Lyotards ästhetische Konzeption

Groß, Stefan (1997) Lyotards ästhetische Konzeption. Tabular Rasa. Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken (13).

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Abstract

"Um sich zu konstituieren, hat der Rationalismus zwangsläufig den tiefen Sinn der Denkweisen verlieren müssen, die ihn behinderten. Aber wenn wir heute das Mögliche suchen, das vor uns liegt, alles Mögliche, ob wir es gewollt haben oder nicht, dann können wir, die wir nicht mehr das rationale Denken zu errichten haben, die wir mühelos darüber verfügen, nicht umhin, von neuem den tiefen Wert dieser verlorenen Denkweisen wahrzunehmen."[1]

Der postmoderne Diskurs bietet ein schier unerschöpfliches Reservoir an Deutungsmöglichkeiten. Ein kohärentes Interpretationsschema ist daher hier nicht zu erwarten. Vielmehr steht die ganze Diskussion unter dem Paradigma retentionaler und protentionaler Verweisungsschemata. Wenn man einen der Hauptakzente postmodernen Philosophierens aufzeigen wollte, dann wäre es die Kritik am tradierten Identitätsmodell. Die Differenzproblematik[2] und die Fundamentalkritik am alten Kognitionsmodell sind die primär avisierten Spektra der Reflexion. Lyotard plädiert für eine Kunst der Avantgarde. Statt Konsens steht Dissens. An die Stelle des tradierten Normencodes tritt die Vieldeutigkeit als Wahrheit. Die postmoderne Kunst antizipiert, so Lyotard, den Ereignischarakter, ja postmoderne Kunst ist Ereigniskunst. Das Ereignis der Kunst, Kunst als Ereignis impliziert eine Intensivierung des Seinserlebens und der Wahrnehmungsvielfalt. Im Ereignis vollzieht sich der konstruktive Riß mit den tradierten Vorstellungswelten. Kunst ist Subversion. Die Kontinuität der Reflexion soll vielmehr, und dies versteht Lyotard unter Subversion, destruiert werden. Die Kunst fungiert als Reibungsfläche des sich neu formierenden Denkens. Das Denken und die Sinnlichkeit stehen in einer derartigen Konzeption in Korrespondenz. Die postmoderne Kunst indiziert die emotionale Regung des Betrachters. Das Theatralische entzieht sich daher der vollständigen Subsumtion durch die Kognition. Das Theatralische stiftet daher die Ambivalenz von Bedeutung und Sinn. Die Kunst wird somit zum Spiel der Gegensätze. "Es scheint, daß die neue Theatralität der Kunst ihren Ursprung in dem Pathetischen hat. Das Pathetische überfällt die Sinne, aber es läßt sich nicht durch die Vernunft auf Distanz halten."[3] Die postmoderne Kunst ist endgültig aus dem Kodex tradierter Normen getreten, nicht mehr das Religiöse, nicht das Politische wird antizipiert, sondern die Postmoderne versteht sich primär als leere Autonomie. Die von allen restriktiven Positionen losgelöste Kunst verweist nur noch auf sich selbst. Es ist letztendlich die Selbstverweisung der postmodernen Kunst, so Lyotard, die die Postmoderne kritiktabel macht.

Item Type: Article
Uncontrolled Keywords: Ästhetik, Lyotard
Subjects: Philosophie > Philosophische Disziplinen > Ästhetik, Kunstphilosophie
Depositing User: sandra subito
Date Deposited: 06 Dec 2020 12:11
Last Modified: 18 Mar 2022 14:17
URI: http://sammelpunkt.philo.at/id/eprint/1967

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