Pias, Claus (2008) Medienwissenschaft, Medientheorie oder Medienphilosophie? In: Wittgenstein and the Philosophy of Information. Proceedings of the 30th International Ludwig Wittgenstein-Symposium in Kirchberg, 2007. Ontos Verlag, Frankfurt, pp. 75-88.
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Abstract
Die universitär institutionalisierte Beschäftigung mit Medien ist jung, auch wenn es manchen ihrer Wegbereiter inzwischen anders erscheinen mag. Selbst wenn man sie an anderen jungen akademischen Disziplinen wie etwa der Kunstgeschichte oder der Kulturwissenschaft mißt, hat sie kaum die Entbindungsstation verlassen. Dafür kommt sie gleich im Plural vor: »Die Medienwissenschaften«, deren Ähnlichkeit oft geringer ist, als der Familienname vermuten läßt, haben in den letzten fünfzehn Jahren eine unvergleichliche Konjunktur erlebt – einen wahren Gründungsboom, der umso erstaunlicher ist, weil doch zugleich der ?nanzielle Spielraum der Universitäten immer enger zu werden schien. Daß sich deshalb immer mehr Wissenschaftler und Institutionen – nicht zuletzt unter dem Druck drittmittelfähigen Forschungsdesigns – entschließen, auf die Attraktivität des Schlagwortes »Medien« zu setzen, ist allemal verständlich, und die Folgen sind klar erkennbar. Mittlerweile ist »Medienwissenschaft« (trotz verschiedenster Ausprägung nun im Singular) an etwa 45 deutschen Universitäten verankert. Diese Zahl muß jedoch noch mit der der neuen Studiengänge multipliziert werden, die sich durch die ?ächendeckende Einführung von BA- und MAAbschlüssen drastisch vermehrt hat. Allein in Nordrhein-Westfalen, einem einzigen Bundesland also, werden derzeit über 50 verschiedene MedienAbschlüsse angeboten. Hinzu kommen noch etliche Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs. Pessimistische Beobachter mögen darin schon eine Bedürfnisdeckungslage ohne Bedürfnisse ausmachen. Der deutsche Wissenschaftsrat jedenfalls hat unlängst eine Expertenkommission zur Zukunft der Medienwissenschaften gebildet und in seinen Empfehlungen vom 25. Mai 2007 einige Konsequenzen gezogen. [WR 2007] Die Reaktionen innerhalb der Community darauf reichten von leicht resigniertem Seufzen bis hin zu offenem Widerspruch [GfM 2007]. Verkürzt und zugespitzt lauten die wichtigsten Ratschläge: 1. möge man damit aufhören, alle möglichen Institute und Lehrstühle in »Medien-« umzubenennen und stattdessen lieber die Medien-Frage aus den jeweiligen Herkunftsdisziplinen heraus stellen; 2. möge man mit der Er?ndung immer weiterer, hochspezialisierter Bindestrich-BA-Abschlüsse in »Medien-« aufhören und behalte die Medien-Frage insgesamt der MA-Phase oder Graduate-Schools vor; 3. sei eine stärkere Fokussierung auf erkenntnistheoretische Fragestellungen wünschenswert, und zwar insbesondere, wenn sie in Forschungskooperation mit Medientechnik und Informatik geschieht. Darüber hinaus führt der Wissenschaftsrat die neue Bezeichnung »Medialitätsforschung« ein, die zwar sprachlich nur begrenzt gelungen ist und sich wahrscheinlich nicht durchsetzen wird, hinter der aber einleuchtende Überlegungen stecken. Die folgenden Ausführungen maßen sich keine Rechtfertigung der Empfehlungen des Wissenschaftsrats an, gleichwohl sie in einigen Punkten zu ähnlichen Schlüssen führen. Ebensowenig beanspruchen sie, einen Überblick über das kaum mehr überschaubare Terrain medienwissenschaftlicher Forschung und ihrer verschiedenen Ansätze oder »Schulen« zu geben. Stattdessen stellen sie einen idiosynkratischen, von der eigenen akademischen Biographie und von Erfahrungen bei medienwissenschaftlichen Gründungen geprägten Bestimmungsversuch dar, was die Frage nach Medien bedeutet, in welchen Kontexten sie gestellt werden kann und aus welchen historischen Gründen dem so ist. Dies verspricht zumindest eine gewisse Konturierung von Begriffen wie Medientheorie, Medienwissenschaft und Medienphilosophie.
Item Type: | Book Section |
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Subjects: | Philosophie > Philosophische Disziplinen > Medienphilosophie, Theorie der Virtualität, Cyberphilosophie |
Depositing User: | sandra subito |
Date Deposited: | 06 Dec 2020 15:28 |
Last Modified: | 06 Dec 2020 15:28 |
URI: | http://sammelpunkt.philo.at/id/eprint/3343 |