Vossenkuhl, Wilhelm (1996) Die Wahl des eigenen Lebens. In: UNSPECIFIED Akademie Verlag.
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Abstract
Am Ende von Henrik Ibsens Schauspiel Ein Puppenheim verläßt Nora ihren Mann und ihre drei kleinen Kinder, ausgerechnet an Weihnachten. Sie erkennt, daß sie Pflichten gegen sich selbst hat, und daß diese wichtiger sind als die Pflichten der Familie gegenüber. Wie kann sie die Pflichten sich selbst gegenüber wichtiger nehmen als alle anderen? Weil sie plötzlich erkennt, daß weder die soziale Ordnung noch die Religion ihr vorschreiben können, was sie zu tun hat; nur sie selbst kann es. Nora leiht sich mit einer gefälschten Bürgschaft Geld, um ihren Mann aus einer gesundheitlichen Krise zu retten, und wird dann erpreßt. Sie wird also aus Liebe schuldig. Ihr Mann, Helmer, verbirgt sich aber lieber hinter den herrschenden sozialen Konventionen als sich schützend vor sie zu stellen. In dieser enttäuschenden und aussichtslos erscheinenden Lage wählt sie zwischen dem Suizid und einem neuen, eigenen Leben. "So wie ich jetzt bin, bin ich keine Frau für Dich", leitet sie den Abschied ein. Und als Helmer sie nach den weiteren Aussichten ihrer Ehe frägt, meint sie, sie könne ihm nichts versprechen. Sie wisse nicht, was aus ihr werde. Nur wenn auf beiden Seiten "volle Freiheit" herrsche, könne das Wunder geschehen, daß das Zusammenleben eine Ehe werde.
Nora wählt ihr eigenes Leben, etwas dramatisch zwar, aber nach Kriterien, die eine moralische Wahl kennzeichnen. Eine solche Wahl setzt Gründe voraus, die eine Person vor sich selbst und vor anderen rechtfertigen kann. Nora entscheidet sich mit guten Gründen für ein eigenes Leben, weil sie sich damit zu sich selbst entscheidet. Sie befreit sich von ungerechtfertigten sozialen und moralischen Zwängen. Sie will als Person geachtet werden und sich selbst achten können. All dies kann sie vor sich und ihrem Mann rechtfertigen. Sie folgt dabei einem moralischen Selbstinteresse, keinem Eigeninteresse in einem engen instrumentell rationalen Sinn.
Item Type: | Book Section |
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Uncontrolled Keywords: | Autonomie, Ibsen, Flaubert, Conrad |
Subjects: | Philosophie > Philosophische Disziplinen > Ästhetik, Kunstphilosophie |
Depositing User: | sandra subito |
Date Deposited: | 06 Dec 2020 12:21 |
Last Modified: | 06 Dec 2020 12:21 |
URI: | http://sammelpunkt.philo.at/id/eprint/2055 |
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- Die Wahl des eigenen Lebens. (deposited 06 Dec 2020 12:21) [Currently Displayed]