Optimale Informationsvorenthaltung als Strategem wissenschaftlicher Kommunikation

Fröhlich, Gerhard (1998) Optimale Informationsvorenthaltung als Strategem wissenschaftlicher Kommunikation. In: Knowledge Management und Kommunikationssysteme, Workflow Management, Multimedia, Knowledge Transfer. Proceedings des 6. Internationalen Symposiums für Informationswissenschaft (ISI 1998), Prag, 3. - 7. November 1998. UVK Verlagsgesellschaft mbH, pp. 535-549. ISBN 3-87940-653-7

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Abstract

WissenschaftlerInnen möchten ihre Kollegen bestmöglich informieren, stellen sich schonungsloser Kritik und freier kognitiver Konkurrenz. Dieser Grundannahme möchte ich die These von der optimalen Informationsvorenthaltung als Strategem (Kriegslist) wissenschaftlicher Kommunikation entgegenstellen. Informationsvorenthaltung ist eine zwischen und innerhalb von Laboratorien übliche Praxis. Auch renommierte WissenschaftlerInnen verfolgen oft eigentümliche Informationsstrategien: Sie schöpfen das Innere der Organisation informationell ab, geben jedoch kaum relevante Informationen ins Innere zurück, demonstrieren aber nach außen scheinbare Freigebigkeit. Denn das 'symbolische Kapital' wissenschaftlicher Reputation beruht auf Geschenkökonomie. Scheinbar freigiebig sind Informationsstrategien nach außen nach der Regel: So wenig wie möglich relevante Information weitergeben, um KollegInnen am raschen Nachbau von Versuchen zu hindern; nur so viel Information freizugeben, wie zum Anmelden des Erstanspruch notwendig. Wertvolle Informationen sind Objekte der Verknappung (zwecks Wertsteigerung), Tauschobjekte, Geschenke. WissenschaftlerInnen verschweigen unter strategischen Gesichtspunkten in ihren wissenschaftlichen Publikationen z.B. wichtige Details ihrer Versuchsreihen. Generell gehen WissenschaftlerInnen mit Informationen zum Entdeckungskontext äußerst sparsam um. Auch die Entwicklung von Geheimsprachen kann als Form der Informationsvorenthaltung interpretiert werden, zwecks Behinderung von Kritik und Entlastung von umfassender Konkurrenz. Weil WissenschaftlerInnen davon ausgehen, dass die wirklich wichtigen Informationen nicht veröffentlicht werden, herrscht Informationsverdrossenheit: Statt die - in den dynamischen Forschungsgebieten ohnehin immer bereits veralteten - Artikel in den peer reviewed Journalen zu lesen, nehmen sie lieber direkt Kontakt auf - inspiriert vom Informationsklatsch mit ausgewählten Bekannten, z.B. auf Kongressen. Die informellen Formen der Forschungskommunikation bevorteilen jene, die für die informellen Tauschhändel etwas zu bieten haben: Wertvolle Informationen, Zugang zu kostbaren Stichproben, Versuchsmaterialien, Zellkulturen, Forschungsgelder.

Item Type: Book Section
Uncontrolled Keywords: Informationsvorenthaltung, Wissenschaftskommunikation, Wissenschaftsforschung, information withholding, scientific/scholarly communication, science studies
Subjects: Wissenschaftsforschung, Wissenschaftsgeschichte
Depositing User: Iris Borreck
Date Deposited: 06 Dec 2020 16:12
Last Modified: 06 Dec 2020 16:12
URI: http://sammelpunkt.philo.at/id/eprint/3680

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