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1. Einleitung

Ist ”künstliches Bewußtsein bzw. Selbstbewußtsein”oder - etwas weniger mentalistisch und vielleicht auch weniger herausfordernd formuliert – ”künstliche, menschengleiche  Intelligenz” bzw. ”künstliches menschengleiches Verhalten” machbar? (Würde sich sofort etwas klären,wenn ich das Wort ”künstlich” adverbial verwendete?) Werden eines Tages Roboter, künstliche Systeme oder synthetische Organismen das realisieren, was wir als spezifisch menschliche Charakteristika betrachten und beschreiben: Verhaltensweisen, besonders Sprachverhaltensweisen, die auf ”geistige” (”mentale”) Zustände, auf Intelligenz, auf Dispositionen schließen lassen? Kurz: Gibt es (irgendwann) den Geist aus der Maschine? Oder wenigstens den synthetischen Geist? Genährt werden entsprechende Überzeugungen durch einen ganz bestimmten Sprachgebrauch, durch Metaphern und Analogien, aber auch durch Fakten wie die Tatsache, daß Teile des Menschen künstlich ersetzt werden können, bei denen der Begriff der Prothese uns nicht mehr adäquat, unzeitgemäß, mit ”falschen” Vorstellungen befrachtet erscheint. Bereits übernehmen elektronische Elemente die Aufgabe defizienter sensorischer oder neuronaler Teile. Das Computerparadigma hat sich in vielen Bereichen der Humanwissenschaften, insbesondere in der Kognitionspsychologie und in der Neurologie durchgesetzt: Der Mensch ist nichts anderes als ein Computer. Daraus folgt: Bewußtsein ist ein strukturelles Phänomen, dem jede beliebige Hardware zugrunde gelegt werden kann. Diese Annahme kann auf die Überzeugung zurückgeführt werden, daß wir Menschen physikalisch gesehen bestenfalls hinsichtlich Komplexität etwas Besonderes sind und unsere ”geistigen” Fähigkeiten damit etwas zu tun haben. Eine gegenteilige Auffassung impliziert in der Regel, daß unsere ”geistigen” Prozesse eine Qualität haben, die nicht allein auf physikalischen Komponenten basieren. Doch über diese realistischen Vorstellungen hinaus, sind viele weitere Standpunkte beachtenswert, darunter solche, die die Art, wie wir diese Thematik angehen, insbesondere unsere Beschreibungen, unseren Sprachgebrauch reflektieren. Eine besondere Schwierigkeit besteht meines Erachtens gerade bei diesem Diskurs darin, daß nicht immer klar ist, wo wir es mit einem analytischen Problem und wo mit einem empirischen zu tun haben; d.h., wo wir etwas unter Bezugnahme auf sprachliche Konventionen klären können und wo Tatsachenfeststellungen unumgänglich sind; sofern ein solcher Unterschied nach der bekannten Kritik Quines überhaupt noch sinnvoll erscheint. Jedenfall ist es meine Überzeugung, daß wir nicht einfach über Dinge reden sollten, ohne zu berücksichtigen, wie wir das tun; ohne unseren Gegenstandsbezug und damit unsere Begriffe und Prädikate zu beleuchten.

 

Wer an die Möglichkeit der Erschaffung eines künstlichen ”Bewußtseins” glaubt, wird wohl eine odere mehrere der folgenden Annahmen unterzeichnen:

 

·        Das Leib-Seele-Problem ist zugunsten des Materialismus bzw. Physikalismus gelöst worden.

·        Geisteszustände wie ”Glauben”, ”Meinen”, ”Hoffen”, ”Wünschen”, ”Befürchten”sind theoretische Entitäten einer ”Alltagspsychologie”, die in Wirklichkeit nicht existieren (eliminativer Materialismus).

·        Das menschliche Hirn ist ein digitaler Computer und seine ”geistigen” Inhalte wie Denkvorgänge sind Relationen zwischen syntaktischen Elementen (Kognitivismus).

·        Leib und Seele sind identisch (Identitätstheorie).

·        Die Zusammenhänge zwischen psychischen Zuständen und Verhaltensweisen sind analytischer (logischer) Natur (logischer Behaviorismus).

·        Die Zusammenhänge zwischen Sprechen und Verstehen auf der einen und Verhalten auf der anderen Seite sind ebenfalls analytischer Natur.

·        Psychologische Eigenschaften sind mit funktionalen Eigenschaften identisch; d.h. physikalische Systeme können unabhängig von ihrer Zusammensetzung nichtphysikalische, nämlich funktionale Eigenschaften besitzen (Funktionalismus).

·        ”Geist”, ”Bewußtsein” sind Auswüchse eines mentalistischen Vokabulars, das sich (ohne ontologischen Verlust) auf ein physikalistisches reduzieren läßt. Dies gilt implizit auch für Bewußtseinsinhalte wie Empfindungen, Emotionen (logischer Behaviorismus).

·        Das Leib-Seele-Problem ist kein echtes theoretisches Problem, sondern eines der Pragmatik; eine Frage der Zuschreibung, der Nützlichkeit eines bestimmten Vokabulars innerhalb eines bestimmten Kontextes (Relativismus).

 

Die vorletzte Annahme ist eigentlich nur eine sprachanalytische Variante des Physikalismus (bzw. metaphysischen Realismus), die davon ausgeht, daß es etwa Wünsche, Überzeugungen, Hoffnungen nicht gibt, daß aber ein physikalistisches Vokabular sich an eindeutigen Referenzen wie Objekten, Funktionen und Verhaltensweisen orientieren kann. Die letzte pragmatistisch-relativistische Auffassung soll hingegen auch so verstanden sein, daß nicht jedem Begriff auch wirklich ”etwas” entsprechen muß. Ein Begriff kann in einem Sprachspiel eine Funktion haben, ohne daß er auf etwas referiert (er ist wie eine Variable einer Funktion, an deren Stelle wir nichts einzusetzen brauchen, um die Funktion zu verstehen). Die Wörter eines Satzes können sowohl aus der Sprache hinaus, auf Außersprachliches wie z.B. Gegenstände im engeren Sinne, aber auch in die Sprache hinein verweisen und syntaktische Relationen stiften, die semantische Implikationen provozieren: Sie können auto- und synsemantische Funktionen erfüllen. Die Sprache ist nach dieser Auffassung nicht einfach ein Mittel zum Beschreiben einer vor jeder Sprachlichkeit erkennbaren oder erkannten Welt konkreter und abstrakter Gegenständlichkeit bzw. selbstevidenter Empfindungen. Die Welt wie wir sie in komplexer propositionaler Hinsicht ”begreifen”,ist sprachlich vermittelt. ”Nach der Erkennbarkeit der Realität fragen heißt, nach dem Verhältnis zwischen Denken und Realität fragen. Die Erörterung der Natur des Denkens führt auch zu einer Erörterung der Natur der Sprache” (Winch P., 1958; dtsch. 1966, S. 21). Auch die funktionalistische These kann man nicht unter Ausschluß des Beobachters erörtern, denn eine Funktion wird nicht nur beschrieben, sie konstituiert sich überhaupt erst in der Verwendung von Zeichen.

 

Die Frage, ob Roboter Bewußtsein haben (können) oder nicht, verlangt nach pragmatistischer Auffassung eine Entscheidung darüber, ob wir Roboter als Mitglieder unserer Sprachgemeinschaft behandeln wollen oder nicht (vergl. Hilary Putnam in Richard Rorty, 1979, dtsch. 1987, S.211f). Es ist jedenfalls denkbar, daß wir jemandem die spezifisch menschlichen intellektuellen Fähigkeiten zuschreiben werden, der mit uns auch verbal zu kommunizieren und deklarierte Handlungsoptionen zu eröffnen vermag, die er einlösen kann. Ob dies eine notwendige oder hinreichende Bedingung ist, darüber soll in der Folge auch reflektiert werden. Nun kann man aber, um eine Aussage von Winch zu modifizieren, nicht erörtern, was zu uns gehörig angesehen werden soll, ohne die Sprache zu erörtern, der unsere Vorstellungen davon entstammen, was dem Bereich der Wirklichkeit (und in unserem Fall der Sprachgemeinschaft) angehört (vergl. Winch, 1958; dtsch. 1966, S. 25). ”Die Welt ist für uns das, was sich uns durch.....Begriffe hindurch darbietet” (ebenda); und er meint,wenn sich unsere Begriffe wandelten, dann wandle sich der Begriff der Welt.

 

Dies alles ist sicherlich ein guter Grund, um sowohl über den reflektierenden als auch den reflektierten Sprachgebrauch dieser Thematik nachzudenken und jenen Mann ins Spiel zu bringen, dem wir in dieser Hinsicht allgemein die meisten Anregungen zu verdanken haben und der mit zwei Äußerungen einen paradigmatischen Ansatz geprägt hat: Ludwig Wittgenstein: ”...die Grenzen der Sprache (der Sprache, die alleine ich verstehe) (bedeuten) die Grenzen meiner Welt” (Wittgenstein L., 1984, S.66); und: ”Die Bedeutung des Wortes ist das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt (ebd. S. 449). Wittgenstein soll mir helfen zu zeigen, daß der menschliche ”Geist” nicht hinter der Sprache steckt (und sprachliche Zeichen nicht einfach stellvertretend der Kommunikation von Vorstellungen oder auf irgendeine Weise Abgebildetem dienen), sondern – als Metapher – in der Sprache; in der Verwendung von Sprache konstituieren sich erst Verstand und Vernunft (vergl. Tugendhat, 1976). Für die Erschaffung ”künstlicher Intelligenz” ist dies folglich insofern relevant, als damit die Frage auftaucht, wie denn ein Computer (auf Basis welcher Hardware auch immer) zu menschlichem Sprachgebrauch und menschlichem Sprachverständnis kommen soll und kann.

 

Im Laufe der Konzeptualisiserung der vorliegenden Arbeit und beim Lesen der damit zusammenhängenden Lektüre habe ich mich aufgrund der Vielschichtigkeit des Diskurses, der im Zusammenhang mit den möglichen intellektuellen Fähigkeiten von künstlichen bzw. synthetischen Systemen, von Maschinen im weitesten Sinne, geführt wird, entschlossen, einen Schwerpunkt dort zu setzen, wo die Frage der Referenz, der Art und Weise wie Menschen auf Gegenstände (und Empfindungen) Bezug nehmen, sowie das Sprachverstehen angegangen werden. Die eminente Bedeutung, die dabei der Sozietät und dem Kontext zukommt, macht es schwer zu glauben, daß diese beiden Probleme (oder auch nur das erste) einer formal-theoretischen Lösung zugeführt werden könnten. Im vorliegenden thematischen Zusammenhang ist jedenfalls ein Eingehen auf die Frage wichtig, ob sinnvolle verbale Äußerungen an geistige Prozesse, an intentionale Akte wie beispielsweise das ”Meinen” gebunden sind. Selbst wenn sich aber der Sinn von Begriffen wie die ”Bedeutung eines Wortes” (und damit auch die Bedeutung von ”Bedeutung”) überhaupt erst im Sprachgebrauch einer Sozietät konstituiert, stellt sich immer noch die Frage, wie denn beispielsweise ein Roboter zur Sprache käme. (Das Problem, das sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, ob es so etwas wie eine ”Privatsprache” gibt; und wenn nicht: Wie wird ein ”künstliches” System Mitglied unserer Sprach-  und Verhaltensgemeinschaft?) Ich werde auch versuchen zu zeigen, daß der Verzicht auf geistige Entitäten oder auf ein mentalistisches Vokabular die Sache für die Vertreter der ”artificial intelligence” keineswegs leichter macht. Das Vermögen auf Reize unterschiedlich zu reagieren, zu diskriminieren, ist zwar eine kausale Vorbedingung, aber keine Begründung unseres Wissens. Nach Sellars an Wittgenstein orientierter Auffassung besteht das Verfügen über einen Begriff in der Fähigkeit zur Verwendung eines Wortes, und man kann folglich weder über einen einzelnen Begriff unabhängig von anderen verfügen noch den Begriff von etwas haben, weil man einen Gegenstand ”bemerkt” hat, denn ”....von einem bestimmten Gegenstand Notiz nehmen zu können heißt , bereits über den Begriff von einem solchen Gegenstand zu verfügen” (vergl. Sellars W.in Rorty R., 1979, dtsch. 1987, S. 204f.). Ernst Tugendhat hat - hauptsächlich in Anlehnung an Wittgenstein – meines Erachtens überzeugend herausgearbeitet, daß etwas zum spezifischen Gegenstand wird durch die Art und Weise, wie wir darauf Bezug nehmen (vergl. Tugendhat,1976). Einen Stuhl wahrnehmen und sich dessen bewußt sein, daß es ein ”Stuhl” ist, sind zwei verschiedene Dinge. Um einen Begriff von einem ”Stuhl” zu erhalten, sind mehr als visuelle, taktile und olfaktorische sensorische Inputs nötig. Wie erkenne ich, daß etwas ein ”Stuhl” ist? ”Eine Antwort wäre: ‘Ich habe Deutsch gelernt’” (vergl. Wittgenstein, 1984, S 400, Abs. 381). Die Erörterung der Art und Weise unseres Gegenstandsbezugs (eines ”Gegenstandsbewußtseins”) ist im vorliegenden Zusammenhang auch deswegen von Bedeutung, weil damit auch die Beziehung zu uns selbst, die Frage des ”Selbstbewußtseins” verknüpft ist und Begriffe wie ”ich” sowie Empfindungen bzw. die Verwendung entsprechender Wörter in den Brennpunkt des Interesses geraten.

 

Da die vorliegende Arbeit keine psychologische im engen, sondern vielmehr eine philosophische im weiten Sinne einer relativistischen Haltung sein soll, deren Inertialsysteme Sprachgebrauchs- und Handlungskontexte sind, ist es weder möglich noch sinnvoll, sogenannte psychologische Gegenstände wie beispielsweise ”Intelligenz” eindeutig zu definieren. Nach Ansicht vieler namhafter Autoren, auf die ich mich im folgenden beziehen werde, ist die Sprache wenigstens mitbestimmend für die Art und Weise, in der der Mensch Erfahrungen macht. Eine Definition ist in der Psychologie eine Beschreibung, der Versuch, einen Begriff zum Zweck der Operationaliserung abzustecken (immer auch auf Grundlage undefinierter Begriffe). Jede Definition schränkte meiner Ansicht nach einen sprachphilosophischen Diskurs des Themas willkürlich ein und wäre witzlos. Bei der Definition ”menschlicher Intelligenz” ist auf eine unbestimmte Weise das bei der Beschreibung mitbestimmend, was beschrieben werden soll; Sprachgebrauch, Neigungen, Erfahrungen innerhalb bestimmter Kontexte und vieles mehr spielen eine unvermeidliche Rolle. Und das sind die philosophisch spannenden Aspekte. Fest steht, daß die Zuschreibung von Intelligenz an unzähligen (sozial und kulturell geprägten) Verhaltensweisen gerechtfertigt sein will (und die Übereinstimmung hinsichtlich des richtigen Verhaltens kann nur eine Übereinstimmung in der Beschreibung ”richtigen” Verhaltens sein). Von Intelligenz kann man nur in bezug auf bestimmte Bereiche des Denkens und Handelns sprechen (vergl. Weizenbaum J., 1976, dtsch. 1978, S 273). Dazu kommt, daß wir unter ”menschlicher Intelligenz” (ganz zu schweigen von ”Bewußtsein”) im allgemeinen mehr verstehen, als die Fähigkeit, Probleme oder Aufgaben zu lösen. Wir definieren ”unsere” Probleme überhaupt erst; wir umreißen Aufgaben im Hinblick auf definierte und undefinierte Zielvorstellungen. Der Begriff des Problem”bewußtseins” hängt mit unserer Rede von Absichten, Wünschen ,Hoffnungen etc. zusammen.

 

Begriffe wie ”Kognition”, ”Intelligenz”, ”intelligentes Verhalten”, ”Informations-verarbeitung” besitzen weder eine klare Definition, noch stehen sie für irgendwelche natürliche Arten; sogar technische Termini wie ”Computer”, ”Computation”, ”Programm” oder ”Symbol” sind nur dürftig umrissen (vergl. Searle J.R., 1992, dtsch. 1996, S. 29).  Dennoch fallen in der Kognitionswissenschaft immer wieder locker solche Sätze wie ”Hirne sind Computer”, ”Der Geist ist ein Programm”.

 

Bei der Behandlung einer Thematik wie der vorliegenden stellt man sich fast zwangsläufig und wahrscheinlich öfter als in anderen Zusammenhängen immer wieder die Frage, wie sehr wir uns angeblich sprachunabhängige Gegenständlichkeiten von bestimmten Wörtern suggerieren lassen. Im Deutschen, Englischen und Französischen trat der Begriff ”bewußt” in seiner heutigen Bedeutung beispielsweise nicht vor der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts auf (vergl. Kathy Wilkes in Thomas Metzinger (Hrsg.),1995, S. 123). In den slawischen Sprachen der Gegenwart gibt es offenbar keine befriedigende Übersetzung für unseren Begriff des Geistes (ebda. S. 120). Nun nützen uns Definitionen im Rahmen dieser Abhandlung nichts, um Begriffsklärungen werden wir aber kaum herumkommen. Wenn ein Begriff wie ”Bewußtsein” ins Spiel kommt, dann bestehen zunächst einige relevante Möglichkeiten: 1. Wir wissen (ziemlich) genau, worüber oder wovon wir reden (wie bei den meisten alltäglichen konkreten Gegenständen, wo sich Übereinstimmung in der Regel leicht erzielen läßt). 2. Wir wissen nicht wirklich, worüber wir reden und auch nicht, wo und wie wir nachschauen sollen. Das einzige, was wir dann haben, ist eben diese unsere Rede davon, unseren Sprachgebrauch; und Sprachanalyse scheint angesagt. 3. Wir glauben zu wissen, daß unser Begriff ein bloßes Konstrukt oder eine Metapher darstellt, beispielsweise um Vorhersagen bezüglich Verhaltensweisen auf relativ einfache Weise formulieren zu können. 4. Wir glauben zu wissen, wovon oder worüber wir reden, aber im Diskurs stellt sich heraus, daß nicht alle mit unserem Sprachgebrauch übereinstimmen bzw. (teilweise) etwas anderes meinen. In all diesen Fällen wissen wir in gewisser Weise, was die Wörter ”bedeuten” (wenn wir nicht gerade bluffen); die Frage nach der Bedeutung eines Wortes ist aber wiederum etwas anderes. Schon Frege hat gezeigt, daß der Gegenstand (also die Referenz) und die Bedeutung eines Wortes sich nicht decken. (Er verwendete allerdings eine andere Terminologie und unterschied zwischen Sinn und Bedeutung eines Wortes; die Bedeutung eines Wortes war für ihn der Gegenstand selbst, der Sinn war die Gegebenheitsweise dieses Gegenstandes.) Nach dem heutigen Stand der Diskussion ist nicht einmal klar, welches die Bedeutung von ”Bedeutung” ist, bzw. worin das Erfassen der Bedeutung besteht. Manche Intensionalitätsskeptiker wie W.V. Quine wollen überhaupt ohne diesen Begriff auskommen, der in seinen Augen nur die Vorstellung von irgendwelchen geistigen Entitäten mit daran angebrachten Schildchen weckt (vergl. Stegmüller W. 1987, Bd. II, S. 286). Selbst wenn wir ohne intrinsische Intentionalität (wie Searle es ausdrückt) auskommen sollten, stellt sich also immer noch die Frage, wie es kommt, daß wir verstehen, was wir und andere uns und anderen sagen. Was bedeutet ”verstehen” und wie soll ein künstliches von uns geschaffenes Geschöpf zu einem Sprachverständnis kommen? Müssen wir für das Sprachvermögen und damit das -verständnis Dispositionen voraussetzen?. Wie steht es um den bereits angeschnittenen Kontext des Sprachgebrauchs, wie um das Hintergrundwissen im Zusammenhang mit Sprachverstehen? Dies sind ebenfalls Fragen, die den Diskurs um Bewußtsein, Intelligenz und Verhalten sowie die damit einhergehenden Versuche der Begriffsklärung begleiten.

 

Ich werde also im Hauptteil meiner Arbeit zunächst einige Begriffe zu klären versuchen, die das sprachliche Gerüst dieses vielschichtigen Diskurses stützen, und ich bin nicht sicher, ob das Gerüst dies aushält bzw., was uns an manchen Stellen noch (zum Bereden) übrigbleibt. Ich habe im Laufe der Zeit sowieso den Eindruck gewonnen, daß man besser von einem Begriffsorbital sprechen sollte, da man nie genau weiß, an welcher Stelle ein (oft auch scheinbar überwundener) Begriff wieder auftaucht und von wo er gerade seine ”semantische Energie” bezieht.

 

Anschließend werde ich die zu Beginn der Einleitung skizzierten Annahmen anhand ausgewählter hauptsächlich sprachphilosophisch orientierter Autoren wie Putnam, Searle, Wittgenstein, Rorty, Quine, Winch, Tugendhat, Kutschera, Stegmüller, Goodman diskutieren. Reiches Material für die Arbeit entstammt einer Reihe von Artikeln aus philosophischen und wissenschaftlichen Anthologien, die im Anhang angeführt sind. Die Beiträge der ComputerwissenschaftlerInnen entstammen ebenfalls vorwiegend Sammelbändern wie z.B. ”Spektrum der Wissenschaft” bzw. Zeitschriften. ”Bewußtseinstheoretisch im philosophischen Sinn sind sie oft wenig ergiebig, weil für sie z.B. die Frage, ob das Hirn ein digitaler Computer ist, wie so vieles andere, einfach ein empirisches Problem darstellt. ”....die Hast und gelegentlich sogar die Nachlässigkeit mit der die Grundlagenfragen einfach vom Tisch gewischt werden, (ist) ein weiteres stilistisches Merkmal dieser Fachliteratur” (vergl. Searle 1992, dtsch. 1996, S. 230).

 

Ich gehe davon aus, daß in der Einleitung bereits deutlich geworden ist, daß sich meine Arbeit über die Fragen, die sich im Zuammenhang mit artificial intelligence und künstlichem Bewußtsein auftun, fast zwangsläufig und in einem weiten Sinn an sprachphilosophischen Überlegungen orientiert. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß der metaphysische Beitrag zu dieser Thematik eher von seiten der Computerwissen-schaftlerInnen und Kognitivisten stammt. Sie sind es,die glauben, daß die Welt zu uns spricht, daß die empirischen Objekte unsere Begriffe eindeutig festlegen, daß es eine einzige ”wahre” Beschreibung geistesunabhängiger Gegenstände gibt, die die Welt ausmachen. Doch solche Überzeugungen münden in irgendeine Form der realistischen Semantik, wo ”Syntax” etwas sich in Physischem Manifestierendes ist und Begriffe wie ”syntaktische Maschine” oder gar ”semantische Maschine” ganz selbstverständlich und in der Überzeugung gebraucht werden, daß man damit empirisch zu behandelnde Tatsachen ins Spiel bringt. Für einen Vertreter des metaphysischen Realismus ist die Referenz eine Relation zwischen den Termen unserer Sprache und Bestandteilen der Welt, wobei die Welt für ihn sprach-und theorienunabhängig ist. Das Verstehen eines Terms besteht dabei im Wissen darum, auf welches Stück der Welt sich der Term bezieht. Das bedingt, daß wir ein vorsprachliches ”Verständnis” der Gegenstände dieser Welt und ihrer Relationen haben, das irgendwie in der Fähigkeit zur Diskrimination spezifischer Reize wurzelt. Sprache ist hier nur ein Instrument beispielsweise der Kommunikation. Ich glaube, daß Verteter der AI folgendes Bild mit sich herumtragen: Was dem Menschen an intellektueller Leistungsfähigkeit gleichkommen soll, braucht die Fähigkeit zur Diskrimination bestimmter Reize, die Möglichkeit zur Repräsentation von Reizmustern (vor allem von Gegenständen), eine Sprache als inter- (und intra) kommunikatives Netz von Symbolen, die in einem assoziativen Zusammenhang mit dem Repräsentierten steht und dieses auch vertritt, sowie die Fähigkeit zum Aufbau und Abruf von Wissen (auch über semantische Strukturen).Das ist eine Betrachtungsweise, die darüber hinwegsieht, daß die Sprache an der Konstituierung der Gegenstände oder genauer an der Konstituierung der Begriffe der Gegenstände, wie wir Menschen sie haben, ganz entscheidend mitbeteiligt ist. Die Relation eines Zeichens auf einen Gegenstand kann nicht als Stellvertretung aufgefaßt werden (Tugendhat, 1976, S. 366). Gegenstände sind uns nicht unabhängig von den Zeichen gegeben. Ich werde das später eingehend diskutieren, weil es eine entscheidende Rolle dabei spielt, ob ein von Menschen geschaffener künstlicher Organismus einen Begriff von der Welt und ihren Gegenständen und somit einen ganz bestimmten Bezug zu ihnen haben kann.

 

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