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6. Veränderte Perspektiven:

Im folgenden Kapitel soll anhand einiger ausgewählter Zitate aus Wittgensteins Nachlass gezeigt werden, wo Wittgenstein seine Konzeptionen vom Tractatus verändert oder zumindest in Frage gestellt hat. Wiederum geht es hier ausschließlich um Aspekte der Weltsicht Wittgensteins, also um ontologische Konzepte und Strukturen und deren Verbindung mit modernen Datenbankmodellen.
Die Zitate dieses Kapitels stammen, wenn nicht anders angegeben, aus WITTGENSTEIN 1999. Seiten und Absatzangaben beziehen sich nicht auf Wittgensteins Originalmanuskripte sondern auf die zitierte "Wiener Ausgabe" von Michael Nedo.
Am Ende soll noch ein Ausblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen im Bereich der Datenbankmodelle und deren ontologische Motivation versucht werden.

6.1. Zerteilungen:

Gleich zu Beginn muss festgestellt werden, dass Wittgenstein in seiner späteren Philosophie keine völlige Neukonzeption seiner Weltsicht vornahm, sondern einzelne Aspekte  verändert und angepasst hat. Hauptsächlich handelt es sich um ein verändertes Sprachverständnis, im Besonderen was die Rolle der Logik als Analysewerkzeug betrifft. Sprachausdrücke sind demnach für Wittgenstein nicht mehr eindeutig auf Elementarsätze zu reduzieren um aus diesen dann die Strukturen der Welt ablesen zu können. Und auch die formale Logik, die Wittgenstein im Tractatus noch für die Sprachanalyse verwenden konnte, reicht nicht mehr dazu aus. um die logischen Strukturen der Sprache und der Welt ausreichend komplex beschreiben zu können. Sprache ist nicht mehr nur Abbild von Gedanken, die durch Irrtümer und Missverständnisse in ihrem direkten Abbildcharakter verhindert wird, und mittels formaler (logischer) Methoden auf diese Eindeutigkeit hin analysiert werden kann. Umgangssprache gewinnt in Wittgensteins Nachlass einen eigenständigeren Charakter und emanzipiert sich von einem fiktiven Grundgerüst aus Elementarsätzen. Das Ziel bleibt aber die Erkundung der Wirklichkeit über die Analyse der Sprachausdrücke, wobei aber immer mehr der umgangssprachliche Satz als Teil eines sprachlichen Netzwerks gegenüber dem Konzept der Elementarsätze in den Vordergrund tritt.
Ein Gegenstand darf sich in gewissem Sinne nicht beschreiben lassen.
D.h. die Beschreibung darf ihm keine Eigenschaften zuschreiben deren Fehlen die Existenz des Gegenstandes selbst zunichte machen würde. D.h. die Beschreibung darf nichts aussagen was für die Existenz des Gegenstandes wesentlich wäre. (S.6, §7,§8)
Die Identität eines Gegenstandes wird bei Wittgenstein nicht mehr länger über eine Beschreibung mittels eines Elementarsatzes in der Sprache abgebildet, auf den ich mittels logischer Analyse erst kommen muss, sondern Wittgenstein drängt auf einen wesentlich pragmatischeren Ansatz. Für Wittgenstein wird durch die Nennung eines Namens die Identität eines Gegenstandes behauptet. Um nun verstehen zu können, um welchen Gegenstand, also um welchen Teil der Welt es sich nun handelt muss ich versuchen den Satz in dem der Name vorkommt zu verstehen. So weit herrscht noch Einigkeit mit den Ansichten im Tractatus. Im Tractatus wurde ein analytisches Verfahren vorgeschlagen, mit dem man den umgangssprachlichen Satz auf ein fix vorgegebenes Grundgerüst aus Elementarsätzen reduzieren musste, um eine eindeutige Rolle des Namens in der Sprache und somit auch eine eindeutige Zuordnung auf einen Gegenstand in der Wirklichkeit zu erhalten. Die Identität des Gegenstandes in der Welt wird eben über seine Rolle in der Welt bestimmt. Und so ist es nun auch in der Sprache. Die Identität des Gegenstandes wird über das mögliche Vorkommen des Namens im Netz der Sprache festgelegt. Dieser Schritt entspricht der Entwicklung von relationalen Datenbanken hin zu Objektdatenbanken. Die Referenzierung des Objekts erfolgt in erster Linie über den Namen und alle internen Eigenschaften (Methoden und Attribute) sind Teil des Objekts und erklären dessen Rolle in Sachverhalten (Programmabläufen), wie also dieses Objekt mit der "Welt" (dem Programm)  in Verbindung steht, oder besser: welche Rolle das Objekt als Teil der Welt spielt. Sie tragen aber nicht zur Identitätsbildung bei. Zwei Objekte mit dem gleichen Namen stehen für den gleichen Gegenstand, auch wenn die internen Eigenschaften voneinander abweichen sollten. Noch deutlicher wird dieser Paradigmenwechsel bei der Betrachtung deduktiver Datenbankmodelle. Dabei wird ein Name mittels eine Liste von Klausen  definiert, wobei diese Klausen logische Verknüpfungen mit anderen Gegenständen der Welt darstellen. Der Gegenstand wird also gewissermaßen logisch eingebettet in die Welt und über diese Position und Rolle in der Welt definiert.
Könnte es nicht folgendes Schema geben: Die Farbe in einem Punkt ist nicht durch die Zuordnung einer Zahl zu einem Punkt beschrieben sondern durch die Zuordnung mehrerer Zahlen. Eine Mischung dieser Zahlen macht erst die Farbe und um die vollständige Farbe zu beschreiben brauche ich den Satz daß diese Mischung nun die komplette Mischung ist, also nichts mehr dazu kommen kann.
[...]
Aber wie ist dieser Zusatz zu machen?!!
Wenn in Form eines Satzes, dann müßte auch die unvollständige Beschreibung  der Farbe schon ein Satz sein!
Und wenn nicht in Form eines eigenen Satzes sondern nur durch irgend eine Art der Andeutung im ersten Satz, wie kann ich dann bewirken, daß ein zweiter Satz von der selben Form dem ersten widerspricht?
Zwei Elementarsätze können einander ja nicht widersprechen! (S.21, §1,§3,§4)
In diesem Zitat ist die Einbettung eines Sachverhalts in die Welt thematisiert. Ein Satz kann demnach nie losgelöst vom restlichen System der Sprache gesehen werden, sondern ist in diese Sprachbeschreibung der Welt eingebettet und nur im Kontext dieses gesamten Sprachsystems auch vollständig. Jeder Sprachausdruck stößt demnach irgendwann an seine Grenzen und kann nur über Zuhilfenahme weiterer Sprachausdrücke entsprechend vollständig verstanden werden.  So bestimmt der Bezug zum jeweiligen Aspekt der Wirklichkeit und in weiterer Folge dessen Bezug zur gesamten restlichen Welt die Bedeutung des Satzes. Dadurch kann in der Semantik des Satzes eine wesentlich größere Komplexität, nämlich im optimalen Fall jene der Wirklichkeit, erreicht werden, als das die Syntax und Semantik des isolierten Satzes zulassen würde. Eine Farbe könnte nach dem Verständnis von Sprache wie sie Wittgenstein noch im Tractatus vertrat nur über Elementarsätze beschieben werden. Das Ziel dabei war, Sprache auf den formalen Charakter zu reduzieren um eine eindeutige Analyse hin zu Elementarsätzen zu ermöglichen. Dies bewirkt automatisch einen strengen wissenschaftlichen Determinismus, der eine eindeutige Zuordnung von Sprachausdrücken und Wirklichkeit erlauben soll. Jedem isolierten Gegenstand der Wirklichkeit sollte ein isolierter Sprachausdruck, nämlich ein Elementarsatz entsprechen, wodurch auch die Überprüfbarkeit des Sachverhalts sehr vereinfacht werden sollte. Der Grund für eine solche Konzeption bestand sicher im Wunsch ein naturwissenschaftliches Modell der Sprache zu entwerfen, bei dem man wie bei physikalischen Experimenten einen isolierten Aspekt der Wirklichkeit durch Reduktion auf diesen die Wahrheit eines Modellaspekts mit der Wirklichkeit einfach überprüfen konnte. Das Ziel war also noch im Tractatus die Umgangssprache nur als ungenaues und teils verwirrtes Modell der Wirklichkeit zu sehen, das man erst auf ein zur Beschreibung der Wirklichkeit besser geeignetes Grundgerüst hin analysieren musste um mit den dadurch erhaltenen Modell einen Vergleich mit der Wirklichkeit machen zu können.
Wittgenstein stellt aber im obigen Zitat fest, dass die völlig isolierte Sicht einzelner Teilaspekte der Welt nicht befriedigend sein kann, da eben zur ausreichend genauen Beschreibung auch das "Umfeld" des entsprechenden Gegenstandes bzw. Sachverhalts notwendig sein kann. Um also die Bedeutung eines bestimmten Sachverhalts verstehen zu können, hilft es nicht, diesen gewissermaßen auf seine Elementarbestandteile hin zu sezieren, sondern den Begriff auf seine Rolle im Sprachmodell hin zu analysieren. Wenn ich den Begriff über seine Rolle in der Sprache verstehe, kann ich auch eine Überprüfung mit der Wirklichkeit vornehmen und dadurch die Wahrheit eines Satzes beurteilen.
Was bedeuten aber Anzahlen die größer sind als die Anzahl der existierenden Dinge. - Ich glaube es sind die Anzahlen von Kombinationen dieser Dinge.
[...]
Die richtige Ansicht muß am Ende die natürliche sein: und was wir sehen sind nie unendlich viele Dinge sondern immer eine Anzahl Dinge die das characteristische unendlich vieler verschiedener Möglichkeiten haben. (S.49, §4,§6)
Die Unendlichkeit der Welt verhindet somit nicht, dass ein endliches sprachliches Modell diese Wirklichkeit beschreiben kann. Im theoretischen Baukasten der Sprache muss nur die Möglichkeit dieser Undenlichkeit vorhanden sein. Es muss theoretisch möglich sein, dass ein sprachlicher Begriff in unendlich vielen Sprachsituationen vorkommen kann, da er ja auch in der Wirklichkeit mit theoretisch unendlich vielen anderen Gegenständen der Welt in ein bestimmtes Verhältnis treten kann. Im Tratctatus war dieser Aspekt noch von nebengeordneter Wichtigkeit. Man musste ja schließlich "nur" auf den entsprechenden Elementarsatz kommen um das Zutreffen eines Sachverhalts überprüfen zu können. Da aber in der veränderten Konzeption Wittgensteins die Rolle der Elementarsätze von der Umgangssprache übernommen werden soll, ist es auch nicht von Anfang an bestimmt in welchen und in wie vielen Satzsituationen ein Begriff vorkommen kann. Ich müsste die gesamte Welt in ihrer Unendlichkeit kennen um das wissen zu können und würde wahrscheinlich auf unendlich viele Möglichkeiten kommen die ein bestimmter Gegenstand in der Welt spielen kann. Im Prinzip kann jeder Gegenstand der Welt mit jedem anderen in eine bestimmte Verbindung treten, wodurch die oben zitierte potentielle Möglichkeit entsteht. Ich muss aber im Normalfall kein vollständiges Wissen über die gesamte Welt haben um etwas verstehen zu können. Ich sollte aber fähig sein die potentiellen Möglichkeiten eines Gegenstandes in der Welt abschätzen zu können, und somit auch die Rolle, die ein Begriff, der einen bestimmten Gegenstand bezeichnet, im Netz der Sprache spielen kann.
 
   
Ist es derselbe Satz zu sagen daß das Quadrat rot ist und zu sagen: das rechte Rechteck ist rot und das linke Rechteck ist rot?? Wenn es derselbe Satz ist ist dann nicht jeder dieser Sätze unendlich komplex? Ist nicht der einzige Ausweg hier anzunehmen daß ein Ausdruck "das Quadrat ist rot" noch kein Satz ist wenn nicht gesagt ist daß die übrige Ebene (oder der übrige Raum) irgend eine  Farbe hat. Das heißt es müßte der übrige Raum als scheinbare Variable in den Satz eintreten.
Aber auch das hat einen Haken. Wie sollen dann überhaupt die Elementarsätze lauten?! (S.49, §7)
Analyse bringt keinen Verständniszuwachs, wenn sie keine Rücksicht auf das zu analysierende Objekt nimmt. Wenn ich einen Begriff oder einen Gegenstand willkürlich immer weiter analysiere im Sinne von Zerteilen, dann werde ich zwar nach kurzer Zeit unendlich viele Teilaspekte herausgearbeitet haben, die aber nicht wirklich Neues über den ursprünglichen Begriff aussagen. Falls es Elementarsätze geben sollte, so würden diese nur einen Aspekt der Wirklichkeit beschreiben, der per Definition von allen anderen Aspekten dieser Wirklichkeit völlig unabhängig ist. Wie aber schon in obigem Beispiel erkennbar ist, ist diese Methode des "Sezierens" der Sprache und auch der Wirklichkeit nicht zielführend, wenn es um das Verständis geht. Satzpartikel, losgelöst von der Sprache sind genauso wenig zu interpretieren, wie Teile der Wirklichkeit ohne die sie umgebende Welt. Das Ziel der Analyse kann also nicht sein, einen begrifflichen Aspekt zu isolieren, sondern diesen in seinen sprachlichen Kontext zu stellen. Im Idealfall würde dies einem sprachlichen Netz entsprechen, das alle möglichen Verbindungen des Gegenstandes mit der Welt beschreibt, oder anders formuliert, das alle möglichen Verknüpfungen des Begriffs in der Sprache beschreibt. Man muss sich bei dieser Sicht von Sprache nun aber nicht mehr auf Umgangssprache oder Wissenschaftssprache beschränken, sondern je nach Begriff kann dieser in das entsprechende sprachliche Umfeld eingebettet werden.
[...] Der einzige Gegenstand von dem die Rede ist, wäre rot das sich irgendwo befinden muß, und die eine seiner unendlichen räumlichen Möglichkeiten wäre als Tatsache angegeben. Diese Tatsache wäre unendlich zusammengesetzt was sich dadurch zeigt daß unendlich viele verschiedene Tatsachen aus der einen logisch folgen. (?) (S.51, §2)
Man könnte dagegen einwenden, daß man einen Teil des Gesichtfeld überhaupt nicht abgesondert vom Ganzen beschreiben kann da er allein gar nicht denkbar ist. Aber die Form (die logische Form) des Flecks setzt tatsächlich den ganzen Raum voraus. [...] (S.51, §3)
Wie dies oben schon für farbliche Ausdrücke gezeigt wurde ist auch bei räumlichen Ausdrücken ein völliges absondern eines Teils der Welt nicht wirklich möglich und auch nicht zielführend, da für die Bestimmung der räumlichen logischen Form eines Gegenstandes der gesamte Raum vorausgesetzt werden muss. Man kann einen Gegenstand nicht allein, losgelöst von der Welt betrachten und genauso ist es nicht möglich sprachliche Ausdrücke ausserhalb der gesamten Sprachen zu betrachten. Sprache als Weltbeschreibung stellt sich als unendlich komplexes Netzwerk ineinander verwobener sprachlicher Ausdrücke dar. Erst diese Kombinationsfähigkeit eines Ausdrucks erlaubt eine ausreichend gute Abbildfunktion der Wirklichkeit. Und genau diese Art von sprachlichem Weltmodell wird auch bei deduktiven Datenbanken in vereinfachter Form angewendet. Sprachliche Ausdrücke werden über ihre Kombinierbarkeit mit anderen Ausdrücken festgelegt. Und genau diese Art der Kombination wird dann verwendet um noch unbekannte, also unbewiesene, Ausdrücke herleiten zu können und so deren semantischen Gehalt zu bestimmen.
[...] Daß wir eine Fläche kontinuierlich sehen können sagt alles. (S.51, §4)
Es ist kein Zweifel daß die Möglichkeiten der Gesichtswelt unendlich sind. (S.51, §5)
Die Kontinuität der Welt und allein schon die Möglichkeit von räumlicher Unendlichkeit stellt auch hier auf den ersten Blick ein Paradoxon bei der Beschreibung dieser Welt durch ein endlich sprachliches System dar. Selbst wenn ich beginne alle möglichen Sätze aufzuzählen bleibt eine Diskrepanz zwischen dem was ich beschreiben kann und den unendlichen Möglichkeiten der Wirklichkeit. In der Sprache als Modell der Wirklichkeit ist aber diese Möglichkeit der Unendlichkeit enthalten. Nur wenn ich die Sicht des Tractatus verfolge, also jeden Bergiff auf einen eindeutigen Elementarsatz zurückführen will, stellt dies ein Problem dar.
Bedenkt man das auch bei Datenbanken, so wird klar, dass relationale Datenbanken all diese Einschränkungen, die durch die Reduzierung der Sprache auf ein formal syntaktisches Grundsystem entstehen vorhanden sind. Der Verknüpfung von Satzteilen mit anderen, die Einbettung dieser in ein semantisches Netzwerk sowie dadurch in einen Kontext geht verloren. Auch bei deduktiven Datenbanken ist keine vollständige Erhaltung dieser semantischen Anteile der Sprache möglich. Auch bei dieser Technik muss Sprache auf ihren formal syntaktischen Anteil reduziert werden. Die Einbettung von Satzteilen in einen größeren Zusamenhang mit allen anderen vorhandenen Satzteilen wird aber zumindest auf formaler Ebene ermöglicht. Über die Wohlformungsregeln und die logischen Umformungsregeln wird genau definiert wie ein Satzteil mit anderen Satzteilen verknüpft werden kann. Dadurch wird einem bestimmten Satzteil eine breitere Basis formaler Sätze gegeben, sodass eine semantische Interpretation leichter wird. Ähnliche Versuche werden auch bei sogenannten semantischen Netzen angewendet, wobei bei dieser Methode der AI aber eher eine formal sematische Interpretation im Vordergrund steht und nicht sosehr die Verfügbarmachung von Wissen, wie dies eine Datenbank macht. Man könnte sich aber vorstellen, dass eine solches semantisches Netzwerk als Frontend einer Datenbank Verwendung findet, wo dann natürlichsprachige Sätze auf den entsprechenden Formalismus der Datenbank umgewandelt werden.

6.2. Die Unmöglichkeit von Elementarsätzen:

Wenn etwas in meinen Fundamenten falsch ist so könnte es nur so sein daß es Elementarsätze wesentlich überhaupt nicht gibt und daß die Analyse ein System von ins Unendliche zerlegbaren Sätzen ergibt. Genügt dieses System nicht der Forderung der Bestimmtheit der Analyse welche ich stelle? (S.50, §1)
Wittgenstein muss einsehen, dass eine Analyse von Sätzen hin zur fiktiven sprachlichen Basis der Elementarsätze nicht zielführend sein kann. Sprache widersetzt sich dieser Art von Analyse. Die Beschreibung ist nicht vollständig, solange nicht das gesamte sprachliche Netzwerk einer möglichen Weltbeschreibung gleichzeitig anwesend ist und somit auch der entsprechende sprachliche Kontext hergestellt werden kann. Es muss sozusagen das gesamte sprachliche Weltmodell mit allen seinen möglichen Varianten vorausgesetzt werden um einen sprachlichen Ausdruck richtig verstehen zu können. Die Analyse dient der Einbettung eines Begriffs in dieses sprachliche Netzwerk, also sein mögliches Vorkommen in sprachlichen Konstruktionen. Aus diesen Möglichkeiten läßt sich dann seine logische Position in der Welt bestimmen, genauso wie dies Wittgenstein über das logische Netz der Elementarsätze tun wollte. Für jeden Begiff, im Sinne einer begrifflichen Identität und nicht im Sinne einer vordefinierten Zeichenkette, gibt es sozusagen eine vordefinierte logische Struktur die über den Begriff bestimmt wird, ihm also eine bestimmte Rolle in der Sprache bzw. der Sprachlogik zuweist. Diese Rolle bestimmt aber andererseits auch die Bedeutung des Begriffs. Es wird also mittels der Sprachanalyse die dem Begriff entsprechende logische Form gesucht um damit dann ein besseres Verständnis des Begriffs zu gewinnen.
Der räumliche Satz sagt in gewissem Sinne etwas Einfaches. - Er ist aber unendlich teilbar.
Es wird in ihm gleichsam ein unendliches Gewebe mit einem Blick erfaßt.
Was aber ist dann die allgemeine Satzform? Sie ist die allgemeine Form der Zusammengesetztheit. - (S.52, §1-3)
Auch in diesen Sätzen spricht Wittgenstein vom Dilemma, dass der reduktionistische Charakter der Sprache eine befriedigende Abbildung der Wirklichkeit nicht zuläßt. Wenn ich Sprache so sehe wie einen axiomatischen Kalkulus, so reduziere ich die Wirklichkeit immer nur auf einen Ausschnitt, einen Teilaspekt dieser Wirklichkeit und vernachlässige damit die Verbindung des Teilaspekts mit dem Rest der Welt. Und eine Reduzierung, die vermeintlich zu einer größeren Genauigkeit bei der Beschreibung führen müßte führt lediglich zu einem herausschälen dieses Teilaspekts aus seinem Zusammenhang mit der Welt. Wenn ich ein Ding mittels der Lage und Beschaffenheit seiner Atome und Moleküle beschreibe geht die eigentliche Bedeutung des Gegenstandes verloren. Die Rolle die dieser Gegenstand in der Welt spielt, also das was ich mit meinen Sätzen über diesen Gegenstand aussagen möchte geht zugunsten einer maximalen analytischen Sezierung völlig abhanden. Die Teilbarkeit einfacher Zusammenhänge ist etwas künstliches und nur ein Aspekt eines (ungeeigneten) Modells, nicht aber der Wirklichkeit. Deshalb ist es auch die Abbildung solchen sezierten Wissens in einer Datenbank meist nicht zielführend. Sätze sind etwas einfaches und können trotz ihrer Einfachheit, durch ihre Einbettung in die Sprache scheinbar sehr komplexe Sachverhalte ausdrücken. Ein Großteil der Komplexität geht aber dadurch verloren, den formalen Anteil der Sprache von der Syntax und der Bedeutung der Satzteile zu trennen, ohne den logischen Charakter der Sprache entsprechend abzubilden. Der syntaktische Anteil der Sprache, sozusagen die Wohlformungs- und Transformationsregeln der Umgangssprache erlauben auch eine bessere Zuordnung zum semantischen Teil der Sprache, also zu Sinn und Bedeutung. In deduktiven Datenbanken wird versucht genau diesen Anteil zu modellieren, obwohl klar sein muss, dass das syntaktische System einer deduktiven Datenbank nur eine grobe Vereinfachung der Sprachlogik darstellen kann. Jedoch kann gesagt werden, dass trotz des sehr eingeschränkten Formalismus einer deduktiven Datenbank, der sprachlogische Charakter von Sprache zumindest teilweise erhalten bleibt, wohingegen bei relationalen Datenbanken jegliche logische Struktur verloren geht. Man kann auch sagen, dass von der Methode der analytischen Sezierung bei relationalen Datenbanken eine Entwicklung hin zu einer logisch-syntaktischen und somit direkteren Sicht der Sprache bei deduktiven Datenbanken bemerkbar ist. Dass dies nur ein erster Schritt ist, dass also eine möglichst direkte Abbildung von Sprache, ohne allzu grosse Formalisierung, angestrebt wird zeigen die Methoden der AI die immer öfter auch bei Datenbanken angewendet werden (siehe dazu weiter unten).
Man würde glauben daß ein Satz, aus dem unendlich viele folgen, unendlich viel sagen muß. Aber die unendliche Teilbarkeit drückt sich durch eine Regel aus, nicht dadurch daß das Zeichen unendlich komplex ist. - Andererseits ist die unendlich komplexe Regel nur ein Ersatz für ein unendlich komplexes Zeichen. (Etwa ein gemaltes Bild). (S.52, §4)
Wirklichkeit läßt sich eben nicht durch unendlich komplexe Regeln oder unendlich komplexe Zeichen befriedigend beschreiben. Der rein wissenschaftliche Analyseprozess führt nicht notwendiger Weise zum gewünschten Ergebnis. Manchmal sind die einzelnen Teile eines Dings eben weniger als die Summe dieser Teile. Auch wenn ein Gegenstand tatsächlich unendlich komplex ist, er also aus unendlich vielen Komponeneten besteht, so haben wir mit der Umgangssprache ein Hilfsmittel diese Komplexität mit einfachen Zeichen abzubilden. Dieser semantische Gehalt der Zeichen wird aber wie schon erwähnt nicht durch das isolierte Satzzeichen hervorgerufen, sondern durch die Einbettung dieses Satzzeichens in die gesamte Sprache, genauso wie ein Gegenstand in die Welt eingebettet erscheint. Damit wird es auch bei deduktiven Datenbanken möglich formal-analytisch sehr komplexe Sachverhalte relativ einfach darzustellen, da mit den formulierten Satzteilen ja auch die gesamte Wissenbasis der Datenbank gesehen werden muss, in die dieser Satzteil eingebettet wird. Die logische Rolle eines Gegenstands als Ganzer in der Welt ist dabei wichtiger als die Analyse und Zerlegeung diese Gegenstandes in seine möglicher Weise unenedlich vielen Bestandteile.
Wenn aus einem Satz unendlich viele folgen so ist jener Satz nicht aus diesen aufgebaut. D.h. ihr Verständnis ist nicht nötig um ihn zu verstehen.
Ich möchte so sagen: Zu sagen daß unendlich viele Sätze aus einem folgen besagt die unbegrenzte Möglichkeit solcher Folgesätze nicht ihre Wirklichkeit. Ich meine damit, es besagt daß es keine Anzahl solcher Grund-Sätze gibt. Und das ist ja klar: Es gibt dann nicht unendlich viele sondern keine Elementarsätze. (S52, §9)
Aus den oben bereits dargestellten Umständen wird nun klar, dass so etwas wie eine Sprachbasis, die sogenannten Elementarsätze des Tractatus, auf die alles nach genügend genauer Analyse reduziert werden kann nicht möglich ist. Das reduktionistische Sprachverständis des Tractatus muss zum Scheitern verurteilt sein. Das immer weitere Aufspalten von Sachverhaltsbeschreibungen in immer detailliertere Teile bringt meist keine genauere Abbildung von Sachverhalten. Im günstigsten Fall sind diese aufgespalteten Beschreibungen gleichwertig mit dem Ausgangssatz. Es kann aber auch passieren, dass wesentliche Aspekte eines Satzes durch den Analyseprozess verloren gehen.
In picturing a fact comprising alphas we miss all the information on alphas possible roles in different pictures. Elementary propositions cannot provide this kind of knowledge. (HRACHOVEC 2000)

6.3. Sprache als Netzwerk:

Sprache muss als logisches System gesehen werden, in dem mittels Transformationsregeln Sinn und Bedeutungserhaltung gewährleistet wird und dadurch mehrere gleichwertige Beschreibungen möglich sind, von denen aber keine als Basisbeschreibung ausgezeichnet werden kann. Begriffe sind eingebettet in meist unendliche Möglichkeiten ihres Vorkommens in der Sprache und werden dadurch bestimmt. Sprachanalyse ist nun nicht mehr in erster Linie darauf konzentriert einen Satz auf ein möglichst einfaches Basisgerüst von Sätzen zu reduzieren sondern seine Rolle im gesamten Sprachnetz näher zu bestimmen.
Sentences cannot be regarded in isolation. Each sentence's cognitive content has to be seen as the role this sentence plays within the overall pattern of functional dependencies imposed upon laguage by its application to the world. (HRACHOVEC 2000).
Es wird also nicht ein einzelner Satz, wie im Tractatus auf sein logisches Grundgerüst hin analysiert, sondern ein Begriff wird hinsichtlich seiner Verwendbarkeit in einer Gruppe von Sätzen hin untersucht. Dabei kann aber natürlich auch Polymorphismus vorkommen, d.h. ein Begriff kann in mehreren Satzgruppen vorkommen und in diesen unterschiedlichen Satzgruppen auch unterschiedliche Bedeutungen annehmen. Der Gebrauch bestimmt die Bedeutung und somit die zu Grunde liegende logische Struktur, die der Sprachausdruck mit der Wirklichkeit gemeinsam hat. Somit kann es aber auch vorkommen, dass sich die Bedeutung eines Begriffs verändert, bzw. dass sich eine neue zusätzliche Bedeutung für einen bereits existierenden Begriff über eine neue Verwendung ergibt. Wichtig ist dabei zu sehen, dass sich dadurch aber nichts am logischen Grundgerüst der Welt ändert. Die Welt bleibt unverändert, nur das sprachliche Modell, das diese Welt abzubilden versucht kann erweitert und verändert werden. Auch bei einer deduktiven Datenbank kann eine analoge Aussage gemacht werden. Das logische Grundgerüst, die Struktur der Aussagen muss auch weiterhin unverändert bleiben. Nur die Verwendung  einzelner Klausen kann sich verändern, immer aber unter der Voraussetzung, dass das logische Grundgerüst z.B. durch Inkonsistenzen nicht kompromittiert wird.
Wittgenstein[...] offers a conceptual machinery sophisticated enough to mediate between ordinary language and the scientific enterprise, accomodating both the inevitable vagueness of our expression and their indespensible rigour in well-definde contexts. (HRACHOVEC 2000).
Dieser Polymorphismus ermöglicht aber auch auf verschiedene Sprachsituationen einzugehen. Sprache erlaubt somit verschiedene Weltmodelle der selben Welt zu bauen, je nach Notwendigkeit der Sprechergemeinschaft und der Sprechsituation. Eine Sprechergemeinschaft kann über den Prozess des Dialogs zu einer Übereinstimmung bei der Bedeutung von Begriffen kommen und so ein für die Sprachgemeinschaft ideales Weltmodell entwicklen. So gibt es eben z.B. einen wissenschaftlichen Sprachgebrauch oder am anderen Ende des Spektrums die Kommunikation zwischen Kleinkindern und Eltern. Dieses Abstimmen des Sprachwerkzeugs auf die Situation und die Sprechergemeinschaft  zeigt grosse Parallelen mit dem Prozess der Auswahl eines Datenbankmodells. Auch dort wird bewusst ein Modell gewählt das der Problemsituation am besten entspricht, oder anders gesagt, nur die Teile der Welt in einer bestimmten Form abbildet, mittels der man ein verbessertes Problemverständnis und in weiterer Folge eine bessere Problemlösung erwarten darf.
Daher kann der Satz nur verstanden werden, wenn man den zusammengesetzten Satz versteht, denn er liegt dann allem zu Grunde. (S.52, §10)
Wittgenstein spricht sich hier nochmals sehr deutlich gegen die oben bereits kritisierte reduktionistische Sprachananlyse aus. Damit kann auch bei Datenbanken geschlossen werden, dass sich jede Abbildung von Sprache möglichst nahe an der Sprache orientieren muss in der ursprünglich das Problem beschrieben wurde. Eine noch so genaue Analyse von Sätzen verletzt immer dieses Postulat und bildet immer nur einzelne Aspekte des Sprachausdrucks ab. Bei relationalen Datenbanken sind dies sehr detaillierte Attributsbeschreibungen, wohingegen bei deduktiven Datenbanken versucht wird den (sprach-)logisch Charakter eines Satzes möglichst genau abzubilden. Näher an der Umgangssprache liegt aber sicherlich die Abbildung in deduktiven Datenbanken.

6.4. Bedeutung und Genauigkeit:

Eine Mischfarbe oder besser eine Zwischenfarbe von blau und rot ist dies durch eine interne Relation zu den Strukturen von Rot und Blau aber diese interne Relation ist elementar. D.h. sie besteht nicht darin daß der Satz a ist blaurot ein logisches Product von a ist blau und a ist rot darstellt. (S.61, §1)
Ist es aber dann nicht merkwürdig daß wir die Nähe einer Farbe zu einer anderen sehen können. - Ich sehe daß dieses Braun fast gelb ist.
Ich würde sagen dieses bläulichrot kriegt man wenn man reines Rot nimmt und ganz wenig Blau dazu mischt.
Und dieses "ganz wenig"  und "fast" muß sich in der Satzform ausdrücken. (S.61, §4,§5)
Man könnte sagen die Farben haben zu einander eine elementare Verwandschaft. [...] (S.61, §7)
Wittgenstein spricht hier von elementaren Relationen. Damit meint er aber nicht mehr Relationen, auf die man komplexere Sprachkonstruktionen hin reduktionistisch analysieren kann, sondern Relationen, mit denen meist sehr komplexe Strukturen mittels einfacher Sprachmuster abgebildet werden können, und wo eine weitere Aufspaltung in Teilaspekte keine Verbesserung der Abbildung bringt. Eine analytisch naturwissenschaftliche Beschreibung der Welt ist mit dieser Sichtweise nicht mehr sinnvoll und auch nicht mehr möglich. Die Mächtigkeit der Sprache darf durch ihre scheinbare Einfachheit nicht unterschätzt werden. Ein Begriff spannt ein Netz möglicher Sätze auf in denen er vorkommen kann. Über diesen möglichen Gebrauch des Begriffs wird dieser festgelegt. Oder wie HRACHOVEC 2000 es formuliert:
Successful employment of [...] sentences in conversation is their source of meaning.
Ebenso wird aber ein sprachlogischer Raum aufgespannt, den dieser Begriff mit der Wirklichkeit gemein haben muss. Anhand dieser Struktur kann die Sinnhaftigkeit des Begriffs überprüft werden. Diese sprachlogischen Strukturen auf die man Begriffe hin analysieren sollte sind genau jene elementaren Verwandschaften von denen Wittgenstein spricht. Im Prinzip wird also wie schon im Tractatus versucht mittels Sprachanalyse Strukturen zu identifizieren, die einen Isomorphismus zwischen Wirklichkeit und sprachlichem Modell erfüllen, nur dass im Tractatus dies noch mittels Reduktion auf ein Grundgerüst aus Elementarsätzen geschah, wohingegen Wittgenstein in seiner späteren Philosophie diese Strukturen mittels der Analyse des Begriffs auf seine mögliche Verwendung hin zu identifizieren versucht.
Wichtig ist dabei aber auch, dass man Formulierungen wie "ganz wenig", "fast" oder "bläulichrot" nicht mehr als Ungenauigkeiten sieht, die zu Sprachverwirrungen führen können, da sie nicht eindeutig auf ein naturwissenschaftliches Sprachsystem von Elementarsätzen überführen lassen. Es gibt eben ganz bestimmte Sprechsituationen in denen solche Begriffe die Wirklichkeit besser abbilden als z.B. das Nennen der Spektralkomponenten einer Farbe.
Meine Methode ist es nicht, das Harte vom Weichen zu scheiden, sondern die Härte des Weichen zu sehen. (Wittgensteins Notitzbücher, 1.5.1915; zitiert aus HRACHOVEC 2000)
Sogenannte "weiche" Begriffe haben ihre Berechtigung neben den "harten" Begriffen der Naturwissenschaft. Die Aufgabe des Philosophen ist es mittels Sprachanalyse den (sprach-)logischen Raum zu bestimmen, den eine solche Formulierung aufspannt. Oder wie HRACHOVEC 2000 es formuliert:
Definite meaning is embedded within linguistic environments of changing granularity.
Die Bedeutung  eines Begriffs muss nicht ungenauer sein, nur weil kein wissenschaftlicher sondern ein umgangssprachlicher  Begriff vorliegt. Das sprachliche Umfeld bestimmt den Gebrauch eines Begriffs und wenn Einigkeit über diesen Gebrauch besteht, dann wird ein solcher umgangssprachlicher Begriff genauso eine eindeutige Bedeutung haben, wie einer im Bereich der Medizin oder der Physik. Andererseit kann es aber gerade auch in den Naturwissenschaften passieren, dass ein Begriff Eingang in den Sprachgebrauch findet, bei dem es noch zu keiner wirklichen Bedeutungsübereinkunft gekommen ist, der also z.B. aufgrund eines rein theoretischen Postulats eingeführt wurde und somit noch nicht mit dem entsprechenden allgemeinen Verständnis verwendet wird. Auch bei Datenbanken kann dies sehr leicht vorkommen. Durch ein sehr rigides Datenbankmodell, wie dies z.B. bei relationalen Datenbanken gegeben ist, kann es vorkommen, dass eine umgangssprachlich sehr einleuchtende Beschreibung eines Problems auf eine sprachliche Form analysiert bzw. transformiert werden muss, nur um die Beschreibung auch in die Datenbank eingeben zu können, dass die eigentliche Problembeschreibung abhanden oder zumindest nicht mehr adäquat dargestellt wird.
Analysis is distinct from demolishion because it somehow saves its starting point. [...] Is there a better way to care for concepts than to explore their limits, knowing when to stop? (HRACHOVEC 2000).
Genau dieser Grundsatz muss auch bei der Datenbankmodellierung immer im Auge behalten werden. Die (sprachliche) Analyse einer Problembeschreibung muss immer so weit gehen, dass die Problembeschreibung im formalen System einer Datenbank möglichst vollständig abgebildet werden kann. Sie darf aber nicht so weit gehen, dass das ursprüngliche Problem, weswegen die Datenbank angelegt wurde, aus den Augen verloren wird, und ein dem Problem nicht angemessenes Datenbankmodell, nach obigem Zitat also eine falsche "Granularität" der Sprache gewählt wird.

6.5. Beweismaschinen:

Man könnte gewiss statt der Logik der Tautologie eine Logik der Gleichungen setzten. D.h. man würde von einem Satz zum folgenden durch Substitution gelangen. Und die Regeln nach denen diese Substitutionen vollzogen werden dürfen wären in Gleichungen niedergelegt.
[...]
Ist so eine Ableitung ein Schlußverfahren? Warum soll man es nicht so nennen? (S.7, §2,§4)
Im Tractatus wurde eine solche Sicht der Logik noch ausgeschlossen. Bereits im Tratctatus betonte Wittgenstein, dass die möglichen Formen dieser Sprachlogik unendlich seien und nicht mittels einens formalen Schemas beschrieben werden könnten. Die formal-logischen Methoden dienten ja ausschließlich des Analyseprozesses hin zu den Elementarsätzen. Im Nachlass verwirft Wittgenstein das Konzept der eindeutigen Elementarsätze, und somit gibt es auch keine Hierarchie bei Sätzen mehr. Es gibt auf einmal gleichberechtigte Sätze, in unterschiedlichen Formulierungen, aber gleichwertiger Bedeutung. Wittgensteins "Elementarsätze" werden zu gleichberechtigten Satzformationen, die mittels Satzanalyse bzw. -transformationen in andere übergeführt werden können. Es gibt somit Regeln, die Regeln einer Sprachlogik, die es erlauben aus bestehenden Sätzen, neue Sätze zu formulieren. Diesen Prozess nennt Wittgenstein in obigem Zitat Schlussverfahren. Dabei handelt es sich aber nicht ausschließlich um formal logische Verfahren, die Wittgenstein sicher als Vorbild dienten, sonder auch um die Ausnutzung von semantischen Eigenschaften der Sprache. Die Regeln werden über das Verständnis von Sprache, also in Folge aus dem richtigen Gebrauch von Sprache abgeleitet. Die so erhaltenen "Gleichungen" können dann als Schlussregeln betrachtet werden, jedoch nicht im kausalen, sondern nur im sprachlogischen Sinn. Man bewegt sich gewissermaßen im sprachlichen Netzwerk im Bereich der gleichen logischen Struktur, sodass eine Substitution von Begriffen weiterhin auf den gleichen Aspekt der Wirklichkeit weist. Dies entspricht genau dem Prozess, den im rein formalen Bereich eine Beweismaschine als Teil einer deduktiven Datenbank durchführt. Die begrifflichen Teile einer Klause werden solange substituiert, bis ein vermuteter Sachverhalt bewiesen oder widerlegt werden konnte. Natürlich handelt es sich hier um einen rein formalen Prozess und keine semantische Bewertung. Der semantische Aspekt muss aber bereits bei der Formulierung der Klausen in die Wissensbasis eingeflossen sein.
Auf dieser Ebene können die somit sehr vereinfachten logischen Strukturen der Sprache ausgespielt werden. Wittgenstein denkt aber sicher an wesentlich komplexere Eigenschaften der Sprachlogik, die nicht so leicht formalisiert und somit auch nicht automatisiert werden können. Bedeutungsgleichheiten werden somit sprachlogisch, also über die Verwendung der Begriffe in den für sie möglichen Satzkonstruktionen festgelegt. Stimmen diese Möglichkeiten für zwei Begriffe überein, so können sie zumindest im Kontext der (ausgewählten) Möglichkeiten gleichgesetzt werden. Damit steht es dem Sprecher auch frei beide Begriffe beliebig gegeneinander auszutauschen. Damit hätte man eine Gleichung nach obigem Vorbild, welche zur Substitution eines Begriffs durch einen gleichwertigen in allen gemeinsamen Satzmöglichkeiten berechtigt. Der Vergleich zwischen einer formalen Beweismaschine und dem Prozess der Bedeutungskonstitution im Sprachspiel liegt aber nahe.

6.6. Ausblick:

Besonders die Spätphilosophie Wittgensteins betont den komplexen logischen Charakter von Sprache. Um also Datenbanken in Zukunft nicht auf streng formalisierte und begrenzte Problembereiche beschränken zu müssen und diesen Grad der Komplexität  der Umgangssprache abbilden zu können wird es notwendig sein Datenbankmodelle möglichst nahe an der Umgangssprache zu modellieren. Forschungen im Bereich der AI können wahrscheinlich für dieses Vorhaben verwendet werden. Meist geht es um die Modellierung menschlicher Denkprozesse und der möglichst "natürlichen" Kommunikation zwischen Mensch und Maschine.
So wird z.B. mit semantischen Netzen versucht ein Sprachverständnis sehr nah an Wittgensteins späteren Theorien umzusetzen.
Im Bereich der logischen Programmierung wird versucht Begriffsrevisionen durch verschiedenste formale Methoden zu erlauben und logisch abzusichern. Ausserdem wird durch Einführung kontextueller Umfelder ein Polymorphismus von Begriffen ermöglicht, der bisher noch zu Inkonsistenzen bei Wissensbasen führen musste. Ausserdem werden automatische Lernprozesse simuliert, bei denen eine Erweiterung der Wissensbasis durch selbstständige Aufnahme  von Umweltsignalen ermöglicht wird.
Im Bereich der neuronalen Netze und der Fuzzy Logic werden (statistische) Black-Box Systeme zur Verfeinerung der Kommunikationsabläufe eingesetzt, wobei aber gesagt werden muss, dass diese Methoden nicht auf Verständnis, sondern hauptsächlich auf Heuristik basieren.
Dies stellt nur eine grobe Übersicht und Auswahl der aktuelleren Methoden dar. Signifikant scheint an dieser Stelle, dass viele Teilaspekte der AI Forschung bereits von Wittgensteins als sprachliche, mentale und philosophische Problembereiche identifiziert wurden und auch mit Lösungsansätzen bedacht wurden. Meist verhindert der sehr spezifische Sprachgebrauch in diesen Bereichen der AI-Forschung eine Befruchtung durch philosophische Thesen. Eine gründliche Sprachanalyse im Sinne Wittgensteins könnte als interdisziplinares Hilfsmittel viele Missverständnisse, sowohl was das Verständnis der AI im Bereich der Philosophie betrifft, als auch das Verständnis sprach-logischer und philosophischer Zusammenhänge durch Computerwissenschafter, ausräumen. Ich hoffe dass diese Arbeit über Datenbanken und Wittgenstein einen Impuls in diese Richtung sein kann.



©Mag.Dr. Alfred Hofstadler : "Datenbanken und Wittgenstein: ontologische Vergleiche",Diplomarbeit an der Universität Wien, März 2001.
 
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