Christian
Swertz
Vorüberlegungen
zu einer transzendentalkritischen Medienpädagogik.
1 Einleitung
Die
im folgenden untersuchte Frage lautet: Ist die tranzendentalkritische
Pädagogik Richard Hönigswalds eine geeignete
Grunlagentheorie für die Medienpädagogik? Nach dem
Hönigswaldschen Relationenkonzepts (Meder 1975, Schneider 1989)
ist die Erziehungswissenschaft als Netzwerk zu sehen. Ein Netzwerk
ist ein System ohne absolutes Zentrum. Ein System ohne absolutes
Zentrum besteht aus voneinander verschiedenen und zugleich
miteinander verbundenen Elementen. Den Unterschieden und Verbindungen
von Elementen in einem Netzwerk nachzugehen heißt, die eigene
Position als Element im Netzwerk zu denken. Eine Position in einem
Netzwerk ist auch durch die anderen Elemente begrenzt. Diese
Begrenzung der eigenen Position vermeidet in skeptischer Absicht
Dogmatismen, ohne auf einen gesicherten Standpunkt verzichten zu
müssen.
Aus
dieser Sichtweise heraus werde ich zunächst die vorzustellenden
Konzepte und Ideen anhand von Überlegungen zur Medienpraxis und
Mediendidaktik einführen und anschließend Möglichkeiten
des Anschlusses einer pädagogischen Medientheorie an die
transzendentalkritische Pädagogik Richard Höngiswalds
skizzieren.
2 Praxis
Mit
der Praxis zu beginnen ist eine Praxis. Medien werden in der
wissenschaftlichen Praxis verwendet. Das heißt: Als
Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftler sind wir
in der Frage nach Bildung und Medien betroffen, und zwar durch den
Einfluss von Medien auf die Praxis. Die Praxis der Literaturarbeit
wird durch Online-Volltextdatenbanken verändert,
Overheadprojektoren haben Vorlesungen verändert usw. Im Blick
auf die universitäre Medienpraxis möchte ich drei Aufgaben
hervorheben:
-
Die Verwendung von Medien in der Lehre fällt für die
Erziehungswissenschaft zugleich in den Gegenstandsbereich der
Disziplin. Forschungs- und Lehrtätigkeit treten damit in ein
eigentümliches Verhältnis. Die eigene Lehre als Gegenstand
der Forschung zu betrachten führt zu einer besonderen
Herausforderung an die Bildung von Erziehungswissenschaftlerinnen
und -wissenschaftlern. Ich möchte nicht dem pädagogischen
Takt oder der Professionalisierung des erziehungswissenschaftlichen
Nachwuchses nachgehen, sondern eine Parallele zur Schule ziehen: Für
die Schule hat von Hentig (1973) in Anlehnung an Dewey die
Erforschung des eigenen Unterrichts durch Lehrerinnen und Lehrer als
Methode der Schulentwicklung vorgeschlagen. Auch in der Schule wird
damit der eigene Unterricht zum Gegenstand der eigenen Forschung.
-
Pädagogische Medienpraxis folgt nicht einfach technischen
Regeln, sondern ist immer auch spontan. Die Spontaneität kann,
wie Hönigswald (1927: 18ff.) gezeigt hat, theoretisch
beschrieben werden, bleibt aber unter dem Handlungsdruck der Praxis
bestehen. Spontan agieren Lehrende vor dem Hintergund ihrer
Erfahrungen, die sie durch Teilhabe an der Kultur erworben haben.
Die Kultur, d.h. hier: die Medienkultur, kann gestaltet werden. Die
Gestaltung der Medienkultur an der Hochschule leistet einen Beitrag
zur Medienbildung.
Damit
komme ich zu meinem zweiten Gesichtspunkt, der Didaktik.
3 Didaktik
Gegenstand
der Didaktik sind Verfahren der Organisation von Wissen für die
Verständigung zwischen Menschen in einer Kultur. Kultur und
Menschen sowie Ziele, Inhalte, Methoden und Medien stehen nach
Heimann (1976) in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis,
das es zu gestalten gilt. Ich stelle hier die zu gestaltenden Medien
in den Mittelpunkt.
Medien
begrenzen den didaktischen Handlungsraum durch ihre Struktur. Die
Struktur des Fernsehers begrenzt den Handlungsraum zum Beispiel
dadurch, dass Sie die Fernsehmoderatorin sehen, aber nicht riechen
können. Die Struktur ist für jedes Medium spezifisch. Die
spezifische Struktur eines Mediums wirkt im Gebrauch absolut. Es ist
absolut unmöglich, die Fernsehmoderatorin am Fernseher zu
riechen. Aus dieser Problemstellung möchte ich zwei Aspekte
hervorheben:
-
Bei Fernseher, Radio oder Tafel ist die mediale Struktur
physikalisch festgelegt. Die physikalische Festlegung bedeutet, dass
Sie einen Fernseher im Gebrauch so verwenden müssen, wie er
ist, und ihn nicht ohne weiteres umbauen können. Ein solcher
Umbau ist mit der Computertechnologie möglich, indem Software
ausgetauscht oder entwickelt wird. Durch geeignete Software können
Bildungsziele in der Struktur des Mediums verankert werden. Die
Struktur des Mediums zu nutzen führt zu einem natürlichen
Lernen im Rousseauschen Sinne.
-
Lernende nutzen Medien nicht nur in Bildungsinstitutionen, sondern
auch in ihrem Alltag. Dabei erwerben die Lernenden eine spezifische
Haltung, die ich als medialen Habitus bezeichne. Der mediale Habitus
kann für die Didaktik genutzt werden, indem auf das Prinzip des
Anschlusses an Vorkenntnisse zurückgegriffen wird, d.h.:
didaktisches Handeln sollte an den medialen Habitus der Lernenden
anschließen.
In
den bisher genannten Punkten wurden Medien unter dem Aspekt des
Lernens mit Medien gedacht, nicht unter dem Aspekt des
Lehrens über Medien. Die Didaktik des Unterrichts über
Medien erfordert eine Fachdidaktik Medien. Als Fachdidaktik Medien
wird meist der von Baacke (1980) eingeführte Begriff der
Medienkompetenz verwendet. Ich möchte dazu nur einen Aspekt
ergänzen: Wir setzen uns mit Medien auch zu uns selbst in
Beziehung. Die medial vermittelte Beziehung zu uns selbst wird für
das Internet unter dem Stichwort Identität diskutiert. Über
die Medienidentität aufzuklären ist als Ziel der
Fachdidaktik Medien zu berücksichtigen.
Damit
komme ich komme zu meinem dritten Aspekt, der Theoriebildung.
4 Theorien
Ich
habe hier Praxen und Theorien im Interesse der Darstellung
voneinander getrennt. Die Prinzipien einer Praxis und die
Interpretation der Praxis verweisen jedoch stets auf ihre
theoretischen Grundlagen. Als theoretische Grundlagen im Zusammenhang
von Medien und Bildung diskutierte ich hier Medientheorie,
Kulturtheorie und Bildungstheorie. Ich beginne mit der
Medientheorie.
In
einer erziehungswissenschaftliche Medientheorie
geht es um die Klärung der begrifflichen Voraussetzungen des
Verständnisses von Medien. Eine pädagogische Medientheorie
ist allerdings erst in Ansätzen zu erkennen. Meist wird der
Medienbegriff klassifikatorisch bestimmt oder auf die philosophischen
Arbeiten von Benjamin, Flusser, Virilio und Kittler zurückgegriffen.
Der Rückgriff auf philosphische Überlegungen ist
unverzichtbar; muss jedoch um pädagogische Fragestellungen
ergänzt werden.
Ich
habe dazu Medien definiert als Gegenstände, die von Menschen zu
Zeichen gemacht werden. Mit diesem Medienbegriff wird die
Interdependenz der physikalischen, der semiotischen und der
pragmatischen Dimension von Medien focussiert und so eine Grundlage
für die systematische Auseinandersetzung mit der Frage nach
Bildung und Medien geschaffen. Ich konzentriere mich in diesem
Abschnitt auf die physikalische Dimension, d.h. auf die in der
Wirklichkeit existierende Technik. In der Wirklichkeit existierende
Technik wirkt auf die Kultur zurück. Bekannte Beispiele sind das
Fernglas und die mechanische Uhr, die unsere Sicht auf die Welt und
unsere Wahrnehmung von Zeit verändert haben. Um die
Rückwirkungen der Computertechnologie einschätzen zu
können, muss die physikalische Struktur der Technik beschrieben
werden.
-
Physikalisch handelt es sich bei heute verwendeten Computern meist
um elektrische, digitale universelle Turingautomaten mit Tastatur
und Maus als Eingabegerät und einem Bildschirm als
Ausgabegerät. Häufig sind die Computer auch in Netzwerke
eingebunden.
-
Mit einem universellen Turingautomaten kann, wie Turing in seiner
Theorie der Berechenbarkeit gezeigt hat, jedes algorithmierbare
Problem gelöst werden. Selbst ein universeller Turingautomaten
kann - wie jeder andere Automat - mit einem universellen
Turingautomaten simuliert werden. Das macht den Simulationscharakter
der Computertechnologie (Meder 1998) aus.
-
Mit einem digitalen Gerät kann, wie Shannon (1976) in seiner
Informationstheorie gezeigt hat, jede Information gespeichert,
transportiert oder verarbeitet werden. Die Speicherdauer von
Informationen liegt in elektronischen Speichern im
Nanosekundenbereich, ist also extrem kurz. Dagegen ist die
Transportgeschwindigkeit von Informationen in elektronischer Form
sehr hoch.
Eine
solche Struktur wirkt in Wechselwirkung mit der Kultur, in der sie
verwendet wird. Damit komme ich zur Kulturtheorie.
Hönigswald
bestimmt den Sinn pädagogischen Verhaltens „als
Sachverhalt der Überlieferung eines bestimmten Wissens- bzw.
Geltungsbestandes von einer Generation an die nachfolgenden durch die
Vermittlung der zeitlich nächsten“ (1927: 25). Unter
dieser Perspektive ist ein Kulturgut „ein Gegenständliches
im Hinblick auf seine Funktion, um seiner selbst willen überliefert
zu werden“ (GdP 31). Kultur besteht für Hönigswald
durch die Überlieferung von Gegenständlichem.
Gegenständlichkeit heißt, dass Gegenständen ein Sinn
zugeschrieben wird, dass in ihnen Geltung ausgedrückt ist. Damit
Geltung ausgedrückt werden kann, ist gleichzeitig ein von mir
unabhängig gedachter Gegenstand und ein System
von Bedingungen, das den Sinn der Gegenstände verbürgt,
erforderlich. Damit Geltung überliefert werden kann, muss
sie nach Hönigswald anschaulich, und das heißt auch:
sinnlich wahrnehmbar sein.
Die Funktion der Anschaulichkeit erfüllen Medien als ein Mittel
der Abbildung von Geltung in die Zeit. Unter dieser Perspektive gehe
ich hier einigen Aspekten der im Gegenstand Computer ausgedrückten
Geltungsansprüche nach:
-
Der in Gegenständen ausgedrückte Anspruch auf Anerkennung
von Geltung heißt, dass Medien auch machtförmig
beziehungsweise autoritär sind. Sie können z.B. eine
Software nur so benutzen, wie sie programmiert worden ist. Entweder
sie passen sich an das Programm an, und akzeptieren seinen
Geltungsanspruch - oder sie revoltieren und benutzen das Programm
nicht. Dabei kann nicht jeder Geltungsanspruch schlechthin abgelehnt
werden, weil auch die Ablehnung nur vor dem Hintergrund der Teilhabe
an Kultur möglich ist. Da die Teilhabe an Kultur immer schon
den Gebrauch von Medien voraussetzt, können Geltungsansprüche
von Medien nicht generell vermieden werden, sondern nur der Gebrauch
eines Mediums zu einem Zeitunkt. Damit wird es zur Aufgabe der
Erziehungswissenschaft, die Implikationen und Folgen des
Medieneinsatzes zu erforschen und so zu einem vernünftigen
Medieneinsatz beizutragen.
-
Vernetzte Computertechnologie speichert Informationen extrem kurz
und transportiert sie sehr schnell. Diese Art der Verteilung von
Informationen in Zeit und Raum eignet sich, wie Innis (1997) gezeigt
hat, nicht für die Förderung von Ideen der Fortdauer,
Religion und dezentraler politischer und wirtschaftlicher Macht,
sondern für die Förderung der Ideen von Verwaltung, Recht
und zentraler politischer und wirtschaftlicher Macht. Die Ideen von
Verwaltung, Recht und zentraler Macht sind Geltungsansprüche,
und diese Geltungsansprüche sind in der Computertechnik
ausgedrückt. Die Marginalisierung von Religion, die
Verrechtlichung und die Zentralisierung von politischer und
wirtschaftlicher Macht sind aber auch Kennzeichen von Globalisierung
und Internationalisierung, zu deren Durchsetzung sich die
Computertechnologie als geeignetes Mittel erweist.
-
Vernetzte Computertechnik ermöglicht durch ihren
Simulationscharakter die Konstruktion einer Vielzahl von weltweit
zugänglichen Kommunikationsräumen. Eine solche
Kommunikationstruktur verändert, wie Elias (1996) gezeigt hat,
unser Verhältnis zur Gemeinschaft. Während in dörflichen
Strukturen nur wenige Gruppen existieren, zu denen wir uns in
Beziehung setzen können, gibt es in Städten zahlreiche
Gruppen, die als Integragtionsebenen fungieren. Wenn es viele
Gruppen gibt, sinkt die Verbindlichkeit der Teilhabe an einer Gruppe
und der Wechsel zwischen den Gruppen wird leichter. Diese
unverbindliche Gruppenzugehörigkeit wird in
Online-Kommunikationsräumen potenziert.
Online-Kommunikationsräume bilden kein globales Dorf, sondern
eine globale Stadt. In einer globalen Stadt läßt die
kurze Dauer der Teilhabe an Gemeinschaften das Individuum als das
einzig Permamente hervortreten. Von hier aus gesehen können
Individualisierungstendenzen als ein Geltungsanspruchs der
Computertechnologie verstanden werden.
Globalisierung
und Individualisierung sind kulturelle Implikationen der
Computertechnologie. Insofern Kultur notwendige Bedingung für
Bildung ist, sind davon auch Bildungsprozesse betroffen. Damit komme
ich zur Bildungstheorie.
Bildungstheorien behandeln
Spezialbildung ebenso wie allgemeine Bildung. Derzeit steht meist die
Spezialbildung im Vordergrund; die Allgemeine Bildung befindet sich
in einer Krise, die als Anlass zur Neubestimmung genommen wird. Die
Notwendigkeit einer solchen Neubestimmung ist angesichts der
historischen Bedingtheit von Begriffen nicht überraschend. Die
Frage, wie eine solche Neubestimmung zu bewerkstelligen ist, stellt
sich aber umso dringender. Hierzu vier Thesen im Blick auf
Computertechnologie:
- Eine Aufgabe pädagogischen
Handelns besteht darin, gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu
werden und entsprechende Dienstleistungen zu entwickeln.
Ausschließlich gesellschaftlichen Anforderungen zu entsprechen
genügt jedoch nicht, da pädagogisches Handeln
Zukunftsorientiert ist. Um der Zukunftsorientierung gerecht zu
werden, sind die gesellschaftlichen Anforderungen an die Pädagogik
kritisch zu reflektieren. Da die Pädagogik auch Teil der
Gesellschaft ist, stellt sich die Frage, wie eine kritische
Reflexion von gesellschaftlichen Anforderungen möglich ist.
Reflexion ist nach Hönigswald prinzipiell möglich, weil
gesellschaftliche Anforderungen wie jede andere Aussage in einem
System von Bedingungen stehen. Dieses System von Bedingungen kann
beschrieben und damit der Kritik zugänglich gemacht werden. Die
Kritik kann nur von einem relativen Standpunkt aus erfolgen. Ein
relativer Standpunkt, der dazu geeignet ist, die Kritik zu
legitimieren, muss nach Hönigswald zwei Bedingungen erfüllen:
Zum einen müssen die Voraussetzungen des eigenen Systems zum
Gegenstand der Untersuchung gemacht werden (Hönigswald 1927:
41). Zum anderen muss das eigene System nicht-dogmatisch, d.h.
offen konzipiert werden. Die Offenheit eines Systems liegt nach
Hönigswald im Ansatz (Hönigswald 1927: 30). Ansätze
können nur kontingent gesetzt werden, müssen sich aber in
der Entwicklung des Systems bewähren. Da verschiedene Ansätze
gemacht werden können, sind verschiedene Systeme möglich.
Zwischen Systemen wird nach Hönigswald (1927: 25ff.) in der
Überlieferung, d.h. im Diskurs entschieden. Mit diesem Konzept
zeigt Hönigswald, wie ein Standpunkt erreicht werden kann, von
dem aus eine kritische Analyse als Aufgabe von Bildungstheorie
durchgeführt werden kann.
- Mit Computertechnologie können
Aufgaben, wie z.B. die Wettervorhersage, durch die Anwendung von
Algorithmen auf gespeicherte Informationen, z.B. die Wetterdaten
gelöst werden. In dieser Struktur liegt eine zweifache
sprachliche Abbildung. Zuerst wird das Wetter auf die Wetterdaten
abgebildet. Dann werden die Wetterdaten mittels eines Algorithmus
auf die Vorhersage abgebildet. Dabei sind immer verschiedene
Algorithmen möglich. Welcher der beste ist, kann spielerisch
ausprobiert werden. Schon das Spiel mit Lösungen ist
bildungsrelevant. Bildungsrelevant ist aber vor allem die zweifache
sprachliche Abbildung (Meder 1998). Da in Algorithmen die
Bedingungen der sprachlichen Abbildung formuliert werden, kann
dieses Spiel als Spiel auf der Ebene der Bedingungen von Aussagen
verstanden werden. Computertechnologie ist dadurch dazu geeignet,
die Idee der nicht-dogmatischen Reflexion zu fördern.
Nicht-dogmatische Reflexion ist nicht, wie das omnino in der
Pampaedia des Comenius, auf die Achtsamkeit gegenüber einem als
einzig gutes erkannten Ganzen hin ausgelegt; ein Ansatz, der nach
Schaller (****) angesichts der Pluralität von Vernunft nicht
mehr zu halten ist. Nicht-dogmatische Reflexion zielt vielmehr auf
das skeptische Spiel mit Ansätzen im Sinne der Pädagogik
des problematisierenden Vernunftgebrauchs (Ruhloff 1996).
- Computertechnologie liefert durch
die Anwendung von Algorithmen individualisierte Informationen.
Individualisierte Informationen entsprechen der Idee pluraler
Wissensstrukturen. Durch plurale Wissensstrukturen verschiebt sich
das omnio des Comenius, d.h. das Prinzip alle das Gleiche zu lehren.
Das Prinzip, alle das gleiche zu lehren, entspricht der Struktur des
immer gleiche Exemplare produzierenden Buchdrucks. Es wird mit der
Computertechnologie zu einem: jeden das seine lehren. Das Seine
lernen erfordert es, vorgegebenes Wissen nicht einfach hinzunehmen,
sondern selbst zu entscheiden, welches Wissen anzuerkennen ist. Die
Bindung an vorgegebenes Wissen wird geringer, die Befreiung zu einem
geltungsorientierten Verhältnis zum vorgegebenene Wissen rückt
in den Mittelpunkt.
- In der vernetzten Struktur des
Internet liegt das Potential, alles Wissen zugänglich zu
machen. Das Omnes des Comenius kann fortgeschrieben werden und
entfaltet ein kritisches Potential: Wissensgesellschaften sind, wie
Heydorn (1995: 144) bemerkt hat, zur Herstellung ihrer ökonomischen
Konkurrenzfähigkeit darauf angewiesen, vielen viel Wissen zu
vermitteln. Dieses Wissen können die sich Bildenden zur
Reflexion nutzen und so eine kritische Haltung im Sinne eines
problematisierenden Vernunftgebrauchs aufbauen.
Computertechnologie weist in der
zweifachen Reflexion, der Individualisierung von Wissen und dem
Potential, alles Wissen zugänglich zu machen, einen bildenden
Gehalt auf.
5 Fazit
Computertechnologie stellt die
Erziehungswissenschaft vor die Aufgaben des praktischen Einsatzes und
der theoretischen Reflexion dieses Werkzeugs. Es ist deutlich
geworden, dass Computertechnologie nicht die Lösung aller
Probleme ist, aber ein erhebliches Potential für gute
Entwicklungen bietet: Die Erziehungswissenschaft kann und sollte zu
einem guten Umgang mit dieser Technologie beitragen. Dazu kann eine
tranzendentalkritische Theorie die erforderliche Grundlage liefern.
6 Literatur
Baacke, Dieter: Kommunikation und Kompetenz. München.
Elias, Norbert (1996): Die Gesellschaft der Individuen. 3. Aufl.,
Frankfurt am Main.
Heimann, Paul (1976): Didaktik als Theorie und Lehre. In: ders.:
Didaktik als Unterrichtswissenschaft. Stuttgart, S. 142-167
Hentig, Hartmut von (1973): Schule als Erfahrungsraum. Stuttgart.
Heydorn, H.J.: Werke Band 2. Vaduz 1995.
Hönigswald, Richard (1927): Über die Grundlagen der
Pädagogik. München.
Innis, Harold A. (1997): Tendenzen der Kommunikation. Wien, New
York (Original: ders. : The Bias of Communication. Toronto 1951).
Meder, Norbert (1975): Prinzip und Faktum. Bonn.
Meder, Norbert (1998): Neue Technologien und Erziehung/Bildung.
In: Borrelli, M.; Ruhloff, J.: Deutsche Gegenwartspädagogik
Bd.III. Hohengehren, S. 26-40
Ruhloff, Jörg (1996): Bildung im problematisierenden
Vernunftgebrauch. In: Deutsche Gegenwartspädagogik. Hohengehren,
S. 148-157.
Schaller, Klaus (2002):
Shannon, Claude E.; Weaver, Warren (1976): Mathematische
Grundlagen der Informationstheorie. Oldenbourg.
Schneider, Norbert (1989): Das Urteil und die Sinne. Köln.