Differenzen und Hierarchien in "Ost"-"West"-Kooperationen im Bereich feministische Frauen- und Gender Forschung

Wöhrer, Veronika (2002) Differenzen und Hierarchien in "Ost"-"West"-Kooperationen im Bereich feministische Frauen- und Gender Forschung. In: UNSPECIFIED UNSPECIFIED. (Unpublished)

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Abstract

Seit der "Samtenen Revolution"1 1989 gingen zahlreiche Veränderungen in Europa vor sich: Die ehemals "real-sozialistischen" Staaten Mittel- und Osteuropas (MOE) vollziehen - mehr oder weniger schnelle und "erfolgreiche" - Transformationen ihrer politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systeme zu Mehrparteiendemokratien und kapitalistischen Wirtschaftsmodellen nach "westlichem Vorbild". Viele Staaten versuchen sich in "westliche" Bündnisse wie NATO und EU einzugliedern, manche sind schon aufgenommen oder stehen knapp davor. Dies bedingt, daß sie auch die darin geltenden Gesetze, Regelungen und Kriterien übernehmen (müssen). In der anderen, der "westlichen" Hälfte des Kontinents, werden jedoch weit weniger gravierende Veränderungen oder gar "Anpassungen" vorgenommen, denn die hier entwickelten politischen und wirtschaftlichen Systeme gelten als erprobt und erfolgversprechend. Die damit geschaffenen Ungleichheiten in Bezug auf Erfahrungen, Ressourcen und nicht zuletzt Einfluss und Macht, bleiben auch für das System Wissenschaft und die darin agierenden Personen nicht ohne Folgen.

2.Forschungsgegenstand

In dieser Dissertation geht es darum Auswirkungen von Differenzen und Hierarchien, die auf internationaler Ebene zwischen Ländern des "Westens" und des "Ostens" Europas bestehen, auf internationale wissenschaftliche Diskussionen und Kooperationen zu untersuchen. Die seit 1989 vermehrt stattfindenden wissenschaftlichen Kooperationen spiegeln wirtschaftliche, politische und soziale Ungleichheiten zwischen den beteiligten Staaten wider: So verfügen "westliche" Forschungseinrichtungen beispielsweise über weit mehr Gelder als "ost"europäische und "westliche" Fonds finanzieren in manchen Bereichen den Großteil der in MOE-Staaten durchgeführten Forschung.2 "Westliche" WissenschafterInnen verfügen über mehr Zugang zu und Erfahrungen mit wissenschaftsfördernden Einrichtungen und Drittmitteln. WissenschafterInnen aus dem "Westen" haben außerdem in vielen Bereichen der Sozial- und Geisteswissenschaften, wie z.B. der Psychoanalyse, und ganz besonders bei feministischer, Frauen- und Genderforschung, einen jahrzehntelangen "Theorievorsprung", da diese Theorien in Zeiten des "Realsozialismus" nicht bearbeitet werden durften und bestenfalls im Untergrund gelesen werden konnten. Dadurch kommen "westliche" WissenschafterInnen leichter in den Status von "ExpertInnen", dieser kann zwar - je nach konkreter Begegnung - als "MissionarIn" ebenso wie als "MentorIn" interpretiert werden, doch er erzeugt immer eine gewisse Assymetrie.

Ich konzentriere mich in meiner Arbeit auf ForscherInnen im Bereich der feministischen, Frauen- und Genderforschung3. Dieses Feld erscheint mir besonders geeignet, da es einerseits ein interdisziplinäres Gebiet ist, und somit einen breiten Rahmen an wissenschaftlichen Arbeitsweisen abdeckt, andererseits aber auch den Anspruch hat Differenzen und Hierarchien zu reflektieren und zu hinterfragen, und somit als Beispiel für Bereiche "alternativer Wissenschaft" fungieren kann. Ich verstehe meine Arbeit als im Grenzgebiet von Wissenschaftsphilosophie, Wissenschaftssoziologie und Gender Studies angesiedelt.
Die Notwendigkeit einer Analyse und konzeptionellen Auseinandersetzung mit den Auswirkungen internationaler Machtgefälle auf wissenschaftliche Diskurse wird beispielsweise aus folgender Aussage der kanadischen Feministin Laura Busheikin deutlich:

"Now it has become fashionable in the West to talk of race, class and gender as intersecting lines of opression, but this doesn't offer a framework which can fully account for Eastern European women's experience."4

Die tschechischen Soziologin Hana Havelková ergänzt:

"The geographical situation is a designation that must be included in any consideration of the categories of class, race and gender, for belonging to a country in Eastern or Central Europe makes second class sizizens of all of us when we are compared to the West."5

3.Empirischer Teil

Einen wesentlichen Teil meiner Dissertation stellt eine empirische Studie über zwei verschiedene "Begegnungen" von Frauen aus "West" und "Ost" zwischen 1989 und 1995 dar: Eine verlief zwischen Frauen aus den USA und der Tschechischen Republik, die andere zwischen Frauen aus Österreich und der Slowakei. Da die ?SSR bis 1989 gerade in Bezug auf feministische Theorien besonders abgeschottet war6 und alte Ansätze aus der Zeit vor 1948 in Vergessenheit gerieten, fanden Anfang der 90-er Jahre die ersten Begegnungen mit Feminismen sowie Frauen- und Genderforschung statt, die die Weichen für künftige Kooperationen stellten. Bei den Recherchen zu meiner Diplomarbeit7, konnte ich beobachten, dass die ersten Begegnungen zwischen ForscherInnen aus den USA und der tschechischen Republik weitgehend anders verliefen, als die zwischen ForscherInnen aus Österreich und der Slowakei. Während es zwischen ersteren zu öffentlich ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten und Konflikten kam, die sich in einer großen Anzahl von provokanten Artikeln und Konferenzbeiträgen mit Titeln wie "McDonalds, Terminators, Coca Cola Ads - and Feminism? Imports from the West", "Why we are not feminists", "Eine Westfeministin geht in den Osten" oder "Why Western Feminism is not working in the Czech Republic" etc. niederschlug, verliefen letztere relativ harmonisch. Es wurde die Freude "behilflich" sein zu können, sowie das Interesse etwas von den "ExpertInnen" "lernen" zu können, betont.8. In beiden Diskussionen wurde jedoch mit Zuschreibungen entlang der Dichotomie "Ost" und "West" gearbeitet und in beiden verfügten "WestexpertInnen" und "OstforscherInnen" über verschiedene Zugänge zu Ressourcen, Erfahrungen und Dominanz, bzw. wurden ihnen diese Verschiedenheiten zugeschrieben.

Um diese Begegnungen zu analysieren, erhebe und interpretiere ich verschiedene Daten: Im Sinne einer Methodentriangulation soll mit Interviews, schriftlichen Materialien, Beobachtungen und Zahlenmaterial ein möglichst umfassender Überblick über die Struktur von "Ost"-"West"-Kooperationen gegeben werden.
Nach der Erstellung einer Art "Skizze" der wichtigsten Kooperationen und ProtagonistInnen der Jahre 1989-95 führte und führe ich Leitfadeninterviews mit ForscherInnen aus Tschechien, der Slowakei, Österreich und den USA durch, die an Kooperationen und Diskussionen beteiligt waren. Thema der Interviews sind Erfahrungen und Eindrücke, die bei Kooperationen gewonnen wurden, sowie das Bild von der eigenen Position und der der anderen TeilnehmerInnen. Parallel dazu sammle und analysiere ich schriftliche Unterlagen zu konkreten Kooperationen, die im Rahmen dieser Begegnungen stattfanden. Dies sind beispielsweise E-Mails, Briefe, Flyer, Plakate, Einladungen, Sitzungsprotokolle, Projektanträge und -berichte, Tagungsberichte, Protokolle von Workshops oder Seminaren, Konferenzpapiere, etc. sowie Publikationen, die über Kooperationen Aufschluß geben.
Um einen besseren Eindruck von Interaktionen und Kommunikationsmustern in konkreten "Ost-West"-Kooperationen zu bekommen, führte ich einige teilnehmende Beobachtungen bei derzeit stattfindenden Konferenzen, Seminaren, Workshops und - soweit mir der Zugang möglich war - auch bei anderen Formen internationaler Zusammenarbeit durch. Diese dienen nicht als primäres Datenmaterial - da sie nicht im Beobachtungszeitraum liegen -, sondern um Anregungen für die Analysen der schriftlichen Unterlagen zu erhalten.
Zahlenmatierial ergibt sich aus Zitierindices, Projektabrechnungen, TeilnehmerInnenlisten, etc. Die Zahlen nehmen jedoch keinen fundamentalen Bestandteil dieser Studie ein, sondern dienen als Illustrationen.

Item Type: Book Section
Uncontrolled Keywords: graduiertenkonferenz, kulturstudien
Subjects: Kulturwissenschaften, cultural studies > Graduiertenkonferenz: Wissenschaftskulturen - Experimentalkulturen - Gelehrtenkulturen
Depositing User: sandra subito
Date Deposited: 06 Dec 2020 12:33
Last Modified: 06 Dec 2020 12:33
URI: http://sammelpunkt.philo.at/id/eprint/2150

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