Philotechnie jetzt!

Mainberger, Gonsalv K. (1996) Philotechnie jetzt! Tabula Rasa. Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken (12).

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Abstract

Das griechische Wort für 'Tugend' heisst aretê. Wenn wir auf die Frage: Was heisst denn aretê? antworten: aretê ist das griechische Wort erst für Tauglichkeit allgemein, dann für Tugend im besondern, dann werden die allermeisten Interessierten mit Unverständnis und Desinteresse, wenn nicht gar mit einem abschätzigen Achselzucken reagieren. Wer spricht denn heute schon von Tugend? - Gegen die Annahme, das Tugendproblem sei vom Tisch, sprechen allerdings Bände: Der Petit traité des grandes vertus von André Comte-Sponville (PUF, Paris 1995, 392 S.) ging in Frankreich zu Zehntausenden über den Ladentisch; das (umstrittene) Buch der Tugenden von U. Wickert ist in Deutschland ein Bestseller; bereits 1984 erschien in Notre Dame in 2. Auflage auf englisch, 1987 auf deutsch (Campus) Der Verlust der Tugend. Zur moralischen Krise der Gegenwart von Alasdair MacIntyre.

Im sogenannten Alltag sind wir noch immer angewiesen auf die Tüchtigkeit eines Handwerkers, merken wir doch rasch, was es uns kostet, wenn gepfuscht wird. Niemand möchte aber in den Verdacht geraten, als Tugendbold apostrophiert zu werden. Nur das nicht. Wenn mit aretê gar eine Handlungsanweisung gemeint und verbunden sein sollte, dann läuft die entsprechende Aufforderung zur Tugend erst recht ins Leere. Bei wem figuriert denn heute die Tugend auf der Lebensgestaltungsagenda! Nicht etwa, dass die Menschen samt und sonders Tugendverächter wären. Aber der Tugendbegriff gilt nicht mehr als ein konstitutives Moment, weder in der Wirtschaft noch in der Lebensgestaltung. Er ist abgelöst worden, und zwar gleich durch zwei andere Grundsätze: Pflicht und Verantwortung. Den Auftakt ins bürgerliche Zeitalter - Ralf Dahrendorf zufolge entwachsen wir ihm allerdings und manövrieren uns in die entsprechende Krise hinein - machte Kant (1724-1802) mit dem Pflichtbegriff und dem kategorischen Imperativ. Der Tugendbegriff bzw. das Tugendstreben geriet unter Verdacht, nichts anderes zu sein als versteckte Selbstsucht, eben Prämieninteresse. - Nach Auschwitz ist es gemäss Hans Jonas das Prinzip Verantwortung, (Frankfurt a. M. 1979/1984), das die Ethik für die technologische Zivilisation begründet. Der so in die Verantwortung gestellte Mensch vergewissert sich über kollektives Handeln in der Geschichte, also in Vergangenheit und Gegenwart; spezifisch modern daran ist, dass er auch über die mit kollektivem Handeln verbundenen künftigen Folgen Rechenschaft abzulegen hat. Die Handlungsverantwortung orientiert sich also nicht mehr primär an der Instanz aretê.

Item Type: Article
Uncontrolled Keywords: Tugend, Technik
Subjects: Philosophie > Philosophische Disziplinen > Medienphilosophie, Theorie der Virtualität, Cyberphilosophie
Philosophie > Philosophische Disziplinen > Anthropologie
Anthropologie
Depositing User: sandra subito
Date Deposited: 06 Dec 2020 12:19
Last Modified: 06 Dec 2020 12:19
URI: http://sammelpunkt.philo.at/id/eprint/2034

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