next up previous contents
Next: Orientierungssysteme Up: Wissen Previous: knowledgeable society   Contents

externalisiertes Wissen

Daniel Bell betrachtete Wissen in seinem oben erwähnten Werk als verdinglicht, in den vergangenen 70er Jahren jedoch bloß in gedruckter Form. Das Wissen wandelte sich in der modernen Gesellschaft von einer imaginären Sache, lokalisierbar im Gedächtnis, zu einer gegenständlichen Sache. Eine chronologische Betrachtung des Wissensbegriffs lässt einen gewissen Trend erkennen, der immer mehr das verdinglichte oder externalisierte Wissen in den Vordergrund stellt. Egal ob niedergeschriebenes, aufgemaltes, ausgedrucktes, digital kodiertes oder übertragenes Wissen, so unterschiedlich diese scheinen, haben sie doch eines gemeinsam, einen materiellen Aggregatzustand.
Bis zur Entstehung der Druckkunst in China und im Westen besteht zwischen mündlicher und schriftlicher Überlieferung keine eindeutige Trennung. Die Masse des Wissens ist in die mündlichen und technischen Praktiken integriert; die Spitze des Wissens, seit der Antike in ihrem Rahmen unverändert, wird handschriftlich niedergelegt und auswendig gelernt. [Leroi-Gourhan, 1995, 326]
Das Ende der Möglichkeit einer Aufnahme des Weltwissens für ein menschliches Gedächtnis wird üblicherweise mit der Gründung der Encyclopædia Britannica im 18. Jahrhundert zusammengelegt.
The first edition of the Britannica was published one section at a time, in ,,fascicles'', over a three-year period, beginning in 1768. The three-volume set was completed in 1771 and quickly sold out.
Encouraged by the success of the first edition, the publishers issued the second edition in 10 volumes (1777-84). The third edition, completed in 1797 and the first to include articles by outside contributors, comprised 18 volumes; the fourth, completed in 1809, boasted 20. [Britannica, 2003]
Spätestens die dritte Ausgabe mit ihren 18 Bänden und mehreren outside contributors konnte unmöglich von einem einzigen Menschen inhaltlich erfaßt werden. Ab diesem Zeitpunkt lässt sich eine Dialektik feststellen, die sich seit der Moderne immer stärker ausprägt; je schneller das materielle Wissen ansteigt, umso schwieriger wird es, im klassischem Modus zu wissen. Eine gefüllte Bibliothek alleine macht jemanden nicht zum Wissenden, erst durch geistige Aufnahme und Verarbeitung des materialisierten Wissens kommt es in die Köpfe.
next up previous contents
Next: Orientierungssysteme Up: Wissen Previous: knowledgeable society   Contents
Nikolai Jursic 2004-03-05