Der Kosovokrieg und die Theorie des gerechten Krieges

Die Frage, ob es möglich ist, einen Krieg moralisch zu rechtfertigen, ist sicher nicht neu. Immer wieder wurden in der Geschichte Debatten geführt und Vorschläge gemacht, auf Grund welcher Kriterien ein Krieg als ein gerechter Krieg gelten kann. Jedoch haben die Entwicklungen der letzten Jahre in ganz besonderer Weise dazu Anlass gegeben, sich mit dieser Frage erneut zu beschäftigen. Obwohl es weltweit durchschnittlich an die hundert bewaffnete Konflikte im Jahr gibt, hat ein Ereignis im Frühjahr 1999 die Weltöffentlichkeit, die Politiker und die Intellektuellen in lange nicht gekanntem Maß aufgerüttelt und alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen: der Einsatz von NATO-Truppen im Kosovokonflikt. Trotz unterschiedlicher Reaktionen ist der Kosovokrieg von keiner Seite nur als ein bewaffneter Konflikt unter vielen angesehen worden, dem man eigentlich nicht n her Beachtung zu schenken bräuchte. Vielmehr wurde die NATO-Intervention als ein möglicher Präzedenzfall für zukünftige militärische Interventionen angesehen (obwohl dies von der NATO und den an ihr beteiligten Staaten vehement bestritten wurde). In diesem Zusammenhang wurde der Krieg der NATO einerseits von zahlreichen Kritikern als völkerrechtswidrig angeprangert, während anderseits Befžrworter des NATO-Engagements im Kosovo das Völkerrecht dafür kritisierten, dass es einen moralisch gebotenen Einsatz wie den der NATO nicht legitimieren könne. Darüber hinaus wurde aber auch die oben genannte Frage nach der moralischen Legitimation von Kriegen erneut gestellt. Dadurch kam es zu einer Renaissance des just war thinking, das insbesondere in Deutschland seit Ende des Zweiten Weltkrieges von pazifistischen Ansätzen nahezu vollkommen verdrängt worden war.