Christian Swertz, Bielefeld

Pluralität und Ekstase. Anmerkungen zur didaktischen Organisation von Wissen in computerbasierten Lernsystemen.

Vorbemerkung

Ekstase fassen vernünftige Menschen nur mit spitzen Fingern an; sie ist nur als letztlich vage Beschreibung eines mythischen oder esoterischen Erlebnisses zur erfassen. Einer reflektierten Darstellung ist Ekstase nicht zugänglich. Nicht, weil sie das andere der Vernunft ist, sondern weil Ekstase das Ende der Vernunft ist. Von der vernünftigen Wissenschaft werden vernünftige Argumentationen aufgebaut. Die in der Struktur der Schrift liegenden Grenzen der Vernunft erzwingen eine Ausgrenzung der Intensität des Körpers, die sich nicht mit der Linearität des phonetischen Alphabets verträgt, und die, wenn sie mit voller Wucht daher kommt, jedes (druck-) technisch vermittelte Erlebnis blaß aussehen läßt.

Der vernünftigen Tradition zu folgen, ist beim Nachdenken über BAUDRILLARDS Schriften nicht einfach, weil BAUDRILLARD sich nicht die Förderung von Traditionen, insbesondere von traditionellen Herrschaftsstrukturen, wie sie in der Wissenschaft etabliert sind, sondern einen Angriff auf solche Strukturen vorgenommen hat. Wohl darum erzeugen seine Texte, wenn sie nicht mit kühler Distanz, sondern involvierend gelesen werden, einigen inneren Aufruhr, den ich zu glätten versucht habe in der Absicht, das Ergebnis so weit verträglich mit den Traditionen der Wissenschaft zu machen, daß es ein akzeptabler Zug im Wissenschaftsspiel ist.

Das Problem, das hier auf der Folie von BAUDRILLARDs Analyse untersucht wird, ist die Veränderung der didaktisch motivierten Wissensorganisation, die sich aus der Pluralität von Wissen ergibt. Auf BAUDRILLARD wird zurückgegriffen, weil er die Idee der Pluralität kritisch in den Blick nimmt. Seine Kritik wird hier für die kritische Reflexion der didaktischen Organisation pluralen Wissens genutzt.

Die These ist: Die Pluralität von Wissen erfordert, daß mit didaktisch gestalteten Hypertexten Bildung betrieben wird. Wird mit didaktisch gestalteten Hypertexten Bildung betrieben, stabilisiert Pädagogik das von BAUDRILLARD diagnostizierte hyperreale System. Ekstatisches Navigieren in Hypertexten überwindet das System und damit zugleich jede Pädagogik.

Die Argumentation folgt den drei Aspekten der These:

Von der Gewißheit zur Ungewißheit

LYOTARD schreibt in seinem Bericht. Das 'postmoderne Wissen' über das moderne Wissen: "Eine wissenschaftliche Aussage ist dann und nur dann ein Wissen, wenn sie sich selbst in einen universellen Prozeß der Hervorbringung einordnet" (LYOTARD 1994, S.114). Wenn alles Wissen auf einen universellen Prozeß bezogen wird, können wir des Wissens gewiß sein dafür bürgt der universelle Prozeß, der das Wissen hervorbringt. Weil dieser eine universelle Prozeß jedes Wissen hervorbringt, garantiert der Prozeß zugleich die Einheit des Wissens, da jedes Wissen auf diesen Prozeß bezogen werden kann. Insofern ist Gewißheit mit der Einheit von Wissen verbunden. Wer zweifelt, hat das Wissen nicht verstanden.

Die in unserer Kultur dominante Erzählung der Einheit des Wissens ist der Monotheismus. Wenn es nur einen Gott gibt und die Welt nur durch diesen Gott ist, dann ist jede Wahrheit nur aus und durch diesen Gott möglich: Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben" (JOHANNES 14,6). Alles Wissen, das Gott gemäß ist, ist auf Gott bezogen und findet in ihm sein einheitliches Prinzip. Gott garantiert für die Wahrheit des Wissens, der Glaube an ihn beendet den Zweifel.

Die zweite wichtige Erzählung der Einheit des Wissens in der abendländischen Kultur ist die Erzählung der Philosophie als Metawissenschaft, die alle anderen Wissenschaften grundlegt. Diese Erzählung spiegelt sich in philosophischen Systematiken, die alles Wissen erfassen; z. B. in dem Schema der artes liberales, der sieben freien Künste mit dem Trivium (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und dem Quadrivium (Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik) oder 1 in der Dreiteilung in Logik, Ethik und Physik. Die Philosophie liefert ein einheitliches Prinzip des Wissens und leistet auf dieser Grundlage die Einordnung des Wissens aller Fächer in eine Systematik. Die Philosophie garantiert für die Einheit des Wissens in dem System, die Über-nahme von Wissen in das System beendet den Zweifel.

Ein Aspekt der Erzählung der Philosophie als grundlegender Metawissenschaft ist die Erzählung der Vollständigkeit des Wissens. Diese Idee, die nach KRÄMER auf RAIMUNDUS LULLUS zurückgeht und von LEIBNIZ zum Programm gemacht wurde, ist für das Informationszeitalter in Form der Computertechnologie zentral geworden. LEIBNIZ entwirft die Idee einer ,scientia generalis'. Er will ein System von in sich selbst einsichtigen und nicht zerlegbaren Begriffen aufstellen, aus denen alle anderen Begriffe abgeleitet werden. Mittels der Übertragung dieser Begriffe und ihrer Relationen in ein abstraktes Zeichensystem (,characteristica universalis') ist dieser Vorgang mechanisierbar. Es können automatisch alle Begriffe vollständig abgeleitet werden (KRÄMER 1988, S. 88ff.). Wenn auf diese Weise alle möglichen Begriffe der Welt gefunden wurden, dann erhält man vollständiges Wissen, das nach einem einheitlichen Prinzip erzeugt worden ist. Computertechnologie ist die späte Vollendung der Leibnizschen Maschine. Die Maschine garantiert für das Wissen in diesem System, die Vollständigkeit beendet den Zweifel.

Der Versuch, alle Wissenschaften durch ein solches System auf ein einheitliches Prinzip zu stellen, wird von WITTGENSTEIN in zwei Schritten destruiert. Den ersten Schritt der Destruktion macht der frühe WITTGENSTEIN, der eine a priori systematisch geschlossene Logik entwirft. Diese Logik erlaubt es, die Welt vollständig und wahr zu beschreiben (VOSSENKUHL 1995, S. 98ff.). WITTGENSTEIN treibt in der Logik des Tractats die einheitliche Grundlage des Wissens auf die Spitze, indem alle logischen Operationen auf einen Einheitsoperator zurückgeführt werden (MEDER 1987, S. 82ff.). Dieser Einheitsoperator wird auf die Elementarsätze angewandt und macht es möglich, vollständiges Wissen aus einem einheitlichen Prinzip heraus dadurch zu erzeugen, daß alle möglichen Anwendungen des Operators auf die Elementarsätze durchgeführt werden. Die Elementarsätze und der Einheitsoperator sind der universelle Prozeß, der für die Einheit des Wissens garantiert.

Der Tractat ist nun so angelegt, daß das Wissen über die Welt, nicht aber das Wissen über die Logik vollständig sein kann: "Der Satz kann die gesamte Wirklichkeit darstellen, aber er kann nicht das darstellen, was er mit der Wirklichkeit gemein haben muß, um sie darstellen zu können die logische Form" (WITTGENSTEIN, TR 4.12). Wenn die logische Form nicht dargestellt werden kann, ist das Wissen zwar einheitlich, aber prinzipiell unvollständig2. Die von RAIMUNDUS LULLUS formulierte Idee eines mit Hilfe der Logik erzeugten, letztlich vollständigen Wissens wird damit von WITTGENSTEIN über Bord geworfen, die Idee der Einheit des Wissens aber beibehalten.

Aufgegeben wird die Idee der Einheit des Wissens vom späten WITMENSTEIN. Der entscheidende Bruch besteht darin, daß der späte WITTGENSTEIN Wirklichkeit nur noch als sprachlich gegebene Wirklichkeit denkt. Denken, Sprache und Wirklichkeit stimmen überein, weil ein Sprachspiel einer Grammatik folgt. Die Grammatik ist die Struktur des Sprachgebrauchs, die sich in der Sprache zeigt (VOSSENKUHL 1995, S. 137).

Nun gibt es nicht eine Grammatik, einen Sprachgebrauch, eine Sprache und ein Sprachspiel, sondern viele: "Statt etwas anzugeben, was allem, was wir Sprache nennen, gemeinsam ist, sage ich, es ist diesen Erscheinungen gar nicht Eines gemeinsam, weswegen wir für alle das gleiche Wort verwenden, sondern sie sind miteinander in vielen verschiedenen Weisen verwandt" (WITTGENSTEIN, PU S. 65). Es gibt kein einheitliches Prinzip, sondern durch Familienähnlichkeiten verbundene Sprachspiele mit je eigenen Grammatiken. Da nicht allen Sprachspielen eines gemeinsam ist, lehnt WITTGENSTEIN die Vorstellung eines allumfassenden Metasprachspiels, das die Prinzipien aller Sprachspiele in sich vereinigt, ab. Es läßt sich keine Grammatik finden, die allen Sprachspielen gemeinsam ist.3 Mit dem Sprachspielansatz ist es unmöglich, Wissen auf den einen universellen Prozeß zurückzuführen.

Die prinzipielle Vielfalt der Grammatiken erfaßt die Pluralität des Wissens. Die Konsequenz aus der Pluralität des Wissens hat LYOTARD als Verschiebung des Prinzips der Vernunft bezeichnet: "Das Prinzip einer universellen Metasprache [ ... ] ist durch das der Pluralität formaler und axiomatischer Systeme ersetzt" (LYOTARD 1979, S. 128). Das sieht auch BAUDRILLARD so, der die Idee eines einheitlichen Systems als "die irrwitzige Illusion, die Welt unter einem Prinzip vereinen zu können" (BAUDRILLARD 1976, S. 93) bezeichnet.

Mit dem Übergang des Wissens in den Zustand der Pluralität verlieren die großen Erzählungen, wie die von Gott, von der Einheit und der Vollständigkeit des Wissens ihre Kraft. Wissen kann nicht mehr den Eindruck erwecken, daß es ; wenigstens prinzipiell auf eine universelle Einheit zurückführbar ist. Ohne eine universelle Einheit kann keine letzte Gewißheit mehr versprochen werden. Wissen trägt im Zustand der Pluralität stets den Zweifel in sich. Es ist jederzeit mit einem Irrtum zu rechnen. Das stellt die Pädagogik vor neuartige Probleme in der didaktischen Organisation von Wissen.

Vom Text zum Hypertext

Unter Voraussetzung der Einheit des Wissens ist es didaktisch empfehlenswert, das Wissen nach einem einheitlichen Prinzip zu ordnen. Die Einheit des Wissens wird dominiert vom auf Papier gedruckten phonetischen Alphabet, das wir als Schriftsprache bezeichnen. Unsere Schriftsprache ist ein visuelles, serielles und lineares Medium, das die Wahrnehmung einheitlich strukturiert und die systematische Anordnung von Wissen nach dem einheitlichen Prinzip des Alphabets nahelegt.4 Die praktische Realisierung der Ordnung des Wissens nach einem einheitlichen Prinzip ist die Enzyklopädie. In Enzyklopädien, ursprünglich als Lehrbücher gedacht, wird das Wissen, und zwar das vollständige Wissen, systematisch nach einem einheitlichen Prinzip geordnet.

Das Projekt einer solchen Enzyklopädie wird nach SANDKÜHLER erstmals 1630 von Johann Heinrich ALSTED versucht. Für ALSTEDT ist die philosophische Enzyklopädie die einheitliche Darstellung der Gesamtheit des Wissens. Er entwickelt einen Kanon von 35 Fächern, die - und das ist neu - alle in einem System vereinigt werden. ALSTEDT begründet dabei den Zusammenhang der Fächer und die Stellung der Fächer zueinander methodisch-rational (SANDKÜHLER 1984, S. 738). Er folgt der zweiten großen Erzählung der Einheit des Wissens, der Philosophie als Metawissenschaft.

ALSTEDT ist aus pädagogischer Sicht interessant, weil er einen prominenten Schüler hat, der die Idee der enzyklopädischen Präsentation von Wissen aufgreift: Jan Amos KOMENSKY, der unter seinem Gelehrtennamen Comenius bekannt geworden ist. COMENIUS entwirft ein System, das alles Wissen nach einheitlichen Kriterien miteinander verbindet. Dies soll den realen, von Gott gestifteten Zusammenhang der Dinge widerspiegeln (SANDKÜHLER 1984, S. 740). COMENIUS folgt der Erzählung von Gott als Garant der Einheit des Wissens.

COMENIUS setzt nach BLÄTTNER für die Vermittlung des Wissens auf das didaktische Medium des Buchdrucks. COMENIUS schreibt Lehrbücher - sein bekanntestes ist das Orbis sensualium pictus - die alle alles lehren sollen. Seine Absicht ist, den - modern gesprochen - personalen Unterricht durch das Medium des gedruckten Buches zu ersetzen. Veranlaßt wird COMENIUS zu diesem Projekt durch den schnellen Fortschritt der Wissenschaften. Er sieht, daß angesichts des raschen Fortschritts nicht genügend Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen, die die neuen Einsichten selbst besitzen, und will sie daher durch Bücher ersetzen (BLÄTTNER 1961, S. 60f.).

Der schnelle Fortschritt der Wissenschaft, die deswegen fehlende Kompetenz von Lehrerinnen und Lehrern, das daraus resultierende Erfordernis eines technischen Lehrmediums - das sind Analysen, die überraschend aktuell klingen. In der Tat macht die Parallelität zum programmierten Lernen von dieser Stelle aus einen Sprung in die jüngere Vergangenheit möglich, zum Konzept des programmierten Lernens, wie FLECHSIG es vertritt.

In seinem für das programmierte Lernen zentralen Aufsatz über die ,Technologische Wende der Didaktik' schreibt FLECHSIG: "Wie darzustellen ist, birgt die neu entstehende Unterrichtstechnologie alle Chancen, den wachsenden Bedarf an Bildung und Ausbildung in unserer Gesellschaft quantitativ und qualitativ nicht nur zu decken, sondern darüber hinaus neue Bevölkerungsgruppen zu motivieren, sich für langfristige Bildungswege zu entscheiden und damit weiteren Bedarf zu wecken" (FLECHSIG 1976, S. 15).

Wie bei COMENIUS besteht die Herausforderung darin, allen alles unter der Bedingung schnellen Wandels zu lehren. Alle zu lehren wird bei FLECHSIG zum Problem der Motivation neuer Bevölkerungsgruppen für langfristige Bildungswege, alles zu lehren zum Problem des hohen quantitativen Bedarfs, und die schnelle Veränderung der Wissenschaft wird zum Problem der Quali-tät der Vermittlung. Obwohl das Bildungsziel FLECHSIGS ein ganz anderes als das von COMENIUS ist - COMENIUS zielt auf die Erkenntnis von Gottes Willen in der Schöpfung, FLECHSIG auf die Emanzipation aus Systemen der Bevormundung -, ist die Organisation des Wissens in beiden Fällen enzyklopädisch.

Die enzyklopädisch-systematische Anordnung des Wissens wird bei FLECHSIGs Konzept des programmierten Lernens durch das Curriculum geleistet. Ein Curriculum orientiert sich an Leitzielen, die als einheitliches Prinzip das zu vermittelnde Wissen strukturieren. Zwar deutet sich bei FLECHSIG mit der Option, zwischen Curricula zu wählen (FLECHSIG 1976, S. 32), die Pluralität von Wissen an. Ist die Entscheidung für ein Curriculum aber gefallen, wird das Wissen der Systematik des Curriculums gemäß geordnet. Beim programmierten Lernen wird darüber hinaus die didaktische Strategie vor dem Lernprozeß festgelegt. Gelernt wird das Wissen in einem Frage-Antwort-Erläuterung-Spiel. Die Abfolge der Fragen, Antworten und Erläuterungen wird von Programmiererinnen und Programmierern nach Maßgabe des Curriculums und der didaktischen Strategie bestimmt. Das Wissen wird also nach einer einheitlichen Systematik und nach einer einheitlichen didaktischen Strategie geordnet.

Damit bleibt programmiertes Lernen der Idee der Einheit des Wissens verhaftet. Ein Umgang mit pluralem Wissen wird nicht gelernt, weil die Organisationsstruktur des Wissens dem zuwiderläuft. Die Anordnung des Wissens vermittelt das Wissen so, als ob es ein einheitliches System des Wissens gäbe. Angesichts der Pluralität von Wissen ist programmiertes Lernen daher ungeeignet, den Umgang mit Wissen zu lernen.

Der Übergang von der Einheit zur Pluralität kommt bei der Organisation der wissenschaftlichen Wissen im Übergang von Enzyklopädien zu Lexika zum Ausdruck.5 Lexika verzichten auf ein einheitliches Prinzip zur Darstellung von Wissen. Statt dessen wird mit Verweisen eine Vernetzungsstruktur aufgebaut, in der es möglich ist, Elemente widersprüchlichen Wissens in einem Text miteinander zu verbinden.

Mit Hypertexten werden der lexikalische und der enzyklopädische Ansatz integriert und weiterentwickelt. Wissen wird in einem Netzwerk abgebildet. Die Verweisstruktur von Hypertexten kommt wie ein Lexikon ohne einheitliche Systematik aus.6 Dabei muß nicht auf Systematik verzichtet werden. Systematiken wie in Enzyklopädien werden lokal angelegt und mit unsystematischen Verknüpfungen kombiniert; es ist auch möglich, Wissen nach verschiedenen Systematiken angeordnet zu präsentieren. Damit sind Hypertexte der Kombination von Enzyklopädie und Lexikon in gedruckter Form, z. B. in der Enzykolpaedia Britannica oder der Enzyklopädie Erziehungswissenschaft, überlegen, da solche Systeme jeweils nur eine Systematik anbieten.7 Zudem verwenden Hypertexte, anders als Lexika, unscharfe Ränder, wenn sie offen konzipiert sind, d. h. aus dem jeweiligen Zusammenhang hinaus verweisen.

Eine einheitliche didaktische Strategie - und das ist mit computerbasierten Hypertexten erstmals medial repräsentierbar - ist ebenfalls nicht erforderlich. Während die Abfolge der Seiten in einem Buch mit dem Druck festgelegt ist, und die Lernabfolge beim programmierten Lernen nach der Programmierung nicht mehr verändert wird, kann die Netzstruktur von Hypertexten fortlaufend aktualisiert werden. Damit kann die didaktische Strategie im Lernprozeß geändert werden. Die Pluralität von Wissen kommt so in der pluralen didaktischen Organisation von Wissen zum Ausdruck. Individuelle Navigation ist gefordert, und der Umgang mit pluralen Wissen wird gelernt.

Damit wird in didaktischen Hypertextumgebungen ein anderes Bil-dungsziel als beim programmierten Lernen erreicht: Unter der Bedingung der Einheit von Wissen ist das Wissen dann verstanden, wenn das einheitliche Prinzip erkannt wird. Unter der Bedingung der Pluralität von Wissen ist Verständnis dann erreicht, wenn ein Wissen in ein anderes Sprachspiel gestellt werden kann. Das verändert die Anforderungen an die Lehrenden es hebt sie gleichsam eine Stufe höher. Statt Wissen zu organisieren und dann zu präsentieren, geht es unter pluralen Bedingungen darum, Heuristiken der Wissensorganisation zu vermitteln.

Hypertexte sind also ein Medium, das die Auseinandersetzung mit pluralem Wissen unterstützt. Vorausgesetzt, Wissen soll an Computertechnologie zu Lehr-Lernzwecken gebunden werden, sind nach Prinzipien der didaktischen Navigation konzipierte Hypertexte die geeignete Struktur, Wissen zu organisieren und Aufklärung über Wissen zu betreiben.

Nun mag die Empfehlung, Bücher im Bildungsprozeß durch computerbasierte Hypertexte zu ersetzen, als revolutionär, als Angriff auf die gesicherten Fundamente unserer Kultur, die sich im gedruckten Buch manifestieren, erscheinen. Nach didaktischen Kriterien konzipierte Hypertexte sind jedoch weniger bedenklich, als es zunächst erscheinen mag.

Von der Ausgrenzung zur Ekstase

In den beiden diskutierten Fällen, unter der Bedingung einheitlichen Wissens und unter der Bedingung pluralen Wissens, unterbricht Wissenschaft den symbolischen Tausch mit Wissen durch die Einführung des Prinzips der Vernunft. Damit komme ich zu BAUDRILLARD. Meine These ist: Vernunft als einheitliches Prinzip der Wissenschaft konstituiert die Macht von Wissenschaft. Wenn die Macht gebrochen werden soll, ist das Prinzip der Vernunft anzugreifen. Das Prinzip der Vernunft ist die Ausgrenzung des Unvernünftigen.

Aufklärung über Wissen heißt unter der Bedingung einheitlichen Wissens, daß zur Erkenntnis des Prinzips des Wissens angeleitet wird. Die sich Bildenden werden so in die Lage versetzt, das Wissen anhand ihrer Kenntnis des Prinzips des Wissens selbst zu beurteilen und Wissen selbst hervorzubringen; kurz: ihre Vernunft zu gebrauchen und den Ausgang aus der eige-nen Unmündigkeit zu finden. Vernunft als das universelle Prinzip des Wissens wird dabei nicht in Frage gestellt. Insofern ist das nach der Vernunft als einheitlichem Prinzip systematisch geordnete Wissen dogmatisch: Es duldet kein anderes Wissen neben sich. Das Prinzip wird absolut gesetzt; eine Diagnose, die BAUDRILLARD u.a. bei MARX und FREUD stellt: "Die Analysen von Marx und Freud sind kritisch. Aber weder die eine noch die andere ist es in bezug auf die jeweilige Abtrennung ihrer Domäne. Sie sind sich des Einschnitts, der sie begründet, nicht bewußt" (BAUDRILLARD 1976, S. 360). Das heißt: Wissenschaft beansprucht unbewußt absolute Macht über das Wissen.

Aufklärung verändert nun ihren Status mit der Pluralität von Wissen. Plurales Wissen kann nicht mehr ideologisch wie einheitliches Wissen sein, weil anderes Wissen nicht von vornherein als falsch abgetan werden kann. Jedes Wissen muß immer auch in Frage gestellt werden, indem das Prinzip des Wissens kritisiert wird. Jedes Wissen muß anderes Wissen neben sich dulden.

Aufklärung über Wissen zu betreiben heißt unter der Bedingung der Pluralität, die verschiedenen Legitimationsprinzipien des Wissens kennenzulernen und anwenden zu können. Daran wird der neue Status der Aufklärung sichtbar: Aufklärung bezieht sich nicht mehr auf das Wissen, sondern auf das Prinzip des Wissens. Aufklärung zu betreiben heißt also nicht mehr, das Prinzip des Wissens zu kennen, sondern verschiedene Legitimationsverfahren zu kennen. Das macht es für aufgeklärte Menschen erforderlich, Prinzipien der Prinzipien zu finden, was nur lokal, d. h. subjektiv möglich ist. Gebildete Menschen sind dann nicht mehr daran erkennbar, daß sie Wissen nach dem Prinzip des Wissens produzieren das ist selbstverständlich; es gilt vielmehr, Prinzipien des Wissens zu produzieren, d. h. Sprachspiele zu erfinden. Weil es für die Produktion von Prinzipien kein Prinzip geben kann, können sich Sprachspiele nicht an sich, sondern nur im Diskurs bewähren.

Es sieht so aus, als ob die wissenschaftliche Ideologie der absoluten Macht über das Wissen damit gebrochen ist jedes Wissen kann aus Sicht eines anderen Legitimationsprinzips in Frage gestellt werden. Der Verzicht auf die Anwendung eines Legitimationsprinzips wird jedoch auch unter pluralen Bedingungen aus der Wissenschaft ausgeschlossen. Wissenschaft bleibt daher auch dann dogmatisch, wenn sie plurales Wissen produziert. Vernunft behält ihren Status als universelles Prinzip der Wissenschaft.

Ein pädagogisches Beispiel dafür ist die didaktische Verwendung von Hypertexten. GABRIEL schreibt: je stärker die didaktische Ausrichtung eines Hypertextsystems ist, desto mehr wird man sich Gedanken über die Konstruktion der Verknüpfungen machen müssen. Denn den Benutzer will man auf dann meist vorgegebenen Wegen (guided tours) zu bestimmten Erkenntnissen führen" (GABRIEL 1997, S. 63). Der vorgegebene Weg das ist der Weg, den die Vernunft gebietet. Unvernünftige Navigation gilt es zu verhindern. Pädagogisch motivierte Navigation in Hypertextstrukturen wie dem WorldWideWeb steht, egal ob als gerichtetes Browsen mit Mitnahme- oder Serendepity-Effekt, ob als ungerichtetes oder assoziatives Browsen, immer unter dem Scheffel der Vernunft. Das ist auch der Fall, wenn der Zweck des Lernens in der didaktischen Strategie des problemorientierten Lernens durch die Lernenden selbst gesetzt wird. Zweck des Hypertextes ist es dann, das Problem des Lernenden zu lösen. Gelernt wird nicht irgendein Umgang mit pluralem Wissen, sondern ein vernünftiger Umgang mit pluralem Wissen. Die Ideologie der Vernunft bleibt bestehen, sie wird lediglich auf eine neue Stufe gehoben.

BAUDRILLARD bezeichnet diese neue Stufe als Hyperrealität. Daß es nicht mehr um Zeichen geht, die noch auf eine wie immer geartete Wirklichkeit referieren, sondern nur noch um Zeichen, die sich auf andere Zeichen beziehen, wird am Übergang vom Wissen als Gegenstand der Aufklärung zum Legitimationsprinzip des Wissens als Gegenstand der Aufklärung deutlich. Nach BAUDRILLARD ist nun das Prinzip der Macht das Aufbrechen des symbolischen Tausches. Das Aufbrechen gelingt durch Ausgrenzung. BAUDRILLARD sieht die erste und immer noch bestimmende Ausgrenzung in der Ausgrenzung des Todes. "Die Toten sind der erste reservierte Bereich, der allein durch die obligatorische Vermittlung der Priester dem Austausch wieder übergeben werden kann" (BAUDRILLARD 1976, S. 204). Der unmittelbare Austausch, den BAUDRILLARD als symbolischen Tausch bezeichnet, wird durch die Priester unterbrochen. Der Austausch mit dem Tod wird nur noch über das religiöse System vermittelt zugelassen. Heute ist es, wie BAUDRILLARD schreibt, nicht mehr normal, tot zu sein. Der Tod hat keinen Ort in Raum und Zeit, er ist einfach nicht mehr aufzufinden.

Die von BAUDRILLARD beschriebene Strategie der Ausgrenzung des Todes findet sich im universellen Prinzip bei COMENIUS, der auf einen monotheistischen Gott und das von ihm versprochene ewige Leben setzt und damit die Abspaltung des Todes betreibt. Das gleiche Prinzip der Ausgrenzung findet sich bei FLECHSIG, der auf die Emanzipation setzt und damit die Unvernunft abspaltet: Aufklärung als Methode mit Emanzipation als Ziel grenzt, wie HORKHEIMER und ADORNO in der 'Dialektik der Aufklärung' gezeigt haben, den Mythos aus dem Wissen aus. Diese Ausgrenzung ist konstitutiv für die Macht von Wissenschaft. Weil wissenschaftliche Pädagogik auf der Ausgrenzung des Mythos beruht, bleibt der Mythos Bezugspunkt von vernünftiger Pädagogik. Die Aufklärung wird den Mythos nicht los, sie trägt ihn als Referenzpunkt stets in sich. Praktische Pädagogik, die sich die Vermittlung vernünftigen Wissens vorgenommen hat, gewinnt ihre Macht dadurch, daß sie mystisches, esoterisches oder sonstwie verdächtiges Wissen als unvernünftiges Wissen aus-grenzt, indem es mit den Mitteln der Vernunft angegriffen wird. Der symbolische Tausch der Lernenden mit Wissen wird durch die Ausgrenzung verhindert. Lernende dürfen sich nur so mit Wissen auseinandersetzen, wie es die pädagogische Ideologie gebietet. Kurz: Pädagogik kontrolliert den Zugang zu Wissen, die Quelle der dazu erforderlichen Macht ist die Ausgrenzung des Unvernünftigen. Auch die wissenschaftliche Pädagogik basiert auf diesem Machtmechanismus, den BAUDRILLARD als universellen Machtmechanismus auch in der Ökonomie, der Mode, der Poesie usw. nachweist. Wenn Pädagogik einen vernünftigen Umgang mit pluralem Wissen durch geeignete didaktische Strategien vermittelt, dann trägt sie zur Stabilisierung des hyperrealen Systems bei und wird zum unverzichtbaren Bestandteil des Systems.8

BAUDRILLARD diagnostiziert die Ausgrenzung als das universelle Prinzip der Macht. Dieses Prinzip wird durch den symbolischen Tausch überwunden. Die Macht des Systems wird gebrochen, indem der symbolische Tausch von den Menschen wieder selbst vollzogen wird. Der symbolische Tausch wird von BAUDRILLARD bestimmt als das Ende der Trennung. "Das Symbolische macht Schluß mit diesem Code der Trennung und den getrennten Teilen. Es ist die Utopie, die Schluß macht mit der Topik von Seele und Körper, Mensch und Natur, Realem und Nicht-Realem, Geburt und Tod" (BAUDRILLARD 1976, S. 210). Möglich ist der symbolische Tausch jederzeit, weil die Macht auf das Ausgegrenzte nicht verzichten kann. Das Ausgegrenzte wird nicht vernichtet, sondern verdrängt; es bleibt vorhanden.

Die Zeit der symbolischen Handlung ist für BAUDRILLARD die Initiation. So wird der Tod in der Initiation weder beschworen noch überschritten, sondern gesellschaftlich artikuliert (BAUDRILLARD 1976, S. 206). Didaktisch gewendet ist die Methode der Initiation der Ritus. Die Sozialform ist der Zustand der Ekstase, in dem die Initiation vollzogen wird. Der Gegensatz von Gewißheit und Ungewißheit wird im Zustand der Ekstase aufgehoben.9 In der Ekstase gibt es keine Gewißheiten oder Ungewißheiten, keine Einheit oder Pluralität. Ekstase ist das Ende jeder Dialektik. In der Ekstase wird der symbolische Tausch vollzogen. Damit durch Hypertexte navigierenden Menschen das gelingt, dürfen sie kein vernünftiges Ziel verfolgen. Ekstatisches Navigieren hat keinen Zweck. Es ist sinn- und ziellos. Es ist der Zustand, in dem ein symbolischer Tausch mit dem Wissen stattfindet. In der Ekstase wird jeder Zweifel beendet, jeder Gegensatz und jede Ausgrenzung aufgehoben. Ekstase in diesem Sinne ist etwas, was in unserer Gesellschaft strikt verboten ist.

Ekstatische Navigation beendet jede Pädagogik. Das in Ekstase erworbene Wissen ist keine Erkenntnis, sondern Erfahrung. Jede mitteilbare Erkenntnis setzt immer schon den Mechanismus der Abspaltung, setzt immer schon Sprache voraus. Das im ekstatischen Zustand erworbene Wissen ist aber nicht mitteilbar, weil die Ekstase, in der der symbolische Tausch vollzogen wird, ein privates Erlebnis im WITTGENSTEINschen Sinne ist und wir über eine Sprache, die dies mitteilbar macht, nicht verfügen (HINTIKKA / HINTIKKA 1996, S. 346).

Nachbemerkung

Wie ein Hypertext strukturiert sein muß, damit ekstatische Navigation gefördert wird, ist nicht zu bestimmen. Es kann kein sicherer Weg angegeben werden, auf dem Ekstase erreicht wird. Für die Pädagogik ist das kein neues Problem, gibt es doch keinen sicheren Weg, um die der Vernunft verpflichtete Bildung zu erreichen. Zwar kann ein Weg empfohlen werden; das Ziel erreichen müssen die Lernenden selbst Bildung ist nur als Selbstbildung möglich (HUMBOLDT 1979, S. 28). Ebenso können Situationen angegeben werden, in denen ekstatische Zustände eher erreicht werden als in anderen in Ekstase bringen müssen sich die Menschen selbst. Der symbolische Tausch muß selbst vollzogen werden, ohne Vernunft, ohne pädagogische Anleitung in ritueller Ekstase. An dieser Stelle endet die Pädagogik. Revoltieren müssen die Lernenden selbst.

Literatur

BAUDRILLARD, J. (1991): Der symbolische Tausch und der Tod. München (frz. Original: L' échange symbolique et la mort, Paris 1976).

BLÄTTNER, F. (1961): Geschichte der Pädagogik. 10. Aufl. (7. Aufl. überarb.). Heidelberg.

Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984.

FLECHSIG, K.;H. (1976): Die technologische Wendung in der Didaktik. In: Issing, L. J. (u.a.): Unterrichtstechnologie und Mediendidaktik. Weinheim, S. 11-14 (zuerst: Die technologische Wendung der Didaktik. In: Dohmen, G. / Maurer, F. / Popp, W.: Unterrichtsforschung und didaktische Theorie. ;München 1972, S. 243-262).

GABRIEL, N. (1997): Kulturwissenschaften und Neue Medien. Wissensvermittlung im digitalen Zeitalter. Darmstadt.

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HINTIKKA, M. B / HINTIKKA, J. (1996): Untersuchungen zu Wittgenstein. Frankfurt a. M.; engl. Original: Investigating Wittgenstein. Oxford 1986.

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HORKHEWER, M. / Adorno, T. W. (1988): Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt a. M. (Erstausgabe: New York 1944).

HOFSTADTER, D. R. (1996): Gödel Escher Bach. Ein endloses geflochtenes Band. 5. Aufl. München (Original: An eternal golden Braid. New York 1979).

KRRÄMER, S. (1988): Symbolische Maschinen. Die Idee der Formalisierung im historischen Abriß. Darmstadt.

KUHN, T. S. (1962): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. 5. Aufl. (2. Aufl. überarb.). Frankfurt a. M. (Original: The Structure of Scientific Revolutions. Chicago 1962).

LYOTARD, J.;F. (1986): Das postmoderne Wissen. Ein Bericht. Wien 1986 (Original: La condition postmoderne, 1979).

MCLUHAN, M. (1992): Die magischen Kanäle. Düsseldorf (Original: Understanding Media, 1964).

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SANDKÜHLER, H.J. (1990): Enzyklopädie. In: SANDKÜHLER, H.;J. (Hrsg.): Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften. Hamburg, S. 738-757.

VOSSENKUHL, W. (1995): Ludwig Wittgenstein. München.

WITTGENSTEIN, L. (1922): Tractatus logico philosophicus. 9. Aufl. Frankfurt a. M. 1993 (Erstausgabe: London 1922) [zitiert als TR].

WITTGENSTEN, L. (1953): Philosophische Untersuchungen. 9. Aufl. Frankfurt a. M. 1993 (Erstausgabe: Oxford 1953) [zitiert als PU].

1 Der Umstand, daß Aristoteles eine andere Systematik entwickelt als Platon (Hedrich 1998, S. 269) zeigt, daß die Philosophie verschiedene Systematiken kennt. Die Verwendung verschiedener Systematiken deutet bereits die Pluralität des Wissens an. Dagegen erlaubt ein monotheistischer Gott keine anderen Götter und damit auch keine anderen Wahrheiten neben sich.

2 Der bekannteste Nachweis des Umstands, daß Wissenschaft prinzipiell unvollständiges Wissen produziert, ist der GÖDELSCHE Unvollständigkeitssatz, dessen bekannteste für mich verständliche Darstellung sich bei HOFTSTADTER (1996, S. 292ff.) findet.

3 Während eine globale Grammatik damit unmöglich ist, bleibt eine lokal verbindliche Grammatik als Basis einer Wissenschaft sinnvoll. Eine lokal verbindliche Grammatik kann im Anschluß an KUHN auch als Paradigma bezeichnet werden (KUHN 1981, S. 25).

4 Diese Einschätzung ist der Analyse McLUHANS entnommen (MCLUHAN 1992, S. 103).

5 Bereits 1889 ist am Scheitern der Allgemeinen Enzyklopaedie von ERSCH und GRUBER nach 167 erschienen Bänden (HEDRICH 1998, S. 267) deutlich sichtbar, daß wissenschaftliches Wissen nicht vollständig systematisch zusammengestellt werden kann.

6 Hypertexte werden hier als Beispiel herangezogen, weil an der Relation von Hypertexten zu gedruckten Texten der gemeinte Übergang gut sichtbar ist. Die plurale Präsentation von Wissen ist auch mit anderen Medien möglich, wobei eine didaktisch motivierte Medienwahl Medienstruktur und Wissensstruktur abgleichen sollte.

7 Zwar ist es prinzipiell möglich, auch in Büchern verschiedene Systematiken alternativ anzubieten. Das Datenvolumen oder der Zugriffsaufwand würde diese Strategie den Leserinnen und Lesern aber schnell verleiden. Dagegen ist es mit Hypertexten möglich, denselben Wissensbestand nach verschiedenen Systematiken zu klassifizieren und nach einer jeweils gewählten Systematik zu präsentieren.

8 Vielleicht wäre dies als Argument für eine deutliche Erhöhung der Bildungsausgaben (und der Ausgaben für pädagogische Forschung) zu gebrauchen.

9 Gegen computervermittelte Bildung wird oft eingewandt, daß sie keine direkte, natürliche Erfahrung der Welt ermögliche und daß der computervermittelten Bildung ein bewußter Gebrauch der menschlichen Sinne vorgezogen werden sollte. Beim bewußten Gebrauch der Sinne aber ist der Zugang zur Welt vermittelt durch die Vernunft. Wenn es eine unmittelbare Erfahrung der Welt gibt, dann nur in der Ekstase. Was Welt dann ist, können wir nicht wissen, weshalb das Argument gegen computervermittelte Bildung nicht greift.