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Der amerikanische Soziologe Robert E. Lane prägte den Begriff der Wissensgesellschaft (engl.: knowledgeable society) im Jahre 1966, popularisiert hat ihn jedoch Daniel Bell 1973 in seinem Buch The Coming of Post-lndustrial Society [Nelkin, 1987]. Seither bürgerte sich Wissensgesellschaft als Trendbegriff in allen möglichen Bereichen ein, egal ob in Wissenschaft, Politik oder Marketing.
Nehmen wir diese Bezeichnung unserer Gesellschaft ernst, sind wir einem Strukturwandel verfallen, die Wissensgesellschaft löst die Industriegesellschaft ab. Andererseits lässt sich Wissen immer schon als konstitutiv für eine kulturelle Einheit erkennen, und unter diesem Gesichtspunkt ist jede Gesellschaft eine Wissensgesellschaft.
Der Wissensbestand einer Gruppe bildet das Grundelement ihrer Einheit und ihrer Persönlichkeit, und die Weitergabe dieses geistigen Kapitals ist die notwendige Voraussetzung für das materielle und soziale Überleben. [Leroi-Gourhan, 1995, 323]
Oberflächlich betrachtet ist der Grundbaustein der Wissensgesellschaft das Wissen, so wie die Industrialisierung der Grundbaustein der Industriegesellschaft war oder der Ackerbau der der Agrargesellschaft. Jedoch muss Wissen hier eine andere Funktion haben, denn nicht erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielt Wissen eine tragende gesellschaftliche Rolle.
Eine neue Betrachtung von Wissen gibt es tatsächlich im Feld der Ökonomie. Hier hängt die Wertschöpfung wesentlich vom Wissen ab, Wissen wird somit zum strategischen Gut. Gleichzeitig sind Wissen und Bildung nicht mehr alleine Aufgabe des Staates, große Unternehmen haben Forschungs- und Entwicklungsabteilungen sowie Einrichtungen zur innerbetrieblichen Weiterbildung. Wissen wird zum Kosten-Nutzen-Faktor.
Durch die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien, beginnend in den 1980er Jahren, bekommt Wissen einen neuen Stellenwert, Wissen erscheint vorerst als Information und das fundierte Für-wahr-Halten gewisser Gründe tritt in den Hintergrund. Wissen ist Anteil einer nicht endenden Informationsflut, die durch Computer und Vernetzung zeit- und ortsunabhängig wird und sich mit Meinen und Glauben zunehmend unter dem Deckmantel der Information vermischt.
Der Begriff Information erfährt ebenfalls eine Neuorientierung anhand der in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts publizierten Arbeiten von Alan Turing, Norbert Wiener und John von Neumann. Im Gegensatz zu Wissen wird Information in der Kybernetik und der Informationstheorie unabhängig vom menschlichen Bewusstsein erfasst, Information muss nicht mehr verstanden werden, das Hauptaugenmerk liegt auf der Messbarkeit der Information, um einen Nutzen festzumachen.
Das anfangs ausgemachte Für-wahr-Halten verschwindet immer mehr zu Gunsten einer selbständig kreierten Informationseinheit, die als Wissen verkauft wird. Wissen wird bearbeitbar, losgelöst vom ursprünglichen Träger Bewusstsein wird Wissensmanagement eine eigenständige Disziplin. Wissen, betrachtet als spezielle Art von Information, wird dank Informations- und Kommunikationstechnologien auf der Grundlage der Digitalisierbarkeit zur Handelsware, jedoch völlig unabhängig von der klassischen Unterscheidung zwischen Meinen, Glauben und Wissen. Wissen wird durch die Neuen Medien, und zwar in den digitalen Speichermedien, deren Kapazität als praktisch unendlich aufgefaßt werden kann, materialisiert.
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Nikolai Jursic
2004-03-05