Budin, Gerhard (1999) Sprache und Erkenntnis in den Kulturwissenschaften. Zur Dynamik und Komplexität ihrer Terminologien. Internationale Kulturwissenschaften. Online Forum.
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Abstract
Das interaktiv-komplex-dynamische Verhältnis zwischen Sprache und Erkenntnis war immer schon eines der Grundprobleme der Philosophie (nicht nur der Sprachphilosophie) und ist konstitutiv für die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Die genaue Bestimmung dieses Verhältnisses fällt aber innerhalb der Wissenschaften von Disziplin zu Disziplin unterschiedlich aus. So gilt Sprache (in der Form einer Meta-Sprache) als das Instrument wissenschaftlicher Erkenntnis schlechthin in den meisten Geistes- und Sozialwissenschaften, in denen Sprache (als Objekt-Sprache, als konkrete Diskurse) analysiert wird.
Gleichzeitig gab es aber in der Wissenschaftsgeschichte zahlreiche Anläufe, die ,natürliche' Sprache bzw. die Alltagssprache aus der Wissenschaft zu verbannen, da sie zu wenig ,exakt' sei und mit ihr wissenschaftliche Erkenntnisse nicht präzise genug dargestellt werden könnten, und sie durch eine möglichst formalisierte Kunstsprache zu ersetzen. Die sprachreformerischen Vorschläge von Leibniz etwa waren weder der erste noch der letzte Versuch, auf der Suche nach einer ,vollkommenen Sprache' eine mathematisierte Wissenschaftssprache ohne Vagheit und Ungenauigkeit zu schaffen. Doch musste dieser Ansatz ebenso scheitern, wie die Sprachphilosophie des Logischen Positivismus des Wiener Kreises, die darin bestand, die Wissenschaftssprache nach dem Vorbild der Physik zu formalisieren, um so alle (sogenannten) metaphysischen und (möglicherweise) inhaltsleeren Wörter aus ihr zu eliminieren.
Dieser Widerspruch verschärfte sich einerseits durch den ,linguistic turn' der Philosophie, der mancherorts in einem radikal-konstruktivistischen Pan-Linguizismus gipfelte, wonach die ganze Welt eigentlich nur Diskurs sei und somit Wissenschaft primär aus sprachlichem Handeln bestünde; andererseits wird die ,Entsprachlichung' naturwissenschaftlicher und technischer Diskurse und die ständig steigenden Anteile von Visualisierungen und multimedialen Repräsentationen wissenschaftlichen Wissens begleitet durch die konsequente Algorithmisierung wissenschaftlicher Theorien.
Dass eine solche vereinfachende Polarisierung weder zutreffend noch hilfreich sein kann, liegt auf der Hand, doch wie können wir diese erkenntnistheoretischen und sprachphilosophischen Abgründe zwischen diesen beiden ,Kulturen' im Snowschen Sinne überwinden?
Item Type: | Article |
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Uncontrolled Keywords: | Kulturwissenschaften, Sprache, Erkennen |
Subjects: | Philosophie > Philosophische Disziplinen > Methodenlehre, Systemtheorie |
Depositing User: | sandra subito |
Date Deposited: | 06 Dec 2020 12:11 |
Last Modified: | 06 Dec 2020 12:11 |
URI: | http://sammelpunkt.philo.at/id/eprint/1961 |