Jordan, Roman Otto (2017) Konzepte für eine humane Weltkultur. Philosophisches Plädoyer für eine universale Kultur der Achtung und Selbstachtung. Other thesis, Universität Wien.
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Abstract
Wenn unter „Kultur“ etwas zu verstehen ist, was verschiedene Menschen miteinander teilen und verschiedenen Menschen gemeinsam ist, so würde der Begriff der „Weltkultur“ für etwas stehen, was für alle menschlichen Gesellschaften auf dieser Erdenwelt potentiell einen gemeinsamen Bezugspunkt für ihr jeweiliges Selbstverständnis bilden kann. Wenn man einem Begriff wie „Weltkultur“ einen Sinn zuschreiben möchte, so müsste dieser also auf das Menschlich-Weltliche schlechthin abstellen und er müsste damit etwas zum Ausdruck bringen, was sich bei Menschen aller Gesellschaften dieser Welt vorfinden lässt, was über die allen Menschen grundsätzlich gemeinsame natürlich-biologische Ausstattung noch hinausgeht.
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Christoph Antweiler hat in diesem Kontext auf die Relevanz von empirisch erforschbaren kulturellen Universalien hingewiesen, welche das Menschliche in jeder Gesellschaft dieser Welt prägen und deren Beachtung für eine Lösung von Problemen des Zusammenlebens überall weltweit gleichermaßen relevant ist. Jene Kulturuniversalien rekurrieren auf bestimmte allgemeinmenschliche Bedürfnisse, die überall auf der Welt bei der Gestaltung der Lebensrealitäten menschlichen Zusammenlebens beachtet werden müssen. Nach Carl Friedrich von Weizsäcker wäre hierbei zu berücksichtigen, dass die menschlichen Lebensbedingungen der Gegenwart solche einer wissenschaftlich-technischen Welt sind, angesichts welcher die Aufgabe der Verwirklichung einer Gemeinschaft der Menschheit unter der Herrschaft eines wahrhaften Weltfriedens noch ungleich drängender geworden sei – dafür wäre jedoch ein tiefgreifender Bewusstseinswandel erforderlich, der jedem individuellen Menschen eine Wahrnehmung des Ganzen eröffnet, was erst ein deutliches Denken ermöglicht, wodurch eine globale Kultur der Vernunft begründet werden könnte. Rupert Riedl hat auf die stammesgeschichtliche Bedingtheit der allen Menschen gemeinsamen Anschauungsformen hingewiesen, weshalb letztlich auch menschliche Vernunft dem Bestreben sich an die Welt mit ihren Gesetzlichkeiten anzupassen entspringe. Zu beachten wäre bei der Betrachtung menschlicher Kultur also jener der menschlichen Art mitgegebene ratiomorphe Apparat, der uns für die Problemlösung bestimmte uns angeborene Vorausurteile für die Weltdeutung zur Verfügung stellt und in Bezug auf die Umweltbewältigung als angeborener Lehrmeister fungiert. Erst durch eine bessere Einschätzung der menschlichen Ausstattung und damit der Vorbedingungen seines Denkens könne der Mensch zur Bildung eines Bewusstseins gelangen, durch welches er den Problemen menschlicher Kultur und Gesellschaft auf verantwortliche Weise begegnen kann. Nach John Rawls erweist sich schließlich der moralische Sinn für Gerechtigkeit und Achtung sich selbst und anderen gegenüber als das, was das spezifisch Menschliche des Menschen ausmacht, weil durch jenen erst der Mensch gemeinschaftsfähig sei und erst mit jenem der Mensch sich als ein freies Vernunftwesen, das Wesen „niedrigerer“ Gattungen übergeordnet ist, verwirklichen könne. Amartya Sen schließlich rückt in das Blickfeld den Gesichtspunkt, dass wirtschaftliche Entwicklung kein Selbstzweck sein soll, sondern die genießende Lebensfreiheit im Sinne einer Erweiterung von Verwirklichungschancen sowie ihres Schutzes intensivieren und bereichern möge.
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Mit Perspektiven wie jenen von Christoph Antweiler, Carl Friedrich von Weizsäcker, Rupert Riedl, John Rawls und Amartya Sen zeichnen sich somit Grundlinien für die Vision einer Weltkultur ab, wobei „Kultur“ als das alle Menschen und alle menschlichen Gesellschaften Verbindende erkannt wird, indem das Menschliche mit der Fähigkeit verantwortlicher und schöpferischer Daseinsgestaltung identifiziert wird, wobei der irdische Planet als evidenter gemeinsamer und koordinative Einigung im handelnden Weltgestalten somit erforderlich machender Referenzrahmen für alle Menschen als Kulturwesen und für alle menschlichen Sozietäten als Kollektive der Zusammenarbeit für eine planvolle und menschengerechte Umwelttransformation sich herauskristallisiert. Das Konzept einer Weltkultur wird damit als berechtigt aufgewiesen, indem alle Menschen als Kulturwesen hinsichtlich ihrer Erkenntnisstrukturen allesamt als Erben der einen planetaren, letztlich psychosozialen Evolution auf dieser Erde auftreten, wodurch sie nicht nur alle miteinander dieselben fundamentalen Grundbedürfnisse teilen, sondern ihnen auch prinzipiell dieselben artspezifischen Anlagen zur Verfügung stehen, um sich denkend und handelnd zu dieser Welt zu stellen und in gegenseitiger Anerkennung als der gleichen Art angehörend kooperativ der Befriedigung der ihnen allen gemeinsam zukommenden Bedürfnisse jedes in jedem einzelnen Fall individuell einzigartigen und verletzlichen Einzellebens nachzukommen.
Item Type: | Thesis (Other) |
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Uncontrolled Keywords: | Weltkultur, Interkulturalität, Gerechtigkeit, Anthropologie, Antweiler Christoph, Weizsäcker Carl Friedrich, Riedl Rupert, Rawls John, Sen Amartya |
Subjects: | Philosophie > Philosophische Disziplinen > Anthropologie Anthropologie Philosophie > Philosophische Disziplinen > Geschichtsphilosophie Kulturwissenschaften, cultural studies > Interkulturelle Studien Philosophie > Seminararbeiten, Diplom, Dissertationen, Arbeitspapiere > Interkulturelle Philosophie Philosophie > Philosophische Institutionen > Institut für Philosophie, Wien |
Depositing User: | Barbara Zimmermann |
Date Deposited: | 06 Dec 2020 16:21 |
Last Modified: | 06 Dec 2020 16:21 |
URI: | http://sammelpunkt.philo.at/id/eprint/3765 |