Hartmann, Frank (1997) Fetisch Information. Plädoyer gegen die populistische Rede von der Informationsflut. UNSPECIFIED. (Unpublished)
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Abstract
Information verwende ich als einen Grundbegriff von Kommunikation, und zwar in der eminenten Bedeutung, die dieser Begriff bekommen hat:
- durch die politische Implementierung der Europäischen Informationsgesellschaft - angesichts der kulturkonservativen Rede von der Informationsflut durch Medien
- als allgemeine Fetischisierung von Information im Medienzeitalter.
Zum Einstieg in die Erläuterung, wie das gemeint sei, stelle ich die Überlegung in den Raum, warum uns gegenwärtig Information als Problem und als Lösung zugleich präsentiert wird. Meine These dabei ist, daß 'Information' so etwas wie ein blinder Fleck der Kommunikationstheorie ist. Dem möchte ich hier etwas näherkommen.
Grundsätzlich gilt: Was die Medien nach bestimmten Mechanismen aus der amorphen Datenfülle herausgreifen, und damit zum Faktum machen, wird für den Konsumenten je nach Kontext zur Information, und erst eine bestimmte Konstellation von Informationen bildet dann gesellschaftliches Wissen. Information ist also nicht das, was ein Medium "überträgt" (diese Übertragung gibt es nicht), sondern ein Zustand - die Differenz (nach einer klassischen Definition von Gregory Bateson) zu dem, was ich zum Zeitpunkt des Medienkonsums bereits weiß bzw. ein Wissen, das durch vorhergegangene Rezeptionsprozesse bereits vorgebildet ist. Mit anderen Worten werden die Daten wesentlich rezeptionsseitig zur Information, nicht umgekehrt. Information ist also nie neutral, auch wenn die massenmediale Aufbereitung uns das glauben macht. Das ergibt ein doppelbödiges Problem: der Mechanismen der Auswahl, was auf Definitionsgewalt oder das Problem der Macht verweist; der historisch kontingente Kulturtechnik, die das kritische Urteil im einzelnen bestimmt und auf kulturellen Wandel verweist.
Während nun in den USA die Information Highways ausgebaut werden, deklariert Europa die hochsubventionierte Transformation der Gesellschaft zur Informationsgesellschaft im Sinne der globalen Wettbewerbsfähigkeit. In allerhand Expertisen dazu macht sich eine blumige Rede von den 'tiefgreifenden Veränderungen' und den damit verbundenen 'Herausforderungen' breit, während die konservative Kulturkritik zum Kampf gegen die angebliche 'Informationsflut' bläst - eine kritische Auseinandersetzung mit dem Grundbegriff der Information steht allerdings aus.
Aus diesem Grund behandle ich die Information als Fetisch. Obwohl wir aus Bequemlichkeit geneigt sind zu denken, daß Medien uns die 'Welt' vermitteln, schaffen diese sich ihre eigene Realität, die Medienwirklichkeit. Diese funktioniert nicht als Abbild der Realität, sondern in Differenz zu dieser: systemtheoretisch ausgedrückt als ein selbstreferentielles Bezugsystem, das unter Bedingungen selbsterzeugter Strukturen operiert. Als Form in der Form sozusagen, wobei unklar bleibt, wo in diesem Fall das Außermediale aufhört und Mediale beginnt: für die Medienwirklichkeit ist gerade die Abkoppelung von der Realität entscheidend. Was hierbei zählt, ist letztlich nicht die Objektivität einer 'Information', sondern ob die Anbindung der potentiellen Adressaten auf die damit erzeugte Medienwirklichkeit gelingt oder nicht. Als Information zählt nurmehr, was in der Folge diese Integration in die jeweilige Medienwirklichkeit verstärkt oder fortzuschreiben erlaubt: die Überprüfung an einer "objektiven Realität" tut der Sache keinerlei Abbruch mehr. Daher ließe sich medientheoretisch von der Information als einem Fetisch (lat. factitius) sprechen, vom Prinzip einer Illusion des Gemachten (lat. factum) jenseits der "Fakten".
Item Type: | Other |
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Uncontrolled Keywords: | Information, Netzkultur, Medienphilosophie |
Subjects: | Philosophie > Philosophische Disziplinen > Medienphilosophie, Theorie der Virtualität, Cyberphilosophie |
Depositing User: | sandra subito |
Date Deposited: | 06 Dec 2020 12:18 |
Last Modified: | 06 Dec 2020 12:18 |
URI: | http://sammelpunkt.philo.at/id/eprint/2022 |