des Detailreichtums und der Anzahl der angesprochenen Sinne unterscheiden. Diese Unterscheidung wird im Abschnitt 3.2.5 auf die Computertechnik angewandt. Zunächst ist jedoch die Analyse der Wirkung der physikalischen Dimension der Computertechnik weiterzuführen.

3.2.3.5.3 Die Wirkung heißer und kalter Medien

McLuhan stellt die Wirkung von heißen bzw. kalten Medien auf die Gesellschaft in den Mittelpunkt. Dabei setzt er implizit voraus, daß ein bestimmtes Medium in einer Gesellschaft dominant ist, d.h. am häufigsten verwendet wird. Für unsere heutige Gesellschaft trifft das auf das Fernsehen zu. Die Gesellschaften, auf die die Medien wirken, bezeichnet McLuhan nach der Wirkung der dominanten Medien als explosive oder implosive Gesellschaften.

Die Unterscheidung wird von McLuhan nicht expliziert, sondern anhand von Beispielen eingeführt. Die Beispiele für eine explosive bzw. implosive Kultur in McLuhans Schrift 'Understanding Media' sind zahlreicher als die Beispiele für heiße und kalte Medien. Daher werden hier nur einige im Blick auf Bildungsprozesse ausgewählte Beispiele zur Illustration wiedergegeben; die für den ersten Teil von 'Understanding Media' vollständige Tabelle befindet sich im Anhang.


Explosive Kultur Implosive Kultur

Heißes Medium dominiert Kaltes Medium dominiert

                                                   

Ausweitung in den Raum Aufheben von Zeit und Raum 11

Aktion und Reaktion Aktion und Reaktion

nacheinander gleichzeitig 12
Distanzierte Rolle Tiefes Miterleben 12

Mechanisierung Automation 17

atomistisch, kontinuierlich 22 Gestalt, Bildsymbol 23

Uniformierung Aufhebung der Uniformierung 29

Vorlesung Seminar 36

mechanistische Weltanschauung organischer Mythos 38

Zentralisierung Dezentralisierung 51

Atomistisches Wissen Koordination des Wissens 51

Teilbarkeit von Prozessen organische Verflechtung 52

Lernen und Wissen

als Aufgabe des Menschen 76

Arbeit als bezahltes Lernen 76

Unterordnung unter die Unterordnung unter den

Willenskraft großer Männer eigenen Intellekt 89

Trennung von Denken Einheit von Denken

und Fühlen und Fühlen 202

Schriftliche Bildung Mündliche Bildung als Disputation 203

Trennung von Arbeit und Alltag Verbindung von Arbeit und Alltag 393

Einteilung von Lernstoff Beziehungen zwischen

in Gegenstände den Gegenständen 394

(Tab. 3: McLuhan 19641992: Seitenzahl jeweils am Ende der Zeile)

McLuhan beschreibt, das läßt sich aus den Beispielen extrahieren, als die herausragenden Eigenschaften einer Kultur, in der kalte Medien dominant sind, Ganzheitlichkeit und dezentrale Strukturen. Eine Kultur, in der heiße Medien dominant sind, tendiert dagegen zu Trennung und zentralen Strukturen. McLuhan nennt als Beispiel vor allem die Relation von Buchdruck und gesprochener Sprache.

Der Buchdruck ist ein heißes Medium und Vorbild für die Mechanisierung und die lineare Zeitauffassung. Das Alphabet ist nach McLuhan die Quelle dessen, was wir als zivilisierten Menschen bezeichnen:

"Man kann also behaupten, daß nur das phonetische Alphabet allein die Technik war, die zur Schaffung des 'zivilisierten Menschen' führte [...]. Getrenntsein des einzelnen, Kontinuität von Raum und Zeit und Einheitlichkeit der Kodizes sind die grundlegenden Merkmale einer zivilisierten und alphabetischen Gesellschaft" (McLuhan 19631992: 103).

Diese Auswirkungen führt McLuhan auf Eigenschaften der gedruckten Schriftsprache zurück, die er in Relation zur gesprochenen Sprache herausarbeitet. Die gesprochene Sprache ist für ihn das kalte Medium der heißen Stammeskultur, die eine ganzheitliche Wahrnehmungsweise aufweist. Dagegen kühlt das heiße Medium des phonetischen Alphabets die Kultur, in der dieses Medium dominiert, ab. Das phonetische Alphabet führt zur Individualisierung, d.h. nach McLuhan zur Vereinzelung der Subjekte.

Die dabei ausschlaggebenden Eigenschaften des phonetischen Alphabets sind der Wechsel von der auditiven zur visuellen Wahrnehmung und die Zerlegung der Worte in einzelne Buchstaben. Die Betonung des Sehsinns ist der Effekt eines Medienwechsels. Mit der gesprochenen Sprache werden Laute an die Luft gebunden, d.h. der Hörsinn wird angesprochen. Dagegen handelt es sich bei der Schrift in Form eines phonetischen Alphabets um ein visuelles Medium, das den Sehsinn 'anschreibt'.

Mit der Schriftsprache werden die Worte der unmittelbaren gesprochenen Sprache in die Buchstaben der mittelbaren Schriftsprache zerlegt. Beim Übergang vom auditiven zum visuellen Medium werden zugleich Bild und Laut getrennt. Daher können die gleichen Buchstaben für jede Sprache verwendet werden. Der Wechsel von der Sprache zur Schrift ist ein Schritt der Universalisierung. Diese wird wie bei der Digitalisierung durch den Übergang von einer kontinuierlichen Skala (Töne) zu einer diskreten Skala (Buchstaben) möglich. Dieser Übergang kann für verschiedene Sprachen mit den gleichen Buchstaben erfolgen. Insofern ist die alphabetische Schrift gegenüber gesprochener Sprache universell.

Die Trennung des Gesehenen von der Bedeutung führt nach McLuhan z.B. zur inneren Aufspaltung in Vorstellungen, Gefühle und Sinne und zur äußeren Aufspaltung durch Trennung von Sippe und Familie. In der Kultur erzeugt die Trennung Gleichartigkeit, Einheitlichkeit und Stetigkeit (McLuhan 19641992: 102-107). Die Eigenschaften des an Papier gebundenen linearen phonetischen Alphabets heizen orale Stammesgesellschaften soweit auf, daß sie in eine Menge individualisierter Subjekte explodieren.

Das ist aus der Wirkung heißer und kalter Medien abzuleiten. Rezipientinnen und Rezipienten des heißen Buchdrucks ergänzen eigene Vorstellungen; sie werden nach innen, d.h. auf sich selbst verwiesen. Daher hat der Buchdruck individualisierende Wirkung. Dagegen werden die Rezipientinnen und Rezipienten des in Relation zum Buchdruck kalten Fernsehens oder der in Relation zum Buchdruck ebenfalls kalten gesprochenen Sprache in das Medium involviert, d.h. nach außen verwiesen. Daher haben Fernsehen und gesprochenen Sprache eine gruppenbildende Wirkung.

Die Reichweite des Sehsinns wird durch das Alphabet vergrößert. Dabei spielt auch hier, wie bei der Entwicklung der Computertechnik, die Verknüpfung mit politischen und militärischen Interessen eine Rolle:

"Das Alphabet bedeutet Macht und Autorität und Fernkontrolle der militärischen Anlagen" (McLuhan 19641992: 101).

Für die Vergrößerung der Reichweite sind zwei Faktoren ausschlaggebend: Zum einen ist das Alphabet im Vergleich zur voralphabetischen Schrift leicht zu lernen. McLuhan begründet dies mit der großen Anzahl der Zeichen einer voralphabetischen Schrift, die zu lernen viel Zeit in Anspruch nimmt. Dagegen können die wenigen Zeichen einer alphabetischen Schrift in kurzer Zeit eingeübt werden. Zum anderen ist es, auf Papier geschrieben, leichter als Steine oder Ziegel transportierbar. Durch die vergrößerte Reichweite wird der Sehsinn aufgeheizt (McLuhan 19641992: 101ff.).

Es ist festzuhalten:

- Ein weiteres Kriterium für heiße bzw. kalte Medien ist das Ausmaß der Aufteilung.

- Heiße Medien wirken explosiv, sie spalten Gemeinschaften auf. Kalte Medien wirken implosiv, sie führen Gemeinschaften zusammen.

Für die Frage, welche Temperatur die Computertechnik zuzordnen ist, muß noch ein weiterer Anspekt von McLuhans Ansatz dargestellt werden.

3.2.3.5.4 Das Kippen vom heißen zum kalten Medium

Heiße Medien können nach McLuhan überhitzen und wirken dann nicht mehr explosiv, sondern implosiv. Die These hier ist, daß Computertechnik ein überhitztes Medium ist und daher nicht explosiv, sondern implosiv wirkt. Das läßt sich daran belegen, daß Computertechnik durch Digitalisierung das heiße Alphabet überhitzt und so zum kalten Medium wird.

McLuhan demonstriert, daß es bei jedem Medium eine kritische Grenze gibt, an der das System plötzlich in ein anderes umschlägt (McLuhan 19641992: 49-56). Er formuliert den Ablauf allerdings nicht explizit, sondern erläutert ihn an einer Vielzahl von Beispielen. Der Kern der Beispiele ist: Ein Medium hat eine Eigenschaft und eine daraus resultierende Temperatur. Die Eigenschaft wird verstärkt, indem das Medium zur Botschaft eines anderen Mediums wird. Das löst einen Temperaturwechsel aus. Das heiße Medium wird zu einem kalten und umgekehrt.

Ein zentrales Thema bei McLuhan ist der Übergang vom mechanischen zum elektronischen Transport der Schrift. Die Schrift wird durch die Elektrifizierung beschleunigt. Farbe und Papier als physikalische Träger der Schrift müssen mechanisch transportiert werden, z.B. zu Fuß. Das nimmt einige Zeit in Anspruch. Wird nun Farbe und Papier durch Elektrizität und Kabel ersetzt, verkürzt sich die Transportzeit erheblich.

Das wird bei der Einführung des Telegrafen sichtbar. Ein Schiff braucht am Ende des 19. Jahrhunderts mehrere Monate, um Texte nach Australien zu transportieren. Mit der elektrischen Telegrafie sind Texte in wenigen Stunden (verzögert durch Relaisstationen) am Ziel. Die Transportgeschwindigkeit der Schrift, die mit dem Wechsel vom Stein zum Papier schon gestiegen war, wird weiter erhöht. Dadurch wird das Medium aber nicht zu einem besonders heißen Medium, sondern zu einem überheißen Medium. Seine Wirkung kehrt sich um.

Diese Umkehrung ist am Telegrafen gut sichtbar. Das phonetische Alphabet mit Farbe und Papier löst, wie im letzten Abschnitt dargestellt, Gemeinschaften in getrennten Individuen auf. Ein Grund dafür sind die Transportzeiten. Es ist relativ viel Zeit nötig, um Papier von einem Ort zu einem anderen zu transportieren. Die Orte werden voneinander getrennt. Mit der Beschleunigung durch den Telegrafen kehrt sich der Effekt um. Ein Text ist relativ schnell an einem anderen Ort verfügbar. Dadurch rücken die Orte näher zusammen, ihre Trennung beginnt zu verschwinden.

"Es ist vielmehr der Umstand, daß jeder auf der Welt in nächster Nähe des anderen leben muß, weil wir, durch die Elektrizität bedingt, am Leben der anderen aktiv Anteil nehmen" (McLuhan 19641992: 51).

Die Beschleunigung, die mit dem Wechsel von Papier und Farbe zu Kabeln und Elektrizität verbunden ist, kehrt die Wirkung des phonetischen Alphabets um. Die Trennung wird überwunden und die Menschen näher aneinandergerückt. Der Telegraf bewirkt keine Explosion, sondern eine Implosion. Wegen der Aufhebung der Trennung ist der Telegraf ein kälteres Medium als der Buchdruck. Diese Umkehrung ist auch beim Übergang vom Buchdruck zur Computertechnik zu beobachten. Die Umkehrung wird durch zwei Eigenschaften der Computertechnik ausgelöst: Durch Digitalität und Universalität.

McLuhan hat als eine Eigenschaft des phonetischen Alphabets die Zerlegung der Sprache in Buchstaben herausgearbeitet. Mit dem Übergang zur Computertechnik wird die Schriftsprache zur Botschaft eines anderen Mediums. Die Buchstaben werden nicht mehr an Papier gebunden, sondern an einen digitalen Turingautomaten. Dabei werden, wie im Abschnitt 3.2.3.2 gezeigt, die Buchstaben in einen digitalen Code zerlegt. Die gesprochenen Worte werden durch das phonetische Alphabet aufgetrennt; die Computertechnik trennt das phonetische Alphabet auf. Dadurch wird das heiße Alphabet weiter aufgeheizt, die kritische Grenze wird überschritten und das Medium Computertechnik wirkt implosiv.

Die implosive Wirkung der Computertechnik wird an der zweiten Eigenschaft der Computertechnik, der Universalität, sichtbar. Eine Eigenschaft des phonetischen Alphabets ist nach McLuhan die Trennung von (Schrift ) Bild und Laut, die zur Universalität des Alphabets führt. Das phonetische Alphabet ist universeller als die jeweilige Sprache, für die es verwendet wird. Das ist einer der Gründe dafür, daß Alphabete keine kalten Medien wie die gesprochene Sprache, sondern heiße Medien sind. Computertechnik ist nun universeller als das phonetische Alphabet. In den digitalen Code kann jede Schriftsprache, jede gesprochene Sprache, Musik, Bilder, Filme etc. übertragen werden. Da durch die Universalität viele Medien zur Botschaft der Computertechnik werden, können mehrere Sinne angesprochen werden. Das hebt die trennende Wirkung des Alphabets auf. Computertechnik wirkt implosiv.

Bei der Digitalisierung geht auch der Detailreichtum zurück. Das wird im Abschnitt 3.2.3.1 am Beispiel der Musik gezeigt. Da kalte Medien nach der hier vorgelegten Definition detailärmer sind oder mehr Sinne ansprechen als heiße Medien, ist der Rückgang des Detailreichtums ein weiteres Argument für die Einordnung der Computertechnik als kaltes Medium. Die Implosion des phonetischen Alphabets beim Übergang zur Computertechnik wird durch die digitale Zerlegung der Buchstaben und die Verbindung mit anderen Medien in der Universalität des digitalen Codes ausgelöst.

Die Verbindung mit anderen Medien ist nach McLuhan eine oft anzutreffende Ursache für Implosionen:

"Eine der gewöhnlichsten Ursachen eines Bruchs in irgendeinem System ist die gegenseitige Befruchtung mit einem anderen System, wie es beim Druck und der Dampfpresse der Fall war, oder beim Radio und Film" (McLuhan 19641992: 55).

Oder, so läßt sich das Zitat fortführen, beim phonetischen Alphabet und der digitalen Computertechnologie. Die Betrachtung der Computertechnik unter dem Aspekt der Implosion zeigt:

- Der Übergang vom phonetischen Alphabet zum digitalen Computer überhitzt das Alphabet.

- Digitale Computertechnik ist ein implosives Medium mit aufheizender Wirkung.

Nun ist Computertechnik nicht nur digitale Technik, sondern auch elektronische Technik. Diese Eigenschaft muß bei der Beurteilung der Computertechnik berücksichtigt werden.

3.2.4 Computer als elektronisches Medium

Um die implosive Wirkung der elektronischen Computertechnik klar darstellen zu können, muß das hier verwendete Instrumentarium weiter differenziert werden. Die Wirkung der Elektrifizierung der Computertechnik wird besonders deutlich in Relation zur von McLuhan herausgearbeiteten Linearität und Serialität des gedruckten Alphabets. Der Medienbegriff wird in diesem Abschnitt um diese beiden Aspekte zur Analyse von Medien im Blick auf die Medienwirkung im Bildungsprozeß erweitert. Zugleich wird Computertechnik unter den Aspekten der Serialität und Linearität analysiert.

Ebenso wie Computertechnik nicht notwendig digital ist, muß sie nicht zwingend elektronisch gebaut werden; von den ersten Rechenmaschinen bis zum Z1 von Zuse werden Computer mechanisch konstruiert. Den Grund für die Ablösung der mechanischen durch elektronische Schalter nennt Wiener, der schreibt,

"[...] daß diese Mechanismen, die im wesentlichen Schalter sind, Elektronenröhren enthalten sollten und nicht Getriebe oder mechanische Relais, um nämlich einen schnelleren Arbeitsablauf zu sichern" (Wiener 19481992: 29).

Die Verwendung elektronischer statt mechanischer Schalter ermöglicht eine erhebliche Beschleunigung der Computertechnik. Ein Effekt, der durch die Verwendung von Transistoren an Stelle von Röhrentechnik noch vorangetrieben wird, da Transistoren höhere Schaltgeschwindigkeiten als Röhren erreichen (Faulstich u.a. 1993: 388). Computer werden also wegen der höheren Arbeitsgeschwindigkeit als elektronische Turingautomaten gebaut.

3.2.4.1 Elektrische Implosion

Die erhöhte Arbeitsgeschwindigkeit verändert die Wirkung der Computertechnik. Die veränderte Wirkung wird an der Aufhebung von Linearität und Serialität in Relation zum Buchdruck sichtbar. McLuhan verwendet die Worte zwar, definiert aber weder die Begriffe noch führt er Bezeichnungen für nicht-serielle bzw. nicht-lineare Medien ein. Serialität und Linearität sind hier daher als Elemente des Medienbegriffs neu zu definieren.

3.2.4.1.1 Lineare und parallele Medien

Bei linearen Medien werden die Inhalte eher in einer zeitlichen Abfolge rezipiert. Bei parallelen Medien werden die Inhalte eher gleichzeitig rezipiert. Diese beiden Aspekte des Medienbegriffs sind wie die Unterscheidung zwischen heißen und kalten Medien relativ gefaßt. Ein Medium kann linearer oder paralleler als ein anderes sein. Ein einzelnes Medium läßt sich aber ohne Relation zu einem anderen Medium nicht als linear oder parallel ausweisen.

Die Linearität als Eigenschaft des phonetischen Alphabets in Relation zur gesprochenen Sprache besteht darin, daß die Worte in Buchstaben zerlegt und hintereinander aufgereiht werden. Das wird auch an der Relation des phonetischen Alphabets zur Fotografie deutlich. Während der Inhalt eines Textes beim Lesen wegen der linearen Anordnung nacheinander rezipiert wird, wird der Inhalt einer Fotografie 'auf einmal', d.h. parallel rezipiert.

In Relation zum Buchdruck ist das Fernsehen paralleler. Während eine Szene in einem Buch nach und nach beschrieben wird, wird im Fernsehen die Szene auf einmal präsentiert. In der Relation von phonetischem Alphabet und gesprochener Sprache ist die gesprochene Sprache das parallelere Medium, weil die Worte der gesprochenen Sprache nicht in einer Abfolge, sondern gleichzeitig rezipiert werden. Das ist daran zu sehen, daß kleine Kinder Worte nicht mehr verstehen können, wenn sie buchstabiert werden, d.h. die parallele Rezeption des Inhalts durch Linearisierung verhindert wird, und daß ungeübte Leserinnen und Leser die parallele Gestalt des gesprochenen Wortes aus der lineare Abfolge der Buchstaben erst rekonstruieren müssen, um ein Wort zu verstehen.

Die Wirkung eines linearen Mediums ist eine andere als die Wirkung eines parallelen Mediums. Während lineare Medien Abfolgen nahelegen, begünstigen parallele Medien ganzheitliche Gestalten. McLuhan schreibt dazu:

"Das geschriebene Wort entziffert in zeitlicher Abfolge, was im gesprochenen Wort sofort und uneingeschränkt gegeben ist" (McLuhan 19641992: 97).

Ein Beispiel für Wirkung der Linearität ist die Wirkung des Alphabets auf die Wahrnehmung der Zeit. Das Alphabet bewirkt durch die lineare Anordnung der Buchstaben die Wahrnehmung der Zeit als Dauer und die Messung dieser Dauer mit Uhren. Die Wirkung des Alphabets auf die Wahrnehmung der Zeit belegt McLuhan mit dem Umstand, daß sich die erste Kultur, in der Zeit mit Uhren gemessen wird und der Tagesablauf an der Uhrzeit ausgerichtet wird, in den mittelalterlichen Klöstern findet, in denen die Schriftsprache das dominante Medium ist (McLuhan 19641992: 170ff.).

Ein Beispiel für die Wirkung eines parallelen Mediums ist die Wirkung der Fotografie auf die Wahrnehmung des Reisens in Relation zum Buchdruck. Eine Reisebeschreibung liefert keine genaue Vorstellung eines fremden Ortes. Dagegen erweckt eine Fotografie den Eindruck, daß der neue Ort schon bekannt ist. Die Reise verliert so ihren Wagnischarakter. Die Fotografie bewirkt bei Reisenden, daß sie kaum Unbekanntes oder Neues erfahren. Sie sehen das, was sie vorher schon auf der Fotografie gesehen haben. Auf der Reise entsteht keine Distanz mehr zu den Dingen, sie erscheinen genau so, wie sie zu Hause auf dem Foto auch ausgesehen haben. Auf dem Foto und auf der Reise wird dieselbe Gestalt wahrgenommen (McLuhan 19641992: 229f.).

3.2.4.1.2 Computertechnik als paralleles Medium

Computertechnik ist in Relation zur gesprochenen Sprache zunächst ein lineares Medium. Die Darstellung von Turings Automatentheorie im Abschnitt 3.2.2.1 zeigt, daß Turingautomaten immer einen Arbeitsschritt nach dem anderen ausführen. Es ist zwingend notwendig, die Aufgaben, die ein Turingautomat ausführen soll, in lineare Arbeitsschritte zu zerlegen. Das gilt auch bei komplexeren Automaten, etwa sogenannten Parallelcomputern, die immer auf das dargestellte einfache Modell zurückgeführt werden können (Hoppcroft u.a. 319791994: 170).

Im Unterschied zum linearen phonetischen Alphabet auf Papier handelt es sich bei der Computertechnik aber um ein elektrisches Medium. Mit der Elektrifizierung der Turingautomaten werden Verarbeitungsgeschwindigkeiten möglich, die das Ergebnis des linearisierten Vorgangs als Gleichzeitigkeit erscheinen lassen. Computertechnik wird so zum parallelen Medium. Wie beim Übergang vom heißen zum kalten Medium kommt es zu einem Kippeffekt. Die lineare Computertechnik wird durch die Elektrifizierung parallelisiert.

In der physikalischen Dimension der Computertechnologie läßt sich das am Unterschied zwischen einem mechanisch bewegten Magnetband und elektronisch gesteuerten Flip - Flops als Speicherelementen zeigen. Während es bei einem Magnetband oft mehrere Sekunden oder sogar Minuten dauert, bis das Band eine bestimmte Information liefert, weil es mechanisch gespult werden muß, liegt die Zugriffszeit bei elektronisch arbeitenden Speicherlementen im Bereich von Nanosekunden (Coy 219881992: 269f.). Der Unterschied läßt sich bei heutigen PCs noch am sogenannten 'Swappen' beobachten, das immer dann einsetzt, wenn für ein Programm der elektrisch arbeitende Hauptspeicher nicht mehr ausreicht und auf die mit mechanischen Teilen versehene Festplatte zurückgegriffen wird, was zu einem dramatischen Geschwindigkeitsverlust führt.

Ein weiteres Beispiel ist die Ausführungszeit für einfache Berechnungen. Während das Ergebnis einer Multiplikation mit einer mechanischen Rechenmaschine mehrere Sekunden auf sich warten läßt, erledigen elektronische Turingautomaten viele tausend Multiplikationen in einer Sekunde. Die Ausgabe des Ergebnisses eines einfachen Rechenbefehls erscheint ohne wahrnehmbare Verzögerung. Die elektronische Computertechnik arbeitet in Relation zur mechanischen Computertechnik mit einer Geschwindigkeit, die sie als paralleles Medium ausweist.

Das wird auch in Relation zum phonetischen Alphabet auf Papier sichtbar. Während es einige Zeit dauert, bei einem längeren Text vom Anfang zum Ende zu blättern, oder, noch deutlicher, zu rollen, erledigt das ein Textverarbeitungsautomat sofort. Aus einem größeren Datenbestand, etwa einer Bibliothek, ein gewünschtes Dokument herauszusuchen, nimmt bei Büchern wenigstens einige Minuten in Anspruch. Mit Computertechnik ist der Zugriff bei vergleichbarem Datenvolumen in Sekundenbruchteilen möglich. Auch in Relation zum phonetischen Alphabet auf Papier wird deutlich, daß der Übergang zur elektronischen Computertechnik eine parallelisierende Wirkung hat.

Die Anwendung der Parallelität als Eigenschaft der Computertechnik in Relation zur Schriftsprache auf die McLuhansche Unterscheidung zwischen der implosiven und explosiven Wirkung von Medien zeigt, daß die Linearität des Alphabets durch die Elektrifizierung der Computer überhitzt wird. Die lineare Struktur wird durch eine parallele Struktur abgelöst. Es kommt zur Implosion. Der Grund dafür liegt in der hohen Geschwindigkeit der Computertechnik. Die Implosion wird wie bei der Digitalisierung durch einen Medienwechsel ausgelöst. Indem das phonetische Alphabet nicht mehr an das Papier, sondern an die elektronische Computertechnik gebunden wird, tritt die Überhitzung ein. Das heiße Medium wird zu einem kalten.

Die Elektrifizierung der Rechenmaschinen führt damit zu einem Übergang, den McLuhan als Wechsel von der zerlegenden Maschinentechnik zur Gleichzeitigkeit der Automationstechnik beschreibt (McLuhan 19641992: 17), weshalb hier auch der Ausdruck 'Turingautomat' und nicht 'Turingmaschine' verwendet wird.

3.2.4.1.3 Serielle und spezielle Medien

Serialität hat in McLuhans Analyse einen hohen Stellenwert, obwohl sie als Eigenschaft von Medien nur beiläufig erwähnt wird. Den hohen Stellenwert zeigt die von ihm beschriebene Wirkung des seriellen Buchdrucks auf das rationale Denken:

"'Rational' bedeutet natürlich für den Westen schon lange 'uniform, kontinuierlich, seriell'. Mit anderen Worten, wir haben Vernunft mit Schriftkundigsein und Rationalismus mit einer einzelnen Technik verwechselt" (McLuhan 19641992: 26).

Serialität als Eigenschaft eines Mediums liegt dann vor, wenn die verwendete Technik immer wieder gleiche Exemplare produziert. Dagegen werden mit einem speziellen Medium jeweils besondere Exemplare produziert.

Linearität ist eine Eigenschaft des phonetischen Alphabets in Relation zur gesprochenen Sprache. Serialität ist eine Eigenschaft des Buchdrucks in Relation zur Handschrift. Wenn Bücher mit der Hand geschrieben werden, wird eine kleine Zahl spezieller Exemplare angefertigt. Mit dem Buchdruck wird die Vervielfältigung mechanisiert. Es entsteht eine Serie identischer Bücher. Das gedruckte Buch unterscheidet sich vom handgeschriebenen durch die exakte und massenhafte Wiederholung des immer gleichen. Die Serienproduktion beim Buchdruck ist die erste Mechanisierung eines Handwerks, die zum Vorbild jeder weiteren Mechanisierung wird (McLuhan 19641992: 199-209).

Der Wechsel von den handwerklich produzierenden Schreiberinnen und Schreibern zur mechanisch produzierenden Maschine kennzeichnet den Übergang von speziellen zu seriellen Büchern. Dieser Übergang ist das entscheidende Vorbild für die Industrialisierung, in der handwerkliche Tätigkeit durch maschinelle Serienproduktion abgelöst wird.

3.2.4.1.4 Computertechnik als spezielles Medium

Die Serialität des Buchdrucks wird nun durch Turingautomaten aufgelöst. Die Spezialisierung ist an der Relation von Buchdruck und Computertechnik sichtbar. Die Druckpresse bringt - einmal eingerichtet - immer wieder das gleiche Blatt zum Vorschein. Das ist mit Computertechnik zwar möglich, wenn der Turingautomat entsprechende Algorithmen abarbeitet, z.B. in einem Kopierprogramm. Werden die Algorithmen aber so formuliert, daß die Kopien nicht identisch sind, erzeugt der Computer eine Fülle von Einzelexemplaren.

Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Serienbrief, d.h. ein Schreiben, das an viele Adresse gesandt werden soll. Mit der Drucktechnik wird ein immer gleicher Text vervielfältigt. An solchen Texten wird in einigen Formulierungen - z.B.: Sehr geehrte(r) Herr/Frau... - die Wirkung des Mediums auf die Sprache und die aus der Serialität folgende Auflösung der individuellen Unterschiede sichtbar. Diese Serie wird dann 'per Hand' durch das Eintragen von Namen und Adressen individualisiert. Die Computertechnik liefert nun Einzelexemplare und keine unveränderte Serie wie der Buchdruck. Das hat auch McLuhan gesehen. Wie er im Blick auf die Computertechnologie schreibt,

"nimmt heute das gedruckte Wort wieder viel vom handwerklichen Charakter der Handschrift an" (McLuhan 19641992: 55).

In Bezug auf die Aufhebung der Serialität ist dies richtig. Allerdings trifft McLuhan mit der Kennzeichnung als 'Charakter der Handschrift' den Sachverhalt nicht. Denn das 'Handwerk' benötigt keine Menschen mehr. Mit der Computertechnik erfolgt die Spezialisierung im Automaten. Es wird keine immer gleiche maschinelle Serie mehr erzeugt, sondern eine Vielzahl spezieller Briefe automatisch ausgegeben. Die Spezialisierung wird nicht mehr handwerklich, sondern automatisch erledigt. So gesehen ist ein Serienbrief überhaupt keine Serie mehr.

Im Rahmen der Serialität ist der Vergleich zu den herkömmlichen Massenmedien interessant. Diese weisen die Eigenschaft der Serialität auf. Beim Druck einer Zeitung entsteht ein immer gleicher Text. Dagegen liefert eine Zeitung, bei der Computertechnik nicht nur zur Vorbereitung des Drucks, sondern auch zur Verteilung eingesetzt wird, keine immer wieder gleichen, sondern spezielle Exemplare. Wenn eine Zeitung im Internet angeboten wird (z.B.: http://www.washingtonpost.com/ oder http://www.zeit.de/), dann werden nicht an alle Leserinnen und Leser die gleichen Texte verschickt (was durchaus möglich ist). Statt dessen stellen sich die Leserinnen und Leser die Texte selbst zusammen. Die Computertechnik ermöglicht es, die Serialität der gedruckten Zeitung aufzuheben und spezielle Exemplare herzustellen.

3.2.4.1.5 Fernsehen als spezielles Medium

Die Aufhebung der Serialität ist auch bei der Entwicklung des Fernsehens nachweisbar. Da Fernsehen in unserer Kultur das dominierende Medium ist, ist ein Exkurs zur Wirkung des Fernsehens auch für die Analyse der Computertechnik relevant.

Bis 1984 gibt es in der Bundesrepublik zwei flächendeckende Programme sowie die regionalen Angebote der dritten Programme (Groebel u.a. 1994: 21ff.). Bei geringer Zahl von Programmen und gleichzeitig großer Zahl von Zuschauerinnen und Zuschauern arbeitet das Fernsehen in Bezug auf die Serialität wie der Buchdruck: Ein immer gleiches Erzeugnis wird an viele verteilt. Das ausschließlich öffentlich - rechtliche Fernsehen mit drei Programmen ist seriell und wirkt uniformierend auf die Rezipientinnen und Rezipienten.

Dieser Effekt verschwindet mit der Vielzahl der Kanäle: Nach der Zulassung des privaten Rundfunks in der Bundesrepublik steigt die Anzahl der Sendeanstalten erheblich an. Gleichzeitig steigt die Zahl der zugänglichen Kanäle. Bis 1995 verfügen 43% der Haushalte über einen Kabelanschluß und 27% über Satellitenfernsehen (Die Zeit vom 7.2.97). Die gestiegene Kapazität hat dazu geführt, daß auch alle sogenannten dritten Programme flächendeckend verfügbar sind. Für etwa die Hälfte der Haushalte ist eine Vielzahl von Programmen zugänglich. Die neuen privaten und die neu zugänglichen öffentlich - rechtlichen Sender verringern die Serialität des Fernsehens. Es wird kein einheitliches Programm mehr gesehen. Die Auswahl aus dem Programm wird spezialisiert.66

Es wird rezipiert, was beliebt. Die von Groebel als Folge der Einführung des Privatfernsehens in der Bundesrepublik dargestellte Beobachtung der Segmentierung des Publikums, der Individualisierung und der möglichen Auflösung der gesellschaftlichen Identität (Groebel u.a. 1994: 40f.) lassen sich demnach durch die Spezialisierung des Fernsehens erklären, die ein Effekt der Kanalvielfalt ist. Die Spezialisierung führt zur Abkühlung des Mediums und damit zum Aufheizen der Rezipientinnen und Rezipienten.

Mit Computertechnik als Verteiltechnik, die beim 1996 auf Sendung gegangenen digitalen Fernsehsender DF1 verwendet wird, und die den Fernseher nur noch als Computerbildschirm benutzt, sind hunderte von Kanälen möglich; mehrere Dutzend werden bereits angeboten. Damit bricht die Serialität des Fernsehens zusammen. Computertechnik mit einem Fernseher als Ausgabegerät ist kein Massenmedium mehr, das eine Botschaft an alle versendet. Das Fernsehen wird zwar noch massenhaft genutzt, es werden aber nicht mehr die gleichen Sendungen rezipiert. Diesen Effekt stellt Groebel schon als Folge der jetzt vorherrschenden analogen Verteiltechniken fest:

"Auch das Fernsehen wird verstärkt zu einem Zielgruppenmedium, woraus ein sinkendes Integrationspotential des Fernsehens auf gesamtgesellschaftlicher Ebene geschlossen werden könnte - bei einem gleichzeitigen Zugewinn der integrativen Funktion innerhalb einzelner gesellschaftlicher Gruppen" (Groebel u.a. 1994, S.77).

Die Spezialisierung des Fernsehens wird beim Digitalfernsehen durch die Computertechnik bewirkt.67 Parallelität und Spezialität sind Eigenschaften des Mediums Computertechnik, die auf die physikalische Dimension der Computertechnik zurückgehen. Mit diesem Ergebnis kann nun die im Abschnitt 3.2.3.6.3 dargestellte explosive bzw. implosive Wirkung von Medien weiter differenziert werden.

3.2.4.2 Ein kaltes Medium als Medium der Bildung

McLuhan nennt Ganzheitlichkeit und Dezentralisierung als Eigenschaften einer Kultur, in der kalte Medien dominant sind; Trennung und zentrale Strukturen sind Eigenschaften einer Kultur, in der heiße Medien dominant sind. Das erscheint widersprüchlich, da eine Trennung zentralen Strukturen widerspricht. Dieser Widerspruch ist hier jedoch nicht wie bei McLuhan im Blick auf die Kultur zu diskutieren. Für die Darstellung der Wirkung der kalten Computertechnik als Medium der Bildung relevanter ist der sich bildende Mensch. Auf den einzelnen Menschen gewendet lautet die These: Die Wirkung des Buchdrucks als heißem, linearem und seriellem Medium ist eine uniformierende Individualisierung; die Wirkung der Computertechnik als kaltem, parallelem und speziellem Medium ist eine individuelle Gemeinschaftsbildung.

Universelle digitale elektronische Computer sind kalte Medien. McLuhan, der die Elektrizität als Auslöser der Implosion bei verschiedenen Medien sieht, schreibt:

"Spezialisierte Techniken zerstören die Stammesorganisation, die nichtspezialisierte Technik der Elektrizität stellt sie wieder her" (McLuhan 19641992: 37).

Dabei sieht er den Beginn des Umbruchs in der Verbreitung des Telegrafen (McLuhan 19641992: 53), d.h. am Ende des 19. Jahrhunderts. Die 'elektrische Implosion der mechanischen Kultur' ist heute nicht am Anfang, sondern schreitet seit Beginn der Verbreitung der elektronischen Medien fort. Computertechnik als Medium steht in der Reihe dieser Entwicklung.

Die elektronische Implosion bringt nun eine Veränderung der Individualisierung mit sich. Unter Bedingungen der Explosion wird das Subjekt durch die Linearisierung aus den Stammesverbänden herausgelöst, mit der Vereinzelung findet zugleich eine Uniformierung statt. Beides wird durch die mechanisierte Wiederholung ausgelöst, die eine wesentliche Botschaft des Buchdrucks ist:

"Die Botschaft des Drucks und der Typographie ist in erster Linie die Wiederholbarkeit" (McLuhan 19641992: 187).

Die Auflösung der Worte in der Linearisierung des phonetischen Alphabets führt zur Auflösung von Stammesgemeinschaften in getrennte Subjekte (McLuhan 19641992: 103). Es kommt zur Trennung des Individuums von der Gemeinschaft.

Gleichzeitig wird mit der uniformen Wiederholung der in Serie gefertigten Bücher diese Individualisierung am immer gleichen reproduzierten Kunstwerk68 vollzogen - und führt so zu identisch gebildeten Subjekten. In der praktischen Pädagogik macht erst das einheitliche Buch eine einheitliche Erziehung möglich (Culkin 19671969: 43). Unter der Bedingung der Explosion kommt es durch die Dominanz des heißen Buchdrucks zur uniformierten Individualisierung. Die Linearität wird durch die implosive Computertechnik in Parallellität aufgelöst. Die Vereinzelung der Subjekte durch die lineare Struktur des Buchdrucks findet nicht mehr statt.

"Der getrennte, gebildete und visuelle Individualismus ist in einer elektrisch genormten Gesellschaft, die die Implosion erlebt, nicht möglich" (McLuhan 19641992: 68).

Die spezielle Computertechnik löst gleichzeitig die Serialität des Buchdrucks ab. Damit wird Bildung nicht an immer gleichen, sondern an je verschiedenen Gegenständen vollzogen. Die Uniformierung der Subjekte durch das Medium bleibt bei Verwendung der Computertechnik aus.

Daß Computertechnik zugleich die Gruppenbildung begünstigt, ist aus der beschleunigten Kommunikation durch die elektronische Übermittlung ersichtlich. Dieser Effekt wird verstärkt durch Eigenschaften der semiotischen Dimension des Mediums Computer. Im Vorgriff auf die folgende Analyse der semiotischen Dimension kann festgestellt werden, daß Computertechnik unverbindliche Gemeinschaften begünstigt.

Als Wirkungen der kalten Computertechnik auf den Bildungsprozeß ist damit festzuhalten, daß Computertechnik invidualisierte Bildungsprozesse in unverbindlichen Gemeinschaften begünstigt.

3.2.5 Kalte Didaktik

Die Computertechnik ist ein kaltes Medium. Ein erstes Kriterium für die Verwendung der Computertechnik im Bildungsprozeß hat der Abschnitt 3.2.3.3 ergeben, in dem gezeigt wird, daß Computertechnik jederzeit zum Unterrichtsgegenstand werden kann und daher Lehrenden, die nicht über Computertechnik unterrichten wollen, von der Verwendung abzuraten ist. Wenn Lehrende nun Computertechnik verwenden wollen, müssen sie entscheiden, wann Computertechnik sinnvoll eingesetzt wird.

3.2.5.1 Das Problem der Medienwahl

Mit der Frage nach dem sinnvollen Einsatz von Computertechnologie ist das Problem der Medienwahl aufgeworfen. Oft genannte Kriterien für die Medienwahl sind im Anschluß an Heimann (1976: 154) Intentionen, Inhalte und Methoden, die mit Medien in einem interdependenten Zusammenhang stehen. In der Unterrichtsplanung sollen Inhalte, Methoden und Medien so aufeinander abgestimmt werden, daß die Intentionen erreicht werden. In der Medienauswahl sind Medien nach Heimanns Ansatz demnach so auszuwählen, daß sie zu Inhalten und Methoden passen. Um Medien so auswählen zu können, daß sie zu Medien und Inhalten passen, sind Kriterien erforderlich, mit denen die Zuordnung beurteilt werden kann. Methodisch sind für die Beurteilung der Zuordnung Begriffe erforderlich, aus denen Kriterien abgeleitet werden können, die eine Zuordnung von Inhalten, Methoden und Medien ermöglichen.

Eine für den Zweck der Medienwahl entwickelte Begrifflichkeit stellen Medientaxonomien dar. Bei Medientaxonomien handelt es sich um eine systematisch angelegte Ordnung der vorhandenen Medienarten, die eine gezielte Auswahl der Medien unterstützt. Eine verbreitete Medientaxonomie ist der Erfahrungskegel von Dale, der den Ansatz von Bruner69 aufgreift und weiterentwickelt.

Dale unterscheidet nach Bruner drei Erfahrungsstufen, denen er jeweils Medien zuordnet: Die direkte Erfahrung, zu der direkte zielbewußte Erfahrung, Modelle, Nachbildungen, Simulationen und Schauspiel zugeordnet werden; die ikonische Erfahrung, die Demonstration, Exkursion, Ausstellung, Fernsehen, Film und Dia/Radio umfaßt und die symbolische Erfahrung, d.h. visuelle und verbale Symbole (Dale 319461969: 107ff.). Direkte zielbewußte Erfahrung steht am Fuß des Erfahrungskegels, verbale Symbole an der Spitze.

Die Taxonomie von Dale soll nun die Medienwahl erleichtern. Das gelingt, wie Ruprecht schreibt, nicht:

"Der Zweck von Medientaxonomien ist [...], verschiedene Medien in einem systematischen Zusammenhang darzustellen, der es erleichtert, funktionsgerechte Entscheidungen bei der Medienwahl zu treffen. Indessen sind die bisherigen Versuche bei unter verschiedenen Gesichtspunkten geordneten Auflistungen von Medienarten stehengeblieben" (Ruprecht 1985: 38).

Ruprecht bringt damit zum Ausdruck, daß Dale zwar Inhalte und Medien exemplarisch aufeinander bezieht, eine systematische Zuordnung von Inhalten, Methoden und Medien aber fehlt. Diese Kritik gilt nach Heidt (1976: 59ff.) auch für den Ansatz von Heimann, da Heimann zwar ein Interdependenzverhältnis zwischen Inhalten, Methoden und Medien annimmt, es ihm aber nicht gelingt, diese Verhältnisse formal zu beschreiben. Damit bleibt das Verhältnis zwischen Intentionen, Inhalten, Methoden und Medien ungeklärt.

3.2.5.2 Die medialen Präferenzen der Lernenden

Sinnvoller als die Medienwahl an den Interdependenzen zwischen Inhalten, Methoden und Medien zu orientieren ist es, die Lernenden zum Maßstab der Medienwahl zu machen, da der Bildungsprozeß seinen Zweck nicht in sich trägt, sondern nur dann sinnvoll sein kann, wenn Menschen gebildet werden. Nun ist nicht jede Methode und jedes Medium für alle Menschen geeignet. Vorliegende Ansätze, die Lernenden zu berücksichtigen, stellt Ruprecht in einer Übersicht dar. Er unterscheidet Mehrkanaligkeit, Lerngewohnheiten und Repräsentationstypen70 als Ansätze, bei der Medienwahl auf die Lernenden Rücksicht zu nehmen. Neuerdings werden die Lernenden auch vermittels Untersuchungen zur mentalen Wissenstrukturierung bei der Unterrichtskonzeption berücksichtigt. Diese Überlegungen stellt Einsiedler in einer Übersicht zusammen.

Mehrkanaligkeit meint nach Ruprecht, daß Informationen akustisch, visuell und kinästhetisch angeboten werden. Durch eine Kombination von visuellen, akustischen und kinästhetischen Angeboten werden unterschiedliche Lerntypen angesprochen. Erforderlich ist es, akustische und visuelle Informationen aufeinander abzustimmen. Geschieht dies, ist nach empirischen Untersuchungen mit Vorteilen einer mehrkanaligen Präsentation zu rechnen (Ruprecht 1985: 31f.). Dem Ansatz der Mehrkanaligkeit fehlt jedoch ein adäquater Medienbegriff. Das führt zu einer unklaren Systematik, mit der z.B. so unterschiedliche Medien wie das gedruckte Alphabet und Kunstwerke unter den visuellen Medien gefaßt werden, obwohl, wie Einsiedler bemerkt, beide Medien unterschiedliche Verarbeitungsprozesse ansprechen (Einsiedler 1996: 171). Darüber hinaus wird kein begriffliches Instrumentarium entwickelt, mit dem eine Verbindung zu Inhalten oder Methoden hergestellt werden kann.

Mit Lerngewohnheiten ist nach Ruprecht angesprochen, daß Lernbiographie und sozialgruppenspezifische Prägungen den Umgang der Lernenden mit Medien beeinflussen. Mittelschichtangehörige beherrschen den Umgang mit Druckmedien besser als Unterschichtangehörige; Unterschichtangehörige beherrschen ebensogut wie Mittelschichtangehörige den Umgang mit visuellen Medien, d.h. Fernsehen und Videorekorder (Ruprecht 1985: 33). Ruprecht schlägt vor, visuelle Medien verstärkt in den Lernprozeß einzubeziehen, um die Nachteile von Unterschichtangehörigen auszugleichen.

Auch diesem Ansatz fehlt ein trennscharfer Medienbegriff. So unterscheidet Ruprecht zwischen Druckmedien und visuellen Medien (Ruprecht 1985: 32ff.). Diese Unterscheidung trägt nicht, da Druckmedien den Sehsinn ansprechen, also visuelle Medien sind. Auch fehlen Hinweise darauf, welche Methoden für die empfohlenen Medien geeignet sind. Darüber hinaus wird nach diesem Ansatz der Buchdruck zum unhinterfragten Maßstab der medialen Präsentation von Wissen gemacht. Nach Ruprecht wird der Umgang mit Druckmedien durch das Vorbild der Eltern sozialgruppenspezifisch geprägt. Da der Umgang mit Druckmedien in unserer Kultur eine zentrale Bedeutung hat, werden schon deswegen die Lebenschancen sozialgruppenspezifisch unterschiedlich verteilt (Ruprecht 1985: 33). Die Fähigkeit zum Umgang mit Druckmedien ist daher anzustreben.

Nun muß der 'Umgang mit Druckmedien' differenziert werden, da die Analphabetenrate in Deutschland nicht so hoch ist, daß weite Teile der hier lebenden Menschen wegen Analphabetismus von bestimmten Lebenschancen ausgeschlossen werden. Gemeint ist offenbar der sozialgruppenspezifische Umgang mit Druckmedien von Angehörigen sozial bevorzugter Schichten. Wenn Angehörige sozial benachteiligter Schichten verstärkt mit 'visuellen Medien' lernen, dann lernen sie nur in geringem Maße den Umgang mit Druckmedien. Da die Fähigkeit zum Umgang mit Druckmedien ein Element des Zugangs zu sozial bevorzugten Berufen darstellt, könnte das Lernen mit visuellen Medien den Zugang zu solchen Berufen verhindern. Es liegt aber keineswegs in der Intention von Ruprecht, die bestehenden Herrschaftsverhältnisse zu zementieren. Er zielt vielmehr darauf ab, den Trainingsvorsprung von Mittelschichtangehörigen abzubauen (Rubprecht 1985: 34). Daher muß Ruprecht davon ausgehen, daß die Bildungsprozesse, die den Zugang zu Herrschaftspositionen ermöglichen, auch mit anderen Medien als Druckmedien vollzogen werden können. Die Druckmedien können daher nicht Maßstab der Bildung sein.

Ruprecht empfiehlt für die Erwachsenenbildung, Medien möglichst informell und schuluntypisch zu verwenden, da sie so den Erfahrungen und Gewohnheiten gemäß verwendet werden, die sich durch Berührung mit öffentlichen Medienangeboten entwickeln. So treffend diese Emfpehlung ist, so schwer ist es, sie umzusetzen. Das Kriterium 'schuluntypisch' erlaubt keine gezielte Medienauswahl, da z.B. Videorecorder nicht ohne weiteres als schuluntypisch gekennzeichnet werden können. Auch das Kriterium der öffentlichen Medienangebote hilft nicht weiter, da ja die Druckmedien durchaus öffentliche Medien sind.

Mit Repräsentationstypen greift Ruprecht die Einteilung von Bruner in handelnde, ikonische und begriffliche Repräsentation von Wissen auf, nach der er handelnde, ikonische und begriffliche Repräsentationstypen unterscheidet, die eine handlungsorientierte, ikonische oder begriffliche Wissensrepräsentation bevorzugen.71 Damit wird eine Begrifflichkeit vorgelegt, die darauf abzielt, die Präferenzen der Lernenden mit bestimmten Repräsentationsformen zu kombinieren.

Eine Zuordnung zu Medien und Methoden findet dabei jedoch nicht statt. Die von Dale in seinem Erfahrungskegel vorgenommene Zuordnung ist nicht dazu geeignet, Methoden und Medien auszuwählen.

Eine Übersicht über die Relevanz der Forschung zur Wissensrepräsentation für die Didaktik gibt Einsiedler. Dieser Ansatz leitet aus Untersuchungen zur Gedächtnisstruktur von Lernenden Empfehlungen zur didaktischen Wissenspräsentation ab. Dabei wird zunehmend die Struktur von Wissen in semantischen Netzwerken diskutiert, über die aber noch keine differenzierten Forschungsergebnisse vorliegen. Aus anderen Untersuchungen lassen sich drei Konsequenzen ableiten: Nach Untersuchungen zur Gedächtsnisstruktur ist zwischen dem eher analogen Kurzzeitgedächtnis und dem abstrakt - symbolisch operierenden Langzeitgedächtnis zu unterscheiden; zu empfehlen ist zur Unterstützung des Langezeitgedächtnisses die Präsentation des Wissens mit wenig Einzelheiten. Forschungen zum Verhältnis von externer Strukturdarstellung und interner Repräsentation haben ergeben, daß keine einfache Korrespondenz angenommen werden kann; daher sollte kleinschrittig strukturiert und gleichzeitig selbständiges Entdecken stimuliert werden. Erhebungen, die zwischen verbaler und nonverbalen Kodes unterscheiden, wobei unter verbalen Kodes Schriftsprache (visuelle Zeichen) und Lautsprache (akustische Zeichen) und unter nonverbalen Kodes bildliche, piktorale, numerische und motorische Kodes sowie Geräusche gefaßt werden, zeigen Behaltensvorteile von Text - Bild - Kombinationen gegenüber Nur - Text - Darstellungen; daher wird die Verwendung beider Kodierungsformen bei der Wissenspräsentation empfohlen. Dabei ist die Abstimmung bei gleichzeitigem Einsatz verschiedener Medien entscheidend; so müssen z.B. Wortmarken sehr genau zu Bildern passen, damit keine Interferenzen entstehen (Einsiedler 1996: 168-176).

Nun kritisiert Einsiedler zurecht die häufige Einteilung des Lernens nach visuellem, akustischem und haptischem Lernen als zu undifferenziert, da etwa Text und Bilder unter die gleiche Lernart fallen. Ähnlich ist gegen Einsiedlers alternativ vorgeschlagene Einteilung in verbale und nonverbale Kodes einzuwenden, daß so unterschiedliche Präsentationen wie ein vorgelesener Vortrag und die Show eines 'Talkmasters' im Fernsehen unter die akustischen Zeichen fallen. Zudem können Medien nicht zugeordnet werden, da an viele Medien sowohl verbale als auch nonverbale Kodes gebunden werden können. Das gilt auch für Methoden; so werden z.B. im Frontalunterricht akustische und motorische Zeichen und damit verbale und nonverbale Kodes verwendet. Einsiedler referiert darüber hinaus keine Untersuchung, die auch akustische Repräsentationsformen einbezieht. Die genannten Vergleiche beziehen sich auf die Verwendung von Schriftsprache, Abbildern, das sind realistische Abbildungen, und logischen Bildern, z.B. Grafiken oder Diagramme. Damit ist eine systematische Zuordnung von Inhalten, Medien und Methoden nicht möglich.72

Die diskutierten Ansätze leisten keine Zuordnung von Inhalten, Methoden und Medien. Eine Entscheidung über den sinnvollen Einsatz von Computertechnik im Bildungsprozeß ist nicht möglich. Der hier vorgeschlagene Medienbegriff erlaubt es nun, eine systematische Zuordnung von Methoden und Medien vorzunehmen.

3.2.5.3 Dominante und nicht - dominante Medien

Im Abschnitt 3.2.3.6.1 wird zwischen heißen und kalten Medien unterschieden. Analog dazu wird im Abschnitt 3.2.3.6.2 die Unterscheidung zwischen heißen und kalten Methoden eingeführt. Damit lassen sich Methoden und Medien anhand derselben Kriterien auswählen. Um bei der Auswahl von Medien und Methoden darüber hinaus die Lernenden einzubeziehen, muß das bisher entwickelte Instrumentarium um das Verhältnis von dominanten und nicht - dominanten Medien erweitert werden. Die These dazu ist: Die dominanten Medien einer Kultur wirken so auf die medialen Präferenzen der Menschen, daß nicht - dominante Medien mit der Temperatur der dominanten Medien bevorzugt werden.

Wie im Abschnitt 3.2.3.6.3 gezeigt, bewirkt ein dominantes heißes Medium eine kalte Kultur und ein dominantes kaltes Medium eine heiße Kultur. Durch das dominierende Medium wird nach McLuhan zugleich die Erwartungshaltung an andere Medien geformt: Eine heiße Kultur erwartet kalte Medien und eine kalte Kultur erwartet heiße Medien.

"Eine kühle oder wenig alphabetische Kultur kann in einem heißen Medium, wie es der Film oder das Radio ist, keine Unterhaltung sehen" (McLuhan 19641992: 45).

Anders formuliert: Ein Medium muß von der Temperatur her zu der jeweiligen Kultur passen, sonst führt es zu Erregung oder Widerspruch und wird nicht verstanden. Diesen Zusammenhang gibt die folgende Tabelle wieder:


kaltes Medium heißes Medium

                                              


heiße Kultur Unverständnis Akzeptanz


                                               


kalte Kultur Akzeptanz Unverständnis


(Tab. 4)

McLuhan führt eine Vielzahl von Beispielen für diesen Zusammenhang an. Im Blick auf die heutigen Kinder und Jugendlichen ist besonders das Fernsehen relevant. Das kalte Medium Fernsehen erzeugt eine heiße Kultur. Wenn diese heiße Kultur mit heißen Medien wie dem Buchdruck konfrontiert wird, führt das zu Unverständnis. Die Fernsehgeneration versucht Texte mit gesamtpersönlicher Beteiligung zu lesen und erwartet vielfältige und gleichzeitige Ansprache, die aufheizt. Statt dessen liefert der Buchdruck eine einheitliche und lineare Präsentation und spricht nur einen Sinn an, er kühlt ab - und stößt auf Unverständnis:

"Sie [die Kinder C.S.] bringen dem Druck alle ihre Sinne entgegen, und der Buchdruck weist sie ab" (McLuhan 19641992: 352).

Die Unterscheidung zwischen einer heißen und einer kalten Kultur ist ohne weiteres auf Medientypen anwendbar. Heiße Medientypen verwenden dominant kalte Medien und kalte Medientypen verwenden dominant heiße Medien. Für die Medienwahl heißt das:

- Medien und Methoden sind anhand des dominanten Mediums der Lernenden auszuwählen.73

- Medien und Methoden gleicher Temperatur ergänzen sich; Medien und Methoden unterschiedlicher Temperatur kontrastieren.

Ein gedrucktes Vorlesungsskript ist ein heißes Medium, das sich durch Serialität und Linearität auszeichnet. Es ergänzt die Vorlesung als heiße Methode, die ebenfalls seriell und linear ist - ein Inhalt wird von vielen Lernenden gleichzeitig rezipiert und 'druckreif' vorgetragen. Vorlesung und Vorlesungsskript sind besonders gut für Lernende geeignet, die kalte Medientypen sind.

Dagegen ist eine Arbeitsvorlage, die Lernende selbst ergänzen und die für einzelne Arbeitsgruppen individuell zusammegestellt wird, ein in Relation zum gedruckten Skript kaltes Medium, das geringere Serialität und höhere Parallelität aufweist. Eine solche Arbeitsvorlage paßt zum Projektunterricht als kalter Methode. Arbeitsvorlage und Projektunterricht sind besonders gut für Lernende geeignet, die heiße Medientypen sind.

Nicht zu empfehlen ist dagegen unvollständiges individuelles Lernmaterial, das während einer Vorlesung vervollständigt werden soll. Statt dessen sollte ein Methodenwechsel von einer heißen zu einer kalten Methode mit einem Wechsel von heißen zu kalten Medien verbunden werden. Im Beispiel erzwingen die Lernenden das schnell - durch individuelles Nachfragen, wie denn ihr Lernmaterial nun zu ergänzen sei; wobei die Antwort den übrigen Lernenden, die nicht über identisches Lernmaterial verfügen, nichts hilft. Allerdings kann es durchaus sinnvoll sein, eine heiße Methode mit einem kalten Medium bzw. eine kalte Methoden mit einem heißen Medium zu kombinieren - etwa wenn die Lernenden zur Reflexion über den Bildungsprozeß provoziert werden sollen.

Auch eine systematische Auswahl von Medien und Methoden in bezug auf Inhalte und Bildungsziele ist mit dem vorgeschlagenen Medienbegriff potentiell möglich. Diese Möglichkeit kann wegen der Komplexität der Bestimmung von Bildungszielen und der Auswahl von Inhalten, die hier nicht in der erforderlichen Breite aufgenommen werden kann, nur angedeutet werden. Inhalte können mit Hilfe der in bezug auf Medien entwickelten Unterscheidungen in serielle/spezielle und lineare/parellele Inhalte beschrieben und entsprechende Medien und Methoden ausgewählt werden. In bezug auf die Bildungsziele lassen sich aus den Eigenschaften der Medien Empfehlungen ableiten. So wirkt ein kaltes Medium und kalte Methoden involvierend, ein heißes Medium und heiße Methoden wirken dagegen distanzierend. Ist das Bildungsziel nun die Fähigkeit, sich auf Gegenstände intensiv einlassen zu können, ist ein kaltes Medium und kalte Methoden zu empfehlen. Ist das Ziel dagegen kritische Distanz, sind heiße Medien und heiße Methoden zu empfehlen. Intensives Einlassen und kritische Distanz können demnach nicht gleichzeitig, durchaus aber nacheinander angeeignet werden. Als Beispiel: Ist der Inhalt des Unterrichts ein Kunstwerk, das als speziell und parallel zu beschrieben ist, dann ist eine Erkundung des Kunstwerks im Projektunterricht - etwa mit einem Museumsbesuch - zu empfehlen. Wenn der Inhalt des Unterrichts ein Buch ist, dann ist Frontalunterricht zu empfehlen.

Damit ist auf Grundlage des hier entwickelten Medienbegriffs und der Unterscheidung von heißen und kalten Methoden eine systematische Auswahl von Medien und Methoden möglich. Die Frage ist nun, wie Computertechnik aus der entwickelten Perspektive einzuschätzen ist.

3.2.5.3 Eine heiße Jugendkultur

Die heutigen Kinder und Jugendlichen vertreten eine durch das Fernsehen als dominantes Medium aufgeheizte Kultur. Daß das Fernsehen dominantes Medium der heutigen Kinder und Jugendlichen ist, zeigen empirische Untersuchungen. Groebel stellt fest, daß Kinder zwischen 6 und 13 Jahren 1993 täglich zwischen 100 Minuten in Westdeutschland und 125 Minuten in Ostdeutschland fernsehen. In 66% der Haushalte stehen mehrere Programme zur Verfügung, die von den Kindern auch genutzt werden (Groebel u.a. 1994: 76f.). Diese Zeitangaben sind zwar mit Vorbehalten verbunden, da verschiedene Studien zu recht unterschiedlichen Ergebnissen über die Nutzungsdauer kommen (Moser 1995: 112-116). Es besteht aber Einigkeit über den insgesamt hohen Konsum.

Für die These der heißen Generation spricht auch der Umgang mit auditiven Medien. Zwar werden auditive Medien fast ebenso häufig genutzt wie das Fernsehen. Aber sie werden oft in Verbindung mit anderen Tätigkeiten verwendet, z.B. durch den Walkman beim Bahnfahren, das Radio als Hintergrund zu Schulaufgaben oder die CD zur Berieselung bei Treffen mit Freundinnen und Freunden (Moser 1995: 119f.). Dadurch werden die auditiven Medien abgekühlt.

Die kalte Nutzung auditiver Medien läßt sich auch am Tanz zeigen, der die heutige Jugendkultur ebenfalls als heiße Kultur ausweist. Eine Analyse jugendlicher Tanzkultur legen Buschmann und Koch vor. Nach ihrer Darstellung ist der Tanz eine individuelle Angelegenheit (Buschmann/Koch 1998: 4). Dies gilt insbesondere für die Jugendkultur und wird überzeugend belegt durch den Umstand, daß heutiger Jugendtanz ein Solotanz ist.

Der Solotanz hat erst in den 70er Jahren mit dem Aufkommen der Diskotheken den Durchbruch geschafft - ein Novum in der Geschichte des Tanzes. Zudem ist dieser Solotanz kein kodifizierter, einem exakten Reglement folgender Tanz, sondern eine wilde Angelegenheit äußerster Intensität (Buschmann/Koch 1998: 11ff.). Damit ist die Zuordnung zur McLuhanschen Temperaturskala eindeutig: Heutiger Jugendtanz ist individualisierter und involvierender Tanz, und damit heiß.

Nun wird das Medium, das den Solotanz ausgelöst hat, von Buschmann/Koch, die eine soziokulturelle Analyse vornehmen, nicht in den Blick genommen. Das kalte Medium, das solch einen heißen Tanz auslöst, ist der elektrische Transistorverstärker.74 Das wird an Techno - Partys besonders deutlich. In Relation zu einem Radio, das nach McLuhan ein heißes Medium ist, überhitzen die "mehreren 10.000 Watt Verstärkerleistung" (Buschmann/Koch 1998: 22), die bei einer Techno - Party zum Zuge kommen, das Medium derart, daß es implodiert und zu einem kalten wird. Die Folgen werden von Buschmann/Koch treffend beschrieben. Denn

"[...] durchlaufende Endlosschleifen mit Bässen so tief und eindringlich, daß sie physisch im Bauchraum zu spüren sind, halten Intensität und Exstase stabil" (Buschmann/Koch 1998: 22).

Die Eindringlichkeit und die hohe, mehrere Sinne ansprechende Intensität weisen extrem laut gehörten Techno als kaltes Ereignis aus. Das ist ohne entsprechende Verstärkertechnik nicht möglich.

Hohe Lautstärken sind im privaten Wohnbereich meist nicht möglich. Die Implosion durch die Verstärkerleistung macht ein Gruppenereignis erforderlich. Techno alleine und leise zu hören ist unterträglich. Die der Situation zu Hause angemessene intellektuelle Analyse bringt wegen der falschen Temperatur keinerlei Lustgewinn. Während klassische Musik selbst bei voller Orchestrierung noch ein heißes Ereignis ist, das von einer kalten Generation verstanden wird, und gut alleine gehört werden kann, ist ein Rave (wie die Techno - Partys genannt werden) ein kaltes Ereignis, das von einer heißen Generation verstanden wird und eine Gemeinschaft erfordert.

Dabei wird mit der Gemeinschaft zugleich die Individualisierung forciert, wie Buschmann/Koch am Solotanz zeigen, und die auch durch den Umstand bewirkt wird, daß bei hohen Lautstärken eine Unterhaltung nicht mehr möglich ist. Nach Darstellung von Buschmann/Koch ist die Verbreitung des Solotanzes mit dem Aufkommen der Diskotheken in den 70er Jahren verbunden. Das weist den Solotanz als Folge der elektrischen Transistorverstärker aus. Denn mit der vergleichsweise kleinen Leistung der in den 60er Jahren üblichen Röhrenverstärker ist auch bei öffentlichen Ereignissen keine extrem hohe Lautstärke zu erreichen. Erst mit der Transistortechnik konnten in den 70er Jahren die Verstärkerleistungen und damit die Lautstärke erhöht werden, was zum Aufkommen des Solotanzes in Diskotheken beigetragen hat. In den 90ern wird die weitere Steigerung der Verstärkerleistung insbesondere im Bassbereich genutzt. Das macht die Musik auch mit dem Tastsinn erfahrbar und kühlt das Medium damit weiter ab. Mit den Raves der 90er wird dies auf einen Höhepunkt gebracht. Die extrem laute und monotone Musik zieht ganz in ihren Bann, die Tänzerinnen und Tänzer verfallen in Ekstase und werden bis zur Grenze der körperlichen Belastbarkeit aufgeheizt.

Diese Form von Fest ist für eine heiße Kultur akzeptabel, muß aber auf das Unverständnis einer kalten Kultur stoßen, die eine vergleichsweise heiße Aufführung klassischer Musik bevorzugt, und auf die kalten Raves mit bürokratischen Hindernissen oder Verboten antwortet - in England ausgerechnet mit dem heißen phonetischen Alphabet in Form eines Gesetzes (Buschmann/Koch 1998: 18, 20).

Ein weiterer Nachweis des Stellenwerts kalter Medien für die heutige Jugendkultur findet sich bei Spanhel. In einer empirischen Studie hat er einen Zusammenhang zwischen Fernsehen und Bildschirmmedien gefunden:

"Je länger Jugendliche fernsehen, desto ausgiebiger nutzen sie auch die Bildschirmmedien und umgekehrt. Von den Bildschirm-Bilderwelten scheint also doch für viele Jugendliche eine besondere Faszination auszugehen" (Spanhel 1990, S.116f.).

Eine Erklärung des Zusammenhangs zwischen Fernsehen und Bildschirmspielen findet sich bei Spanhel jedoch nicht. Eine solche Erklärung leistet die hier durchgeführte Medienanalyse: Jugendliche mit hohem Fernsehkonsum bevorzugen Bildschirmspiele, weil es sich bei computerbasierten Bildschirmspielen um ein kaltes Medium handelt.

Der Umfang der Fernsehnutzung, die Tanzkultur und die Nutzung der Bildschirmspiele zeigen: Viele heutige Kinder und Jugendliche repräsentieren eine heiße Kultur und bevorzugen kalte Medien. Welche pädagogischen Konsequenzen lassen sich aus diesem Umstand ableiten?

3.2.5.4 Projektunterricht und entdeckendes Lernen als kalte Methoden

Wie in Abschnitt 3.2.3.3.1 dargestellt, handelt es sich beim Frontalunterricht um eine heiße Methode. Eine heiße Kultur mit einer heißen Methode zu konfrontieren führt aber zu Unverständnis. Auch ein heißes Medium ist nicht geeignet. Das heiße Medium des gedruckten Schulbuchs kann bei einer heißen Kultur nicht ankommen. Und auch Lehrerinnen und Lehrer, die mit dem heißen Medium Radio oder mit seriellem Fernsehen aufgewachsen sind und daher eine kalte Kultur repräsentieren, werden auf den Widerstand einer heißen Kultur stoßen - und ausgebrannt. McLuhan schreibt dazu:

"In unserem gegenwärtigen Zeitalter der Elektrizität prallen die Kräfte der Implosion oder Zusammenziehung unserer Welt mit den alten traditionellen Organisationsformen der Explosion zusammen" (McLuhan 19641992: 50).

Ein erster Schritt in Richtung auf eine Abkühlung des Unterrichts kann in der Ergänzung der Frontalunterrichts durch Visualisierungen, d.h. in der Kombination mit einem kalten Medium, gesehen werden. Mit der veränderten Wirkung des Fernsehens seit der Zulassung der privaten Anbieter und der Zunahme der technisch zur Verfügung stehenden Übertragungskanäle werden weitergehende Schritte erforderlich.

Ein Beispiel für eine kalte Methode ist der Projektunterricht. Als zentrale Merkmale des Projektunterrichts nennt Tymister einen Arbeitsanlaß, der sich aus der Lebenswelt der Lernenden ergibt und dessen Bearbeitung die Lernenden für wünschenswert halten; die Beteiligung der Lernenden an der Planung, Durchführung und Auswertung der Unterrichtsprojekte sowie die gemeinsame Vereinbarung von Lernzielen (Tymister 19831995: 526). Im Projektunterricht werden wenig Vorgaben gemacht. Weder die Lernziele werden präzise vorgeschrieben noch die Arbeitsformen exakt festgelegt oder bestimmte Ergebnisse vorgeschrieben. Der Projektunterricht bezieht die Schülerinnen und Schüler an allen Stellen des Unterrichtsprozesses ein, er involviert und beteiligt. Damit finden sich beim Projektunterricht die typischen Merkmale einer kalten Methode. Daß Projektunterricht eine kalte Methode ist, wird noch an einem anderen Punkt sichtbar: Die uniformierende Individualisierung des heißen Frontalunterrichts wird im Projektunterricht durch eine individualisierende Gruppenbildung ersetzt.

Ein weiteres Beispiel für eine kalte Methode ist das entdeckende Lernen. Bei diesem Konzept wird Lernen als aktiver Konstruktionsvorgang begriffen. Der Lernvorgang wird durch die Lernenden selbst gesteuert. Durch empirische Untersuchungen wird nachgewiesen, daß die Lernenden mit dem Verfahren der Hypothesenbildung und -prüfung arbeiten, d.h. ihr Vorwissen einbeziehen. Außerdem hat sich gelenktes Entdecken, d.h. das Anbieten von Lernhilfen und Lernstrategien, als optimale Form des entdeckenden Lernens erwiesen (Neber 19851995: 512ff.). Wie beim Projektunterricht werden die Lernenden hier durch die nötige Selbststeuerung involviert. Die intensive Einbeziehung zeigt sich im Rückgriff auf Vorwissen. Die Lernenden werden mit ihrer ganzen Persönlichkeit einbezogen. Durch die detailarme Steuerung im gelenkten Entdecken wird die Methode weiter abgekühlt und in ihrer Wirkung verbessert.

Es ist deutlich, daß es verschiedene kalte Methoden gibt, die für die heiße Fernsehkultur geeignet sind. Anzumerken ist hier, daß programmiertes Lernen nicht für eine heiße Kultur geeignet ist, da es durch die extrem detaillierten Vorgaben in Bezug auf Vorgehen und Inhalte eine heiße Methode ist, die nicht zum kalten Medium Computertechnik paßt und bei einer heißen Kultur nicht auf fruchtbaren Boden fallen kann. Damit ist der Mißerfolg des programmierten Lernens zu erklären.

Auf der Medienseite gibt es ebenfalls verschiedene Möglichkeiten. Dabei ist das Fernsehen kein besonders kaltes Unterrichtsmedium, weil es im Unterricht nicht individuell kontrollierbar ist und keine Programmvielfalt anbietet. Meist wird Frontalunterricht einfach durch Frontalfernsehen ersetzt, womit nicht viel gewonnen ist. Günstiger sind Medienverbundsysteme, die durch die Kombination verschiedener Medien eine angemessenere Temperatur erreichen. Das Medium der Wahl ist jedoch die kalte Computertechnik.

Projektarbeit ist eine kalte Methode, die Schülerinnen und Schüler aufheizt. Wenn in der Projektarbeit ein kaltes Medium wie die Computertechnologie benutzt wird, dann heizt das auch die vom Fernsehen temperierten Schülerinnen und Schüler so auf, daß sie involviert und motiviert werden, vor allem, wenn sie dabei auch noch entdeckend lernen. Damit kann der immer wieder berichtete hohe Motivationseffekt der Computertechnologie als Unterrichtsmedium im Projektunterricht erklärt werden.

Projektunterrricht, der entdeckendes Lernen ermöglicht und Computertechnologie als kaltes Unterrichtsmedium verwendet: das ist coole Didaktik - und genau das richtige für eine heiße Kultur.

Verallgemeinerbare empirische Untersuchungen, mit denen dies belegt werden könnte, liegen, wie im ersten Kapitel dargestellt, nicht vor. Daher werden hier nur einige empirische Hinweise angeführt, die zeigen, daß Computertechnik als kaltes Unterrichtsmedium kombiniert mit kalten Methoden, erfolgreich eingesetzt wird.

Es finden sich zahlreiche Berichte, etwa über erfolgreichen Einsatz der Computertechnik bei offenen Unterrichtsmethoden (Hamaleinen u.a. 1995), dem gemeinsamen Lernen in Gruppen (Fickas u.a. 1995) oder der Schaffung von Lernumgebungen für entdeckendes Lernen (Ambach u.a. 1995). Im Rahmen des Modellversuchs zur informationstechnischen Grundbildung in Nordrhein - Westfalen werden ausschließlich projektorientierte Unterrichtseinheiten verwendet (Altermann - Köster u.a. 1990: 48f.). Und auch die Konzeption des 1997 eröffneten 'learn:line' - Servers, der Schulen, die mit dem Internet in Kontakt gekommen sind, Informationen und Material zur Vergügung stellt, setzt auf Beteiligung (http://www.lern-line.nrw.de/Mitarbeit/Mitmachen/medio.htm).

Für die Didaktik gilt also in bezug auf Methodenentscheidung und Medienwahl: Heiße Methoden stoßen auf das Unverständnis einer heißen Generation. Dagegen entfaltet ein kaltes Medium wie die Computertechnik, in einer kalten Form wie dem Projektunterricht präsentiert, auf die heißen Jugendlichen eine ganz andere Wirkung - sie werden einbezogen, involviert, motiviert und in das Unterrichtsgeschehen hineingezogen. Verträglich ist es dabei durchaus, heiße Medien kalt zu präsentieren (z.B. Literatur im Projektunterricht mit CD - ROMs zu vermitteln), und sich den Effekt des Mediums als Botschaft zu nutze zu machen.

Zusammenfassend ist festzuhalten:

- Computertechnik als kaltes Bildungsmedium wirkt auf heiße Lernende involvierend, individualisierend und gruppenbildend.

- Computertechnik erfordert die Kombination mit kalten Methoden.

Damit wird die Analyse der physikalischen Dimension des Mediums Computertechnik abgeschlossen.

3.3 Die semiotische Dimension

Nach der physikalischen Dimension wird nun die semiotische Dimension der Computertechnologie analysiert. Die semiotische Dimension nach der physikalischen Dimension zu diskutieren, ist mit dem Medienbegriff begründet: Die physikalische Dimension eines Mediums begrenzt die semiotische Dimension, determiniert sie aber nicht. Insofern ist die physikalische Dimension eines Mediums der Rahmen der semiotischen Dimension.

Die semiotische Dimension eines Mediums umfaßt die Zeichen, die an das Medium gebunden werden können und die Regeln, nach denen die Zeichen verbunden werden. Wenn Zeichen an Computertechnologie gebunden werden und Computertechnologie Zeichen nach Regeln verbinden kann, dann werden diejenigen, die Computer als Medium der Bildung verwenden, durch die dabei bestehenden Grenzen geformt.

Die Fomulierung der These und die verwendete Methode ist dem Abschnitt 3.2 analog. Zunächst werden die Eigenschaften der Computertechnologie beschrieben, um auf dieser Grundlage die Wirkungen der Computertechnologie auf sich bildende Menschen in den Blick zu nehmen. Wegen des Perspektivenwechsels von der physikalischen zur semiotischen Dimension kann jedoch das im Abschnitt 3.2 verwendete Instrumentarium nicht unbesehen übernommen werden. Im Rahmen des Medienbegriffs, der den lokalen Zusammenhalt der Analyse schafft, wechselt mit dem Übergang zur Analyse der semiotischen Dimension der Blickwinkel. Daher ist das Instrumentarium erneut zu reflektieren und zu differenzieren.

Im Abschnitt 3.2 wird als Eigenschaft der physikalischen Dimension der Computertechnologie hervorgehoben, daß Computer in der Regel als Turingautomaten konstruiert sind. Turingautomaten können Turingautomaten simulieren und Algorithmen abarbeiten. Algorithmen sind Regeln, nach denen Zeichen verbunden werden (vgl. Abschnitt 3.3.2.1). Aus der Möglichkeit Algorithmen abzuarbeiten folgt daher unmittelbar, daß Turingautomaten Sprache abarbeiten können. Da die Möglichkeit Sprache abzuarbeiten Computertechnologie gegenüber allen anderen Medien auszeichnet, ist eine genaue Darstellung dieses Aspekts zum Verständnis der semiotischen Dimension der Computertechnologie erforderlich. Die Sprachverarbeitung durch Turingautomaten wird im folgenden im Mittelpunkt stehen.

In der wissenschaftlichen Pädagogik liegt nun kein Medienbegriff vor, der für die Analyse der Sprachverarbeitung durch ein artifizielles Medium verwendet werden kann. Da insofern mit dem hier vorgelegten Medienbegriff Neuland betreten wird, ist zunächst zu zeigen, daß der Medienbegriff dazu geeignet ist, ein sprachverarbeitendes Medium zu analysieren.

3.3.1 Regeln semiotischer Räume

Der Medienbegriff ist dann dazu geeignet, ein sprachverarbeitendes Medium zu analysieren, wenn dargestellt werden kann, inwiefern das Medium dazu in der Lage ist, Zeichen nach Regeln zu verbinden, d.h. Regeln der Zeichenverwendung abzuarbeiten. Meder diskutiert in diesem Zusammenhang die Grammatik von Medien, die den semiotischen Raum eröffnet. Insofern es sich bei der Grammatik um Regeln handelt, nach denen Zeichen verbunden werden, kann eine Diskussion von Meders Konzept aus Sicht des hier verwendeten Medienbegriffs zeigen, daß die Regelabarbeitung durch Medien mit dem Medienbegriff erfaßt werden kann. Um die Perspektive auf die Sprachverarbeitung durch Medien deutlich zu machen, ist darüber hinaus eine knappe Darstellung das Regelfolgens durch Menschen erforderlich.

3.3.1.1 Semiotische Räume

Meder führt zum Zweck der Medienanalyse den Begriff des semiotischen Raums ein. Er schreibt:

"Medien sind Räume für Zeichen - semiotische Räume" (Meder 1995a: 9).75

Die Parallelität zum hier entwickelten Medienbegriff ist deutlich zu erkennen: Insofern Medien Räume für Zeichen sind, Medien also dadurch gekennzeichnet sind, daß Zeichen an Medien gebunden werden können, läßt sich sagen: Die semiotische Dimension von Medien entspricht dem semiotischen Raum.

Semiotische Räume sind nun bestimmt durch ihre Grammatik. Das sind Regeln, nach denen die Zeichen im semiotischen Raum verwendet werden, denn

"[...] die Grammatik ist die Bedingung möglicher Gegenstände, Sachverhalte und Botschaften in der jeweiligen Sprache" (Meder 1995a: 10).

Grammatik wird dabei als Wortlehre und als Satzlehre verstanden, als Lehre von den Zeichen, ihrer Bedeutung und ihrem Gebrauch. Grammatik ist der Sprache transzendental, weil sie einfach gebraucht wird, ohne sie zu thematisieren. Thematisiert wird die Grammatik erst, wenn der richtige oder falsche Gebrauch strittig ist; denn um die Frage nach der Richtigkeit des Befolgens der grammatischen Regeln zu klären, muß über die Grammatik verhandelt werden. Über die Grammatik eines Sprachspiels muß in einem neuen Sprachspiel mit eigener Grammatik verhandelt werden. Sobald ein Sprachspiel gespielt wird, ist die Grammatik diesem Spiel transzendental (Meder 1995a: 9f.).

Der hier verwendete Medienbegriff ist nun weiter gefaßt als der Medienbegriff von Meder: Wenn die Grammatik sich auf die Regeln der Wortlehre und Satzlehre, also die semantischen und syntaktischen Regeln bezieht, ist die physikalische Dimension zunächst ausgeklammert. Meder berücksichtigt die physikalische Dimension in der Materialität der Zeichen; er schreibt, daß der eröffnete Möglichkeitsraum in der Regel größer ist als das, was wir wirklich als Medium verwenden (Meder 1995a: 13f.).

Nun eröffnet die physikalische Dimension den semiotischen Raum nicht nur, sondern begrenzt ihn auch. Das ist zwar nicht an sich so, da physikalische Gegenstände im Rahmen der Grammatik der Sprache auf die verschiedenste Art und Weise genutzt werden können und offen für neue Grammtiken sind. Wird aber ein konkretes Medium aktuell verwendet, dann ist damit auch die physikalische Dimension festgelegt und deren Grenzen werden wirksam. So müssen Computer nicht als digitale elektrische Turingautomaten gebaut werden; wenn dies aber der Fall ist, kommen die damit festgelegten Eigenschaften der physikalischen Dimension zum Zuge.

Anders gesagt: Wenn Zeichen semantisch oder syntaktisch falsch gebildet werden, dann ist es nicht so, daß der semiotische Raum so nicht gefüllt werden könnte, sondern daß er so nicht gefüllt werden darf. Das Zeichen muß für die Beurteilung schon innerhalb des durch die physikalische Dimension eröffneten semiotischen Raums gebildet worden sein. Es ist aber auch möglich, daß die Verwendung von Zeichen an den Grenzen der physikalischen Dimension scheitert: Mit einer Geste kann der semiotische Raum, den Schallwellen eröffnen, nicht gefüllt werden. Das wird am Telefon sichtbar. Beim Versuch, eine Geste über ein Telefon zu übermitteln, wird keine semantische oder syntaktische Regel verletzt, sondern eine Regel der physikalischen Dimension des Mediums.

Diese Regeln der physikalischen Dimension lassen sich auch nicht mit semantischen oder syntaktischen Regeln gleichsetzen; etwa in dem Sinne, daß semantische oder syntaktische Regeln den physikalischen Grenzen folgen und diese also mit ausdrücken. Es gibt Regeln, die sowohl auf gesprochene Sprache als auch auf Schriftsprache zutreffen, die also physikalische Grenzen übergreifen. So ist es z.B. nicht immer sinnvoll, eine Unterscheidung anhand der physikalischen Dimension vorzunehmen. Um etwa Kulturen in den Blick zu nehmen, ist die Einteilung anhand der vorherrschenden Sprache eine sinnvolle Einteilung. Eine solche Sprache läßt sich durch relativ einheitliche semantische und syntaktische Regeln kennzeichnen, ist aber an verschiedenste Gegenstände gebunden, d.h. in der physikalischen Dimension heterogen. Umgekehrt kann die physikalische Dimension nur unter Berücksichtigung des jeweiligen Kulturraums sinnvoll analysiert werden.

Die physikalische Dimension eines Mediums ist also für den Grammatikbegriff zu berücksichtigen. Während ein Medium genutzt wird, sind die in der physikalischen Dimension liegenden Regeln ebensowenig wie die semantischen und syntaktischen hintergehbar; und sie liegen ebensowenig endgültig fest, weil der Gebrauch beendet und ein neuer begonnen werden kann. Damit kann festgehalten werden, daß der Medienbegriff dazu geeignet ist, das Abarbeiten von Regeln durch Medien darzustellen.

Den Ansatzpunkt für die folgende Darstellung weist die im Abschnitt 3.1.2 dargestelle Theorie von Morris. Nach Morris kann die physikalische Dimension eines Mediums Veränderungen unterzogen werden, die den Zeichenprozeß nicht betreffen. Für Morris ist dabei die Frage, wie weit Veränderungen der physikalischen Dimension gehen können, ohne daß der Zeichenprozeß verändert wird (Morris 19381972, S.76f.). Er fragt nicht danach, wie diese Veränderungen zustande kommen; und er fragt nicht, ob die physikalische Dimension durch Medien so verändert werden kann, daß der Zeichenprozeß betroffen ist. Diese Frage muß für die Darstellung der semiotischen Dimension der Computertechnologie gestellt werden.

3.3.1.2 Regelfolgen

Die Bedingung für die Veränderung von Zeichen durch die semiotische Dimension der Computertechnologie ist, daß Computertechnologie mit Zeichen ausgedrückte Regeln abarbeiten kann. Das Abarbeiten von Regeln durch Computertechnologie ist in Relation zum Regelfolgen durch Menschen darzustellen, da keine anderen Medien existieren, die Regeln abarbeiten können. Die verwendete Methode macht es damit erforderlich exemplarisch darzustellen, wie Menschen den Regeln der Sprache folgen, damit die Relation zur Computertechnologie hergestellt werden kann.

Wenn etwa das Zeichen '->' betrachtet wird, dann sind verschiedene Bedeutungen für dieses Zeichen möglich. Üblicherweise wird es so verwendet, daß sich als Regel formulieren läßt: 'Das Zeichen wird als Pfeil, der in Richtung der Pfeilspitze zeigt, verstanden'. Savigny, von dem das Beispiel stammt, formuliert ein heuristisches Schema für die Gültigkeit solcher Regeln:

"(a) Mitglieder von x zeigen selten offen ein Verhalten, das von dem durch y vorgeschriebenen abweicht.

(b) Mitglieder von x, die offen davon abweichen, sind Sanktionen ausgesetzt.

(c) Die Sanktionen werden vom Betroffenen akzeptiert" (Savigny 1974: 1796).

Die Befolgung einer Regel läßt sich z.B. an folgendem Umstand feststellen: Als Fahrradfahrer fährt X in einen Kreisverkehr, in dessen Mitte ein Schild mit dem Pfeil '->' steht, in Richtung der Pfeilspitze hinein (Savigny 1974: 1794). X muß dieser Regel aber nicht folgen und kann sie wissentlich verletzen, z.B. um den Weg durch den Kreisverkehr zu verkürzen. Zwar würde X die Regelverletzung zugeben und ein Bußgeld bezahlen. Es ist aber klar, daß das Zeichen das Verhalten nicht determiniert.

Das Befolgen von Regeln durch Menschen heißt, daß auf ein Zeichen hin meist dieselbe Handlung erfolgt.76 Auf die Grammatik angewendet: Erzeugen und Verändern von Zeichen heißt, den grammtischen Regeln zu folgen. Wenn hier gefragt wird, ob Medien den Zeichenprozeß verändern können, dann muß dafür untersucht werden, ob Medien grammatische Regeln abarbeiten können. Um die Frage zu untersuchen, wie Computertechnologie in den Zeichenprozeß eingreifen kann, die Zeichen also verändert und erzeugt, ist keine Untersuchung der an die Computertechnologie bindbaren Zeichen angezeigt - das würde das menschliche Sprachvermögen in den Mittelpunkt rücken. Nicht die Zeichen, sondern die Grammatik ist zu untersuchen.

Ob Regeln abgearbeitet werden, zeigt sich an der Veränderung der an das Medium gebundenen Zeichen. Medien, die keine Regeln abarbeiten, werden im folgenden als semiotisch statische Medien bezeichnet; Medien, die Regeln abarbeiten können als semiotisch dynamische Medien. Beispiele für semiotisch statische Veränderungen der physikalischen Dimension sind unterschiedliche Aussprachen des Wortes 'Haus', die Änderung der Schriftgröße in einem Text (Morris 19381972: 76) oder unterschiedliche Handschriften (Savigny 1974: 1789). Der Zeichenprozeß ändert sich auch nicht, wenn das Wort 'Haus' statt auf Papier auf Stein geschrieben wird. Es ist dann zwar schlechter transportierbar. Aber die bezeichneten Gegenstände bleiben dieselben. Die Änderungen, die dann eintreten, sind auf die physikalische Dimension zurückzuführen.

Ebenso ist ein Telefon semiotisch statisch. Wenn in ein Telefon gesprochen wird, dann ist die Veränderung der physikalischen Dimension durch das Telefon die Umsetzung der akustischen Sprache in eine elektrische Signalfolge, und zwar stets nach dem gleichen Verfahren (wenn es sich um konventionelle Telefontechnik handelt). Die Folge dieser in der physikalischen Dimension fixierten Eigenschaft ist, daß ein Telefon die Zeichen, die hineingesprochen werden, nicht verändert. Die Veränderung bleibt auf die physikalische Dimension beschränkt. Das ist kein Zufall, denn genau zu diesem Zweck wurde das Telefon gebaut. Wenn es in der physikalischen Dimension auf eine bestimmte Art und Weise gebaut wird, ist das Telefon in der semiotischen Dimension statisch.

Semiotisch dynamische Medien sind solche, die durch das Abarbeiten bestimmter Regeln Veränderungen in der semiotischen Dimension bewirken können. Ein Beispiel für eine semiotische Veränderung nennt Morris: Wenn ein Mensch das Wort 'Haus' liest, aber 'house' aufschreibt, dann hat sich die semiotische Dimension geändert. Das wird am Satz 'Das house ist rot' deutlich, der nicht den Regeln des Deutschen entspricht. Die Zeichen können nicht gleich sein, und sie sind es deswegen nicht, weil die physikalische Dimension des Mediums zu weitgehend verändert wurde (Morris 19381972, S.77). Der Maßstab, um Medien als semiotisch dynamisch zu klassifizieren, ist damit das Verständnis der Zeichen durch Menschen.

Solche Änderungen können nun von semiotisch dynamischen Medien vorgenommen werden. So können Textverarbeitungssysteme auf eine bestimmte Eingabe mit einer anderen Ausgabe reagieren. Das Beispiel der Änderung von 'Haus' zu 'house' ist mit einem solchen Medium realisierbar.77 Dazu ist es nicht erforderlich, daß das Textverarbeitungssystem die Bedeutung des Wortes 'Haus' erkennt. Daher wird hier zwischen menschlichem Regelfolgen und medialem Regelabarbeiten unterschieden. Regelabarbeiten ist auch ohne Verstehen möglich. Eine Änderung in der semiotischen Dimension ist auch durch automatische Reaktion auf die physikalische Dimension, z.B. die elektrischen Muster, auf die das Wort abgebildet wird, möglich; und damit kann alles technologische Regelabarbeiten erklärt werden.78

Drei Erläuterungen zu der Unterscheidung sind hier erforderlich: Erstens sind Medien nicht deswegen semiotisch dynamisch, weil ein Zeichen aus physikalischen Gründen nicht an sie gebunden werden kann. Schlägt z.B. der Versuch, das Wort 'Haus' mit einem Kugelschreiber in die Luft zu schreiben, fehl, ist das nicht als semiotische Dynamik zu verstehen, sondern als grammatischer Fehler. Wenn ein Zeichen physikalisch nicht an ein Medium gebunden werden kann, dann wird daran die Grenze der physikalischen Dimension sichtbar.

Zweitens kann ein und dasselbe physikalische Medium semiotisch statisch und semiotisch dynamisch sein. Wenn z.B. ein Taschenrechner einerseits Zahlen genau so, wie sie eingegeben werden, auch anzeigt; andererseits eingegebene Zahlen so verändert, daß auch ihre Bedeutung betroffen ist, dann ist er semiotisch statisch und dynamisch.

Und drittens genügen für semiotisch dynamische Medien automatische Reaktionen. Das Medium muß dafür nicht verstehen, was es tut. So werden bei Telefonabhörautomaten die Regeln, die festlegen, wann eine Aufzeichnung durchgeführt wird, im Programm fixiert. Die Regel determiniert die semiotisch dynamische Reaktion. Festgelegt wird die Regel durch Menschen. Anders ausgedrückt: Um semiotisch dynamisch zu sein, muß ein Medium Regeln zwar abarbeiten, aber nicht setzen können.

Damit kann zwischen semiotisch statischen und semiotisch dynamischen Medien unterschieden werden. Computertechnologie, das haben die eben genannten Beispiele gezeigt, ist semiotisch dynamisch. Computertechnologie kann Regeln abarbeiten.

Bevor dies nun genauer diskutiert wird, ist noch die Unterscheidung zwischen Zeichen und Regeln zu verdeutlichen: Nach Morris lassen sich atomistische Zeichen nicht feststellen. Die Darstellung eines Zeichens setzt eine Beziehung zwischen dargestelltem und darstellendem Zeichen voraus. Das zeigt die Grenze der Analyse von Zeichen mit Hilfe von Zeichen an. Zeichen sind nur unter Voraussetzung einer Beziehung zueinander darstellbar. Daher können alleinstehende Zeichen nicht analysiert werden. Jede Analyse von Zeichen setzt einen Kontext voraus. Hier kann es daher nicht um die Darstellung einzelner semantischer oder syntaktischer Zeichen gehen. Da Zeichen immer miteinander verbunden sind, geht es um Sprache. Computertechnologie ist eine Sprachtechnologie. Wenn die Eigenschaften dieser Sprachtechnologie explizit gemacht werden sollen, dann muß die Grammatik in den Blick genommen werden. Die Frage ist also: Welche Grammatik gilt für das Abarbeiten von Zeichen durch Computertechnologie?

3.3.2 Kalkülsprachtechnologie

Die Frage nach den grammatischen Regeln der Computertechnologie ist in der wissenschaftlichen Pädagogik zu diskutieren, weil die Auseinandersetzung mit Sprachen eine zentrale Aufgabe der praktischen Pädagogik ist, und daher die Möglichkeiten und Grenzen der Computertechnologie als einzigem sprachverarbeitenden Medium von besonderem Interesse sind. So schreibt z.B. Hentig:

"Nicht die Sprache des Computers ist das Maß der menschlichen Sprache, sondern an der technischen Begrenzung der seinen werden wir der Eigenart, des Reichtums, der Wirksamkeit der unseren bewußt" (Hentig 1984, S.44f.).

Damit die Bewußtwerdung der technologischen Begrenzung der Computersprache im pädagogischen Prozeß gelingt, ist eine didaktische Reduktion der komplexen Materie erforderlich. Für die didaktische Reduktion muß bestimmt werden, wo die Grenzen der Sprachtechnologie gegenüber der menschlichen Sprache sichtbar werden. Diese Grenzen, die die Grenzen der semiotischen Dimension sind, werden hier herausgearbeitet.

Während nun die Regeln menschlicher Sprache aus ihrer Verwendung entnommen werden müssen und nicht vollständig zusammengestellt werden können (Meder 1987: 166), sind die Regeln der Sprache der Computertechnologie präzise bestimmbar: Die Grammtik der semiotischen Dimension der Computertechnologie entspricht den Eigenschaften formaler Sprachen. Anders gesagt: Was in einer formalen Sprache formuliert ist, kann von Computertechnologie abgearbeitet werden.

Um den Begriff der formalen Sprachen als Grammtik der semiotischen Dimension der Computertechnologie aufzuweisen, ist der Begriff der formalen Sprachen darzustellen und zu zeigen, daß Computertechnolgie formale Sprachen abarbeiten kann. Die Darstellung ist dann mit dem Medienbegriff im Blick auf diejenigen, die Computertechnologie als Medium der Bildung verwenden, zu interpretieren. Die beabsichtigte Interpretation macht eine detaillierte Darstellung des Abarbeitens formaler Sprachen durch Computertechnologie erforderlich.

3.3.2.1 Formalisierte Sprache

Da hier keine mathematischen oder logischen Beweise geführt werden sollen, ist eine formale Bestimmung formalisierter Sprachen, wie sie z.B. Hinst (1974: 472) angibt, nicht erforderlich. Die Absicht, Grenzen und Implikationen formalisierter Sprachen im Blick auf den Bildungsprozeß herauszuarbeiten, macht eine Darstellung, wie sie Krämer 1988 vorgelegt hat, erforderlich. Krämer nennt drei Merkmale formalisierter Sprachen: Schriftlichkeit, Interpretationsfreiheit und Schematisierbarkeit.

"Ein Vorgang ist formal beschreibbar, sofern es möglich ist, diesen mit Hilfe künstlicher Symbole so darzustellen, daß die Bedingungen des typographischen, schematischen und interpretationsfreien Symbolgebrauchs erfüllt sind" (Krämer 1988: 2).

Wie werden diese Merkmale bestimmt?

3.3.2.1.1 Schriftlichkeit

Das erste Merkmal ist die Schriftlichkeit. Damit ist die Verwendung typographischer Zeichen bezeichnet. Während 'Fünf' nicht an Schriftlichkeit gebunden ist, handelt es sich bei '5' um ein typographisches Zeichen, das sich auf das zugeordnete Zahlwort bezieht und strenggenommen nicht aussprechbar ist. Bei der Aussprache wird das räumliche Nebeneinander der typographischen Zeichen in das zeitliche Nacheinander der Worte übertragen (Krämer 1988: 1).

Wichtige Schritte der Entstehung der typographischen Zeichen sind das Stellenwertprinzip und die Begriffsschrift (Krämer 1988: 176). Mit der Verwendung des Stellenwertprinzips wird die Reihenfolge der Ziffern bedeutsam. Während im römischen additiven Zahlensystem die Reihenfolge der Ziffern in manchen Fällen vertauscht werden kann (MDCCCCXXXV ist auch als VXXCCCCDM noch lesbar), ist das bei Stellenwertsystemen nicht mehr der Fall (1935 und 5391 bezeichnen verschiedene Zahlen). Das erste Stellenwertsystem ist das ca. 2.200 v. Chr. entstandene babylonische Sexagesimalsystem. Im babylonischen Sexagesimalsystem ist das entscheidende Konzept erstmals realisiert: Die strenge Linearität. Die Bedeutung der Zeichen ist nur dann verständlich, wenn sie auch genau am richtigen Platz des typografischen Zahlwortes stehen (Krämer 1988: 17).

Die Idee der formallogischen Darstellung von Urteilen, d.h. einer Begriffsschrift, findet sich erstmals im 17. Jahrhundert bei Leibniz. Er versucht in der kombinatorischen Zeichenkunst eine universelle Kalkülsprache zu entwickeln, mit deren Hilfe Urteile und Schlüsse eindeutig abgebildet werden können. Allerdings ist Leibniz an dieser Aufgabe gescheitert. Erst Frege gelingt die Entwicklung einer entsprechenden Begriffsschrift. Auch für Freges Begriffsschrift ist die lineare Lesart entscheidend (Krämer 1988: 104-107, 134, 178).

Eine formalisierte Sprache verwendet also typographische Zeichen, die eindeutig sind und die linear angeordnet sind.

3.3.2.1.2 Interpretationsfreiheit

Typographische Zeichen lassen sich interpretationsfrei verwenden. Das heißt: Beim Gebrauch der Zeichen wird von ihrer Bedeutung abstrahiert (Krämer 1988: 181).79

Als erste Stufe der Interpretationsfreiheit beschreibt Krämer das Repräsentieren von Objekten durch Platzhalter, etwa einer Anzahl von Schafen durch eine Anzahl von Steinen, was erstmals mit den babylonischen Rechensteinen (ca. 9.000 v. Chr.) geschieht (Krämer 1988: 8). Der Platzhalter steht dabei für das ganz bestimmmte Objekt.

Die zweite Stufe ist mit der Verwendung von Variablen angezeigt. Variablen bezeichnen nicht mehr ganz bestimmte Objekte, sondern beziehen sich unspezifiziert auf einen bestimmten Variabilitätsbereich. Diese Stufe ist mit der aristotelischen Logik erreicht. Die Variablen stehen nicht mehr für Objekte der physikalischen Welt, sondern für Zeichen. Variablen sind Zeichen für Zeichen, allerdings für wohlbestimmte Zeichen (Krämer 1988: 74f., 182).

Die dritte Stufe ist mit der Verwendung von Variablen als Kalkülzeichen erreicht. Die Regeln, nach denen mit Kalkülzeichen Sätze gebildet werden, nehmen keinen Bezug auf die Bedeutung der Zeichen. Die Kalkülzeichen haben daher nur noch intrasymbolische Bedeutung, sie benötigen keine Metasprache mehr (Krämer 1988: 182).

3.3.2.1.3 Schematisierbarkeit

Das dritte Merkmal formalisierter Sprachen ist der schematische Gebrauch der Kalkülzeichen. Ein Beispiel dafür ist, daß die Kalkülzeichen '5+3=8' gleichermaßen auf fünf Buntstifte und drei Glasmurmeln wie auf fünf Bücher und drei Teetassen anwendbar sind; die Bedeutung der Kalkülzeichen spielt für die Operation keine Rolle. Das Schema sind die Regeln zur Ausführung der Addition (Krämer 1988: 2). Schematisierbarkeit von Regeln läßt sich so paraphrasieren: Die Regeln werden stur befolgt, ohne zu denken. Um Schemata befolgen zu können, ist es nicht erforderlich, die Regeln oder die Bedeutung der Kalkülzeichen zu verstehen.

Umgekehrt formuliert zeigt dies eine Grenze der Formalisierbarkeit an: Wenn Regeln verstanden werden müssen, können sie nicht als Schemata formuliert werden. Mit Krämers Worten:

"Die Grenzen der Formalisierbarkeit sind die Grenzen eines mechanisch verfahrenden, phantasielosen Verstandes. Die Auszeichnung unserer Vernunft liegt nicht nur darin, einer Regel folgen, sondern auch darin, eine Regel gegebenenfalls außer Kraft setzen zu können" (Krämer 1988: 181).

Da formale Sprachen aus Kalkülzeichen bestehen, mit denen schematisch operiert wird, werden formale Sprachen hier als Kalkülsprachen bezeichnet. Damit sind als Eigenschaften von Kalkülsprachen festzuhalten:

- Kalkülsprachen sind schriftliche Sprachen.

- Kalkülsprachen enthalten nur eindeutige Kalkülzeichen ohne Bezug zur physikalischen Welt oder einer Metasprache.

- Den in einer Kalkülsprache formulierten Regeln kann gefolgt werden, ohne die Regeln zu verstehen.

Schematisierte und mit Kalkülzeichen ausgedrückte Operationen werden nun auch als Algorithmen bezeichnet. Daß Computertechnolgie Algorithmen abarbeiten kann, belegt Turing in Weiterführung des Leibnizprogramms.

3.3.2.2 Algorithmen

Leibniz geht es darum Schemata zu entwickeln, die wahre Aussagen hervorbringen. Durch die Anwendung von Schemata in einer Kalkülsprache sollte es möglich werden,

"[...] alle wahren Sätze automatisch herzuleiten sowie über die Wahrheit jedes vorgelegten Satzes zu entscheiden" (Krämer 1988: 179).

In der Kombination von Kalkülzeichen und Schemata sieht Leibniz die Möglichkeit einer universellen Wissenschaft. Er entwirft eine universelle Kalkülsprache, in der jeder Beweis durch die Anwendung von Schemata auf Kalkülzeichen durchgeführt wird. Dabei spielt die Bedeutung der Kalkülzeichen keine Rolle und die Operationen müssen nicht verstanden werden. Damit werden die Operationen automatisierbar. Auf diese Weise kann nach Leibniz das Programm einer Universalwissenschaft erfüllt werden. Das schematische Operieren in einer Kalkülsprache erlaubt es, alle Vernunftwahrheiten auszudrücken und Irrtümer als Rechenfehler auszuweisen (Krämer 1988: 101ff.). Die von Leibniz entworfene Rechenmaschine kann daher als der erste Ansatz für eine 'Hardware' des Denkens gesehen werden (Mainzer 1993: 119).

Die Versuche der universellen Anwendung von Algorithmen gelangen mit den Arbeiten von Hilbert zu einem Höhepunkt. Hilbert überführt Axiome mathematischer Theorien in Kalkülzeichen, um die Widerspruchsfreiheit der Axiome zu beweisen. Anlaß ist die Einsicht, daß bei einem Axiomensystem, das auf verschiedene Weise interpretiert werden kann (etwa durch Anwendung auf Geometrie und Algebra), die physikalische Welt mangels eindeutigem Bezug zur selbigen nicht mehr als intuitive Absicherung der Richtigkeit der Axiome herangezogen werden kann. Als Nachweis der Widerspruchsfreiheit eines Axiomensystems wird statt dessen eine Kalkülsprache herangezogen. Dazu unterscheidet Hilbert zwischen mathematischen und metamathematischen Aussagen. Letztere sind Elemente des Kalküls, in dem Aussagen über das Axiomensystem gemacht werden. Die Widerspruchsfreiheit des Axiomensystems wird durch eine absolut vollständige Überprüfung der Eigenschaften der metamathematischen Aussagen des Kalküls gesichert (Krämer 1988: 140-145). Dazu werden als Kalkülzeichen die Zeichen des Axiomensystems verwendet. Auch für die Sätze der Kalkülsprache werden Sätze des Axiomensystems verwendet. Die Widerspruchsfreiheit des Axiomensystems kann dann nach den Regeln des Axiomensystems bewiesen werden. So wird etwa der Satz über die Zahlentheorie: 'Die Zahlentheorie ist widerspruchsfrei und vollständig' in die Zahlentheorie abgebildet und in der Zahlentheorie bewiesen (Meder 1987: 143).

Dann werden Algorithmen formuliert, nach denen die Kalkülzeichen umgeformt und kombiniert werden. Durch die Anwendung der Algorithmen werden die möglichen Ableitungen vollständig ausgeführt und auf Widerspruchsfreiheit geprüft. Auf diese Weise ist die Widerspruchsfreiheit des Axiomensystems bewiesen (Krämer 1988: 140-145).

Hier ist Hilberts Versuch interessant, weil er gescheitert ist. Daran werden die Grenzen der Algorithmierbarkeit und damit die Grenze des Sprachvermögens von Computertechnologie sichtbar:

Gödel beweist für die Mathematik, daß es in einem widerspruchsfreien arithmetischen Axiomensystem wahre arithmetische Sätze gibt, die aus dem System nicht abgeleitet werden können; und daß zu den nicht ableitbaren Sätzen der Satz gehört, der die Widerspruchsfreiheit des Systems behauptet (Krämer 1988: 146). Hilberts Idee, die Widerspruchsfreiheit eines Systems aus dem System heraus mit Hilfe der Anwendung von Algorithmen auf Kalkülzeichen nachzuweisen ist damit nicht durchführbar. Church liefert den entsprechenden Beweis für die Logik, indem er nachweist, daß es keinen Algorithmus für die Frage nach der Ableitbarkeit einer beliebigen Formel der Prädikatenlogik aus dem Axiomensystem des Prädikatenkalküls gibt (Krämer 1988: 154).

3.3.2.2.1 Der Algorithmenbegriff

Eine exakte Formulierung des Algorithmenbegriffs legt Turing 1936 vor. Er entwickelt den Formalismus der Turingtafeln, mit denen er einen präzisen Begriff der Berechenbarkeit angibt. Zudem kann er die Plausibilität der Vermutung zeigen, daß die von ihm vorgeschlagenen Automaten diesem Begriff der Berechenbarkeit entsprechen und daher jeden Algorithmus abarbeiten können. Diese Vermutung wird durch den Umstand, daß Erweiterungen des einfachen Turingautomaten die Möglichkeiten nicht erweitern, und durch den Umstand, daß noch kein Algorithmus gefunden wurde, der nicht von einem Turingautomaten abgearbeitet werden kann, untermauert (Krämer 1988: 174f.).

Der Algorithmenbegriff läßt sich in einer hier ausreichenden intuitiven Formulierung fassen. Es müssen vier Merkmale erfüllt sein, damit ein Algorithmus, d.h. ein von Maschinen durchführbares Schema, vorliegt:

- Das erste Merkmal ist Elementarität, d.h. daß ein komplexer Prozeß in nicht weiter teilbare fragmentarisierte Grundoperationen zerlegt wird.

- Das zweite Merkmal ist Determiniertheit. Darunter wird die strenge Festlegung der linearen Reihenfolge der Grundoperationen verstanden, die dazu führt, daß die Schemata bei der Anwendung nicht verstanden werden müssen.

- Dann sind drittens Algorithmen allgemein, d.h. sie sind nicht auf bestimmte Objekte gerichtet. Die Objekte algorithmischer Verfahren müssen lediglich deutlich voneinander zu trennen sein.

- Viertens müssen Algorithmen in einer endlichen Folge formuliert werden können, und die zur Ausführung einzelner Schritte benötigte Zeit darf nicht unendlich sein.

(Krämer 1988: 159f.)

Insofern Alphabete und die daraus gebildeten Algorithmen in andere Alphabete durch Gödelisierung isomorph umgewandelt (z.B. digitalisiert) werden können (Krämer 1988: 149f.), kann Computertechnologie jeden Algorithmus abarbeiten.

Was also in einer Kalkülsprache als Algorithmus formuliert ist, kann von der Computertechnologie abgearbeitet werden. Die Grammatik der semiotischen Dimension der Computertechnologie ist durch die Eigenschaften von Kalkülsprachen und den intuitiven Algorithmusbegriff bestimmt. Computertechnologie kann Operationen abarbeiten, die mit schriftlichen und interpretationsfreien Zeichen formuliert werden und die elementarisiert, determiniert, allgemein und endlich sind.

Nun gibt es einen für die Frage der Wirkung der Computertechnologie auf sich Bildende relevanten Sonderfall der Verwendung von Algorithmen: Es können Algorithmen formuliert werden, die eine Kalkülsprache in eine andere überführen.

3.3.2.2.2 Programmiersprachen und Betriebssysteme

Die Überführung einer Kalkülsprache in eine andere ist zunächst zu beschreiben. Um die Möglichkeiten, die die Überführung einer Kalkülsprache in eine andere durch einen Algorithmus eröffnet, übersichtlich darstellen zu können, werden hier anhand der zeitlichen Struktur zwei Formen unterschieden: Zum einen die zeitliche Form des Nacheinanders, zum anderen die zeitliche Form der Gleichzeitigkeit.

Die Überführung einer Kalkülsprache in eine andere durch einen Algorithmus ermöglicht höhere Programmiersprachen und sogenannte Benutzeroberflächen. 1954 entsteht mit Fortran die erste höhere Programmiersprache. Bis zu diesem Zeitpunkt werden die Computer im Maschinencode programmiert (Engesser 1988: 273). Auch der Maschinencode muß, damit ein Computer die Befehle abarbeiten kann, in Operationscodes überführt werden.

Um die einzelnen Überführungsschritte deutlich zu machen ist es erforderlich, mit der physikalischen Dimension zu beginnen. Der physikalische Turingautomat reagiert auf angelegte Spannungen mit Operationen, die wiederum durch Spannungen realisiert werden, und gibt als Ergebnis Spannungen aus. Diese Spannungen lassen sich mit Schaltern anlegen und die Ausgabe mit Lampen realisieren. Das ist unkomfortabel. Der Komfort läßt sich erheblich steigern, wenn statt der Spannungen eine Maschinensprache verwendet wird. Dazu werden die Spannungen zunächst als Operationscodes ausgedrückt.

Für eine Reihe physikalischer Spannungen, angelegt an eine Reihe von Leitungen, kann z.B. '10000000010100001111111110011110' (ein 32-Bit-Wort) geschrieben werden. Aus '1' und '0' - Reihen formulierte Befehle werden als Operationscode oder Binärcode bezeichnet. Die '1' und die '0' des Operationscodes bezeichnen exakt die physikalische Ebene, d.h. elektrische Spannungen.

Die Operationscodes, z.B. '100000000', werden dann durch Worte, z.B. 'ADD', ausgedrückt (Coy 219881992: 147f.). Auf diese Weise werden die Befehle, die in der Hardware des Computers eingebaut sind, durch Abkürzungen dargestellt. Die Auswahl der Worte orientiert sich an Programmiererinnen und Programmierern: 'OR' als Befehl für eine Disjunktion ist leichter zu memorieren als '100000010'. Als Zahlen werden Dezimalzahlen zugelassen, deren Codierung aufwendiger und hier im Detail nicht relevant ist (dazu Coy 219881992: 111-126).

Die Befehle der Maschinensprache entsprechen den Befehlen des Operationscodes. Nun kann ein physikalischer Computer nicht auf Maschinenbefehle reagieren. Er kann aber einen Algorithmus abarbeiten, der die Maschinenbefehle in Operationscodes übersetzt, die dann den Spannungen entsprechen. Ein solcher Algorithmus wird als Assembler bezeichnet (Weizenbaum 919761994: 138). Die Funktion läßt sich als Tabelle veranschaulichen. Auf der linken Seite steht der Maschinenbefehl, auf der rechten der Operationscode. Der Assembler setzt für den Maschinenbefehl den Operationscode ein. Da die Maschinenbefehle in Operationscodes übersetzt werden müssen, bevor die Computertechnik den formulierten Algorithmus abarbeiten kann, handelt es sich um ein zeitliches Nacheinander.

Die Maschinenbefehle müssen sich an den Hardwaremöglichkeiten orientieren (Coy 219881992: 148). Sie müssen ihnen nicht exakt entsprechen. Zwar ist es nicht möglich, Maschinenbefehle zu verwenden, die nicht in einen Operationscode überführt werden können; das ist nur mit einer Metasprache möglich. Es ist aber durchaus möglich, einen Operationscode mit verschiedenen Maschinenbefehlen zu bezeichnen. Ebenso ist es möglich, einem Operationscode keinen Maschinenbefehl zuzuweisen.80

Dabei entsteht kein Bruch zwischen der physikalischen und der semiotischen Dimension. Die 1 und die 0 des Operationscodes bezeichnen exakt die Hardware, in der Strom fließt oder nicht. Mit der Übertragung der Maschinenbefehle in den Operationscode simuliert der physikalische universelle Turingautomat einen semiotischen universellen Turingautomaten, der nicht mit Operationscodes, sondern mit Maschinenbefehlen gesteuert wird.

Eine Liste von Maschinenbefehlen kann dann durch einen Befehl einer Programmiersprache ausgedrückt werden. Der Befehl der Programmiersprache wird dann von einem Algorithmus in Maschinenbefehle überführt. Damit kann z.B. ein algebraischer Ausdruck wie d=a+b*c von Computertechnologie abgearbeitet werden. Dabei simuliert der universelle Turingautomat, der die Maschinenbefehle überführt, einen universellen Turingautomaten, der die Programmiersprachbefehle überführt. Eine höhere Programmiersprache kann damit als Simulation der Simulation eines universellen Turingautomaten beschrieben werden. Erfolgt zunächst die Übertragung einer Programmiersprache in eine Maschinensprache, dann die Übertragung in Operationscodes und dann die Abarbeitung durch einen Computer, liegen die einzelnen Schritte zeitlich nacheinander.

Auch bei höheren Programmiersprachen sind Auslassungen und Redundanzen möglich. Damit können Programmierstile geändert werden.

Es "[...] ist die Frage nicht die, welche Verfahren sich in einer Sprache auf höherer Ebene ausdrücken lassen [...], sondern welcher Programmierstil von der Sprache diktiert wird" (Weizenbaum 919761994: 142).

Die Frage nach den Verfahren kann für höhere Programmiersprachen meist vernachlässigt werden, da höhere Programmiersprachen universelle Turingautomaten simulieren, d.h. die möglichen Algorithmen nicht einschränken. Mit höheren Programmiersprachen kann in der Regel jeder Algorithmus formuliert werden.81

Der Anlaß für Weizenbaum, die Frage nach der Relevanz der Programmierstile82 aufzuwerfen, ist: Programmiererinnen und Programmierer können sich einer Programmiersprache bedienen, ohne sich um die Umsetzung in Maschinensprache oder Operationscodes zu kümmern. Sie können sich auf das Programm, das sie gerade schreiben, konzentrieren, und nur die Programmiersprache betrachten. Die Eigenschaften des Computers müssen dabei nicht berücksichtigt werden.83

Bei der zeitlichen Form des Nacheinanders wird die verwendete Kalkülsprache zunächst in Operationscode überführt. Dazu werden ebenfalls Algorithmen verwendet, die einen universellen Turingautomaten nur insofern simulieren, als in der Programmiersprache alle Möglichkeiten eines solchen Automaten zur Verfügung stehen. Nun kann ein universeller Turingautomat einen anderen universellen Turingautomaten auch so simulieren, daß die eingegebenen Befehle unmittelbar ausgeführt werden. Das entspricht der Form der Gleichzeitigkeit. Diese Form liegt bei Interpretern und Betriebssystemen vor. Interpreter dienen der Programmierung, führen die eingegebenen Befehle aber sofort aus, ohne sie erst in den Operationscode zu übertragen (Hofstadter 519791996: 314f.). Sie simulieren statt dessen einen universellen Turingautomaten. Das Betriebssystem simuliert gegenüber einem Programm einen universellen Turingautomaten. Ein Programm wird vom Betriebssystem, und das Betriebssystem von der Hardware ausgeführt.84

Ein Beispiel ist ein Algorithmus, der Kalkülzeichen aus dem Arbeitsspeicher auf eine Diskette kopiert. Eine solche Funktion wird z.B. von einem Textverarbeitungsprogramm benötigt. Wenn im Textverarbeitungsprogramm die Speicherfunktion aufgerufen wird, ruft das Textverarbeitungsprogramm das Betriebssystem auf. Das Betriebssystem schaltet dann z.B. den Motor des Diskettenlaufwerks ein, weist den Prozessor an, die Daten aus dem Speicher zu lesen, etc.

Damit das Betriebssystem komfortabel gesteuert werden kann, z.B. um Kopien von Daten zu erstellen, werden sogenannte Schnittstellen entwickelt. Schnittstellen für Programmiererinnen und Programmierer werden als Programmierschnittstellen bezeichnet und z.B. bei der Programmierung eines Textverarbeitungsprogramms verwendet; Schnitstellen für Anwenderinnen und Anwender werden als Benutzeroberflächen bezeichnet und z.B. als grafische Benutzeroberflächen ausgeführt. Grafische Benutzeroberflächen bieten mit Menüs, Icons etc. den Anwenderinnen und Anwendern eine komfortable Möglichkeit, das Betriebssystem zu steuern.

Neben dem erhöhten Komfort im Umgang mit der physikalischen Dimension der Computertechnologie, der 'Hardware', ist ein Betriebssystem, das universelle Turingautomaten simuliert, auch zweckmäßig, wenn ein ausgeführtes Programm kein Algorithmus ist und z.B. nicht endet. In einem solchen Fall kann das Betriebssystem die Simulation des nicht mehr stoppenden universellen Turingautomaten abbrechen. Damit ist auch der Unterschied zur Figur des zeitlichen Nacheinanders klar. Es handelt sich nicht um jeweils einen Turingautomaten und einen Algorithmus, sondern um viele Turingautomaten und viele Algorithmen.

Für die Beschreibung der Computertechnologie ist damit festzuhalten, daß ein physikalischer universeller Turingautomat einen semiotischen universellen Turingautomaten simulieren kann, der weitere semiotische universelle Turingautomaten simulieren kann, ohne das ein Bruch zwischen physikalischer und semiotischer Dimension entsteht oder die Funktionalität reduziert werden muß. Die Simulation kann entweder in der zeitlichen Form des Nacheinanders oder in der Form der Gleichzeitigkeit erfolgen.

3.3.2.3 Kalkülsprachen als Medien

Um die Wirkung der dynamischen semiotischen Dimension der Computertechnologie auf sich bildende Menschen darstellen zu können, ist die beschriebene Struktur der semiotischen Dimension der Computertechnologie zunächst mit dem Medienbegriff zu reflektieren und zu exemplifizieren.

Für die Reflexion der semiotischen Dimension der Computertechnologie mit dem Medienbegriff steht nur die Relation zur Sprachfähigkeit des Menschen zur Verfügung. Hier ist es nicht erforderlich, einen umfassenden Eindruck der menschlichen Sprachfähigkeit zu verschaffen. Für die Darstellung der Relation zur Sprachfähigkeit des Mediums Computertechnologie genügt es, die Einschränkungen von Kalkülsprachen gegenüber den natürlichen Sprachen des Menschen hervorzuheben.

Die Darstellung formalisierter Sprachen hat gezeigt: Kalkülzeichen sind sowohl von der physikalischen Welt als auch von einer Metasprache getrennt. Mit den Zeichen einer Kalkülsprache können nur Zeichen der Kalkülsprache bezeichnet werden. Krämer nennt als Beispiel für diesen Umstand den Übergang von der gesprochenen 'Fünf' zur geschriebenen '5'. Nach dem Medienbegriff ist das in der physikalischen Dimension ein Übergang von Luft/Tönen zu Papier/Farbe. Damit ist ein Übergang von dem Zahlwort 'Fünf' zu der Ziffer '5' verbunden (Krämer 1988: 1). Die Ziffer bezeichnet das Zahlwort, das Zahlwort bezeichnet Gegenstände.

Das ist nach dem Medienbegriff ein Übergang von semantischen zu syntaktischen Zeichen. Das gesprochene Zeichen 'Fünf' bezieht sich auf Gegenstände, es ist semantisch. Die geschriebene '5' bezieht sich auf das Zeichen 'Fünf', das Zeichen ist syntaktisch. Da in Kalkülsprachen nur Kalkülzeichen verwendet werden können, sind formalisierte Sprachen ausschließlich syntaktische Sprachen. Dies gilt auch für die Algorithmen, die mit Kalkülzeichen formuliert werden. So schreibt Weizenbaum:

"Eine der Eigenschaften formaler Sprachen, ja ihr Wesen besteht darin, daß ihre sämtlichen Tranformationsregeln rein syntaktisch sind [...]" (Weizenbaum 919761994: 100).

In rein syntaktischen Sprachen kommen keine semantischen Zeichen vor. Ohne semantische Zeichen können diese Sprachen nicht auf die physikalische Welt bezogen werden. Dagegen läßt sich folgendes, in Anlehnung an Savigny formulierte Beispiel einwenden: Ein Computer steuert im Befolgen von Algorithmen anhand der Aufzeichnungen einer Videokamera einen Roboter, der dann in der physikalischen Welt agiert. Läßt man sich, wie Savigny vorschlägt, auf "übliche metaphorische Redeweisen" (Savigny 219941988: 10) ein, ist die Situation so zu berschreiben: Der Computer nimmt mittels der Videokamera die physikalische Welt wahr. Der Computer handelt zudem mittels des Roboters in der physikalischen Welt. Also hat der Computer einen semantischen Bezug zur physikalischen Welt; schließlich ist auch das Denken des Menschen mittels der Wahrnehmung des Auges und der Tätigkeit der Hand auf die physikalische Welt bezogen.

Nun beziehen sich die Zeichen der Sprache der Computertechnologie nicht auf die physikalische Welt, sondern auf die digitalisierte Abbildung der physikalischen Welt, und zwar ausschließlich auf die digitalisierte Abbildung. Die metasprachliche Frage, ob diese Abbildung die physikalische Welt auch zutreffend wiedergibt, spielt dabei keine Rolle. Das wird an der Fortführung des Beispiels deutlich: Angenommen, der eben genannte Computer mit Videokamera und Roboter sortiert defekte Hühnereier aus. Jetzt wird derselbe Computer mit einer Werkzeugmaschine und einem Sensor verbunden. Die Algorithmen werden nicht verändert. Sie führen jetzt dazu, daß der Computer Glühbirnen herstellt.

Das Beispiel verdeutlicht, daß die Algorithmen, die von Computertechnologie abgearbeitet werden, den Bezug zur physikalischen Welt nicht dadurch erhalten, daß in den Algorithmen Zeichen enthalten sind, die von der Computertechnologie als semantische Zeichen verarbeitet werden. Der Bezug zur physikalischen Welt wird durch den Gebrauch hergestellt, den Menschen von der Computertechnologie machen. Da Kalkülsprachen keine semantischen Zeichen enthalten, können keine ikonischen oder symbolische Zeichen von der Computertechnologie verarbeitet werden.

Kalkülzeichen fehlt nun nicht nur der Bezug zur physikalischen Welt, sondern auch der Bezug zu einer Metasprache. Damit unterliegen Kalkülzeichen gegenüber den syntaktischen Zeichen einer natürlichen Sprache einer wesentlichen Einschränkung: Da eine Kalkülsprache keine Zeichen enthält, die auf eine Metasprache bezogen sind, ist es mit einer Kalkülsprache nicht möglich, aus dieser Sprache herauszutreten (Krämer 1988: 180). Insofern kann mit den syntaktischen Kalkülzeichen weniger bezeichnet werden als mit den syntaktischen Zeichen. Kalkülzeichen sind ein Sonderfall der syntaktischen Zeichen.

Wegen der fehlenden Metasprache ist es der Computertechnologie nicht möglich, über sich selbst zu sprechen. Um über sich selbst zu sprechen ist eine Metasprache erforderlich (Apel 1974: 564). Oder, wie Krämer schreibt: Der Automat kann keine Sätze über den Automaten erzeugen (Krämer 1988: 180). Computertechnologie kann sich daher auch nicht selbst programmieren. Die Festlegung der Algorithmen, bei der ein Bezug zur Metasprache hergestellt wird, erfolgt durch Menschen.

Das wird an der Relation der Computersprache zur menschlichen Sprache deutlich. Eine natürliche Sprache ist dadurch ausgezeichnet, daß ein Zeichen auf einen physikalischen Gegenstand und metasprachliche Zeichen referieren kann. Diese Eigenschaft bezeichnen Horkheimer/Adorno als Anfangspunkt von Sprache:

"Wenn der Baum nicht mehr bloß als Baum, sondern als Zeugnis für ein anderes, als Sitz des Mana angesprochen wird, drückt die Sprache den Widerspruch aus, daß nämlich etwas es selber und zugleich etwas anderes als es selber sei, identisch und nicht identisch. Durch die Gottheit wird die Sprache aus der Tautologie zur Sprache" (Horkheimer/Adorno 19441990: 21).

Wesentlich für die Sprache des Menschen ist, daß die Beziehung zwischen Zeichen und Gegenständen gelöst wird, daß 'Baum' nicht mehr nur den Baum bezeichnet, sondern Zeichen für etwas anderes ist. Dagegen ist es in Algorithmen nicht möglich, einen Baum zu benennen, weil mit Kalkülzeichen nichts außerhalb des Algorithmus bezeichnet werden kann. Für Computer sind die Kalkülzeichen Spannungen und bezeichnen Spannungen. 'Baum' bezeichnet für den Computer Spannungen, und keinen Baum oder einen Baum als Sitz eines Gottes. So gesehen ist die Computersprache gar keine Sprache.85

Als Gegenbeispiel lassen sich selbstmodifizierende Algorithmen anführen. Bei selbstmodifizierenden Algorithmen wird ein Algorithmus durch einen Algorithmus verändert. Mit einem solchen Algorithmus kann sich Computertechnologie programmieren so wie Menschen Computertechnologie programmieren, d.h. ein Algorithmus ist die Metasprache eines anderen. Dieser falsche Eindruck entsteht dadurch, daß das Wort 'Programmieren' im Falle der Progammierung durch Menschen einen anderen Begriff als im Falle der Programmierung durch Computer bezeichnet.

In dem Satz 'Menschen stellen bei der Programmierung den Bezug von Algorithmen zur Metasprache her' ist mit 'Programmierung' das Herstellen einer Relation zwischen der Kalkülsprache und der natürlichen Sprache als einer Sprache, die mehr umfaßt als die Kalkülsprache und in der auch der Zweck der Programmierung ausgedrückt wird, gemeint. Dagegen weist in dem Satz 'Computertechnologie stellt bei der Programmierung den Bezug von Algorithmen zu Algorithmen her' 'Programmierung' nicht aus der Kalkülsprache hinaus. Die Änderung des Algorithmus durch den Algorithmus ist bei selbstmodifizierenden Algorithmen von Anfang an, und zwar mit allen Konsequenzen, im Algorithmus enthalten (Hofstadter 519791996: 511). Selbstmodifizierende Algorithmen verwenden daher keine Metasprache.

Aus Sicht des Medienbegriffs verarbeitet Computertechnologie also ausschließlich syntaktische Zeichen ohne metasprachlichen Bezug. Diese Zeichen gilt es nun genauer in den Blick zu nehmen.

3.3.2.3.1 Superkalkülzeichen

Insofern ein universeller Turingautomat einen anderen universellen Turingautomaten simulieren kann, sind beliebige Kalkülsprachen und Kalkülzeichen möglich. Um diesen Umstand im Blick auf die Wirkung der semiotischen Dimension der Computertechnologie auf sich Bildende präziser analysieren zu können, wird hier auf den von Meder eingeführten Begriff der Superzeichen zurückgegriffen.

Meder unterscheidet nach Ungvari zunächst zwischen Zustandstief und Zustandsoberfläche. Mit Zustandstief wird die Konfiguration der Schaltungen im Automaten bezeichnet. Das entspricht nach dem Medienbegriff der physikalischen Dimension des Computers. Zustandsoberfläche bezeichnet die Präsentation gegenüber dem Menschen. Das ist ein Aspekt der semiotischen Dimension.

Die Verbindung von Zustandstief und Zustandsoberfläche, die Sprachfähigkeit der Computertechnologie und die Gültigkeit der Zeichen wird dann in sechs Semantik - Varianten differenziert:

(1) In der extensionalen Semantik beziehen sich Zeichen auf die Menge der durch sie bezeichneten Gegenstände. In einer formalisierten Sprache sind das die bezeichneten anderen Zeichen, in einer natürlichen Sprache ist es die physikalische Welt. In beiden Fällen werden Zeichen und Bezeichnetes vorausgesetzt. Gültig sind die Zeichen, die gegebene Beziehungen richtig abbilden.

(2) In der intensionalen Semantik beziehen sich die Zeichen auf Relationen zu anderen Zeichen in einem Netzwerk. Das Netzwerk ist offen und ruht in der Pragmatik. Gültigkeit entsteht kontingent in der Topologie des Netzwerks. Paraphrasiert: Gültig sind die Zeichen, die sich nach den Regeln des Netzwerks richten, wobei neue Regeln eingeführt werden können. Intensionale Semantik bezeichnet Meder auch als Sprachspielsemantik.

(3) In der prozeduralen Semantik beziehen sich die Zeichen auf die interne Prozedur, die durch das Zeichen ausgelöst wird. Zeichen sind (implizit) dann gültig, wenn sie die Prozedur auch auslösen.

(4) In der Resultat - Semantik beziehen sich die Zeichen auf das Ergebnis der ausgelösten internen Prozeduren. Gültig sind die Zeichen (implizit), wenn die Zeichen die Prozedur auslösen und die Prozedur zu einem Ergebnis kommt.

(5) In der Superzeichensemantik beziehen sich die Zeichen auf das Netzwerk der anderen möglichen sprachlichen Ausdrücke. Gültig sind hier die Zeichen, die sich nach den Regeln des Netzwerks richten, wobei (implizit) mangels pragmatischem Bezug keine neuen Regeln eingeführt werden können.

(6) In der Referenzsemantik beziehen sich die Zeichen (implizit) wie bei der extensionalen Semantik auf die Menge der bezeichneten Gegenstände. Geltung besteht im Unterschied zu dieser, wenn die Zeichen die eine physikalische Welt treffen. Das ist, wie Meder nachweist, nicht mehr möglich.

(Meder 1987: 168-179, (implizit) kennzeichnet bei Meder nicht explizit formulierte, hier vorgenommene Ergänzungen)

Für die Betrachtung der Computertechnologie kommen nun nicht alle Arten der Semantik in Frage: Die extensionale Semantik nicht, da Computer sowie deren Zeichen nicht vorausgesetzt, sondern konstruiert werden. Die intensionale Semantik nicht, da die Grammatik der semiotischen Dimension nicht erweitert werden kann und also in die Kalkülsprache der Computertechnologie keine neuen Regeln ('neu' im Sinne von: nicht in die alten überführbar) eingeführt werden können. Die Referenzsemantik kommt nicht in Frage, da eine solche Semantik nicht mehr möglich ist.

Auf die semiotische Dimension der Computertechnologie ist daher die prozedurale Semantik, die Resultat - Semantik und die Superzeichensemantik anwendbar.

In der prozeduralen Semantik steht jedes Zeichen für exakt bestimmte Operationen. In der Resultatesemantik können verschiedene Zeichen und Operationen zu denselben Resultaten kommen. In der Superzeichensemantik steht ein Zeichen für alle möglichen Zeichen, Operationen und Resultate (Meder 1988: 172 - 176).

Eine prozedurale Semantik liegt bei Operationscodes vor, da Operationscodes exakt die auszuführende Operation bestimmen; es handelt sich um Indexzeichen. Eine Resultatesemantik liegt bei Benutzeroberflächen und Programmiersprachen vor, bei denen verschiedene Kalkülzeichen und Operationen zu denselben Resultaten führen können; es handelt sich um charakterisierende Zeichen. Eine Superzeichensemantik, oder, da es sich um Computertechnologie handelt, eine Superkalkülzeichensemantik, liegt vor, wenn ein universeller Turingautomat auf Eingaben wartet; es handelt sich um Universalzeichen.

Beispiele für Superkalkülzeichen sind die Benutzeroberfläche eines Betriebssystems oder Programmaufrufe in einer Programmiersprache. Wenn von der Benutzeroberfläche jeder Algorithmus gestartet werden kann, stehen die Zeichen auf der Benutzeroberfläche oder der Programmaufruf für alle mit einem universellen Turingautomaten möglichen Zeichen, Operationen und Resultate. Die gestarteten Turingautomaten können weitere Algorithmen starten oder Eingaben zur Verfügung stellen. Auf diese Weise entsteht ein Netz von miteinander verbundenen Automaten, ein Netz von Superkalkülzeichen in einem Sprachspiel.

"In dieser Fassung bleibt die Bedeutungsbeziehung auf der Ebene der Superzeichen und konstituiert ein mannigfaltiges Netz in einem Sprachspiel" (Meder 1987: 176).

Da nun Kalkülzeichen und Superkalkülzeichen exakt ineinander überführbar sind, sind Superkalkülzeichen exakte Superzeichen. Dennoch ist die Bedeutung der Superkalkülzeichen nicht durch die Benutzeroberfläche oder die Programmiersprache determiniert, da die Superkalkülzeichen für simulierte universelle Turingautomaten stehen. In diesem Sinne entwickeln die Superkalkülzeichen ein Eigenleben (Meder 1987: 176).

Ein Eigenleben weisen die Superkalkülzeichen nun nicht im Sinne einer Eigenständigkeit oder Selbständigkeit auf. Mit Superkalkülzeichen wird die Grammatik der Computertechnologie nicht überschritten. Ein Eigenleben entwickeln die Superkalkülzeichen innerhalb der Grammatik der Computertechnologie, d.h. in der Relation von parallel simulierten Automaten.

3.3.2.3.2 Computertechnologie und Virtualität

Computertechnologie verarbeitet also Indexzeichen, charakterisierende Zeichen und Universalzeichen, d.h. alle syntaktischen Zeichen, sofern es sich um Kalkülzeichen handelt. Entscheidend für die Verarbeitung von Superkalkülzeichen ist, daß ein universeller Turingautomat einen anderen universellen Turingautomaten simulieren kann. Da die simulierten Turingautomaten verbunden sein können, handeln diejenigen, die Computertechnologie als Medium der Bildung verwenden, in einem Netzwerk simulierter Kalkülsprachen.

Das Netzwerk simulierter Kalkülsprachen liegt innerhalb der Grammatik der Computertechnologie. Da die Grammatik der Computertechnologie nicht überschritten werden kann, handelt es sich um einen geschlossenen semiotischen Raum, oder, wenn die Raummetapher weitergedacht wird, um ein geschlossenes Gebäude ohne Türen und Fenster. Da Kalkülzeichen keine Bedeutung in der physikalischen Welt oder in einer Metasprache haben, konstituieren Kalkülsprachen virtuelle Welten. Computertechnologie eröffnet also einen Raum virtueller Welten.86

Die Sprachverarbeitung durch Computertechnologie kann nun von der menschlichen Sprachfähigkeit durch zwei Eigenschaften abgegrenzt werden. Zum einen ist das Netzwerk, das in der Computertechnologie durch Superkalkülzeichen konstituiert wird, durch die Grammatik der Computertechnologie letztlich begrenzt. Die Grammatik der Computertechnologie ist ein einheitliches Prinzip, dem jedes Kalkülzeichen folgen muß. Dagegen ist das Netzwerk der menschlichen Sprachen nicht abgeschlossen und weist kein einheitliches Prinzip auf.87

Zum anderen eröffnet die Computertechnologie einen semiotischen Raum, der durch syntaktische Pluralität gekennzeichnet ist. Neue Zeichen und neue Regeln können beliebig erzeugt werden.88 Um ein Kalkülzeichen zu erzeugen, müssen lediglich Algorithmen explizit und schriftlich formuliert werden, die durch das Kalkülzeichen ausgelöst werden. In den von der Computertechnologie eröffneten semiotischen Raums können so beliebige Kalkülzeichen eingeführt werden. Dagegen ist Beliebigkeit in natürlichen Sprachen nicht vorzufinden. Zwar ist es möglich, neue Regeln in die natürliche Sprache einzuführen. Diese können aber nicht beliebig erfunden werden, sondern bedürfen der Akzeptanz durch andere Sprecherinnen und Sprecher. Das machte das Beispiel des Kreisverkehrs deutlich, in dem das Befolgen von Regeln durch gesellschaftliche Sanktionen erreicht wird. Die Regeln der natürlichen Sprache müssen jedoch nicht explizit gemacht werden.

Menschen, die im semiotischen Raum, den die Computertechnologie eröffnet, eigene Zeichen und Regeln gestalten, haben nun vollkommene Macht. Alles, was sie schreiben, ist ein unbedingter Befehl, der mangels Metasprache von der Computertechnologie nie hinterfragt werden kann. Die Programmiererinnen und Programmierer können sich dieser Welt vollkommen sicher sein.89 In der einheitlichen virtuellen Welt gibt es keine Zweifel; jedes Experiment ist erlaubt.

In einer solchen Welt gibt es keine Verantwortung. Die Programmiererinnen und Programmierer müssen keine Verantwortung für ihr Handeln übernehmen, da die Operationen in der virtuellen Welt keinen Bezug nach außen aufweisen. Verantwortung hat ein Mensch für die Folgen seiner Handlungen. Handlungen in der virtuellen Welt haben jedoch keine Folgen. Wenn z.B. ein Computer in einem Computerspiel seinen Gegner symbolisch tötet, bleibt das folgenlos. Verantwortung muß übernommen werden, wenn ein Bezug zur Welt außerhalb der virtuellen Welt hergestellt wird. Wenn z.B. eine Ärztin oder ein Arzt einen Computer so programmiert, daß eine Patientin oder ein Patient sich mit Hilfe des Computers selbst eine tödliche Spritze setzen kann, stellt sich die Frage nach der Verantwortung für die Handlung.90

Die semiotische Dimension der Computertechnologie konstituiert also eine virtuelle Welt, deren explizite Regeln einem einheitlichen Prinzip folgen und in der Handlungen folgenlos bleiben.

3.3.2.4 Computer als Spielzeug

Nun sind in der theoretischen und praktischen Pädagogik erdachte Welten, in denen verantwortungsfrei nach vereinbarten Regeln gehandelt wird, bekannt. Solche Welten sind Spielwelten. Wenn es zutrifft, daß Computertechnologie eine Spielwelt konstituiert, ist Computertechnologie ein Spielzeug; eine These, die bisher noch nicht untersucht worden ist.

Computertechnologie ist, wenn die These zutrifft, ein Spielzeug nicht durch den Umstand, daß Bildschirmspiele gespielt werden können, sondern durch den Umstand, daß Computertechnologie Algorithmen abarbeiten kann.91 Spielerinnen und Spieler sind dann alle, die diese Eigenschaft der Computertechnologie im Umgang mit dem Medium verwenden, indem sie z.B. Algorithmen formulieren oder Superkalkülzeichen erzeugen.

Um nun zu untersuchen, ob Computertechnologie als Spielzeug ausgwiesen werden kann, ist zunächst der Begriff des Spielzeugs zu klären.

3.3.2.4.1 Der Begriff des Spielzeugs

In der wissenschaftlichen Pädagogik gibt es kaum Arbeiten zum Begriff des Spielzeugs (Oswald 1980: 120); ein Umstand, an dem sich seit 1980 wenig geändert hat.92 Oswald, der angesichts der Unzulänglichkeit bisheriger Versuche selbst einen Ansatz zu einer Theorie des Spielzeugs vorlegt, bestimmt den Begriff des Spielzeugs auf der Basis des Spielbegriffs. Danach sind Spielzeuge Gegenstände, mit denen von Menschen in einer meditativ tätigen Weise umgegangen wird, wobei der Umgang weder der unmittelbaren Triebbefriedigung, der Existenzsicherung, noch ökonomischen, politischen oder wissenschaftlichen Zielen dient. Als Spielzeug kann ein Gegenstand demnach nicht durch bestimmte Eigenschaften ausgewiesen werden, sondern nur durch einen spezifischen Umgang (Oswald 1980: 130f.).

Nun ist es tatsächlich wenig sinnvoll, Gegenstände durch bestimmte Eigenschaften auszuzeichnen und dann zu behaupten, sie wären ausschließlich als Spielzeug geeignet. Dagegen kann von einigen Gegenständen durchaus behauptet werden, daß sie eher Spieleug denn etwas anderes sind. So ist etwa ein Spielzeugrevolver gut zum Spiel geeignet, aber schlecht zum Krieg. Der Grund dafür ist weniger in der spezifischen Verwendung zu sehen, sondern in erster Linie in den Eigenschaften des Gegenstands. Zwar ist es möglich, mit einem Spielzeugrevolver 'wirklich' zu kämpfen, und insofern ist der Gegenstand Spielzeug in Abhängigkeit vom spezifischen Umgang. Ein schußbereiter Revolver würde aber einem Kind kaum zum Spiel überlassen werden, weil damit eben nur möglicherweise gespielt, und doch eher getötet werden kann.

Ein Gegenstand kann also durch spezifische Eigenschaften zwar nicht ausschließlich, aber doch im wesentlichen ein Spielzeug sein.93 Es ist evident, daß der tätige Umgang mit einem Gegenstand, der als Spielzeug besonders geeignet ist, häufiger zum Spiel wird als der tätige Umgang mit einem Gegenstand, der als Spielzeug ungeeignet ist. Kurz: Ein Spielzeug verleitet zum Spielen.

Ein Gegenstand verleitet nun immer dann zum Spielen, wenn die Eigenschaften des Gegenstandes so geartet sind, daß sie mit den Eigenschaften des Spiels in Deckung zu bringen sind. Im Anschluß an Oswald ist anzunehmen, daß ein Gegenstand dann ein Spielzeug ist, wenn der Gegenstand zur meditativen Tätigkeit besonders geeignet ist. Die Frage ist also, ob Computertechnologie zur meditativen Tätigkeit besonders geeignet ist.

Meditative Tätigkeit bestimmt Oswald im Anschluß an den Spielbegriff von Scheuerl, der Spiel als Urphänomen und primäre Lebenskategorie ausweist, als stehende Bewegung, wobei Oswald im Unterschied zu Scheuerl den Spielbegriff nur für menschliche Tätigkeit verwendet (Oswald 1980: 129). Da Medien nur durch den Menschen zu Medien werden, kann das Medium Computertechnologie ein Spielzeug auch nur dann sein, wenn Menschen damit spielen. Hier genügt es also, den Spielbegriff im Blick auf den Menschen darzustellen, da klar ist, daß Computertechnologie selbst nicht spielen kann. Scheurl bestimmt Spiel durch sechs Hauptmomente:

"Spiel wäre das Urphänomen einer Bewegung, die durch die Ganzheit jener sechs Hauptmomente gekennzeichnet ist: durch Freiheit, innere Unendlichkeit, Scheinhaftigkeit, Ambivalenz, Geschlossenheit und Gegenwärtigkeit" (Scheuerl 1519941954: 111).

Frei ist ein Spiel, wenn die Handlung keinen Zweck außer sich verfolgt. Die Spielhandlung ist frei von drängenden Trieben, von Daseinskampf und ohne Verantwortung und Konsequenz. Im Spiel soll nichts erledigt werden. Das Spiel drängt insofern nicht auf ein Ende, sondern auf Wiederholung; es ist ein Kreisprozeß. Innerhalb seines Freiraums ist das Spiel als Kreisprozeß eine Bewegung von innerer Unendlichkeit. Dieser Bewegung geht es nicht um einen Zweck, sondern um den Schein. Damit ist nicht Abbildung gemeint, sondern Schönheit. Zwar kann im Spiel durchaus auch eine Realität abgebildet werden. Zum Spiel wird eine Tätigkeit aber erst durch den ästhetischen Moment des Scheins; der Rückfall in die Realität verdirbt das Spiel. Die Stellung zwischen Schein und Realität kennzeichnet die Ambivalenz des Spiels wie auch die Ambivalenz des Menschen, der zwischen Natur und Kultur steht. Die innere Unendlichkeit zwischen Realität und Schein macht einerseits eine Geschlossenheit des Spiels erforderlich, durch die sich das Spiel im Zwischenraum der Pole hält; andererseits hebt es das Spiel aus der Zeitreihe, da es nicht auf ein das Spiel beendendes Ziel hin gerichtet ist (Scheuerl 1519941954: 69-112).

Ein echter Revolver ist nun ein ungeeignetes Spielzeug, weil er die Eigenschaft hat, Menschen zu töten. Diese Eigenschaft des Gegenstands ist auf einen alles beendenden Zweck gerichtet, der zudem ernsthafte Konsequenzen hat. Die Eigenschaften eines Revolvers sind mit den Eigenschaften des Spiels also kaum vereinbar. Anders stellt sich dies für einen Spielzeugrevolver dar. Die Handlung hat keine ernsthaften Konsequenzen, sie ist nicht durch einen Zweck außerhalb des Spiels bestimmt94 und kann beliebig oft wiederholt werden.

Das kurze Beispiel demonstriert, daß es Gegenstände gibt, die mit den Eigenschaften des Spiels in Deckung zu bringen sind und die sich daher gut als Spielzeug eignen. Ebenso gibt es Gegenstände, die sich nicht gut als Spielzeug eignen. Um zu zeigen, daß es sich bei der Computertechnologie um ein Spielzeug handelt, ist zu untersuchen, ob die Eigenschaften der dynamisch - semiotischen Dimension der Computertechnologie mit den Eigenschaften des Spiels in Deckung zu bringen sind.

3.3.2.4.2 Das Spiel mit der Computertechnologie

Notwendige Voraussetzung für das Spiel mit einem Gegenstand ist, daß ein tätiger Umgang mit dem Gegenstand überhaupt möglich ist. Ein tätiger Umang mit einem Gegenstand wird unmöglich, wenn der Gegenstand, wie z.B. ein Amboß, zu groß oder zu schwer ist (Oswald 1980: 130).

Nun geht es hier nicht um das Spiel mit einem physikalischen Gegenstand. Mit Computertechnik läßt sich zwar durchaus spielen, wie das z.B. ein Kleinkind tut, das auf einer nicht angeschlossenen Tastatur herumtippt. Zur Diskussion steht hier aber das Spiel mit der semiotischen Dimension der Computertechnologie, also das Spiel mit Zeichen. Auch das Spiel mit Zeichen kann, metaphorisch gesprochen, durch das Gewicht der Zeichen verhindert werden. So hat in Deutschland z.B. das Symbol der Nationalsozialisten ein erhebliches semiotisches Gewicht, weshalb der Umgang mit Hakenkreuzen in der ™ffentlichkeit nicht als Spiel nachgesehen werden kann.

Für die Computertechnologie haben Zeichen allerdings kein Gewicht, weil Kalkülzeichen außerhalb der Kalkülsprache nichts bedeuten. Insofern verhindert Computertechnologie das Spiel nicht dadurch, daß den Zeichen im semiotischen Raum, den die Computertechnologie eröffnet, durch die Computertechnologie ein hohes Gewicht verliehen wird. Es ist also möglich, daß mit beliebigen Zeichen im semiotischen Raum, den die Computertechnologie eröffnet, gespielt wird. Inwiefern Computertechnologie zum Spiel auch verleitet, ist anhand der sechs Momente des Spiels zu untersuchen.

Das erste Moment des Spiels ist die Freiheit. Dieses Moment ist bestimmt durch die Freiheit von Daseinskampf und Verantwortung:

"Spiel ist frei vom Zwang ungebärdig drängender Triebe, frei von den gebieterischen Nötigungen des Instinkts. Es ist frei von den Bedürfnissen des Daseinskampfes, von der Not des Sich-Wehrens. [...] Es ist ohne Verantwortung und Konsequenzen" (Scheuerl 1519941954: 69).

Computertechnologie ist nicht dazu geeignet, Instinkte oder Triebe zu befriedigen, da es keinen Trieb oder Instinkt gibt, der sich auf Algorithmen richtet. In dem virtuellen Raum, den die Computertechnologie eröffnet, gibt es auch keine Verantwortung und keine Konsequenzen.95 Zum Daseinskampf, den Scheurl im Anschluß an Hegel als Kampf gegen die Natur bestimmt (Scheuerl 1519941954: 68), ist Computertechnologie ebenfalls nicht verwendbar, da Computertechnologie als Werkzeug zum Bearbeiten der Natur ungeeignet ist.

Nun läßt sich die Verbreitung von Computertechnologie im Wirtschaftsbereich als Argument für die Zuordnung zum Daseinskampf anführen. Dieses Argument ist jedoch nur dann überzeugend, wenn die Handlungen im Wirtschaftsbereich im allgemeinen dem Daseinskampf zuzuordnen sind. Das ist nicht der Fall. Huizinga stellt bereits 1939 fest, daß die Handlungen im Geschäftsleben zunehmend einen Spielcharakter entwickeln (Huizinga 1939: 321). Und Scheuerl bezeichnet die für das Spiel kennzeichnende Haltung als die höchste erreichbare Haltung in der Arbeit (Scheuerl 1519941954: 212). Arbeit und Spiel stehen also nicht in einem Widerspruch. Vielmehr kann Arbeit durchaus als Spiel betrieben werden, ebenso wie Spiel, z.B. für den Berufsspieler, zur Arbeit werden kann. Daher ist nicht anzunehmen, daß Handlungen im Wirtschaftsbereich im Allgemeinen dem Daseinskampf zuzuordnen sind. Vielmehr wird mit der zunehmenden Verbreitung von Computertechnologie im Wirtschaftsbereich die Arbeit immer mehr zum Spiel.

Das zweite Moment des Spiels ist die Bewegung innerer Unendlichkeit (Scheuerl 1519941954: 74). Die innere Unendlichkeit symbolisiert Scheuerl mit dem Kreis. Während eine Zweckhandlung mit dem Erreichen des Zieles beendet ist, ist die Spielbewegung nur von außen begrenzt, erreicht als in sich geschlossene Bewegung jedoch nie wirklich ein Ziel und weist in diesem Sinne eine Wiederholungstendenz auf.

Ein Gegenstand kann die Bewegung innerer Unendlichkeit leicht unterbrechen. Besonders deutlich wird das beim oben verwendeten Beispiel des Revolvers. Aber auch wenn ein Ballon platzt ist das Spiel vorbei und keine weitere Wiederholung mehr möglich. Solche Unterbrechungen des Spiels kommen im Falle der Computertechnologie nur durch technische Defekte zustande. Algorithmen werden nicht verbraucht und zerstören die Computertechnik nicht. Daher ist z.B. bei einem sogenannten Absturz eine Wiederholung ohne weiteres möglich. Computertechnologie verhindert wegen der Abgeschlossenheit von Kalkülsprachen zugleich die Unterbrechung durch die außerhalb liegende Wirklichkeit. Daher stört Computertechnologie die Bewegung innerer Unendlichkeit nicht.

Aber nicht nur Unterbrechungen, auch Beschränkungen durch einen Gegenstand können die Bewegung innerer Unendlichkeit verhindern. Daher lehnt Scheuerl detailreiches Spielzeug ab. Detaillreiches Spielzeug setzt der Spielbewegung enge Grenzen, weil es kaum Variationen zuläßt. Während eine Steinchen, Sand oder Wasser voller Möglichkeiten stecken und so die innere Bewegung des Spiels anregen (Scheuerl 1519941954: 84), ist dies z.B. bei einer Puppe, die eine Filmfigur darstellt, nicht der Fall, weil die Puppe nur wenige Variationen zuläßt und so die innere Bewegung des Spiels eher verhindert. Nun steckt die semiotische Dimension der Computertechnologie durch den Umstand, daß sie jeden Algorithmus abarbeiten kann, voller Variationsmöglichkeiten. Daher ist anzunehmen, daß Computertechnologie wie Sand oder Wasser die innere Bewegung des Spiels anregt.

Das dritte Moment des Spiels ist die Scheinhaftigkeit. Schon die innere Unendlichkeit ist ein schwebender Schein, und die Freiheit des Spiels ist die Freiheit zur Hingabe an eine Scheinwelt. Die scheinhafte Ebene des Spiels ist nicht als Täuschung, sondern als positive Erweiterung zu verstehen. Der Schein kann nun als Zu - sein - Scheinen oder als reiner Schein auftreten. Für das Spiel ist nur der reiner Schein notwendige Bedingung (Scheuerl 1519941954: 84). Wenn diese Ebene nicht erreicht wird, wenn es z.B. zu einem Rückfall in die Realität kommt, wird das Spiel verdorben (Scheuerl 1519941954: 80). Plessner, an den Scheuerl sich anlehnt, schreibt dazu:

"Die Spielsphäre, in die er [der Mensch C.S.] eintritt, ist in sich geschlossen und hängt mit der Wirklichkeit als solcher nicht zusammen: sie liegt nicht in ihrer Ebene" (Plessner 219501941: 104).

Das Spiel benötigt eine Spielspähre, die nicht mit der Wirklichkeit zusammenhängt. Das Spiel erfordert, wie Huizinga schreibt, einen abgegrenzten Spielraum (Huzizinga 1939: 21f.), in dem die Spielsphäre entfaltet werden kann.

Spielzeug begünstigt also die Hingabe des Menschen an eine Scheinwelt, wenn es einen abgeschlossenen Raum konstituiert, der die Realität ausgrenzt. Das ist bei der Computertechnologie der Fall. Die semiotische Dimension dieses Mediums eröffnet einen Raum, in den die Realität mangels semantischer Bezüge der Kalkülzeichen nicht einbrechen kann und der durch die Regeln, die in der Bestimmung des Algorithmenbegriffs formuliert sind, klar begrenzt ist.

Daß Computertechnologie die spielerische Hingabe an eine Scheinwelt begünstigt, klärt ein verbreitetes Mißverständnis: Von Weizenbaum stammt das oft zitierte Beispiel der zwanghaften Programmiererinnen und Programmierer, der Computersüchtigen. Der zwanghafte Programmierer unterscheidet sich vom Berufsprogrammierer nach Weizenbaum

"zunächst durch die Tatsache, daß der gewöhnliche Berufsprogrammierer sich dem Problem widmet, das gelöst werden soll, während sich der zwanghafte Programmierer es hauptsächlich als Mittel zu dem Zweck betrachtet, eine Interaktion mit dem Computer herzustellen" (Weizenbaum 919941976: 161).

Da Computertechnologie die Hingabe an eine Scheinwelt in einer Bewegung innerer Unendlichkeit begünstigt, sind die intensiven Computernutzerinnen und -nutzer keine Süchtigen, sondern Spielende. Dem Süchtigen schlägt der Rausch in Reue und Ekel um (Scheuerl 1519941954: 75). Dagegen verspüren diejenigen, die im Rausch spielen, nach dem Spiel keinen Ekel, sondern allenfalls Reue, und auch diese nur, weil sie wegen des Spiels etwas außerhalb des Spiels versäumt haben. Plessner beschreibt diesen Rausch als in den Bann ziehen:

"Ein gespanntes Gummiband, das ich in Spannung halte, damit es mir Widerstand leistet, zeigt sie unmittelbar. Ich bin auf nichts anderes an diesem Ding als auf seine Elastizität konzentriert und auch auf diese nicht - wie etwa der Techniker - als auf eine objektive Eigenschaft, sondern mache mit ihr mit. Wie sie mich anspricht, so erwidere ich ihr. Sie zieht mich in ihren Bann, insofern ich mich ihr überlasse" (Plessner 219501941: 102).

Wie das Gummiband zieht Computertechnologie in ihren Bann, sofern man sich ihr überläßt. Den Programmierenden geht es dann nicht mehr um das Problem, das zu lösen ist, sondern um das Spiel mit dem Computer - das Problem wird im Spiel gelöst.96 Dieses Spiel kann durchaus zu einem Rausch werden. Berichte über Ekelempfinden nach diesem Rausch liegen jedoch nicht vor.

Die Ambivalenz als viertes Moment des Spiels ist eine vielfältige Erscheinung.

"Von welcher Seite her man auch versucht, sich dem Spiele zu nähern, [...] fast in jeder Perspektive trifft man auch eine Ambivalenz" (Scheuerl 1519941954: 90).

Scheuerl führt dies auf den Umstand zurück, daß die Ambivalenz zwischen Kultur und Natur dem Wesen des Menschen innewohnt und das Offenhalten dieser Ambivalenz "die menschliche Aufgabe schlechthin" (Scheuerl 1519941954: 90) ist, die insbesondere auch im Spiel erfüllt wird. Ein Aspekt der Ambivalenz des Spiels, den Scheuerl auf das Spielzeug bezieht, ist die Spannung zwischen Bekanntem und Unbekanntem. Wenn anstelle der Bildhaftigkeit einer Sache plötzlich das wirklich Wirkliche tritt, ist das Spiel zuende. Das Spiel strebt danach, immer weitere Objekte zu erobern, um die Spannung zwischen Bekanntem und Unbekanntem zu erhalten. Je mehr Objekte einbezogen werden können, die neue Variationen eröffnen, desto länger kann das Spiel aufrechterhalten werden (Scheuerl 1519941954: 89).

Das Netzwerk simulierter Kalkülsprachen bietet nun eine Menge an Objekten, die dem Begriff der Berechenbarkeit entspricht. Daher ist es bei kaum einen anderen Spielzeug so unwahrscheinlich, daß eine Menge an Objekten in das Spiel einbezogen wird, die das wirklich Wirkliche - in diesem Fall den Begriff des universellen Turingautomaten - zum Vorschein treten läßt und so das Spiel zum Ende bringt. Es sind jederzeit neue Varianten möglich, und durch diese Vielfalt werden die Spielerinnen und Spieler wie die Artisten, die Scheuerl als Beispiel nennt, dazu verleitet, immer weitere Objekte in ihr Spiel einzubeziehen.

Die Geschlossenheit als fünftes Moment des Spiels ist durch Prozeß und Gestalt ausgezeichnet. Wenn eine Aktivität nur zeitlich begrenzt, aber formlos ist, handelt es sich um einen Exzeß o.ä. Erst die gestalthafte Geschlossenheit macht das Spiel zum Spiel (Scheuerl 1519941954: 94). Eine zeitliche Begrenzung ist nun auch beim Spiel mit der Computertechnologie gegeben, insofern Algorithmen in einer begrenzten Zeit abgearbeitet werden müssen. Und da Algorithmen explizit formuliert werden müssen, um mit der Computertechnologie spielen zu können, ist auch ein formloses Spiel ausgeschlossen. Computertechnologie macht also die gestalthafte Geschlossenheit als Form der Verwendung geradezu erforderlich.

Der sechste Moment des Spiels ist die zeitlose Gegenwärtigkeit:

"Allemal wird ein objektives Formgerüst vorgegeben oder improvisiert, und allemal wird innerhalb dieses Gerüstes ein gegenwärtiges, in sich unendliches Spielen von Wirkungen, denen man sich zeitenthoben hingibt, erzeugt" (Scheuerl 1519941954: 101).

Die Bedingung für die zeitlose Gegenwärtigkeit des Spiels ist ein objektives Formgerüst, dem die Spielerinnen und Spieler sich hingeben. Dieser objektive Rahmen wird entweder im Spiel improvisiert oder vor dem Spiel vereinbart. In dem objektiven Rahmen, in dem das Spiel ausgeführt wird, gelangen die Spielenden ihrem Erleben nach aus der Kontinuität der Zeitreihe heraus (Scheuerl 1519941954: 95).

Im Kapitel 3.3.3 wird gezeigt, daß Computertechnologie den Nutzerinnen und Nutzer keine zyklische oder lineare, sondern punktuelle Wahrnehmung von Zeit nahelegt. Insofern verleitet Computertechnologie dazu, aus der Kontinuität der Zeitreihe heraus zu treten.

Der zeitlose Gegenwärtigkeit kann nach Scheuerl in einem improvisierten oder vorgegebenen Formgerüst erreicht werden. Scheuerl kennzeichnet Improvisation durch zwei Aspekte: Zum einen wird das improvisierte Spiel ohne regelnden, planenden Entwurf aus der Situation für die Situation gespielt. Zum anderen fehlt der Improvisation das materielle Substrat. Der Umgang mit Computertechnologie ohne regelnden, planenden Entwurf ist ohne weiteres möglich. Im Umgang mit Computertechnologie kommen regelmäßig Situationen vor, in denen Nutzerinnen und Nutzer ohne planenden Entwurf herumprobieren. Allerdings ist es erforderlich, im Umgang mit der Computertechnologie alle Anweisungen explizit zu machen. Die Anweisungen sind nicht flüchtig wie die Melodie der Improvisation eines Musikers, die Scheuerl als Beispiel nennt, sondern werden im Speicher des Computers festgehalten. Improvisation ist in diesem Sinne also nicht möglich. Die Regeln vor dem Spiel zu vereinbaren ist durch die Entscheidung für eine Programmiersprache oder ein Betriebssystem jedoch ohne weiteres möglich.

Damit kann festgehalten werden, daß die dynamisch-semiotische Dimension der Computertechnologie zum Spiel verleitet. Ob mit diesem Spielzeug tatsächlich gespielt wird hängt letztlich vom Menschen ab, der die dynamisch-semiotische Dimension der Computertechnologie als Medium verwendet. Diejenigen, die die dynamisch-semiotische Dimension der Computertechnologie als Medium der Bildung verwenden, werden zum Spiel verleitet. Insofern viele Dinge im Spiel leichter erledigt werden, weil sie keine Mühe bereiten, sondern Vergnügen, trägt dies zur motivierenden Wirkung von Computertechnologie bei. Die dynamisch-semiotische Dimension der Computertechnologie ist aber nur dann ein geeignetes Medium der Bildung, wenn Bildung im Spiel erreicht werden soll. Wenn im Bildungsprozeß voller Ernst nötig ist, wenn es z.B. um Verantwortung geht, ist die dynamisch-semiotische Dimension der Computertechnologie ein ungeeignetes Medium.

Die dynamische semiotische Dimension der Computertechnologie, das hat dieser Abschnitt gezeigt, ist ein Spielzeug. Damit kann die statische semiotische Dimension der Computertechnologie in den Blick genommen werden.

3.3.3 Informations- und Kommunikationstechnologie

In Abschnitt 3.3.1.2 werden semiotisch statische Medien dadurch gekennzeichnet, daß Zeichen an die Technologie gebunden, aber nicht abgearbeitet werden. Medien wie Buchdruck, Fernsehen, Radio und Zeitung sowie das analoge Telefon sind semiotisch statische Medien. Semiotisch statische Medien können auch als Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK - Technologie) bezeichnet werden.97

Nun handelt es sich bei der Computertechnologie nicht um ein semiotisch statisches Medium. Computertechnologie kann jedoch wie ein semiotisch statisches Medium verwendet werden. Die Differenz zwischen einem semiotisch statischen Medium und der Verwendung von Computertechnologie als semiotisch statischem Medium ist zunächst genauer in den Blick zu nehmen, um einen klaren Ausgangspunkt für die weitere Analyse zu gewinnen. Dazu wird zunächst zwischen offenen und geschlossenen semiotischen Räumen unterschieden und die Unterscheidung anhand der Differenz von Programmierung und Gebrauch auf die Computertechnologie bezogen.

3.3.3.1 Geschlossene und offene semiotische Räume

Unter offenen semiotischen Räumen werden hier solche semiotischen Räume verstanden, die es zulassen, daß in diesen Räumen weitere Räume erzeugt werden. Dagegen können in geschlossenen semiotischen Räumen keine weiteren semiotischen Räume konstruiert werden.

Die Darstellung der semiotisch dynamischen Dimension der Computertechnologie hat gezeigt: Die Grammatik der Computertechnologie ist der Algorithmus. Möglich ist mit der Computertechnologie alles, was als Algorithmus formuliert werden kann. Ein Aspekt dieser Grammatik ist, daß mit Algorithmen auch Kalkülsprachen simuliert werden können. Die Grammatik der Computertechnologie eröffnet damit nicht nur einen semiotischen Raum, sondern mehrere. Die Konstruktion semiotischer Räume wird möglich. Das muß nicht zwingend so sein. Mit Hilfe eines Algorithmus kann ein semiotischer Raum eröffnet werden, der keine weiteren Simulationen zuläßt. In diesem Fall simuliert Computertechnologie ein semiotisch statisches Medium.

Diese Differenz läßt sich durch verschiedene Nutzungsformen charakterisieren. Wenn Algorithmen verwendet werden, um semiotische Räume zu eröffnen, wird die semiotisch dynamische Dimension der Computertechnologie genutzt. Das geschieht beim Programmieren. Mit dem Formulieren von Algorithmen werden semiotische Räume und damit mediale Grammatiken konstruiert. In der Regel wird dabei auf bereits konstruierte semiotische Räume zurückgegriffen. Diese Möglichkeit ergibt sich durch die Verschachtelung von Simulationen. Der konstruierte Raum, auf den zurückgegriffen wird, muß lediglich das Erzeugen von Superkalkülzeichen zulassen, damit neue Räume konstruiert werden können. Es ist ein offener Raum. Solche Räume stehen z.B. in Form von Programmiersprachen zur Verfügung.

Wenn Superkalkülzeichen verwendet werden, um sich in semiotischen Räumen zu bewegen, wird die statische semiotische Dimension der Computertechnologie genutzt. Dabei werden keine neuen Superkalkülzeichen erzeugt. Das kennzeichnet die Anwendung von Computertechnologie. Anwenderinnen und Anwender bewegen sich in den semiotischen Räumen, die Programmiererinnen und Programmierer konstruiert haben. Dabei besteht die Möglichkeit, daß sie zwischen semiotischen Räumen wechseln; sie können aber keine neuen Räume erzeugen.

Der Unterschied zwischen der Nutzung der semiotisch dynamischen und der semiotisch statischen Dimension der Computertechnologie ist deutlich: Im Zuge der Programmierung können neue Superkalkülzeichen erzeugt und semiotische Räume konstruiert werden. Im Gebrauch der Computertechnologie werden die semiotischen Räume verwendet. Benutzerinnen und Benutzer navigieren dabei durch semiotische Räume. Sie nutzen die Computertechnologie als IuK - Technologie.

Nun ließe sich vermuten, daß mit der Programmierung der Computertechnologie die Freiheit besteht, das Potential des Mediums auszuschöpfen, und im Gebrauch lediglich die Anpassung an Gegebenes vollzogen werden kann. Das ist jedoch nicht der Fall. Computertechnologie macht in jedem Fall eine Anpassung an die Struktur des Mediums erforderlich, so wie das bei jedem Medium der Fall ist. Die Besonderheit besteht im Falle der Programmierung darin, daß Programmiererinnen und Programmierer in der Regel eine Entwicklungsumgebung gebrauchen. Sie sind damit in der Rolle der Benutzerinnen und Benutzer.

In diesem Sinne läßt sich die These Kittler verstehen, der das Programmieren als Schreiben in einer Computersprache bezeichnet hat. Dabei wird aber nicht für Menschen geschrieben, der Text soll von der Technologie 'gelesen' werden. Damit das gelingt, müssen sich Programmiererinnen und Programmierer exakt nach den vorhandenen Superkalkülzeichen richten. Sie können sich nicht aussuchen, wie sie schreiben, der Stil ist vorgegeben, da das Schreiben in einer Computersprache keine Abweichungen im Stil, d.h. in Formulierung, Zeichensetzung etc. erlaubt. Die Grammatik muß exakt eingehalten werden. Jede Abweichung führt zu Programmfehlern. Daher folgert Kittler:

"Diese neue Scholastik der Computercodes fordert im Effekt also den ältesten Buchstabengehorsam wieder ein" (Kittler 1994: 248f.).

Denn nicht nur die Grammatik der Algorithmen (Elementarität, Determiniertheit, Allgemeinheit, Endlichkeit) muß befolgt werden, auch die Grammatik der jeweiligen Kalkülsprache muß gelernt und bis ins kleinste Detail genau befolgt werden. Allerdings gibt es bei der Programmierung für den Preis der Anpassung die Freiheit, selbst Superkalkülzeichen zu konstruieren und so semiotische Räume zu entwerfen.

Anders ist das für Benutzerinnen und Benutzer, die nicht programmieren. Sie sind auf die vorgegebenen semiotischen Räume angewiesen. Die eigene Konstruktion von Superkalkülzeichen ist ihnen nicht möglich. Es bleibt keine andere Wahl, als die vorhandenen Kalkülzeichen zu erlernen und dann Buchstabengehorsam zu üben. Kittler macht dabei auf die Sprachregelung aufmerksam, die sagt, daß 'unter' einem Betriebssystem gearbeitet wird (Kittler 1994: 251). Daran ändern auch grafische Oberflächen nichts. Sie geben einen Satz von Symbolen vor, deren Manipulation Programmierkenntnisse erfordert. Wenn ein zu startendes Programm nicht mehr über ein Befehlswort, sondern über ein Bild aufgerufen wird, ist das Bild ein exaktes und nicht zu änderndes Superkalkülzeichen. Kittler schließt daraus:

"Graphische Benutzeroberflächen entfalten dieselbe Menschenfreundlichkeit, die einst dem finsteren Mittelalter seine Armenbibel aus lauter Bildern eingab" (Kittler 1994: 254).

Kittler hat diese Wirkung der Computertechnologie explizit als Warnung überspitzt. Sein Hinweis ist jedoch insofern treffend, als der Gebrauch der Computertechnologie zur Anpassung an die jeweils vorhandenen geschlossenen semiotischen Räume zwingt.

Eine Analyse der semiotisch statischen Räume stößt nun auf zwei Probleme: Erstens handelt es sich bei einem semiotisch statischen Raum, der mittels der Computertechnologie erzeugt wird, um einen simulierten Raum. Das, was bei einem semiotisch statischen Medium als physikalische Dimension zu bezeichnen ist, wird in diesem Fall durch die semiotische Dimension der Computertechnologie simuliert. Zweitens können diese Simulationen beliebig variiert werden. Das erschwert es, übergreifende Eigenschaften der Computertechnologie auszumachen.

Wenn im folgenden semiotische Räume dargestellt werden, müssen diese beiden Probleme im Blick behalten werden. Das erste Problem ist durch eine klare Kennzeichnung des jeweils Vermeinten zu lösen. Dazu wird im folgenden Abschnitt ein geeignetes Darstellungsschema eingeführt. Das zweite Problem läßt sich nicht mit einem Überblick über die möglichen Algorithmen lösen, da Daten über die Verbreitung und Verwendung verschiedener Anwendungen in wissenschaftlich fundierter Form nicht zur Verfügung stehen. Daher muß hier eine exemplarische Annäherung genügen. Im Interesse der Plausibilität wird dabei auch auf die physikalische Dimension zurückzugreifen sein. Die so mögliche klarere Darstellung rechtfertigt es, die getrennte Diskussion von physikalischer und semiotischer Dimension der Computertechnologie nicht radikal durchzuhalten.

3.3.3.2 Mediale Reflexivität

Die Simulation von Medien durch die Computertechnologie kann als Reflexion von Medien verstanden werden. Um die mediale Reflexivität als Eigenschaft der Computertechnologie analysieren zu können, muß zunächst der Medienbegriff um das Merkmal der Reflexivität erweitert werden.

Die Reflexivität als Eigenschaft von Medien hat Meder 1987 im Anschluß an McLuhan betont. Meder schließt an die These an, daß die Botschaft eines Mediums ein anderes Medium ist, mit der McLuhan die Verbindung zwischen Medien beschrieben hat. Der Begriff der Reflexivität wird dabei jedoch uneinheitlich verwendet. Einmal wird der Übergang von der gesprochenen Sprache zur Musik als Reflexion, der Übergang von der gesprochenen Sprache zur Schrift aber als Transposition bezeichnet (Meder 1987; 35ff.); an anderer Stelle wird beides als Reflexion bezeichnet (Meder 1987: 173; 1995: 14).98

Um Reflexivität als Eigenschaft von Computertechnologie auszuweisen, ist es daher erforderlich, den Begriff zu präzisieren und zu differenzieren, ihn hier also als Analyseinstrument neu einzuführen. Um dabei eine Verwechslung mit der Reflexivität als Eigenschaft des menschlichen Denkens zu vermeiden, wird hier der Ausdruck mediale Reflexivität verwendet.

Zunächst läßt sich anhand des Medienbegriffs zeigen, daß mediale Reflexivität nicht nur im Übergang zwischen Medien, sondern bereits in der Struktur eines einzelnen Mediums besteht. Darüber hinaus können zwei Typen von Reflexivität zwischen Medien differenziert werden. Mit diesem Instrumentarium kann die reflexive Struktur von Medien dargestellt werden.

Unter medialer Reflexion wird hier die Spiegelung eines Raumes in einem Aspekt verstanden.99 So ist ein Laut nur ein Aspekt aus dem Möglichkeitsraum der Luft. Dennoch spiegeln sich in dem Laut die physikalischen Eigenschaften der Luft, etwa die Schallgeschwindigkeit. Ebenso ist ein Wort nur eine Auswahl aus dem Möglichkeitsraum der Sätze. Dennoch spiegeln sich in dem Wort die semiotischen Eigenschaften der Sätze, etwa in der gewählten Wortart. Zuletzt spiegelt sich in der semiotischen Dimension die physikalische Dimension, was z.B. daran sichtbar wird, daß ein gesprochenes Wort geschrieben anders wirkt.

Allgemein formuliert: Die Reflexivität als Eigenschaft von Medien ist auf die Differenz zwischen physikalischer und semiotischer Dimension und die Differenz zwischen Aspekten und Räumen in den Dimensionen zurückzuführen. Beide Differenzen, das zeigt die Darstellung in den Abschnitten 3.1 und 3.3.1.1, sind Merkmale von Medien.


Ú           Â                  Â                  ¿

³SPRACHE ³ physikalisch ³ semiotisch ³

à          Å                  Å                  ´

³ ³ ùùùùùùùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùùùùùùùù ³

³Aspekt ³ ù Laut ù ³ ù Wort ù ³

³ ³ ù ù ³ ù ù ³

à          Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ù Luft ù ³ ù Sätze ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùùùùùùùù ³

À           ß                  ß                  Ù

(Tab. 5)

Die Darstellung von Aspekten und Räumen der semiotischen und physikalischen Dimension der Sprache in Tabelle 5 faßt den Medienbegriff im Blick auf den Reflexionsprozeß zusammen. In beiden Dimensionen werden im Gebrauch des Mediums durch den Menschen Aspekte aus den Räumen hervorgehoben. Dies findet sich im Schema innerhalb der gepunkteten Linien. Zugleich wird mit der semiotischen Dimension ein Aspekt aus der physikalischen Dimension hervorgehoben. Diese Differenz liegt zwischen den beiden Dimensionen, nicht zwischen den Räumen oder den Aspekten. Dieses Schema läßt sich nun auf weitere Medien anwenden; in Tabelle 6 ist das Schema für die Schrift wiedergegeben.


Ú           Â                  Â                  ¿

³SCHRIFT ³ physikalisch ³ semiotisch ³

à          Å                  Å                  ´

³ ³ ùùùùùùùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùùùùùùùù ³

³Aspekt ³ ù Farbe ù ³ ù Buchstaben ù ³

³ ³ ù ù ³ ù ù ³

à          Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ù Papier ù ³ ù Worte ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùùùùùùùù ³

À           ß                  ß                  Ù

(Tab. 6)

Beim Gebrauch der Schrift wird mit Farbe ein Aspekt des Papiers hervorgehoben, mit Buchstaben ein Aspekt von Worten und mit Buchstaben und Worten ein Aspekt von Farbe und Papier. Innerhalb von Medien können mit Hilfe des Begriffs der medialen Reflexion also drei Reflexionstypen unterschieden werden.

Die Einteilung in Aspekt und Raum innerhalb der Dimensionen der Medien wird hier heuristisch vorgenommen und ist daher empirisch zu belegen. Bei den genannten Beispielen ist evident, daß die Schrift aus einzelnen Buchstaben zusammengesetzt ist und die Sprache aus Worten besteht.

Für die Reflexion zwischen Medien stellt sich die Frage, wodurch eine Relation zwischen Medien konstituiert wird. Zunächst ist klar, daß ein Mensch die Beziehung im Gebrauch herstellt. Wenn Medien zueinander in Relation gebracht werden, muß der Mensch auf Eigenschaften der Medien zurückgreifen. Die Relation muß daher an der physikalischen oder der semiotischen Dimension ansetzen. Hier wird nun angenommen, daß die Relation dadurch zustande kommt, daß zwei Medien in einer Dimension gleich sind. Damit ergeben sich zwei Relationstypen: Entweder die physikalische Dimension oder die semiotische Dimension bleibt erhalten. Diese These ist zunächst exemplarisch zu prüfen.

Der Erhalt der physikalischen Dimension läßt sich an der medialen Reflexion von der gesprochenen Sprache auf die Musik zeigen. Gesprochene Sprache und Musik sind akustische Medien. Bei beiden werden in der physikalischen Dimension Laute in der Luft gebildet, die physikalische Dimension ist also in beiden Fällen die gleiche. Während aber in der gesprochenen Sprache Sätze aus Lauten gebildet werden, besteht die Musik aus Tönen, die Melodien und Rhythmen bilden. Für Sätze und Melodien gelten unterschiedliche Regeln, d.h.: in der semiotischen Dimension werden unterschiedliche Grammatiken verwendet.

Nun folgen Sätze zwar einer anderen Grammatik als Melodien, aber auch in gesprochenen Sätzen gibt es eine Melodie. Diese Satzmelodie stellt eine Auswahl aus musikalischen Melodien dar (Meder 1995a: 14). Insofern reflektiert die Sprache die Musik. Schematisch gibt dies Tabelle 7 wieder. Da die Reflexion in der semiotischen Dimension liegt, wird diese Form hier als semiotische Reflexion bezeichnet.


Ú       Â            Â            ¿ Ú       Â            Â            ¿

³SPRACHE³physikalisch³ semiotisch ³ ³MUSIK ³physikalisch³ semiotisch ³

à      Å            Å            ´ à      Å            Å            ´

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

³Aspekt ³ ù Laut ù ³ ù Wort ù ³_________³Aspekt ³ ù Laut ù ³ ù Ton ù ³

³ ³ ù ù ³ ù ù ³semioti. ³ ³ ù ù ³ ù ù ³

à      Å ù ù Å ù ù ´Reflexionà      Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ù ù ³ ù ù ³_________³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ù Luft ù ³ ù Sätze ù ³ ³Raum ³ ù Luft ù ³ ù Melodieù ³

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

À       ß            ß            Ù À       ß            ß            Ù

(Tab. 7)

Während Schrift semiotisch auf Bilder reflektiert, ist der Zusammenhang zwischen geschriebener und gesprochener Sprache komplexer. Bei der Reflexion der Schriftsprache auf die gesprochene Sprache findet ein Übergang vom akustischen ins visuelle Feld statt (Meder 1987: 36). Anstelle des Hörsinns wird der Sehsinn angesprochen. Welche Sinne angesprochen werden ist nach dem Medienbegriff abhängig von der physikalischen Dimension des Mediums. Wenn ein Übergang vom akustischen zum visuellen Feld stattfindet, muß also die physikalische Dimension verändert werden. Beim Übergang von der gesprochenen Sprache zur Handschrift wird Luft/Laut durch Papier/Farbe ersetzt.

Nun bleibt die semiotische Dimension beim Übergang von der gesprochenen Sprache zur Schrift nicht unverändert. Wird das Wort 'Haus' erst ausgesprochen und dann aufgeschrieben, muß es dazu bei Verwendung eines phonetischen Alphabets in Buchstaben zerlegt werden. Wenn aber semiotische und physikalische Dimension verändert werden, reflektieren die Medien nach dem hier verwendeten Begriff medialer Reflexion nicht aufeinander.

Um mit der vorgeschlagenen Struktur die mediale Reflexion von zwei unabhängigen Medien darzustellen, ist wenigstens ein Medium erforderlich, über das die Verbindung hergestellt wird. Hinweise auf die einzubeziehenden Medien bei der Verbindung von gesprochener Sprache und Schriftsprache bietet der frühkindliche Spracherwerb. Im frühkindlichen Spracherwerb verwenden Kinder Lautfolgen zunächst als Wörter (Francesco 19751970: 53f.), weshalb hier auch das Wort als Aspekt der semiotischen Dimension der gesprochenen Sprache eingesetzt wird. Kinder können also zunächst nur ganze Worte bilden. Im Alter von ca. vier Jahren lernen Kinder dann die Zerlegung von Worten in Silben (Eisenberg 51995: 37); eine Fähigkeit, die als Voraussetzung für den Schriftspracherwerb anzusehen ist (Jansen u.a. 1999: 10). Diese semiotische Reflexion ist in Tabelle 8 wiedergegeben.


Ú       Â            Â            ¿ Ú       Â            Â            ¿

³SILBEN ³physikalisch³ semiotisch ³ ³SPRACHE³physikalisch³ semiotisch ³

à      Å            Å            ´ à      Å            Å            ´

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

³Aspekt ³ ù Laut ù ³ ù Silbe ù ³_________³Aspekt ³ ù Laut ù ³ ù Wort ù ³

³ ³ ù ù ³ ù ù ³semioti. ³ ³ ù ù ³ ù ù ³

à      Å ù ù Å ù ù ´Reflexionà      Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ù ù ³ ù ù ³_________³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ù Luft ù ³ ù Wort ù ³ ³Raum ³ ù Luft ù ³ ù Sätze ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

À       ß            ß            Ù À       ß            ß            Ù

(Tab. 8)

Empirische Untersuchungen zum Schriftspracherwerb zeigen, daß Kinder keine Silben, sondern Phoneme in schriftliche Zeichen übertragen (Morais, Mousty, Kolinsky 1998: 127). Die Fähigkeit, Worte in Phoneme zu zerlegen, wird im Zuge des Schriftsprachunterrichts erworben und ist bei Vorschulkindern nur bei besonderem Training zu beobachten (Jansen u.a. 1999: 9). Kinder zerlegen Worte zunächst in Silben; die Silben werden dann in Phoneme zerlegt. Als nächster Schritt im Übergang von der gesprochenen Sprache zur Schriftsprache ist also die semiotische Reflexion der Phonemsprache auf die Silbensprache anzusehen. Dies ist in Tabelle 9 wiedergegeben.


Ú       Â            Â            ¿ Ú       Â            Â            ¿

³PHONEME³physikalisch³ semiotisch ³ ³SILBEN ³physikalisch³ semiotisch ³

à      Å            Å            ´ à      Å            Å            ´

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

³Aspekt ³ ù Laut ù ³ ùSegment ù ³_________³Aspekt ³ ù Laut ù ³ ù Silbe ù ³

³ ³ ù ù ³ ù ù ³semioti. ³ ³ ù ù ³ ù ù ³

à      Å ù ù Å ù ù ´Reflexionà      Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ù ù ³ ù ù ³_________³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ù Luft ù ³ ù Silbe ù ³ ³Raum ³ ù Luft ù ³ ù Wort ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

À       ß            ß            Ù À       ß            ß            Ù

(Tab. 9)

In psychologischen Studien wird gezeigt, daß Kinder im Prozeß des Schriftspracherwerbs Phoneme unmittelbar in Grapheme übertragen. Dabei greifen sie auf die Namen für Buchstaben zurück (Treimann 1998: 371). Das Verhältnis von Phonemen und Graphemen wird in linguistischen Analysen genauer bestimmt. Dabei werden in der Phonologie die kleinsten Segmente der Phoneme und in der Graphematik die kleinsten Segmente der Grapheme untersucht. Diese Untersuchungen haben für das Deutsche Graphem - Phonem - Korrespondenzregeln (GPK - Regeln) ergeben, bei denen in der Regel ein Phonem genau einem Graphem zugewiesen wird (Eisenberg 51995: 63). Die psychologischen und liguistischen Analysen belegen, daß Phoneme und Grapheme die gleichen Zeichen beinhalten. Phoneme und Grapheme unterscheiden sich jedoch in der physikalischen Struktur. Zwischen Phonemen und Graphemen liegt daher eine physikalische Reflexion vor, die in Tabelle 10 abgebildet ist.


Ú        Â            Â            ¿ Ú       Â            Â            ¿

³GRAPHEME³physikalisch³ semiotisch ³ ³PHONEME³physikalisch³ semiotisch ³

à       Å            Å            ´ à      Å            Å            ´

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

³Aspekt ³ ù Farbe ù ³ ù Segmentù ³_________³Aspekt ³ ù Laut ù ³ ùSegment ù ³

³ ³ ù ù ³ ù ù ³physikal.³ ³ ù ù ³ ù ù ³

à       Å ù ù Å ù ù ´Reflexionà      Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ù ù ³ ù ù ³_________³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ù Papier ù ³ ù Silbe ù ³ ³Raum ³ ù Luft ù ³ ù Silbe ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

À        ß            ß            Ù À       ß            ß            Ù

(Tab. 10)

Die Grapheme werden nun mit Buchstaben notiert. Dabei bestimmen historisch entstandene orthografische Normen, wie die aus Graphemen aufgebauten Worte aufzuschreiben sind.100 Diese Normen lassen sich in weiten Teilen auf allgemeine Prinzipien zurückführen. Oftmals genügt die Kenntnis der GPK - Regeln, um ein Wort richtig zu schreiben. Aber auch silbenbezogene Regeln und das morphologische Prinzip kommen bei der Rechtschreibung zum Tragen (Eisenberg 51995: 59ff.). Die Einheit, auf die sich die orthografischen Regeln beziehen, ist das Wort. In der Schrift werden also Grapheme zu Worten zusammengesetzt. Diese semiotische Reflexion ist in Tabelle 11 wiedergegeben.


Ú       Â            Â            ¿ Ú        Â            Â            ¿

³SCHRIFT³physikalisch³ semiotisch ³ ³GRAPHEME³physikalisch³ semiotisch ³

à      Å            Å            ´ à       Å            Å            ´

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

³Aspekt ³ ù Farbe ù ³ ù Buch- ù ³_________³Aspekt ³ ù Farbe ù ³ ù Segmentù ³

³ ³ ù ù ³ ù stabe ù ³semioti. ³ ³ ù ù ³ ù ù ³

à      Å ù ù Å ù ù ´Reflexionà       Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ù ù ³ ù ù ³_________³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ù Papier ù ³ ù Wort ù ³ ³Raum ³ ù Papier ù ³ ù Silbe ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

À       ß            ß            Ù À        ß            ß            Ù

(Tab. 11)

Die Darstellung des Verhältnisses von Schrift und gesprochener Sprache zeigt, daß der Begriff der medialen Reflexivität geeignet ist, die Beziehungen zwischen Medien abzubilden. Damit stellt sich die Frage, wie das Verhältnis zwischen der im Abschnitt 3.2.4.1 eingeführten Unterscheidung zwischen Linearität und Serialität als Eigenschaften von Medien und der hier eingeführten mediale Reflexivität beschaffen ist. Dabei ist zunächst zu klären, ob mediale Reflexivität stets mit Änderungen in der Linearität oder der Serialität gemeinsam aufritt.

Am ersten hier genannte Beispiel, der medialen Reflexion der Sprache auf die Musik, ist kein Unterschied in bezug auf die Linearität und die Serialität festzustellen. Der Umfang der parallel übermittelten Informationen ist z.B. zwischen einem Akkord und einem Wort kaum zu unterscheiden, die Linearität unterscheidet sich also nicht. Da Sprache und Musik zunächst nicht reproduziert werden können, unterscheidet sich auch die Serialität nicht. Dagegen ist die mediale Reflexion von Sprache auf gesprochene Silben auch mit einer Änderung der Linearität verbunden, da mit Worten, deren Silben ausdrücklich betont werden, weniger Informationen pro Zeitheinheit übermittelt werden können. Eine mediale Reflexion geht also nur manchmal mit Änderungen der Linearität und Serialität einher. Auch ist die Änderung der Linearität nicht immer mit einem medialen Reflexionsprozeß verbunden. So werden bei Handschrift und Buchdruck Worte aus Buchstaben mit Farbe auf Papier gebildet. Zwischen Buchdruck und Handschrift liegt keine mediale Reflexion vor, das Maß der Serialität variiert jedoch deutlich.

Reflexivität, Serialität und Linearität heben unterschiedliche Merkmale von Medien hervor. Da Linearität sich auf die technische Reproduzierbarkeit bezieht, die technische Reproduzierbarkeit aber von der physikalischen Dimension eines Mediums abhängt, ist zu erwarten, daß eine physikalische Reflexion eher mit einer Änderungen der Linearität einhergeht. Die Serialität bezieht sich auf den Grad an Parallelität der Informationsübermittlung. Dies hängt von der semiotischen Dimension ab. Daher ist zu erwarten, daß eine semiotische Reflexion eher mit einer Änderung der Serialität einhergeht. Das ist am Beispiel des Übergangs von der gesprochenen Sprache zur Schriftsprache zu sehen: Mit den semiotischen Reflexionen ist eine Änderung der Serialität verbunden. Mit der physikalischen Reflexion ist eher eine Änderung der Linearität verbunden.

In der medialen Reflexivität ist ein weiteres Merkmal von Medien zu sehen. Die Darstellung in diesem Abschnitt zeigt zugleich, daß die mediale Reflexivität ein geeignetes Instrument zur Analyse der Relation zwischen Medien darstellt.

Der Medienbegriff legt nun zwei weitere Formen der Verbindung nahe, bei der physikalische und semiotische Dimension erhalten bleiben oder beide ausgetauscht werden. Wenn beide ausgetauscht werden, liegt jedoch keine Relation zwischen den Medien vor. Diese Figur ist kennzeichnend für voneinander unabhängige Medien, die nicht aufeinander reflektieren.

Auch wenn beide Dimensionen erhalten bleiben, besteht keine mediale Reflexion. Nun kommt es vor, daß ein Medium nicht nur eine physikalische und eine semiotische Dimension, sondern zwei aufweist. Das ist z.B. beim Fernsehen der Fall, das Bilder und Ton überträgt, oder beim Gespräch, bei dem nicht nur die gesprochene Sprache, sondern auch Gestik zur Kommunikation verwendet wird. Auch im Falle des Gesprächs liegt eine Reflexion vor, bei dem das Gespräch auf die Gestik und die gesprochene Sprache reflektiert. Diese doppelte Reflexionsstruktur und die Koppelung von Gestik und Sprache im Gespräch gibt Tabelle 12 wieder.

Ú       Â            Â            ¿ Ú       Â            Â           ¿

³SPRACHE³physikalisch³ semiotisch ³ ³GESTIK ³physikalisch³ semiotisch³

à      Å            Å            ´ à      Å            Å           ´

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùù ³

³Aspekt ³ ù Laut ù ³ ù Wort ù ³ ³Aspekt ³ ù Bild ù ³ ù Geste ù ³

³ ³ ù ù ³ ù ù ³ ³ ³ ù ù ³ ù ù ³

à      Å ù ù Å ù ù ´­_Koppelung_à      Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ù ù ³ ù ù ³ _ ³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ù Luft ù ³ ù Sätze ù ³ _ ³Raum ³ ù Licht ù ³ ù Gestikù ³

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ _ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùù ³

À       ß            ß            Ù _ À       ß            ß           Ù

Ú        Â                     Â                     ¿

³GESPRÄCH³ physikalisch ³ semiotisch ³

à       Å                     Å                     ´

³ ³ ùùùùùùùùùùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùùùùùùùùùùù ³

³Aspekt ³ ù Laut ù Bild ù ³ ù Wort ù Geste ù ³

³ ³ ù ù ù ³ ù ù ù ³

à       Å ù ù ù Å ù ù ù ´

³ ³ ù ù ù ³ ù ù ù ³

³Raum ³ ù Luft ù Licht ù ³ ù Sätze ù Gestik ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùùùùùùùùùùù ³

À        ß                     ß                     Ù

(Tab. 12)

Obwohl hier nicht beansprucht werden soll, mit medialer Reflexivität und medialer Koppelung alle Relationstypen zwischen Medien erfaßt zu haben, wird an der mit diesen beiden Relationstypen aufgezeigten Struktur die Komplexität des menschlichen Mediengebrauchs erkennbar: Die genannten Medien wie die gesprochene Sprache reflektieren auf weitere Medien, die wiederum mit anderen Medien gekoppelt sein können usw. Kurz: Menschen verwenden eine komplexe mediale Topologie zur Kommunikation.

Bevor nun die reflexive Struktur der Computertechnologie analysiert werden kann, ist es erforderlich, den eingeführten Begriff der medialen Reflexion an einem Beispiel zu erproben.

3.3.3.2.1 Kommunikation und Metakommunikation

In der Kommunikationstheorie von Beavon, Jackson und Watzlawick wird zwischen Kommunikation und Metakommunikation unterschieden. Metakomunikation bestimmt dabei die Kommunikation, sie ist eine Kommunikation über Kommunikation.101

"Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, daß letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist" (Beavin u.a. 819671990: 56)

Beavin, Jackson und Watzlawick konzentrieren sich auf die pragmatische Ebene, es geht ihnen um das Verhalten von Menschen (Beavin u.a. 819671990: 22, 50). Medien werden von ihnen nicht genauer in den Blick genommen. Mit Hilfe des Begriffs medialer Reflexivität läßt sich nun zeigen, daß mediale Reflexion eine Bedingung für die Unterscheidung von Kommmunikation und Metakommmunikation ist.

Ein Beispiel das Beavin, Jackson und Watzlawick verwenden ist die gesprochene Sprache. In der gesprochenen Sprache wird Metakommunikation an den Tonfall, an die Geschwindigkeit des Sprechens, an Pausen (Beavin u.a. 819671990: 51) oder an Betonungen (Beavin u.a. 819671990: 56) gebunden.

Tonfall, Geschwindigkeit, Pausen und Betonungen bilden die Sprachmelodie. Die Metakommunikation wird also an die Sprachmelodie gebunden, die Kommunikation an die Sätze. Dabei sind Kommunikation und Metakommunikation eng aufeinander bezogen. Der Beziehungsaspekt kann auch mit Worten explizit gemacht werden, wogegen es nicht möglich ist, den Inhaltsaspekt mit der Sprachmelodie auszudrücken. Insofern in der Sprachmelodie der Beziehungsaspekt und in den Sätzen der Inhaltsaspekt kommuniziert wird, spiegelt die Metakommunikation einen Aspekt der Kommunikation. Die Relation zwischen Kommunikation und Metakommunikation in der Sprache weist damit eine Struktur auf, wie sie analog in der medialen Struktur der Sprache zu finden ist.102

Beavin, Jackson und Watzlawick unterscheiden Kommunikation und Metakommunikation auch am Beispiel der Schriftsprache, wobei nach ihrer Auffassung in der geschriebenen Sprache die Betonung als Verstehensanweisung meistens fehlt (Beavin u.a. 819671990: 56). Die Betonung von Wörtern in einem S a t z ist mit der Schriftsprache allerdings ohne weiteres möglich, und zwar nicht nur durch den Schriftsatz, sondern vor allem durch den Satzbau, d.h. durch den Schreibrhythmus.

Beavin, Jackson und Watzlawick unterscheiden nun nicht zwischen Handschrift und Buchdruck. Hier mag als Beispiel die Handschrift genügen. Mit der Handschrift kann ein Wort leicht betont werden, indem es z.B. unterstrichen wird. Nun ist es nicht möglich, mit dem Strich alleine den Inhaltsaspekt der Kommunikation zu transportieren, dagegen kann ein Wort mit Worten betont werden. Auch im Falle der Handschrift ist die Struktur der Relation zwischen Kommunikation und Metakommunikation der Struktur der medialen Reflexion analog.

Ein drittes Beispiel bei Beavin, Jackson und Watzlawick ist die Unterscheidung zwischen verbaler und nichtverbaler Kommunikation. Die verbale Kommunikation verwendet das gesprochene Wort, die nichtverbale Kommunikation die Körpersprache (Beavin u.a. 819671990: 23). Die Kombination wird im persönlichen Gespräch für die gleichzeitige Übermittlung von Kommunikation und Metakommunikation genutzt (Beavin u.a. 819671990: 42). Die kommunikative Reflexion verwendet in diesem Fall die Koppelung der gesprochenen Sprache und der Körpersprache. Die zwei Kommunikationsebenen werden durch die Verwendung von zwei Medien im Medium des Gesprächs unterschieden.

Offenbar wird bei der Verwendung von Kommunikation und Metakommunikation im Kommunikationsprozeß auf die reflexive Struktur von Medien zurückgegriffen. Der Begriff der medialen Reflexion kann als geeignet angesehen werden, um die Relationen zwischen Medien zu analysieren.

3.3.3.2.2 Computertechnologie als reflexives Medium

In der Analyse der Computertechnologie mit dem Begriff der medialen Reflexivität ist zunächst zu fragen, wie sich der Umstand der Abarbeitung von Zeichen in der semiotischen Dimension der Computertechnologie aus Sicht der medialen Reflexivität darstellt.

Die Computertechnologie ist nach der bisherigen Analyse in der physikalischen Dimension durch Elektrizität und digitale Impulse zu kennzeichnen. Aus Sicht der medialen Reflexivität ist Digitalität ein Aspekt aus dem Raum der Elektrizität. Auf semiotischer Seite handelt es sich um einen universellen Turingautomaten, der den semiotischen Raum der Algorithmen eröffnet, in dem Kalkülzeichen gesetzt werden. Tabellarisch ist dies in Tab. 13 wiedergegeben.


Ú           Â                  Â                  ¿

³COMPUTER ³ physikalisch ³ semiotisch ³

à          Å                  Å                  ´

³ ³ ùùùùùùùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùùùùùùùù ³

³Aspekt ³ ù Impuls ù ³ ùKalkülzeichen ù ³

³ ³ ù ù ³ ù ù ³

à          Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ù Elektrizität ù ³ ù Algorithmen ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùùùùùùùù ³

À           ß                  ß                  Ù

(Tab. 13)

Da Algorithmen in der Regel nicht mündlich, sondern schriftlich formuliert werden, reflektiert Computertechnologie auf die Schriftsprache. Dies ist keine direkte Reflexion, da Schriftsprache sowohl in der semiotischen als auch in der physikalischen Dimension von der Computertechnologie zu unterscheiden ist. Daher ist ein Zwischenschritt anzusetzen, für den zwei Varianten möglich sind. Entweder werden Algorithmen auf Papier formuliert, und dieses Medium reflektiert dann auf die Schriftsprache. Oder Computertechnologie wird zur Formulierung von Wörtern mit Buchstaben verwendet, und dieses Medium reflektiert dann auf Papier und Farbe. Da Programme in der Regel mit einem Editor103 geschrieben werden, ist die zweite Form als dominant anzusehen. Diese Reflexion ist in Tab. 14 wiedergegeben.


Ú       Â            Â            ¿ Ú        Â            Â            ¿

³EDITOR ³physikalisch³ semiotisch ³ ³SCHRIFT ³physikalisch³ semiotisch ³

à      Å            Å            ´ à       Å            Å            ´

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

³Aspekt ³ ù Impuls ù ³ ù Buch- ù ³_________³Aspekt ³ ù Farbe ù ³ ù Buch- ù ³

³ ³ ù ù ³ ù stabe ù ³physikal.³ ³ ù ù ³ ù stabe ù ³

à      Å ù ù Å ù ù ´Reflexionà       Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ùElektri-ù ³ ù ù ³_________³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ù zität ù ³ ù Worte ù ³ ³Raum ³ ù Papier ù ³ ù Worte ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

À       ß            ß            Ù À        ß            ß            Ù

Ú        Â            Â            ¿ Ú       Â            Â            ¿

³COMPUTER³physikalisch³ semiotisch ³ ³EDITOR ³physikalisch³ semiotisch ³

à       Å            Å            ´ à      Å            Å            ´

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

³Aspekt ³ ù Impuls ù ³ ùKalkül- ù ³_________³Aspekt ³ ù Impuls ù ³ ù Buch- ù ³

³ ³ ù ù ³ ùzeichen ù ³semioti. ³ ³ ù ù ³ ù stabe ù ³

à       Å ù ù Å ù ù ´Reflexionà      Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ùElektri-ù ³ ùAlgo- ù ³_________³ ³ ùElektri-ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ù zität ù ³ ùrithmus ù ³ ³Raum ³ ù zität ù ³ ù Worte ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

À        ß            ß            Ù À       ß            ß            Ù

(Tab. 14)

In der physikalischen Reflexion wird mit der Digitalisierung und Elektrifizierung der Zeichen die Serialität und Linearität der Schrift verändert. In der semiotischen Reflexion wird aus dem Raum der Schriftsprache ein Aspekt ausgeschnitten, da Algorithmen keinen semantischen oder metasprachlichen Bezug aufweisen. Diese Reflexionsschritte werden in den Abschnitten 3.2 bzw. 3.3.2 analysiert.

Wenn Computertechnologie nun als semiotisch statisches Medium verwendet wird, simuliert Computertechnologie ein anderes Medium. Dabei wird ein Algorithmus so verwendet, als ob es sich um die physikalische Dimension eines Mediums handelt. Der verwendete Algorithmus ist in diesem Fall als physikalische Dimension der Simulation anzusehen. Diese Betrachtungsweise ist möglich, da im Falle der Computertechnologie kein Bruch zwischen semiotischer und physikalischer Dimension des Mediums besteht (Abschnitt 3.3.2.2.2).

Wegen der Universalität der Computertechnologie kann mit Algorithmen nun jedes Medium simuliert werden. Dabei wird das simulierte Medium nicht identisch abgebildet. Das wird zum einen durch die notwendige Digitalisierung und Elektrifizierung verhindert, zum anderen durch die erforderliche explizite Formulierung aller Eigenschaften des simulierten Mediums im Algorithmus. Die Differenz zwischen der Simulation und dem Simulierten kann nun mit Hilfe der medialen Reflexivität dargestellt werden.

3.3.3.3 Computertechnologie in Raum und Zeit

Dabei werden im Blick auf die intendierte Analyse der Simulationen in Bildungsprozessen die mit den medialen Reflexionen verbundenen Veränderungen im Raum und in der Zeit besonders zu berücksichtigen sein. Diese Perspektive ist motiviert durch die Arbeiten von Harold A. Innis. Innis untersucht die Effekte von Medien104 auf Raum und Zeit. Seine Ausgangsthese lautet:

"Jedes einzelne Kommunikationsmittel spielt eine bedeutende Rolle bei der Verteilung von Wissen in Zeit und Raum, und es ist notwendig, sich mit seinen Charakteristiken auseinanderzusetzen, will man seinen Einfluß auf den jeweiligen kulturellen Schauplatz richtig beurteilen. Je nach seinen Eigenschaften kann solch ein Medium sich entweder besser für die zeitliche als für die räumliche Wissensverbreitung eignen, besonders wenn es schwer, dauerhaft und schlecht zu transportieren ist, oder aber umgekehrt eher für die räumliche als für die zeitliche Wissensverbreitung taugen, besonders wenn es leicht und gut zu transportieren ist. An seiner relativen Betonung von Zeit und Raum zeigt sich deutlich seine Ausrichtung auf die Kultur, in die es eingebettet ist" (Innis 19971951: 95).

Innis schreibt den Medien, die sich besonders für die zeitliche Wissensverbreitung eignen, die Förderung von Ideen der Fortdauer, Religion und dezentraler politischer Macht zu. Die Medien, die sich besser für die räumliche Wissensverbreitung eignen, begünstigen dagegen die Stärkung von Verwaltung, Recht und zentraler politischer Macht.

Innis belegt diese Thesen u.a. an einer Analyse der Entwicklung des römischen Reiches, von der hier nur ein Auszug skizziert werden kann. Um 200 v. Chr. steht Ägypten unter römischer Herrschaft. Das sichert eine ausreichende Versorgung des römischen Reiches mit dem in Ägypten produzierten Papyrus, das leicht herzustellen und zu beschriften und gut zu transportieren ist. Die Verwendung von Papyrus fördert im römischen Reich die Kodifizierung von Gesetzen, den Aufbau eines bürokratischen Verwaltungsapparates und die Kaiserverehrung. Es werden räumliche Probleme in den Mittelpunkt gerückt, zeitliche Probleme jedoch vernachlässigt (Innis 1997a1951: 107).

Papyrus weist eine Lebensdauer von etwa drei Generationen auf. Pergament ist demgenüber wesentlich haltbarer (Innis 1997c1952: 168). Es ist den Christen zu dieser Zeit gelungen, eine umfangreiche Sammlung christlicher Schriften auf Pergament aufzubauen. Konstantin wählt 330 Konstantinopel als neue Hauptstadt und vertritt die Interessen der christlichen Bevölkerung. Dadurch entsteht auf der Basis des Pergaments ein Gegengewicht gegen die Einflüsse der Bürokratie.

"Den mannigfaltigen Vorteilen, die der bürokratischen Verwaltung aus dem Papyrus erwachsen waren, wurde die Favorisierung des Pergaments als Medium einer mächtigen religösen Organisation entgegengesetzt" (Innis 1997c1957: 107f.).

Neben dem Vergleich verschiedener Träger der Schrift steht bei Innis der Vergleich des gesprochenen mit dem geschriebenen Wort im Mittelpunkt. Seine Medienwirkungsthese ist, daß das gesprochene Wort eine Akzentuierung der Zeit mit sich bringt, Schriftsprache dagegen eine Akzentuierung des Raumes (Innis 1997b1957: 180). Das ist angesichts seiner Ausgangsthese zunächst unverständlich, da die mündliche Überlieferung in Relation zur Schrift eine geringere Haltbarkeit aufweist.

Nun nennt Innis Techniken wie Reim und Metrik (Innis 1997c1957: 155) sowie die Berufszitatoren (Innis 1997a1957: 102), die der Sicherstellung der mündlichen Überlieferung dienen. Diese Techniken und die Berufszitatoren ermöglichen es, das gesprochene Wort so zu tradieren, daß die Haltbarkeit ausreichend gesichert werden kann. Dennoch bleibt die Begründung unbefriedigend, da das gesprochene Wort auch mit diesen Erweiterungen nicht an die Haltbarkeit von Papyrus, Pergament oder Papier heranreicht.

Die Unterscheidung zwischen medialem Raum und medialer Zeit wird klarer, wenn ein von Innis unausgesprochener Aspekt in den Blick genommen wird. Innis fokussiert auf die physikalische Dimension von Medien, die semiotischen Dimension wird von ihm nicht systematisch berücksichtigt.

Da die Vernachlässigung der semiotischen Dimension von Innis Schüler McLuhan wiederholt wird, kann hier an die Diskussion im Abschnitt 3.1.1 angeknüpft und die Überlegungen von Meder zur Klärung herangezogen werden.

Meder beschreibt die Strukturierung des sozialen Raums durch den semiotischen Raum der Medien als abhängig von der Übertragungsgeschwindigkeit der Zeichen und der Dichte der Zeichen, d.h. als abhängig von der Frage, wieviel Zeichen pro Zeit transportiert werden können und wieviel Bedeutung pro Zeichen transportiert werden kann (Meder 1995a: 12f.). Als Beispiel nennt er Bilder, die mehr Bedeutung pro Zeichen transportieren als Buchstaben. Damit ergibt sich die folgende These:

Medien, die sich besonders für die zeitliche Verbreitung von Wissen eignen, weisen eine relativ hohe Haltbarkeit und eine relativ hohe Bedeutung pro Zeichen auf, die Transportgeschwindigkeit und die Übertragungsgeschwindigkeit ist jedoch gering. Medien, die sich besonders für die räumliche Verbreitung von Wissen eignen, weisen eine hohe Transport- und Übertragungsgeschwindigkeit bei relativ geringer Haltbarkeit des Mediums und und relativ geringer Bedeutung pro Zeichen auf (Tab. 15).105


Ú             Â             Â                ¿

³ ³ Zeit ³ Raum ³

à            Å             Å                ´

³ ³ ³ Transport- ³

³physikalisch ³ Haltbarkeit ³ geschwindigkeit³

à            Å             Å                ´

³ ³ ³ Übertragungs- ³

³semiotisch ³ Bedeutung ³ geschwindigkeit³

À             ß             ß                Ù

(Tab. 15)

Diese These ist läßt sich mit dem Vergleich zwischen gedruckten Bildern und gedruckten Buchstaben belegen. Zwischen gedruckten Bildern und gedruckten Buchstaben besteht kein Unterschied in der Haltbarkeit und der Transportgeschwindigkeit. Die Übertragungsgeschwindigkeit und die Bedeutung pro Zeichen ändert sich jedoch. Daß die Bedeutung pro Zeichen bei Bildern höher als bei Buchstaben ist, ist offensichtlich. Die geringere Übertragungsgeschwindigkeit von Bildern wird sichtbar, wenn der für die Übertragung erforderliche Aufwand berücksichtigt wird. Während der Produktions- und Interpretationsaufwand für einen Buchstaben gering ist, erfordert die grafische Darstellung einen höheren Produktions- und Interpretationsaufwand. Mit steigendem Produktions- und Interpretationsaufwand sinkt die Übertragungsgeschwindigkeit, da auch bei gleicher Transportgeschwindigkeit weniger Zeichen produziert bzw. rezipiert werden.

Damit läßt sich auch die These von Innis plausibel machen, nach der die mündliche Überlieferung gut geeignet für die Wissensverbreitung in der Zeit ist. Um mit mündlicher Überlieferung große Wissensbestände tradieren zu können, ist es erforderlich, die Bedeutung pro Zeichen zu erhöhen. Dadurch kann mit wenigen Zeichen eine große Menge an Wissen tradiert werden. Mit höherer Bedeutung pro Zeichen sinkt jedoch die Übertragungsgeschwindigkeit, da Kodierung und Dekodierung des Wissens einen hohen Produktions- bzw. Interpretationsaufwand voraussetzen.

Das geschriebene Wort weist dagegen, insbesondere bei Verwendung eines phonetischen Alphabets, eine hohe Übertragungsgeschwindigkeit bei geringer Bedeutung pro Zeichen auf. Die einfache Kodierung ermöglicht eine hohe Transportgeschwindigkeit. Plakativ ausgedrückt: Die Bibel ist schneller abgeschrieben als auswendig gelernt.

Die Bibel liefert ein weiteres Beispiel für die Zuordnung der medialen Eigenschaften zu Zeit und Raum. Die zehn Gebote werden von Gott nicht nur mündlich mitgeteilt, sondern schriftlich auf zwei Steintafeln übergeben (Mose 5.22). Stein als Medium weist eine hohe Haltbarkeit bei geringer Transportgeschwindigkeit auf. Die Übertragungsgeschwindigkeit ist wegen des hohen Produktionsaufwandes gering. Das macht eine hohe Bedeutung pro Zeichen und einen entsprechenden Rezeptionsaufwand erforderlich. 10 Gebote auf Steintafeln sind daher gut geeignet für die Weitergabe von Wissen in der Zeit.

Computertechnologie als digitaler elektrischer Turingautomat weist eine geringe Haltbarkeit, eine hohe Transportgeschwindigkeit, eine geringe Bedeutung pro Zeichen und eine hohe Übertragungsgeschwindigkeit auf und eignet sich daher gut für die Wissensverbreitung im Raum, nicht aber für die Wissensverbreitung in der Zeit. Mit der Verwendung von Computertechnologie als semiotisch statischem Medium kann dies variieren. Die räumlichen und zeitlichen Effekte der im folgenden diskutierten Simulationen sind also anhand der Haltbarkeit, der Transportgeschwindigkeit, der Bedeutung pro Zeichen und der Übertragungsgeschwindigkeit zu untersuchen.

3.3.3.3.1 Textverarbeitung

Die Textverarbeitung106 ist eine verbreitete Anwendung, mit der Computertechnologie als semiotisch statisches Medium eingesetzt wird. Mit Textverarbeitungen wird die Schrift simuliert. Bei der medialen Reflexion der Textverarbeitung auf die Schrift wird in der physikalischen Dimension anstelle von Papier und Farbe der Textverarbeitungsautomat mit Eingaben verwendet (Tab. 15). Die semiotischen Regeln der Worte und Sätze werden dabei nicht verändert.


Ú       Â            Â            ¿ Ú       Â            Â            ¿

³TEXTV. ³physikalisch³ semiotisch ³ ³SCHRIFT³physikalisch³ semiotisch ³

à      Å            Å            ´ à      Å            Å            ´

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

³Zeichen³ ùEingabe ù ³ ù Buch- ù ³_________³Zeichen³ ù Farbe ù ³ ù Buch- ù ³

³ ³ ù ù ³ ù staben ù ³physikal.³ ³ ù ù ³ ù staben ù ³

à      Å ùTextver-ù Å ù ù ´Reflexionà      Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ùarbei- ù ³ ù ù ³_________³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ùtung ù ³ ù Worte ù ³ ³Raum ³ ù Papier ù ³ ù Worte ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

À       ß            ß            Ù À       ß            ß            Ù

(Tab. 15)

Im Falle von Textverarbeitungsautomaten werden nun meist Tastaturen als Eingabegeräte und Bildschirme sowie Drucker und Diskettenlaufwerke als Ausgabgegeräte107 verwendet. Diese Geräte sind bei der Untersuchung der zur Diskussion stehenden Reflexion zu berücksichtigen.

Die Entstehung von Tastaturen steht im engen Zusammenhang mit dem Buchdruck. Dieser wird durch den 1041 in China und 1452 in Europa eingeführten Satz aus Einzellettern revolutioniert. Der Satz aus Einzellettern wird durch die 1822 von Church erfundene mit einer Tastatur gesteuerte Typensatzmaschine erheblich vereinfacht. Wohl in Anlehnung an diese Idee werden Tastaturen bereits seit 1850 als Eingabegeräte für Rechenmaschinen verwendet. Die erste Schreibmaschine mit Tastatur wird 1867 gebaut (Faulstich u.a. 1993: 367-378). Zum Zeitpunkt der Konstruktion der ersten Computer sind Schreibmaschinen bereits weit verbreitet. Sie werden von Anfang an als Eingabegeräte verwendet; eine immer wieder angekündigte Ablösung durch Spracherkennungssysteme ist bisher nicht zu beobachten (Grünupp 1993: 259). Die Handschrift wird zunächst bei der Produktion von Büchern durch den Einzellettersatz verdrängt. Bei der Produktion von Einzelschriften, für die auch Textverarbeitungen in der Regel eingesetzt werden, wird die Handschrift durch die Schreibmaschine ersetzt.

Die Schreibmaschine und die Handschrift unterscheiden sich im Produktionsprozeß. Während im Gebrauch der Handschrift mit einem Stift alle Buchstaben auf das Papier aufgetragen werden, weist die Schreibmaschine für jeden Buchstaben einen gesonderten Typenhebel auf. Die Trennung der Buchstaben wird so unmittelbar sinnlich erfahrbar. Mit der Tastatur wird die komplizierte Bewegung im Gebrauch der Handschrift durch eine einfache Bewegung ersetzt. Die Relevanz des Tastsinns für den Schreibvorgang wird verringert. Der Schreibprozeß wird durch die Einschränkung auf eine einfache Bewegung beschleunigt, Buchstaben werden mit einer Tastatur schneller erzeugen als mit einem Stift.

Darüber hinaus sind die Anordnung und der Schriftschnitt der Buchstaben durch die Mechanik der Schreibmaschine festgelegt. Schreibmaschinen produzieren in Relation zur Handschrift einen gleichförmig angeordneten Text. Dadurch wird die Rezeptionsgeschwindigkeit erhöht. Die Mechanik der Schreibmaschine trennt dabei den Ort der motorischen Bewegung von der visuellen Wahrnehmung und bringt das Papier von der horizontalen in eine vertikale Position. Damit trennt die Schreibmaschine nicht nur die Buchstaben voneinander, sondern auch die Bewegung von der Wahrnehmung. Während die Handschrift Motorik und Sehsinn an einem Ort konzentriert, entfernt der Typenhebel beides voneinander.

Beim Übergang von der Schreibmaschine zur Computertastatur wird die Typenhebelmechanik durch einen digitalen elektrischen Turingautomaten ersetzt. Der Effekt der Elektrifizierung der Tastatur ist schon bei der elektrischen Schreibmaschine sichtbar: Die Bewegung wird gegenüber der mechanischen Schreibmaschine nochmals vereinfacht und beschleunigt. Mit der Verwendung der Computertechnologie verändert sich die Funktionsweise der Tastatur. Bei der Schreibmaschine bringt jeder Hebel eine Folge immer gleicher Buchstaben hervor. Diese starre Verbindung wird mit der Computertechnologie aufgehoben, weil ein Schalter der Tastatur je nach Zustand des Automaten unterschiedliche Funktionen auslösen kann. So wird etwa der fette und kursive Satz mit der Tastatur erst eingeschaltet, um dann die Buchstaben einzugeben. Das Umschalten zwischen beiden Funktionen geschieht mit zusätzlichen Tasten, die zur Schreibmaschinentastatur hinzugekommen sind. Diese Tasten schalten gleichsam zur Grammatik des Textes um.108

Mit der Tastatur als Eingabegerät wird die Motorik eingeschränkt. Die Variation der Bewegungen der Handschrift, mit der Buchstaben verschieden geformt werden, und die bei der Schreibmaschine verschwunden ist, geht an den Automaten. Beides erhöht die Produktionsgeschwindigkeit und damit die Übertragungsgeschwindigkeit. Das führt in Relation zur Handschrift zu einer sinkenden Bedeutung pro Zeichen. Zwar werden mit der speziellen Computertechnologie individuelle Exemplare gefertigt. Wegen der hohen Übertragungsgeschwindigkeit kommt einem Exemplar jedoch nicht die Bedeutung zu, die einen handgeschriebenen Text kennzeichnet.

Tastaturen als Eingabegeräte werden bei der Verwendung von Textverarbeitungsprogrammen meist mit Bildschirmen als Ausgabegeräten kombiniert. Bildschirme basieren auf der 1897 von Braun entwickelten Kathodenstrahlröhre, die mit einem gelenkten Elektronenstrahl Bildpunkte auf einem fluoreszierenden Schirm zum Leuchten bringt. Auf dieser Grundlage gelingt 1930 Ardenne erstmals eine Funkübertragung mit Braunscher Röhre auf Sender- und Empfängerseite; damit ist das Fernsehen erfunden. In den 30er Jahren wird Fernsehen zunächst in Deutschland, dann in England und in den USA eingeführt (Faulstich u.a. 1993: S.397ff.).

Als Monitor, d.h. als Ausgabegerät der Computertechnologie, wird der Bildschirm nicht vom Fernsehen, sondern von der ebenfalls mit der Braunschen Röhre arbeitenden Radartechnik übernommen. Beim 1958 in Betrieb genommenen SAGE - Frühwarnsystem wird die Radaranzeige mit der alphanumerischen Ausgabe des Rechners in einem Bildschirm kombiniert (Coy 1994: 25f.). Diese alphanumerische Ausgabe ersetzt die Ausgabe auf einem Drucker. Insofern schließt der Bildschirm als Ausgabegerät zunächst nicht an das Fernsehen, sondern an die gedruckte Schrift an. Alphanumerische Bildschirme können wie die 1958 verwendeten Drucker nur Buchstaben und Zahlen anzeigen. Dabei verwenden sie nicht Papier und Farbe, sondern die Kathodenstrahlröhre zur Anzeige. Es handelt sich um eine physikalische Reflexion (Tab. 17).


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³MONITOR³physikalisch³ semiotisch ³ ³DRUCKER³physikalisch³ semiotisch ³

à      Å            Å            ´ à      Å            Å            ´

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

³Zeichen³ ùKathodenù ³ ù Buch- ù ³_________³Zeichen³ ù Farbe ù ³ ù Buch- ù ³

³ ³ ù strahl ù ³ ù staben ù ³physikal.³ ³ ù ù ³ ù staben ù ³

à      Å ù ù Å ù ù ´Reflexionà      Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ùFluoroesù ³ ù ù ³_________³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ùzenzsch.ù ³ ù Worte ù ³ ³Raum ³ ù Papier ù ³ ù Worte ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

À       ß            ß            Ù À       ß            ß            Ù

(Tab. 17)

Bildschirme bringen wie die Schreibmaschine den Text in die Senkrechte. Dabei ist die Entfernung zwischen Computertastatur und Bildschirm größer als die zwischen Schreibmaschinentastatur und Blatt. Handlung und Wahrnehmung erfolgen zudem durch getrennte Geräte und rücken weiter auseinander; Motorik und Sehsinn werden auseinandergezogen.

Die Anzeige auf den Bildschirmen ist anfangs an der zeilenweisen Ausgabe des Druckers orientiert. Erst mit grafischen Bildschirmen und der Verbreitung von Textverarbeitungsprogrammen wird eine dynamische Textbearbeitung möglichen.

Die Dynamisierung der Buchstaben führt dazu, daß Formulierungen nicht mehr feststehen, sondern fortlaufend geändert werden können. Dadurch können auch leicht verschiedene Versionen eines Textes hergestellt werden, da nicht mehr ein Manuskript vollständig neu geschrieben werden muß. Computertechnologie legt damit - aus Sicht des Buchdrucks gesprochen - die Produktion vorläufiger Texte nahe.

Der augenfälligste Unterschied zwischen Monitor und Drucker ist die geringe Auflösung des Monitors. Heute liefert ein Standarddrucker ca. 600 dpi (dots per inch). Dagegen lösen Bildschirme nur mit ca. 75 dpi auf. Durch die unscharfe Anzeige wird Lesen anstregender und die Rezeptionsgeschwindigkeit sinkt. Während dieser Nachteil beim Schreiben, also der Produktion, keine große Rolle spielt, muß ein mehrseitiger Text für die effektive Rezeption - auch des selbst produzierten Textes - ausgedruckt werden. Produktion und Rezeption werden getrennt.

Meder hat auf weitere Eigenschaften des Bildschirms in Relation zum Fernsehen aufmerksam gemacht, die hier einen Exkurs erfordern. Beim Buch ist das Papier mit dem Tastsinn erfahrbar; auch der nicht sichtbare Text wird in der Hand gehalten. Das ist bei einem Bildschirm nicht der Fall. Der im Computer gespeicherte Text kann ohne Bildschirm nicht sinnlich erfahren werden. Der Effekt ist:

"Für die meisten Leser ist ein Text, der aus dem Bildschirm herausrollt, schlicht und einfach weg, für viele gleichsam gelöscht" (Meder 1995a: 16).

Zudem sind auf einem Bildschirm im Vergleich zu einer Papierseite nur relativ wenige Buchstaben darstellbar. Diese Begrenzung legt es nahe, einen Bildschirm zur Anzeige von Bildern zu verwenden (Meder 1997: 10) oder die Bedeutung pro Wort zu erhöhen.

Ein Beispiel für die Tendenz, Bilder statt Text auf dem Bildschirm zu präsentieren, sind grafische Benutzeroberflächen, die textorientierte Benutzeroberflächen weitgehend verdrängt haben. Der Text wird durch Sinnbilder ersetzt. Diese grafischen Benutzeroberflächen schließen nun nicht an Drucker, sondern an das Fernsehen an. Bei Fernsehen und Computermonitoren ist die physikalische Dimension identisch. Während jedoch auf den Fernsehbildschirm fast ausschließlich bewegte Bilder übertragen werden, bringen Programme überwiegend stehende Grafiken auf den Monitor. Es handelt sich um eine semiotische Reflexion.


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³MONITOR³physikalisch³ semiotisch ³ ³ TV ³physikalisch³ semiotisch ³

à      Å            Å            ´ à      Å            Å            ´

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

³Zeichen³ ùKathodenù ³ ù Bild- ù ³_________³Zeichen³ ùKathodenù ³ ù Einzel-ù ³

³ ³ ù strahl ù ³ ù punkt ù ³semiot. ³ ³ ù strahl ù ³ ù bild ù ³

à      Å ù ù Å ù ù ´Reflexionà      Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ùFluoroesù ³ ù ù ³_________³ ³ ùFluoroesù ³ ù ù ³

³Raum ³ ùzenzsch.ù ³ ù Grafik ù ³ ³Raum ³ ùzenzsch.ù ³ ù Film ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

À       ß            ß            Ù À       ß            ß            Ù

(Tab. 18)

Die mediale Reflexion des Monitors auf den Fernseher hat Meder anhand der Metapher des Schlüsselochs herausgearbeitet:

"Der Computer als Bildschirmmedium ist [..] ein Schlüsselloch. Schlüssellöcher haben die Eigenart, mehr zu verbergen als zu offenbaren. Aber das wenige, was sie offenbaren, zeigen sie genau, und das, was sie verbergen, verbergen sie ganz" (Meder 1998a: 34f.)

Diese Metapher ist passend, weil sie auf die physikalische und auf die semiotische Dimension bezogen werden kann. Ein Schlüsselloch bietet einen zweidimensionalen Blick auf einen kleinen Ausschnitt aus einem größeren Zimmer. Ein Bildschirm bietet einen zweidimensionalen Blick auf einen kleinen Ausschnitt aus dem Band des Turingautomaten. Bildschirme sind zudem ein Schlüsselloch, weil sie nur den Sehsinn ansprechen. Alle anderen Sinne werden verborgen. Der Sehsinn wird auf zwei Dimensionen eingeschränkt, die dritte Dimension wird ebenfalls verborgen.

In der semiotischen Dimension ist der Bildschirm ein Schlüsselloch, da die mit Algorithmen erzeugten Grafiken keinen abschattierten Hintergrund haben, der als Kontext der Zeichen interpretiert werden könnte. Während beim Fernsehen das Verhältnis von statischen zu bewegten Bildanteilen den Aufbau eines inneren Bildes für den Hintergrund begünstigt, muß für die meist stehende Bilder anzeigenden Algorithmen eine andere Lösung gefunden werden. Dies gelingt mit den sogenanten 'Icons', den Sinnbildern, die auf die nicht - sichtbare Umgebung des Bildschirms verweisen (Meder 1997: 9).

"Da die Informationsmenge eines Bildes beispielsweise höher ist als die eines Textes, eignet sich die Sinneinheit Bildschirm auch besser für Bilder als für Texte" (Meder 1997: 8).

Die Begrenzung des Bildschirms führt dazu, den Hintergrund durch Sinnbilder in das Bild hineinzunehmen. Bei Sinnbildern, deren Bedeutung erst erschlossen werden muß, sinkt jedoch die Rezeptionsgeschwindigkeit. Nun ist für eine Erhöhung der Bedeutung pro Zeichen nicht unbedingt die Verwendung von Sinnbildern erforderlich. Auch bei Text läßt sich die Bedeutung pro Zeichen erhöhen, indem Text als Superzeichen - etwa bei Hypertexten als Anker oder in sogenannten Menüs - gekennzeichnet wird. Entscheidend ist in jedem Fall, daß der Kontext sichtbar gemacht wird.

Die Verwendung von gering aufgelösten Sinnbildern paßt nun zur Computertechnologie als kaltem Medium. Unpassend ist es allerdings zunächst, wenn die Bilder bewegt werden, wie das bei Videospielen und Multimediaanwendungen der Fall ist. Das heizt das Medium auf. Diese Verwendung ist auch wenig verbreitet. Während Algorithmen für stehende Bilder weitgehend ohne Geräusche daher kommen, sind solche für bewegte Bilder fast immer mit Sound verbunden. Heiße Algorithmen sind mit der eiskalten Computertechnologie nicht zu ertragen. Die Abkühlung durch den Sound ist unverzichtbar. Damit komme ich zu Textverarbeitungen zurück.

Werden Bildschirme zur Ausgabe von Fließtexten verwendet, bleibt die Bedeutung pro Zeichen unverändert. Die Übertragungsgeschwindigkeit ist durch die vereinfachte Produktion erhöht. Die Haltbarkeit verändert sich mit dem Speichermedium. Im elektronischen Speicher und auf dem Bildschirm ist die Haltbarkeit gering. Disketten als Speichermedium sind ca. 10 Jahre und damit länger haltbar als elektronische Speicher, aber deutlich kürzer als Papier. Um die Haltbarkeit von Papier zu erreichen, ist der Ausdruck auf Papier erforderlich.

Für den Bildungsprozeß ist festzuhalten: Mit der Verwendung von Textverarbeitungen ist eine Veränderung der Bedeutung von Zeichen verbunden. Während unter der Bedingung des Buchdrucks klar ist, an welchen Texten der Bildungsprozeß vollzogen werden kann, läßt sich Bedeutung unter der Bedingung der Computertechnologie nicht mehr an standardisierte mediale Produkte binden. Damit werden die sich Bildenden in der Auseinandersetzung mit der Frage nach Bedeutung vermehrt auf sich selbst verwiesen. Mit dem Anspruch der Aufklärung ist dies wünschenswert, weil damit die eigenverantwortliche Entscheidung über Bedeutung nachgerade erforderlich ist. Damit verbunden ist allerdings eine erhebliche Herausforderung für die wissenschaftliche und praktische Pädagogik, weil rationale Prozesse, die den Aufbau von bedeutsamen Denkstrukturen unter der Bedingung der Computertechnologie ermöglichen, erst in den Prozeß der Tradierung kultureller Werte integriert werden müssen.

3.3.3.3.2 Hypertext

Für Hypertexte liegen verschiedene Definitionen vor. Entscheidendes Merkmal ist, daß Wissen in Hypertexten in Einheiten untergliedert ist, deren semantischer Kontext explizit formuliert werden muß (Kuhlen 1991: S. 81). Diese Einheiten werden hier als Knoten bezeichnet. Die Formulierung des semantischen Kontextes wird in Anker und Links unterschieden. Anker bestimmen den Ort in einem Knoten, wo ein Link angebunden ist. Links verweisen von einem Anker zu einem anderen.109

Mit dem Hypertextbegriff ist seit der ersten Formulierung durch Vannevar Bush (1945) der durch Computertechnologie mögliche schnelle Zugriff auf beliebig große Wissensbestände verbunden. Schon die erste Realisierung eines Hypertextsystems durch Engelbart 1963 setzt dabei auch auf Netzwerktechnologie (Kuhlen 1991: 63). Daher werden unter Hypertexten hier nur Texte aus Knoten, Links und Ankern verstanden, die an Computertechnologie gebunden sind. Dabei werden hier nur Hypertexte betrachtet, die an ein Computernetzwerk gebunden sind.

Mit Computernetzwerken werden Computer bezeichnet, die über eine elektrische Verbindung zur Datenübertragung verfügen. Durch die elektrische Verbindung werden wie bei anderen elektronischen Medien hohe Transportgeschwindigkeiten möglich. Im Falle der Computertechnologie ist neben der elektrischen Verbindung ein Automat erforderlich, der die Datenübertragung abwickelt. Verbreitet ist das 1975 eingeführte TCP/IP - Protokoll (Transmission Control Protocol/Internet Protocol).110 Durch die elektrische Verbindung und den Datenübermittlungsautomaten entsteht ein Raum, der durch verschiedene Algorithmen gefüllt wird.111 Für die hier beabsichtigte Analyse von Hypertexten als Simulation durch die statische semiotische Dimension der Computertechnologie genügt die Betrachtung des sogenannten WWW (World - Wide - Web).

Für das Schreiben von Hypertexten wird nun in der Regel eine Textverarbeitung bzw. ein Editor verwendet. Mit der Textverarbeitung werden die Anker und Links formuliert. Daran wird die mediale Reflexion von Hypertexten auf Textverarbeitungen unmittelbar sichtbar (Tab. 19)


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³HYPERT.³Algorithmus ³ semiotisch ³ ³TEXTV. ³Algorithmus ³ semiotisch ³

à      Å            Å            ´ à      Å            Å            ´

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

³Zeichen³ ùEingabe ù ³ ù Knoten ù ³_________³Zeichen³ ùEingabe ù ³ ù Buch- ù ³

³ ³ ù ù ³ ù ù ³semioti. ³ ³ ù ù ³ ù staben ù ³

à      Å ù ù Å ù ù ´Reflexionà      Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ù ù ³ ù ù ³_________³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ùProgrammù ³ ù Links ù ³ ³Raum ³ ùProgrammù ³ ù Worte ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

À       ß            ß            Ù À       ß            ß            Ù

(Tab. 19).

Im WWW werden meist Bildschirme als Ausgabemedien verwendet. Das macht es erforderlich, die Größe der Knoten an den Bildschirm anzupassen. Damit entsteht das Problem, den Kontext des Bildschirminhalts abzubilden. Das geschieht wie bei grafischen Benutzeroberflächen dadurch, daß die Bedeutung der Zeichen erhöht wird.

Die Zeichen werden nun nicht fest im Computer der Rezipierenden gespeichert, sondern stets neu übertragen. Die Haltbarkeit ist daher gering. Die Produktionsgeschwindigkeit von Hypertexten für das WWW ist höher als die von gedruckten Büchern, da der Druckvorgang entfällt. Die Rezeptionsgeschwindigkeit ist in Hypertexten geringer, weil in Relation zum Buch ein hoher Navigationsaufwand besteht und der Bildschirm eine höhere Bedeutung pro Zeichen erfordert. Insgesamt wird, wenn man sich die für ein Buch erforderliche Produktionszeit vergegenwärtigt, die Übertragungsgeschwindigkeit jedoch erhöht.

Damit wird der Charakter der übermittelten Zeichen verändert. Das wird an einer Bemerkung deutlich, die Innis im Blick auf die mündliche Tradition der frühen Christen macht:

"Jedes Wort war mit tiefer Bedeutung, mit Mysterien und magischen Kräften angefüllt" (Innis 19511997c: 155).

Diese tiefe Bedeutung, die Mysterien und magischen Kräfte werden mit der Computertechnologie gleichsam ausgeblendet. Damit wird zugleich die Kontrolle, die von Zeichen mit hoher Bedeutung ausgeht reduziert. In der praktischen Pädagogik verlieren damit die Lehrenden an Einfluß auf den Bildungsprozeß. So kann die Lesefolge und der zeitliche Rhythmus nicht mehr vorgeschrieben werden, wenn die sich Bildenden selbst einen Weg durch den Text wählen. Noch deutlicher wird der Effekt, wenn von den sich Bildenden selbst Links erzeugt werden und so die räumliche Kontrolle übernommen wird. Das heißt aber auch, daß die sich Bildenden die Kontrolle über den Bildungsprozeß in höherem Maße selbst übernehmen müssen.

Die individuelle Auseinandersetzung mit einem Text gewinnt an Bedeutung. Während mit dem Buchdruck die immer gleiche Wahrheit verkündet wird, ist Computertechnologie zum Transport ewiger Wahrheiten denkbar ungeeignet. Gut geeignet ist Computertechnologie dagegen für die Auseinandersetzung mit individualisiertem Wissen. Da mit der Verwendung von Computertechnologie eine Dynamisierung verbunden ist, handelt es sich darüber hinaus um eine handelnde Auseinandersetzung mit Wissen.

Hypertexte sind daher gut für die räumliche Weitergabe von Wissen und schlecht für die zeitliche Weitergabe von Wissen in Bildungsprozessen geeignet.

3.3.3.3.3 Telefon

Ein weiteres Beispiel für die Simulation eines Mediums durch die Computertechnologie ist das analoge Telefon. Analoge Telefontechnik ist in Deutschland nur noch rudimentär vorhanden, da die Mobilfunktechnologie und das Netz ab den Ortsverteilern mit Digitaltechnik arbeiten.

Wenn nun statt analoger Telefontechnik Computertechnologie mit einem Telefon als Benutzeroberfläche verwendet wird, handelt es sich um eine physikalische Reflexion. Die Effekte können hier exemplarisch an der Mobiltelefontechnologie aufgezeigt werden.


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³COMPUTER³ ³ ³ ³ ³ ³ ³

³TELEFON ³physikalisch³ semiotisch³ ³TELEFON ³physikalisch³ semiotisch ³

à       Å            Å           ´ à       Å            Å            ´

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

³Aspekt ³ ùEingabe ù ³ ù Wort ù ³_________³Aspekt ³ ùSpannungù ³ ù Wort ù ³

³ ³ ù ù ³ ù ù ³physikal.³ ³ ù ù ³ ù ù ³

à       Å ù ù Å ù ù ´Reflexionà       Å ù ù Å ù ù ´

³ ³ ùAlgo- ù ³ ù ù ³_________³ ³ ù ù ³ ù ù ³

³Raum ³ ùrithmus ù ³ ù Sätz ù ³ ³Raum ³ ùElektri.ù ³ ù Sätze ù ³

³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùù ³ ³ ³ ùùùùùùùùùù ³ ùùùùùùùùùù ³

À        ß            ß           Ù À        ß            ß            Ù

(Tab. 14)

Die Transportgeschwindigkeit ist bei Mobiltelefonen als elektrischen Medien hoch. Die Haltbarkeit der Zeichen ist dagegen wegen des fehlenden Speichers gering. Interessant ist die Dynamisierung der Telefontechnologie durch die Computertechnologie, die zu einer ständigen Erreichbarkeit führt.

Ständige Erreichbarkeit ist im Prinzip auch mit ortsgebundener Telefontechnologie möglich. Sie wird aber gebremst durch die Telefonnummer, denn um an einem anderen Ort erreichbar zu sein, müßte die jeweilige Telefonnummer erst allen potentiell Anrufenden mitgeteilt werden. Das gilt auch noch für die ersten Mobiltelefonnetze. So müssen im 1972 in Deutschland eingeführten B-Netz die Anrufenden noch den Aufenthaltsort der Anzurufenden kennen und eine entsprechende Vorwahl wählen. Ständige Erreichbarkeit ist mit diesen Netzen nicht gegeben, denn ohne Kenntnis des Standorts ist ein Anruf bei einem Mobiltelefon ebenso wie beim leitungsgebundenen Telefon nur um den Preis langwierigen Hinterhertelefonierens möglich. Umgekehrt sind auch die vom Mobiltelefon aus Telefonierenden eingeschränkt. Beim Verlassen des Sendebereichs einer Feststation wird das Gespräch unterbrochen (Kättker 1994: 29).

Erst mit dem 1984 in Betrieb genommenen C-Netz wird ein Anruf automatisch zum Aufenthaltsort der Angerufenen umgeschaltet. Das C-Netz überträgt die Telefonnummer automatisch zu dem Ort, an dem sich das Telefon jeweils befindet. Damit wird ständige Erreichbarkeit unabhängig vom Aufenthaltsort möglich. Zudem wird ein Gespräch automatisch weitergeschaltet, wenn der Bereich eines Senders verlassen wird. Diese 'hand over' genannte Weiterschaltung und die 'Roaming' genannte Auffindbarkeit eines bestimmten Telefons an einem beliebigen Ort werden durch Computertechnologie sichergestellt (Kättker 1994: 29f.).

Insofern damit der Aufwand für die Herstellung einer Telefonverbindung zu einer bestimmten Person sinkt, erhöht Computertechnologie die Übermittlungsgeschwindigkeit. Zugleich genügt die Übermittlung einer geringeren Bedeutung pro Zeichen. Wenn z.B. etwas vergessen wurde, genügt ein weiterer Anruf.112 Damit wird das Telefon durch die Verbindung mit der Computertechnologie zu einem Medium, daß mehr noch als analoge Telefontechnik für die räumliche Wissensverbreitung geeignet ist.

3.3.3.4 Räumliche Bildung

Die Darstellung im Abschnitt 3.3.3.3 zeigt, daß Computertechnologie in fast schon radikaler Weise die räumliche Wissensverbreitung forciert. Welchen Effekt hat die Forcierung des Raumes auf Menschen, die Computertechnologie als Medium in Bildungsprozessen verwenden? Diese Frage wird hier anhand der drei Elemente des Bildungsbegriffs nach Meder, dem Verhältnis zu sich selbst, zu anderen Menschen und zur Welt diskutiert.

3.3.3.4.1 Punktzeit

Ein Aspekt des Verhältnisses zum Selbst ist das Erleben des Selbst in der Zeit. Die Veränderungen des Verhältnisses des Selbst zur Zeit werden an einer Untersuchung von Gendolla zur Zeitstruktur der Computertechnologie sichtbar. Er schreibt über das Verhältnis zum Selbst unter der Bedingung der Computertechnologie:

"Der seiner selbst bewußte Körper, der sich im linearen Zeitkonzept auf eine - möglichst bessere - Geschichte hin entwarf, verliert diesen Entwurf in dem Moment, wo er ihn als Datenkomplex einer selbstgeregelten Apparatur übergibt" (Gendolla 1987, S.131).

Diese These begründet Gendolla mit der Gegenüberstellung von zyklischer Zeit, linearer Zeit und Punktzeit, die hier kurz skizziert und um die Form der Gleichzeitigkeit ergänzt wird.

Der erste große historische Abschnitt ist nach Gendolla die zyklische Zeitwahrnehmung. Sie ist bestimmt durch wiederkehrende natürliche Ereignisse wie Hochwasserperioden, die Jahreszeiten etc. Eine solche Zeitwahrnehmung ist kennzeichnend für archaische und antike Kulturen (Gendolla 1987; 121ff.). Zentrales Medium dieser Kulturen ist die Sprache (McLuhan 19641992: 96f.). Die Zeitstruktur der Sprache ist die der zyklischen Zeit (Meder 1995a: 12). Das gesprochene Wort ist flüchtig und muß darum zyklisch wiederholt werden.

Die zyklische Zeitwahrnehmung wird abgelöst von der linearen Zeitwahrnehmung. Ausgelöst wird der Übergang nach Gendolla durch das Aufkommen des Monotheismus und des Alphabets (Gendolla 1987: 122-126). Während das gesprochene Wort flüchtig ist und zum erneuten Hören wiederholt werden muß, kann das geschriebene Wort immer wieder gelesen werden (Meder 1995a: 12).

Die lineare Zeitwahrnehmung wird durch die gleichzeitige Zeitwahrnehmung abgelöst. Der Grund für die Gleichzeitigkeit ist die hohe Transportgeschwindigkeit der Zeichen (Meder 1995a: 12). Dadurch kommt es zu einer Auflösung der linearen Anordnung. Virilio bezeichnet die Zeitstruktur der Gleichzeitigkeit als Nullzeit (Virilio 19901992: 135). Er bschreibt die Nullzeit als Folge des Fernsehens. Mit dem Fernsehen wird die weltweit gültige Realzeit der Sofortübertragung zentral (Virilio 19901992: 12). Virilio beschreibt eine durch das Fernsehen ausgelöste Tendenz zur Vereinheitlichung der Zeit. Er sieht eine

"[...] deutliche Tendenz zu einer Homogenisierung der Zeit eines ganzen Planeten, der künftig der Tyrannei der Echtzeit, das heißt einer Weltzeit unterworfen sein wird, die in zunehmendem Maße die lokale Zeit der unmittelbaren menschlichen Aktivitäten entwertet [...]" (Virilio 1994: 63).

In einer Zeitstruktur der Gleichzeitigkeit wird die jüngste Vergangenheit und nächste Zukunft irrelevant (Ny¡ri 1991, S.74f.). Da Computertechnologie ein elektronisches Medium ist, kann dieses Ergebnis auf die Computertechnologie angewandt werden, denn auch bei diesem Medium liegt Beschleunigung durch Elektrifizierung vor (Virilio 19901992: 49). Computertechnologie weist demnach eine homogene Zeitgestalt auf.

Anders als Virilio beschreibt McLuhan einen heterogenisierenden Effekt der Elektrifzierung. Er ordnet die Homogenisierung dem mechanischen Zeitalter und die Heterogenisierung dem elektronischen Zeitalter zu (McLuhan 19641992: 172ff.).

"Eine Mehrheit von Zeiten folgt der Einheit der Zeit" (McLuhan 19641992: 179).

McLuhan stützt seine Analyse auf die Geschwindigkeit der Elektrizität. Mit der Beschleunigung begründet er Heterogenisierung. Virlio stützt seine Analyse auf das Fernsehen und begründet damit Heterogenisierung. Dieser Widerspruch löst sich bei genauerer Betrachtung der jeweiligen Begründungen auf.

Virilio kontrastiert die Beschleunigung durch das Fernsehen mit der aufgezeichneten Übertragung (Virilio 19901992: 13). Er betrachtet das Fernsehen als Technologie ohne Speicher. Ohne Speicher liegt bei Fernsehen, Radio oder Telefon eine Zeitstruktur der Gleichzeitigkeit vor. Alle an der Kommunikation beteiligten Menschen müssen gleichzeitig anwesend sein. Die Zeitwahrnehmung wird homogenisiert. McLuhan begründet dies mit der durch die elektronischen Medien und vor allem die Computertechnologie eröffneten Möglichkeit, eine beliebige Zahl von Handlungen gleichzeitig zu koordinieren. Handlungen müssen nicht mehr in eine homogene Abfolge zerlegt werden, sondern können gleichzeitig stattfinden (McLuhan 19641992: 178).

Beide Begründungen zusammengezogen markieren den Übergang von der Zeitgestalt der Gleichzeitigkeit zur von Gendolla beschriebenen Zeitgestalt der Punktzeit. Daß Computertechnologie keinen homogenisierenden Effekt hat, wird am Aufbau eines Turingautomaten deutlich. Turingautomaten schreiben auf ein Band. Dieses Band ist nichts anderes als ein Speicher. Computertechnologie ist daher immer Speichertechnologie. Jedes Zeichen, das an die Computertechnologie gebunden wird, ist gespeichert.

Virilios Begründung der Homogenisierung trifft auf die Zeitstruktur der Computertechnologie als Kommunikationsmedium daher nicht zu. Vielmehr wird Serialität durch Computertechnologie aufgehoben. Die Aufhebung der Serialität trifft nun auch auf die Zeitgestalt zu. Die elektronische Speichertechnologie läßt lokale Zeitwahrnehmung und Teilnahme an weltweiten Aktivitäten zu. Mit der Computertechnologie wird die lokale Zeitwahrnehmung aber nicht mehr zyklisch, linear oder gleichzeitig. Durch die Speichertechnologie wird Zeitwahrnehmung beliebig strukturierbar. Menschen sind damit unabhängig von biologischen und sozialen Rhythmen, da sie alles zu jeder Zeit abrufen können (Gendolla 1987: 130). Durch die Aufhebung der Serialität in eine heterogene Zeitstruktur der Computertechnologie kommt es zu einer Beliebigkeit der Zeiterfahrung.

"Tatsächlich wird die Auflösung, die Transformation der Lebenswelten in frei bewegliche, heterogene Partikel weitergetrieben, die Zerstreuung jeder Zeiterfahrung" (Gendolla 1987, S.128).

Neben dieser Heterogeniserung berücksichtigt er aber auch die Gleichzeitigkeit, die hier auf die Elektrifizierung der Computertechnologie zurückgeführt wurde. Gendolla belegt dies mit den Veränderungen der Kriegsführung, die mit Atombombe und Computertechnologie eingetreten sind. Es gibt keine Fronten mehr, sondern hochexplosive Sprengkopfwolken, die nur noch Bruchteile von Sekunden Reaktionszeit zulassen.

"Nicht mehr die lineare, mit dem menschlichen Wahrnehmungsvermögen registrierbare Zeit beherrscht die Militärstrategien, die Spitze der sozialen Evolution, sondern die Logik simultaner Operationen, die Punktzeit" (Gendolla 1987, S.129).

Der Effekt der Computertechnologie ist also eine heterogene Gleichzeitigkeit. Dies erscheint zunächst als Widerspruch. Die Gleichzeitigkeit suggeriert eine Homogenisierung. Doch dies trügt.

"Ganz im Gegensatz zum Augenschein bewirkt die informationelle Vernetzung keine Verbindung der Individuen und Gesellschaften, sondern eine neue Partikularisation, eine Zerstreuung in Zeit und Raum von noch längst nicht absehbarer Qualität" (Gendolla 1987, S.130).

Die Zeitstruktur der Computertechnologie bewirkt daher keinen Übergang zu einer homogenen Tele-Topologie (Virilio 19901992: 12). Weltweite Gleichzeitigkeit läßt sich mit lokaler Heterogenität nur unter der Perspektive einer topologischen Struktur (Meder 1987: 171; 1996: 147) vereinbaren, in der die einheitliche Zeit in eine Heterogenität von Zeitwahrnehmungen zerfällt, die im globalen Maßstab zu partiell homogenen Knoten verdichtet wird. Die homogenen Knoten sind in einem heterogenen Netz miteinander verwoben.

Für die sich Bildenden verändert sich damit das Verhältnis zum Selbst. Es kommt, wie Gendolla bemerkt, nicht mehr darauf an, das Selbst auf eine bessere Geschichte hin zu entwerfen. Computertechnologie ist nicht geeignet, die Idee der Höherbildung der Menschheit zu übermitteln. Darin kommt die geringe Bedeutung pro Zeichen, die mit der hohen Transport- und Übermittlungsgeschwindigkeit der Computertechnologie einhergeht, zum Ausdruck. Die Aufgabe, das Selbst im Blick auf ein höheres zukünftiges Ziel hin zu entwerfen verliert ihren Reiz zugunsten der Aufgabe, eine Orientierung in einer heterogenen unverbindlichen Struktur, die wenig äußere Gewißheit bietet, zu finden.

3.3.3.4.2 Ich-Wir-Balance

Veränderungen im Verhältnis zur Gesellschaft werden auf der Folie des von Elias eingeführten Konzepts der Ich - Wir - Balance sichtbar. Elias führt die Ich - Wir -Balance zum Zweck einer Analyse der sozialen Prozesse im Verhältnis von Individuum und Kultur mit der Motivation ein, die scheinbare Kontradiktion von Individuum und Kultur zu überwinden. Er stellt Ich und Wir als wechselseitig aufeinander verwiesene Aspekte eines Prozesses dar.

"Es gibt keine Ich - Identität ohne Wir - Identität. Nur die Gewichte der Ich - Wir - Balance, die Muster der Ich - Wir - Beziehung sind wandelbar" (Elias 319921996: 347).

Elias analysiert aus dieser Perspektive das Zusammenleben der Menschen in der Stammeskultur der frühen Steinzeit. Die Menschen leben in kleinen Verbänden. Die Wir - Identität dominiert die Ich - Identität, schon weil Überleben nur in der einen Gruppe gesichert werden kann. Zudem gibt es nur eine Schicht der Wir - Identität (Elias 319921996: 269).

Im Laufe der Geschichte entwickeln die Menschen immer komplexere und mehr Menschen umfassende soziale Einheiten. Dabei ändert sich die Stellung der einzelnen Menschen im Verhältnis zur sozialen Einheit; eine Veränderung, die einhergeht mit veränderten Mustern der Individualisierung und vergrößerter Reichweite der Identifizierung (Elias 319921996: 224f.).

Im modernen Staat der entwickelteren Länder dominiert die Ich - Identität die Wir - Identität. Das zeigt Elias an der Stellung der Familie. Ist noch im Feudalismus die Wir - Identität durch die Geburt in einen Familienverband weitgehend festgelegt, wird die Familie im modernen Staat als Wir - Gruppe ablösbar. Diese größere Beweglichkeit bedeutet für den einzelnen eine Individualisierung. Sie wird ermöglicht durch die vergrößerte Reichweite der Identifizierung. Während es für Steinzeitmenschen nur eine Integrationsebene gibt, die als 'Wir' bezeichnet werden kann, stehen heutigen Menschen vielschichte Formen zur Verfügung.113 Elias nennt als Beispiele Familie, Freundeskreis, Dörfer, Städte, nationalstaatlische Verbände und postnationale Verbände. Einzelne können sich der Familie als Wir - Gruppe entziehen, indem sie sich auf eine andere Wir - Identität berufen (Elias 319921996: 269ff.). Heute ist oft die ganze Menschheit als gesellschaftliche Einheit der Bezugsrahmen von Entwicklungsvorgängen (Elias 319921996: 219).114

Welchen Effekt hat die Computertechnologie als IuK - Technologie auf die Ich - Wir - Balance? Für Elias ist klar, daß Kommunikation die zentrale Voraussetzung für das Leben in Gruppen ist (Elias 319921996: 229). Im Blick auf die aktuelle Entwicklung nennt er als Quelle des Entwicklungsdrucks für die Integration der Menschheit über die Nationalstaaten hinaus115 unter anderem technische Entwicklungen (Elias 319921996: 295ff.).

Im Falle der Computertechnologie ist festzustellen, daß eine Pluralisierung der Integrationsebenen begünstigt wird. Die Simulationsräume und die Wissensverbreitung im Raum forcieren die Bildung heterogener globaler Gruppen, in bezug auf die Menschen 'Wir' sagen können.116 Durch diese Vielfalt wird der Wechsel zwischen Gruppen erleichtert. Eine solche Struktur ist nach Elias kennzeichnend für Städte, Computertechnologie erzeugt eine globale Stadt.

Die Bindung an die einzelne Gruppe wird in Städten unverbindlicher, weil eine Gruppe relativ leicht durch eine andere ersetzt werden kann. Das führt nach Elias zu einer Betonung der eigenen Person.

"Die gestiegene Impermanenz vieler Wir - Beziehungen, die auf früheren Stufen oft lebenslänglichen, unausweichlichen Fremdzwangcharakter hatten, läßt das Ich, also die eigene Person, als das einzig Permamente, als die einzige Person, mit der man lebenslang zusammenleben muß, um so stärker hervortreten" (Elias 319921996: 272).

Wenn Computertechnologie in Bildungsprozessen dazu verwendet wird, ein Verhältnis zur Gesellschaft aufzubauen, rückt das Selbst in den Mittelpunkt. Die Tendenz des zunehmend unverbindlicheren Charakters von Beziehungen, die Elias seit der Renaissance festgestellt hat (Elias 319921996: 263), erhält mit der Computertechnologie einen neuen Schub. Für die sich Bildenden verringert sich die Möglichkeit der Orientierung an gesellschaftlichen Maßstäben. Zeichen, die in einer Gesellschaft Verbindlichkeit herstellen verlieren an Bedeutung, wenn sie an Computertechnologie gebunden werden, weil ihnen durch einen Gruppenwechsel leicht ausgewichen werden kann. Das Selbst wird von gesellschaftlichen Zwängen befreit und ist in höherem Maße darauf angewiesen, sich eine eigene Orientierung zu verschaffen. Wenn Computertechnologie in Bildungsprozessen verwendet wird, dann müssen Menschen nicht einmalig in die Gesellschaft eingefügt werden; sie müssen sich selbst immer wieder einfügen.

3.3.3.4.3 Reisen in der simulierten Welt

Die Welt ist mit der Computertechnologie als semiotisch dynamischem Medium nur im Modus der Simulation erfahrbar. Durch die damit verbundene Unverbindlichkeit sinkt die Chance auf Vergewisserung über die Welt. Diese Wirkung weist auch die Verwendung der Computertechnologie als IuK - Technologie auf. Darauf hat Mettler-von Meibom am Beispiel von Veränderungen des Reisens durch das Mobiltelefon117 aufmerksam gemacht. Mit der Mobiltelefontechnologie ist es möglich, immer und überall erreichbar zu sein. Diese jederzeitige Erreichbarkeit verändert den Charakter von Reisen.

Reisen haben einen Wagnischarakter. Wer eine Reise antritt, läßt sich auf Unbekanntes ein, ein Einlassen, das mit Unsicherheit verbunden ist. Doch gerade mit der Unsicherheit des Reisens verbindet sich die Hoffnung, an fremden Orten Neues zu entdecken, und dabei nicht nur neue äußere Bilder, sondern auch neue innere Bilder, eine neue Wahrnehmung des Selbst erfahren zu können. Damit diese Hoffnung erfüllt werden kann, ist ein Abschied vom Bekannten und ein Einlassen auf das Neue erforderlich. Das Einlassen auf das Neue bedeutet Nichterreichbarkeit.

"Wirkliches Einlassen auf das Neue und das Unbekannte bedeutet Nichterreichbarkeit, und zwar in ihrem Doppelgesicht, weder das Alte erreichen zu können, noch für das Alte erreichbar zu sein" (Mettler- von Meibom 1994, S.8).

Die Erreichbarkeit des Alten und die Erreichbarkeit durch das Alte wird durch die Mobiltelefontechnologie erleichtert. Jeder Aufenthaltsort kann mit jedem anderen verbunden werden, die Möglichkeit anwesend zu sein wird ausgeweitet. Wenn ich weder an dem Ort, an dem ich bin, noch an dem Ort, an den ich mich telekommunikativ begebe, wirklich bin, wird die räumliche und zeitliche Bindung der Kommunikation teilweise aufgelöst. Damit wird die Differenz zwischen Anwesenheit und Abwesenheit verringert; Mobiltelefontechnologie verweist immer schon auf einen anderen Ort. Es kommt zu einer Situation des immer und überall und damit nirgends und nie. In dieser Situation ist die Erreichbarkeit der Welt, des Selbst und Anderer verringert; die instrumentelle Ereichbarkeit als Macht- und Herrschaftsausübung dagegen erhöht (Mettler-von Meibom 1994: 10ff.).

Nun geht es hier um Computertechnologie. Die von Mettler-von Meiboom anhand der Mobiltelefontechnologie gewonnenen Ergebnisse können für Computertechnologie unmittelbar geltend gemacht werden, da es sich bei der Mobiltelefonie um eine Anwendung von Computertechnologie handelt (vgl. 2.3.3.3.3). Computertechnologie erhöht auch bei anderen Anwendungen die Erreichbarkeit und verringert die Möglichkeit, Abschied zu nehmen. An der verringerten Erreichbarkeit des Selbst und der verringerten Erreichbarkeit Anderer wird nochmals sichtbar, daß das Verhältnis des sich Bildenden zu sich selbst und zu Anderen unverbindlicher wird. Unverbindlichkeit ist nun auch für das Verhältnis zur Welt festzustellen.

Computervermittelte Kommunikation verringert in Situationen, in denen sie verfügbar ist, die Intensität der Begegnung mit der Welt, weil der Wechsel von der Begegnung mit der Welt zur computervermittelten Kommunikation die Begegnung mit der Welt beendet. Der Begegnung mit der Welt kann jederzeit durch einen Wechsel zur computervermittelten Kommunikation ausgewichen werden. Ebenso kann die Begegnung mit der Welt plötzlich unterbrochen werden, wenn ein Computer durch automatische Aktionen die Aufmerksamkeit auf sich zieht - wie ein klingelndes Telefon.

Anwesenheit bekommt damit in Situationen, in denen computervermittelte Kommunikation verfügbar ist, einen unverbindlicheren Charakter. Die unverbindliche Anwesenheit erleichtert Abwesenheit; Anwesenheit und Abwesenheit werden einander ähnlicher. Distanz zum Alten und Einlassen auf Neues wird mit der Computertechnologie als Kommunikationsmedium durch die geringe Differenz zwischen Anwesenheit und Abwesenheit erschwert. Indem alle jederzeit an jedem Ort sein können, und damit an keinem ganz, wird es schwer, sich auf das Gegenwärtige einzulassen und Unterschiede zwischen Orten wahrzunehmen.

Dazu zwei Beispiele: Wenn eine Kommunikation mit einer Kollegin per Email durchgeführt wird, und sich hinterher heraustellt, daß die Kollegin sich während dieser Zeit nicht in ihrem Büro, sondern an der Elfenbeinküste aufgehalten hat, wird deutlich, daß die Reise zur Elfenbeinküste keine merkbare Distanz zu den daheim Gebliebenen hergestellt hat. Wenn bei alternierender Teleheimarbeit, bei der die Arbeitszeit zwischen betrieblichem und häuslichem Arbeitsplatz aufgeteilt wird, der Aufenthaltsort für die Ausführung der Berufstätigkeit eine geringere Rolle spielt, wird deutlich, daß die Unterschiede zwischen den Aufenthaltsorten, also zwischen Arbeitsplatz und privatem Bereich, verringert werden.

Computertechnologie verändert also den Zugang zur Welt zum einen durch den Umstand, daß es sich um eine Simulationstechnologie handelt, zum anderen durch den Umstand der jederzeitigen Erreichbarkeit. Die Verwendung von Computertechnologie verringert damit die Bedeutung von Orten in der Welt. Das führt zu einer Entmystifizierung der Welt, insofern Mythen Gegenständen oder Orten in der Welt eine hohe Bedeutung als Zeichen zuschreiben.


4 Computer und Bildung

Computerechnologie als digitale elektrische Kalkülsprachtechnologie ist ein kaltes Medium, daß in Bildungsprozessen ein spielerisches, unverbindliches Verhältnis zu sich selbst, zu anderen und zur Welt bewirkt.

Das ist das Ergebnis dieser Arbeit. Ausgangspunkt der Untersuchung ist der Wirbel, den Computertechnologie, anders als etwa Telefone, in der praktischen und theoretischen Pädagogik verursacht hat. Dabei werden zunächst Anlässe für diesen Wirbel im Kontext der Pädagogik gesucht. Die untersuchten Bereiche sind der Wirtschaftsbereich, die Politik und der private Bereich.

Für den Wirtschaftsbereich ist festzustellen, daß aus der Verbreitung der Computertechnologie in Unternehmen eine pädagogische Relevanz nur für den Weiterbildungsbereich abgeleitet werden kann. Der Umfang der angebotenen Weiterbildung im EDV - Bereich ist jedoch überschaubar. Im Politikbereich ist das Ergebnis eindeutig. Zwar wird Computertechnologie in der Politik verwendet. Zur Aufgabe für die Pädagogik wird Computertechnologie dadurch jedoch nicht. Anders sieht das im Privatbereich aus. Nutzungsdaten zeigen jedoch, daß der Stellenwert der Computertechnologie in Relation zu anderen Beschäftigungen gering ist. Auch dies rechtfertigt keine besondere Relevanz der Computertechnologie für die Pädagogik.

Als pädagogischer Anlaß zur pädagogischen Beschäftigung mit der Computertechnologie wird dann die Verwendung im Bereich der Didaktik untersucht. Computertechnologie wird als Lehrautomat, als Kommunikationsmittel, bei Simulationsspielen, als Präsentationsmedium und als Meßgerät verwendet. Diese Möglichkeiten werden jedoch nur selten genutzt. Warum also beschäftigt sich die Pädagogik so intensiv mit der Computertechnologie?

Diese Frage läßt sich mit den im ersten Abschnitt verwendeten Zugängen offenbar nicht beantworten. Eine andere Herangehensweise ist nötig. Es genügt nicht, Medien wie den Computer als äußeren Anlaß pädagogischen Handelns aufzufassen. Medien stehen im Kern jeder Pädagogik; Medien sind dem Bildungsprozeß immanent. Der Ansatzpunkt muß daher eine Untersuchung des Effekts von Medien auf Bildungsprozesse sein. Die Frage ist: Wie verändert Computertechnologie die Bildung des Menschen?

Um diese Frage zu beantworten ist zunächst ein Medienbegriff erforderlich, mit dem die Effekte der Computertechnolgie im Bildungsprozeß analysiert werden können. Ein solches Instrument wird hier neu entwickelt. Medien werden bestimmt durch die Relation zwischen physikalischer Dimension, semiotischer Dimension und menschlicher Tätigkeit. Als weitere Merkmale von Medien werden die Temperatur, die Serialität, die Linearität, die mediale Reflexivität und die mediale Wissensverbreitung bestimmt. Damit wird ein differenzierter Medienbegriff vorgelegt, daß es erlaubt, Computertechnologie in Relation zu anderen Medien zu analysieren und mit dem der Stellenwert von Medien im Bildungsprozeß am Beispiel der Computertechnologie nachgewiesen wird.

Mit dem Medienbegriff wird die Veränderung der Bildung des Menschen analysiert. Bildung wird im Anschluß an Meder verstanden als Prozeß der Ausbildung eines Verhältnisses zu sich selbst, zur Gesellschaft und zur Welt. Medien sind in diesem Prozeß das Mittlere zwischen dem Menschen und dem, woran sich Bildung vollzieht. Die Eigenschaften der physikalischen und semiotischen Dimension des Mediums wirken im Bildungsprozeß auf die Tätigkeit des Menschen.

Aus dieser Sicht sind zwei Fragen zu stellen: Welche Eigenschaften zeichnen das Medium Computertechnologie aus? Und wie verändern diese Eigenschaften das Verhältnis zu sich selbst, zur Gesellschaft und zur Welt, wenn Computertechnologie als Medium in Bildungsprozessen verwendet wird?

In der physikalischen Dimension sind Computer als elektrische digitale Turingautomaten konstruiert. Hauptkennzeichen von Turingautomaten ist die Universalität. Auch als digitale Medien sind Computer universell, weisen aber einen Bruch gegenüber kontinuierlichen Daten auf.

Die Effekte der physikalischen Dimension der Computertechnologie auf sich Bildende werden in Relation zu anderen Medien sichtbar. Um Computertechnologie mit anderen Medien vergleichen zu können wird McLuhans Unterscheidung zwischen heißen und kalten Medien herangezogen. Heiße Medien sind detaillreich und sprechen wenige Sinne an, kalte Medien sind detailarm und sprechen mehrere Sinne an.

Durch die Elektrizität und der Digitalität bringt Computertechnologie das heiße Alphabet zur Implosion. Die Linearität und die Serialität des Buchdrucks finden sich in der Computertechnologie nicht wieder. Computertechnologie läßt durch die hohe Geschwindigkeit elektronischer Turignautomaten lineare Vorgänge gleichzeitig erscheinen. Ebenso ist Computertechnologie ein Medium, daß serielle Vorgänge spezialisiert. Computertechnologie ist ein parralleles und spezielles, d.h. ein kaltes Medium. Diese Effekte werden an der Integration der Computertechnologie in das Fernsehen und das Telefon.

Diese Eigenschaften der Computertechnologie haben weitreichende Auswirkungen auf den Bildungsprozeß. Die Wirkungen werden an den Effekten der medialen Temperatur von Medien gezeigt. Heiße Medien wie das gedruckte Buch haben einen abkühlenden Effekt, sie distanzieren, kalte Medien wie das Fernsehen haben einen aufheizenden Effekt, sie involvieren. Das wird zum einen an der Aufhebung der Serialität des Buchdrucks sichtbar. Bildung wird mit der Computertechnologie nicht wie mehr an immer Büchern, sondern an individualisierten Lernmaterialien vollzogen. Die Uniformierung durch das Medium bleibt aus, der Bildungsprozeß wird individualisiert. Durch die Parallelität der Computertechnologie verliert die lineare, systematische Wissensanordnung ihren Reiz zugunsten topologischer Strukturen.

Aus diesen Wirkungen auf den Bildungsprozeß ergeben sich Konsequenzen für die Didaktik. Um diese Konsequenzen zeigen zu können wird die Unterscheidung von heißen und kalten Unterrichtsmethoden eingeführt. Heiße Methoden wie die Vorlesung distanzieren; kalte Methoden wie das Seminar involvieren. Kalte Medien oder kalte Methoden stoßen nun bei Menschen, die an heiße Medien gewöhnt sind, auf Ablehung. Kalte Medien sind für kalte Kulturen unverständlich. In einer vom heißen Buchdruck geprägte kalten Kultur stößt die kalte Computertechnologie daher auf Ablehung. Für eine vom kalten Fernsehen geprägte heiße Kultur ist Computertechnologie dagegen ein adäquates Medium. Da die Jugendkultur heute maßgeblich vom Fernsehen geprägt ist, stellt Computertechnologie in Kombination mit heißen Unterrichtsmethoden ein akzeptables Medium dar.

In der semiotischen Dimension handelt es sich bei der Computertechnologie um Kalkülsprachtechnologie. Wichtigstes Kennzeichen von Kalkülsprachen ist der fehlende Bezug zur physikalischen Welt oder zu einer Metasprache. Durch diese Reduktion wird es möglich, daß Computertechnologie Sprache abarbeitet. Computertechnologie kann jede Befehlsfolge abarbeiten, die in einer Kalkülsprache als Algorithmus formuliert ist; die semiotische Dimension der Computertechnologie ist dynamisch.

Da auf diese Weise Kalkülsprachen simuliert werden können, eröffnet die Computertechnolgie ein durch Superkalkülzeichen verbundenes Netzwerk simulierter Automaten. In diesem Sinne ist eröffnet Computertechnologie virtuelle Räume. Da dieser virtuelle Raum keinen bezug zu einer Metasprache oder zur physikalischen Welt aufweist, herrscht im virtuellen Raum der Computertechnologie Beliebigkeit. Verantwortung braucht nicht übernommen zu werden.

Diese Eigenschaft legt es aus pädagogischer Sich nahe, Computertechnologie als Spielzeug zu begreifen. Um dies genauer untersuchen zu können, wird zum Zweck der Medienanalyse ein Spielzeugbegriff entwickelt. Damit wird gezeigt, daß es sich bei der Computertechnologie in der Tat um ein Spielzeug handelt. Diejenigen, die Computertechnologie als Medium der Bildung verwenden, werden zu Spielerinnen und Spielern.

Neben der Nutzung als semiotisch dynamisches Medium, daß Sprache abarbeitet, kann Computertechnologie auch als semiotisch statisches Medium, als Informations- und Kommunikationstechnologie verwendet werden. Wenn Computertechnologie als IuK - Technologie verwendet wird, werden Zeichen an Computertechnologie gebunden, aber nicht abgearbeitet - so wie das auch bei der Luft oder dem Papier der Fall ist.

Computertechnologie als simuliert IuK - Technologie simuliert Medien. Um die mit einer Simulation verbundenen Veränderungen abbilden zu können wird der Begriff der medialen Reflexivität eingeführt. Anhand der medialen Reflexivität werden die Wirkungen der Computertechnolgie auf die zeitliche und räumliche Wissensverbreitung untersucht. Dabei zeigt sich am Beispiel von Textverarbeitung, Hypertext und Telefon, daß Computertechnologie die räumliche Wissensverbreitung forciert, die zeitliche Wissensverbreitung dagegen erschwert. Die Transport- und Übertragungsgeschwindigkeit von Zeichen wird erhöht, die Haltbarkeit und die Bedeutung pro Zeichen sinken. Die Zeichen verlieren damit an Verbindlichkeit.

Für die sich Bildenden bedeutet dies, daß Zeit gleichsam verschwindet, zur Punktzeit wird. Die Gestaltbarkeit von sozialen Räumen nimmt zu. Damit wird die Orientierung in einer heterogenen Zeit und in wechselnden Gruppen zur Bildungsaufgabe. Die Verbindlichkeit der physikalischen Welt gerät mit der Computertechnologie dagegen aus dem Blick.

Computerechnologie ist also eine digitale elektrische Kalkülsprachtechnologie, d.h. ein kaltes Medium, daß in Bildungsprozessen ein spielerisches, unverbindliches Verhältnis zu sich selbst, zu anderen und zur Welt bewirkt. Wann sollte ein solches Medium in Bildungsprozessen eingesetzt werden?

Die Absicht dieser Arbeit kanne es nicht sein, ein abgeschlossenes Urteil über Computertechnologie und Bildung zu fällen. Es geht, auch wenn dieser Anspruch zu hoch ist, als daß er erfüllt werden könnte, um Aufklärung über Computertechnologie, um Mittel, die ein überlegtes Urteil über Computertechnologie erlauben und so einen überlegten, dem distanzlosen Reflex überlegenen Gebrauch der Computertechnologie ermöglichen. Computertechnologie muß nicht verwendet werden. Menschen entscheiden selbst, ob sie Computertechnologie oder ein anderes Medium verwenden - wenn die Entscheidung darüber den sich Bildenden überlassen wird.

Hinweise für die Entscheidung über den Einsatz von Computertechnologie können hier nun gegeben werden. Computertechnologie stellt, das hat die Untersuchung gezeigt, eine bestimmte Art von Wissen in den Mittelpunkt. Zu empfehlenist daher, Computertechnologie als Medium zu verwenden, wenn das Medium zum Wissen paßt.

Symbolträchtiges, mystisches, religiöses Wissen, daß Bedeutung und Sinn übermittelt und an Orte oder Zeichen gebunden ist, die eine tiefe Bedeutung haben, läßt sich mit der Computertechnologie nicht übermitteln. Wenn es um Sinn oder um Verantwortung geht, ist das Gespräch und die persönliche Begegung, so wie Hentig (1996: 191ff.) es empfiehlt, vorzuziehen.

Für die Übermittlung entmystifizierten, dynamisierten und objektivierten Wissen ist Computertechnologie gut geeignet. Damit ist Computertechnologie prädestiniert für die Vermittlung wissenschaftlichen Wissens. Auch für den spielerischen, unverbindlichen Umgang mit anderen Menschen und mit Gegenständen ist Computertechnologie ein geeignetes Medium. Wenn Sie keinen Spaß an Computertechnologie haben, suchen sie sich ein anderes Medium.

5 Anhang

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5.3 Implosion und Explosion

Die Liste gibt alle Beispiele für die explosive Wirkung heißer Medien und die implosive Wirkung kalter Medien aus dem Teil 1 und einige aus dem Teil 2 von 'Understanding Media' wieder (McLuhan 19641992: Seite jeweils am Ende der Zeile).

Zeitalter der Explosion Zeitalter der Implosion
Heiße Medien dominieren Kalte Medien dominieren

                                                   

Ausweitung in den Raum Aufheben von Zeit und Raum 11

Aktion und Reaktion Aktion und Reaktion
nacheinander gleichzeitig 12

Erhabene und distanzierte Rolle Tiefes Miterleben 12

Partialisierung und Engagement und
Redaktionsstuhl Psychiatersofa 13

Spezialisierung aktive Beteiligung 13

Festes Beharren auf Ganzheit, Einfühlungsvermögen,
persönlichen Ansichten Erlebnistiefe 13

Aufgezwungene Schemata Restlose Erklärung 13

Aufhebung der Beteiligung Tieferlebte Beteiligung
an der Arbeit der Gesamtperson an der Arbeit 17

Zerlegen Einbeziehen 17

Oberflächliche Beziehungen Tiefgehende Beziehungen 17

Mechanisierung Automation 17

atomistisch, kontinuierlich 22 Gestalt, Bildsymbol 23

Aufeinanderfolge (Film) Gleichzeitigkeit (Kubismus) 23

Arithmetik Mengenlehre 24

Einheitliches Schablonenfach Zuweisung differenzierter Rollen 28

Uniformierung Aufhebung der Uniformierung 29

Individualismus und Nationalismus 31

Vorlesung Seminar 36

Zünfte und Klöster Unternehmertum und Monopole 36

Nationalismus und Religionskriege 36

Ballett auf Zehenspitzen ohne Männer 36

Zersplitterung der häuslichen Aufgaben 36

Spezialisierung und Aufteilung

des Lebens 36

Stamm und Lehensherrschaft 37

Newton/Locke Blake/Yeats 38

mechanistische Weltanschauung organischer Mythos 38

lineare Bibelexegese nichtlineare Gegenstände 39

linear spiralförmig 38

Amerikaner rückständige Länder 40

Städter Provinzler 40

Menschen im Maschinenzeitalter Zeitgenossen der Fernsehens 40

Walzer Twist 40

Interesse an Bedeutung Interesse an Wirkung 40

Eine Ebene der Informatiosnbewegung Gesamtsituation 40

Hot - Jazz Cool - Jazz 41

Charleston in Rußland Twist in Rußland 41

Keine Religion und Politik

in Englischen Clubs 42

Othello Jago 42

dichtgedrängte Städte locker gegliederte Städte 42

Spezialisierung und Aufteilung mehr Bewegungsfreiheit 43

Franklin Roosevelt Calvin Coolidge 43

Nachtklubs und Klatschspalten Jack Paars Fernsehshow 43

Film mit Verkehrsunfällen Foto von Vater in Eisenlunge 44

Sinfoniekonzert im Radio Generalprobe und Konzert im Fernsehen 45

Methoden bei Bacon. Prosa bei Bacon 46

Hypnose Halluzinationen 47

reale Welt Utopie des Science Fiction 50

Zentralisierung Dezentralisierung 51

Diener und Dienstmädchen selbst arbeiten mit elektrischen Geräten 51

Zersplitterung der Stammesorganisation Eintritt in den primitiven Stamm 50

Atomistisches Wissen Koordination des Wissens 51

Politische und wirtschaftliche

Einheitlichkeit Diskontinuität in der Raumordnung 51

Zentralisierung Dezentralisierung 51

Große Städtezentren Jeder Ort als Zentrum 51

Hausarbeit delegieren Hausarbeit selbst erledigen 51

einheitliche Raumordnung diskontinuierliche Raumordnung 51

Teilbarkeit jeden Prozesses ganzheitliche Feldtheorie 51

Teilbarkeit von Prozessen organische Verflechtung 52

Waren als Gegenstände Waren als Informationen 52

Intellektuelle in der Opposition Intellektuelle mit sozialen Führungsrollen 52

Intellektuelle als Dienstleister

Intellektuelle in der Oppostion in der Produktion 52

Ruhe Bewegung 53

Mechanisch Organisch 53

Stadt als Zentrum des Vergnügens Land als Zentrum des Vergnügens 54

Land als Zentrum der Arbeit Stadt als Zentrum der Arbeit 54

seßhafter Spezialist beweglicher Nomade 54

dynamisch, explosiv und fortschrittlich gesellschaftlich statisch 54

allumfassende Bildsymbole 54

individualistischer Mensch primitiver Mensch 55

Verantwortung für persönliche

Handlungsweise kollektive Autorität des Stammes 55

privates Unternehmertum körperschaftliches Unternehmertum 55

mechanische und trennende Methoden gemeinschaftlich, körperlich 55

Maschine schwer arbeitender Mensch 55

Lord Cardigans Gilbert & Sullivan 56

Nationalismus Stammessippe 65

visueller spezialisierter

fragmentarisierter Mensch auf das Gehör abgestimmte Stammeskultur 67

einfache Menschen komplexe Menschen 67

getrennter, gebildeter, emotionales Bewußtsein der

visueller Individualismus Abhängigkeit von der Gemeinschaft 68

Privat- und Gemeinschaftsleben

als Informatiosnprozeß 69

Medien als Machtinstrumente Medien als Machtinstrumente 70

Theater im Haus Theater im Freien 70

Distanz des Autors zum Publikum Nähe zum Publikum 70

einheitliche künstlerische Ausdrucksform Befreiung der Kunst aus der Zwangsjacke 72

Lernen und Wissen als Aufgabe des Menschen 76

Arbeit als bezahlter Lernen 76

Schwierigkeit, Berufe

und Beschäftigung zu finden 76

Natur als Kunst Natur als geistige Kraft 77

durch Computer programmiertes

Tastsinn als Verhältnis der Sinne Verhältnis der Sinne 79

Stadt als Bewußtsein Welt als Bewußtsein

Vorgehen von der Wirkung Aufhebung der Wirkung,

zur Ursache bevor es dazu kommt 80

Newton und Adam Smith Heisenberg 81f.

einzelne Krankheiten Syndrom als Krankheit 82f.

Kunst mit Blick in die Zukunft Kunst als Kontrollturm der Gesellschaft 83

Hilflosigkeit der Menschen

bei geringfügigen Änderungen ernste Künstler 89

Unterordnung unter Willenskraft Unterordnung unter

großer Männer durch Nachahmung eigenen Intellekt 89

monpolistischer Zentralismus dezentrales Parlament 90

Denken und Fühlen getrennt Einheit von Denken und Fühlen 202

Schriftliche Bildung Mündliche Bildung/Disputation 203

Nationalismus Stamm 206

Aufhebung der Trennung

Arbeit und Freizeit getrennt von Arbeit und Freizeit 393

Freizeit als Müßigsein Freizeit als Anstrengung 393

Einteilung von Lernstoff in Gegenstände Beziehungen zwischen den Gegenständen 394

5.4 Umweltverbände im Internet

Die folgende Liste ist dem Katalog Yahoo unter der Adresse http://www.yahoo.de/Gesellschaft_und_Soziales/Umwelt_und_Natur/Organisationen/ am 13.3.1998 entnommen.


Bundesverband für Umweltberatung e.V. (bfub)
http://members.aol.com/bfub/index.htm

FrauenUmweltNetz
http://www.oneworldweb.de/FrauenUmweltNetz/

NABU Naturschutzbund Deutschland e.V.
http://www.nabu.de/
http://members.aol.com/nabuhs/haupts.htm
http://www.de1.emb.net/nabu/
http://www.geocities.com/RainForest/4656/
http://home.t-online.de/home/strack/nabu.htm
http://www.geocities.com/RainForest/Vines/4831/
http://home.t-online.de/home/H-Juergen.Berger/nabu-mg.htm

Naturfreunde
http://home.t-online.de/home/Naturfreunde.Schwaben/homepage.htm
http://www.nfi.at/
http://www.jugendinfo.de/nfj/
http://home.t-online.de/home/Dietmar.Alex/

AG2100 - Arbeitsgruppe 21. Jahrhundert
http://www.germany.net/teilnehmer/101/11787/homepage.htm

Aktionszentrum Umweltschutz Berlin
http://www.inx.de/~azu/

Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU)

Archiv für aktuelle wasserwirtschaftlichen Themen.
http://www.freiburg.toplink.net/akwasser/index.html

Artists for nature</a>
http://www.artists-for-nature.org

BUND
http://members.aol.com/hhyr/bundpage.htm
http://home.t-online.de/home/Bernd.Schrenk/bund1d.htm
http://www.snafu.de/~bund/
http://privat.schlund.de/Bund/
http://bund-bremen.webmen.de
http://www.swbv.uni-konstanz.de/eu/bund-mk/
http://www.miss.net/miss/user/bund/

Bündnis Natur & Mensch
http://www.bnm.net/

Crumschter gegen Sondermüllverbrennung
http://privat.schlund.de/CGSVA

Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur
http://www.rostock.netsurf.de/~kl0001/dggl.html

Deutscher Naturschutzring (DNR)
http://www.dnr.de

Doktoranden-Netzwerk ™ko-Audit e.V.
http://www.uni-hohenheim.de/~pape/dnw_emas.htm

Energie- und Umweltzentrum Lemgo
http://www.stadtwerke-lemgo.aov.de/euz/index.htm

Energiehaus Hannover e.V.
http://home.t-online.de/home/Energiehaus-Hannover/index.htm

Förderverein Perlfischereimuseum e.V.
href="http://ourworld.compuserve.com/homepages/Margaritifera/

Förderverein für das Umweltzentrum Karlshöhe e.V.
http://members.aol.com/uzk/welcome.html

Global 2000
http://netbase.t0.or.at/~global2000/

Greenpeace
http://www.greenpeace.de/
http://www.s-w.de/greenpeace/
http://mach2.faveve.uni-stuttgart.de/greenpeace/F/
http://www.uni-jena.de/~mnf/gp/
http://mach2.faveve.uni-stuttgart.de/greenpeace/stuttg.html
http://www.greenpeace.de/SYSTEM/HOME_30.HTM
http://www.geocities.com/RainForest/Vines/6989/
http://mach2.faveve.uni-stuttgart.de/greenpeace/T/tuebingen.html
http://www.greenpeace.de/STD_3P/KIDS/SONSTIGE/INDEX.HTM

Grüne Liga e.V.
http://www.grueneliga.de

IPPNW Deutschland
http://www.ippnw.de

Jüdischer Nationalfonds e.V.
http://www.jnf-kkl.de

Keine Autobahn durch Freiburg
http://WWW.INFRa.DE/B31/

Koala GmbH
http://home.t-online.de/home/Gossling/

Kölner Interessengemeinschaft Müllvermeidung statt Müllverbrennung e.V.
http://www.colonia.de/mva/index.htm

Landesbund der Gartenfreunde in Hamburg e. V.
http://www.kleingarten-hh.de

Naturnah Leben Eifel e.V.
http://home.t-online.de/home/m-m-hartmann/homepage.htm

™konautik e.V.
http://www.tel.de/03042256680/

™kostadt e.V.
http://www-c.informatik.uni-hannover.de/~dh/oekostadt/

ROBIN WOOD e.V.
http://www.umwelt.org/robin-wood/

Sonderabfallgesellschaft Brandenburg-Berlin mbH
http://www.sbb-mbh.com

Staffelsteiner Bürger für Umwelt- und Naturschutz e.V.
http://home.t-online.de/home/Udo.Vetter/

Umwelt.org
http://www.umwelt.org/

Umwelthaus Oldenburg e.V.
http://www-pluto.informatik.uni-oldenburg.de/~uho/uho.htm

Umweltstation für den Landkreis Deggendorf
http://www.degnet.baynet.de/umwelt/index.htm

Umweltstiftung WWF-Deutschland
http://www.wwf.de/

Umweltzeichen
http://www.blauer-engel.de

Umweltzentrum Braunschweig e.V.
www.bs-net.de/umwelt/Umweltzentrum/

Unternehmen Wald e.V.
http://www.wald.de

5.3 Erklärung



Hiermit versichere ich, die vorliegende Arbeit selbst und eigenständig verfaßt zu haben. Ich habe nur die von mir angegebenen Hilfsmittel und Quellen verwandt. Insbesondere versichere ich, daß ich alle wörtlich und sinngemäßen Übernahmen aus anderen

Werken als solche kenntlich gemacht haben.



Bielefeld, 20.7.2000



(Christian Swertz)



1 Mit Pädagogik ist wissenschaftliche und praktische Pädagogik gemeint. Ist nur eins gemeint, wird das ausdrücklich gesagt.

2 Nach Bamm‚ ist eine Technologie "keine bloße technische Kunstfertigkeit, sondern eine Gestaltungsidee, ein spezifisches Denken, das eine Technik erst ermöglicht" (Bamm‚ u.a. 1987, S.44). In diesem Sinne wird hier mit Computertechnologie die Theorie der Computertechnik, mit Computertechnik das jeweils konkrete Gerät bezeichnet.

3 Unterricht in 'Automobilkunde' gibt es durchaus. Interessanterweise wird das Fach kommerziell angeboten, und nicht in allgemeinbildenden Schulen, sondern in Privatschulen, den sogenannten Fahrschulen, unterrichtet. Die wissenschaftliche Pädagogik hat dies bisher nicht reflektiert.

4 Auch indirekt zitierte Quellen sind hier ohne 'vgl.' angegeben, da direkte Zitate durch Anführungszeichen eindeutig gekennzeichnet sind.

5 Litt wendet gegen die Orientierung der Pädagogik an der Zukunft in seiner 1927 erstmals erschienen Arbeit 'Führen oder Wachsenlassen' treffend ein: "Welche lebendige Gestalt der Menscheit die jetzt heranreifende Generation in sich zur Darstellung bringen wird, das liegt außerhalb erzieherischen Ermessens und Verfügens" (Litt 1967: 36).

6 Gegenstände können physischer, begrifflicher oder emotionaler Art sein.

7 In diesem Abschnitt geht es nicht um Bewertung oder Ursachenanalyse eines pädagogischen Handelns in Wirtschaft, Politik oder Alltag im Zusammenhang mit Computertechnik. Die Frage ist: Hat pädagogisches Handeln in Wirtschaft, Politik oder Alltag im Zusammenhang mit Computertechnik möglicherweise eine intensivere pädagogische Diskussion über Computertechnologie induziert? Eine Beurteilung des pädagogischen Handelns in Wirtschaft, Politik oder Alltag im Zusammenhang mit Computertechnik läßt sich mit dieser Fragestellung nicht erreichen; sie ist an dieser Stelle auch nicht beabsichtigt.

8 Es geht um Schlüsselqualifikation, nicht um den Ausweis von Computertechnologie als Schlüsseltechnologie. Der Umgang mit einer Schlüsseltechnologie ist, wie Mertens richtig andeutet (1988: 44), nicht auch schon eine Schlüsselqualifikation.

9 Mertens wird gelegentlich als Urheber dieses Begriffs genannt (z.B. bei Tietgens 1990: 149), gibt selbst aber ohne Angabe von Quellen an, daß der Begriff durchaus schon früher verwendet wurde (Mertens 1974: 40).

10 Diese Unterbegriffe wurden, wie Tietgens (1990: 149) anmerkt, in der Mitte der 80er Jahre einsetzenden breiten Rezeption des Schlüsselqualifikationsbegriffs ignoriert.

11 Basisqualifikationen als Qualifikationen höherer Ordnung erlauben vertikalen Anwendungstransfer (z.B. logisches Denken), Horizontalqualifikationen ermöglichen effiziente Nutzung der Informationshorizonte der Gesellschaft (Informiertheit über Informationen) und Vintage - Faktoren dienen der Aufhebung intergenerativer Bildungsdifferenzen (Mertens 1974: 41ff.). Diese drei Faktoren lassen sich nicht auf eine spezielle Technik oder Technologie beziehen.

12 Zu nennen sind grafische Oberflächen, Textverarbeitungen, Datenbanken (zu denen auch die Tabellenkalkulationen zu zählen sind), Grafikprogramme, Spiele und neuerdings WWW - Browser.

13 Kursiv- und Fettsatz sowie Sperrungen in Zitaten sind, sofern nicht anders vermerkt, aus der Vorlage übernommen.

14 Kromrey unterscheidet in Anlehung an Nowak drei Typen von Indikatoren:

- Definitorische Indikatoren sind solche, die durch die untersuchte Merkmalsdimension erst definiert werden.

- Bei korrelativen Indikatoren ist der Bedeutungsgehalt der Indikatoren nicht identisch mit dem Bedeutungsgehalt der Begriffe, für die sie stehen. Korrelative Indikatoren werden in intern korrelative Indikatoren, die Teilaspekte eines mehrdimensionalen Sachverhalts erfassen und mit den übrigen Komponenten des definierten Begriffs korrelieren, und extern korrelative Indikatoren, die nicht Bestandteil der Definition eines Begriffs sind, aber dennoch mit der bezeichneten Merkmalsdimension korrelieren, unterschieden.

- Bei schlußfolgernden Indikatoren kann auf Merkmalsausprägungen geschlossen werden, die nicht direkt beobachtbar sind (Kromrey 1994: 116).

15 Arbeitsmittel meint in diesem Zusammenhang nicht pädagogische Unterrichtsmittel, sondern Werkzeuge, Geräte und Maschinen, die an Arbeitsplätzen verwendet werden.

16 Mit Computerkenntnissen werden hier Wissen und Fertigkeiten in bezug auf Hardware und Software von Computertechnik bezeichnet.

17 Ein Vergleich mit dem Automobil ist nicht möglich, da die Nutzung von Automobilen als Arbeitsmittel in der Untersuchung von Dostal nicht erhoben wird.

18 mertens ordnet Lesen und Schreiben (Mertens 1988: 42) sowie Rechnen (Mertens 1974: 42) als Breitenelement ein, nicht das Schreibzeug. Für Schreiben und Rechnen ist aber das Schreibzeug als Werkzeug erforderlich; umgekehrt sind Schreiben und Rechnen die wichtigsten Anwendungen des Schreibzeugs. Insofern läßt sich die Einordnung der Fähigkeit zum Umgang mit Schreibzeug als Breitenelement mit Mertens Position vereinbaren.

19 Strzelewicz bezeichnet es im Anschluß an Marcuse als technokratische Bildung, wenn praktische Pädagogik ihre Aufgabe darauf beschränkt, "dem Arbeitsmarkt und der Arbeitswelt mit ihren industriellen Apparaturen 'effektives Menschenmaterial' zur Erhaltung oder Erhöhung des technologischen Standards, des ökonomischen Outputs oder Profits" (Strzelewicz 1972: 134) zu liefern.

20 Demokratisierung als Bildungsziel läßt sich auch anders begründen. Entscheidend ist hier lediglich, daß Demokratisierung als Bildungsziel auch durch eine staatliche Inanspruchnahme praktischer Pädagogik begründet werden kann. Ein Beispiel für eine solche Inansprucnahme ist das 'Reeducation' - Programm der Besatzungsmächte nach dem zweiten Weltkrieg (Tietgens 1979: 19).

21 Bildung ist wohl der treffendste deutsche Ausdruck für den nach Blättner (1961: 19) unübersetzbaren Begriff paideia.

22 Für den Wirtschaftsbereich ist eine Diskussion der möglichen Anwendungen (hier z.B. des Vorhandenseins von Emailadressen) zur Abschätzung der Nutzung nicht erforderlich, da für den Wirtschaftsbereich die Verbreitung von Computertechnologie anhand empirischer Erhebungen belegt werden kann.

23 Das Projekt wird von 1993 - 1996 durch die Forschungsgruppe Telekommunikation an der Universität Bremen unter Leitung von Kubicek entwickelt und evaluiert. Das Konzept des Projekts zielt nicht nur auf einen digitalen Marktplatz, sondern auf die Entwicklung einer demokratischen Infrastruktur für Bürgerinnen und Bürger (Kubicek 1997) und ist insofern ein Beispiel für den Einsatz von Computertechnik in der Politik.

24 Die Satzung von Bündnis 90/Die Grünen sieht keinen Parteitag, sondern eine Bundesversammlung vor.

25 Insofern Menschen heute ein Interesse an beruflicher Qualifikation, politischer Handlungsfähigkeit und Bildung unterstellt werden kann, sind individuelle Interessen auch in den übrigen Abschnitten des ersten Kapitels dieser Arbeit berücksichtigt.

26 Gegen die hier vorgenommene Unterscheidung von Wirtschafts- und Freizeitbereich spricht die von Opaschowski diagnostizierte Auflösung der Trennung beider Bereiche. Opaschowski führt wegen der Auflösung der Trennung beider Bereiche für die Freizeitpädagogik einen positiven Freizeitbegriff ein. Er unterscheidet darin Dispositionszeit als freie Zeit, Obligationszeit als zweckbestimmte Zeit und Determinationszeit als abhängige Zeit und verbindet damit Arbeitszeit und Freizeit in einem Begriff (Opaschowski 1996: 86). Eine solche Neubestimmung ist nach Opaschowski erforderlich, da sich die kategorische Aufteilung des Lebens in Arbeit und Freizeit auflösen wird (Opaschowski 1996: 84).

Nun schreibt opaschowski nicht, daß dies schon der Fall ist - er entwirft eine Vision. Zudem ordnet er explizit die Determinationszeit vorwiegend der fremdbestimmten Erwerbsarbeit zu (Opaschowski 1996: 86), und damit die Dispositionszeit als selbstbestimmte Zeit und die Obligationszeit als verpflichtende Zeit implizit vorwiegend der Nichterwerbsarbeitszeit. Opaschowski streitet also mit seinem Freizeitbegriff die hier vorgenommene Trennung zwischen Erwerbsarbeit im Wirtschaftsbereich und Freizeit als Nichterwerbsarbeitszeit mindestens als Gegenwartsdiagnose nicht ab.

27 Bei den Jahresangaben in den Quellenangaben sind das Jahr der Erstveröffentlichung und bei Bedarf hochgestellt die verwendete Auflage und das Jahr der verwendeten Ausgabe vermerkt. So kann das Jahr der Erstveröffentlichung der zitierten Quelle bereits im Text angegeben werden.

28 Das andere Extrem findet sich z.B. im Ansatz von Glaser zum programmierten Lernen. Glaser schlägt vor, Lernziele verbindlich zu definieren und den Lernenden dann maschinell anzukonditionieren (Glaser 1969, S.45). Lehrende oder Lernende an der Definition der Lernziele zu beteiligen, ist dabei nicht vorgesehen.

29 Die Problematik dieser Position besteht, wie Litt in seiner 1927 erstmals erschienen Schrift 'Führen oder Wachsenlassen' schreibt, darin, daß Erziehung letztlich nicht vermieden werden kann. Es wird notwendig zu einer bestimmten Vorstellung von Zukunft hin erzogen. Die von Reformpädagogen wie Gläser geforderte radikale Orientierung an den Lernenden ist daher nicht erreichbar (Litt 1967: 19f.). Aus diesem Grund wird hier die pädagogische Relevanz von Gegenständen aus dem Alltag als Anlaß für die bildungstheoretische Reflexion genommen, nicht als Ersatz.

30 Die Angaben über die Verbreitung von Computertechnologie variieren zwischen den vorliegenden aktuellen Studien (z.B. Fröhlich 1999: 8). Die Abweichungen sind allerdings nicht so gravierend, daß hier eine eigene Diskussion erforderlich wäre.

31 Auf die Frage "Gibt es in Ihrem Haushalt einen Computer, den Sie selbst privat nutzen?" haben 28% der Befragten mit Ja geantwortet (Opaschowski 1999: 192). Die Frage "Besitzen Sie selbst zu Hause einen Computer, den Sie persönlich privat benutzen? Und wofür nutzen Sie diesen Computer" haben 6% der Befragten positiv beantwortet (Opaschowski 1999: 194). Eine Erklärung für diesen Widerspruch könnte sein, daß die erste Frage als Frage nach dem Vorhandensein verstanden worden ist, die zweite Frage jedoch als Frage nach einer tatsächlichen Nutzung. Die im Vergleich zur Verbreitung geringere Nutzung deutet darauf hin, daß Computer in privaten Haushalten in einigen Fällen ungenutzt bleiben.

32 Spanhel bezeichnet mit neuen Bildschirmmedien kulturelle Produkte, die die zwei Wirklichkeiten Gerät und Inhalt aufweisen (Spanhel 1990, S.49) und die im Unterschied zum Fernsehen die Merkmale flexible Nutzungszeiten, freie Auswahl der Inhalte und Initiierung neuer Treffpunkte besitzen (Spanhel 1990, S.13). Er nennt als neue Bildschirmmedien Videorecorder, Telespiele und Computer (Spanhel 1990, S.74). Unklar bleibt allerdings, warum z.B. Videorecorder, die ohne Fernseher nicht zu gebrauchen sind, zu den neuen Bildschirmmedien gezählt werden, Fernseher aber nicht. Insofern ist Altenmeyer-Baumann zuzustimmen, die den Begriff neue Bildschirmmedien als ungeklärt kennzeichnet (Altenmeyer-Baumann 1991, S.86).

33 Beispiele für die Integration von Computertechnik in Fachdidaktiken finden sich z.B. bei Hirscher (1995) für den Mathematikunterricht und bei Kabzinski-Kenkmann (1994) für den Kunstunterricht. Vgl. für weitere Fächer die Beiträge in Hosseus (1991).

34 Operantes Konditionieren ist die geplante Verhaltensänderung durch positive oder negative Verstärkung.

35 Technisch vermittelte Kommunikation schränkt die Vielfalt der menschlichen Sinne ein, die im persönlichen Gespräch zum tragen kommt, und erlaubt daher nur begrenzten Zugang zu Gegenständen und eingeschränkte menschliche Kommunikation. In diesem Sinne hat z.B. Innis (1997: 182ff.) auf die Nachteile universitärer Lehre ohne Gespräche hingewiesen.

36 An dieser Stelle geht es um die tatsächliche Nutzung von Simulationen, nicht um das Potential der Computertechnologie als Simulationsmedium für die praktische Pädagogik. Das didaktische Potential der Computertechnologie als Simulationsmedium wird von Meder (1995) theoretisch fundiert und im Bild der "Schule als Computerbibliothek" (Meder 1995c: 62) konkretisiert.

37 So vertritt Brezinka die Auffassung, daß theoretische Begriffe keine Erziehungsziele setzen können. Die Ziele seien daher durch Gesetzgeber, Parteien, Berufsverbände etc. festzulegen (Brezinka 1990: 125f.)

38 Neben den Untersuchungen von Bamm‚ sind vor allem die Beiträge in den Sammelbänden von Mersch (1991) und Ortner (1991), desweiteren die Arbeiten von Funiol (1994), Hutzler (1994) und Rolff (1988) sowie die verschiedenen Beiträge von Meder zu nennen. Letztere werden im zweiten Kapitel diskutiert.

39 Bamm‚ u.a. verdeutlichen den Ausgang von den technischen Gestaltungsmöglichkeiten in einer Kritik an der Strategie, Technik nach dem Maßstab der Natur zu gestalten. Sie schreiben: "Wir projizieren die von uns erzeugten Bilder in die Natur und übertragen sie dann zurück auf unsere technischen Produkte. Und siehe da, scheinbar mühelos 'erkennen' wir, daß viele Prinzipien unserer technischen Produkte aus Naturprinzipien abgeleitet sind" (Bamm‚ u.a. 1987, S.51).

40 An anderer Stelle wird Bildung von hutzler als personale, soziale und kulturelle Bildung bestimmt (hutzler 1994: 162). Die Verwendung des Begriffs in ihrer Arbeit (163ff.) macht deutlich, daß die Begriffe soziale und politische Bildung von ihr synonym verwendet werden.

41 Andere mediale Darstellungsformen, wie etwa die von Comenius bereits 1653 im "Orbis sensualium pictus" verwendeten Bilder, werden von Humboldt nicht in den Blick genommen.

42 Der genaue Geistesbegriff bei Humboldt kann hier vernachlässigt werden, weil der Geistesbegriff nur in bezug auf das Verhältnis des Geistes zur Welt betrachtet wird.

43 In dieser Arbeit stehen Medien, insbesondere Computertechnik, im Mittelpunkt des Interesses. Daß es noch andere Voraussetzungen von Bildung gibt - z.B. das menschliche Vermögen, Medien zu schaffen - kann und soll nicht bestritten werden.

44 Das zeigt sich z.B. bei Schorb, der in einer Übersicht über die Medienpädagogik schreibt: "Welche Folgen die tendenzielle Überformung des Natürlichen und des Sozialen durch das Mediale bzw. das Ineinsgehen von vermittelter und unmittelbarer Wirklichkeit hatte und haben wird, läßt sich historisch nachzeichnen, aktuell empirisch beobachten und prospektiv spekulieren [...]" (Schorb 1998: 8). Wenn das Soziale und das Natürliche durch das Mediale überformt wird, gibt es einen dem vorausgehenden nicht medial überformten, also medienfreien Zustand. Dagegen ist nach der hier vertretenen Position jede soziale Beziehung medial vermittelt, wobei das Soziale durch einen Wechsel der gebräuchlichen Medien verändert wird. Auch die Unterscheidung zwischen vermittelter und unmittelbarer Wirklichkeit trägt nicht, da wir über eine nicht vermittelte Wahrnehmung der Wirklichkeit nicht sprechen können.

45 Um die physikalische Welt beschreiben zu können, muß die Beschreibung vom Beschriebenen getrennt werden. Die angedeutete erkenntnistheoretische Fragestellung kann hier nicht verfolgt werden.

46 Insofern ist Miller zuzustimmen, der schreibt: "Während wir darüber jubeln, daß die Anzeigen für Berkshire - Strümpfe strukturelle Ähnlichkeiten mit einem Picasso aufweisen, werden wir zugleich von der dringend notwendigen Kritik an den ökonomischen Institutionen abgelenkt, die diese Mittel anwenden, um uns zum Kauf zu verleiten" (Miller 1972: 68).

47 Das ist nach Miller, der diese Kritik ebenfalls formuliert (Miller 1972: 10), kein zufälliger Irrtum, sondern Programm: "Wie ich später zu beweisen hoffe, wird ein großer Teil von McLuhans Arbeiten durch katholische Glaubenslehren beeinflußt, und sein Anspruch auf 'Wertfreiheit' ist teilweise nur eine taktische Maßnahme, die 'den Feind' täuschen soll" (Miller 1972 S.19).

48 Ich verdanke D. D. Hartwich entscheidende Hinweise zur Interpretation der 81. Bestimmung von Cramer, der dieses Zitat entnommen ist.

49 Diese Unterscheidung wird von Tulodziecki im Blick auf die inhaltliche Reduktion der Wirklichkeit in medial vermittelten pädagogischen Prozessen verwendet, allerdings ohne ausdrücklichen Bezug auf Morris oder Peirce (Tulodziecki 1992: 12).

50 Morris schreibt: "Wenn ein charakterisierendes Zeichen in sich selbst die Eigenschaft aufweist, die ein Objekt haben muß, wenn es sein Denotat sein soll, nennt man es Ikon; andernfalls heißt das charakterisierende Zeichen Symbol. Eine Photographie, eine Sternenkarte, ein Muster, eine chemische Formel sind Ikons, aber das Wort 'Photographie', die Namen der Sterne und der chemischen Elemente sind Symbole" (Morris 1972: 45). Diese Unterscheidung zwischen Ikon und Symbol entspricht der von PeircE (Habermas 1991: 132ff.; Wagner 2000).

51 Posner schreibt zum Verhältnis von Zeichen und Zeichenträger in Morris Aufsatz: "Wie Morris anzunehmen, der Zeichenträger verhalte sich zum Zeichen wie das Element einer natürlichen Klasse zu dieser Klasse und so die 'Allgemeinheit des Zeichenträgers' zu begründen, ist sicher zu naiv" (Posner 1972: 11). Morris hat diese Kritik, wie Posner weiter schreibt, später zwar anerkannt, aber keinen Versuch unternommen, die Kritik durch eine neue Begriffsbestimmung zu entkräften. In dieser Arbeit kann Morris Ansatz dennoch fruchtbar gemacht werden, da er für das Verständnis der semiotischen Dimension, nicht aber der physikalischen Dimension, nicht aber der physikalischen Dimensioherangezogen wird.

52 Das Verhältnis von semiotischer und physikalischer Dimension von Medien wird in dieser Arbeit mehrfach diskutiert, da der hier entwickelte Medienbegriff insbesondere anhand der Berücksichtigung dieser beiden Dimensionen von Medien von den referierten Ansätzen abgegrenzt wird. Daß bei der Begründung für die Verwendung eines Ansatzes und bei der Abgrenzung des Ansatzes zu anderen Ansätzen dieselben Argumente verwendet werden führt zwar zu einer gewissen Redundanz. Es erscheint im Interesse einer klar nachvollziehbaren Argumentation jedoch sinnvoll, ein Argument, daß in verschiedenen Kontexten eingesetzt wird, jeweils erneut zu nennen.

53 Dieser Bildungsbegriff hat den Vorzug, nicht normativ zu sein. Meder stellt im Anschluß an Wittgensteins Sprachspieltheorie fest, daß es keine Möglichkeit der Letztbegründung einer Theorie aus einem Anfang heraus gibt (Meder 1987, S.147). Wenn keine Letztbegründung möglich ist, kann kein Ziel von Bildung als das einzig wahre ausgewiesen werden. Daher ist es erforderlich, den Bildungsbegriff von der dogmatischen Festlegung auf ein letztbegründetes Ziel zu lösen. Damit öffnet Meder den Bildungsbegriff für den Anschluß an Bildungsideale, die im Diskurs anerkannt werden.

54 Medien können im engeren Sinne als Erweiterungen der menschlichen Sinne verstanden werden. Eine solche Erweiterung liegt vor, wenn z.B. das Spektrum der Wahrnehmungsmöglichkeiten des Auges durch ein Mikroskop oder das Spektrum der Wahrnehmungsmöglichkeiten des Ohres durch ein Radio erweitert wird. Medien vermitteln dann zwischen den Sinnen und dem Wahrgenommenen. Allerdings vermitteln auch die menschlichen Sinne keine unmittelbare Wahrnehmung, sondern stellen eine mittelbare Verbindung zum Wahrgenommenen her, indem sie Reize mittels Rezeptoren in den neuronalen Code überführen. Daher wird hier ein weiter Medienbegriff verwendet, der die Sinne als Medium des Zugangs zur Welt umfaßt.

55 Wenn das so wäre, ist Denken oder Bewußtsein vollständig mit physikalischen Vorgängen im Gehirn zu erklären. Dafür gibt es bisher keine überzeugenden Belege (Roth: 1994).

56 Eine ähnliche Auffassung vertritt Gehlen. Nach Gehlen ist der Mensch, bedrängt von der Rätselhaftigkeit seines Daseins, darauf angewiesen, seine Selbstdeutung über anderes hereinzuholen. Der Mensch setzt sich daher im Prozeß der Selbstdeutung mit Nichtmenschlichem gleich und unterscheidet sich in der Gleichsetzung wieder. Für den Prozeß der Selbstdeutung spielt Technik eine besondere Rolle, weil der Mensch ein instinktreduziertes und ungeschütztes Wesen und insofern auf Kontrolle angewiesen ist. Magie als Technik des Übersinnlichen wiederholt die Naturgleichförmigkeit im Interesse einer Kontrolle. Seine Erfüllung findet das Bedürfnis nach Kontrolle in den rotierenden Maschinen (Gehlen 1986b: 155f.). Da sich die Selbstdeutung durch Technik weder auf intellektuelle Befriedigung noch auf Instinkt zurückführen läßt, handelt es sich um ein eigenständiges Phänomen, das Gehlen als Resonanzphänomen bezeichnet. Das Resonanzphänomen ist ein innerer Sinn des Menschen, der auf das anspricht, was dem Eigenkonstituellen in der Außenwelt entspricht: auf den sinnvollen, zweckhaften Automatismus (Gehlen 1986a: 97).

Gehlens Beschreibung des Verhältnisses des Menschen zur Technik liegt nahe an der hier vertretenen Position. Allerdings stellt Gehlen, wie Habermas schreibt, anthropologische Konstanten fest, auf deren Grundlage er dann ontologisch verfährt. Gegen Gehlen ist mit Habermas einzuwenden, daß ein Katalog anthropologischer Konstanten als letztgültiges Prinzip einen Dogmatismus darstellt, der die historische Bedingtheit des Menschen übersieht (Habermas 1958: 32).

57 Die Wirkung des physikalischen Gegenstandes auf die Kommunikation hat Innis hervorgehoben. Er belegt z.B., daß der gut lagerbare und schwer transportable Stein als dominantes Medium einer Gesellschaft eine Betonung zeitlicher Vorstellungen und damit religiöser Macht, sowie eine dezentrale Verwaltung begünstigt. Dagegen begünstigt das schlecht lagerbare und gut transportierbare Papier die Betonung räumlicher Vorstellungen und damit staatlicher Macht, sowie eine zentrale Verwaltung (Innis 1997: 122ff., 149ff.). Daß gut transportierbare aber schlecht lagerbare Computerdaten die räumliche Kontrolle verbessern und so die Zentralisierung begünstigen, wird an den Fusionen großer Industrieunternehmen, wie z.B. der von Daimler Benz und Chrysler, aus denen Konzerne hervorgehen, die, wie Heuser in der Zeit berichtet (Heuser 1998: 1), ohne Computertechnik nicht zu kontrollieren sind, sichtbar. Der massiven räumlichen Kontrolle westlicher Industriekonzerne gelingt allerdings kein Ausgleich mit der zeitlichen Kontrolle, d.h. der religiösen Macht, was sich in der Angst der westlichen Länder vor dem radikalen Islamismus ausdrückt.

58 Das heißt nicht, daß Turingautomaten nur Algorithmen speichern können. Es ist möglich, einen Turingautomaten so zu programmieren, daß nicht - algorithmische Texte als Daten gespeichert werden, die dann - bei einem v. Neumann - Computer - neben dem Algorithmus im Speicher abgelegt werden. Ein Beispiel dafür sind Textverarbeitungsprogramme.

59 Eine Reihe von Beispielen, die von navigationsunfähigen Kriegsschiffen über blockierte Stellwerke bis zu abgestürzten Passagierflugzeugen reicht, findet sich bei Lövicach 1998.

60 Damit ist die Ziffer noch nicht in das Binärsystem übertragen, da von der Tastatur zunächst der Tastencode in den Computer übertragen wird. Die Digitalisierung erfolgt jedoch in der Tastatur.

61 Daß gewöhnliche Buchstaben plötzlich als Sonderzeichen gelten, ist eine Wirkung der Computertechnik.

62 Daß die Zeitung einmal als heißes und einmal als kaltes Medium beurteilt wird zeigt das relative Verständnis der Unterscheidung zwischen heißen und kalten Medien: Im Vergleich zum Radio ist die Zeitung kalt; im Vergleich zum Fernsehen dagegen heiß.

63 McLuhan schreibt mit seinen unvollständigen, unpräzisen und unsystematischen Äußerungen einen für das heiße Medium Buch recht kühlen Stil, wodurch die Leserinnen und Leser mehr als bei anderen Büchern involviert und aufgeheizt werden - eine Erklärung für die Faszination, die von seinen Büchern ausgeht, die didaktisch für den Aufbau von Lehrbüchern genutzt werden kann, die McLuhans Texte für ein vom heißen Buch geprägtes kühles Publikum allerdings unverständlicht macht.

64 Eine Abgrenzung von Medien und Methoden findet sich auch bei Heidt. Er schreibt: "Da die Entscheidung für eine Vorlesung oder Kleingruppenarbeit die Fragen der in diesem Kontext zu verwendenden Medien nicht beantwortet und auch keinesfalls den zumindest zeitweiligen Einsatz irgendeines Mediums ausschließt, erscheint es mir sinnvoll, diese Sachverhalte als Organisationsformen des Unterrichts von den Medien zu unterscheiden" (Heidt 1976: 42). Nun ist mit der Entscheidung für eine Methode durchaus die Medienwahl eingeschränkt. Wenn z.B. Frontalunterricht (oder eine Vorlesung) durchgeführt wird, ist die Verwendung von Computern als Unterrichtsmedium nicht möglich. Die Lernenden können nicht zuhören, während sie am Computer arbeiten. Vor allem aber verhindert das individuelle Arbeitstempo am Computer, daß alle Lernenden dem gleichen Vortrag folgen - ein Effekt der Spezialität als Eigenschaft der Computertechnik, der die Kombination mit dem seriellen Vortrag verhindert (vgl. Abschnitt 2.2.4.1.4). Daher wird hier die physikalische Dimension von Medien als Abgrenzungkriterium verwendet.

65 Vorlesung bezeichnet hier die traditionelle Vorlesung, in der ein Thema in systematischer Anordnung vorgetragen wird. Die Analogie einer traditionellen Vorlesung als heißer Methode zum Buchdruck als heißem Medium wird daran sichtbar, daß es als besonderes Lob gilt, wenn der Vortragende druckreif spricht, d.h. vorliest, und nicht erzählt. Die sich aktuell ändernden Anforderungen an Vorlesungen lassen sich auf veränderte mediale Präferenzen der Hörenden zurückführen, die Erzählungen statt Lesungen erwarten (vgl. Abschnitt 2.2.5).

66 McLuhan erwähnt die Botschaft der Zahl der Fernsehkanäle in seiner Auseinandersetzung mit dem Fernsehen nicht (McLuhan 1992: 352-383). Dies ist überraschend, weil er damit bei der von ihm vorgenommenen Grenzziehung zwischen dem Kino als heißen und Fernsehen als kalten Medium ein einfaches Unterscheidungskriterium zur Hand gehabt hätte: Im Kino kann nicht umgeschaltet werden.

67 Folgt man McLuhan, dann ließe die Spezialisierung des Fernsehens durch die Computertechnik die Entstehung einer Stammeskultur im globalen Dorf erwarten. Diese These bedarf allerdings einer differenzierteren Betrachtung, die im Abschnitt 2.3.4.3 vorgenommen wird.

Den spezialisierenden Effekt der Computertechnik hat McLuhan offenbar nicht gesehen. Der Grund dafür könnte sein, daß McLuhan das Konstruktionsprinzip eines Turingautomaten nicht berücksichtigt hat.

68 Walter Benjamin untersucht in seinem Aufsatz 'Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit' die Veränderungen, die sich aus der historisch neuen Möglichkeit der technischen Reproduktion von Kunstwerken auf die menschlichen Sinne, die kulturelle Tradition und die gesellschaftlichen Bedingungen - insbesondere die Produktionsbedingungen - ergeben. (Benjamin 1963: 13). Hier kann der Frage, ob McLuhan Ideen von Benjamin aufgegriffen hat, nicht nachgegangen werden. Hinzuweisen ist auf eine Differenz: Eine politische Intention wie bei Benjamin, der schreibt: "Die im folgenden neu in die Kunsttheorie eingeführten Begriffe unterscheiden sich von den geläufigen dadurch, daß sie für die Zwecke des Faschismus vollkommen unbrauchbar sind" (Benjamin 1963: 9), findet sich bei McLuhan nicht.

69 Bruner beschäftigt sich nicht mit Medien, sondern mit lerntheoretischen Fragen. Er unterscheidet die Struktur eines Wissensbereichs in Darbietung (Form), ™konomie und Wirksamkeit (Bruner 1974: 49ff.). Die von Dale aufgegriffene Unterscheidung zwischen enaktiver, ikonischer und symbolischer Repräsentation fällt für Bruner in den Bereich der Darbietung.

70 Der von Ruprecht weiterhin angeführte Aspekt der Intelligenz wird als trainiertes Begabungspotential bestimmt und damit nicht auf angeborene, sondern auf soziale Faktoren der Intelligenz bezogen; der Aspekt der Intelligenz fällt daher ohne weiteres in den Bereich der Lerngewohnheiten. Als kommunikationstheoretischen Aspekt schlägt Ruprecht vor, mediengebundene Informationsvermittlung stets durch soziale Lernphasen zu ergänzen. Die Unterscheidung zwischen mediengebundenen und sozialen Lernphasen trägt jedoch nicht, was daran erkennbar ist, daß mediengebundene Lernphasen nicht stets als nicht - soziale Lernphasen zu kennzeichnen sind. Nach dem hier entwickelten Ansatz erfordern auch soziale Lernphasen immer ein Medium. So ist zwischen mündlicher Debatte und CBT - Lernphasen zu unterscheiden, nicht aber zwischen medialen und nicht - medialen Lernphasen. Die Unterscheidung zwischen mediengebundenen und sozialen Lernphasen wird daher nicht aufgegriffen.

71 Bruner unterscheidet nicht in Repräsentationstypen. Die Frage der Wahl der Repräsentationsform wird von ihm nicht unter dem Aspekt der Darbietung, sondern unter dem Aspekt der ™konomie als der Informationsmenge, die zur Erkenntnis erforderlich ist, diskutiert. Die ™konomie ist nach Bruner u.a. von der Reihenfolge der Präsentation abhängig, und die Reihenfolge kann anhand der Repräsentationsformen bestimmt werden (Bruner 1974: 49f.). Bruner schlägt dabei nicht vor, bestimmten Lernenden nur bestimmte Repräsentationsformen anzubieten. Er geht davon aus, daß alle alles lernen können: "Jede Idee, jedes Problem, jeder Wissensbereich kann in eine so einfache Gestalt gebracht werden, daß jeder einzele Schüler sie in einer erkennbaren Form verstehen kann" (Bruner 1974: 48).

72 Einsiedler schreibt: "Die konstruktivistischen Grundannahmen der Informationsverarbeitung lassen Unterrichtsmethoden wie forschendes und entdeckendes Lernen, Erkunden und Erproben angeraten erscheinen [...]". (Einsiedler 1996: 188). Unmittelbar plausibel ist dieser Rat jedoch nicht. Nach konstruktivistischer Grundannahme ist die mentale Wissensrepräsentation individuell organisiert und der Aufbau des Wissens ein aktiver Konstruktionsprozeß (Einsiedler 1996: 187). Gerade die individuelle Konstruktion von Wissen wird durch Frontalunterricht unterstützt. Frontalunterricht als Methode bewirkt eine uniformierende Individualisierung. Alle Lernenden setzen sich mit dem gleichen Wissen auseinander, tun dies jedoch individuell, da sie alleine zuhören und z.B. ohne weiteres für individuelle Wissenskonstruktionsphasen 'abschalten' können. Dagegen bewirkt entdeckendes Lernen in Kleingruppen individuelle Gemeinschaftsbildung. Es wird nicht von allen Lernenden das gleiche Wissen rezipiert. Der Wissenskonstruktionsprozeß ist zugleich nicht mehr individuell, da in einer Gruppe rezipiert wird, die wenig Zeit und Raum für den individuellen aktiven Konstruktionsprozeß läßt.

73 Es kann sinnvoll sein, kontrastierende Kombinationen einzusetzen, da die Kontraste Aufmerksamkeit erregen können. An dieser Aufmerksamkeit kann der Einfluß von Medien im Bildungsprozeß bewußt gemacht werden. Da in der Regel aber Medien nicht als Gegenstand, sondern als Mittel von Bildungsprozessen verwendet werden, wird die kontrastierende Kombination hier nicht genauer untersucht.

74 Johannes Calvin (1509-1564) hat sich vehement gegen den Tanz und für Askese eingesetzt (Koch 1996: 7). Der Zusammenhang mit der aufheizenden Wirkung des 1448 erfundenen Buchdrucks, der 1452 auf die Bibel angewandt wird (Faulstich u.a. 1993: 368), ist frappant: Calvin wird dadurch so abgekühlt, daß er den in Relation zum Buchdruck heißen Tanz nicht ertragen kann.

75 Der Begriff des semiotischen Raums schließt an das umfassendere Konzept des Sprachspielers an (Meder 1996).

76 Hier genügt dieser oberflächliche Begriff des Regelfolgens durch Menschen, da das Regelfolgen durch Menschen nur zur Abgrenzung gegen das Regelabarbeiten durch Computertechnologie dargestellt wird und keineswegs in der Absicht, das Regelfolgen durch Menschen so eingehend zu diskutieren, wie das Wittgenstein in seinen 'Philosophischen Untersuchungen' getan hat, an die v. Savigny mit dem zitierten Beispiel anschließt.

77 Diese Eigenschaft kann Benutzerinnen und Benutzer, die sich dieses Aspekts des Mediums, das sie verwenden, nicht bewußt sind, schnell zur nächsten mechanischen Schreibmaschine treiben, die semiotisch statisch ist.

78 Im Blick auf Computertechnologie unterscheidet Holling die Objektivierung für Menschen und die Objektivierung für Maschinen. Im ersten Fall richten sich Buchstaben an Menschen; im zweiten Fall richten sich Buchstaben an Automaten. Die Buchstaben, die sich an Automaten richten, sind bedeutungslos und Grundlage für die Selbstbewegung des Automaten. Interessant ist Hollings Hinweis, daß die Informatik zwischen den beiden Formen der Objektivierung nicht unterscheidet (Holling u.a. 1987, S.232). Für eine durch pädagogische Fragestellungen motivierte Medienanalyse sind beide Dimensionen zu berücksichtigen.

79 Dieses Problem ist empirisch arbeitenden Forscherinnen und Forschern wohlbekannt: Statistisch berechnete Zahlenwerte sagen nichts aus. Bedeutung bekommt ein numerisches Ergebnis erst dann, wenn es im Rahmen der zugrundegelegten Theorie auf die physikalische Welt bezogen wird. Und das ist so schwierig, weil die Zuordnung sich nicht schon aus der Kalkülsprache ergibt.

80 Aus Sicht der Programmiererinnen und Programmierer ist es zwar sinnlos, Maschinenbefehle zu verdoppeln oder Operationscodes wegzulassen. Denn ersteres führt zu schwer zu lesenden Programmen, und letzteres zu einer mindestens unbequemen Einschränkung der Möglichkeiten. Aus Sicht der wirtschaftlichen Interessen der Computerindustrie kann es aber durchaus sinnvoll sein: Wenn - am konkreten Beispiel - den Käuferinnen und Käufern eines Computers vorgaukelt werden soll, im Real Mode eines 80286 - Prozessors der Firma Intel sei maximal 1 MB Arbeitsspeicher verwendbar, während unter dem Betriebssystem Windows der Firma Microsoft, das denselben Prozessor in den Protected Mode schaltet, 4 GB zugänglich seien, dann ist es interessant, die Zugänglichkeit des Operationscodes, der den größeren Speicher auch im Real - Mode zugänglich macht, zu erschweren (Kittler 1994: 216f.)

81 An dieser Stelle ist ein kurzer Exkurs zu einer auch hier verwendeten verwirrenden Sprachregelung angebracht: die 'höhere' und 'niedrigere' Programmiersprache (z.B. Hofstadter 1996: 313). 'Höher' kann im Sinne von 'mehr' verwendet werden, und dann ist es für höhere Programmiersprachen treffend: Die Programmiersprachen enthalten in der Regel mehr Befehle als niedrigere. Umgangssprachlich ist mit 'höher', wenn es auf eine Hierarchie angewandt wird, aber auch 'bedeutender' gemeint. So läßt sich etwa sagen: 'Die Bundeskanzlerin steht höher als der Minister, sie ist eine bedeutendere Person.' Und damit ist gemeint, daß sie mehr Macht und Einfluß ausübt. Genau das ist bei höheren Programmiersprachen aber nicht der Fall. Die höhere Programmiersprache hat weder mehr Macht noch mehr Einfluß als die niedrigere. Beide sind bestenfalls universelle Turingautomaten und können jeden beliebigen Algorithmus abarbeiten - nicht mehr. Aus dem Mehr an Worten folgt ein Mehr an Komfort der Programmiererinnen und Programmierer, kein Mehr an Möglichkeiten der Computertechnologie.

82 In bezug auf die Programmierstile genügt an dieser Stelle der Hinweis auf so unterschiedliche Stile wie die prozedurale Programmierung mit PASCAL und die objektorientierte Programmierung mit SMALLTALK (Barth 1986).

83 Die Wirkung der Abstraktion von den Eigenschaften der physikalischen Dimension der Computertechnologie hat Weizenbaum mit seinem Programm ELIZA (Müller 1997), das scheinbar menschliches Gesprächsverhalten simuliert, eindrucksvoll demonstriert. Weizenbaum zeigt, wie leicht das Sprachverhalten eines Computers für eine natürliche Sprache gehalten wird. Obwohl das Programm nichts von dem versteht, was es schreibt, wird es als Gesprächspartner akzeptiert (Weizenbaum 1994: 14-20).

84 Hofstadter schreibt, daß die Komplexität von Betriebssystemen so erschreckend ist, daß sie nur durch eine Analogie vermittelt werden kann (Hofstadter 1996: 317). Das ist übertrieben: Betriebssysteme sind universelle Turingautomaten (oder eine simplere Automatenvariante) in der semiotischen Dimension der Computertechnologie.

85 Obwohl die Computersprache genau genommen gar keine Sprache ist, wird sie üblicherweise als solche bezeichnet. Vielleicht führt diese Redeweise zu den vielen Mißverständnissen und Mythen, die im Zusammenhang mit der Computertechnologie entstanden sind. Der verbreitetste Mythos ist wohl die z.B. von Churchland vertretene Vermutung, daß denkende Maschinen möglich sind (Churchland u.a. 1990).

Dieser Mythos, den Coy auf die Golem - Legende zurückführt (Coy 1984: 6), ist außerordentlich hartnäckig, was sich z.B. darin zeigt, daß Hofstadter den Compilerbau als "gar nicht so verschieden" (Hofstadter 1996: 316) vom Spracherwerb eines Kindes bezeichnet, oder Eckmiller den technischen Begriff des neuronalen Netzes ohne Umschweife auf das menschliche Gehirn anwendet (Eckmiller 1993: 96). Hastedt hat diese Positionen als Funktionalismus bezeichnet und in kritischer Auseinandersetzung ihre weite Verbreitung nachgewiesen (Hastedt 1989: 14, 142-154).

Der Mythos von der denkenden Maschine mag einen Ersatz für die Lücke liefern, die das von Lyotard diagnostizierte Ende der Glaubwürdigkeit der großen Metaerzählungen (Fromme 1997: 92) hinterlassen hat. Wegen seiner Hartnäckigkeit ist hier die recht ausführliche Auseinandersetzung mit der Sprachfähigkeit der Computertechnologie erforderlich.

86 "Heute kippte das ganze System in die Unbestimmtheit, jegliche Realität wird von der Hyperrealität des Codes und der Simulation aufgesogen. Anstelle des alten Realitätsprinzips beherrscht uns von nun an ein Simulationsprinzip "(Baudrillard 1991: 8). Baudrillard sagt mit dieser 1972 gestellten Diagnose, daß Zeichen in unserem Gesellschaftssystem nur noch auf andere Zeichen verweisen (Fromme 1997: 59). Wie Baudrillard an der Arbeit, am Geld, an der Mode, am Körper, am Tod und an der Poesie aufweist, stehen nur noch Zeichen zur Verfügung, die auf andere Zeichen im System verweisen. Wenn aber alle Referenzen auf etwas außerhalb des Gesellschaftssystems verschwinden, geht das Gesellschaftssystem in einen Simulationszustand über, der alle Eigenschaften einer virtuellen Welt zeigt.

Nach Baudrillards Diagnose läßt sich in der Tat die hier vertretene These von der Differenz zwischen der Sprachverarbeitung durch Computertechnologie und menschlichen Sprachen nicht aufrechterhalten, da die menschlichen Sprachen im Simulationszustand nur Zeichen verwenden, die auf andere Zeichen verweisen. Solche Zeichen sind Kalkülzeichen.

Baudrillard stellt aber nicht nur die Diagnose, sondern schlägt auch eine Therapie vor: "Das Symbolische macht Schluß mit diesem Code der Trennung und den getrennten Teilen" (Baudrillard 1991: 210). Die Wiedereinführung des symbolischen Tausches sprengt die Grenzen des Systems. Die Bedingung der Möglichkeit der Sprengung des Simulationssystems durch die Wiedereinführung des symbolischen Tausches ist aber, daß die Grammatik des Simulationssystems nicht dicht ist. Es muß Zeichen geben, über die der symbolische Tausch wieder eingeführt werden kann. Diese Zeichen verweisen aus dem Simulationssystem heraus. Dagegen sind Computersimulationen dicht. Es gibt keine Hoffnung, das System zu sprengen; Computer revoltieren nicht. Die Grenze zwischen der sprachverarbeitenden Computertechnologie und der menschlichen Sprachfähigkeit bleibt also bestehen.

Da die Zeichen nach Baudrillard die Referenz auf die wirkliche Welt zwar verloren haben, diese aber dennoch abzubilden behaupten, spricht er von Simulationen. Die Zeichen, die von Computertechnologie abgearbeitet werden, behaupten jedoch keinerlei Referenz auf etwas außerhalb der Computertechnologie.

Das aus medientheoretischer Sicht faszinierende an Baudrillards Diagnose ist, daß es der Menschheit in der Kulturgeschichte offenbar erstmals gelungen ist, ein Gesellschaftssystem im Simulationszustand zu stabilisieren. Es ist evident, daß die durch das Medium Computertechnologie eröffneten virtuellen Räume wesentlich dazu beitragen, den Simulationszustand aufrechtzuerhalten.

87 Diese Position schließt an Wittgensteins Sprachspieltheorie an, nach der Sprachspiele ein "Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen und kreuzen"(PU 65) konstituieren, aber nicht in einem letzten Sprachspiel aufgehoben sind.

88 Vielleicht wird es für möglich gehalten, daß Computertechnologie denken kann, weil die Algorithmenvielfalt nicht auf das Ganze schließen läßt - wie beim Menschen die Verhaltensvielfalt nicht auf das Ganze schließen läßt. Die falsche Analogie zwischen Mensch und Computertechnologie verleitet dann zu dem Trugschluß, Computertechnologie werde denken können.

89 Programmiererinnen und Programmierer benötigen nicht einmal mehr einen äußeren Zweck für ihr Werkzeug. Ein traditionelles Werkzeug wird durch den Zweck bestimmt, für den es geschaffen wird. Dieser Zweck liegt außerhalb des Werkzeugs. Computertechnologie wird dagegen oft als Werkzeug für Zwecke eingesetzt, die innerhalb der Maschine liegen; Algorithmen werden für Algorithmen geschrieben. "Spätestens hier verlieren die Modelle und Algorithmen vollends ihren Werkzeugcharakter. Sie brauchen niemanden mehr, der sie führt oder benutzt" (Holling u.a. 1987, S.232).

90 Floyd fragt angesichts des eben genannten Beispiels: Darf mit Computern gemacht werden, was ohne Computer nicht gemacht werden darf (Floyd 1986: 55)? Die Frage ist zu verneinen. Es ist evident, daß Computertechnologie keine Verantwortung übernehmen kann.

91 Die Entwicklung der Computertechnologie steht im engen Zusammenhang mit Waffen. Waffen sind aber gerade das Gegenteil von Spielzeug. Nun geht es hier nicht um Waffen, sondern um Computertechnologie. Im Blick sind nicht die Soldatinnen und Soldaten, sondern die Programmiererinnen und Programmierer, die auch im Falle der Waffenentwicklung einen Algorithmus formulieren, ohne selbst einen Menschen zu töten. Das Formulieren des Algorithmus bleibt ein Spiel, auch wenn die hier nicht zu klärende Frage nach der Verantwortung für den Gebrauch des Algorithmus gestellt werden muß.

92 In der Pädagogik werden für den in Frage stehenden Gegenstand drei Begriffe verwendet, die jeweils in einem methodischem Kontext bevorzugt gebraucht werden. Spielzeug wird meist mit geisteswissenschaftlichen Methoden analysiert (z.B. Sutton-Smith 1978); Spielmittel mit empirischen Verfahren (z.B. Retter 1973) und Spielwaren mit ideologiekritischem Vorgehen (z.B. Kazemi-Veisari 1987). Dabei ist Retter zuzustimmen, der anhand eines Überblicks über Spieltheorien feststellt, "daß Aussagen über das Spielmittel nur sehr selten und mehr oder weniger am Rande in den überkommenen Spieltheorien zu finden sind" (Retter 1979: 13), und zwar selbst dann, wenn "der theoretische Ansatz die Frage nach den materialen Mitteln des Spiels als durchaus sinnvoll erscheinen läßt" (Retter 1979: 14).

So diskutiert Sutton - Smith biologische, kulturelle und pychologische Voraussetzungen des Spiels und nennt Abstraktion, Variation, Umkehrung, Belebung und Vergnügen als Strukturmerkmale des Spiels (Sutton-Smith 1978). Einzelne Spielzeuge werden von ihm dabei zwar erwähnt, aber nicht zum Gegenstand der Betrachtung gemacht. Der empirische Ansatz von Klinke zielt in Anlehnung an Mieskes darauf ab, die pädagogische Funktionalität von Spielmitteln zu analysieren (Klinke 1985: 433); nicht aber die Eignung von Gegenständen als Spielzeug. Kazemi-Veisari untersucht in ihrer ideologiekritische Analyse die gesellschaftlichen Interessen, die in Spielwaren zum Ausdruck gebracht werden; nicht aber die Frage, ob mit einem Gegenstand auch gespielt werden kann. So kritisiert sie z.B. die verhinderte Realerfahrung bei Spielherden (Kazemi-Veisari 1987: 149), ohne die Frage nach der Eignung von 'echten' Herden als Spielzeug zu stellen.

93 Nach dem hier vorgelegten Medienbegriff haben Medien im Bildungsprozeß eine eigenen Stellenwert. Ebenso ist die Wirkung des Spielzeugs im Spielprozeß einzuschätzen. Daß Spielzeug überhaupt eine Wirkung auf das Spiel hat ist dabei unstrittig. So schreibt Scheuerl: "Seit John Locke und Jean Paul ist die Forderung oft wiederholt worden, daß man Kindern des Spielalters keinen luxuriösen Tand und keine bis ins Feinste naturgetreuen Nachbildungen, sondern möglichst einfache Dinge zum Spielen geben solle" (Scheuerl 1994: 84). Wenn aber bestimmtes Spielzeug vorzuziehen ist, dann muß auch eine Wirkung des Spielzeugs auf das Spiel angenommen werden. Nun schreibt Scheuerl weiter: "Die Sache ist immer nur Mittel der Einspielung (Il-lusio!)" (ebd.). Nach der hier vertretenen Auffassung wird die Wirkung des Spielzeugs auf das Spiel damit unterschätzt.

94 Huizinga zeigt im Eingang seiner Untersuchung des Homo Ludens, daß "wir es im Spiel mit einer Funktion des lebendigen Wesens zu tun haben, die sich weder biologisch noch logisch vollkommen determinieren läßt" (Huizinga 1939: 11). Damit bestreitet er nicht, daß Spiel eine psychische Funktion haben kann, wohl aber, daß Spiel in einer solchen Funktion aufgeht. Spiel ist, wie Scheuerl in seiner Diskussion dieser These von Huizinga feststellt, "ein Letztes (oder Erstes), das sich nicht mehr aus anderen Erscheinungen ableiten oder erklären läßt" (Scheuerl 1994: 111). Insofern kann das Spiel mit einem Spielzeugrevolver eine Funktion für die psychische Entwicklung des Kindes haben, ohne daß damit das Spiel durch die psychische Funktion bestimmt wäre.

95 Wenn Konsequenzen möglich werden, etwa indem Computertechnologie in einer Waffe verwendet wird, wird der virtuelle Raum verlassen. Daher wird hier die dynmamisch-semiotische Dimension der Computertechnologie als Spielzeug ausgewiesen, nicht die semiotisch-statische Dimension.

96 Scheuerl bemerkt, daß der Arbeitende, der seine Arbeit als Spiel betreibt, die Mühe vergißt und 'spielend' arbeitet: "Was mit äußerster Anstrengung nicht mehr zu leisten ist, das kann oft noch 'spielend' geschafft werden" (Scheuerl 1994: 144). Daß Computertechnologie zum Spiel verleitet, die Leistungsfähigkeit im Spiel aber höher ist als bei der Arbeit, begünstigt die Verbreitung der Computertechnologie im Wirtschaftsbereich. Allerdings wird das Spiel nach Scheuerl aus dem Gleichgewicht gebracht, wenn der Leistungsgedanke überhand nimmt oder das Spiel nicht ernsthaft betrieben wird (Scheuerl 1994: 139ff.). Das Gleichgewicht des Spiels aufrecht zu erhalten, wird daher mit zunehmender Verbreitung der Computertechnologie im Wirtschaftsbereich zum Managementproblem. Erleichtert wird die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts des Spiels, wenn die Arbeitenden die Spielhaltung der Arbeitshaltung vorziehen, d.h. selbsttätig das Gleichgewicht des Spiels aufrechterhalten. Nun verdrängt, wie Schulze 1992 diagnostiziert hat, die Erlebnisorientierung als Grundhaltung der Beziehung von Mensch und Welt die Grundhaltung des Sparens auf aufgeschobene Bedürfnisbefriedigung (Schulze 1992: 14, 36). Die Erlebnisorientierung ist aber die Haltung von Spielerinnen und Spielern. Der Wirtschaftsbedarf an Spielerinnen und Spielern läßt für die Pädagogik - provokativ zugespitzt - einerseits erwarten, daß die Relevanz der Erlebnispädagogik für die Schulpädagogik merklich steigt und andererseits hoffen, daß die ideologiekritische Pädagogik diese subtile Form von Ausbeutung zum Gegenstand der Aufklärung macht.

97 Brehm-Klotz definiert IuK-Technologie wie folgt: "Zu den Informations- und Kommunikationstechniken (IuK-Techniken) gehören verschiedene Systeme, die sowohl der Individualkommunikation als auch der Massenkommunikation dienen können" (Brehm-Klotz 1990: 103). Neben Massen- und Individualkommunikation werden Systeme, die auf Informationsabruf und einseitige Kommunikation abzielen, und solche, die Informationsaustausch und wechselseitige Kommunikation zulassen, unterschieden (Brehm - Klotz 1990: 103). Für alle Optionen ist Computertechnologie einsetzbar.

Brehm-Klotz schreibt weiter, daß die IuK-Technologien eine Formalisierung von Tätigkeiten und Inhalten erfordern (Brehm-Klotz 1990: 105). Das ist aber nur der Fall, wenn die Computertechnologie als semiotisch dynamisches Medium verwendet wird. Für eine Verwendung als semiotisch statisches Medium ist eine Formalisierung nicht erforderlich. Ein Roman, der keine formalisierte Sprache verwendet, kann ohne weiteres mit der Computertechnologie transportiert werden. Formalisierung ist erst erforderlich, wenn ein Algorithmus erstellt werden soll. Daher werden hier unter IuK - Techniken Medien der Individual- und Massenkommunikation verstanden, die einseitige und wechselseitige Kommunikation unterstützten, aber keine Formalisierung erforderlich machen.

98 Diese uneinheitliche Verwendung ist vermutlich darauf zurückzuführen, daß die Beispiele auf der einen Seite im Detail unterschiedliche Übergänge zwischen Medien zeigen, auf der anderen Seite aber den gleichen Vorgang demonstrieren.

99 Wie Meder schreibt, operiert jede Reflexion auf einer Metaebene über einer Objektebene. So reflektiert z.B. Sprache auf die Musik (Meder 1995a: 14). Die Operation auf der Metaebene erfaßt die Objektebene dabei nicht vollständig, sondern betont einen Aspekt, der dabei überhöht wird, indem er die Objektebene gleichsam spiegelt. Die damit verbundene Auswahl wird hier stärker in den Mittelpunkt gerückt.

100 Wie Montessori (1989, S.281f.) schreibt, können Kinder alle Wörter einer phonetischen Sprache in Buchstaben umsetzen, wenn die Laute mit den Buchstaben assoziiert werden. Im Italienischen ist das möglich, da die orthografischen Regeln eng an die Sprechweise angelehnt sind. Im Deutschen ist das schwieriger, da die orthografischen Regeln bei vielen Worten von der Sprechweise abweichen.

101 Beavin, Jackson und Watzlawick unterscheiden zwei Kommunikationsebenen. Aus der Sicht medialer Reflexivität erscheint diese Annahme als Vereinfachung. Medien sind in eine komplexe reflexive Struktur eingebunden. Damit stehen im Kommunikationsprozeß nicht nur zwei, sondern eine Vielzahl von Kommunikationsebenen zur Verfügung. So ist beim Gespräch die gesprochene Sprache mit der Körpersprache gekoppelt, gleichzeitig reflektiert die Sprache auf die Musik. Damit ist schon Raum für Kommunikation, Metakommunikation und Metametakommunikation.

102 Sprache und Sprachmelodie werden mittels des Stimmorgans erzeugt. Die Sprachmelodie wird durch die Stimmbänder und Muskeln im Kehlkopf variiert. Die Laute, d.h. die Silben der Worte werden dagegen in der Mundhöle geformt. "Der Kehlkopf gibt nur die Stimme, die Vokale und Konsonanten werden durch Zunge, Gaumen, Lippen und Zähne gebildet. Man kann also auch nach Entfernung des Kehlkopfes reden, allerdings nur in Flüstersprache" (Lippert 1990: 599). Daß Melodie und Laute getrennt hervorgerufen werden läßt sich leicht ausprobieren: Bei geschlossenem Mund und fest an den Gaumen gepreßter Zunge können durchaus Melodien gesummt werden. Das Aussprechen von Worten ist jedoch nicht möglich. Diese Konfiguration des Sprechorgans bestimmt offenbar die mediale Reflexion der Sprache auf Musik.

103 Als Editoren werden Algorithmen zur Eingabe von alphanumerischen Zeichen bezeichnet. Eine bekannte Form von Editoren sind Textverarbeitungsprogramme.

Zwischen Computertechnologie und Editoren kann hier insofern unterschieden werden, als daß Editoren eine Verwendung von Computertechnologie als semiotisch statischem Medium darstellen.

104 Die Effekte der Medien sieht Innis als äußerst weitreichend. So stellt er fest, daß die Zeitphilosophie Einsteins die Entwicklungen im Kommunikationswesen widerspiegelt (Innis 1997b1957: 144).

105 Fernsehbilder scheinen mit ihrem hohen Verbreitungtempo und einer hohen Haltbarkeit diese Differenz wieder aufzuheben. Die Haltbarkeit eines Fernsehbildes beträgt jedoch nur ca. 1/25 Sekunde, ist also relativ gering. Anders stellt sich die Haltbarkeit von Videobändern dar, die jedoch nicht so schnell zu verbreiten sind.

106 Der Begriff ist mißverständlich. Der eingegebene Text wird von der Computertechnologie nicht im Sinne des Abarbeitens verarbeitet. Computertechnologie wird lediglich wie ein Radiergummi, d.h. als semiotisch statisches Medium verwendet. Darin unterscheiden sich die verschiedenen heute vorliegenden Textverarbeitungen nicht.

107 Es ist eine unüberschaubare Vielzahl an Ein- und Ausgabegeräten für die Computertechnologie verfügbar. So listet Funiok als Eingabevorrichtungen alphanumerische Tastatur, Maus, Tracker Ball, Joystick, Graphiktableaus, Lichtstifte, Berührungsbildschirme und Scanner auf. Als Ausgabemedien nennt er Bildschirm, Drucker, Plotter und gesprochene Sprache (Funiok 1993: 225f.)

Damit ist das Spektrum der Ein- und Ausgabegeräte nicht erschöpft. Die Liste läßt sich für Eingabegeräte fortsetzen mit Beleglesern, Mikrofonen, Sensoren für Spannungen, Ströme, ph - Wert, etc.; für Ausgabegeräte mit Diskettenlaufwerken, Robotern, Lasern, etc. Das militärische Arsenal von der automatischen Auswertung von Satelliten- und Radarbildern bis zur Steuerung von Cruise Missiles ist dann noch nicht berücksichtigt. Kurz: Eine vollständige Zusammenstellung ist äußerst aufwendig, erst recht eine jeweils detailliertere Analyse.

108 Vielleicht hat das Erfordernis dieses Umschaltens, durch die mit denselben Tasten der Text eingegeben und die Gestaltung vorgenommen wird, die Verbreitung der Maus begünstigt, da mit der Verwendung einer Maus zur Steuerung des Automaten die Trennung von Texteingabe (Tastatur) und Steuerung (Maus) beim Umgreifen mit dem Tastsinn erfahrbar ist.

109 Die Verwendung von Knoten und Links an Stelle von Buchstaben und Worten verändern die semiotische Struktur der Texte. Die Veränderungen hat Hammwöhner anhand von Kriterien, die an gedruckte Texte angelegt werden, herausgearbeitet. Hypertexte lassen sich demnach beurteilen anhand der Kohäsion als die Geschlossenheit von Hypertextknoten, der die Kohärenz als explizite Formulierung der semantischen Bezüge in Links, der Intentionalität als äußere Grenze des Hypertextes, der Akzeptabilität durch schnellen Zugriff auf relevante Informationen, der Informativität als Hilfe beim Zugriff auf gehaltvolle Textsegmente, der Situationalität als Auswahl der für die Leser relevanten Informationen und der Intertextualität als Konventionen zum Aufbau prototypischer Textmuster, die für Hypertexte noch nicht existieren (Hammwöhner 1993: 24ff.).

110 Das TCP/IP - Protokoll basiert auf zwei Ideen: Die erste ist der Aufbau eines Computernetzes, das nicht der Topologie eines Sterns mit einem zentralen Rechner in der Mitte, sondern einer Netztopologie mit verschiedenen Verbindungsmöglichkeiten zwischen den Knoten folgt ('distributed network'). Die zweite Idee ist es, die zu übertragenden Daten in kleine Pakete zu zerlegen, getrennt über die jeweils günstigste Verbindung in der Netztopologie zu übertragen und am Zielort wieder zusammenzusetzen ('packet switching'). Da das TCP/IP - Protokoll für verschiedene Computersysteme verfügbar ist, können Daten zwischen den Systemen verschiedener Hersteller und zwischen verschiedenen Teilnetzen übertragen werden. Vor allem letzteres führte dazu, die mit dem TCP/IP - Protokoll verbundenen Computer als 'Internet' zu bezeichnen (Musch 1997).

111 Verbreitete Algorithmen sind die 1971 eingeführte E - Mail und das seit 1978 verwendete Usenet; weitere Dienste sind Telnet, ftp, Archie, Veronica, Gopher, Jughead, IRC, MUDs, Mailinglists, Internettelefone, Videokonferenzen etc. (Musch 1997).

Die Vielfalt der Algorithmen führt zu einer neuartigen Stellung der Computertechnologie im Verhältnis von Individual- und Massenmedien. Sieht man die gesprochene Sprache und die Handschrift auf der einen Seite, dann stehen ihnen Buchdruck und Massenmedien auf der anderen Seite gegenüber; die Algorithmenvielfalt der Computertechnologie führt dann beides zusammen.

Mit der Diskussion der Serialität wurde schon gezeigt, daß Computertechnologie die Serialität von Massenmedien aufhebt. Das ist nicht so zu verstehen, daß der Distributionscharakter von Massenmedien verschwindet. Der Unterschied besteht vielmehr darin, daß dieses Verhältnis gestaltbar wird. Während etwa ein Radio kaum für das private Gespräch und ein Telefon nicht als Massenmedium geeignet ist, kann beides mit der Computertechnologie realisiert werden.

So stellt z.B. Schulz, der zwischen öffentlicher Massenkommunikation, die sich an ein großes anonymes Publikum richtet; der Telekommunikation, die eine nicht - öffentliche Verbindung zwischen einzelnen oder wenigen Partnerinnen und Partnern bezeichnet und den Nachrichtendiensten, die teils öffentlich und teils vertraulich arbeiten unterscheidet (Schulz 1994: 141f.) in bezug auf die Computertechnologie fest, daß die Grenzen zwischen diesen Bereichen durch die Computertechnologie unschärfer werden (Schulz 1994: 143). Sie können zwar noch an einzelnen Algorithmen festgemacht werden, aber diese lassen sich leicht ändern oder austauschen.

112 Ähnliches gilt auch für elektronische Briefe (Email), die über das Internet verschickt werden. Eine persönliche Email kann von jedem an das Internet angeschlossenen Rechner abgerufen und verschickt werden. Die Effekte im Vergleich zum Papierbrief sind offensichtlich.

113 McLuhan beschreibt die Wirkung der elektronischen Medien als Wiedereinsetzung der Stammesorganisation: "Spezialisierte Techniken zerstören die Stammesorganisation, die nichtspezialisierte Technik der Elektrizität stellt sie wieder her" (McLuhan 19641992: 37). Mit der 'Stammesorganisation' verweist er auf die Form der Beteiligung, die von der Zersplitterung unter mechanischen Bedingungen wieder zu dem intensiven Miterleben übergeht, das für orale Kulturen typisch ist. Für diesen Rückschritt zur Stammesorganisation bei gleichzeitiger weltweiter Kommunikation hat McLuhan das Schlagwort 'globales Dorf' geprägt. Angesichts seiner These, daß Dorfbedingungen Uneinigkeit, Teilung und Kampf hervorbringen (McLuhan 1969, S.332), Dörfer aber nicht durch Teilung und Kampf, sondern durch eine hohe Verbindlichkeit des Zusammenlebens gekennzeichnet sind, die durch Riten und Gesetze sichergestellt wird, ist die Dorfmetapher nicht nachvollziehbar. Möglicherweise ist diese Fehleinschätzung McLuhans auf seine Rezeption der verzerrenden Darstellung des Dorflebens auf Samoa durch Margaret Mead (Freeman 1983) zurückzuführen.

114 Ein Beispiel für den globalisierenden Effekt der Computertechnologie ist die Elektrifizierung des Geldes. Geld in Form von Münzen kann nur relativ langsam transportiert werden. Zwar führte die Einführung von Papiergeld - ab ca. 1260 in Form von Wechseln, mit der Einführung des Goldstandards im 18. Jh. als Währung (North 1994: 30, 148ff.) - wegen der damit weniger lukrativen Überfälle zu einer Erleichterung des Transports, erhöhte die Übermittlungsgeschwindigkeit aber kaum. Damit stellt Münz- oder Papiergeld ein erhebliches Hindernis für eine globalisierte Wirtschaft dar und erschwert Handel über große Distanzen. Die Umwandlung von Geld in einen digital - elektrischen Algorithmus beseitigt dieses Hindernis, weil solches Geld sofort an jeden Ort der Erde übermittelt werden kann. Dabei ändert es allerdings seine Eigenschaften. McLuhan hatte schon bemerkt, daß Elektrizifizierung den Geldbegriff in Frage stellt (McLuhan 1992: 163). Heute wird sichbar, in welcher Form das geschieht: Dem elektronisch global übermittelten Geld entspricht immer weniger ein Warenwert; derzeit liegt der Anteil bereits unter 10% (Bühl 1997: 56). Die Bedeutung, die pro Geldzeichen übertragen wird, sinkt.

115 Mit einer verstärkten Individualisierung ist keine bestimmte Veränderung der Ich-Wir-Balance gegeben. So stellt Elias fest, daß der jüngste Individualisierungsschub die Wir - Identität auf nationalstaatlicher Ebene eher verstärkt hat (Elias 1996: 279). Die Organisation durch soziale Einheiten auf einer neuen Integrationsstufe geht oft mit einem Beharren auf der früheren Wir - Identität einher (Elias 1996: 304).

116 Beispiele für Räume, in denen solche Gruppen gebildet werden, sind Mailinglisten, Newssgroups, IRCs, MUDs, Chaträume etc.

117 Der Charakter der Reise verändert sich nicht erst mit der Mobilfunktechnologie, sondern auch mit dem Brief, dem Telegrafen, dem Auto etc. Im der Absicht einer Analyse der Computertechnologie erscheint es jedoch sinnvoll, die Effekte am Beispiel der Mobilfunktechnologie zu zeigen.