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ein paraphilosophisches Projekt nicht in der Zeit, aber -- an der Zeit |
Autoren:
Aurel SchmidtLa Mettrie und die Lektion der LustBesprechung von: Ursula Pia Jauch, Jenseits der Maschine, 1998 In: Basler Zeitung, 19./20.12.1998 »Seit das Buch "Jenseits der Maschine" ... von Ursula Pia Jauch erschienen ist, müssen die Person La Mettries und die Zeit, in der er lebte, die Aufklärung, neu bewertet werden.« [Die 4-bändige deutsche Werkausgabe ist seit 1985/87 durchgehend lieferbar.] Vgl. hierzu Dieter Simon auf dieser Seite |
Stefan ZweifelOpium für PhilosophenBesprechung von: Ursula Pia Jauch, Jenseits der Maschine, 1998 U.d.T.: Opium für Philosophen. La Mettrie wütete mitten im 18. Jahrhundert als Rächer der verwaisten Sinne und enterbten Triebe -- eine Entdeckung. In: Die Weltwoche (Zürich), 24.12.1998 »Jetzt wurde dieser radikalste aller Aufklärer und Atheisten von Ursula Pia Jauch wiederentdeckt.« Zweifel, Übersetzer und aficionado des Marquis de Sade, ignoriert -- wie Jauch auf 600 Seiten -- bewusst, dass es Kondylis war, der La Mettrie bereits 1981 "wiederentdeckt" und "aus der Schublade 'Materialist' befreit" hat. Jauch hat La Mettrie dem Zeitgeschmack entsprechend zubereitet; Zweifel und die meisten der Rezensenten Jauchs können La Mettrie nun "frohen Herzens geniessen". (Jauchs Buch kam denn auch in der "SZ-Bestenliste" vom November 1998, nach 5 Titeln "gegen Hitler und Stalin", auf Platz 6). Es erstaunt deshalb kaum, dass allenthalben nicht nur Kondylis' grosse Studie zur Aufklärung , sondern auch die Interpretation La Mettries im LSR-Projekt -- und sogar die deutsche Ausgabe der Werke La Mettries im LSR-Verlag -- übergangen werden. 30.7.1999 26.09.2002: |
Holm TetensDie erleuchtete MaschineDas neurokybernetische Modell des Menschen und die späte Ehrenrettung für den Philosophen Julien Offray de La Mettrie In: Die ZEIT, 10.6.1999, S. 51 »In der Geschichte der Wissenschaft und des Geistes gibt es einige Prügelknaben; zu ihnen zählt ... La Mettrie. [...] Heute reagieren die meisten nicht minder empört auf La Mettries Gleichung Mensch=Maschine. ... Ist sie tatsächlich ein Angriff auf Vernunft, Moralität, Freiheit und Glück? Sehen wir zu.« Tetens, Philosophieprofessor in Berlin, zieht La Mettrie hier nur in wenigen einleitenden und abschliessenden Sätzen heran, und zwar als den Verkünder jener "Gleichung Mensch=Maschine" -- wofür er ihm ein ordentliches Lob als kühner Pionierdenker ausspricht. Nach der zeitgeistkonformen "weiblichen" (Ann Thomson, Birgit Christensen, Ursula Pia Jauch) "Ehrenrettung" des verfemten La Mettrie, die ihn als "Humanitären" und frühen Vorkämpfer für entsprechende heutige Ideologeme darstellt, wird hier das Muster für eine ebenso "aktuelle" "männliche" vorgelegt: La Mettrie als früher Vertreter von "hard core science". Das sind die beiden typischen Ausweichmanöver, die sich insofern ergänzen, als beide das Urteil befestigen wollen, dass La Mettrie den Heutigen, die die Aufklärung weit hinter sich wähnen, nichts mehr zu sagen hat. Die Funktion der Pose des "Ehrenretters" freilich ist leicht zu deuten. Tetens zieht jenes philosophiehistorische Stereotyp von La Mettrie als "homme machine" (das weder die aufklärerischen Zeitgenossen noch gar spätere Aufklärer je "provoziert" hat) offenkundig deshalb heran, um es weiter zu verfestigen -- vermutlich, weil er sich selbst provoziert fühlt: allerdings nicht von diesem klischierten, sondern (wie schon die Voltaire, Holbach, Diderot et al. -- dazu hier) von jenem La Mettrie, der, mit Tetens' Worten, einen denkerischen "Angriff auf Vernunft, Moralität, Freiheit und Glück" geführt hat. Und den gilt es, nachdem Kondylis ihn aus mehr als 200-jähriger Verbannung (partiell) befreit hat, niederzuhalten: denn der hätte den Heutigen durchaus etwas zu sagen, etwas, was sie offenbar partout nicht hören wollen. |
Ursula Pia JauchJenseits der MaschineMünchen: Hanser 1998 Auszug aus meinem Artikel Warum ausgerechnet La Mettrie ?: [...] In der jüngsten, mit 600 Seiten bisher längsten Studie über La Mettrie (von Ursula Pia Jauch) heisst es gegen Ende, gleichwohl in gebotener Beiläufigkeit: "La Mettries Glückstheorie ist weder genial, noch bringt sie -- mit Ausnahme der Gewissenstheorie -- etwas genuin Neues." (S. 561) Ist oder war ? Bringt oder brachte ? Und: warum wird abgestritten, die Theorie sei genial ? Hat das etwa jemand behauptet ? Vor allem: ist La Mettries Gewissenstheorie ein blosses Anhängsel seiner -- ohnehin "banalen" (ebd.) -- Glückstheorie, das sich abspalten und ignorieren lässt ? -- Die vielen, oft amüsanten Details dieser wissenschaftlichen Studie (Habilitationsschrift) sowie ihre ungewöhnliche Opulenz mögen darüber hinwegtäuschen, dass sie substantiell darauf hinausläuft, ein weiteres Mal von La Mettries "Gewissenstheorie" abzulenken, sie zu banalisieren und an den Rand seines Werkes zu drängen. Nur dem sehr kritischen Leser wird auffallen, dass der sonst stets von Sympathie getragene Ton an bestimmten Stellen wechselt, wie z.B. hier: La Mettries "Forderung, künftig in der Erziehung darauf zu achten, dass die Gewissensbisse nicht mehr weiter zum Lehrstoff gehören" -- Gewissensbisse als Lehrstoff ! Welcher Hohn, welcher Sarkasmus, wieviel Abwehr gegenüber La Mettries subtilen Ausführungen zur Introjektion des Über-Ichs ! -- sie sei "entwicklungspsychologisch freilich undifferenziert." Die differenzierte Stellungnahme bleibt natürlich aus. Das ist eine Rehabilitation à la Lange: Die Quintessenz der Philosophie La Mettries wird mit verstehender Geste als traumatisch bedingte Schrulle entschuldigt: jene "Forderung", so heisst es pseudo-analytisch, habe ihren Grund in "La Mettries ureigener Erfahrung im Umgang mit der religiösen Zerknirschung." (S. 555) Es liegt auf der Hand, dass es bei solcherart Bearbeitung eines Kapitels der Ideengeschichte nicht primär um Annäherung an die historische Wahrheit geht, sondern um Verwertung für die Gegenwart, also... [weiter in meinem Artikel Warum ausgerechnet La Mettrie ?] Sechs Jahre später stellte Jauch fest, dass La Mettrie dem Marquis d'Argens, der damals ebenfalls zur Entourage Friedrichs II gehörte, in vielerlei Hinsicht "zum Verwechseln ähnlich" war. Sie gibt in diesem Zusammenhang, als Professorin der Philosophie, eine bemerkenswerte Einschätzung des philosophischen Ranges von La Mettrie: Beide Autoren, d'Argens und La Mettrie, waren (u.a.) "glaubensfeste Apostel Epikurs. Und also erstaunt auch nicht, dass ein Dritter, der wissenschaftlich und philosophisch ebenfalls nicht unter die Bedeutenden des Dixhuitième zu rechnen ist [Casanova], in den beiden Statisten von Sanssouci sozusagen Gleichgesinnte erkannt ... hat." (Hervorh. BAL)Jauch, Ursula Pia: Wenn Therese philosophiert... Einige Fussnoten zum Verhältnis von d'Argens und La Mettrie. In: Der Marquis d'Argens, hg.v. Hans-Ulrich Seifert und Jean-Loup Seban. Wiesbaden: Harrassowitz-Verlag 2004, S. 139-152 (139f) siehe auch Jauch über Stirner siehe auch Jauch über Reich |
Winfried SchröderMoralischer Nihilismus.Typen radikaler Moralkritik von den Sophisten bis Nietzsche. Stuttgart: Frommann-Holzboog, 2002, 283 S. (alle Zitate von den S. 137ff und 155f) Parallel zu lesen mit Winfried Schröder über Max Stirner Schröder erkennt auch bei La Mettrie (wie bei Stirner) die singuläre Position des Denkers in seiner Epoche, speziell unter den Aufklärern: Schröder behandelt dennoch La Mettrie (wie Stirner) "nur am Rande", in wenigen Absätzen eines langen Kapitels (S. 125-156), das er dem Marquis de Sade widmet. Warum ? |
Dieter SimonJulien Offray de La Mettrie. Zum 250. TodestagGrusswort des Präsidenten der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zur Eröffnung des 1. wissenschaftlichen Kongresses über La Mettrie am 8. November 2001. In: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (Hg.): Berichte und Abhandlungen, Band 10. Berlin: Akademie-Verlag 2006, S. 165-168 »Sein [La Mettries] Werk ist allerdings mehr oder minder in Vergessenheit geraten. Für eine deutsche Gesamtausgabe hat sich bisher kein Finger geregt. L'homme machine, "Der Mensch eine Maschine", aus dem Jahre 1747, die wohl berühmteste seiner zahlreichen, angegifteten Abhandlungen, ist praktisch der einzige Titel, der heute in deutscher Sprache für jedermann mühelos zugänglich ist.« [ ... ] »Dass wir für eine Begegnung mit dem Autor La Mettrie ... nicht ganz von vorn beginnen müssen, dafür hat Ursula Pia Jauch gesorgt, deren fulminantes, 1998 bei Hanser erschienenes Buch...« Vgl. hierzu Aurel Schmidt auf dieser Seite |
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