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    China: Achsenzeit


    Geschichte und Geschichtsbild

    Wie Funde in Nordchina belegen, ist die menschliche Siedlungsgeschichte am Unterlauf des Huanghe (Hoangho) sehr alt. Der "Pekingmensch" lebte vor etwa 500.000 Jahren in der Gegend der heutigen Hauptstadt Chinas. Um 4000 v. gibt es neolithische Ackerbauern in den Lößgebieten des Nordens und Nordwestens, etwa 1000 Jahre später auch am Changjang (Yangtsekiang).

    Da Geschichtsschreibung in China früh in beeindruckender Weise entwickelt wurde und bereits im Werk des Sima Qian ein Bild der frühen Staatsbildungen vorgelegt hat, dessen Einzelheiten in vieler Hinsicht von der modernen Geschichtsforschung bestätigt worden sind, möchte ich zunächst von diesem Bild ausgehen. Aber schon früher hatten bedeutende Vertreter aller einflussreichen philosophischen "Schulen" Darstellungen eines urtümlichen Gesellschaftszustandes verfasst, die jeweils auch zentrale Ideen ihrer Theorie spiegelten. Dies hat in seiner Allgemeinheit keine Entsprechung in indischer oder griechischer Philosophie und ist auch nicht ident zu setzen mit den in allen Kulturen vorfindbaren Ursprungsmythen, sondern eher mit idealtypischen Konstrukten wie demjenigen von Hobbes' "Kampf aller gegen alle" zu vergleichen.

    Die auffallendsten Züge in den Darstellungen der Frühzeit sind:

    * Kulturtechniken (wie: Schrift, Reisanbau, Seidenraupenzucht usw.) werden namentlich Heroen des eigenen Volkes zugeschrieben. Es finden sich keinerlei Spuren einer Erinnerung an frühere Wanderungen oder an außerchinesische Einflüsse. Es ist jedoch umstritten, ob beispielsweise die Schrift in China unabhängig entwickelt wurde. Wenn dies der Fall ist, so ist Schrift dreimal in der Menschheitsgeschichte entstanden (in Ägypten bzw. im Zwischenstromland, in China und in Mesoamerika), im anderen Fall nur zweimal. [10]

    * Die Heroen der imaginierten Frühzeit werden zu einer Art von Halbgöttern und spielen eine wichtige Rolle im allgemeinen Ahnenkult. Dabei sind es unterschiedliche Typen, die für spätere Philosophenschulen jeweils entscheidende Vorbildfuktion bekommen: Huangdi, der "Gelbe Kaiser", für die Daoisten; "Yao und Shun" für die Konfuzianer; Yü, der Begründer der legendären Xia-Dynastie für die Mohisten u.a.

    * Das frühe Altertum bzw. der Urzustand selbst wird idealisiert, es wird so etwas wie ein "Goldenes Zeitalter" oder auch ein Zustand tierähnlicher Wildheit vorgestellt.

    * Es zeige sich aus der bisherigen Geschichte, dass immer dann eine "Dynastie" gestürzt und von einer neuen "Dynastie" abgelöst worden sei, wenn die Repräsentanten der ersteren Verbrechen gegen das allgemeine Wohl begangen haben. Nach einer bestimmten Reihe sei ein "Zyklus" vollendet und die Geschichte beginne somit gewissermaßen immer wieder von neuem.

    * Ein Schöpfungsmythos, wie er in der christlichen Tradition die Rekonstruktion der Menschheitsgeschichte lange Zeit bestimmt hat, fehlt.[11]

    Etwa so beschreiben Historiker der Han-Zeit, beginnend mit Sima Qian (Ssu-ma Ch'ien[12], ca. 145 v. bis 85 v.), die Vorgeschichte. Die Epoche vor der Han-Zeit sei zuerst von "vier Kaisern" (die aber ihr Amt nicht vererbt, sondern jeweils den Würdigsten zur Nachfolge bestimmt hätten) und dann von "drei Dynastien" bestimmt gewesen. Die ersten drei, von Sima Qian beschriebenen "Dynastien" sind:

    Xia (Hsia) (ca 2300-1650
    Shang (Shang) (1650-1027)
    Zhou (Chou) (1027-256)

    Diesen "Dynastien" sind jeweils bestimmte Grundtugenden der Menschen zugeordnet, sodass nunmehr mit der Han-Zeit, nach dem Untergang der Zhou und dem Desaster der kurzlebigen Qin (Ch'in) ein neuer Zyklus begonnen habe. Sima Qian argumentiert für die "Richtigkeit" der Han-Dynastie, indem er die Reihenfolge der vorangegangenen Dynastien und deren "Prinzipien" mit deren jeweiliger Verfallsform feststellt: die (legendäre) Xia-Dynastie sei durch "guten Glauben" ("good faith") zur Macht gelangt, dessen Kehrseite die "Derbheit" ("rusticity") war. Die anschließende Shang-Dynastie habe diesen Verfallszustand durch ihr Prinzip der "Verehrung" ("piety") geheilt, welche zum "Aberglauben" ("superstition") entartete und von den Zhou mit deren Prinzip der "Verfeinerung" ("refinement") abgelöst worden sei. Dieses sei aber zur "hohlen Schau" ("hollow show") geworden und nunmehr hätte die Reihe von neuem beginnen müssen. Die Qin (Ch'in)-Dynastie (221-206 v.) habe dies jedoch verkannt und sei deshalb so schnell gestürzt worden.[13] Mit dieser These von einem Dreischritt von "Staatsprinzipien", der sich zyklisch wiederhole, kritisiert Sima Qian die Selbstdarstellung der Qin-Zeit, die von einer Fünferreihe entsprechend der "Fünf Elemente" ausging und die eigene Etablierung als die Vollendung dieser Fünferreihe propagierte.[14]

    Diese Schilderung von Sima Qian ist im traditionellen Geschichtsdenken Chinas weitgehend klassisch geworden. Es ist auffallend, wie viele historische Daten aus Sima Qians Darstellung durch die moderne Archäologie überprüft werden konnten und sich als zutreffend herausgestellt haben - so wurde etwa die von ihm beschriebene Xia-Dynastie lange Zeit für legendär gehalten, scheint aber heute durch Grabungen gesichert. Jedenfalls sind die "Dynastien" der Shang und der Zhou archäologisch belegt. Auch die Periodisierung in "Dynastien" wurde in der späteren Gechichtsschreibung Chinas stets beibehalten. Das Shiji des Sima Qian ist zum paradigmatischen Vorbild der sogenannten "Standard-Geschichten" geworden, in denen jeweils eine neu etablierte "Dynastie" die Leistungen und Verfehlungen ihrer Vorgänger offiziös darstellen ließ.

    Aufgrund der archäologischen Belege setzt die moderne Geschichtswissenschaft den Beginn einer städtisch organisierten Gesellschaft am Gelben Fluss mit dem Einsetzen der Shang-Herrschaft an, mithin weitaus später als die Stadtkulturen Ägyptens, des Zwischenstromlandes oder des Indusgebiets[15], jedoch viel früher als die entsprechenden Gesellschaften im Mittelmeerraum, in Amerika oder in Europa.[16] Um diese Zeit sind im Siedlungsgebiet am Huanghe jedenfalls Bronze, Pferd und Wagen, Schrift und Stadt bekannt. Die Form der Bronzen läßt keinen Einfluß von außen erkennen, es handelt sich vielmehr um etwas, was wir bis heute als "typisch chinesische" Formen und Muster kennen: Dreifüße und Ritualgefäße mit stilisierten Tieren und Pflanzen. Aus den Funden in Anyang sind Orakelinschriften ab dem 13. vorchristlichen Jahrhundert bekannt. Die Schriftzeichen dieser Zeit ähneln bereits in vielen Fällen heutigen chinesischen Zeichen.

    Pferd und Wagen der Shang, zusammen mit Bronzewaffen, sichern eine militärische Überlegenheit besonders über die weiter südlich siedelnden Völker, die von jetzt ab in jeder politisch stabilen Epoche weiter nach Süden abgedrängt oder unterworfen werden. Aus der Shang-Zeit, die etwa 500 Jahre umfasst, sind insbesondere zwei Residenzen ausgegraben worden: Zhengzhou (Cheng-chou) und Anyang (An-yang). Es handelte sich um Palast-, Wohn- und Bestattungsanlagen für den Hof und eine zahlreiche Beamtenschaft, die von Steuereinnahmen lebte. Eine beginnende Geldwirtschaft mit Kaurimuscheln ist nachgewiesen, doch waren die meisten Abgaben noch lange in Naturalien zu entrichten. Der Herrschaftsbereich der Shang-Dynastie war starken Veränderungen unterworfen, wobei das Kerngebiet in der heutigen Provinz Henan (Honan, am Unterlauf des Huanghe) lag.

    Daran schließt die sehr lange Zeit der Zhou-Dynastie (1027 bis 256) an. Sie zerfällt grob in zwei Perioden: vom Sieg über die Shang bis 771 v. üben die Zhou als "Dynastie" tatsächlich eine Lehenshoheit über einen weiten Bereich des heutigen China nördlich des Changjang aus. Die Hauptstadt dieser Epoche der "westlichen Zhou" ist Haojing (Hao, in der heutigen Provinz Shenxi). Ab 771 zerfällt die politische Macht der Dynastie immer mehr, die Residenz wird nach Luoyang (Loyang, in der Provinz Henan) verlegt und die bisherigen Lehensfürsten der Zhou kämpfen untereinander um die Territorien; die chinesische Geschichtsschreibung spricht von der "Frühlings- und Herbstperiode" (=Chunqiu-Zeit, 722 v. bis 481 v.). Dieser Name stammt von einem Annalenwerk, das oft fälschlich dem Konfuzius zugeschrieben wurde; es schildert Begebenheiten aus dem Staate Lu, der Heimat des Konfuzius im Süden der Halbinsel Shandong. An diese Epoche schließt die "Zeit der Streitenden Reiche" (=Zhanguo-Zeit, 456 bis 221 v.) an, sozial und politisch unruhige Zeit, in der die klassischen philosophischen Traditionen Chinas weiter ausgebildet wurden, die bis heute wirksam sind. Diese Epoche endet mit dem militärisch-politischen Sieg des Staates Qin über den letzten der konkurrierenden Teilstaaten des Zhou-Reiches ung der Zeit - also den Jahreslauf - betrafen, deren Ausführung wohl das einzige war, was die "Herrscher" der Zhou als "Söhne des Himmels" auszeichnete.

    Die politische Situation Chinas in der Periode der "Frühlings- und Herbstannalen" und der "Zeit der Streitenden Reiche" ist wichtig für das Verständnis der Themen und Anliegen der Philosophen: sie ist durch den Kampf um die Vorherrschaft gekennzeichnet, der zwischen den Teilstaaten des Zhou-Reiches ausgetragen wurde und lange Zeit unentschieden blieb. In vielen Erzählungen und historischen Anekdoten (u.a. bei Sima Qian) sind die Verräter wie die Heroen der wechselnden Allianzen dieser Zeit überliefert. Dabei sind einige kleinere Kernstaaten von den größeren, expansiven Randstaaten zu unterscheiden. Die Kernstaaten - wie beispielsweise Lu - verlieren immer mehr an politischer Bedeutung, sie bleiben jedoch Zentren von Kultur und Bildung. Ihre Herrscher verbünden sich einmal in einer sogenannten Nord-Süd-Allianz mit einem Großstaat im Süden, dann wieder in einer Ost-West-Allianz mit dem Großstaat Qin im Westen. Letzterer stellt schließlich aufgrund seiner überlegenen Militärtechnik und Verwaltung das Einheitsreich her, indem er ab dem 4. Jahrhundert alle anderen Staaten unterwirft. Zwar ist die Qin-Dynastie die kurzlebigste unter allen historischen "Dynastien" Chinas - von der Ausrufung des Kaisertums durch Qin Shihuangdi (=Ch'in-Shi-Huang ti) im Jahre 221 bis zum Ende der Dynastie unter seinem Nachfolger sind ganze 15 Jahre vergangen -, aber in dieser kurzen Zeit wurden Reformen durchgeführt, die weiter Bestand hatten und China entscheidend prägten: Vereinheitlichungen auf dem Gebiet der Staatsverwaltung, der Wirtschaft, des Geld- und Verkehrswesens, der Schrift, der Gesetzgebung usw. Die alte Feudalordnung war zerschlagen, ein Beamtenstaat an deren Stelle getreten. Daran änderte auch die neue Dynastie der Han wenig. Außerdem wurden unter Shihuangdi die bereits bestehenden einzelnen Grenzbefestigungen gegen die "nördlichen Barbaren" zur ersten "Großen Mauer" zusammengefasst, Vorläuferin jener Mauer aus dem 15. Jahrhundert, die heute noch steht.[17]

    Philosophie und Wissenschaften

    Auch das Denken sollte in dem zentralistisch regierten Großreich der Qin gleichgeschaltet werden. Es waren in der "Zeit der Streitenden Reiche" und schon davor unterschiedliche Philosophien und regionale oder lokale Identitäten formuliert worden, deren Fortbestehen die Einheit des Reiches zu gefährden schien. In dieser Situation reagierte die Zentralmacht rigoros, wobei sie sich auf eine philosophische Richtung, den sogenannten "Legalismus" (auch: "Legismus", s.u.) stützte, die eine integrationistische Synthese verschiedener Denktraditionen mit der Ausschaltung Andersdenkender und der Gleichheit aller vor einem Gesetz verband, das keine Rücksicht auf Herkunft und Stand kennen sollte.

    Wenden wir uns der Frage zu, wer die Träger des ideologischen oder philosophischen Denkens der "Zeit der Streitenden Reiche", also in der Epoche vor der Entstehung des zentralistischen Einheitsstaates sind, so stoßen wir auf ein sozialpolitisches Phänomen. Das Zhou-Reich dieser Zeit und schon der vorangehenden Jahrhunderte, in die die Lebenszeit von Konfuzius und anderen fällt, stellt eine unruhige, politisch und sozial sich dauernd verändernde Lebenswelt dar.[18] Rechtlich findet der Übergang vom Gemeineigentum - in der Shang-Zeit gab es die ersten erblichen Belehnungen - zum Privateigentum an Grund und Boden statt, damit auch die Entwicklung des Geldwesens und einer kapitalkräftigen, weiträumigen Wirtschaft. Dies wiederum verstärkte die Spezialisierung und die Arbeitsteiligkeit der Gesellschaft. Es entwickelte sich eine Feudalgesellschaft mit einem festen Beamtenapparat.

    Die Reaktionen auf diese Entwicklung reichen von einer technikfeindlichen Haltung "zurück zur Natur" und dem Rückzug aus öffentlichen Ämtern (im Daoismus) über die rückwärtsgewandte Utopie der Wiederherstellung eines gerechten Autoritarismus (Konfuzianismus) oder die andere Utopie der Schaffung einer Gesellschaft von Gleichen (Mohismus) bis hin zur Schaffung von gleichen Gesetzen für alle, die nach dem einzigen Kriterium der Effizienz funktionieren sollten, verbunden mit dem Ratschlag, all jl;r denkenden Schicht. Die Philosophen, von denen hier zu reden ist, kommen aus den kleinen, hochzivilisierten Zentralstaaten, auch wenn sie gelegentlich den Fürsten der mächtigeren Randstaaten ihre Beratung anbieten; sie stammen zum überwiegenden Teil aus alten verarmten Adelsfamilien. Sie gründen Schulen wie Konfuzius, sind Beamte und Schreiber wie dies von Lao Dan (Laotse) berichtet wird, sie versuchen sich, wie Mencius oder Han Fei, als Politiker oder Berater von Regionalherrschern, die alle nach der Oberherrschaft über die gesamte chinesische Oikumene streben. Sie alle verbindet ein gemeinsames Interesse: die Frage zu beantworten, was die richtige Form des menschlichen Lebens und Zusammenlebens ist, was deren wesentliche Begriffe sind, wie eine gute Regierung zu erlangen und zu erhalten ist. Aus diesen Fragestellungen ergibt sich die grundlegende Thematik und zugleich die Eigenart der klassischen Philosophie in China. Die allgemeine Richtung dieses Philosophierens ist mit einem Vorherrschen von Sozialphilosophie und Ethik zu kennzeichnen.

    In einzelnen der "Hundert Schulen" dieser "Zeit der Streitenden Reiche" wurden zwar auch kosmologische, sprachphilosophische und logische Themen und Probleme erörtert (die sich, wie bei den Mohisten, auch aus dem Zusammenhang mit ethischen Reflexionen ergaben), doch blieben diese - im Vergleich zur achsenzeitlichen Philosophie Indiens oder Griechenlands - ohne größeren Einfluss. Dies mag auch mit den besonderen Ausdrucksmitteln der chinesischen Sprache und Schrift zusammenhängen, worin etwas (nach griechischer Auffassung) Anekdotisches hohen argumentativen Rang einnehmen konnte, worin eine Form der Auseinandersetzung ausgebildet wurde, in welcher Kritik an einer gegnerischen These dadurch geübt werden kann, dass man die betreffende These nicht nennt. Daraus haben Interpreten gefolgert, dass Rationalität in dieser Tradition in geringerem Maße wirksam oder nur implizit vorhanden sei. Diskussion, Kritik, rationale Argumentation und Theorie des Wissens fehlen aber keineswegs - es ist gerade in unserer Zeit herausgearbeitet worden, in welcher Weise Rationalitätsmaßstäbe des Konfuzianismus und Mohismus mit Theorien gegenwärtiger Wissenschaftstheorie verwandt sind.[20] Doch trifft es ebenfalls zu, dass die Form der Bildung, die sich besonders im Konfuzianismus entwickelt hat und die durch die Institution der Beamtenprüfung bis in das 20. Jahrhundert leitend war, ein autoritäts- und traditionsbestimmtes Denken mehr förderte als den Geist der Kritik.

    Religion

    Eine wichtige Eigentümlichkeit der chinesischen Philosophie in ihrer Entstehungsphase liegt darin, dass sie keine Theologie als Widerpart oder Ausgangspunkt hat. Fragen der Religion oder einer religiös bestimmten Metaphysik, wie etwa die Frage nach der Unsterblichkeit der Seele oder nach der Freiheit des Willens, werden entweder ausdrücklich ausgeklammert oder aber unter funktional-politischen beziehungsweise ästhetischen Gesichtspunkten behandelt. Dies hat sich nicht nur insgesamt auf den Charakter der chinesischen Philosophie ausgewirkt[21], sondern auch auf die Art der Behandlung, welche Fragen der Ethik oder der Sozialphilosophie erfahren. Es fehlt die Auseinandersetzung des Individuums mit einer absoluten jenseitigen Instanz (was hingegen die abendländische Debatte um die Willensfreiheit ebenso bedingt hat wie die islamische Intellekttheorie); es fehlt auch der Kampf des einzelnen um die Erfüllung seiner "Bestimmung", um seine "Erlösung", der für das christliche wie für das indische Denken kennzeichnend war (und in China mit dem Eindringen des Buddhismus ab der späten Han-Zeit auch Bedeutung erlangte).

    Die frühe chinesische Religion ist ein Ahnenkult. Vorstellungen von einem Walten des "Himmels" im Sinn eines "Schicksals" waren verbreitet, ebenso der Glaube an Geister und Dämonen. Doch spielen solche Vorstellungen in den philosophischen Texten entweder keine Rolle (mit Ausnahme des Mozi) oder sie werden als kosmische Kräfte gedeutet, die nicht personal aufzufassen sind. Selbst der Begriff "di" (ti), zunächst als Beiname des Ahnen der Shang (als "Shang-di") verwendet und später als Ehrentitel von Kaisern gebräuchlich ("di" entspricht etwa dem lateinischen "Augustus", z.B. im Titel-Namen "Shihuangdi") kann nicht mit "Gott" übersetzt werden, wenn damit die Vorstellung von Personalität verbunden ist.

    Die meisten philosophischen Texte des chinesischen Altertums zeigen eine distanzierte, wenn nicht agnostische Einstellung gegenüber den Geister- und Dämonenvorstellungen der Volksreligion - was im daoistischen Zhuangzi ebenso deutlich ist wie im Lunyu oder im Zhongyong, späteren Klassikern des Konfuzianismus. Im Zhuangzi wird erzählt, wie ein vollkommen gestaltetes Schnitzwerk von den Betrachtern für ein Werk der "Geister" erklärt wird, was der Schöpfer des Werks aber rundweg bestreitet: es sei ganz aus ihm selbst entstanden. Das Lunyu enthält mehrere Stellen, in denen Konfuzius es einfach ablehnt, über Geister zu sprechen. Im Zhongyong (Kap. 16) spricht Konfuzius zwar über das Wirken der "Geister", doch wird dies im späteren Konfuzianismus so interpretiert, dass damit die "Energie von Himmel und Erde und die Spuren von Schaffung und Veränderung" gemeint seien. Schließlich werden von Zhu Xi (=Chu Hsi, 13. Jh.) die beiden Schriftzeichen als "Atem", von einem anderen Neokonfuzianer als "Dao" interpretiert.[22] Vorstellungen der Volksreligion werden also auch hier mit philosophischen Begriffen in ihrem eigentlichen Gehalt zu fassen gesucht.

    Jedoch bleiben die Riten, die sich sowohl auf den Zusammenhalt der Gesellschaft und der Familien, als auch auf Naturzyklen beziehen können, von dieser theologischen Skepsis unberührt und von großer Bedeutung.

    Nach dieser allgemeinen Charakterisierung vergegenwärtigen wir uns die wichtigsten der "Hundert Schulen" aus der "Zeit der Streitenden Reiche", die teilweise bis in die Gegenwart weiterwirken: Daoismus, Konfuzianismus, Mohismus, Legalismus und die sogenannten Dialektiker oder Logiker.[23]

    Daoismus

    Unter den klassischen chinesischen Traditionen enthält der Daoismus am deutlichsten spekulativ-metaphysisches, aber auch naturwissenschaftliches Gedankengut. Zusammen mit dem Buddhismus, der ab dem dritten christlichen Jahrhundert aus Indien übernommen wird[24], in den wiederum Elemente und Begriffe des Daoismus eingehen, zusammen auch mit der konfuzianischen Riten-Religion (im Vergleich zu der das Christentum eine Dogmen-Religion ist) bildet der Daoismus später eine der praktizierten Weltanschauungen in China (und Japan). Doch ist der klassische Daoismus noch nicht als Religion anzusehen - erst in der Synthese mit dem Buddhismus bildet er sich dazu aus. Weder im Laozi noch im Zhuangzi ist je von Priestern oder Mönchen, von Tempeln oder Ritualen die Rede. Wenn sie von Dao sprechen, so ist nie an ein personales Sein zu denken, der tian, derHimmel in diesen Texten ist nie ein Äquivalent zum konfuzianischen di oder shang di (dem "höchsten Herrscher", und noch weniger zu einem personal gedachten "Gott" wie er in den monotheistischen Religionen des Vorderen Orients und später des Abendlands gedacht wurde).[25] Der ursprüngliche Daoismus hat nichts mit Religion zu tun.

    Die hohe Kunst in jeder Art des Handelns, des Denkens und Sprechens besteht nach Auffassung der Daoisten darin, nicht willkürlich in den Lauf des "Dao", in den natürlichen Lauf der Dinge einzugreifen. Wenn keine Verwirrung gestiftet wird, verhalten sich alle Dinge entsprechend ihrem "Dao". Dieses Nichteingreifen, chinesisch "wu wei", Nicht-Tun, ist daher eine der Kernregeln des Daoismus und später auch der von ihm beeinflussten Formen des Buddhismus.

    xxx[26]

    "Dao" ist einer jener Begriffe chinesischer Philosophie, die in allen Schulen eine zentrale Rolle spielen. Im Daodejing und im Zhuangzi , den klassischen Texten des Daoismus, bezeichnet "Dao" so etwas wie ein Urprinzip von allem, was ist. "Dao" wurde in der Geschichte der Auseinandersetzung mit China unterschiedlich übersetzt: mit "Sinn", "Logos", "Gott", "Prinzip", "Weg" usf. Das Schriftzeichen dafür besteht aus den "Radikalen"[27] für "gehen" oder "Weg" und für "Kopf". Man könnte also vielleicht mit "Kopfweg" oder "Vernunftweg" übersetzen, wobei allerdings zu vermeiden wäre, hier nur an Intellekt beziehungsweise überhaupt an etwas zu denken, wodurch vor allem oder ausschließlich der Mensch charakterisierbar wäre.[28] Das "Dao", wie es Daoisten, aber auch Konfuzianer denken, ist ebenso im Lauf der Gestirne, im Rhythmus der Vegetation, im Verlauf der Staatengeschichte wie im persönlichen Geschick eines Menschen wirksam.

    Seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert sprechen chinesische Quellen von einer eigenen Denkerschule der "daojia" (daozhia xxx?)[29] , doch liegen die Ursprünge einer besonderen Reflexion auf den Dao-Begriff, der in allen chinesischen Denktraditionen eine wichtige Rolle spielt, viel früher.

    Die beiden Haupttexte des klassischen Daoismus sind das unter dem Namen des Laozi überlieferte Daodejing (Tao Te King), eine Sammlung von 81 Lehrgedichten[30], die in oft sehr knapper, lyrischer Weise[31] das Wirken des "Dao" und die dem "Dao" entsprechende Lebensform des Menschen ("de") zum Inhalt haben; sowie das Zhuangzi, eine Sammlung von Anekdoten, Betrachtungen, und Sinngeschichten über das Leben des Menschen in Natur und Gesellschaft.

    Beide Schriften, wie auch die späteren Werke des Daoismus weisen hohe literarische Qualität auf und haben das Naturdenken der Chinesen, ihre Kunstauffassung (etwa in der Lyrik und Malerei der Tang-Zeit) und ihr Menschenbild in hohem Grad geprägt.[32]

    Daodejing

    Im Geschichtswerk des Sima Qian (ca. 100 v.) wird das Buch Laozi (Lao Tze) oder Daodejing (Tao Te King) einem gewissen Lao Dan zugeschrieben, der ein Greis gewesen sein soll, als Konfuzius jung war.[33] Lao Dan (die Schriftzeichen besagen "alt" und "Langohr") sei Archivar von Zhou gewesen, habe sich aber wegen des Verfalls der Gesellschaft entschlossen, nach Westen auszuwandern. Dabei sei er vom Passwächter aufgehalten und gebeten worden, ihm ein Buch zu hinterlassen. Darauf habe Lao Dan ein Buch "in zwei Teilen und mit mehr als 5000 Zeichen" verfasst, sei über die Grenze gegangen und danach wisse man nichts mehr von ihm.[34] Viele Legenden ranken sich, ausgehend von Sima Qians Bericht, um diese Figur, die später zu göttlichen Ehren, Tempeln und Opfern gelangte: Der Passwächter habe ihm Tee angeboten und damit einen späteren Brauch begründet. Lao Zi sei Buddha und mit dessen Lehre wieder zurückgekehrt. Der Name besage, dass er schon bei seiner Geburt alt war, weil seine Mutter 72 (nach anderen: 81) Jahre mit ihm schwanger gewesen sei und so weiter.

    Eine andere Stelle aus älterer Zeit bezieht sich angeblich auch auf den Verfasser des Laozi. Im dritten Kapitel des Zhuangzi (SS 4) ist vom Tod des "Lao Dan" zu lesen: dessen Schüler hätten sich klagend um sein Sterbebett versammelt, was der Lehre widersprach, wonach Leben so gleichgültig wie Sterben ist; weder das eine noch das andere sei Anlass zu Trauer oder zu Freude. Wenn die Zuordnung richtig ist, so war Zhuangzi also durchaus der Meinung, der Verfasser des Laozi sei an bekanntem Ort zu bekannter Zeit und in der Mitte seiner Anhänger gestorben - und die Geschichte Sima Qians wäre damit eine Fabel.

    Wer der oder die Verfasser des Daodejing sind, ob das Werk aus dem sechsten oder dem dritten vorchristlichen Jahrhundert stammt oder im Verlauf dieser Zeit entstanden ist und redigiert wurde (es gibt aus dem Text selbst keine Datierungshilfen), ob es vielleicht sogar später als das Zhuangzi (und auf dieses bezogen) ist, all dies sind umstrittene Fragen der Textkritik. Doch liegt das kurze Werk ("kürzer als irgendein Evangelium", sagt Legge) "in zwei Teilen mit mehr als 5000 Zeichen" (wobei der Autor nur etwa 800 verschiedene Wörter verwendet) seit mehr als zweitausend Jahren vor (der Katalog der kaiserlichen Bibliothek um die Zeitenwende verzeichnet bereits vier Bearbeitungen davon) und ist seit dem dritten Jahrhundert n.Chr. in 81 Kapitel unterteilt.[35]

    Auch der Textbestand selbst (Debon spricht von "mehreren gleichberechtigten Lesarten ... Mißdeutungen älterer Schriftzeichen, Auslassungen, irrtümliche Aufnahme von Glossen in den Text" etc.) ist nicht eindeutig. Dennoch: "Die relevanten Stellen sind erfreulich klar, und an der Botschaft ändert auch peinlichste Textkritik kaum etwas."[36] Was ist die Botschaft?

    Eine allgemein anerkannte Voraussetzung früher chinesischer Denker ist die Idee, dass es "richtige" Namen für die Dinge gibt.[37] Die Entsprechung zwischen dem Namen und der Wirklichkeit wird als wesentlich angesehen. Das Daodejing ist in diesem Punkt skeptisch, was bereits im ersten Kapitel deutlich wird: der Name, der genannt oder definiert werden kann, ist nicht "ewig", sondern veränderlich, steht im ersten Spruch. Es ist die zweite der folgenden Zeilen, wobei das vorletzte, in Klammer gesetzte Zeichen sich in der Handschrift fand, die im Grab von Mawangdui 1973 gefunden wurde:

    (ming ke ming fei chang (heng) ming)

    Die Graphik mit den Schriftzeichen ist dem oben zitierten Beitrag von Torsten Klemm entnommen. Er verweist auf die hier entscheidende Setzung von Kommata, weil der Sinn sich ändert, je nachdem, welche Zeichen als zusammengehörend aufgefasst werden und übersetzt die Zeile mit "einen Namen nennen, ist möglich, doch nicht als gleichbleibenden Namen". Diese Übersetzung ergibt sich daraus, dass gemeint sei: "daß sämtliche Namen nur lose mit dem Wesen der Dinge zusammenhängen, auf welche sie verweisen; dies zu erkennen, heißt dem Verborgenen auf der Spur zu sein".[38]

    Wir könnten an einen Nominalismus oder Konventionalismus denken: jede Benennung wird wieder abgelöst werden von einer anderen Benennung, keine ist endgültig. So verstanden, wäre eine Skepsis gegen einen Begriffsessentialismus ausgedrückt, vielleicht auch gegen magische Praktiken des "Namen-Nennens" oder zumindest gegen die bei Konfuzius begegnende Idee, man könne die Gesellschaft in Ordnung bringen, wenn nur die "Namen richtiggestellt" würden.

    Aber zwei Zeilen weiter (SS 2) begegnet der "Name" [39] wieder, und die Übersetzungen differieren:
    "Was Namen hat, ist Mutter der zehntausend Wesen." (Debon) Ähnlich:
    "The Named is the mother of all things." (Chan) Jedoch:
    "(conceived of as) having a name, it [Dao] is the Mother of all things." (Legge) Und ganz anders:
    "Existence is the mother of all things." (Ch'u Ta-kao[40]) oder auch
    "der Terminus Sein bezeichnet die Mutter der zehntausend Wesen." (Duyvendak, nach Debon, S. 114)
    Vorläufig können wir nur perplex sein. Es handelt sich um ganze sechs Schriftzeichen, von denen jedes bis heute im Chinesischen gebräuchlich ist.[41] Es liegt nicht nur daran, dass ich hier die jeweils parallele Zeile (die das Dao, das Nicht-Benannte, non-existence betrifft) weggelassen habe, wenn der Eindruck der Unverständlichkeit entsteht. Sehen wir weiter.

    Ein drittesmal kommt "Name" im ersten Kapitel vor. Davor (SS 3) steht die Einfügung eines Reimspruchs, wie sie im Daodejing nicht selten sind, von der Schleichert bemerkt, das Ganze wirke, "als hätte jemand einem alten Zauberspruch einen geschliffenen intellektuellen Vorspann gegeben."[42] Überspringen wir diesen Spruch, so war direkt davor vom "Namenlosen" und vom "Namentragenden" die Rede. Darauf folgt nun:
    "Diese beiden sind gleicher Herkunft aber verschiedenen Namens." (Schleichert)
    "Diese beiden sind eins und gleich. Hervorgetreten, sind ihre Namen verschieden." (Debon)
    "These two are the same in source and become different when manifested." (Ch'u Ta-kao)
    "Under these two aspects, it [Dao] is really the same; but as development takes place, it receives the different names." (Legge)
    "The two are the same, But after they are produced, they have different names." (Chan)
    Man kann nicht wirklich sagen, dass der Vergleich der Übersetzungen hier das Verständnis erleichtert. Es ist schon einmal nicht klar, worauf "die beiden" sich bezieht: sind "das Namenlose" und "das Namentragende" damit gemeint, so kann nur durch eine Äquivokation von "Name" formuliert werden, diese beiden seien "verschiedenen Namens". Ist aber das "Dao" aus der (nichtzitierten) ersten Zeile mit dem "Benannten" aus der zweiten Zeile gemeint, so hat man sich zu fragen was "gleiche Herkunft" oder "same in source" bedeuten soll (vom "Dao" wird an späteren Stellen immer wieder gesagt, es sei herkunftslos). Ist es gar so, dass wir hier schon an einer Stelle sind, wie sie von "Liebhabern sogenannter östlicher Weisheit oder sonstiger Geheimniskrämerei gerade wegen [ihrer] Unklarheiten geschätzt [werden], und dies im Osten wie im Westen"?[43] Wenn das der Fall ist, was hätten wir damit anderes zu tun als bedauernd weiterzugehen? Hoffen wir auf Klärung an anderer Stelle und gehen wir weiter.

    Das Kapitel 25 enthält eine Art Kosmogonie. Ich zitiere es nach Debon:

    "Ein Wesen gibt es chaotischer Art,
    das noch vor Himmel und Erde ward,
    so tonlos, so raumlos.
    Unverändert, auf sich nur gestellt,
    Ungefährdet wandelt es im Kreise.
    Du kannst es ansehn als die Mutter der Welt.
    Ich kenne seinen Namen nicht.
    Ich sage Weg, damit es ein Beiwort erhält.

    Und wenn ichs mit Mühe benennen soll,
    Sag Ich: Das Große. [sic!]
    Großsein (dad) heißt: Sich Verlieren (djad);
    Sich Verlieren heißt: Sich Entfernen;
    Sich Entfernen heißt: Im Gegensinn gehn.

    Wahrlich:
    Groß ist der Weg, groß der Himmel,
    Groß die Erde, groß der König!
    Vier Große gibt es in den Grenzen des Alls.
    Der Mensch ist einer von ihnen.

    Der Mensch nimmt zum Gesetz die Erde;
    Die Erde zum Gesetz den Himmel;
    Der Himmel zum Gesetz den Weg;
    Der Weg nimmt zum Gesetz das eigene Weben." (Debon 1979, S. 49)

    Ich gehe jetzt nicht mehr auf allzuviele Varianten der Übersetzungen ein, die allerdings auch hier sehr auffallend sind (Schleichert sagt beispielsweise in der ersten Zeile statt "Wesen ... chaotischer Art": "Etwas, das aus dem Chaos hervorging"; Chan übersetzt dasselbe mit "something undifferentiated and yet complete"; Legge ähnlich: "something undefined and complete"; Ch'u Ta-kao "a thing inherent and natural"), sondern bleibe beim Thema des Benennens. Hier ist (in jeder Übersetzung) davon die Rede, dass ein Name für etwas Unbenennbares zu finden ist. Nicht in jeder Übersetzung ist von einem Zwang ("wenn ichs ... benennen soll") die Rede, doch kann man sich diesen Zwang etwa so vorstellen wie Theologen sich gezwungen sahen, Aussagen mit endlichen Begriffen über "Gott" zu formulieren, den sie mit endlichen Begriffen nicht denken konnten, weswegen sie dann von einer "negativen Theologie" sprachen. Hier wird also "mit Mühe" benannt und zwar mit einem einfachen Wort: "groß" ist eines der einfachsten Zeichen der chinesischen Schrift:

    Dieses Zeichen wird hier in drei Schritten erläutert: "groß" heißt erstens "sich Verlieren" (Ch'u Ta-kao: "going on"; Chan: "functioning everywhere"; Legge: "it passes on (in constant flow)" - letztere Bedeutung verzeichnet auch das Wörterbuch: gehen, sterben); das "sich Verlieren" heißt zweitens "sich Entfernen" (Ch'u Ta-kao: "going far"; Chan: "far-reaching"; Legge: "it becomes remote"; das Wörterbuch: weitgehen, fernbleiben); und drittens bedeute dieses "sich Entfernen" dann "im Gegensinn gehn" (Ch'u Ta-kao: "returning"; Chan: "returning to the original point"; Legge: "it returns"; das Wörterbuch: "rebel, oppose, to bend, turn aside"). Der "Name" für das Unbenennbare wird also mit Bewegungsausdrücken gefunden - und zwar mit solchen, die nicht eine gerichtete, sondern eine schwingende, reversible oder gegensinnige Bewegung ausdrücken.[44] Die Metaphorik erinnert in gewisser Weise an Hegels "aufheben" in der dreifachen Bedeutung von "negare, elevare, conservare".

    Schleichert weist hier auf den "seltsamen Spruch" im Kapitel 32 hin, wo davon die Rede ist, dass das Benennen erst nach dem "Behauen" (dsche, was auch "zurechtschneiden und "regieren" heißen könne) vorkommt - und dass es dabei darauf ankommt, rechtzeitig aufzuhören. Er interpretiert: "Benennen heißt, die benannten Dinge abgrenzen, sie voneinander unterscheiden", und weist darauf hin, dass dies für Naturdinge ebenso wie für die Gesellschaft gemeint sein könne. Der Text lautet:

    Dao ist ewig ohne Namen.
    Ein unbehauener Klotz, zwar gering,
    aber von nichts auf der Welt zu beherrschen.
    [...]
    Erst wenn man ihn behaut,
    dann gibt es Namen.
    Sobald es Namen gibt
    muß man innezuhalten wissen.[45]

    Das klingt nach einer Mahnung zum Maßhalten im Gestalten, Definieren, Einteilen, Beherrschen und so ist es wohl auch gemeint. Die Frage ist natürlich, worin das rechte Maß in allen diesen Dingen zu finden ist.

    Das Nicht-Behauene, Nichtbenennbare, Nicht-Definierbare, Nichtbeherrschbare, Nicht-Existierende heißt "Dao".

    Zhuangzi

    Zhuang Zhou (auch: Chuang Tzu, Chuang Tze, Dschuang Dsi, ca. 369 - ca. 286 v.) aus dem Staate Song war ein Zeitgenosse des Konfuzianers Mencius und ist wahrscheinlich der Autor großer Teile des Zhuangzi.[46] Dieses Werk soll nach der modernen Forschung in seinen älteren Teilen in das fünfte Jahrhundert v. zurückgehen, während die spätesten Teile in das zweite vorchristliche Jahrhundert datiert werden. Bereits Sima Qian schreibt das Werk aber dem Zhuang Zhou zu, den er als einen umfassend gebildeten Nachfolger von Lao Dan schildert, dessen satirischer Kritik weder Mohisten noch Konfuzianer entgangen seien und den niemand, auch Könige und Fürsten nicht, zu seinen eigenen Zwecken gebrauchen konnte. Zhuang Zhou habe dem König Wei von Chu, als dieser ihn zum Minister machen wollte, ausrichten lassen, er wolle lieber als kleines Kälbchen im Hinterhof leben als zum Tempelochsen zu werden, der gefüttert und geziert werde, um dann geopfert zu werden.[47] Von seinem Leben wissen wir sonst nur aus den Anekdoten, die das Werk selbst enthält. Das Zhuangzi gehört mit ca. 64.600 Schriftzeichen zu den umfangreichsten Werken aus der Periode des alten chinesischen Denkens. Es wird in 33 Kapitel ("Bücher") eingeteilt[48], wobei seit den ersten Kommentaren (ca. 300 n.) drei Teile unterschieden werden: der "innere" (Kap. 1-7), der "äußere" (Kap. 8-22) und der "vermischte Teil" (Kap. 23-33).

    Natürlichkeit, Unmittelbarkeit und Spontaneität sind vielleicht die Ideen, mit denen das Zhuangzi am ehesten charakterisiert werden kann. Nicht Bücherweisheit, sondern Intuition ist der Schlüssel zur Harmonie des Menschen mit sich selbst und mit der Welt. Jedes Ding und jedes Wesen hat seine eigentümliche Natur (deh) und wird nur dann glücklich, wenn es diese verwirklicht. Im natürlichen, herrschaftslosen Zustand lebten die Menschen einfach, erst mit den Herrschaftsverhältnissen kam Nützlichkeit und Künstlichkeit ins Leben. Jede Regierung zwingt die Menschen dazu, denselben Mustern und Standards zu folgen, was aber dem deh jedes Einzelnen zuwiderläuft. Darum wäre Regierungslosigkeit die beste Regierung. Zhuang Zhou ist hier radikaler als das Daodejing: er fordert nicht nur

    xxx Siegel zerbrechen

    Alle hätten in einer idealen Gesellschaft die Freiheit, so zu leben wie sie wollen, und bräuchten sich nicht nach Vorstellungen anderer zu verhalten.

    xxx Paradiesischer Urzustand: small world, auch dumm

    Nicht Aktivismus und Weltveränderung, aber auch nicht ein Rückzug in die glücklichen Wälder, sondern Verwirklichung der eigenen Natur ist das Ziel. Das Zhuangzi erläutert dies zum Beispiel in der Geschichte vom nutzlosen Baum:

    Hui-Tse[49] sagte zu Tschuang-Tse:

    "Herr, ich habe einen großen Baum von einer wertlosen Art. Sein Stamm ist so uneben und knorrig, daß er nicht zu Brettern taugt; und seine Äste sind so gewunden, daß sie keine Nutzteilung zulassen. Er steht an der Landstraße, aber kein Zimmermann sieht ihn an. Deine Worte, Herr, sind wie dieser Baum: groß und nutzlos, von keinem gebraucht."
    Tschuang-Tse antwortete:
    "Herr, hast du nie eine Wildkatze gesehen, die geduckt auf ihre Beute lauert? Rechtshin, linkshin springt sie von Zweig zu Zweig, hinauf, hinab, - bis sie von ungefähr in eine Falle gerät oder in einer Schlinge verreckt. Dann ist da aber der Büffel mit seinem massigen Leibe, der einer Wolke gleich den Himmel verdunkelt. Er kann gerechterweise groß genannt werden. Auf den Mäusefang versteht er sich freilich nicht.
    Nun denn: hast du einen großen Baum und weißt nicht, was du damit beginnen sollst, - warum pflanzest du ihn nicht in die einsame und schattenlose Wildnis? Da könntest du müßig zu seinen Füßen schlendern oder im Genusse ungestörten Behagens in seinem Schatten schlafen. Da brauchte keiner an Beil und Axt zu denken; da wärest du mit ihm jenseits von Nutz und Schaden." (Zhuangzi, Kap I, SS 7) [50]

    Hässlichkeit und Schönheit, Nützlichkeit und Schädlichkeit sind rein konventionelle Begriffe (ebenso wie Größe und Kleinheit, Wert und Wertlosigkeit), aber im Zweifelsfall scheint es besser zu sein, die konventionell negativ besetzte Qualität zu haben, als die positive. Für die "Hässlichkeit" wird das an einer kleinen Geschichte demonstriert:

    Als Yang-Tse nach dem Staate Sung kam, verbrachte er eine Nacht in einer Herberge.
    Der Wirt hatte zwei Beischläferinnen, eine schöne und eine häßliche. Die häßliche ehrte er; die schöne verachtete er.
    Yang-Tse fragte einen Herbergsdiener, warum dies so sei. Der antwortete: "Die Schöne weiß um ihre Schönheit, und wir sehen ihre Schönheit nicht. Die Häßliche weiß um ihre Häßlichkeit, und wir sehen ihre Häßlichkeit nicht." (Zhuangzi, Kap XX, SS 9)[51]

    Wiederholt setzt das Zhuangzi sich mit den Konfuzianern auseinander. Diese wollen den Menschen bilden, zur Tugend erziehen. Zhuangzi aber möchte, dass die Menschen dem Weg ihrer Natur folgen, nicht dem Weg von (anderen) Menschen. Es gebe darum auch keine wirkliche Weisheit oder wirkliches Glück, das mit dem Studium von Klassikern, mit einer Tradition erlangt werden könnte.

    xxx Studium der Bücher macht unglücklich

    Es gibt auch keinen Bedarf an einer entwickelten Technik.

    Tse-Kung kam einst auf dem Rückweg von Tschu nach Tsin an einem Ort nördlich des Hanflusses vorbei. Da sah er einen alten Mann, der einen Graben anlegte, um seinen Gemüsegarten mit einem Brunnen zu verbinden. Er schöpfte in einem Eimer Wasser aus dem Brunnen und goß es in den Graben, - eine große Arbeit mit einem sehr kleinen Ergebnis.
    "Wenn du ein Triebwerk hier hättest", rief Tse-Kung, "könntest du in einem Tage dein Stück Land hundertfach bewässern mit ganz geringer Mühe. Möchtest du nicht eines besitzen?"
    "Was ist das?" fragte der Gärtner.
    "Es ist ein Hebel aus Holz", antwortete Tse-Kung, "der hinten schwer und vorne leicht ist. Er zieht Wasser aus dem Brunnen, wie du es mit deinen Händen tust, aber in stetig überfließendem Strom. Er wird Ziehstange genannt."
    Der Gärtner sah ihn ärgerlich an, lachte und sprach: "Dieses habe ich von meinem Lehrer gehört: die listige Hilfsgeräte haben, sind listig in ihren Geschäften, und die listig in ihren Geschäften sind, haben List in ihren Herzen, und die List in ihren Herzen haben, können nicht rein und unverderbt bleiben, und die nicht rein und unverderbt bleiben, sind ruhelos im Geiste, und die ruhelos im Geiste sind, in denen kann Tao nicht wohnen. Nicht daß ich diese Dinge nicht kennte; aber ich würde mich schämen, sie zu benützen."
    Tse-Kung war verlegen, senkte den Kopf und sagte nichts.
    Nach einer Weile fragte ihn der Gärtner: "Wer bist du?"
    "Ich bin ein Schüler Kung-Fu-Tses", antwortete Tse-Kung.
    "So bist du", sagte der Gärtner, "einer von denen, die ihr Wissen ausdehnen, um als weise zu erscheinen; die groß reden, um sich über die Menge zu setzen; die einsam schwermütige Lieder singen, um ihren Ruf zu verbreiten. Könntest du all die Geisteskraft vergessen und die Gebärden abtun - dann erst würdest du nahe sein. Du aber vermagst dich selbst nicht zu regieren und willst die Welt regieren? Geh deines Wegs und störe meine Arbeit nicht länger." (Zhuangzi, Kap. XII, SS 11)[52]

    Durch Künstlichkeit entfremdet der Mensch sich von seinem Weg, macht sich künstliche Probleme, für die wieder künstliche Lösungen notwendig werden. Es ist natürlich schwer nachvollziehbar, warum der daoistische Gärtner in dieser Geschichte gerade beim Ziehbrunnen die Grenze zieht, also bei der Verlängerung des Armes, und nicht schon beim Eimer, der Vergrößerung der Hand. In dem utopischen Roman "Erewhon" von Samuel Butler, worin eine Gesellschaft geschildert wird, die nach langen Kämpfen schließlich sich davon überzeugt hat, dass Maschinen die Herrschaft über die Menschen anzutreten imstande sind, und die diese Maschinen daher zerstört, wird die Debatte über eine solche Grenzziehung detailliert geführt, letztlich aber doch mit praktischen Kompromissen entschieden.[53]

    Reines Existieren und Einssein mit der Natur würde zu Ausgeglichenheit führen, doch machen die Menschen sich unglücklich, indem sie Theorien aufstellen. So sieht das Zhuangzi keinen wesentlichen Unterschied zwischen Leben und Tod - das Leben sei nur ein Zwischenzustand - und hält die Furcht vor dem Tod für eine der Hauptquellen des Unglücklichseins.

    Als Tschuang-Tses Frau gestorben war, ging Hui-Tse zu ihm, ihm sein Beileid zu sagen.
    Tschuang-Tse saß auf der Erde, die Beine von sich gestreckt, sang und schlug den Takt auf einem Becken.
    "Wenn ein Weib mit dem Gatten gelebt und ihm Kinder aufgezogen hat", rief Hui-Tse, "und dann im Alter stirbt, dünkt es mich schon schlimm genug, sie nicht zu beweinen. Aber auf einem Becken trommeln und singen: das ist ein sonderbares Beginnen."
    "Nicht also", sagte Tschuang-Tse. "Als sie starb, war ich davon hingenommen. Bald aber entsann ich mich. Sie hatte schon bestanden, ehe sie geboren war: ohne Form, ohne Wesen. Dann geschah in dem Urgemenge die Wandlung, der Geist kam zu Wesen, das Wesen zu Form, die Form zur Geburt. Nun ist wieder eine Wandlung geschehen, und sie ist tot. So geht man von Frühling zu Herbst, von Sommer zu Winter. Jetzt schläft sie ruhig in dem Großen Haus. Würde ich weinen und klagen, ich hätte den Sinn von alledem nicht mehr. Darum habe ich mich entzogen. (Zhuangzi, Kap. XVIII, SS 2)[54]

    In demselben Kapitel findet sich auch das berühmte Gespräch mit dem Totenschädel, das in China oft dargestellt wurde:

    Chuang-tzu sah eines Tages einen Totenschädel, von der Sonne gebleicht, aber noch wohlerhalten. Ihn mit der Reitgerte berührend sagte er: `Warst Du wohl einmal ein Bürger, der vor lauter Lebensgier den Verstand verlor und so in diese Lage geriet? Oder ein Staatsmann, der, als sein Land unterging, mit Schwert und Axt hingerichtet wurde? Oder ein Halunke, der seinen Eltern und seiner Familie nichts als Schande hinterließ? Oder ein Bettler, der in Hunger und Kälte verendete? Oder bist Du so weit gelangt, nachdem Du im Laufe der Natur ein hohes Alter erreicht hattest?' Nach diesen Worten nahm er den Totenschädel, legte ihn sich als Kissen unter den Kopf und schlief ein. Des Nachts träumte er, daß ihm der Schädel erschien und sagte: `Mein Herr, Ihr habt fast so gut gesprochen wie ein Advokat. Aber Euere Worte bezogen sich bloß auf das Leben unter den Menschen und auf die Sorgen der Sterblichen. Im Tod gibt es davon nichts. Wollt Ihr darüber hören?' Und als Chuang-tzu bejahte, sprach der Schädel weiter: `Im Tod gibt es keine Herrscher oben und keine Untertanen unten. Der Lauf der Vier Jahreszeiten ist unbekannt, unser Leben mißt sich an der Ewigkeit. Selbst ein König unter den Menschen kann kein größeres Glück empfinden als es uns zuteil wird.' Chuang-tzu war noch nicht ganz überzeugt und fragte: `Vermöchte ich mit Hilfe des Schöpfers, daß Dir Dein Körper wiedergegeben würde, Deine Knochen und Dein Fleisch erneuert würden und Du zurückkehren könntest zu Deinen Eltern, zu Weib und Kind und zu Deinen alten Freunden, würdest Du dann nicht gerne davon Gebrauch machen?' Da öffnete der Totenschädel weit seine Augen, runzelte die Brauen und sagte: `Was sollte ich ein Glück größer als das eines Königs von mir werfen, um mich noch einmal zu stürzen in die Mühen und Sorgen der Menschheit?' (Zhuangzi, Kap. XVIII, SS 4)[55]

    Alles ist Dao. Wenn sich ein Mensch mit dem Dao identifiziert, wird er Anfang und Ende, Subjekt und Objekt, Wirklichkeit und Unwirklichkeit nicht trennen. Die ganze Welt ist ein ständig fließendes Spiel von Gegensätzen, die einander bewirken und sich wieder auflösen. Argumente, Standpunkte, Ideen sind relativ, alle mögen richtig sein. Ichbewußtsein und Wahrnehmung täuschen. Das bedeutet zunächst Perspektivität und Relativität des Urteils. Dies bezieht sich auf alle Sachverhalte, auch auf Werte, wie es die Parabel vom "Herrn des Meeres" zum Ausdruck bringt:

    "Vom Tao aus gesehen ... gibt es die Gegensätze des Wertes und der Wertlosigkeit nicht. Der einzelne aber schätzt sich hoch und die andern gering, und die Gesamtheit spricht dem einzelnen das Recht des Schätzens ab, um es sich zuzusprechen." (Zhuangzi, Kap. XVII, xxx )[56]

    Hier ist ein Vergleich anderer Übersetzungen fast zwingend, denn die Frage, wer die "Gesamtheit" in der zitierten Übersetzung denn sei, die da dem einzelnen vorschreibt, wie er etwas zu schätzen hat, ist entscheidend, wenn wir uns mit kulturellen Bedingtheiten des Denkens auseinanderzusetzen haben: hat das Zhuangzi hier einen Hinweis auf kulturelle Konstanten des Denkens? Schleicherts Übersetzung bringt von diesem Gedanken wieder ab. Dort sagt "das Nordmeer" zum "Flußgott":

    Vom Dao aus betrachtet sind Dinge weder wertvoll noch gewöhnlich. Von den Dingen her gesehen aber ist es so: Jedes hält sich selbst für wertvoll und die anderen für gewöhnlich. Nach der gewöhnlichen Sichtweise sind Wert oder Unwert keineswegs etwas Subjektives. (ebd.)[57]

    Es geht hier um die Zuschreibung von Eigenschaften (wie "wertvoll-wertlos", "groß-klein" u.ä.) an Dinge sind derartige Zuschreibungen sachlich gerechtfertigt oder nicht? Bei relativen Gegensätzen (wie "groß-klein") leuchtet ohne weiteres ein, was der weitere Text ausführt, nämlich dass "man Himmel und Erde wie ein Reiskorn ansehen kann, aber auch eine Haarspitze wie einen Berg" (nach Schleichert, ebd.).

    Diese Frage ist wichtig, wenn wir vom Brunnenfrosch, der Sommerfliege oder dem Schulmann lesen, was der "Herr des Nordmeers" zum "Herrn des Flusses" sagt:

    Mit einem Brunnenfrosch kann man nicht vom Meer reden, denn er sitzt in seinem Loch fest. Mit einem Sommerinsekt kann man nicht vom Eis reden, dazu lebt es zu kurz. Mit einem Fachidioten kann man nicht vom Dao reden, denn er ist in seinen Theorien verstrickt.
    Nachdem du aber deine Ufer verlassen hast, läßt sich mit dir von den großen Prinzipien reden. (Zhuangzi Kap. XVII, SS 1)[58]

    Als ein solcher "Brunnenfrosch" wird im selben Kapitel (XVII, SS 10) der Logiker Gongsun Long dargestellt, der hier von sich sagt, er habe alle Lehren der Traditionen studiert und bedacht[59], wisse jetzt aber nicht, welchen Weg er gehen sollte. Sein daoistischer Gesprächspartner beugt sich vor, atmet tief durch, schaut zum Himmel, lächelt und erzählt ihm das Zwiegespräch zwischen dem Frosch im verfallenen Brunnen und der Meeresschildkröte. Der Frosch berrändere es, keine äußeren Ursachen vermehren oder vermindern es. In dieser Unendlichkeit liege die Lust des Meeres. Der Frosch ist entsetzt. - Der Rest des Abschnitts besteht in einem Wortschwall des Daoisten, vor dem Gongsun Long vollkommen verstummt und schließlich verlegen die Flucht ergreift. Es hilft dem "Brunnenfrosch" also nichts, wenn er andere und möglichst viele andere Brunnen wahrnimmt - mit anderen Worten: wenn er fremde Kulturen und Traditionen studiert -, er muss nach der Auffassung des Zhuang Zhou die Brunnensituation überhaupt verlassen.

    Das Zhuangzi enthält eine ganze Reihe von Gesprächen, sodass wir uns hier, im Unterschied zum Daodejing, sinnvollerweise die Frage stellen können, ob und welche Arten von Dialogen darin geführt werden. An zwei Gesprächspartnern von Zhuang Zhou, Lao Dan oder dessen Jüngern lässt sich die Frage einigermaßen klären: an Beschreibungen von Gesprächen mit Konfuzius und mit Hui Shi. Konfuzius wird in der Regel als jemand eingeführt, der nicht aus noch ein weiß. Seinem daoistischer Partner, den er um Rat fragt, gelingt es gelegentlich sogar, ihn mit einer Parabel so weit zu bringen, dass er aufhört, zu studieren, seine Bücher aufgibt und auch nicht mehr lehrt. Dabei stellt sich heraus, dass er selbst sehr ähnliche Anschauungen hatte wie der Daoist, sich nur eben selbst missverstand.[60] In jedem Fall verstummt er. Dasselbe passiert Hui Shi in einer ausführlichen Episode in Kapitel 24, die an einige Stellen in Dialogen Platons erinnert, wo der Gesprächspartner des Sokrates auch nicht immer wirklich eine Stimme hat.

    Dschuang Dsi sprach: "Wenn ein Schütze, der ohne zu zielen trifft, ein guter Schütze genannt werden könnte, so wären alle Menschen auf der Welt Schützenkönige. Zugegeben?"
    Hui Dsi sprach: "Zugegeben."
    Dschuang Dsi sprach: "Wenn es auf Erden keine allgemeine Wahrheit gäbe und jeder seine Wahrheit für wahr erklärte, dann wären alle Menschen auf der Welt Propheten. Zugegeben?"
    Hui Dsi sprach: "Zugegeben."
    Dschuang Dsi sprach: "Nun aber gibt es die Ethiker (Konfuzianer), die Philanthropen (Schüler des Mo Di), die Pessimisten (Schüler des Yang Dschu), die Sophisten (Schüler des Gung Sun Lung). Das sind vier Schulen; mit Euch, o Meister, sind es zusammen fünf. Wer hat nun wirklich recht? ..."
    Hui Dsi antwl;tern die Füße abschneidet, und der für seine Vasen und Glocken sorgte, indem er sie vorsichtig einwickelte, oder wie einer, der seinen verlorenen Sohn suchen wollte, ohne seine Nachbarschaft zu verlassen. Es liegt eine Verkennung der Verhältnisse in diesem Benehmen. Wie jener andere, der auf einem Schiffe fuhr zu dem Ort, an dem er Türhüter werden sollte, und mitten in der Nacht, während niemand um den Weg war, sich in Streit einließ mit den Bootsleuten. Ehe er imstande war, ans Ufer zu kommen, hatte er sich schon genügend Belästigungen zugezogen. (Zhuangzi, Kap. XXIV, SS 5)[61]

    Dem Kommentar des Übersetzers zu dieser Stelle (R. Wilhelm: "Der Sinn ist klar"[62]) kann man wohl schwerlich zustimmen. Selbst wenn der Kommentar die Parabeln richtig auflöst, bedeutet das, dass Zhuang Zhou sich hier ganz einfach weigert, dem Argumentieren - dem Umstand, ins "Unrecht gesetzt" zu werden oder nicht zu werden - irgendeine Bedeutung zuzumessen. Wenn das der Fall ist, so war seine Frage ("Wer hat nun wirklich recht?") von vornherein bloß rhetorisch. Dann allerdings müsste das Ausgangsbeispiel von dem Zufallstreffer auch zu denken geben, denn Bogenschießen kann geübt werden (und das Zhuangzi gibt viele Beispiele praktizierter Übung und Kunst) und was da geübt wird, ist nicht nur, irgendwie anders als früher zu schießen, sondern besser zu treffen. Der Übergang von der ersten zur zweiten Frage ist daher eigentlich im schlechten Sinn `sophistisch', und zwar nicht von Seiten des `Sophisten' Hui Shi, sondern des daoistischen Autors. Das Gespräch bietet so ein faszinierendes und enttäuschendes Gemisch von Klärung und Mystifizierung.

    Allerdings kommt es Zhuang Zhou vielleicht auch gar nicht darauf an, in einer Argumentation zur richtigen Auffassung oder zumindest zu einem Wissen darüber zu gelangen, welche Auffassung sicher falsch ist - anders als dem platonischen Sokrates.

    Angenommen, wir beide disputieren, und du siegst, während ich verliere. Ist dann das, was du vertrittst, wahr, und das, was ich vertrete, falsch? Oder wenn ich gewinne und du verlierst, ist dann das, was ich verfechte wahr, und das, was du behauptest, falsch?
    Ist wirklich die eine (Behauptung) wahr und die andere falsch? Oder sind vielleicht beide wahr? Oder beide falsch?
    Wenn wir beide aber einander nicht zur Erkenntnis verhelfen können, dann werden auch andere Leute im Dunkel tappen. Wen könnte ich als Schiedsrichter holen? Einer, der deiner Meinung ist, stimmt natürlich dir zu, kann also nicht Schiedsrichter sein. Dasselbe gilt für jemanden, der meiner Meinung ist, ebenso für einen, der weder deiner noch meiner Meinung ist, und ebenso für einen, der mit beiden von uns einer Meinung ist.
    Da das so ist, sind weder ich noch du noch sonst irgendjemand imstande, einander zur Erkenntnis zu verhelfen. Auf wen sollten wir aber noch warten? (Zhuangzi, Kap. II, SS 10)[63]

    Abgesehen davon, dass es interessant wäre, zu wissen, unter welchen Bedingungen gesagt werden kann, dass jemand im Streitgespräch "siegt" und ein anderer "verliert", ist die Fragestellung dieser Passage geradezu spannend. Die Auflösung der Frage bleibt allerdings aus. Doch ist immerhin noch davon die Rede, dass hier identifizierbare Träger von Meinungen (ich, du, der mögliche Schiedsrichter) miteinander zu tun haben, wenn sie auch alle personal aufgefasst werden und von so etwas wie einer von ihnen allen verschiedenen (`objektiven') Realität gar keine Rede ist. Zhuang Zhou geht aber im selben Kapitel noch weiter: Er weiß nicht einmal, wer oder was er ist:

    Einst träumte Zhuang Zhou, er sei ein Schmetterling, ein fröhlich flatternder Schmetterling, der glücklich und zufrieden war und nichts von Zhuang Zhou wußte. Plötzlich erwachte er, und schon war er wieder Zhuang Zhou. Jetzt wußte er aber nicht, ob Zhuang Zhou geträumt hat, daß er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, daß er Zhuang Zhou sei. Zwischen Zhuang Zhou und Schmetterling müßte es doch einen Unterschied geben. Das nennt man die Verwandlung der Dinge. (Zhuangzi Kap. II, SS 11[64])

    Dies ist mehr als die Betonung der Perspektivität aller Wahrnehmungen, Auffassungen und Beschreibungen, wie sie schon mehrfach zum Ausdruck kam; es ist auch mehr als die Behauptung der Ununterscheidbarkeit von Subjekt und Objekt (im Traum); was hier behauptet wird, ist die Unerkennbarkeit der Ich-Identität.

    xxx Auf das Dao bezieht die Skepsis sich nicht. Schleichert

    Ein Bereich, aus dem das Zhuangzi viele seiner Beispiele entnimmt, ist das Handwerk bzw. die praktische Beherrschung einer Kunst. Hier gibt es keinerlei Skepsis, aber es wird eine Art von Wissen oder Können geschildert, das nicht wie Bücherwissen lernbar ist. Dieses "Können-Wissen" (es ließe sich mit dem französischen "savoir", aber auch mit dem englischen "to know" besser ausdrücken als mit dem deutschen "wissen") eignet sich jemand im unmittelbaren Umgang mit den Dingen und mit sich selbst an. Ein Wagner beispielsweise kritisiert seinen Herrn, weil dieser (aus seinen Büchern) nur den "von den Alten übriggebliebene[n] Plunder" kenne. Was er selbst könne, "das muß man in den Fingerspitzen haben und im Herzen, in Worte läßt es sich nicht fassen. Es ist ein Kunststück, das ich nichteinmal meinem eigenen Sohn beibringen und das er nicht von mir lernen konnte."[65] Die Bilder, die hier gebraucht werden (z.B.: dass ein Schuh passt, daran denkt der Fuß nicht, der ihn trägt, vgl. XIX, 13) verweisen auf ein Zusammenpassen, das nicht bewusst oder reflektiert ist: der perfekte Handwerker "weiß" nicht mit dem Kopf, was seine Finger tun, wenn sie das Richtige tun. In der Geschichte vom Glockenspielständer kommt dies schön zum Ausdruck:

    Khing, der Meister der Holzarbeiter, schnitzte einen Glockenspielständer. Als es vollendet war, erschien das Werk allen, die es sahen, als sei es von Geistern geschaffen. Der Fürst von Lu fragte den Meister: "Welches ist das Geheimnis in deiner Kunst?"
    "Dein Untertan ist nur ein Handwerker", antwortete Khing, "was für Geheimnis könnte er besitzen? Und doch ist da etwas. Als ich daranging, den Glockenspielständer zu machen, hütete ich mich vor jeder Minderung meiner Lebenskraft. Ich sammelte mich, um meinen Geist zur unbedingten Ruhe zu bringen. Nach drei Tagen hatte ich allen Lohn, den ich erwerben könnte, vergessen. Nach fünf Tagen hatte ich allen Ruhm, den ich erwerben könnte, vergessen. Nach sieben Tagen hatte ich meine Glieder und meine Gestalt vergessen. Auch der Gedanke an deinen Hof, für den ich arbeiten sollte, war geschwunden. Da sammelte sich meine Kunst, von keinem Außen mehr gestört. Nun ging ich in den Hochwald. Ich sah die Formen der Bäume an. Als ich einen erblickte, der die rechte Form hatte, erschien mir der Glockenspielständer, und ich ging ans Werk. Hätte ich diesen Baum nicht gefunden, ich hätte die Arbeit lassen müssen. Meine himmelsgeborene Art und die himmelsgeborene Art des Baums sammelten sich darauf. Was hier Geistern beigemessen wurde, ist darin allein gegründet. (Zhuangzi Kap. XIX, SS 10)[66]

    Im Zusammenhang mit dem Daoismus liegt das Thema des Naturwissens nahe, wenn der Daoismus, wie Needham schreibt, "das einzige System der Mystik auf der ganzen Welt [ist], das nicht zutiefst antiwissenschaftlich eingestellt war".[67] Es wurde allerdings Magie und Wissenschaft noch nicht unterschieden - aber dies sei in Europa vor dem 17. Jahrhundert ebensowenig der Fall gewesen. Als wichtige Ideen in dieser Hinsicht nennt Needham die Idee von der Einheit der Natur und deren Gesetzmäßigkeit, von Verdichtung und Verdünnung der Materie (was eine direkte Entsprechung im naturphilosophischen Denken der Griechen hat) oder von der Gleichrangigkeit aller Gegenstände als Erkenntnisobjekte. Letzteres hält Needham für "ein wirklich bedeutendes Prinzip", denn "die Wissenschaft muß ethisch neutral sein" und darf nicht, wie er es bei den Konfuzianern sieht, eine Hierarchie der Gegenstände selbst annehmen. Die Stelle im Kapitel XXII, wo diese Egalität der Objekte zum Ausdruck komme, lautet nach der Übersetzung von Wilhelm:

    Meister Ostweiler befragte den Dschuang Dsi und sprach: `Was man den SINN nennt, wo ist er zu finden?'
    Dschuang Dsi sprach: `Er ist allgegenwärtig.'
    Meister Ostweiler sprach: `Du mußt es näher bestimmen.'
    Dschuang Dsi sprach: `Er ist in dieser Ameise.'
    Jener sprach: `Und wo noch tiefer?'
    Dschuang Dsi sprach: `Er ist in diesem Unkraut.'
    Jener sprach: `Gib mir ein noch geringeres Beispiel!'
    Er sprach: `Er ist in diesem tönernen Ziegel.'
    Jener sprach: `Und wo noch niedriger?'
    Er sprach: `Er ist in diesem Kothaufen.'
    Meister Ostweiler schwieg stille. (Zhuangzi Kap. XXII, SS 6)[68]

    Konfuzianismus

    Der (westliche) Name dieser Denkrichtung leitet sich nicht, wie im Fall des Daoismus, von einem zentralen Begriff her, sondern von einer Stifterfigur. Dies war in der europäischen Literatur nicht immer der Fall (die ersten Übersetzer und Kommentatoren sprachen von der Schule der "Literaten", wo wir heute gewohnt sind, von "Konfuzianern" zu sprechen), und es ist gar nicht chinesische Tradition. Vielmehr ist die übliche chinesische Bezeichnung "rú" ("die Sanftmütigen") oder "rújia" ("Schule der Sanftmütigen")[69], was auf die vorrangig friedliche Tätigkeit dieser Denkerschule hinweisen soll.

    Welche Autoren und Werke dieser Richtung zuzuzählen sind, ist eine nicht ganz einfache Frage. Immer wieder beziehen sich Konfuzius, Mencius und Xun Zi auf die "Fünf Klassiker", die schon in der späten Zhou-Zeit zum Bildungsgut gehörten. Seit dem 12. Jahrhundert sind dann kanonische Schriften unter dem Namen "Vier Bücher" zum allgemein verbindlichen Inhalt für die Beamtenprüfung geworden. Deren Zusammenstellung (und teilweise auch die Gliederung) geht auf Zhu Xi (Chu Hsi, 1130-1200), den bedeutendsten Philosophen des Neokonfuzianismus zurück.

    Dies sind "Das große Studium" (Daxue), die "Lehre von der Mitte" (Zhongyong), die "Gespräche des Konfuzius" (Lunyu) und das Buch des Mencius (Menzi). Die beiden ersten Texte sind kurz, das Menzi nimmt den größten Teil ein. Lunyu und Menzi werden im folgenden in den Abschnitten über Konfuzius bzw. Mencius vorgestellt.

    Daxue (Ta-hsüeh) oder "Das große Studium"[70] ist der kürzeste der vier Texte und enthält in 23 Abschnitten das erzieherische, moralische und politische Programm des Konfuzianismus. Der heute vorliegende Text wurde von Zhu Xi redigiert und kommentiert, wobei die Vorlage ein Kapitel aus dem Liji ("Buch der Riten") war. Es geht darin um die "Bildung" des erwachsenen Menschen und die Schaffung einer guten Gesellschaft. Dabei steht im Zentrum die Idee von einem absteigenden und wieder aufsteigenden Vorgang, der eine direkte Verbindung zwischen der "Weltordnung" und jedem Individuum herstellt. Es sind "sieben Stufen": von der "Untersuchung einzelner (gesellschaftlicher?) Sachverhalte", die zum "vollkommenen Wissen" führt, das wiederum das "Denken aufrichtig" macht. Dadurch wird "das Herz richtig", was dazu führt, dass die "Familie geregelt" wird. Ist das der Fall, werden die "Staaten richtig regiert" und dies ermöglicht Recht und Glück für "alle unter dem Himmel" (Vgl. Daxue, Kap. I, SS 5) Das Daxue lehrt sozusagen eine empirisch begründete Ethik, die auf der ständig wiederholten Prüfung und der Einsicht des Einzelmenschen beruht. Damit ist es von einer apriorischen Ethik ebensoweit entfernt wie von einer konventionalistischen. Dieses Hin- und Hergehen zwischen der allgemeinen Ordnung und der Prüfung des Einzelnen lässt auch an die mohistische Idee des "shang tóng" (s.u.) denken, mit dem entscheidenden Unterschied allerdings, dass der Prozess von unten nach oben und von oben nach unten dort nur zwischen Untertanen und dem Herrscher gedacht wird, während er hier in das Individuum selbst verlegt wird.

    Zhongyong (Chung-yung) oder "Die Lehre von der Mitte",[71] ursprünglich ebenfalls ein Teil des Liji, enthält 33 "Kapitel" von sehr unterschiedlicher Länge (manche sind nur ein Satz), die zumeist mit einem Spruch beginnen, der entweder xxx (Tzu-ssu), dem Enkel des Konfuzius oder Konfuzius selbst zugeschrieben wird, oder aus dem Shijing, dem "Buch der Lieder" stammt. Es geht im Zhongyong vor allem um die Natur des Menschen und den "Weg des Himmels", damit im Zusammenhang um den Begriff des "Junzi", des vollkommenen Menschen. Dieser verhält sich stets "angemessen", er lässt sich nicht von äußeren Bedingungen bestimmen.[72] Jedoch gibt es nicht nur eine einzige Form der Tugend. Konfuzius wird gefragt, was "Kraft" sei, und unterscheidet zwischen der "südlichen", der "nördlichen" und derjenigen Kraft, die man selbst ausbilden soll.[73]

    Das Zhonyong geht in vielen Themen über den klassischen Konfuzianismus hinaus, es war zwischen dem 4. und dem 11. Jahrhundert ein gemeinsamer Bezugstext von Konfuzianern, Daoisten und Buddhisten und ist darum ebenfalls erst in einem späteren Zusammenhang ausführlicher zu behandeln.

    Weitaus älter als die Zusammenstellung der "Vier Bücher" sind die "Fünf Klassiker". Es handelt sich dabei um Yijing (I King, das "Buch der Wandlungen"), Shujing (Shu King, das "Buch der Urkunden"), Shijing (Shi King, das "Buch der Lieder" bzw. "Oden"), Liji (Li Ki, das "Buch der Riten") und Chunqiu (xxx, die "Frühlings- und Herbstannalen"). Traditionell wurde in China die Redaktion dieser Werke dem Konfuzius zugeschrieben, was aber die Forschung nicht bestätigt hat. Das Yijing ist ein Orakel- oder Wahrsagebuch, das in Erklärungen zu den darin enthaltenen "64 Hexagrammen" in Form mythologischer und historischer Anspielungen besteht. Es geht im Kern wahrscheinlich - entgegen chinesischer Tradition, die es viel früher ansetzt - auf die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends zurück. Eine Sammlung politischer Schriften des Altertums bietet das Shujing. Ursprünglich 100 Abschnitte umfassend, besteht es jetzt aus 58 Abschnitten, wovon 33 aus der Zeit vor der Qin-Dynastie stammen (der Rest wird später datiert), die angebliche Reden von Herrschern der Zhou-Dynastie enthalten. Shijing, das "Buch der Lieder", enthält 305 Gedichte, die etwa zur Hälfte volkstümlich, im übrigen Festlieder und Opfergesänge sind. Es ist eines der wichtigsten Dokumente der alten chinesischen Literatur. Im Konfuzianismus werden Gedichte aus dem Shijing moralisch ausgedeutet. Liji, das "Buch der Riten" wird später datiert, es soll während der Han-Dynastie zusammengestellt worden sein. Es enthält Texte über alltägliche Verhaltensnormen, Bestattungs- und Trauerzeremonien, aber auch über das Adelssystem der Zhou-Epoche, Opferrituale, Kalender und Musik. Die Kapitel über das "Große Studium" und die "Lehre von der Mitte" stammen aus dem Liji und wurden später zu selbständigen Texten in den "Vier Büchern". Das BuchChunqiu, die "Frühling- und Herbstannalen" ist das Annalenwerk des Staates Lu für die Zeit von 722 bis 481 v.Chr. Konfuzius und seine Schule beruft sich häufig auf diese Bücher, um bestimmte Auffassungen zu illustrieren oder auch zu argumentieren.[74]

    Eine weitere Frage bezieht sich auf den Einfluss des konfuzianischen Denkens. Es wurde bereits erwähnt, dass eine konfuzianisch orientierte Staats- und Gesellschaftstheorie sich im zweiten vorchristlichen Jahrhundert unter Wu Di, dem bedeutendsten Herrscher der Han-Dynastie allgemein durchsetzen konnte. Auf die weitere Entwicklung wird unten nach der Darstellung von Konfuzius, Mencius und Xun Zi noch kurz eingegangen. Hier ist daran zu erinnern, dass bis zur Han-Dynastie die konfuzianische Denkrichtung lediglich eine unter mehreren darstellt und im Vergleich etwa zur mohistischen nicht die erste Rolle gespielt hatte. Überdies sind die Popularitätsverhältnisse in den einzelnen Staaten der "Zeit der Streitenden Reiche" unterschiedlich, wie sich schon daraus ergibt, dass der Legalismus und nicht der Konfuzianismus im schließlich siegreichen Qin seit langem herrschend war. Für die achsenzeitliche chinesische Gesellschaft kann daher nicht gesagt werden, dass die retrospektive Orientierung, die von Konfuzius vehement vertreten wird, in weltanschaulichen Fragen dominiert hätte.

    Inwieweit ist der Konfuzianismus als Religion[75] zu betrachten? Wie wir sehen werden, ist die Regelung der Ahnenverehrung und der Trauerrituale ein wesentliches Anliegen des Konfuzius. Im Zhongyong wird ihm die Auffassung zugeschrieben, dass unter den "menschlichen Grundbeziehungen" die erste und wichtigste die Sohn-Vater-Beziehung sei. (Zhongyong Kap. XIII, 2)[76]

    Konfuzius

    Die insgesamt wohl einflußreichste Richtung der chinesischen Philosophie ist mit Kongzi (Konfuzius[77], 551 bis 479 v.), einem Beamten, Fürstenberater und Lehrer aus dem Staate Lu verbunden.

    Auf Konfuzius direkt ist keine der unter seinem Namen überlieferten Schriften mit Sicherheit zurückzuführen, doch wurden viele seiner Gespräche und Aussprüche von seinen Schülern gesammelt und festgehalten[78] - in dieser Hinsicht ist er also vergleichbar mit Buddha, Sokrates und Jesus. Die hauptsächliche Sammlung seiner Aussagen findet sich im Lunyu (Lun-yü), das auch unter dem lateinischen Titel Analecta oder der deutschen Bezeichnung Gespräche bekannt ist. "Die primäre Quelle für Konfuzius' Lehre ist die Zitatensammlung Lunyu."[79] Dieser Text ist in 20 "Bücher" bzw. Kapitel gegliedert.

    Das erste "Buch" des Lunyu ist formal eine Doxographie: nach einer groben Vorstellung des Begriffes eines "junzi", eines edlen Menschen (mit Hilfe von referierten Aussprüchen des Konfuzius) folgen mehrere Auslegungen dieser Idealvorstellung, die voneinander zum Teil beträchtlich abweichen, durch Konfuzius und andere Philosophen, Schüler des Meisters. Hier findet sich also das Grundmuster des Kanons, das für die Doxographie typisch ist. Die ersten Abschnitte (Kap. 2-8) des ersten Buches sind solche Beschreibungen des Edlen, des Junzi.

    Darauf folgen Abschnitte, in denen die grundlegenden "Pflichten gegen andere" und "Pflichten gegen sich selbst" behandelt werden. Den Abschluß des ersten Buches (Kap.16) bildet ein Ausspruch des Konfuzius, der die Autonomie des einsichtsfähigen Subjekts betonen soll: er kümmere sich nicht darum, ob die Menschen ihn kennen; er kümmere sich darum, ob er die Menschen kennt. Mehr oder weniger in dieser Art sind auch die Bücher 2 bis 9 des Lunyu redigiert: Aussprüche des Meisters oder seiner großen Schüler über die kanonischen Themen, also über Regierungskunst, Familienpflichten, Erziehung der Jugend u.ä. Ein durch und durch doxographisches Werk.

    Das zehnte Buch weicht von diesem Schema ab. Es ist nicht so sehr doxographisch, als vielmehr biographisch: es enthält Beschreibungen von Handlungen und Verhaltensweisen des Konfuzius selbst. Allerdings ist dies offenbar weniger ein Bericht über dessen individuelle Taten und Erlebnisse, als vielmehr über Verhaltensformen, die den Konfuzius als einen Edlen ausweisen. Es sind dies normativ zu lesende und zu verstehende Beschreibungen über des Meisters Verhalten gegenüber Beamten, Freunden, über seine Kleidungs-, Essens-, Schlafgewohnheiten etc. Die Biographie steht hier unter dem kanonischen Schematismus, sie dient zur Gänze der Exemplifizierung der ethischen Lehre. Die farbigeren, individuelleren Episoden aus dem Leben des Konfuzius finden sich in späteren Büchern (Lunyu 16 und 17), obgleich insgesamt die Bücher 11 bis 20 wieder als doxographisch zu bezeichnen sind.

    Konfuzius suchte den Maßstab und die Gesetze für das richtige Leben nicht in der Natur wie die Daoisten, sondern in den alten, der Zeit der drei Urkaiser zugeschriebenen Schriften. Das Studium der alten Schriften sollte also zur Erlangung der Weisheit führen, denn darin seien die richtigen Verhältnisse, die richtigen Beziehungen der Menschen untereinander und zu den Naturdingen bereits geschildert. Die Kenntnis der Tradition wird im Lunyu sehr hoch geschätzt.

    Das erste Wort des Lunyu ist das Wort "lernen": "Der Meister sprach: `Lernen und beständig üben, bringt das nicht auch Freude?'"[80] An anderer Stelle heißt es: "Ich habe einst ganze Tage nicht gegessen und ganze Nächte nicht geschlafen, um nachzudenken - ohne Erfolg! Es kommt dem Lernen nicht gleich."[81] Dies stimmt zusammen mit dem Spruch: "Lernen ohne zu denken ist nutzlos; denken ohne zu lernen ist gefährlich."[82] Schleichert zitiert in diesem Zusammenhang auch eine entsprechende Aussage aus dem Xun Zi:

    Ich habe einst den ganzen Tag nachgedacht, und doch reichte es nicht an das heran, was man in kurzer Zeit lernt; Ich habe mich einst auf die Zehenspitzen gestellt, um Ausschau zu halten, und doch war mein Blickfeld nicht so weit, wie wenn ich auf eine Anhöhe gestiegen wäre ... (Xun Zi 1.3 zitiert nach Schleichert, S. 30)

    Gedankenloses Nachbeten oder Übernehmen nützt nichts, aber für geradezu gefährlich erklärt Konfuzius hier den Versuch, allein und ohne den "Blick zurück" Lösungen für offene Fragen finden zu wollen. Dies erinnert an das Bild von Denkern, die sich als "Zwerge auf den Schultern von Riesen" verstehen, wie wir aus der abendländischen Geistesgeschichte kennen. Die "Zwerge" sehen etwas weiter als die "Riesen", weil sie, obwohl klein, aus einem etwas höheren Blickpunkt sehen. Es kommt natürlich bei einer solchen Auffassung wesentlich darauf an, daß man sich den oder die "richtigen" Riesen aussucht. Damit ist das Problem der konkurrierenden Traditionen angesprochen, das uns in der Geschichte des menschlichen Denkens ständig und in verschiedenen Abwandlungen begegnet.[83]

    Was in erster Linie aus dem Studium der Tradition denkend gelernt werden kann und soll, ist das richtige Verhalten.

    Diese Beziehungen - von Untertanen zu Fürsten, von Fürsten zu Untertanen, von Kindern zu Eltern und Ahnen, von Eltern zu Kindern, von Brüdern und Freunden untereinander - wurden im Konfuzianismus bis in Einzelheiten genau geregelt, denn ein entsprechendes Verhalten sollte das Wohl aller sicherstellen. Durch Belehrung der Beamten, durch deren stetes Vorbild, durch fortgesetztes Studium der Schriften des Altertums sollten diese Regeln im Volk verankert werden.

    In metaphysischen Fragen, wie der Frage der Existenz Gottes oder von Göttern, der Frage nach einem Weiterleben nach dem Tod usw. war Konfuzius skeptisch; er wollte Weisheit auf innerweltliche, innergesellschaftliche Probleme beschränken. Sein traditionsgläubiges Denken war jedoch durchaus damit vereinbar, dass er später zu gottähnlichen Ehren, zu Tempeln und eigenen Riten gelangte.

    Von den Nachfolgern des Konfuzius sind aus der Achsenzeit vor allem Mencius und Xun Zi zu nennen.

    Mencius

    Mencius (Meng Ke, 372 bis 289 v.) hinterließ die umfangreichste der konfuzianischen Lehrschriften, das Buch Mengzi. Dieses enthält die von seinen Schülern zusammengefassten Lehren des Mencius, hauptsächlich in Form von Gespächen mit Fürsten, wobei es vor allem um die Frage geht, wie ein Staat organisiert und regiert werden soll. Außer einer stärkeren Systematisierung konfuzianischer Thesen finden sich bei ihm auch deutliche Auseinandersetzungen mit Philosophen anderer Richtungen, insbesondere mit dem Mohismus (Mo Di) und dem Daoismus (Yang Zhu). Der Lebenslauf von Mencius ist ähnlich dem des Konfuzius: auch er ist stets auf der Suche nach einem Fürsten, der zu einer idealen Regierung bereit und fähig ist. Anders als Konfuzius drückt Mencius seine Auffassungen jedoch nicht mehr in kurzen bildhaften Sätzen aus, sondern führt Argumente dafür an.

    Zentral ist im Denken des Mencius die These, dass der Mensch von Natur gut sei. Alle Menschen werden nach seiner Auffassung mit der Anlage zu vier Tugenden geboren: Weisheit, propriety xxx, Rechtlichheit und Wohlwollen. Diese Tugenden müssen jedoch kultiviert werden, sonst würden Menschen sich nicht von Tieren unterscheiden. Menschen sind im Grunde moralische Wesen, wobei das "denkende Herz" durch moralisches Handeln und Denken zu entwickeln ist. Herrschaft und Regierung sind um des Volkes willen da; das Volk ist Richter über seine Herrscher: wenn eine Regierung dem Volk schadet, so hat dieses das Recht auf Revolution.

    Unter einer guten Herrschaft, die vor allem das Wohlergehen der Menschen vor Augen hat, werden sich auch deren gute Anlagen entwickeln.

    In der Schilderung, die Mencius vom idealen Staat gibt, wird deutlich, dass er sich wie Konfuzius auf ein ideales Altertum bezieht. Im Kapitel V des Buches Mengzi finden sich folgende Gespräche dazu:

    Der König Senen von Ze sagte zu Mencius: "Darf ich von dir hören, was wahre königliche Regierung ist?"
    "Früher", war die Antwort, "war König Wan's Regierung von Ke folgendermaßen: die Untergebenen (bebauten für die Regierung) ein Neuntel des Landes; die Abkömmlinge von Beamten bezogen ein Gehalt; an den Pässen und auf den Märkten wurde(n Fremde) inspiziert, aber (Güter) wurden nicht besteuert: es gab keine Verbote hinsichtlich der Teiche und Reusen; die Frauen und Kinder von Verbrechern wurden nicht in deren Schuld einbezogen. Es gab da die Alten und Frauenlosen, die Witwer; die Alten und Männerlosen, die Witwen; die Alten und Kinderlosen, die Alleinstehenden; die Jungen und Vaterlosen, die Waisen - diese vier Klassen sind die notleidendsten unter allen Leuten, sie haben niemand, dem sie ihre Wünsche sagen können, und König Wan macht sie in der Einrichtung seiner Regierung mit deren wohltätigem Handeln zum ersten Gegenstand seiner Sorge, wie es im "Buch der Gedichte" heißt:
    Die Reichen mögen durchkommen,
    aber wehe den Armen und Einsamen!"

    Mit dieser Schilderung vorgeblich historischer Zustände will Mencius die Vereinbarkeit eines luxuriösen Lebenswandels der Fürsten und einer guten Regierung für die Armen belegen, was wohl (auch) gegen den Mohismus gerichtet ist: Wohlstand, Luxus, schöne Frauen - all dies ist keine Beeinträchtigung einer guten Herrschaft, dann nämlich, wenn es allen zugänglich ist. Was Mencius hier versucht, ist eine Generalisierung von Wohlstand:

    Der König sagte: "Oh, großartige Worte!" Mencius sagte: "Da Eure Majestät sie für großartig erklärt, warum praktiziert Ihr sie nicht?"
    "Ich habe eine Schwäche", sagte der König. "Ich hänge am Reichtum."
    Mencius antwortet: "Früher hing Kung-lew sehr am Reichtum. Es heißt im "Buch der Gedichte":
    Er stellte seine Schober auf und füllte seine Speicher,
    getrocknete Vorräte und Getreide häufte er auf,
    in maßlosen Taschen und Säcken,
    daß er sein Volk zusammenhielte und seinem Staat Ehre schaffe.
    Mit Bogen und Pfeilen überall,
    mit Schilden und Speeren, Streitäxten groß und klein
    begann er seinen Marsch.

    Auf diese Weise hatten die, die an ihrer alten Stätte blieben, ihre Schober und Speicher, die aber marschierten, hatten ihre Vorratstaschen. Erst als dies alles getan war, dachte er, er könne seinen Marsch beginnen. Wenn Eure Majestät den Reichtum liebt, laßt das Volk imstande sein, dasselbe Gefühl zu hegen, was für Schwierigkeit sollte Euch den Weg zum Kaisertum verstellen?"

    Es wird hier also erstens angenommen, daß Habsucht zwar ein Laster der Herrscher sein kann, daß zweitens jedoch recht gelenkte Habsucht dem Volk nützen kann.

    Die dritte Annahme ist, daß die Ressourcen jedenfalls ausreichend sind, sodaß alle Menschen das Gefühl haben können, reich zu sein - das allerdings setzt bestimmte Verbote voraus, z.B. das Verbot, zu eng geknüpfte Netze für den Fischfang zu verwenden und damit ein Gewässer leerzufischen.

    Der König sagte: "Ich habe eine Schwäche. Ich bin verrückt nach Schönheit."
    Mencius antwortete: "Früher war König T'ae verrückt nach Schönheit, und er liebte seine Frau. Es heißt im "Buch der Gedichte":
    Koo-kung T'an-foo
    kam am Morgen herein auf galoppierendem Pferd,
    an den Ufern der westlichen Wasser,
    fern am Fuße des K'e-Berges,
    zusammen mit der Dame von Keang,
    sie kamen und wählten zusammen den Ort ihrer Wohnung.

    Zu dieser Zeit gab es keine unbefriedigten Frauen in der Abgeschlossenheit des Hauses, und draußen waren keine unverheirateten Männer. Wenn Eure Majestät die Schönheit liebt, laßt das Volk imstande sein, dasselbe Gefühl zu hegen, was für Schwierigkeit sollte Euch den Weg zum Kaisertum verstellen?"
    Xun Zi

    Mit seiner These, der Mensch sei von Natur gut und es sei darum das Lernen zu fördern, wodurch die guten Eigenschaften des Menschen verstärkt würden, gerät Mencius in theoretischen, aber nicht notwendigerweise in praktischen Gegensatz zu Xun Zi (Hsün Tze, 320 bis 238 v.), der von der Überzeugung der Schlechtigkeit der menschlichen Natur aus eine manipulative, totalitäre Erziehung für notwendig erachtet. Xun Zi stammt aus dem Staaat Zhao im Norden, er wirkt als xxx in Qi.

    Es geht in dieser Zeit, in der sich neue Herrschafts- und Eigentumsverhältnisse etabliert haben, um eine Begründung dieser Ordnung und nicht mehr, wie bei Konfuzius und Mencius um den Appell an das Gute im Menschen, dessen Verwirklichung zur richtigen Gesellschaftsordnung (zurück)führen werde. Steht sein Werk, das Xun Zi noch teilweise in der Tradition des frühen Konfuzianismus, so bilden seine gesellschaftspolitischen Thesen doch eine Brücke zum Legalismus und einer seiner Schüler, Han Fei Zi, wird zum bedeutendsten Theoretiker dieser Richtung und damit der Ideologie des Einheitsstaates der Qin. werden

    Nach Xun Zi's Überzeugung ist der Mensch von Natur aus schlecht, das heißt er hat egoistische Bedürfnisse, was unweigerlich zum Konflikt führt, der selbst wieder etwas Schlechtes ist. Es gibt jedoch das Mittel der Erziehung, mit dessen Hilfe jeder Mensch gut und weise werden kann. Dabei soll die Quelle des Übels und der Konflikte, die menschlichen Bedürfnisse, nicht unterdrückt oder beseitigt, sondern veredelt werden, was insbesondere durch Musik und Ritual möglich sei. Wir werden im nächsten Abschnitt sehen, wie die Mohisten gegen eine derartige Versöhnung des Konfuzianers mit den realen Unterschieden in der Gesellschaft argumentieren. Für Xun Zi gilt aber das Programm der Formung und Veredelung als das einzige. Dies bezieht sich nicht nur auf den Einzelmenschen - als dessen größten Schatz Xun Zi seinen Lehrer ansieht -, sondern auch auf das Verhältnis des Menschen zur außermenschlichen Natur. Diese, betont Xun Zi, soll man meistern, nicht meditieren wie die Daoisten:

    Umsonst forscht ihr nach der Dinge Ursachen. Warum sich nicht dessen, was sie erzeugen, erfreuen und bedienen? (Xunzi, zit. nach Needham 1984, S. 111)

    Der Konfuzianismus setzte sich in der Westlichen Han-Zeit (vor allem durch Dong Zhongshu, ca. 176-ca. 104 v.) als Staatstheorie durch und seine Ideen bestimmten mit wenigen Unterbrechungen bis 1906 den Ausbildungsgang aller chinesischen Beamten. Das bedeutete einerseits, dass in dem neu geschaffenen Prüfungssystem für Beamtenanwärter konfuzianische Schriften allgemein verbindlich wurden und dass andererseits der ursprünglich eher gegen eine Kodifizierung eingestellte Konfuzianismus sich ändert, indem die Begriffe fa (gesatztes Recht, Gesetz) und li (Sitte, Brauch) einander angenähert werden. Auch naturphilosophische Spekulationen (insbesondere der Yin-Yang-Schule) werden in den Konfuzianismus integriert. Daraus ergab sich ein universistisches Weltbild, das überall Entsprechungen sah: Himmelsrichtungen, Farben, Töne, Elemente, innere Organe, Sinne, Geschmäcker usw., alles war in Fünferreihen aufeinander bezogen. Der menschliche Mikrokosmos entsprach im Detail dem Makrokosmos. Naturerscheinungen, insbesondere ungewöhnliche Ereignisse ließen die Interpretation von Ereignissen in der Menschenwelt und sogar Vorhersagen für solche zu. Sima Qian schreibt am Ende seines Kapitels über Konfuzius: Vom Kaiser, den Fürsten und Baronen abwärts, nehmen alle in China, die die Sechs Künste studieren, den Meister als letzte Autorität. "Zu Recht wird er der Höchste Weise genannt."[84]

    Mohismus - Mo Di

    Als Begründer der Mohistenschule, die bis in die Han-Zeit mit den Konfuzianern gleichrangig konkurrieren konnte, später aber fast völlig aus der chinesischen Tradition verschwand, gilt Mo Di (Mo Ti, auch Mozi, Mo Tzu; manchmal lat.: Micius; ca. 480 bis 390 v.) aus dem Staate Lu oder Song, der zum Hauptgegner des Konfuzianers Mencius wurde. Von seinen Lebensumständen ist wenig bekannt. Das ihm zugeschriebene Werk Mozi ist sicher höchstens zum Teil von ihm selbst verfasst. Es bestand aus 71 Kapiteln, wovon 53 erhalten sind.[85]

    Mo Di repräsentiert die Unterschicht (nach einer Legende soll er Sklave gewesen sein, vergleichbar also unter den Griechen dem Anaxagoras oder dem Epiktet), er attackiert die Konfuzianer als Aristokraten und Ausbeuter. Er greift die Vorrechte aufgrund der Geburt an und plädiert für eine Herrschaft der Fähigsten.

    Wenn man heutzutage einen Edlen als Schweineschlächter einsetzen will, ohne daß er diese Tätigkeit beherrscht, so lehnt er sie ab. Bietet man ihm aber einen Ministerposten an, so nimmt er ihn an, auch wenn er ihm nicht gewachsen ist. Ist das nicht absurd? (Mozi, Kap. 47, zit. nach Schleichert, S. 96)

    Den Traditionalismus der Konfuzianer, wonach "der Edle" nur das Althergebrachte pflegen und nichts Neues einführen dürfe, nimmt Mo Di mit dem schlichten, aber schlagenden Argument aufs Korn, daß alles Alte einmal neu gewesen sein muß:

    [Die Konfuzianer sagen:] Der Edle folgt nach, er erfindet nichts Neues. [...] Aber irgendwer muß doch alles das einmal erfunden haben, was die Konfuzianer jetzt tradieren. Sind sie also Nachfolger von minderen Menschen? (Mozi, Kap. 39, zit. nach Schleichert, S. 101)

    Das Altertum bzw. die Anfänge menschlicher Gesellschaft stellt Mo Di sich nicht paradiesisch, sondern, wie Hobbes, als einen Kampf aller gegen alle vor.

    Als im Altertum erstmals menschliches Leben entstand und noch weder Gesetz noch Regierung existierten, galt die Regel: Die Menschen haben verschiedene Meinungen. Deswegen hatte ein Mensch eine Meinung, zwei Menschen hatten zwei Meinungen, zehn Menschen hatten zehn Meinungen: je mehr Menschen es gab, desto mehr Meinungen auch, die sie äußerten. Und deswegen hielt auch jeder [natürlich] seine Meinung für richtig und die des anderen für falsch, und so entstand wechselseitige Kritik zwischen allen Menschen. [...] Und unter den Leuten im Reiche[86] versuchte jeder jedem zu schaden, mit Wasser, Feuer und Gift. [...] Das Durcheinander im Reich war so [arg] wie bei den wilden Tieren. (Mozi Kap. 13, zitiert nach Bauer, S. 58)

    Dieser Zustand ungezügelter Einzelegoismen sei chaotisch gewesen, bis man die Ursache dafür ("daß es keine Führer gab") eingesehen habe.

    Deswegen suchte man den Tüchtigsten im Reiche und erhob ihn zum Himmelssohn. Der Himmelssohn seinerseits suchte nach seiner Einsetzung angesichts der Beschränktheit seiner Fähigkeiten die Tüchtigsten im Reiche und machte sie zu den drei Ministern, die ihrerseits [...] das Land unter die Lehnsfürsten und Feudalherren aufteilten. [...] erließ der Kaiser ein Dekret an das Volk, in dem es hieß: `Wenn man etwas Gutes oder Schlechtes hört, soll man es seinem Oberen melden. Was der [jeweils] Obere für richtig hält, sollen alle [unter ihm stehenden] für richtig halten, was er für falsch hält, sollen auch sie für falsch halten. Wenn ein Oberer einen Fehler begeht, dann soll er ermahnt werden, und wenn ein Unterer Tugend zeigt, eine allgemeine Empfehlung [zur Beförderung] ergehen ... (ebd.)

    Damit sei der Staat entstanden, d.h. eine hierarchisch geordnete Gesellschaft, in der das Prinzip der "Hochschätzung des Gleichen" (shang tóng) gilt.

    ... prüft man, worauf die Wohlgeordnetheit im Reiche beruht, so liegt sie einfach darin, daß der Sohn des Himmels die vielfältigen Ansichten in seinem Reich zu vereinheitlichen versteht. ...
    Wenn aber die Menschen des Reiches sich alle nach oben dem Sohn des Himmels, nicht aber dem Himmel angleichen, dann wird Unheil doch niemals enden.[87]

    Dieses "shang tóng" (häufig übersetzt mit "Angleichung nach oben", von Moritz als "Gleichsein mit Oben", Chan übersetzt ins Englische mit "agreement") beschreibt einen wechselseitigen Prozeß der Verallgemeinerung und Vereinheitlichung von Begriffen und Wertvorstellungen. Der Hinweis auf den "Himmel" im angeführten Zitat wird uns später noch beschäftigen. Wichtig ist, sich klarzumachen, welche Frage hier im Mohismus (mit einem dafür neu geprägten Begriff) behandelt wird. Wir können dies tun, indem wir einen Vergleich mit der konfuzianischen "Richtigstellung der Namen" anstellen[88].

    Beide Modelle betreffen Verfahren, um Differenzen zu reduzieren oder im Idealfall zu eliminieren, und auf diese Weise etwas zu schaffen, was auch Hobbes mit seinem Titelmonster Leviathan gemeint hat: ein aus vielen Menschen zusammen gebildetes Superwesen. Beide benennen auch die oberste Instanz in derselben Weise: es ist der "Himmel" (tian), auf den letztlich alle Gesetze zurückgehen sollen. Der wesentliche Unterschied zwischen dem konfuzianischen und dem mohistischen Verfahren liegt darin, wie und von wem die zu Recht herrschenden Meinungen, Wertvorstellungen, Normen und Gesetze gefunden werden sollen. Konfuzianer gehen davon aus, dass es bestimmte Grundbeziehungen zwischen Menschen gibt, die naturgegeben und Basis aller anderen Beziehungen sind, und deren Regelung ein für allemal geleistet worden ist. Jede Revision oder Kritik von faktisch anerkannten Normen oder Meinungen hat sich ausschließlich an dieser historischen Lösung zu orientieren. Das bedingt den hohen Wert des "Lernens", auf den im Zusammenhang mit Konfuzius schon hingewiesen wurde. Mohisten hingegen sprechen von einem Prozess, der natürlich auch irgendwo beginnen musste: in dem zitierten Text ist davon die Rede, daß der "Himmelssohn" dekretiert, alle sollten jeweils "melden" oder berichten, wenn "etwas Gutes oder Schlechtes" gehört werde - das klingt so, als wüßte sowohl er selbst, als auch alle, an die das Dekret sich richtet bereits, was "gut" und was "schlecht" ist. Woher sie dies wissen könnten, wenn sie zuvor soviele Meinungen über jede Sache hatten wie sie Individuen waren, ist schwer vorstellbar. Die Schwierigkeit begann aber natürlich schon auf einer theoretisch früheren Stufe: die Menschen im chaotischen Urzustand wählten "den Tüchtigsten", sagt Mo Di. Er wird zu erklären haben, wie sie sich darüber einig sein konnten, aufgrund welcher Eigenschaften dies jemand ist, und er wird das erklären mit seiner Unterscheidung zwischen natürlichen und künstlichen Bedürfnissen. Sehen wir aber von diesem Problem des Anfangs einmal ab, so beschreibt Mo Di den Prozess der Findung und der Revision von Meinungen bzw. Wertvorstellungen als ein ständiges Hin und Her von "oben" nach "unten" und umgekehrt. Dies, allerdings als abstrakter Prozess ohne explizite Unterscheidung von Subjekten, findet sich aber auch im Zhongyong, einem der "Vier Bücher" des späteren Konfuzianismus.

    Ziel dieses Verfahrens ist die Herstellung einer vollkommen einheitlichen, nicht einer pluralistischen Gesellschaft. Diese beruht auf dem Prinzip des jian-ai, der "allgemeinen Menschenliebe", die verhindern soll, dass eine bie-Gesellschaft, in der Spaltung und Hass regieren, weiterbesteht oder neu entsteht. In Wirklichkeit gibt es jedoch die jian-Gesellschaft nur als (utopisches) Ideal, und sie hat mit anderen Utopien der Weltgeschichte gemeinsam, dass sie durchaus totalitäre Züge aufweist. Meinungsvielfalt, Auseinandersetzungen, Parteien, all dies ist in der Idealgesellschaft überwunden. Natürlich gibt es dann auch keinen Krieg mehr, aber der Pazifismus der mohistischen Utopie ist nur möglich, weil Differenzen überhaupt nicht mehr vorhanden sind.

    Wir können an dieser Stelle die vier großen ethischen bzw. politischen Schulen des chinesischen Denkens nach der Frage unterscheiden, wie weit in ihren Idealvorstellungen Differenzen von Normen und Wertvorstellungen in einer Gesellschaft zugelassen sein sollen, also der Frage nach der Möglichkeit eines Werte- oder Normen-Pluralismus. Die Antworten wären:

    * Legalistischer Theorie zufolge lässt eine gut geordnete Gesellschaft nirgendwo und keinerlei derartige Differenzen zu, alles Verhalten und Handeln ist (gesetzlich) geregelt, eine Einspruchsmöglichkeit gegen das Gesetz (aus dem Gewohnheitsrecht oder welchen Quellen immer) ist nicht vorgesehen.

    * Mohistisch ist die Vorstellung, dass zwar immer wieder Differenzen in der Bewertung von Handlungen und Handlungsweisen auftauchen können, dass diese jedoch jeweils zu reduzieren sind aufgrund eines Verfahrens kritischer Artikulation von unten nach oben und der dann erfolgenden einheitlichen Regelung von oben nach unten.

    * In der Sicht der Konfuzianer xxx

    * Die daoistischen Klassiker sehen Differenzen im Urteilen wie auch im Bewerten nicht nur als unvermeidlich, sondern auch als gleichgültig an.

    xxx Differenzen der Wertvorstellungen: Legalismus nein; Daoismus ja; Konfuzianismus ja (Chan S. 85!)

    Insbesondere bedeutsam ist Mo Di mit seiner politischen und individuellen Ethik geworden: das ganze Verhalten des Menschen in Staat und Gesellschaft sucht er auf ein einziges Prinzip zu stellen - die Liebe zum Mitmenschen. Seine Schüler haben dies noch schärfer formuliert und gleiche Liebe zu unterschiedslos allen Menschen gefordert. Mo Di stellte fest, dass man Menschen offenbar sogar die widrigsten Dinge - z.B. den Tod in der Schlacht - befehlen und schmackhaft machen könne; warum sollte dies nicht auch bei der allgemeinen Liebe möglich sein, von der doch letztlich alle Vorteile haben würden?

    Ein weiser Mann, der sich mit Politik befaßt, muß begreifen, wie Unordnung entsteht. Sie ensteht, weil es an gegenseitiger Liebe fehlt. Wenn nämlich Untertanen bzw. Kinder ihren Fürsten bzw. Vater nicht respektieren, nennt man das Unordnung. Die Kinder lieben dann nur sich selbst, nicht aber ihren Vater, den sie sogar schädigen, um sich selbst zu bereichern. Die Untertanen lieben dann ebenfalls nur sich selbst, nicht aber ihren Fürsten, den sie sogar schädigen, um sich zu bereichern.
    Angenommen, es herrschte auf Erden allgemeine gegenseitige Liebe, so daß man andere Menschen genauso lieben würde wie sich selbst. Gäbe es dann nocht pflichtvergessene Kinder? Wenn man fremder Leute Haus wie das eigene betrachtet, wird es dann noch Diebe geben?
    Angenommen, es herrschte auf Erden allgemeine, gegenseitige Liebe, dann würde kein Land ein anderes angreifen und keine Familie eine andere schädigen wollen. (Mozi, Kap. 14, zit. nach Schleichert, S. 97f)

    Um einen geordneten Zustand der Gesellschaft zu erreichen, sind nach Mo Dis Auffassung nicht die besonderen Beziehungen (wie: Vater-Sohn, Fürst-Untertan usw.) zu kultivieren, wohl aber sei eine einzige ordnende Autorität notwendig, ein "Kaiser", mit dessen Willen alle übrigen übereinstimmen. Dieser Kaiser verhält sich nach den Gesetzen des Himmels und der Natur (dem "Dao"), er sorgt für Frieden und Wohlergehen. In den alten Zeiten hätten die Kaiser ihre Aufgabe erfüllt, indem sie den Menschen zeigten, wie sie ihre Bedürfnisse erfüllen könnten, ohne dass Luxus und die dafür nötige Ausbeutung anderer Menschen vorgekommen wären: der Idealkaiser des Altertums ist für Mo Di der Kaiser Yü der Xia-Dynastie, weil er selbst für seinen Unterhalt gearbeitet hat.

    Auffallend ist die Kritik des Mo Di an den hochentwickelten Klassenunterschieden seiner Zeit, die einerseits zu bedeutendem geistigen und materiellen Reichtum mit entsprechender Ausbeutung führen, andererseits aber zu moralisch primitiven Kriegen, welche nicht um irgendein lebenswichtiges Gut, sondern um eine Steigerung von Luxus oder auch nur von Ansehen einiger weniger Menschen geführt würden. Auch diese Kritik an der zeitgenössischen Gesellschaft stützt sich auf die angeblich gute, ausbeutungs- und luxusfreie Gesellschaft des Altertums, andererseits aber auch auf die positiven Forderungen nach allgemeiner Menschenliebe und die Beschränkung aller auf die notwendigen Dinge des Lebens. Die Grenze zwischen Bedarf und Luxus bestimmt sich nach dem primären Zweck, der verfolgt wird, wie beispielsweise bei der Bereitung von Nahrung:

    Die heiligen Könige des Altertums erließen auch Gesetze zur Regelung der Herstellung von Speisen und Getränken. Sie sollten ausreichend zum Stillen von Hunger und Durst und zur Fortführung des Lebens sein, sollten die Glieder stärken und Ohr und Auge schärfen, und damit sollte es dann aber auch genug sein. Vor allem sollte man nicht die Zusammenstellung der fünf Geschmacksrichtungen und die Abstimmung von Gewürzen und Gerüchen bis zum äußersten treiben. Man sollte sich nicht absonderliche, außergewöhnliche Speisen aus fernen Ländern holen. (Mozi, zit. nach Schmidt-Glinzer 1992, S. 142)

    Luxus jeder Art verwirft Mo Di, in der Architektur ebenso wie in der Kunst und insbesondere in der Musik - diese sei, ebenso wie Kriege oder zeitraubende traditionelle Riten, nur durch Ausbeutung möglich und verhindere daher das größte Glück der größten Zahl. In jeder Art von Luxus sieht Mo Di eine konkrete Gefahr für das Überleben:

    Die Menschen sind von (den Tieren) verschieden. Setzen sie ihre Kräfte ein, dann können sie überleben; setzen sie aber ihre Kräfte nicht ein, dann überleben sie nicht. (Mozi, Kap. 32, zit. nach Schleichert, S. 104)

    Dies wird für verschiedene Bereiche ausgeführt: Häuser sollen so sein, daß sie vor der Feuchtigkeit schützen und soviele Innenwände haben, daß Männer und Frauen der Sitte entsprechend getrennt sind; Paläste und mehrstöckige Häuser sind Luxus. Kleider sollen vor Wind, Kälte, Hitze und Regen schützen - was diesem Zweck nicht dient, ist Luxus. Waffen braucht man zur Verteidigung gegen Diebe und Rebellen - schön brauchen sie nicht zu sein. Wagen und Schiffe sind praktisch, Verzierungen darauf überflüssig. Stickereien, Schnitzereien und ähnliche Dinge halten die Menschen nur von der Arbeit ab. Wenn der Fürst nicht den Luxus eines Harems beansprucht, gibt es keine Junggesellen und die Bevölkerung wächst.[89] Sehr detailliert bespricht das Mozi auch vernünftige Begräbnisformen: Begräbnisse sollen einfach sein (wogegen die Konfuzianer in aufwendigen Trauerriten einen Beweis für den Altruismus des "Edlen" sahen), die Särge dünn, die Gräber flach.[90] Grabbeigaben sind Luxus, ebenso das Fasten im Trauerfall: es schwächt und macht zur Arbeit untüchtig. Musik ist ebenfalls Luxus: das Verfertigen von Instrumenten hält vom Wagen- und Bootsbau ab; die Ausbildung der Musikanten muss finanziert werden; wer die Glocken schlägt, kann dabei nicht pflügen und pflanzen; wer Musik hört, vernachlässigt seine Arbeit.

    Wenn ... Könige und Fürsten Musik lieben und hören, können sie bestimmt nicht früh zu Hofe gehen und spät heimkehren, Rechtsfälle anhören und die Regierung führen. Dadurch gerät der Staat in Unordnung und das Land kommt in Gefahr. (Mozi, Kap. 32, zit. nach Schleichert, S. 104)

    Das Thema der Musikkritik findet sich bei mehreren achsenzeitlichen Philosophen, wobei Plato wohl der bekannteste ist. Er verwirft bestimmte ("lydische") Tonarten als willensschwächend, verweichlichend. Aristoteles wiederum, der dieselbe Wirkung dieser Tonarten - es sind solche, bei denen der dritte Ton ein Halbton ist, vergleichbar unseren Moll-Tonarten - sieht, gibt zu bedenken, dass es bestimmte Lebensabschnitte gebe, vor allem das Alter, in denen das Handeln nicht mehr vorrangig, eine derartige Musik jedoch tröstlich sei. Ähnlich wie Plato verwirft auch Xun Zi bestimmte (aufreizende, ausschweifende, neue) Musikstile. Im Konfuzianismus überhaupt werden bestimmte, vor allem volkstümliche Musiktraditionen verworfen. Was Zerstreuungen betrifft, so gibt es insbesondere die bekannte Legende, wonach Konfuzius den Staat Lu wegen der Pflichtvergessenheit seines Herrschers verlassen habe:

    Die Leute von Qi hatten dem Herrscher von Lu singende und tanzende Mädchen zum Geschenk gemacht. [Der Minister] Ji Huan nahm sie in Empfang. Drei Tage lang wurden die Staatsgeschäfte vernachlässigt. Konfuzius ging daraufhin fort. (Lunyu 18, 4)[91]

    Das bedeutet aber keineswegs, dass Konfuzius der Musik überhaupt abgeneigt gewesen wäre (im Zhuangzi wird ein Konfuzianer regelrecht verspottet als einer, der "einsam schwermütige Lieder" singt), im Gegenteil: die (richtige) Musik, etwa die "des alten Kaisers Shun" ist "vollendeter Wohlklang und zugleich vollendeter Ausdruck edler Gesinnung."[92] Mo Di dürfte der einzige sein, der Musik generell verwirft, wobei auffällt, dass er nicht einmal an die Funktion von Arbeitsliedern denkt, eine gemeinsame Tätigkeit im selben Ryhthmus auszuführen, was bei seiner Priorität von Effizienz naheliegend gewesen wäre.

    Der größte und verderblichste Luxus allerdings ist nach Mo Di der Krieg: die Bauern können nicht ihre Felder bestellen, die Bevölkerung wird dezimiert, Waffen werden zerstört, der Staat gerät in Unordnung - und das Ergebnis kann nichts weiter sein als ein größerer Staat, worin aber gar kein Gewinn für irgendjemanden liegt, außer für die Eitelkeit eines Fürsten. Kriege sind aufwendige Kindereien, die Leid erzeugen. Sie sind aber nicht nur deshalb zu verurteilen, weil sie zu nichts Wertvollem führen: nach Mo Di ist moralisch blind, wer im Krieg kein Unrecht sieht. Insbesondere eindrucksvoll ist folgende Passage:

    Angenommen, es geht heutzutage jemand in einen fremden Obstgarten und stiehlt dort Pfirsiche und Pflaumen; jeder, der davon erfährt, wird es verurteilen, und wenn die Obrigkeit diesen Menschen zu fassen bekommt, wird er bestraft. Warum wohl? - Weil er andere schädigt, um selbst zu profitieren! Hunde, Schweine, Hühner oder Ferkel stehlen ist noch viel schlimmer, als Obst aus fremden Gärten zu holen. Warum? Weil damit anderen noch größerer Schaden zugefügt wird. Deshalb ist es auch viel inhumaner und verbrecherischer!
    Wenn schließlich jemand einen unschuldigen Menschen tötet [...] so ist das noch viel verwerflicher [...] Warum? Weil er anderen Menschen noch weit mehr schadet. Darum sind seine Inhumanität und sein Verbrechen auch viel größer, und die Strafe wird entsprechend schwerer ausfallen. Alle Fürsten auf Erden wissen das sehr wohl, verurteilen solche Taten und nennen sie ein unsittliches Verhalten. Erreicht dieses Vorgehen aber seinen Höhepunkt, indem ganze Staaten angegriffen werden, so finden sie daran nichts mehr zu verdammen [...]
    Angenommen, ein Mann sieht einen kleinen schwarzen Fleck und nennt ihn schwarz; sieht er aber einen großen schwarzen Fleck, nennt er ihn weiß. Dieser Mann kennt offensichtlich nicht den Unterschied zwischen schwarz und weiß. [...] Wenn jemand ein geringes Unrecht als ein Unrecht erkennt, großes Unrecht aber, nämlich den Angriff auf ein Land nicht als Unrecht erkennt, sondern womöglich noch von Rechtschaffenheit redet, - kann man dann von ihm noch sagen, daß er den Unterschied zwischen Recht und Unrecht kenne? Daran sieht man, wie wenig die Fürsten Recht und Unrecht noch auseinanderhalten können. (Mozi, Kap. 17, zit. nach Schleichert, S. 99f)

    Mo Di ist im übrigen der einzige unter den klassischen Philosophen Chinas, der die Verehrung eines Gottes fordert, eines vergeltenden, lohnenden und strafenden Gottes, und der sogar an das Wirken von Geistern zu glauben scheint.[93] Inwiefern er diese übermenschlichen Mächte vielleicht doch nur funktional einsetzt, um in einer Gesellschaft von Gleichen Autoritäten für Lohn und Strafe zu haben, ist eine offene Frage. So schreibt er etwa:

    Wenn man heute alle Menschen im Reiche dazu veranlassen könnte, zu glauben, daß die Geister in der Lage sind, die Tüchtigen zu belohnen und die Schlechten zu bestrafen, wie könnte es dann im Reiche Unordnung geben? (Mozi, zit. nach Schmidt-Glinzer 1992, S. 180)

    Wie wir bereits gesehen haben, ist es nach seiner Auffassung letztlich "der Himmel" (tian), an dem sich alles zu orientieren hat. Dieser "Himmel" ist sehr menschlich-personal gedacht: er "wünscht Gerechtigkeit und haßt Unrecht", er "belohnt und bestraft", er "liebt alle Menschen" und "erleuchtet sie" und er "besitzt alle Städte und Menschen". Nur der "Himmel" ist "vornehm und weise".

    Wenn man sich nun dem Willen des Himmels unbedingt unterwerfen soll, dann ist die Frage, was der Himmel wünscht und was er haßt.

    Meister Mo Ti sagte: Der Himmel wünscht nicht, daß große Staaten kleine angreifen, daß große Familien bei kleinen Verwirrung stiften, daß die Starken den Minderheiten übel mitspielen, daß die Schlauen die Dummen überlisten und die Vornehmen die Geringen verachten. Das ist es, was der Himmel nicht wünscht. Doch damit nicht genug! Er will, daß die Kräftigen ihre Mitmenschen belehren und die Begüterten mit ihren Mitmenschen teilen. Auch will er, daß die Oberen sich ganz für die Regierung und die Unteren sich mit ihrer ganzen Kraft bei ihren Aufgaben einsetzen. (Mozi, zit. nach Schmidt-Glinzer 1992, S. 163)

    Im Mohismus hat sich "erstmals eine Denkrichtung in der bewußten, argumentativen Auseinandersetzung mit einer anderen" ausgebildet, was "zu einer Evolution von Logik, zu einer stärkeren Verkettung von Denkelementen und zu einem Mehr an argumentativer Schärfe" geführt hat, schreibt Ralf Moritz.[94] Es wurde beispielsweise unterschieden zwischen notwendigen und hinreichenden Bedingungen. Eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung, ein "kleiner Grund" (xiao gu) wird so beschrieben: "Ist dieses gegeben, so folgt jenes nicht notwendig; ist dieses nicht gegeben, so folgt jenes notwendig nicht." Ein "großer Grund" (da gu) hingegen: "Ist dieses gegeben, so folgt jenes notwendig; ist dieses nicht gegeben, so folgt jenes notwendig nicht." (Mozi, zit. nach Moritz 1988, S. 93) Dies ist einer "Erläuterung" zu dem ursprünglichen Satz, den Needham so zitiert: "Eine Ursache ist das, durch dessen Eintreten etwas wird [ins Dasein tritt]." Bei Needham, der "gu" mit "Ursache" übersetzt, wird die Erläuterung folgendermaßen zitiert:

    Ursachen: Eine schwache Ursache ist eine, durch die etwas nicht notwendig so sein muß, aber ohne die es niemals so sein wird. So wie ein Punkt auf einer Geraden. Eine starke Ursache ist eine, durch die etwas mit Notwendigkeit so ist [und ohne die es nie so sein wird]. So folgt aus dem Akt des Sehens die Sicht. (Zit. nach Needham 1984, S. 151)

    Von allen Sachverhalten sagt der mohistische Kanon, dass es jeweils "Modelle" gibt, nach denen ihre Gleichheit erkannt werden kann.

    K[anon]: Die Gleichheit der Exemplare eines fa [eines Modells oder einer Methode] erstreckt sich auf alle Dinge einer Klasse. So sind alle Quadrate einander gleich ...
    E[rläuterung]: Alle quadratischen Dinge haben das gleiche fa, obwohl sie verschieden sind; manche sind aus Holz, andere aus Stein. Dem steht nicht entgegen, daß sie einander in ihrer Quadratur entsprechen. Sie sind alle von der gleichen Art, insofern sie alle Quadrate sind. Und so verhalten sich alle Dinge. (Zit. nach Needham 1984, S. 151)

    xxx Hinweis auf die "gewisse chinesische Enzyklopädie" bei Foucault nach Borges; Unterschied zu "Ideen" Platons; zur "pyknosis" bei der Bildung von Allgemeinbegriffen nach Aristoteles; Frage, ob hier ein ähnlicher Prozeß wie das "shang tóng" im moralischen Bereich stattfindet, wobei ein ständiges Hin und Her zwischen den Einzelwahrnehmungen und dem jeweiligen "fa" oder Modell zu denken wäre.

    Der mohistischen Logik liegt der Gedanke zugrunde, daß es drei Arten von Wissen gibt: das Wissen durch eigene, unmittelbare Erfahrung (qin zhi), das Wissen durch Übermittlung (wen zhi) und das Wissen durch "Erklärung" (durch das logische Denken = shuo zhi). ... Voraussetzung für das logische Denken ist das Operieren mit Namen (Begriffen). Dabei werden die Namen/Begriffe klassifiziert: 1. si ming = der "private" Name einer Erscheinung; 2. lei ming = Begriffe, die eine Art zum Ausdruck bringen; 3. da ming = die allgemeinsten Begriffe (wie wu - das Ding). Es wird vom Einzelnen zum Allgemeinen fortgeschritten. (Moritz 1988, S. 94)

    Die entscheidende Frage ist hier wiederum, wie schon zuvor bei den Begriffen der Moral, wie die "richtigen" Allgemeinbegriffe zustande kommen. Wang Chong, der viele tradierte Auffassungen kritisch diskutiert, wird im ersten nachristlichen Jahrhundert den Mohisten vorwerfen, sie hätten blindlings an das geglaubt, was sie sahen und hörten. "Folglich, obwohl ihre Beweise klar waren, erfaßten sie nicht die Wahrheit." (Wang Chong, zitiert nach Needham 1984, S. 150) Tatsächlich bringt der von Needham in diesem Zusammenhang zitierte Abschnitt aus dem Mozi einen naiven Sensualismus zum Ausdruck:

    Mo Tzu sagte: `Die Methode, um herauszufinden, ob etwas existiert oder nicht, besteht darin, sich auf das Zeugnis der Augen und Ohren der Menge zu verlassen. Wenn mehrere etwas gesehen oder gehört haben, müssen wir annehmen, daß es existiert. Wenn keiner etwas gehört oder gesehen hat, so müssen wir annehmen, daß es nicht existiert. ... Wenn es vom Altertum bis heute und seit dem Anbeginn der Menschheit Menschen gibt, die die Körper von Geistern und Gespenstern gesehen haben und ihre Stimmen gehört haben, wie können wir annehmen, daß es diese nicht gibt? (Mozi, zit. nach Needham 1984, S. 150)

    Das Zeugnis der (eigenen oder berichteten fremden) Sinneswahrnehmung wird hier als letzte und unbezweifelbare Instanz genommen. Dies steht im Kontrast zu der Aussage, dass Mohisten "das gesellschaftliche Element bei der Festlegung einer Terminologie" erkannt und zwischen "Beweisen aus erster und aus zweiter Hand" unterschieden haben (vgl. Needham 1984, S. 153) Eine Möglichkeit läge in der Interpretation, dass Mo Di von einer Priorität von Erkenntnistheorie gegenüber der Ontologie ausgegangen ist, worauf insbesondere die zweite Formulierung ("wenn keiner etwas ... gesehen hat, so müssen wir annehmen, daß es nicht existiert") hinweist. Dies ist zwar nach heute gängiger Wissenschaftstheorie falsch (dass lange Zeit niemand in Europa Kenntnis von der Existenz schwarzer Schwäne hatte, machte die Aussage "schwarze Schwäne exisitieren nicht" nicht zutreffend), aber es lässt ja immerhin Revision von Meinungen zu: denn wenn dann doch jemand etwas wahrnimmt, was bisher niemand wahrgenommen hat, so erweitert sich der Kreis der existierenden Dinge. Die Regeln allerdings, die im Mohismus entwickelt wurden, um zutreffende von unzutreffenden Beschreibungen zu unterscheiden, waren sicher nicht ausreichend.

    Leider entwarfen sie nie eine allgemeine Theorie der Naturphänomene, die bfriedigender gewesen wäre als die der Fünf Elemente ... Sie kritisieren diese Lehre eingehend, aber damit scheinen sie an ihre Grenzen gestoßen zu sein. (Needham 1984, S. 153)

    Im Unterschied zu anderen philosophischen Richtungen bildeteten die Mohisten eine feste Organisation, wobei es nach Mo Di's Tod auch zu Spaltungen kam. Diese Gruppen hatten gelegentlich starken Einfluss, was insbesondere für den Aufstand gegen die Qin-Dynastie vermutet wird, der zu deren frühem Ende (207 v.) führte. Einflussreich sind bis zur Han-Zeit auch die mohistischen Logiker und Erkenntnistheoretiker, die bedeutende Leistungen im Bereich der wissenschaftlichen Methoden erbrachten. Diese Ansätze brachen in der Han-Zeit jedoch ab und wurden nicht weiter verfolgt.

    Legalismus

    Guan Zhong (Kuang Chung, + 645 v.), dem Kanzler des Staates Qi, der eine straffe Organisation der Bevölkerung durchsetzte, wichtige Wirtschaftsbereiche wie den Fischfang und die Salzproduktion regelte, Handelsgesetze erließ und durch eine erfolgreiche Außenpolitik diesen Staat zur stärksten Macht der Region machte, wird traditionell die Autorschaft an dem Buch Guanzi zugeschrieben, das allerdings tatsächlich erst im dritten Jahrhundert v.Chr. entstanden ist und in seinen jüngeren Teilen aus der Westlichen Han-Dynastie stammt. Es behandelt vor allem die Methoden zur wirtschaftlichen Stärkung eines Staates, zur Erhöhung der Staatseinnahmen und der Wohlfahrt.

    Eine Staats- und Gesellschaftstheorie, die als Legalismus (auch: Legismus[95]) bezeichnet wird und somit bis in das 7. Jahrhundert zurückdatiert wird, setzt sich besonders in jenem Staat Qin durch, der im dritten vorchristlichen Jahrhundert unter Shihuangdi die Einigung Chinas herbeiführte und der "China" den Namen gab. Die Bezeichnung der Richtung, fa jia, leitet sich von der zentralen Stellung, die dem Begriff des "fa", des (Straf-)Gesetzes[96] darin zukommt.

    Diese Ideologie verficht eine möglichst lückenlose Normierung des öffentlichen und privaten Lebens durch ein allgemeines Strafrecht. Nicht durch das vorbildliche Verhalten des Kaisers oder der Beamten, wie es die Konfuzianer und auch die Mohisten fordern, sollten Moral und Allgemeinwohl sichergestellt sein, sondern durch ein präzises und lückenloses System von (zahlreichen und strengen) Bestrafungen und (seltenen und geringen) Belohnungen. Diese Gesetze sollten für alle gleich, ohne Ansehen der Person oder der Herkunft gelten, und sie sollten möglichst ohne persönliche Anteilnahme des Kaisers und seiner Beamten vollzogen werden - dies bringt den Legalismus in die Nähe des Daoismus mit seiner Maxime des "Nicht-Tun".[97]

    Shang Yang

    Ein Repräsentant dieser Richtung im vierten Jahrhundert ist Shang Yang (auch: Wei Yang oder Gongsun Yang + 338 v.)[98] aus dem Staate Wei, der im Dienst des Staates Qin einschneidende Maßnahmen durchführte: Die Bevölkerung wurde in Gruppen von 10 oder 5 Familien organisiert, die kollektiv für einander verantwortlich waren; Haushalte mit zwei oder mehr erwachsenen Söhnen mußten sich teilen; jeder Haushalt war getrennt steuerpflichtig; Soldaten wurden geadelt, wenn sie einen Feind getötet hatten; Händler und unproduktive Bauern wurden zu Sklaven gemacht; Adelige ohne militärische Leistungen verloren Titel und Privilegien; Grundsteuer, Forst- und Fischereiabgaben, sowie Zölle auf Salz und Eisen wurden eingeführt, Maße und Gewichte vereinheitlicht. Militärisch und organisatorisch wurde damit die Grundlage für die spätere Überlegenheit von Qin geschaffen. Es herrschte Ordnung:

    "Wer Asche auf die Straße warf, erhielt eine körperliche Züchtigung. ... Das Räuberunwesen hörte vollständig auf, und nach zehn Jahren nahm niemand mehr etwas auf, was ein anderer auf der Straße verloren hatte."[99]
    Die Leute kämpften tapfer im Krieg, führten jedoch keine privaten Fehden mehr gegeneinander. Als einige, die sich zuerst über die Reformen beklagt hatten, diese nun lobten, erklärte Yang sie zu Unruhestiftern und verbannte sie an die Grenze. Von da an gab es keine Diskussionen über die Gesetze mehr, berichtet Sima Qian.[100] Als der Erbprinz, der nicht verurteilt werden konnte, das Gesetz übertrat, erkannte Yang, dass die Reformen nicht halten würden, wenn die Großen das Gesetz brechen konnten. Er ließ die beiden nächsten Vertrauten des Prinzen bestrafen und vom nächsten Tag an gab es niemanden mehr in Qin, der das Gesetz brach, sagt Sima Qian.[101] Aber Yang sei falsch, unmenschlich, wortbrüchig, skrupellos gewesen, sagt der Historiker ebenfalls. "Ich habe seine Abhandlungen über Gesetz und Regierung, Landwirtschaft und Krieg gelesen, sie entsprechen seinen Taten."[102] Den langen Vortrag des konfuzianischen Einsiedlers, den Yang sich nach Sima Qians Bericht anhört, beachtet er nicht.

    Shang Yang wird die Autorschaft an dem Buch Shangjunshu (auch: Schang-tse) zugeschrieben, das vermutlich aber doch später anzusetzen ist. Darin finden sich deutlich legalistische Thesen, insbesondere die Kritik am Moralismus und Traditionalismus der Konfuzianer:

    Redegewandtheit und Einsicht sind die Gehilfen der Rebellion, Sitte und Musik Zeichen von Ausschweifung und Zügellosigkeit, Güte und Wohlwollen die Mutter von Vergehen, Zuverlässigkeit und Ruhen die Ratten der Verderbnis.[103]

    Läuse, die den Staat zugrunde richten:
    1. Sitte und Musik
    2. Schiking [=Shijing] und Schuking [=Shujing]
    3. Pflege des Guten
    4. Kindliche und brüderliche Liebe
    5. Aufrichtigkeit und Treue
    6. Reinheit und Bescheidenheit
    7. Wohlwollen und Gerechtigkeit
    8. Verdammung des Krieges
    9. Scham zu kämpfen.[104]

    Im siebten Kapitel dieses Werks findet sich auch eine kurze Geschichte der Menschheit, mit der Shang Yang die Etablierung staatlicher Macht rechtfertigen und zeigen will, dass nicht zu allen Zeiten dieselben Ideale gelten können. Ursprünglich hätten die Menschen nur ihre Mütter, nicht aber ihre Väter gekannt und danach ihre Verwandtschaftsverhältnisse geregelt. Dann habe sich die Gesellschaft und der Besitz geteilt und es seien auch neue Ideale aufgekommen. Nun sei es an der Zeit, durch Gesetze ohne Rücksicht auf Traditionen die Gesellschaft zu ordnen.

    In ältester Zeit schätzten Verwandte einander und man sah nur sein Privatinteresse. In der mittleren Zeit hielt man die Tüchtigkeit hoch und freute sich an der Humanität. Zuletzt legte man Wert auf Vornehmheit und ehrte die Beamten. Jene, die die Tüchtigkeit hochschätzten, versuchten, einander mit ihren Lehren zu übertrumpfen. Als aber ein Fürst eingesetzt worden war, wurden die Tüchtigen nutzlos. Als man noch den Verwandten zugetan war, war das Privatinteresse das Grundprinzip. Als aber die Rechtmäßigkeit aufkam, wurde das bloße Privatinerteresse nicht mehr durchsetzbar. Diese drei Einstellungen widersprechen einander nicht. Die Verhältnisse des Volkes hatten sich verschlechtert, die Gewichte sich verlagert und die Probleme der Zeit sich gewandelt; dadurch waren die beschreitbaren Wege andere geworden.[105]

    Es gibt keine überzeitlich gültigen Ideale und Normen, es gibt nur solche, die den Umständen angemessen und daher erfolgversprechend sind, und andere, bei denen dies nicht der Fall ist. Der Realpolitiker braucht eine Analyse seiner Gesellschaft, um zu wissen, welche Maßnahmen an der Zeit sind. Trifft er diese Maßnahmen, so hat er auf jeden Fall recht. Falsch wäre nur, sich an irgendwelchen überzeitlichen oder ewigen Idealen zu orientieren.

    Yang, der zum Kanzler von Qin aufgestiegen, geadelt und mit einem großen Gebiet (in Shang) belehnt worden war, wurde nach dem Tod seines Herrschers von der Aristokratie gestürzt. Er sei seinen eigenen Gesetzen und Taten zum Opfer gefallen, wird berichtet. Als er auf der Flucht in einem Grenzgasthaus sich verstecken wollte, wies ihn der Wirt ab, obwohl er ihn nicht erkannte - nach dem Gesetz des Herrn von Shang dürfe er bei strenger Strafe niemand aufnehmen, der keine Reiseerlaubnis vorweise. Shang Yang habe geseufzt: "Ich bin ein Opfer meiner eigenen Gesetze." Dann wollte er in seine Heimat fliehen, nach Wei. Aber er hatte früher ein Heer gegen Wei geführt und durch Wortbruch gesiegt, so wurde er jetzt ausgewiesen. Zurück in Qin, wird seine Truppe besiegt, er selbst hingerichtet und gevierteilt. "Das böse Ende, das er schließlich in Qin nahm, war genau, was er verdiente."[106] Shang Yang ist einer der großen Bösewichte der (konfuzianischen) chinesischen Geschichtsschreibung.

    Han Fei

    Die Theorie des Legalismus wurde vor allem von Han Fei (280-233 v.), einem Schüler des Xun Zi, ausformuliert, der auch von Ideen des Daoismus und des Mohismus stark beeinflusst war. Han Fei stammte aus adeliger Familie des Staates Han, dessen Herrscher allerdings seine Dienste verschmähte. Da er nicht anderswo dienen wollte, blieb Han Fei Theoretiker. Er musste, als er als Gesandter seines Staates nach Qin gekommen war, auf Anordnung des Kanzlers Li Se, der mit ihm Schüler des Xun Zi gewesen war, Selbstmord begehen.

    Die menschliche Natur sieht Han Fei ebenso wie sein Lehrer Xun Zi als selbstsüchtig an. Die Konsequenz aus dieser Ansicht ist jedoch nicht dieselbe wie bei Xun Zi. Han Fei sieht vielmehr als die einzige Methode, ein gedeihliches Zusammenleben zu befördern, die Anwendung von Zwangsmitteln des Bestrafens und Belohnens. Guter Wille, persönliche Tugenden, Motivationen überhaupt sollten keine Rolle spielen, nur Handlungen und Reaktionen auf Handlungen sollten zählen. Das eben bringt den Legalismus in die Nähe des Daoismus: durch das Befolgen allgemeiner Regeln und Gesetze, ohne persönliches Eingreifen, soll die Ordnung hergestellt und aufrecht erhalten werden.

    Han Fei ist auch einer der frühesten Kommentatoren des Daodejing. Er hat zu 22 Kapiteln davon Kommentare geschrieben. Von ihm stammt auch die erste Interpretation des umstrittenen Kapitel 1, in dem so viel auf die Interpunktion ankommt. Han Fei hat gelesen: "Das Tao, von dem man sprechen kann, ist nicht das bleibende, ausdauernde Tao."[107] Er sieht Dao als das principium individuationis, nicht als ein undifferenziertes Kontinuum:

    Dao ist dasjenige, wodurch alle Dinge das werden, was sie sind. Es ist das, womit alle Prinzipien kommensurabel sind. Prinzipien sind Muster (wen), entsprechend denen alle Dinge zur Existenz kommen, und Dao ist der Grund für ihre Existenz. Darum heißt es, dass Dao die Dinge in eine Ordnung (li) bringt. Dinge haben jeweils ihre Prinzipien und können sich nicht gegenseitig durchdringen. Da Dinge ihre jeweiligen Prinzipien haben und sich nicht gegenseitig durchdringen können, sind darum Prinzipien die kontrollierenden Faktoren in den Dingen. Jedes hat sein eigenes Prinzip im Unterschied zu demjenigen des andern, und Dao ist ihnen allen angemessen [als Einheit]. Folglich muss alles den Prozess der Transformation durchlaufen.[108]

    Es sind drei Prinzipien, auf denen Herrschaft beruhen kann: fa (Gesetz, Norm), shih (Macht, Stellung) und shuh (Regierungsmethode). Der einzige Weg, die Menschen dazu zu bringen, dass ihr Handeln dem Ganzen dient, liegt darin, ihnen ein abweichendes Verhalten so unangenehm wie möglich zu machen. In der Hierarchie der Gesellschaft soll nur der Nutzen zählen: Krieger und Bauern stehen über den Gelehrten, die als nutzlose Parasiten gelten. Ein idealer Staat ist dann gegeben, wenn die Bevölkerung ausreichend versorgt ist und jeder äußere Angriff abgewehrt werden kann. Beides kann durch politische Maßnahmen erreicht werden und darin sieht Han Fei auch den Fortschritt in der Geschichte. Auch er beschreibt den Weg der Menschheit von der Frühzeit an.

    Im frühen Altertum waren die Menschen wenige, Vögel und Tiere aber zahlreich. Da es den Menschen nicht möglich war, die Vögel, Tiere, Insekten und Schlangen zu überwinden, kam ein Weiser und baute Nester, indem er Holzstücke zusammenfügte, um die Menschen zu schützen. Darüber waren die Menschen so entzückt, dass sie ihn zum Herrn der Welt machten. Sie nannten ihn Nestsiedler. In jenen Tagen lebten die Menschen von den Früchten der Bäume und den Grassamen, von Muscheln und Weichtieren. Diese schmeckten ranzig und stanken und verletzten die Därme. Da viele von ihnen krank wurden, kam ein Weiser, der spaltete einen Bohrer, um Feuer zu machen, das den stinkenden und modrigen Geschmack vertrieb. Die Menschen waren darüber so entzückt, dass sie ihn zum Herrn der Welt machten. Im mittleren Altertum war eine große Flut in der Welt; Kung und Yü öffneten dem Wasser Kanäle. Im späteren Altertum waren Chieh und Chow gewalttätig und ungestüm, weswegen T'ang und Wu sie überwanden.

    Jede Erfindung, jede Lösung hatte ihre Zeit und war zu dieser Zeit wohltätig. Aber das rechtfertigt keinerlei Traditionalismus. Wer es heute den alten Weisen gleichtun wollte, der würde zu Recht verlacht, sagt Han Fei.

    Das ist der Grund, warum der Weise weder versucht, den Wegen der Alten zu folgen, noch irgendwelche fixen Standards für alle Zeit aufzustellen, sondern die Umstände seiner Zeit untersucht und sich dann bereit macht, sie zu behandeln.[109]

    An dieser Stelle erzählt Han Fei zur Illustration die satirische Geschichte von einem "Mann in Song"[110], der die Hoffnung auf Wiederholungen im Leben so ernst nimmt, dass er, als er einmal etwas Ungewöhnliches erlebt, nur noch wartet, dass es genau so und genau dort wieder passiert.

    Ein Bauer in Song bestellte das Feld. Mitten darin stand ein Baumstumpf. Ein Hase rannte gegen ihn, brach sich das Genick und starb. Der Bauer warf daraufhin seinen Grabstock weg und bewachte den Baumstumpf, denn er hoffte, nochmals einen Hasen zu erwischen. Aber er bekam keinen Hasen mehr und wurde von den Leuten von Song ausgelacht. Wer die Menschen von heute mit der Politik der frühen Könige regieren will, ist ein solcher Baumbewacher.[111]

    Und wenn er nicht verhungert ist, so wartet er heute noch. Der Sinn dieser Geschichte ist wohl zweifach: dass kein Vertrauen in Wiederholungen zu setzen sei, ist das Eine. Die zweite Idee liegt darin, dass nicht das Außergewöhnliche, sondern das Alltägliche, nicht das Seltene, sondern das Durchschnittliche zum Maß des Handelns zu machen sei. Das gilt auch in der Regelung der öffentlichen Angelegenheiten:

    Ein Herrscher stützt sich auf die Mehrheit und vernachlässigt die Minderheit, und so verlässt er sich auch nicht auf die Tugend, sondern auf das Gesetz.
    Wären wir davon abhängig, dass ein Pfeil von Natur aus vollkommen gerade ist, so gäbe es in hundert Generationen keinen Pfeil. Wären wir davon abhängig, dass es ein Holzstück gibt, das von Natur aus vollkommen rund ist, so hätten wir in tausend Generationen kein Rad. Es gibt keinen von Natur aus geraden Pfeil und kein von Natur aus rundes Holzstück in hundert Generationen, und doch fahren in jeder Generation Leute auf Wagen und schießen Vögel. Warum? Weil es die Technik des Gerademachens und des Biegens gibt. Obwohl es (in hundert Generationen) einen von sich aus geraden Pfeil und ein von sich aus rundes Holzstück gibt, bei dem kein Gerademachen und kein Biegen notwendig ist, schätzt der begabte Handwerker es nicht. Warum? Weil nicht nur ein Mensch fahren will und weil der Bogenschütze nicht nur einen Schuss abgeben will. Ebensowenig schätzt der aufgeklärte Herrscher Menschen, die von sich aus gut sind und nicht abhängig von Lohn und Strafe. Warum? Weil die Gesetze des Staates nicht unbeachtet bleiben sollen und die Regierung nicht nur für einen Menschen gemacht ist. Darum folgt der Herrscher, der seine Kunst beherrscht, nicht dem Guten, das zufällig geschieht, sondern praktiziert den Weg des Notwendigen.[112]

    Das "Gerademachen und Biegen" hat Xun Zi ebenso für notwendig gehalten wie sein Schüler Han Fei. Aber die Methode ist verschieden, welche sie vorschlagen. Das Xun Zi sieht dafür, weil es die Menschen als formbar und bildungsfähig ansieht, Zeremonien und Musik, Erziehung und die Richtigstellung der Bezeichnungen als die geeigneten und auch hinreichenden Mittel an. Han Fei vertraut hingegen nur auf Lohn und Strafe.

    Im Staat des aufgeklärten Herrschers gibt es keine Schriften auf Bambusstreifen, sondern das Gesetz ist die einzige Lehre; es gibt keine Zitate von Herrschern des Altertums, sondern die Beamten sind die einzigen Instruktoren; es gibt keine Ehre durch privaten Schwertgebrauch, sondern das Schlachten der Feinde ist die einzige mutige Tat.[113]

    Es gibt für diesen Staat keine Unterscheidung zwischen Legalität und Legitimität und natürlich gibt es kein Widerstandsrecht. Es ist allerdings nach eigenem Verständnis ein vernünftiger Staat, seine Einrichtungen sind ausschließlich auf den objektiven Eigenschaften der Menschen gegründet und nach deren wahren Bedürfnissen ausgerichtet. Daher ist es ein starker und auch ein reicher Staat. Fünf Arten von "Ungeziefer" gefährden diesen Staat, ihr Vorkommen. Es

    ist ein gemeinsames Merkmal zerrütteter Staaten: dass Gelehrte die Wege der alten Könige verehren, Menschlichkeit und Rechtlichkeit[114] predigen ... und das geltende Recht in Zweifel ziehen; dass Wanderprediger irreführende Theorien vertreten und ausländische[115] Einflüsse verwenden um ihre selbstsüchtigen Ziele auf Kosten ihres `Altars der Geister von Land und Korn' zu verfolgen; dass private Machthaber ihre eigenen Standards und Machtbereiche aufbauen ... und sich den Verboten der `Fünf Minister' widersetzen; dass Höflinge sich in Privathäusern treffen, alle Arten von Bestechung gebrauchen und sich auf einflussreiche Männer verlassen, um dem Kriegsdienst zu entgehen; dass Händler und Handwerker wertloses Zeug als gute Ware verteilen, Reichtümer anhäufen, mit guten Gelegenheiten spekulieren und die Bauern ausbeuten.
    Diese fünf Menschensorten sind Ungeziefer für den Staat.[116]

    Das Programm des Han Fei Zi sieht den "Weltstaat" vor, oder jedenfalls einen Staat, der die gesamte "zivilisierte Welt" im damaligen Verständnis umfasst. Dieser Staat sollte vollständig auf einer gleichsam wissenschaftlichen Grundlage errichtet werden.

    Zusammenfassung

    Die Legalisten vertrauen ganz auf die Wirkung konsequenter Gesetzgebung und sind daher durchaus fortschrittsbewusst; ein Idealisieren des Altertums lehnen sie ab. Da dies im stärksten Kontrast zu den Konfuzianern stand, war eine der Maßnahmen, die unter Shihuangdi neben der Vereinheitlichung des Geldwesens, der Schrift, der Straßenbreite usw., neben weitreichenden Verwaltungs- und Rechtsreformen (z.B. Abschaffung des erblichen Beamtenadels) durchgeführt wurden, die Konfiszierung und das Verbrennen aller Bücher, die einen anderern Inhalt hatten als technische, naturwissenschaftliche und medizinische Fragen, so vor allem der heiligen Bücher des Konfuzianismus und aller alten lokalen Chroniken mit Ausnahme derjenigen des Staates Qin. Diese Verfolgung des Konfuzianismus hat dem Legalismus einen schlechten Namen bei den Historikern der späteren, vor allem konfuzianisch orientierten Dynastien eingetragen, sodass Legalismus als deklarierte Staatstheorie nach dem frühzeitigen Ende der Qin-Dynastie (206 v.) nicht mehr vertreten wurde. Erst in der Volksrepublik China wurden vorübergehend auch extreme Maßnahmen der Qin-Dynastie positiv bewertet, weil sie als Elemente einer gesellschaftlichen Entwicklung angesehen wurden.[117] Jedoch sind faktisch viele Elemente des Legalismus in die Staatsideologie des späteren China eingegangen, wie auch viele Maßnahmen der Qin-Dynastie weiterhin in Kraft blieben. Unter der Herrschaft des dritten Kaisers der Han-Dynastie, Wudi (reg. 141-87 v.) wurden legalistische Programme und Theorien in abgeschwächter Form mit einem reformierten Konfuzianismus verschmolzen.


    Verwendete bzw. zitierte Literatur

    Bauer, Wolfgang: China und die Hoffnung auf Glück. München: Deutscher Taschenbuchverlag 1974

    Bünger 1983

    Chan, Wing-Tsit: A Source Book in Chinese Philosophy. Princeton, N.J.: Princeton Univ. Press 1969 (zuerst 1963)

    Forke, Alfred: Geschichte der chinesischen Philosophie (3 Bde.). Hamburg: de Gruyter, Nachdruck 1964 (zuerst 1927, 1934, 1938)

    Freydank, Helmut et al.: Lexikon Alter Orient. Ägypten - Indien - China - Vorderasien. Wiesbaden: VMA-Verlag 1997

    Fung Yu-lan: A History of Chinese Philosophy (2 Bde.). Princeton, N.J.: Princeton Univ. Press 1983

    Gan, Shaoping: Die chinesische Philosophie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1997

    Legge, James (Übers., Komm.): The Sacred Books of China. Delhi: Motilal Banarsidass 1977 (zuerst 1879-91 = The Sacred Books of the East, Bd. 3, 16, 27, 28, 39, 40)

    Moritz, Ralf: Wie und warum entstand in China philosophisches Denken? In: R. Moritz et al.: Wie und warum entstand Philosophie in verschiedenen Regionen der Erde? Berlin: Dietz 1988, S. 58-100

    ders. (Übers.): Konfuzius: Gespräche (Lun-Yu). Leipzig: Reclam 1982

    Needham, Joseph: Wissenschaft und Zivilisation in China. Bd. 1 der von Colin A. Ronan bearb. Ausgabe. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1984

    Roetz, Heiner: Die chinesische Ethik der Achsenzeit. Eine Rekonstruktion unter dem Aspekt des Durchbruchs zu postkonventionellem Denken. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1992

    ders.: Konfuzius. München: C.H. Beck 1995

    Schleichert, Hubert: Klassische chinesische Philosophie. Eine Einführung. Stuttgart: Klostermann, 2. Aufl., 1990

    Wilhelm, Richard (Übers.): Dschuang Dsi. Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. München: Diederichs 1998


    Anmerkungen

    [10] Vgl. Adrian Frutiger: Der Mensch und seine Zeichen. Wiesbaden: Fourier 1978, S. 119 ff. Auf Eigentümlichkeiten der chinesischen Schrift wird hier nicht eingegangen. Eine Orientierung dazu bietet xxx in "polylog. Zeitschrift für interkulturelle Philosophie" xxx

    [11] Vgl. M. Soymie: Die Mythologie der Chinesen. In: Grimal, Pierre (Hg.): Mythen der Völker. Bd. 2. Frankfurt/M.: Fischer 1967, S. 266: "In den chinesischen Texten gibt es keinen Schöpfungsmythos, der der Genesis vergleichbar wäre. Dagegen findet sich eine gewisse Anzahl von mehr oder minder entwickelten gelehrten Theorien über die Entstehung der Welt. ... Das sind keine Mythen, sondern rein abstrakte Theorien. Aber wahrscheinlich sind sie der Widerhall von älteren oder volkstümlicheren Mythen oder deren Übertragung in die Sprache der Philosophie. Über diese ältere Mythologie wissen wir leider nichts."

    [12] Zu Sima Qian bzw. zur chinesischen Geschichtsschreibung vgl. z.B.: Szuma Chien: Der Herr von Sin-Ling. Reden aus dem Chan-kuo tse und Biographien aus dem Shi-ki. Stuttgart: Reclam 1965; Burton Watson (Hg., Übers.:) Records of the Historian. Chapters from the Shih chi of Ssu-ma Ch'ien. New York: Columbia UP 1969; Szuma Chien: Selections from Records of The Historian. Peking: Foreign Languages Press 1979; William G. Beasley und G.E. Pulleyblank (Hg.): Historians of China and Japan. London: Oxford UP 1961.

    [13] Vgl. dazu Burton Watson: Szu-ma Ch'ien, Grand Historian of China. New York: Columbia Univ. Pr. 1958, S. 142.

    [14] Vgl. Wing-tsit Chan: A Source Book in Chinese Philosophy. Princeton: Princeton Univ. Pr. 1969, S. 250. Chan zitiert aus dem Lüshi chunqiu (Lü-shi ch'un -ch'iu, vor 235 v.) die allgemeine Regel: "Whenever an emperor or king is about to rise, Heaven will always first manifest some good omen to the common people." Dann wird der "Gelbe Kaiser" mit der "Erde", "Yü" mit dem "Holz", die Shang-Dynastie mit "Metall", die Zhou mit dem "Feuer" und schließlich Qin mit "Wasser" parallel gesetzt: "Water will inevitably replace Fire. Now Heaven will first make the dominance of Water manifest. As the force of water is dominant, black will be chosen as the color and Water the model for activities. The force of Water reaches its limit without people realizing it. The course is now completed, and the process will revert to Earth." Das "Wasser" verweist auf ein bedeutsames Ideologem in der Qin-Zeit, das mit dem Daoismus verbunden ist.
    Zu den "Entsprechungen" in einer ganzen Anzahl von Fünferreihen vgl. Needham 1984, S. 200ff.

    [15] Doch ist hier anzumerken, dass diese drei absolut ältesten Stadt- oder Hochkulturen der Menschheitsgeschichte nicht auch die Ursprungsorte dessen sind, was wir "Philosophie" nennen: individuell verantwortete und bewußte Reflexion auf Grundfragen. Für den Fall Ägyptens ist dieses Urteil vielleicht zu revidieren, jedoch scheinen mir überzeugende Argumente auch hier noch nicht vorzuliegen.

    [16] Zur Frage der Ungleichzeitigkeit der Entstehung arbeitsteiliger und städtebauender Kulturen vgl. Jared Diamond: Arm und reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften. Frankfurt/M.: S. Fischer 1998.

    [17] Während der "Zeit der Streitenden Reiche" war eine ganze Reihe von Mauern als Grenzbefestigungen errichtet worden, die südlichste davon an der Nordgrenze von Lu um 450, also nach der Zeit des Konfuzius.

    [18] Der Satz des Konfuzianers Liu Xiang aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert: "Konfuzius lebte in einem chaotischen Zeitalter, und niemand vermochte ihn zu akzeptieren" könnte nach Roetz "über der Biographie des Konfuzius stehen". (Roetz 1995, S. 9)

    [19] Die Verbrennung von Büchern und Hinrichtung von (konfuzianischen) Philosophen, zu der es unter der Herrschaft der Qin im Jahre 213 v. dann auch gekommen ist, sollte die politische Opposition der Intellektuellen bekämpfen. Alle Schriften in Privatbesitz, die einen anderen Inhalt als Medizin, Landwirtschaft und Wahrsagekunst hatten, waren abzuliefern. Diese Anordnung von Shihuangdi wurde erst 191 v. offiziell aufgehoben. Für den späteren Konfuzianismus war eine der Folgen dieser Maßnahme, dass sich eine "Schule der alten Texte" herausbildete, die sich auf "authentische" oder "ursprüngliche Lehren" stützte und die gegen die "Schule der neuen Texte" auftrat, deren Hauptvertreter, wie Dong Zhongshu (Tung Chung-shu, 176? bis 104? v.), wesentlich an der Entwicklung des Konfuzianismus zur Staatsreligion der Han-Zeit beteiligt waren. - Eine weitere große Bücherverbrennung, die den Daoismus betraf, fand übrigens unter der Herrschaft der (mongolischen) Yuan-Dynastie (1260-1368) statt.

    [20] Vgl. z.B. Gregor Paul: Konzepte der Kritik und der kritischen Diskussion im älteren Konfuzianismus. Thesen zur Entwicklung eines universalen Rationalitätsbegriffs. In: Conceptus. Zeitschrift für Philosophie. 1986, Nr. 50, S. 7-30. Der Autor vertritt dort folgende Thesen:
    (1) "Westliche" und "chinesische" Rationalitätskonzepte haben viel gemeinsam. Das gilt insbesondere für die Rationalitätstheorien der Kritischen Rationalisten und der Konfuzianer. Beide (a) glauben an die Möglichkeit wechselseitigen Verstehens und schließlicher Übereinkunft (also an die prinzipielle Einheit der Menschheit), (b) empfehlen, sich eher auf den Verstand als auf Gefühl(e) zu verlassen, (c) halten konsistente und wohlbegründete Argumente für das beste Mittel von Kommunikation und Verstehen sowie insbesondere von kritischem und selbstkritischem Problemlösen und (d) ordnen die Idee der Humanität der Idee der Rationalität über.
    (2) Klassiker wie das "Lun-yü", "Menzius" oder "Hsün-tzu" sind Beispiele konsistenten und systematischen Philosophierens.
    (3) Der frühe Konfuzianismus ist keinesfalls weniger "theoretisch" als etwa der Idealismus Platons. Wegen der weitreichenden Ähnlichkeiten, die zwischen den Rationalitätstheorien der Kritischen Rationalisten und der Konfuzianer bestehen, kann ein detaillierter Vergleich als ein Schritt auf dem Weg zum Entwurf eines universalen Rationalitätskonzepts gesehen werden.

    [21] Vgl. Schleichert 1990, S. 19: "Fast die gesamte Philosophie der klassischen Periode hat nur ein Hauptthema: der Mensch und der Staat."

    [22] Vgl. Legge: The Four Books. Hong Kong o.J., S. 64f.

    [23] Als Einführungen in die klassische chinesische Philosophie seien genannt: Hubert Schleichert: Klassische chinesische Philosophie. Eine Einführung. Stuttgart: Klostermann 1990; Heiner Roetz: Die chinesische Ethik der Achsenzeit. Eine Rekonstruktion unter dem Aspekt des Durchbruchs zu postkonventionellem Denken. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1992; Wolfgang Bauer: China und die Hoffnung auf Glück. München: Deutscher Taschenbuchverlag 1974; Shaoping Gan: Die chinesische Philosophie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1997. Eine Sammlung von Quellentexten bietet Wing-Tsit Chan: A Source Book in Chinese Philosophy. Princeton Univ. Press 1969. Als Standardwerke sind ferner zu nennen: Alfred Forke: Geschichte der chinesischen Philosophie (3 Bde.). Hamburg: de Gruyter 1964 und Fung Yu-lan: A History of Chinese Philosophy (2 Bde.). Princeton Univ. Press 1983.

    [24] Bereits aus dem Jahre 2 vor der christlichen Zeitrechnung wird berichtet, dass ein chinesischer Beamter durch einen ausländischen Gesandten über buddhistische Schriften informiert worden sei. (Vgl. Chan 1969, S. 336) Jedoch beginnt die Ausbreitung des Buddhismus erst in der Zeit der "Drei Reiche" nach dem Zusammenbruch der (östlichen) Han-Dynastie.

    [25] Vgl. Legge 1977, Bd. 39, S. 41. Er schreibt dort weiter: "I do not see how anything of an organised religion was possible for the old Tâoists." Und Debon (1979, S. 12f) stellt fest: "In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten verzweigte sich der Taoismus: zur esoterischen Weltanschauung eines Kreises feinsinniger Literaten einerseits und zum volkstümlichen, dem bäuerlichen Schamanismus nahen Zauberglauben andererseits. In seinem Machtkampf mit dem rivalisierenden Buddhismus wurde Lau-dse bald zum Gott erhoben und seine Lehre zur Religion mit eigenem Papst und Klerus, mit Klöstern, Sekten, Mysterien und einem ins Märchenhafte wuchernden Götterhimmel."

    [26] Vgl. Joseph Needham: Wissenschaft und Zivilisation in China, Band 1. Frankfurt: Suhrkamp 1984, S. 144ff. Diese von Colin A. Ronan bearbeitete gekürzte Ausgabe von Needhams Werk enthält zwar zahlreiche wichtige Details, ist aber, zumindest in der deutschen Übersetzung, in sehr vielen Fällen unzuverlässig (z.B. fehlerhafte Datierungen) und mangelhaft und kann daher nur mit Vorsicht benutzt werden.

    [27] Chinesische Schriftzeichen werden fast immer aus mehreren "Radikalen" zusammengesetzt, von denen 214 unterschieden werden. Viele dieser "Radikale" können auch für sich allein stehen, wenngleich diese Fälle doch insgesamt nur einen sehr kleinen Teil der verwendeten Schriftzeichen ausmachen.

    [28] Eine interessante Geschichte berichtet Klemm nach Pelliot: "Als das Daodejing auf Bitte des indischen Königs ins Sanskrit übersetzt werden sollte, trat im Jahre 647 unter Xuanzang, einem schon damals berühmten Indien-Pilger und strengen Übersetzer, eine Kommission aus Daoisten und Buddhisten zusammen. Xuanzang, der vorgeschlagen hatte, als "Weg" (marga) zu übersetzen stieß auf den einhelligen Widerstand der Daoisten, die meinten, "Vernunft" (Bodhi) sei die passende Entsprechung für . Xuanzang und die Buddhisten setzten sich schließlich durch." (Torsten Klemm: "Deutungsvarianten im 1. Kapitel des Daodejing", Beitrag zum Daoismus-Seminar an der Universität Leipzig 1996 mit Bezug auf: Pelliot P., Autour d'une tranduction sanscrite du Tao-Te-King, in: T'oung pao Archives cconcernant l'histoire, les langues, la geographie et l'ethnographie de l'asie orientale, Bd. 13, S 351-430, 1912) Zitiert nach: http://rzaix530.rz.uni-leipzig.de/%7Eostasien/dao/klemm.html

    [29] Vgl. Chan 1969, S. 136

    [30] Als "Jing" (King) oder "Klassiker" ist das Werk erstmals um 150 v. erwähnt (vgl. Legge 1977, Bd. 39, S. 8), doch Debon schränkt ein: "Offiziell ... ist das Tao-Tê-King nur selten, und dann nur vorübergehend, anerkannt worden. Im Jahre 719 dekretierte Kaiser Ming-huang das Buch, das `nun in allen Familien ist', zum gleichberechtigten Prüfungsgegenstand neben den konfuzianischen Klassikern bei den Staatsexamen." (Debon 1979, S. 14)
    In Europa wurde das Werk später bekannt als die konfuzianischen Klassiker. Legge berichtet von einer lateinischen Übersetzung (durch Jesuitenmissionare), die 1788 der Royal Society vorgestellt wurde, von der Beschäftigung Rémusats mit dem Werk um 1820 und der ersten französischen Übersetzung durch Stanislas Julien 1842. Allerdings sagt Hegel, der mehr als ein Jahrzehnt davor starb, in seinen "Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie": "Von Lao-Tsö selbst sagen seine Anhänger, er sei Buddha, der als Mensch immerfort existierende Gott geworden. Die Hauptschrift von ihm haben wir noch, und in Wien ist sie übersetzt worden; ich habe sie selbst da gesehen." (Hg. G. Irrlitz. Leipzig: Reclam 1973, Bd. I, S. 117)
    Die Übersetzungen (und Nachdichtungen) des Daodejing sind zahlreich und unterschiedlich. Torsten Klemm schreibt: "Nähert sich der philosophisch Interessierte dem Daodejing, bietet sich ihm eine Unzahl an Übersetzung dar, von denen beinahe jede behauptet, das Wesentliche der alten chinesischen Schrift besser zu treffen als ihre Vorgängerin. So schätzte Alfred Forke 1927, daß bereits 40 Übersetzungen in europäische Sprachen erschienen seien und pro Jahr im Durschnitt eine hinzukomme. An dieser Situation, in welcher sich der Laie nahezu orietierungslos befindet, hat sich seither wenig geändert, im Gegenteil: Der Dschungel erscheint, gerade infolge der 1973 in den Gräbern von Mawangdui entdeckten Seidentexte, noch undurchdringlicher geworden zu sein." ("Deutungsvarianten im 1. Kapitel des Daodejing", Beitrag zum Daoismus-Seminar an der Universität Leipzig 1996, zit. nach: http://rzaix530.rz.uni-leipzig.de/%7Eostasien/dao/klemm.html) Klemm führt hier auch eine "Übersetzung" (Dallago 1929) an, deren Autor freimütig bekennt, er habe keinerlei Zugang zum chinesischen Text und erfasse daher dessen Sinn aus zwei anderen deutschen Übertragungen. Heute ist das Daodejing in mehreren deutschen Übertragungen zugänglich wie z.B.: Victor von Strauß: Lao-Tse, Tao Tê King. Zürich: Manesse 1959 (zuerst 1870); Richard Wilhelm: Laotse, Taoteking. Das Buch des Alten von Sinn und Leben. Jena 1921 (zuerst 1911); Günther Debon: Tao Tê-King. Das Heilige Buch vom Weg und von der Tugend. Stuttgart: Reclam 1979 (zuerst 1961); E. Schwarz: Laudse: Daudedsching. München: dtv 1980; als "eine der zuverlässigsten Übersetzungen in deutscher Sprache" und einzige mit chinesischem Text führt Béky (1972, S. 221) die von G. Kahlenbach aus dem Russischen übersetzte Version von Ching-Shun Yang an, die unter dem Titel "Der chinesische Philosoph Laudse und seine Lehre" in Berlin/DDR 1955 erschienen ist.

    [31] "... ist offenbar geworden, daß etwa drei Viertel des Textes gereimt sind." (Debon 1979, S. 15)

    [32] Über das Daodejing schreibt Chan: "No one can hope to understand Chinese philosophy, religion, government, art, medicine - or even cooking - without a real appreciation of the profound philosophy taught in this little book." (Chan 1969, S. 136)

    [33] Eine angebliche Begegnung der beiden (im Jahre 518 oder 517), von Sima Qian berichtet und früh bildlich dargestellt, wird heute meist bestritten. "Sollte es wirklich ein derartiges Zusammentreffen gegeben haben, so war das jedenfalls kein Treffen mit dem Verfasser des `Dao-de-jing', denn dieses Werk ist sehr wahrscheinlich erst später entstanden. Anzunehmen ist, daß es sich hierbei um eine Legende der späteren Daoisten handelt, um den Daoismus gegenüber Konfuzius und dem Konfuzianismus aufzuwerten." (Moritz 1982, Einleitung, S. 8) Nach Sima Qians Bericht hat "der Alte" den Jüngeren ziemlich barsch abgefertigt: Er möge seinen Stolz, seine Arroganz und seine Rechthaberei ablegen, das nütze ihm nichts. Anderes habe er ihm nicht zu sagen. Und Konfuzius soll danach zu seinen Schülern über Lao Dan gesagt haben: "Ich weiß wie die Vögel fliegen, wie die Fische schwimmen und die Tiere laufen. Aber der Läufer kann gefangen, der Schwimmer geangelt, der Fliegende mit dem Pfeil geschossen werden. Doch gibt es noch den Drachen - ich kann nicht sagen, wie er auf dem Wind durch die Wolken steigt und bis in den Himmel kommt. Heute habe ich Laozi gesehen und kann ihn nur mit einem Drachen vergleichen." (nach: Legge 1977, Bd. 39, S. 34f)

    [34] Bert Brecht hat die Episode ausgeführt in einem Gedicht mit dem Titel "Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Wege des Laotse in die Emigration", enthalten in: Gesammelte Werke in 20 Bänden, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1967, Bd. 9, S. 660-663.

    [35] Die Einteilung in 81 Kapitel und deren Reihenfolge stammt angeblich von einem Ho Shang-kung und lag Wang Bi (226-249), einem mit 23 Jahren verstorbenen daoistischen Gelehrten bereits vor, der kurz nach der Han-Zeit die Textform geschaffen hat, die modernen Übersetzungen meist zugrundeliegt. Diese Einteilung erfolgte "aus Gründen der Zahlenmystik" (81=3x3x3x3) und hat dem Text "besonderen Tort ... angetan", schreibt Debon, der sich trotz einiger später (bis in jüngste Zeit) vorgelegter Alternativeinteilungen an diesen Text hält "als einer jener geheiligten Unvollkommenheiten, mit denen wir uns wohl abzufinden haben." (Debon 1979, S.17, 19)

    [36] Debon 1979, S. 17

    [37] Diese Vorstellung spielt auch in der jüdisch-christlichen Tradition eine große Rolle. Wenn "Adam" den Dingen im Paradies "ihren Namen gibt", so handelt es sich natürlich nicht um willkürliche Bezeichnungen, sondern um Namen, die das "Wesen der Sache" ausdrücken. Das ist der Grund, warum in der voraufklärerischen Philosophiegeschichte Adam häufig als "erster Philosoph" genannt wird. Vgl. dazu Wimmer: Interkulturelle Philosophie etc. 1990.

    [38] Klemm 1996, zit. nach: http://rzaix530.rz.uni-leipzig.de/%7Eostasien/dao/klemm.html

    [39] Für das Zeichen, das hier steht, gibt ein heutiges Wörterbuch (den japanischen Sprachgebrauch von chinesischen Zeichen betreffend) an: "num. for counting persons; name, fame; celebrated; excellent; splendid". Die Zeichenkombination, die mit "Namen haben" oder "Existenz" übersetzt wird, verzeichnet dieses Wörterbuch nicht. Siehe: Arthur Rose-Innes: Beginners' Dictionary of Chinese-Japanese Characters. New York: Dover 1977, S. 133.

    [40] Nach: Shi Jun (Hg.): Selected Readings from Famous Chinese Philosophers. With Annotations and English Translation. Beijing 1986. Zit. Ausgabe Taipei 1992, S. 23

    [41] xxx Mawangdui?

    [42] Schleichert 1990, S. 126

    [43] Schleichert 1990, S. 127

    [44] Teng Shouyao sieht in der Idee der Reversibilität oder "Gegensinnigkeit" einen zentralen Beitrag des chinesischen Denkens zur Theorie und Praxis des Dialogs in der Philosophie wie in anderen Bereichen. Vgl. "Dialogue in China's Philosophical Tradition and Cultural Diversity", in: Philip Cam et al. (Hg.): Philosophy, Culture and Education. Asian Societies in Transition. Seoul: UNESCO 1999, S. 115-137.

    [45] Kap. 32 zit. nach Schleichert 1990, S. 148; Interpretation ebd., S. 149; im Sinn dieser Interpretation übersetzt Chan die letzten beiden Zeilen: "As soon as there were regulations and institutions, there were names (differentiation of things). As soon as there are names, know that it is time to stop." - Im übrigen erklären die Interpreten dieses Kapitel 32 einstimmig als "korrupt".

    [46] Das Zhuangzi ist seltener übersetzt worden. Im Deutschen gibt es die - nicht vollständige - Übersetzung von Richard Wilhelm: Dschuang Dsi. Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Köln: Diederichs 1998 (zuerst 1912), sowie eine Auswahl von Martin Buber: Reden und Gleichnisse des Tschuang-Tse, Frankfurt/M.: Insel 1981 (zuerst: Leipzig 1910). Schleichert schreibt (1990, S. 156): "Eine befriedigende deutsche Übersetzung existiert bis dato nicht." Vollständige englische Übersetzungen mit Kommentar bieten James Legge: The Writings of Kwang-Sze, in der Serie "The Sacred Books of the East", Delhi: Motilal Banarsidass 1977 (zuerst 1891), Bde. 39-40, und Burton Watson: The Complete Works of Chuang Tzu. New York: Columbia Univ. Pr. 1968.

    [47] Sima Qian nach Legge 1977, Bd. 39, S. 37. Im Buch XVII, Kap. 11 des Zhuangzi gibt es ebenso die Geschichte des Königs, der Zhuang Zhou zum Minister machen will, worauf dieser sagt: "I have heard that in Khû there is a spirit-like tortoise-shell, the wearer of which died 3000 years ago, and which the king keeps, in his ancestral temple,in a hamper covered with a cloth. Was it better for the tortoise to die, and leave its shell to be thus honoured? Or would it have been better for it to live, and keep on dragging its tail through the mud? ... Go your ways. I will keep on drawing my tail after me through the mud." (nach Legge 1977, Bd. 39, S. 390)

    [48] Der kaiserliche Katalog der frühen Han-Zeit verzeichnet das Werk noch mit 52 Kapiteln; vgl. Legge 1977, Bd. 39, S. 10.

    [49] Dieser "Hui-Tse" ist identisch mit dem Logiker Hui Shi. Er kommt an mehreren Stellen im Zhuangzi vor. Was er eigentlich vertritt, wird daraus nicht ersichtlich.

    [50] Zitiert nach: Reden und Gleichnisse des Tschuang-Tse, Auswahl von Martin Buber. Frankfurt/M.: Insel 1981, S. 10. Diese Auswahl Bubers ist nach der englischen Übersetzung des Zhuangzi durch H. Giles (London 1889) erstellt. Vgl. Wilhelm 1998, S. 26

    [51] Zit. nach Buber 1981, S. 67

    [52] Zit. nach Buber 1981, S. 49f

    [53] Vgl. Samuel Butler: Erewhon oder Jenseits der Berge (1872) Frankfurt/M.: Eichborn 1994: "Ich befragte sie auch, was es mit dem Museum für alte Maschinen auf sich habe und woher der offensichtliche Rückschritt in allen Dingen der Technik komme. Nach dem, was man mir sagte, war etwa vierhundert Jahre früher der Stand der Technik dem unseren weit voraus gewesen und hatte sich unerhört rasch weiterentwickelt, bis einer der größten Wissenschaftler, ein Professor der Hypothetik, ein aufsehenerregendes Buch schrieb ..., worin er bewies, daß die Maschinen letzten Endes bestimmt seien, das Menschengeschlecht zu verdrängen und ein Eigenleben zu entwickeln, von der animalischen Lebensform ebenso verschieden und ihr übergeordnet wie die animalische der pflanzlichen gegenüber. So überzeugend waren seine Vernunftgründe, oder Unvernunftgründe, daß er einen allgemeinen Gesinnungswandel bewirkte; man schaffte glattweg alle technischen Dinge ab, die erst in den letzten zweihunderteinundsiebzig Jahren aufgekommen waren (die Zahl entsprang einer Reihe von Kompromissen)" (S. 99f)

    [54] Zit. nach Buber 1981, S. 61. Im Kap. III, SS 4 findet sich eine bemerkenswerte Geschichte: als Lao Dan im Sterben lag, hätten seine Schüler ihn beweint - er habe ihnen also nicht die richtige Einstellung zu Leben und Tod vermittelt. Diese wäre Gleichgültigkeit beidem gegenüber, wie in der zitierten Episode vom Tod seiner Frau zum Ausdruck kommt oder wie Zhuang Zhou sie seinen Jüngern auch bei seinem eigenen Tod empfiehlt, als sie ihn fragen, wie sie ihn bestatten sollen: "`I shall have heaven and earth,' said he, `for my coffin and its shell; the sun and moon for my two round symbols of jade; the stars and constellations for my pearls and jewels; and all things assisting as the mourners. Will not the provisions for my burial be complete? What could you add to them?' The disciples replied, `We are afraid that the crows and kites will eat our master.' Kwang-sze rejoined, `Above, the crows and kites will eat me; below, the mole-crickets and ants will eat me: - to take from those and give to these would only show your partiality.'" (Zit. nach Legge 1977, Bd. 40, S. 212)

    [55] Zit. nach Bauer 1974, S. 73

    [56] Zit. nach Buber 1981, S. 58

    [57] Zit. nach Schleichert 1990, S. 171f. Legge übersetzt ähnlich (Bd. XXXIX, S. 379). Dieselbe Stelle lautet bei Wilhelm: "Vom SINNE aus betrachtet: was ist da wertvoll und was wertlos? Das sind nur überflüssige Gegensätze. Laß dadurch nicht dein Herz gefangennehmen, daß du nicht im SINN erlahmest!" (Wilhelm 1998, S. 185)

    [58] Zit. nach Schleichert 1990, S. 171

    [59] Dieser Gongsun Long ist also hier keineswegs ein Beispiel für jemanden, der "nur einen Meister hört" (vgl. Mephistos Ratschlag an den Studenten der Theologie im "Faust"), also kein Beispiel für Borniertheit, sondern eher für einen "komparativen Philosophen", der zwar offen für alles ist, aber keinen Maßstab mehr findet. Er sagt von sich: "I studied painfully the various schools of thought, and made myself master of the reasonings of all their masters. I thought that I had reached a good understanding of every subject; but now that I have heard the words of Kwang-sze, they throw me into a flutter of surprise." (nach: Legge, 1977, Bd. 39, S. 387)

    [60] Vgl Zhuangzi, Kap. XX, SS 4-6

    [61] Zit. nach Wilhelm 1998, S. 255f.

    [62] "Das erste Gleichnis gibt dem Hui Dsi zu verstehen, daß er das Wichtigste, das not tut, über Äußerlichkeiten versäume. Das zweite Gleichnis deutet an, daß es vergeblich ist, nach der Wahrheit zu suchen, wenn man sich dabei beschränken will auf die sichtbare Welt. Das dritte Gleichnis endlich beleuchtet die Wahrheit: wer selbst in einem Glashaus sitzt, soll keinen Stein auf einen andern werfen. Torhüter waren im alten China bekanntlich Krüppel, für die ein Kampf mit den Bootsleuten eine sehr ungleiche Sache sein mußte." (Wilhelm 1998, S. 312)

    [63] Zit. nach Schleichert 1990, S. 170f. Schleichert merkt hier an, dass der darauf folgende Text, von dem man eine Klärung hätte erwarten dürfen, "nicht recht verständlich" sei. Wilhelm hat den letzten Abschnitt (ab: "der mit beiden von uns einer Meinung ist") folgendermaßen übersetzt: "So können also ich und du und die andern einander nicht verstehen, und da sollten wir uns von etwas, das außer uns ist, abhängig machen? Vergiß die Zeit! Vergiß die Meinungen! Erhebe dich ins Grenzenlose! Und wohne im Grenzenlosen!" (Wilhelm 1998, S. 51) Nach dieser Lesart geht es also nicht einmal darum "einander zur Erkenntnis zu verhelfen", sondern die Skepsis macht bereits vor dem "Einander verstehen" halt. Der Rest ist ein Appell oder eine petitio principii.

    [64] Zit. nach Moritz 1988, S. 86; hier ist es lohnend, die Übersetzung von Schleichert insofern zu vergleichen, als die Zeitfolge unterschiedlich aufgefasst wird. Das Chinesische lässt beide Übersetzungen gleicherweise zu, aber für die Tragweite der Parabel macht es einen Unterschied, ob man liest, dass Zhuang Zhou träumte (und jetzt nicht mehr träumt) oder ob vielleicht jetzt immer noch der Schmetterling träumt, Zhuang Zhou zu sein. Schleichert (1990, S. 172) gibt die Stelle so wieder: "Nun weiß er nicht mehr, ob Zhou geträumt hat, ein Schmetterling zu sein, oder ob ein Schmetterling träumt, Zhou zu sein." Bei dieser Übersetzung wird tatsächlich fraglich, wer da etwas weiß oder nicht weiß. Die Frage, wer hier eigentlich träumt, geht tatsächlich weiter als in Descartes' bekannter Überlegung, ob der Unterschied zwischen geträumten und wirklichen Dingen erkennbar sei: die Identität des Träumenden erscheint als unerkennbar. Die Stelle befindet sich am Schluss des Kapitels II, das den Titel trägt "Beilegung von Kontroversen" oder, wie Wilhelm übersetzt: "Ausgleich der Weltanschauungen" und man kann annehmen, dass der Autor eine begründete oder berechtigte Beilegung von Kontroversen gar nicht für möglich hält. Das Zhuangzi drückt im übrigen häufig einen grundlegenden Agnostizismus oder vielleicht auch Konventionalismus aus. So etwa, wenn es heißt: "Was man für richtig hält, ist richtig, was man nicht für richtig hält, ist nicht richtig. Ein Weg wird dadurch, daß man ihn begeht. Jedes Ding ist, was man es nennt. Warum so? Weil es so ist." (Zit. nach Moritz ebd., S. 87)

    [65] Zhuangzi, Kap. XIII, SS 10, zitiert nach Schleichert (1990), S. 177f.

    [66] Zit. nach Buber 1981, S. 66f. Das Motto: "Hätte ich diesen Baum nicht gefunden, ich hätte die Arbeit lassen müssen" hat Lilly Steiner in ihrem für die Bibliothek von Adolf Loos entworfenen Ex-Libris verwendet. Vgl. Burkhardt Rukschcio: Die Bedeutung der Bauherren für Adolf Loos. In: Aufbruch zur Jahrhundertwende. Der Künstlerkreis um Adolf Loos. Parnass-Sonderheft 2, 1985, S. 10

    [67] Needham 1984, S. 113

    [68] Zit. nach Wilhelm 1998, S. 230f; nach der Zählung bei Wilhelm ist dies XXII,5; hier ist jedoch durchgehend die Zählung der Abschnitte nach Legge verwendet.
    Allerdings geht das Gespräch noch weiter, denn Zhuang Zhou beharrt darauf, dass die Frage falsch gestellt war: es gehe nie um ein besonderes Ding, sondern nur um das Allgemeine an ihnen allen. Wilhelm übersetzt "Dao" stets mit "SINN".

    [69] Vgl. Roetz 1995, S. 10.

    [70] Übersetzungen des Daxue in: James Legge: The Four Books. Hong Kong: Culture Book, o.J., S. 1-40; in ders.: Li Ki [Kap. XXXIX] (Sacred Books of China, Bd. IV), S. 411-424 und in Chan (1969), S. 85-94.

    [71] Übersetzungen des Zhongyong in: James Legge: The Four Books. Hong Kong: Culture Book, o.J., S. 41-121, und in Chan (1969), S. 97-114.

    [72] Vgl. Kap. 14. Chan übersetzt: "He can find himself in no situation in which he is not at ease with himself." (Chan 1969, S. 101) So verhält der Junzi sich angemessen, wenn er reich, wenn er arm ist oder wenn er sich "in the midst of barbarian tribes" befindet. Leider kommentiert weder Chan noch Legge, was das angemessene Verhalten unter "Barbaren" sein könnte.

    [73] Vgl. Kap. 10. "To be genial and gentle in teaching others and not to revenge unreasonable conduct - this is the strength of the people of the South. The superior man lives by it. To lie under arms and meet death without regret - this is the strength of the people of the North. The strong man lives by it. Therefore the superior man maintains harmony [in his nature and conduct] and does not waver." (Chan 1969, S. 99f) Der "Süden" erstreckt sich im ersten geographischen Bericht, der aus China erhalten ist (er befindet sich im Shujing unter dem Titel "Tribut der Yu") bis an den Changan. Dies dürfte die erste klimatheoretische Zuordnung von Mentalitäten in der chinesischen Literatur oder weltweit sein. Erst in der Muqaddimah des Ibn Khaldun (14. Jahrhundert) finden sich ähnliche Aussagen, wogegen die klimatheoretischen Thesen griechischer Autoren wie Hippokrates von Kos sich lediglich auf medizinische Dispositionen bezogen hatten.

    [74] Übersetzungen des Yijing, Shujing, Shijing und des Liji wurden von James Legge in den "Sacred Books of China" ab 1879 vorgelegt (Bde. 3,16,27,28) und sind als Nachdruck erhältlich. xxx

    [75] "Der Konfuzianismus ist eine Philosophie, keine Religion" ist in einem Faltblatt zu lesen, das in den 70er Jahren offiziell verteilt wurde: "Die Republik China". Taipei: China Publ. Comp. 1975.

    [76] Es ist an dieser Stelle von vier und nicht, wie üblich, von fünf "Grundbeziehungen" die Rede (vgl. dagegen Zhongyong Kap. XX,8). Das Fehlen der Relation zwischen Mann und Frau im Kapitel XIII interpretiert ein chinesischer Kommentar damit, dass "anciently the relationship of husband and wife was not among the five relationships of society, because the union of brothers is from Heaven, and that of husband and wife is from man" (Legge "Four Books", op.cit., S. 63)

    [77] Die lateinische Namensform "Confucius" leitet sich von der Bezeichnung "Kong fuzi" ("Meister Kong") her, die jedoch im Chinesischen seltener benutzt wird als die Form "Kongzi". "Confucius" ist in Europa nach dem Erscheinen des von Jesuiten herausgegebenen Werkes "Confucius Sinarum philosophus" (Paris 1662) für lange Zeit wohl der bekannteste Denker Chinas gewesen. Zur Wirkungsgeschichte in Europa vgl. Adrian Hsia: Deutsche Denker über China. Frankfurt/M.: Insel 1985 und Heiner Roetz: Konfuzius. München: Beck 1995.

    [78] Diese "Gespräche" (chin.: Lunyu; lat.: Analecta) sind in deutscher Sprache in mehreren Übersetzungen zugänglich: Contag, Victoria: Konfuzius. Gespräche in der Morgenstille. Lehren des Meisters. Zürich und München 1986; Moritz, Ralf: Konfuzius. Gespräche. Frankfurt/M. 1983; Schwarz, Ernst: Konfuzius. Gespräche des Meisters Kung (Lun Yü), München 1985; Stange, Hans Otto: Gedanken und Gespräche des Konfuzius, München 1953; Wilhelm, Richard: Kungfutse, Gespräche, Lun Yü. Jena 1923.

    [79] Roetz (1995), S. 23. Vgl. S.25: "In der Westlichen Han-Zeit (202v.-9n.Chr.) lag das Lunyu in drei Fassungen vor: einer in 20 Kapiteln aus dem Staat Lu (Lu Lun), einer in 22 Kapiteln, aus Qi (Qi Lun) sowie einer in alten Schriftzeichen geschriebenen Fassung in 21 Kapiteln, die um 150 v.Chr. in der Wand des alten Anwesens der Familie Kong gefunden worden sein soll (Guwen Lunyu)"

    [80] Lunyu 1,1, zitiert nach Schleichert (1990), S. 29

    [81] Lunyu 15.30, zitiert nach Schleichert (1990), S. 30

    [82] Lunyu 2.15, zitiert nach Schleichert (1990), S. 31

    [83] Vgl. dazu Robert K. Merton: Auf den Schultern von Riesen. Ein Leitfaden durch das Labyrinth der Gelehrsamkeit. Frankfurt/M.: Syndikat 1980 sowie Hakan Gürses: Libri catenati. Eine historisch-philosophische Untersuchung der Sekundärdiskurse. Wien: Universitätsverlag. 1996

    [84] Szuma Chien: Selections from Records of the Historian. Peking: Foreign Languages Press 1979, S. 27

    [85] Deutsche Übersetzung der "systematischen Kapitel", d.h. der erhaltenen Teile der Kapitel 1-39 von Helwig Schmidt-Glinzer: Mo Ti, Solidarität und allgemeine Menschenliebe (Buch 1-4); Mo Ti, gegen den Krieg (Buch 5-9); beides: Düsseldorf: Diederichs 1975. Eine gekürzte Neuauflage derselben Übersetzung in einem Band unter dem Titel "Die Liebe des Himmels zu den Menschen" ist im selben Verlag erschienen: München 1992

    [86] xxx Welche Zeichen stehen im Text? Wenn "unter dem Himmel" oder "Himmel-Erde", dann ist einfach die "Welt" gemeint. "Reich" klingt hier, als wäre bereits Organisation vorhanden.

    [87] Mozi, Kap. 13 nach Forke; (gekürzt) zitiert nach: Werner Gabriel: Krieg, Frieden und die Erfindung der Logik im alten China. In: Quadrivium nr. 9, Mexiko 1998, S. 63. Gabriel sagt hier, die häufige Übersetzung von "shang tóng" mit "Angleichen nach oben" sei irrig. Er interpretiert das Gemeinte so: "In dieser Hochschätzung des Gleichen geschieht eine Angleichung nach oben, allerdings ist der Herrscher, auch nicht der Kaiser, nicht die höchste Instanz, sondern der Himmel selbst. Er zeigt ... die Wahrheit selbst, die immer ein formulierbarer Sachverhalt, nicht der `Wille' eines Menschen ist. Die Aufgabe des obersten Herrschers liegt also in der logischen Koordination der Bestimmungen. Er setzt damit die Geltung der Begriffe im ganzen Reich durch. Ein Name wird gegeben, ein allgemeiner Begriff gilt." (ebd.)

    [88] Man könnte auch vergleichbare Konzepte in anderen Traditionen ansehen, wie z.B. Ibn Khalduns Begriff der "asabija" oder Giambattista Vicos Begriff des "senso comune". Vgl. dazu mein Skriptum "Geschichtsphilosophie I". Mit einem Vergleich von Rousseaus Konzept der "volonté générale" käme man hier zu einer Grundfrage der neuzeitlichen Demokratietheorie, zur Frage, "woher ... die richtigen Ideen der Menschen" kommen, wie Mao Zedong dies ausgedrückt hat.

    [89] Denselben Gedanken äußert Mencius, vgl. oben.

    [90] Der Gedanke an Luxusverbote in der europäischen Geschichte drängt sich auf. Insbesondere die Reformen von Kaiser Josef II in den habsburgischen Ländern sind bis heute in lokaler Erinnerung nicht zuletzt wegen dessen Begräbnisvorschriften, die zu erheblichem Widerstand führten. Allgemein führten Josefs Regulierungen des kirchlichen Alltagslebens zu "viel Verbitterung und Mißstimmung. Diese war am stärksten, als der Kaiser im August 1784 befahl, künftig die Begräbnisse einfacher zu gestalten, die Leichen in Säcke gehüllt in `Sparsärge' zu legen, deren Boden sich aufklappen und die Körper in das Grab fallen ließ. Nach sechs Monaten mußte er wegen der allgemeinen Entrüstung dieses Hofdekret zurückziehen." (Karl Gutkas: Die kirchlich-sozialen Reformen. In: Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II. Ausstellungskatalog Wien 1980, S. 175)

    [91] Zitiert nach Moritz 1982, S. 132. Dieses strategische Mittel, Tanz und Verführung statt Militär zur Vernichtung eines politischen Gegners einzusetzen, wird auch in der bekanntesten Episode des populären Romans "Die drei Reiche", in der Erzählung über "Das Mädchen Cikade" angewandt. Vgl. die Übersetzung von Franz Kuhn, Frankfurt/M.: Insel 1981, S. 115-137: "Ein Minister - wundersamer Plan! Um zu stürzen den Tyrann, Baute nicht auf Schilder, Lanzen, Nein - er ließ ein Mädchen tanzen!" (137) In einer anderen Episode desselben Romans allerdings, wo dem Kriegshelden Kwan Ti (der später als Wächtergottheit deifiziert wurde) gleich zehn Mädchen zum Geschenk gemacht werden, hat das keine Wirkung. Die Lektion ist wohl, dass derjenige, auf den verderbliche Musik Wirkung zeigt, bereits verdorben war.

    [92] Lunyu 3, 25, zitiert nach Moritz 1982, S. 55.

    [93] Vgl. die han-zeitliche Kritik am Geisterglauben durch Wang Chong, wo insbesondere das "Argument" des Mo Di und der Mohisten abgewiesen wird, die Existenz von "Geistern" sei dadurch erwiesen, dass es "Augenzeugenberichte" über Geisterwahrnehmung seit den ältesten Zeiten gebe.

    [94] Wie und warum entstand in China philosophisches Denken? In: Moritz et al. (Hg.) Wie und warum entstand Philosophie in verschiedenen Regionen der Erde? Berlin: Dietz 1988, S. 77

    [95] Zunehmend wird in der Literatur der zweite Terminus verwendet, doch scheint mir "Legismus" insbesondere aufgrund des entsprechenden Adjektivs "legistisch" weniger zu passen, das im jutiristischen Deutsch eine spezifische und hier nicht zu assoziierende Bedeutung hat.

    [96] Nur das Strafgesetz, schreibt Bauer im Zusammenhang mit Shang Yang, "wurde unter diesem Begriff (fa) verstanden." (Bauer 1974, S. 95) Siehe auch Bünger 1983, S. 136: "Verglichen mit dem komplexen Rechtsbegriff in Europa, über den man seit den letzten 2000 Jahren mit unterschiedlichem Ergebnis nachdenkt, treffen wir in China auf eine einfacherer terminologische und begriffliche Lage. Das chinesische Wort Fa, das in der europäischen Literatur meist mit `Recht' übersetzt wird, bedeutet nur `Gesetz', d.h. die von den Regierenden schriftlich niedergelegten Vorschriften. Es umfaßt also nicht den weiteren Normenkreis, der mit unserem Wort `Recht' (ius, droit, law usw.) abgedeckt wird, wie z.B. Gewohnheitsrecht usw."

    [97] Dazu schreibt Forke: "Die späteren Staats- und Rechtsphilosophen leben alle nach Lao-tse. ... Sofern sie überhaupt Weltanschauungsfragen berühren, stehen sie ganz unter dem Banne des Taoismus. ... Statt der Liebesmoral lehren sie eine Machtmoral." (Forke 1964, Bd. I, S. 441)

    [98] Vgl. Freydank 1997, S. 395; Forke 1964, Bd. I, S. 452ff

    [99] Forke ebd., S. 453

    [100] Szuma Chien: Selections from Records of the Historian. Peking: Foreign Languages Press 1979, S. 64

    [101] ebd., S. 64

    [102] Vgl. ebd., S. 69

    [103] Shang jun shu II,15, zit. nach Forke a.a.O., S. 455

    [104] Shang jun shu III,5 v, zit. nach Forke a.a.O., S. 455

    [105] Shang jun shu VII, zit. nach Schleichert 1990, S. 223

    [106] Vgl. Szuma Chien: Selections from Records of the Historian. Peking: Foreign Languages Press 1979, S. 69

    [107] Han Fei Zi, Kap. 20, zitiert nach Béky 1972, S. 67

    [108] Han Fei Zi, Kap. 20, übersetzt nach Chan 1969, S. 260

    [109] Han Fei Zi, Kap. 49, beide Zitate übersetzt nach W.K. Liao: The Complete Works of Han Fei Tzu, Vol. II, London 1959, zitiert in: Shi Jun (Hg.): Selected Readings from Famous Chinese Philosophers. With Annotations and English Translation. Beijing 1986. Zit. Ausgabe Taipei 1992, S. 225

    [110] Über dieses "Song (Sung)" im Süden gibt es mehrere ähnliche Geschichten, es ist "eine Art chinesisches Schilda". (Bauer 1974, S. 102)

    [111] Zit. nach Schleichert 1990, S. 244

    [112] Han Fei Zi, Kap. 50, übersetzt nach Chan 1969, S. 254

    [113] Han Fei Zi, übersetzt nach W.K. Liao: The Complete Works of Han Fei Tzu, Vol. II, London 1959, zitiert in: Shi Jun (Hg.): Selected Readings from Famous Chinese Philosophers. With Annotations and English Translation. Beijing 1986. Zit. Ausgabe Taipei 1992, S. 237

    [114] Im Text stehen die im Konfuzianismus üblichen beiden Zeichen für xxx

    [115] Im Text steht hier das heute noch gebräuchliche Zeichen für "ausländisch, fremd"

    [116] Übersetzt nach Shi Jun, op.cit., S. 238f

    [117] Vgl. dazu Joachim Schickel, Hg.: Konfuzius. Materialien zu einer Jahrhundert-Debatte. Frankfurt/M.: Insel 1976


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