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Wissen

Die Informations- oder Wissensgesellschaft ist in aller Munde, das Verständnis derselben allerdings ist unklar. Mindestens genauso unscharf sind die Einzelbegriffe Information und Wissen, die aber dennoch in allen erdenklichen Bereichen häufig verwendet werden. Ein verhältnismäßig höheres Vorkommen dieser Begriffe lässt sich im Kontext einer Informations- und Kommunikationstechnologie beobachten, und ebensosehr scheint mit ihrer inflationären Verwendung eine proportionale Verständnislosigkeit einherzugehen. Wissen wurde zum Buzzword des eBussiness.
Etwas differenzierter sieht das eine Kulturwissenschaft, manchmal zwar bloß kulturpessimistisch und somit wenig hilfreich, ein anderes Extrem spiegelt sich in der Technikmanie. [Hartmann, 1999, 11] nennt es die beliebte Identifizierung des technisch Machbaren mit dem sozialen Nutzen und warnt vor einer Gleichsetzung des optimierten Datenverkehrs mit einer Verbesserung der gesellschaftlichen Kommunikation.
Der Wissensbegriff in der abendländischen Tradition von Platon über Kant wird gegen Glauben und Meinen abgegrenzt. Platons berühmte Definition lautet: ,,Wissen ist wahre, mit Begründung versehene Meinung.'' Gemeinsam ist dem Wissen, Glauben und Meinen das Für-wahr-Halten eines Sachverhaltes, voneinander abgrenzen lassen sich die drei Begriffe erst durch die jeweiligen Gründe des Für-wahr-Haltens.
Ein grundloses Für-wahr-Halten ist ein bloßes Glauben, Für-wahr-Halten mit nur wahrscheinlichen Gründen gilt als Meinung. Entgegen diesen stark subjektiven Ausprägungen liegt Wissen vor, wenn es gute Gründe gibt etwas für wahr zu halten. Diese Gründe sind in der Regel nachprüfbar und garantieren somit die Wahrheit des Gewußten. Sie sind im wesentlichen kultur- und zeitabhängig, stets einem Wandel unterzogen. Heute sind Erfahrung, logischer Beweis oder Autorität gute Gründe, etwas für wahr zu halten. Erfolgt eine Begründung des Wissens methodisch, sprechen wir von wissenschaftlichem Wissen.
In der Literatur eines Faches wie dem Informationsmanagement unterscheidet sich Wissen häufig in implizites (engl.: tacit knowledge) und explizites Wissen. [Vo"s, 2001] Letzteres ist gleichzeitig artikuliertes Wissen, lässt sich in den Medien speichern und kann unabhängig vom menschlichen Bewusstsein existieren. Implizites Wissen dagegen nicht, es steht vor der Artikulation und ist Wissen, das im Bewusstsein lokalisierbar ist.
Eine weitere Differenzierung lässt sich anhand einer Klassifikation von deklarativem (,,wissen, was'') und prozeduralem Wissen (,,wissen, wie'') machen. Deklaratives Wissen lässt sich mit einem durch die menschliche Sprache dargestellten Wissen gleichsetzen, prozedurales Wissen ist dann die psychologische Repräsentation des Wissens einzelner Menschen, wie die Fähigkeit des Laufens, Tanzens oder Schwimmens. [Vo"s, 2001, 10] meint, dass der Mensch Informationen deklarativ aufnimmt, die Speicherung nach einer Verarbeitung aber prozedural erfolgt. Somit wird es für den Menschen immer problematischer sich über ein Gebiet zu artikulieren, je mehr er darüber weiß.
Wissenschaftler haben sich immer schon mit Wissen beschäftigt, einmal mehr mit der Entdeckung und Erforschung von neuem Wissen, einmal mit der Analyse seines Wesens. Die philosophische Tradition konzentriert sich auf diesen Diskurs mit ihrem Teilgebiet der Epistemologie. Eine moderne und kontroverse Betrachtung der Epistemologie über Wissen liefert Wilfrid Sellars, hier zitiert nach [Fried and S"u"smann, 2001][116]:
Charakterisieren wir eine Episode oder einen Zustand als einen des Wissens, so geben wir keine empirische Beschreibung dieser Episode oder dieses Zustandes; vielmehr plazieren wir sie im logischen Raum der Gründe, des Rechtfertigens und der Möglichkeit zu rechtfertigen, was jemand sagt.
Siedeln wir eine Episode oder einen Zustand im Raum der Gründe an, heißt das nicht auch gleichzeitig, eine empirische Beschreibung davon abzugeben. [Fried and S"u"smann, 2001] sehen darin eine Anfälligkeit der Epistemologie für einen naturalistischen Fehlschluß. Durch die Entwicklung der modernen Wissenschaften hin zu den Naturwissenschaften hat sich der Begriff des Wissens in einem philosophischen Diskurs vom logischen Raum der Natur und ihren Ursache-Wirkungs-Relationen entfernt und ist zu einem Subjektbegriff geworden.
Um aber den Begriff Wissen für unsere Belange besser verständlich zu machen, ist es sinnvoll das Phänomen zu verstehen, das die Bezeichnung unserer Gesellschaft als eine Wissensgesellschaft prägte.

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Nikolai Jursic 2004-03-05